Motorradkurier 03-06.indd
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sächlich kaum ohne gänzlich bedrückte<br />
Stimmung ertragen – ausser man<br />
gönnt sich selbst immer wieder Erholungspausen<br />
von der sinnlos geopferten<br />
Generation. Lokalitäten dafür gibt<br />
es genug: Sei es die kleine französische<br />
Dorfbar, sei es eine Stadtbesichtigung<br />
oder ein Besuch des Disney-<br />
oder Asterixparks vor den Toren von<br />
Paris – und natürlich die Seinemetropole<br />
selbst. Mit dem Töff werden gottlob<br />
sogar die Verbindungsstrecken zur<br />
erfrischenden Kraftquelle für Zeitreisende.<br />
Tags darauf cruisen wir gemütlich<br />
durch die letzten Ausläufer der Vogesen<br />
Richtung Nordwesten, vorbei an<br />
Metz. Die Hügellandschaft zwischen<br />
Maas und Mosel steigert unsere Urlaubslaune<br />
erheblich, und die Wing<br />
taucht mit ihrer Besatzung ein in die<br />
Provinz Frankreichs, wo die Uhren<br />
noch anders ticken. In den Dörfern<br />
entlang unserer Nebenstrecke scheint<br />
die Zeit stillzustehen. Nur selten<br />
kommt uns ein Fahrzeug entgegen.<br />
Vorbei an neongelb leuchtenden Rapsfeldern<br />
folgen wir der kerzengeraden<br />
D 904 nach Toul. Soll noch einer sagen,<br />
Lothringen besteht nur aus Fabrikschloten<br />
und Schlachtfeldern. Auf<br />
dem Campingplatz in Verdun erwarten<br />
uns dann doch die ersten Touristenbroschüren<br />
mit bedrückenden Fotos<br />
vom Schlachtfeld vor den Toren der<br />
Stadt.<br />
Fahrschule<br />
GRUBER<br />
Ulm<br />
Dreikönigsgasse 17<br />
Mo. u. Mi 18.00 Uhr<br />
NU/Ludwigsfeld<br />
Memminger Str. 147<br />
Di. u. Do. 18.00 Uhr<br />
Neu-Ulm<br />
Bahnhofsplatz 1<br />
Mo. u. Mi. 18.00 Uhr<br />
Verdun und Versailles<br />
«Verdun, Versailles? Wie kann es sein,<br />
dass französische Städte das Schicksal<br />
Deutschlands, ja Europas so massgeblich<br />
beeinflusst haben?», fragt sich Gabi.<br />
Im Falle Versailles sind es die Ereignisse<br />
von 1871, welche am Ende des<br />
ersten deutsch-französischen Krieges<br />
in der Stadt des Sonnenkönigs zur<br />
Proklamation des Deutschen Reiches<br />
geführt haben. Es hat schon etwas mit<br />
der den Deutschen nachgesagten Arroganz<br />
zu tun, dass ausgerechnet die<br />
Gründung des deutschen Reiches im<br />
besiegten Frankreich verkündet wurde.<br />
Eine Demütigung des Gegners.<br />
Und das Elsass fiel nach 232 Jahren<br />
französischer Herrschaft wieder an<br />
Deutschland. Frankreich und Deutschland<br />
wurden Erzfeinde. Zwei weitere<br />
Kriege mit Millionen Toten mussten<br />
noch folgen, bis dieser Hass endlich<br />
überwunden werden konnte. Heute<br />
sind die beiden Nationen Freunde. Die<br />
Herzlichkeit und Unvoreingenommenheit,<br />
mit der man als Deutscher in<br />
Anmeldung unter: 07 31/7 83 57<br />
Frankreich behandelt wird, könnte als<br />
positives Beispiel für Europa und Menschen<br />
verfeindeter Volksgruppen in<br />
den Krisenherden der Welt dienen.<br />
Eintracht sogar bei den Militärs: Soldaten<br />
beider Nationen tun Dienst in<br />
der Deutsch-Französischen Brigade.<br />
Die Armee der jungen deutschen Republik<br />
paradiert bei den Siegesfeiern<br />
zum Ende des Zweiten Weltkriegs auf<br />
den Champs-Élysées.<br />
Freiheit auch in Frankreich<br />
Frieden ist möglich<br />
Die Botschaft von Verdun jedoch ist<br />
eine andere: Krieg ist keineswegs die<br />
Fortsetzung der Politik mit anderen<br />
Mitteln, wie der preussische General<br />
Carl von Clausewitz postulierte, sondern<br />
das Versagen derselben. Im Geiste<br />
dieser Botschaft sehen sich die Stifter<br />
des Gebeinhauses von Verdun: Die<br />
Gedenkstätte wurde zur letzten Ruhe<br />
von 130 000 unbekannten deutschen<br />
und französischen Soldaten. Und Verdun<br />
ist Gott sei Dank auch nach fast<br />
90 Jahren weiterhin im Gedächtnis der<br />
Politik des alten Europa präsent. Die<br />
vielen Opfer waren so gesehen nicht<br />
ganz umsonst. Mit dieser Erkenntnis<br />
ertragen wir besser, was uns die Besichtigung<br />
des Schlachtfeldes von Verdun<br />
abfordert: Unvorstellbar ist das<br />
Leiden, das beispielsweise im Fort de<br />
Vaux beim Kampf um einzelne Gangabschnitte<br />
innerhalb der Kasematten<br />
der Festung herrschte. 14 Tage lang<br />
Gas, Flammenwerfer, Maschinenge-<br />
wehre. Am heftigsten bewegt uns<br />
aber die Besichtigung des Dorfes Vauban.<br />
Hier fand der berüchtigte Minenkrieg<br />
statt. Die Strategie: Mittels unterirdischer<br />
Stollen unter die gegnerischen<br />
Linien, dann in die Luft sprengen.<br />
Die Deutschen sprengten zuerst:<br />
Nicht weniger als 70 Tonnen Sprengstoff<br />
reissen einen 30 Meter tiefen Krater,<br />
wo vorher noch die Stellungen der<br />
Franzosen waren. Die erste deutsche<br />
Linie fliegt gleich mit in die Luft. Danach<br />
kommt eine wahnwitzige Rüstungsspirale<br />
in Gang: Stollen, Gegenstollen.<br />
Wer zündet zuerst? Dieser Horror<br />
sollte sich in Vauban über zwei<br />
Jahre hinziehen. Das Dorf ist vollständig<br />
pulverisiert worden. Man hat<br />
nichts mehr davon gefunden<br />
Paris<br />
Die Weiterfahrt durch die Champagne<br />
zwischen Epernay und Sézanne<br />
stimmt uns endlich auf die quirlige<br />
Metropole Paris ein. Zu beiden Seiten<br />
der Strasse sind die Rebstöcke für den<br />
Champagner zu sehen, den wir vielleicht<br />
bald im weltberühmten Lido in<br />
auf den Champs-Élysées trinken werden.<br />
Wir befinden uns in der Heimat<br />
des edlen Getränkes. Einige der Felder<br />
ziehen sich bis zum Horizont. Wenig<br />
später kämpfen wir uns durch die Probleme<br />
des 21. Jahrhunderts: überfüllte<br />
Strassen, zahllose Verkehrskreiseln<br />
und die Rushhour einer Millionenmetropole.<br />
Hier braucht es schon ein wenig<br />
Mut, es mit dem 1800er-Dickschiff<br />
den französischen Motards gleichzutun:<br />
Die brausen mit gut 40 bis 60 km/<br />
h zwischen den Kolonnen auf der<br />
sechsspurigen Ringautobahn durch.<br />
Klasse! Auch die Dicke passt durch.<br />
Zwischen Überholspur und zweiter<br />
Spur schaffen die Pariser Autofahrer<br />
eine Gasse. Trotz des toleranten «laissez<br />
faire» brauchen wir eine Stunde,<br />
um endlich unser Camp in Versailles<br />
zu erreichen. Puh, geschafft! Wir geniessen<br />
die Ruhe des idyllisch mitten<br />
in einem Eichenwald gelegenen Zeltplatzes.<br />
Morgen geben wir uns das<br />
volle Paris-Programm. Motorrad -Reisen<br />
bildet eben nicht nur – es macht<br />
auch Spass.<br />
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