Paul Wulf - UWZ - Archiv
Paul Wulf - UWZ - Archiv
Paul Wulf - UWZ - Archiv
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
„Die nicht vorhersehbare<br />
Spätentwicklung des<br />
<strong>Paul</strong> W.“<br />
Foto: Ralf Emmerich<br />
Wiedergutmachung eines Zwangssterilisierten<br />
im Nachkriegsdeutschland<br />
von Robert Krieg<br />
„Fassungslos steht die etwa 65 jährige Frau,<br />
ganz in Schwarz gekleidet, adrettes Hütchen auf<br />
dem Haar, vor der Bildtafel und liest immer wieder<br />
den Text. »Also das kann ich nicht glauben,<br />
daß Dr. Schlaaf so etwas gemacht hat - Ich bin<br />
seit dreißig Jahren Presbyterin, mein Vater war<br />
Mitglied der Bekennenden Kirche, ich habe<br />
zwanzig Jahre lang bei Dr. Schlaaf im Haushalt<br />
gearbeitet, also da hätte ich ja etwas merken<br />
müssen, wenn der so etwas gemacht hätte!« Was<br />
sie nicht glauben kann, hängt als Faksimile<br />
eines amtlichen Dokuments vor ihr: die genau<br />
geführte Liste der Zwangssterilsationen des<br />
Evangelischen Krankenhauses in Lippstadt,<br />
dem ihr Brötchengeber als Chefarzt vorstand.<br />
Die medizinischen Verbrechen, die unter dem<br />
Deckmantel der Erbgesundheitslehre begangen<br />
wurden, erzeugen trotz des Wissens um den<br />
nationalsozialistischen Holocaust eine besondere<br />
Fassungslosigkeit und Ungläubigkeit. 1<br />
Das nationalsozialistische Regime war noch kein halbes<br />
Jahr an der Macht, als am 14.7.1933 das ‘Gesetz zur Verhütung<br />
erbkranken Nachwuchses’ verabschiedet wurde.<br />
§ l, Abs. 2 und 3 definiert die Betroffenen: »Erbkrank im<br />
Sinne dieses Gesetzes ist, wer an einer der folgenden<br />
Krankheiten leidet: angeborenem Schwachsinn, Schizophrenie,<br />
zirkulärem (manisch-depressivem) Irresein,<br />
erblicher Fallsucht, erblichem Veitstanz, erblicher Blindheit,<br />
erblicher Taubheit, schwerer körperlicher Mißbildung.<br />
Ferner kann unfruchtbar gemacht werden, wer an<br />
schwerem Alkoholismus leidet.«<br />
Mit explizitem Hinweis auf Hilfsschüler trat das<br />
Gesetz am 1.1.1934 in Kraft. Erbgesundheitsgerichte<br />
7