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Paul Wulf - UWZ - Archiv

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Facharzt für Nerven- und Gemütsleiden, Dr. W. aus<br />

Amelsbüren, ein. Dieser stellte ‘Debilität’ und ‘lebhafte<br />

vasomotorische Erregbarkeit’ fest. <strong>Paul</strong> W. sei nicht mehr<br />

in der Lage, geistige Tätigkeiten jeglicher Art zu verrichten,<br />

er könne jedoch einfache leichte Hilfsarbeiten im<br />

Sitzen oder im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen oder<br />

Stehen ausführen. Gestützt auf diese beiden Gutachten<br />

wies das Sozialgericht am 23.1.1969 die Klage ab, da eine<br />

Berufsunfähigkeit nicht vorliege. Das Gericht führte in<br />

der Urteilsbegründung u. a. aus, daß auf dem allgemeinen<br />

Arbeitsmarkt Einsatzmöglichkeiten bestünden, die<br />

den Kräften und Fähigkeiten des Klägers entsprechen<br />

würden. In Betracht kämen etwa industrielle Hilfetätigkeiten,<br />

z. B. Montieren, Sortieren, Verpacken und<br />

Abfüllen.<br />

Es stellt sich die Frage, warum sich das Sozialgericht<br />

in seiner Urteilsfindung primär auf zwei nervenärztliche<br />

Gutachten gestützt hat, obwohl <strong>Paul</strong> W. seine Arbeitsunfähigkeit<br />

niemals mit einem Nervenleiden im weitesten<br />

Sinne begründet hat. Hier gewinnt ein weiterer<br />

Umstand eine ganz besondere Bedeutung. Aktenkundig<br />

war, daß <strong>Paul</strong> W. bei verschiedenen ärztlichen und<br />

stationären Behandlungen darauf hingewiesen hatte,<br />

seit 1951 an sporadisch auftretenden Krampfanfällen zu<br />

leiden. Aus diesem Grund hatte er sich 1965 einer vierwöchigen<br />

Kur in einer neurologischen Klinik unterzogen.<br />

Der ärztlichen Begutachtung liegen also drei entscheidende<br />

Prämissen zugrunde:<br />

l.) ist 1937 durch eine ärztliche Diagnose ‘angeborener<br />

Schwachsinn’ festgestellt worden,<br />

2.) treten seit 1951 Krampfanfälle auf und<br />

3.) behauptet der Kläger, durch die Sterilisation körperliche<br />

und psychische Schäden davongetragen zu haben.<br />

Dazu summieren sich weitere aktenkundige Faktoren: In<br />

den ärztlichen Berichten der LVA-Akte wird immer<br />

wieder auf das ungepflegte äußere Erscheinungsbild hingewiesen.<br />

Überdies ist <strong>Paul</strong> W. als ‘Querulant’ bekannt:<br />

seit Jahren führt er Prozesse gegen verschiedene staatliche<br />

Körperschaften.<br />

Das Bild rundet sich. Von Anfang an waren weder LVA<br />

noch Sozialgericht dazu bereit, sich auf die eigentliche<br />

Klagebegründung einzulassen bzw. ihre Rechtfertigung<br />

zu überprüfen: die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit<br />

durch Folgeschäden der Zwangssterilisation.<br />

Vielmehr haben sich Sozialgericht und LVA von vorneherein<br />

darauf beschränkt, was aktenkundig war: die<br />

scheinbar beobachtete Einschränkung der geistigen<br />

Leistungsfähigkeit von <strong>Paul</strong> W. Demzufolge war allein<br />

darüber zu verhandeln, ob die körperlichen und geistigen<br />

Kräfte des Klägers auf weniger als die Hälfte eines<br />

körperlich und geistig gesunden Versicherten herabgesunken<br />

waren. Die Faktizität der Aktenbeweislage<br />

schließt bei der Anamnese exogene Faktoren aus. Die in<br />

den Akten festgestellten endogenen Indikatoren von<br />

Geistesschwäche lassen Fragestellungen hinsichtlich<br />

psycho-sozialer Leistungsminderungen gar nicht erst<br />

aufkommen. Insofern erscheint die Einlassung des Klägers,<br />

seine psychisch bedingte Erwerbsunfähigkeit auf<br />

die Folgen der Zwangssterilisation zurückführen zu<br />

wollen, als obsolet.<br />

Nicht von ungefähr ähnelt diese Beweisaufnahme der<br />

juristischen Argumentation, die jede Entschädigung von<br />

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