Paul Wulf - UWZ - Archiv
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Vorwort<br />
Als mich <strong>Paul</strong> <strong>Wulf</strong> zum letzten Mal im März 1999 in Köln besuchte, war mir trotz seiner schweren Herzkrankheit<br />
nicht bewußt, daß wir uns möglicherweise zum letzten Mal sehen würden. An seinem Geburtstag im Mai<br />
wünschte ich ihm, daß er nun „die 80 auch noch vollmachen“ würde. Eine Woche vor seinemTod rief er mich an:<br />
„Kannst du mal nach Münster kommen, wir müssen überlegen,wo meine Bücher und Unterlagen hinkommen<br />
sollen, wenn ich nicht mehr bin.“ Ich war sofort alarmiert. Noch nie hatte <strong>Paul</strong> in dieser Deutlichkeit über die<br />
Zeit nach seinem Tod gesprochen. Sehr beunruhigt versprach ich ihm, ihn so bald wie möglich zu besuchen.<br />
Doch dazu kam es nicht mehr.<br />
In dieser Broschüre sind einige alte und neue Texte versammelt, die sich mit dem Antifaschisten und Freidenker<br />
<strong>Paul</strong> <strong>Wulf</strong> beschäftigen. Sie geben in erster Linie Auskunft über den „politischen“ Menschen, der „private“<br />
Mensch kommt in ihnen nur am Rande vor. Leider ist es keinem von uns – seinen Freunden und zeitweiligen<br />
Mitstreitern – bisher gelungen, etwas aufzuschreiben von der persönlichen Seite <strong>Paul</strong> <strong>Wulf</strong>s, seiner lebenslangen<br />
Suche nach Aufmerksamkeit und Verantwortung. Seiner großen Einsamkeit und seinem Wunsch nach Liebe und<br />
Partnerschaft. Vielleicht wird das zu einem späteren Zeitpunkt und unter weniger Zeitdruck – diese Broschüre<br />
sollte druckfertig zur Gedächtnisveranstaltung in Münster vorliegen – noch gelingen. Ich persönlich möchte sie<br />
nicht missen, die bewegenden und nachdenklichen Momente, die mich mit <strong>Paul</strong> verbinden und die mein Leben<br />
reicher gemacht haben. Und auch die urkomischen nicht, als mir <strong>Paul</strong> vor vielen Jahren anläßlich eines Sommer-<br />
Camps unverhofft aus einem winzigen Zelt in der Nähe von Paris entgegengrinste oder aber völlig verschwitzt<br />
und erschöpft nach 48stündiger Fahrt mit Kofferkuli und Umhängetasche den steilen Weg zu einem italienischen<br />
Dorf hinunterkam und in laute Freudenrufe ausbrach, als er mich endlich auf der Piazza fand. Noch heute<br />
erinnern sich einige Dorfbewohner mit Vergnügen an dieses Zusammentreffen. Die gemeinsame Reise nach<br />
Lugano ist ein Traum geblieben,– mit spitzbübischer Begeisterung konnte sich <strong>Paul</strong> in allen Farben ausmalen, wie<br />
wir im Spielcasino von Lugano ein paar Tausender auf den Kopf hauen würden, wenn es doch noch unverhofft zu<br />
einer weiteren Zahlung von Wiedergutmachungsgeldern kommen würde.<br />
Keiner der abgedruckten Texte ist originär für diese Broschüre entstanden, sie sind im Lauf der Jahre und unmittelbar<br />
nach <strong>Paul</strong>s Tod an unterschiedlichen Stellen erschienen. Aus Gründen der Leserlichkeit und um textliche<br />
Überschneidungen zu vermeiden, haben wir die einzelnen Aufsätze und Erinnerungen so weit wie möglich<br />
gekürzt und dabei darauf geachtet, ihren Kontext nicht in Mitleidenschaft zu ziehen und ihre wichtigen Aussagen<br />
zu bewahren.<br />
Den Mangel an Persönlichem haben wir auszugleichen versucht durch<br />
Fotos, Bilder und Postkarten, Quittungen,Texte und Notizen, die wir in<br />
<strong>Paul</strong>s Nachlaß gefunden haben. Sie sagen etwas aus über seine große Unrast<br />
und seine selbstgewählten Fluchtburgen, seine Reiselust und seinen<br />
Wunsch nach Beständigkeit, nach dem Ankommen und Aufgehen im Hier<br />
und Jetzt. Häufig hielt <strong>Paul</strong> diese Momente mit seiner Polaroid-Kamera fest.<br />
Viele der Fotos verschenkte er noch an Ort und Stelle, manche behielt er für<br />
sich, andere sind verschollen.<br />
Die von ihm selbstverfassten Gedichte und Traktate sind auf ihre Verständlichkeit<br />
und Leserlichkeit hin überarbeitet worden bei weitestgehender<br />
Berücksichtigung ihrer Originalität in Diktion und Tonlage. Texte, bei<br />
denen wir nicht sicher sind, ob sie ganz oder nur zum Teil aus <strong>Paul</strong>s Feder<br />
stammen, sind entsprechend gekennzeichnet.<br />
Nicht alle Leser werden die Gelegenheit gehabt haben, eine der Ausstellungen<br />
zu besuchen, in die <strong>Paul</strong> <strong>Wulf</strong> sein ganzes Herzblut hineinsteckte<br />
und die ihn über die Grenzen des Münsterlandes hinaus bekannt gemacht<br />
haben als antifaschistischen Mahner und Rufer nach Gerechtigkeit. Einige<br />
Bildtafeln, verbunden mit Zeitungsartikeln und Plakaten, die auf die<br />
Zeichnung von <strong>Paul</strong> <strong>Wulf</strong><br />
Ausstellungen hinweisen, sind in die Broschüre mitaufgenommen worden.<br />
Dabei ist es uns weniger um die Lesbarkeit der einzelnen Texte und Zitate<br />
gegangen. Wir wollten vielmehr einen Gesamteindruck von ihrer gestalterischen Kreativität und Intensität vermitteln,<br />
die mit einfachsten Mitteln und ohne ihren autodidaktischen Hintergrund zu verleugnen, den Betrachter<br />
in ihren Bann zieht. So bleibt zu wünschen, daß diese greif- und erlebbaren Ergebnisse einer lebenslangen Suche<br />
nach Gerechtigkeit und Wahrheit auch in Zukunft der Öffentlichkeit erhalten bleiben und im Rahmen des Instituts<br />
Villa ten Hompel seine verdiente Würdigung erhalten.<br />
Robert Krieg