Lebenslange Markenbindung - GfK Panel Services Deutschland
Lebenslange Markenbindung - GfK Panel Services Deutschland
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27. Unternehmergespräch Kronberg 2008<br />
Eine Publikation von <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong> und <strong>GfK</strong>-Nürnberg e.V.<br />
<strong>Lebenslange</strong> <strong>Markenbindung</strong><br />
Realität oder Illusion?
<strong>Lebenslange</strong> <strong>Markenbindung</strong><br />
Realität oder Illusion?
27. Unternehmergespräch Kronberg 2008<br />
Eine Publikation von <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong> und <strong>GfK</strong>-Nürnberg e.V.<br />
<strong>Lebenslange</strong> <strong>Markenbindung</strong><br />
Realität oder Illusion?
Impressum<br />
Herausgeber: <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong> und <strong>GfK</strong>-Nürnberg e.V.<br />
Redaktion + Gestaltung: Sommer Consulting, München<br />
Druck: Eugen Seubert GmbH, Nürnberg<br />
6. Ausgabe, Mai 2008<br />
© 2008 by <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong> + <strong>GfK</strong>-Nürnberg e.V.<br />
Alle Rechte vorbehalten
WILHELM WESSELS<br />
Forschen für die Marke …………………………………………………………………… 7<br />
Kronberg-Veranstaltung der <strong>GfK</strong> setzt Markenzeichen<br />
THOMAS BACHL<br />
Zwischen Preisschub und Konsumkontrolle …………………………………………… 11<br />
Verbraucher 2008 – Was treibt den Konsum?<br />
WOLFGANG TWARDAWA / DR. RAIMUND WILDNER<br />
Gibt es Treue für die Marke? ……………………………………………………………… 27<br />
<strong>Lebenslange</strong> <strong>Markenbindung</strong> – Realität oder Illusion?<br />
u Wie entsteht <strong>Markenbindung</strong>? ……………………………………………………… 30<br />
Positionierung, Prägung und Erinnerung als Erfolgsparameter<br />
u First Choice Buyer – das Rückgrat der Marke ……………………………………… 39<br />
Was heißt <strong>Markenbindung</strong> und wie entwickelt sie sich?<br />
u Das Alter(n) stärkt die (Marken-)Bindung ………………………………………… 49<br />
Die Bedeutung von Zeitgeist und Alterung für die <strong>Markenbindung</strong><br />
u Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong> ………………………………………………… 59<br />
Negative und positive Effekte durch den Lebenswelten-Übergang<br />
u Verbindlich, verbindend, verlässlich ………………………………………………… 71<br />
Die Rolle der Kommunikation für die <strong>Markenbindung</strong><br />
u Fazit: <strong>Lebenslange</strong> <strong>Markenbindung</strong> ist möglich …………………………………… 76<br />
First Choice Buyer – Leitwährung der Markenführung<br />
Inhalt
Forschen für die Marke<br />
Kronberg-Veranstaltung der <strong>GfK</strong> setzt Markenzeichen<br />
Die Marke ist bei der <strong>GfK</strong> in guten Händen:<br />
Seit mehr als fünf Jahrzehnten<br />
erhebt sie in ihren <strong>Panel</strong>s regelmäßig<br />
die Ausgaben der Verbraucher für Güter<br />
des täglichen Bedarfs. Seit Einführung<br />
der <strong>GfK</strong> Verbraucherforschung im Jahr<br />
1957 haben sich die Methoden natürlich<br />
stetig verfeinert, aber am Grundprinzip<br />
hat sich bis heute nichts geändert.<br />
Das Besondere an den <strong>GfK</strong> Verbraucher-<br />
panels ist, dass es hier nicht darum geht,<br />
was die Verbraucher meinen, fühlen,<br />
glauben oder wollen, sondern darum,<br />
was sie tatsächlich tun. Die <strong>GfK</strong> registriert<br />
in ihren <strong>Panel</strong>s das tatsächliche<br />
Verhalten der Verbraucher: was sie kaufen,<br />
wann sie es kaufen, wo sie einkaufen<br />
und wie viel sie für jeden einzelnen<br />
Artikel an der Kasse bezahlen. Diese<br />
Informationen liefern bereits für sich<br />
genommen, erst recht aber in Kombination<br />
mit anderen Daten ein komplexes<br />
Bild des Verbraucherverhaltens und<br />
Konsumgeschehens.<br />
Heute berichten 20.000 Haushalte im großen<br />
Haushaltspanel ConsumerScan und<br />
25.000 Einzelpersonen im Individualpanel<br />
ConsumerScan über ihre täglichen Einkäufe<br />
von Fast Moving Consumer Goods.<br />
Sie tun dies nicht mehr wie früher durch<br />
Ausfüllen eines Haushaltsbogens, sondern<br />
– ganz zeitgemäß – mittels eines<br />
elektronischen Tagebuchs bzw. online.<br />
Dadurch ist die Datenbasis heute um ein<br />
Vielfaches solider und valider.<br />
Wilhelm Wessels<br />
Mitglied des Vorstands<br />
der <strong>GfK</strong> Gruppe<br />
Die Datenerhebung im <strong>Panel</strong> ist aber Frage, wie sie ihre Position im<br />
bekanntlich nicht Selbstzweck, und der Wettbewerb aktuell verbessern<br />
Service der <strong>GfK</strong> erschöpft sich nicht in<br />
der Datenlieferung an ihre Kunden. Die<br />
immense Datenbasis ist vielmehr Grund-<br />
und langfristig sichern kann.“<br />
lage für die Erstellung<br />
langer Zeitreihen, für vielschichtige<br />
und detaillierte<br />
Analysen, die verwertbare<br />
Aussagen über die Entwicklung<br />
von Marken, Warengruppen<br />
und Sortimenten<br />
liefern. Solche Informationen<br />
sind unverzichtbar für 50 Jahre <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong>forschung<br />
die Markenführung der<br />
Stationen einer Erfolgsgeschichte<br />
Hersteller, aber auch für<br />
die Sortimentsplanung des<br />
Handels.<br />
<strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong> GmbH<br />
<strong>GfK</strong> Nürnberg e.V.<br />
7<br />
„Seit nunmehr 27 Jahren lädt die<br />
<strong>GfK</strong> die Top-Entscheider aus der<br />
FMCG-Industrie jeweils im Januar<br />
zu ihrem Unternehmergespräch<br />
ein. Hier wird das Marktgesche-<br />
hen des jeweils vergangenen<br />
Jahres präsentiert, einschließlich<br />
eines Ausblicks auf die kommen-<br />
den Monate. Im Zentrum steht<br />
jedoch die Marke selbst und die
8<br />
Forschen für die Marke<br />
Handelsmarken –<br />
Wachstum ohne Grenzen?<br />
Markenführung gegen ALDIisierung<br />
22. Unternehmergespräch Kronberg 2003<br />
<strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> Consumer Research GmbH<br />
<strong>GfK</strong> Nürnberg e.V.<br />
Doch damit noch nicht genug: Weil die<br />
<strong>GfK</strong> dank ihrer <strong>Panel</strong>s die Kaufgeschichte<br />
jedes einzelnen Teilnehmers kennt, muss<br />
sie die Konsumenten nicht nach den – subjektiven<br />
– Beweggründen für ihr Kaufverhalten<br />
fragen, sondern kann die Ursachen<br />
für ein bestimmtes, situationsbezogenes<br />
Kaufverhalten quasi objektiv bestimmen.<br />
Erst dadurch wird es möglich, Trends zu<br />
bestimmen und Potenziale aufzuzeigen.<br />
Unternehmergespräche in<br />
Kronberg: Im Zeichen der Marke<br />
Seit nunmehr 27 Jahren lädt die <strong>GfK</strong> die<br />
Top-Entscheider aus der FMCG-Industrie<br />
jeweils im Januar zu ihrem „Unternehmergespräch“<br />
ins altehrwürdige Schlosshotel<br />
Kronberg im Taunus ein. Hier wird<br />
das Marktgeschehen des jeweils vergangenen<br />
Jahres präsentiert, einschließlich<br />
eines Ausblicks auf die kommenden<br />
Monate. Im Zentrum steht jedoch die<br />
Marke selbst und die Frage, wie sie ihre<br />
Nachhaltig erfolgreiche<br />
Markenführung<br />
Von den Champions lernen<br />
23. Unternehmergespräch Kronberg 2004<br />
<strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> Consumer Research GmbH<br />
<strong>GfK</strong> Nürnberg e.V.<br />
Position im Wettbewerb verbessern und<br />
langfristig sichern kann.<br />
Der Erfolg des klassischen Markenartikels<br />
liegt sowohl den hochkarätigen Teilnehmern<br />
des Symposiums als auch der <strong>GfK</strong><br />
am Herzen. Dazu ist es nötig, dass man<br />
sich bisweilen auch mit den Wettbewerbern<br />
beschäftigt, so zum Beispiel beim<br />
Unternehmergespräch des Jahres 2003.<br />
2003: Markenführung gegen<br />
ALDIisierung<br />
Durch die Euro-Bargeldeinführung und<br />
den Discounterboom erlebten die Eigenmarken<br />
des Handels im fraglichen Jahr<br />
einen starken Wachstumsschub. Für die<br />
<strong>GfK</strong> ein Grund, dem Erfolgprinzip der<br />
Handelsmarken auf den Grund zu gehen.<br />
Im Mittelpunkt der umfassenden Studie<br />
stand die Frage: Warum kaufen die Verbraucher<br />
Handelsmarken und, damit verbunden:<br />
Führt ein Weg zurück zur Marke?<br />
Die Premiumkäufer<br />
Wege zur Wertschöpfung<br />
24. Unternehmergespräch Kronberg 2005<br />
<strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong> GmbH<br />
<strong>GfK</strong> Nürnberg e.V.
Konsumlust statt<br />
Konsumfrust<br />
Innovationen als Motor für blockierte Märkte<br />
25. Unternehmergespräch Kronberg 2006<br />
<strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong> GmbH<br />
<strong>GfK</strong> Nürnberg e.V.<br />
Das Buch, das die <strong>GfK</strong> im Jahr 2003 erstmals<br />
im Anschluss an eine Kronberg-<br />
Veranstaltung veröffentlichte, ist ein<br />
Plädoyer für starke Marken, die sich auf<br />
ihren Kern konzentrieren, und die ihre<br />
Botschaft an die Konsumenten in überzeugende<br />
Nutzenkonzepte und hochwertige<br />
Produkte verpacken.<br />
2004: Von den Champions<br />
lernen!<br />
Nach anfänglichen Schwierigkeiten<br />
gelang es den Vollsortimentern immer<br />
besser, den Discountern in der „Teuro“-<br />
Schlacht Paroli zu bieten, und sowohl<br />
Käufer als auch Umsatz ins eigene<br />
Lager zurückzuholen. Die <strong>GfK</strong> stellte die<br />
Frage, wie den Verbrauchern der Weg<br />
zurück zur Herstellermarke am besten<br />
geebnet werden könnte. Dabei zeigte<br />
sich, dass Innovationen ein entscheidender<br />
Schlüssel dazu sind. Dem Thema<br />
sollte zwei Jahre später ein ganzes Symposium<br />
gewidmet sein.<br />
Chancen für die Mitte<br />
Erfolge zwischen Premium- und Handelsmarken<br />
26. Unternehmergespräch Kronberg 2007<br />
<strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong> GmbH<br />
<strong>GfK</strong> Nürnberg e.V.<br />
2005: Premiumkäufer weisen<br />
Wege zur Wertschöpfung<br />
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten<br />
steigt die Bedeutung derjenigen Haushalte,<br />
denen es finanziell besser geht.<br />
Die <strong>GfK</strong> stellte in diesem Jahr den Premium-Käufer<br />
vor, seine Produktvorlieben,<br />
seine Marken- und seine Einkaufsstättenpräferenzen.<br />
Tatsächlich sind die<br />
Premium-Käufer bis heute eine Stütze<br />
für die Marke, und die Premium-Marken<br />
die entscheidenden Wachstumstreiber<br />
für die Herstellermarke.<br />
2006: Innovationen als Motor<br />
für blockierte Märkte<br />
Langsam bekommen die Verbraucher<br />
wieder Geschmack am Konsumieren.<br />
Doch wie kann man die wiedererwachte<br />
Einkaufslust unterstützen und in die richtigen<br />
Bahnen lenken? – Die <strong>GfK</strong> zeigte<br />
in einer detailreichen Studie auf, dass<br />
die Erfolgskriterien der Hersteller und<br />
Forschen für die Marke<br />
27. Unternehmergespräch Kronberg 2008<br />
Eine Publikation von <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong> und <strong>GfK</strong>-Nürnberg e.V.<br />
<strong>Lebenslange</strong> <strong>Markenbindung</strong><br />
Realität oder Illusion?<br />
9
10<br />
Forschen für die Marke<br />
Zur ANUGA, der weltweit<br />
größten Leistungsschau der<br />
Ernährungsindustrie, die alle<br />
zwei Jahre in Köln stattfindet,<br />
hat die <strong>GfK</strong> in Zusammenarbeit<br />
mit der Bundesvereinigung der<br />
Deutschen Ernährungsindustrie<br />
in den Jahren 2005 und 2007<br />
zwei viel beachtete Studien<br />
erstellt. In beiden Studien geht es<br />
um spezielle Konsumententypen,<br />
die durch ihre überdurchschnitt-<br />
liche Nachfrage bestimmten<br />
Sortimenten und Warengruppen<br />
außergewöhnliche Wachstums-<br />
chancen eröffnen.“<br />
die Erwartungen der Verbraucher an<br />
eine innovative Marke sich nicht immer<br />
decken. Nur „echte“ Innovationen weisen<br />
demnach den Weg aus der Stagnation,<br />
nicht aber „alte Hüte“. Für den<br />
Markenartikel, so das Fazit, sind Innovationen<br />
der Schlüssel zu neuen Käuferschichten.<br />
2007: Gibt es Erfolg für<br />
die Marken in der Mitte?<br />
Überall gerät die Mitte unter Druck, in<br />
der Politik, in der Gesellschaft und auch<br />
in der Markenwelt. Die <strong>GfK</strong> hat in einer<br />
aufwändigen Studie 450 Mittemarken<br />
untersucht und festgestellt: Einem Drittel<br />
von ihnen gelingt es, durch Konzentration<br />
auf bestimmte Nutzensegmente,<br />
Zielgruppen oder Distributionswege<br />
langfristig erfolgreich zu sein. Dank der<br />
Markentreue eines speziellen Käufertypus:<br />
des Mittemarken-Käufers.<br />
Consumers‘ Choice ‘05<br />
Trends in Food and Beverages<br />
Eine Publikation anlässlich der Anuga 2005<br />
A publication on the occasion of Anuga 2005<br />
2008: Gibt es lebenslange<br />
<strong>Markenbindung</strong>?<br />
Das diesjährige Thema ist quasi aus dem<br />
Leben gegriffen, denn zwischen dem<br />
„wirklichen“ Leben und dem Leben einer<br />
Marke gibt es vielfältige Ähnlichkeiten<br />
und Berührungspunkte. Das beginnt<br />
mit dem „Kennenlernen“ in der frühen<br />
Jugend und reicht bis ins hohe Alter.<br />
Aber hier wie dort gilt: Treue gibt es nicht<br />
geschenkt, man muss sie sich verdienen.<br />
Die Studie der <strong>GfK</strong> zeigt auf, wo gefährliche<br />
Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong><br />
liegen, und dass es immer auch eine<br />
„zweite Chance“ gibt.<br />
Zunächst jedoch, wie immer, ein Blick<br />
auf die aktuelle Situation der Wirtschaft<br />
generell und der Fast Moving Consumer<br />
Goods im Besonderen.<br />
Consumers‘ Choice ‘07<br />
Wellfood trend drives food markets<br />
Eine Publikation anlässlich der Anuga 2007<br />
A publication on the occasion of Anuga 2007
Zwischen Preisschub<br />
und Konsumkontrolle<br />
Verbraucher 2008 – Was treibt den Konsum?<br />
Seit einer Ewigkeit haben sich die Deutschen<br />
nicht mehr so sehr dafür interessiert,<br />
was in der „Wirtschaft” passiert,<br />
wie in den letzen Monaten. Bekanntlich<br />
hat man ihnen dort das Rauchen verboten,<br />
und deshalb rauchen jetzt die Köpfe<br />
auf der Suche nach Hintertürchen.<br />
Auch in der realen Wirtschaft sind die<br />
Verbraucher auf der Suche nach einem<br />
„Hintertürchen“: einem Ausweg aus der<br />
Preisspirale. Aber auch hier ist ihr persönlicher<br />
Handlungsspielraum begrenzt.<br />
Sie müssen sich fügen, aber sie tun es nur<br />
widerwillig, und das nicht erst neuerdings.<br />
Seit Jahren hinkt der private Konsum der<br />
allgemeinen Wirtschaftsentwicklung hinterher.<br />
In diesem Jahr wird das Wachstum<br />
laut Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose<br />
(vormals Gemeinschaftsgutachten<br />
der Wirtschaftsforschungsinstitute) wieder<br />
nur knapp ein Prozent betragen. 2007<br />
gingen die Ausgaben der privaten Haushalte<br />
sogar zurück. Erst 2009 soll der private<br />
Konsum etwas stärker ansteigen und<br />
sogar zum eigentlichen Träger des Wirtschaftswachstums<br />
werden.<br />
Konsum hinkt nach<br />
VÄ zum jeweiligen Vorjahr in %<br />
2006 2007 2008 2009<br />
Bruttoinlandsprodukt (real)<br />
2,9<br />
Verbraucherpreise<br />
1,6<br />
2,5<br />
2,3<br />
1,8<br />
2,6<br />
Privater Konsum (real)<br />
1,0<br />
- 0,4<br />
0,8<br />
1,4<br />
1,8<br />
1,2<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt (2006 / 2007);<br />
Prognose der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose<br />
(2008 / 2009)<br />
Thomas Bachl<br />
11<br />
Geschäftsführer<br />
<strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
„Die hohen und bis heute<br />
stetig steigenden Preise für<br />
Benzin und Heizöl haben die<br />
Verbraucher vorsichtig gemacht,<br />
was das Geldausgeben betrifft.<br />
Die im Sommer einsetzenden<br />
Preiserhöhungen für zahlreiche<br />
Lebensmittel und Getränke kamen<br />
daher zum denkbar schlechtesten<br />
Zeitpunkt. Im letzten Tertial des<br />
Jahres 2007 haben die Verbrau-<br />
cher sogar ihren Mengenkonsum<br />
eingeschränkt, um die Preiserhö-<br />
hungen auszugleichen.“
12<br />
Zwischen Preisschub und Konsumkontrolle<br />
Fast Moving Consumer Goods<br />
– besser als der Gesamtkonsum<br />
Wenn die Verbraucher sparen, fangen<br />
sie zuerst bei den größeren Dingen an.<br />
Das ist ein Grund dafür, dass die langlebigen<br />
Gebrauchsgüter seit vielen Jahren<br />
deutliche Umsatzeinbußen erleiden.<br />
Der andere Grund ist ebenfalls bekannt:<br />
Der Handel hat sich mit seinen permanenten<br />
Sonderangeboten selbst einen<br />
Verbrauchertypus herangezogen, der<br />
kaum noch etwas zum Normalpreis<br />
kauft, sondern so lange sucht, bis er sein<br />
„Schnäppchen“ machen kann.<br />
Seit der Konjunkturmotor in <strong>Deutschland</strong><br />
wieder besser läuft, geben die Verbrau-<br />
cher auch wieder mehr für Nonfood aus.<br />
Die Umsätze steigen seither zwar nicht<br />
stark, aber immerhin stetig.<br />
Der Einzelhandel mit Gütern des täglichen<br />
Bedarfs schneidet seit Jahren besser<br />
ab als der Nonfood-Handel, und in der<br />
Regel ist das Wachstum der Fast Moving<br />
Consumer Goods (FMCG) auch etwas stärker<br />
als das des privaten Konsums generell.<br />
Der Umsatzzuwachs des Lebensmitteleinzelhandels<br />
(einschließlich der Drogeriemärkte)<br />
lag 2007 bei 1,8 Prozent, fiel<br />
damit aber um knapp einen Prozentpunkt<br />
geringer aus als 2006. Unter Einschluss des<br />
Fachhandels lag der Umsatzzuwachs bei<br />
lediglich1,2 Prozent. Auch das ist deutlich<br />
weniger Wachstum als erwartet.<br />
Einzelhandel: Wachstum schwächt sich ab<br />
Ausgaben in Mrd. Euro – VÄ zum Vorjahr in %<br />
180<br />
150<br />
120<br />
2000<br />
169,1<br />
Nonfood*<br />
Lebensmittelhandel<br />
(inkl. Drogeriemärkte)<br />
129,2<br />
* Elektro/Textil/Hartwaren<br />
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />
163,2<br />
133,5<br />
152,0<br />
134,7<br />
149,5<br />
136,7<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan, <strong>GfK</strong> ConsumerScope<br />
147,6<br />
136,6<br />
146,1<br />
+ 1,2% + 0,6%<br />
147,9<br />
148,8<br />
142,7<br />
140,2<br />
136,6<br />
+ 2,7% + 1,8%<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
180<br />
150<br />
120
Die Gründe dafür liegen zunächst einmal<br />
auf „sachfremdem“ Gebiet. Nachdem<br />
die Verbraucher den Mehrwertsteueraufschlag<br />
wie erwartet schnell weggesteckt<br />
hatten, traf sie der Energieschock<br />
dafür umso kräftiger und nachhaltiger.<br />
Die hohen und bis heute stetig steigenden<br />
Preise für Benzin und Heizöl haben<br />
sie vorsichtig gemacht, was das Geldausgeben<br />
betrifft.<br />
Die im Sommer einsetzenden Preiserhöhungen<br />
für zahlreiche Lebensmittel und<br />
Getränke kamen daher zum denkbar<br />
schlechtesten Zeitpunkt. Im letzten Tertial<br />
des Jahres haben die Verbraucher sogar<br />
ihren Mengenkonsum eingeschränkt, um<br />
die Preiserhöhungen auszugleichen.<br />
Wachstumstreiber im LEH 2007<br />
13<br />
Zwischen Preisschub und Konsumkontrolle<br />
LEH 2007 – Wachstum nur<br />
dank höherer Preise<br />
Tatsächlich geht der gesamte Umsatzzuwachs<br />
des LEH im Jahr 2007 auf Preiserhöhungen<br />
zurück. Dazu gehören zunächst<br />
die Aufschläge infolge der Mehrwertsteuererhöhung.<br />
Obwohl die steuerbedingten<br />
Preissteigerungen gerade<br />
einmal gut 20 Prozent der FMCG-Artikel<br />
betreffen, sind sie ein entscheidender<br />
Wachstumsfaktor.<br />
Im dritten Quartal stiegen dann die Er-<br />
zeugerpreise für Molkerei- und Getreide-<br />
produkte abrupt und deutlich. Den Mar-<br />
kenartikelherstellern und dem Handel<br />
blieb gar nichts anderes übrig, als die<br />
Mehrausgaben für FMCG gegenüber Vorjahr in Prozentpunkten<br />
– 1,4<br />
+ 0,1<br />
- 0,5<br />
- 1,0<br />
Mengenzuwachs<br />
Gewinne aus dem<br />
Lebensmittelhandwerk<br />
Verluste durch<br />
Außer-Haus-Konsum*<br />
Minderkonsum<br />
infolge Preiserhöhungen<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
+ 1,8%<br />
* durch Zunahme der Beschäftigung<br />
LEH-Zuwachs<br />
durch…<br />
Wertzuwachs + 3,2<br />
Preiserhöhungen<br />
mehr Preispromotions<br />
Nachfrage nach<br />
höherwertigen Produkten<br />
+ 3,0<br />
- 0,3<br />
+ 0,5<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
14<br />
Zwischen Preisschub und Konsumkontrolle<br />
Teurer Lebensunterhalt<br />
gestiegenen Kosten für Rohstoffe, Verar-<br />
beitung und Transport an ihre Kunden<br />
weiterzugeben. Die Ankündigungen von<br />
Preiserhöhungen durch Discountunternehmen,<br />
teils in ganzseitigen Zeitungsanzeigen,<br />
haben es auch den übrigen<br />
LEH-Unternehmen erleichtert, einen Teil<br />
der hohen Beschaffungskosten an die<br />
Verbraucher weiterzugeben.<br />
Weil die Verbraucher gezwungenermaßen<br />
mehr bezahlen mussten, haben sie<br />
sehr viel seltener aus eigenem Antrieb<br />
höherwertige Produkte gekauft. In den<br />
Jahren zuvor hatten diese „Upgrade-<br />
Käufe” noch den entscheidenden Beitrag<br />
zum Wachstum des LEH geliefert.<br />
Da half es auch nichts, dass der Handel<br />
seine Preispromotions verstärkte, um die<br />
Kunden zum Kauf zu animieren. Trotz<br />
aller Bemühungen ist das Wertwachstum<br />
des LEH im Jahr 2007 geringer ausgefallen<br />
Entwicklung der Verbraucherpreise in <strong>Deutschland</strong> zwischen 1991 und 2008<br />
Indexwerte Jahr Monate 2007 – 2008<br />
91<br />
75,9<br />
92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02<br />
Index: 2005 = 100<br />
79,8<br />
100<br />
98,5<br />
96,9<br />
95,9<br />
94,5<br />
92,7<br />
90,0 90,9 91,4<br />
87,1<br />
88,3<br />
85,6<br />
83,3<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt<br />
03 04 05 06 07<br />
Obergrenze gemäß EU-Stabilitätspakt = 2,0%<br />
als erwartet, und zudem kamen die<br />
Wachstumsbeiträge ausschließlich von<br />
der Preisseite. Dagegen lag die Mengennachfrage<br />
im Lebensmitteleinzelhandel<br />
aufs Gesamtjahr gesehen – zum ersten<br />
Mal – um rund anderthalb Prozent unter<br />
dem entsprechenden Vorjahreswert.<br />
Gründe dafür sind zum einen die deutlich<br />
verbesserte Beschäftigungslage, die<br />
dazu führt, dass wieder öfter außer<br />
Haus gegessen wird, vor allem in Kantinen.<br />
Dadurch ist das Mengenergebnis<br />
des LEH im vergangenen Jahr um ein<br />
halbes Prozent geringer ausgefallen.<br />
Hinzu kommt ein Minus von einem Prozent<br />
aus tatsächlichem Minderkonsum,<br />
unter anderem durch geringere Bevorratung<br />
und durch einen bewussteren<br />
Umgang mit den gekauften Lebensmitteln<br />
(geringere Wegwerfrate).<br />
04 05 06 07 08 09 10 11 12 01 02 03<br />
105,6 105,8<br />
103,9 103,6 103,6 104,1 104,5<br />
101,6 106,3<br />
103,6 104,2 104,2 105,0 105,3<br />
2,1 2,1 2,1<br />
1,9<br />
2,2<br />
2,7<br />
3,2 3,1 3,1<br />
2,8 2,8 2,8<br />
Veränderungsrate gegenüber Vorjahresmonat in %<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
Teure Lebenshaltung<br />
irritiert die Verbraucher<br />
„Wir spüren nichts vom Aufschwung”, so<br />
zitieren die Medien enttäuschte Verbraucher.<br />
Diese hatten erwartet, dass die 2007<br />
endlich wieder etwas kräftiger ausgefallenen<br />
Lohnerhöhungen sie spürbar entlasten<br />
würden. Doch die Mehrwertsteuererhöhung,<br />
steigende Preise für Benzin,<br />
Heizung, Gesundheit und Altersvorsorge<br />
haben das zusätzliche „Netto” weitgehend<br />
aufgesaugt.<br />
Im letzten Tertial 2007 lag die offizielle<br />
Preissteigerungsrate im Monatsdurchschnitt<br />
bei rund drei Prozent, und dort<br />
verharrte sie auch noch in den ersten drei<br />
Monaten des Jahres 2008. Insgesamt gesehen<br />
ist das Leben für die Verbraucher<br />
damit binnen Jahresfrist um rund zweieinhalb<br />
Prozent teurer geworden. Doch<br />
das ist nur die eine Seite der Wahrheit, es<br />
gibt auch noch eine andere.<br />
Zwischen der offiziellen und der<br />
„gefühlten“ Inflation besteht eine spürbare<br />
Diskrepanz. Das liegt daran, dass<br />
die Verbraucher Preissteigerungen bei<br />
Produkten, die sie täglich benötigen, viel<br />
stärker wahrnehmen und als gravierender<br />
empfinden als bei Waren, die sie nur<br />
sporadisch kaufen. Nahrungsmittel und<br />
alkoholfreie Getränke sind im offiziellen<br />
Inflationsindex des Statistischen Bundesamts<br />
jedoch nur mit gut zehn Prozent<br />
gewichtet, während sie im Portemonnaie<br />
der Verbrauch dagegen spürbare<br />
Löcher reißen.<br />
15<br />
Zwischen Preisschub und Konsumkontrolle<br />
Verbraucherpreise März 2008<br />
Gesamt / nach Gütergruppen (Auszug)<br />
Veränderungsrate zum Vorjahresmonat in %<br />
Gesamtindex<br />
März 2008<br />
Nahrungsmittel,<br />
alkoholfreie Getränke<br />
Alkoholische Getränke,<br />
Tabakwaren<br />
Bekleidung / Schuhe<br />
Wohnung, Wasser,<br />
Strom, Gas etc.<br />
Einrichtungen,<br />
Haushaltsgeräte, etc.<br />
Verkehr<br />
Hotels und Gaststätten<br />
1,2<br />
0,9<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt<br />
1,9<br />
3,1<br />
2,9<br />
3,4<br />
4,6<br />
Im März 2008 lagen die Preise für Nahrungsmittel<br />
und alkoholfreie Getränke<br />
um gut acht Prozent über denen des<br />
Vorjahresmonats. Damit stiegen die<br />
Preise für Lebensmittel erneut rund<br />
dreimal stärker als die Lebenshaltungskosten<br />
insgesamt. In gerade einmal gut<br />
zwei Jahren sind Essen und Trinken für<br />
die Haushalte um fast zwölf Prozent<br />
teurer geworden. Das ist deutlich mehr<br />
als in jedem anderen großen Ausgabenbereich<br />
und übertrifft sogar die Preissteigerungen<br />
im Bereich Verkehr, worin<br />
unter anderem die Spritpreise an der<br />
Tankstelle einfließen.<br />
An der Spitze der Preisspirale standen<br />
erneut die Molkereiprodukte. Für frische<br />
Vollmilch mussten die Verbraucher fast ein<br />
Drittel mehr bezahlen als vor Jahresfrist,<br />
8,2<br />
Index: Jahr<br />
2005 = 100<br />
106,3<br />
112,3<br />
107,4<br />
102,3<br />
107,4<br />
102,3<br />
110,5<br />
105,5<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
16<br />
Zwischen Preisschub und Konsumkontrolle<br />
der Preis für Speisequark stieg um beinahe<br />
50 Prozent. Speisefette wurden um<br />
rund 15 Prozent teurer, Obst und Schokolade<br />
um elf bzw. dreizehn Prozent. Für<br />
Brot und Brötchen wurden acht Prozent<br />
mehr bezahlt, während das Grundprodukt<br />
Mehl um ein sattes Drittel teurer<br />
war als im Vorjahresmonat. Allerdings<br />
hat sich der Preisauftrieb gegenüber den<br />
Flächendeckend steigende Preise<br />
Teuerungsraten ausgew. Produkte im März 2008<br />
Inflationsrate ges.<br />
Kraftstoffe<br />
u Superbenzin<br />
u Diesel<br />
Leichtes Heizöl<br />
Strom<br />
Nahrungsmittel<br />
u Mopro/Eier<br />
u Frische Vollmilch<br />
u H-Milch<br />
u Speisequark<br />
u Butter<br />
u Fette/Öle<br />
u Obst<br />
u Brot/Getreideprod.<br />
u Mehl<br />
u Nudeln<br />
u Reis<br />
u Brötchen<br />
Alkoholfreie Getränke<br />
Tafelschokolade<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt<br />
VÄ Wert [%] zum Vorjahresmonat<br />
3,1<br />
12,3<br />
9,6<br />
7,2<br />
5,6<br />
8,6<br />
11,0<br />
8,7<br />
10,2<br />
8,2<br />
19,5<br />
15,9<br />
13,2<br />
19,8<br />
23,9<br />
31,0<br />
28,2<br />
26,3<br />
40,0<br />
46,6<br />
34,2<br />
letzten Monaten wieder verlangsamt. Im<br />
März 2008 waren Nahrungsmittel und<br />
alkoholfreie Getränke „nur“ um ein halbes<br />
Prozent teurer als im Februar 2008. Einige<br />
Produkte wurden sogar wieder billiger, so<br />
beispielsweise Butter mit einem Abschlag<br />
von fünf Prozent zum Vormonat.<br />
Im April haben dann die Discounter ihre<br />
Ladenpreise für Milch und Milchprodukte<br />
wieder deutlich gesenkt. Sie haben allerdings<br />
auch allen Grund, die Preisschraube<br />
wieder etwas zu lockern, denn die Preissteigerungen<br />
in dieser Vertriebsschiene<br />
haben das Preisführer-Image der Discounter<br />
merklich angekratzt.<br />
Die Discounter führen die<br />
Preissteigerungen an…<br />
In der Vergangenheit haben die Discounter<br />
Preissteigerungen im LEH immer zu<br />
ihren Gunsten nutzen können. Diesmal<br />
sind sie der entscheidende Antreiber der<br />
Preisrunde.<br />
Im März 2008 mussten die Verbraucher<br />
bei den Discountern fast 13 Prozent mehr<br />
für ihre Einkäufe bezahlen als im entsprechenden<br />
Vorjahresmonat. Die Kunden<br />
der Vollsortimenter ließen dagegen<br />
„nur“ gut sechs Prozent mehr Geld in der<br />
Kasse als vor Jahresfrist. Trotz des doppelt<br />
hohen Preisanstiegs bei den Discountern<br />
ist der absolute Preisabstand von Discountern<br />
und Vollsortimentern aufgrund<br />
des unterschiedlichen Ausgangsniveaus<br />
gleich geblieben. Die Discounterkunden
genießen also nach wie vor den gleichen<br />
absoluten Preisvorteil, müssen aber für<br />
ihre Einkäufe deutlich tiefer in die Tasche<br />
greifen. So sind die finanziell schwachen<br />
Haushalte von den Preiserhöhungen am<br />
stärksten betroffen, weil sie kaum Ausweichmöglichkeiten<br />
haben.<br />
Preisindex FMCG*<br />
Preisveränderung zum jeweiligen Vorjahresmonat in %<br />
17<br />
Zwischen Preisschub und Konsumkontrolle<br />
… und können am meisten<br />
davon profitieren<br />
© <strong>GfK</strong> ConsumerScan, Haushaltsindex Bezahlte Preise * ohne Frische<br />
Dies führt dazu, dass die Discounter<br />
erneut am stärksten von den Preisersteigerungen<br />
bei Lebensmitteln profitieren.<br />
So war das Umsatzwachstum der Discounter<br />
im letzten Tertial des Jahres 2007<br />
höher als in den beiden vorhergehenden<br />
2007 2008<br />
APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT NOV DEZ<br />
LEH+DM gesamt<br />
1,6 1,1 1,7 2,3 1,6<br />
Drogeriemärkte<br />
1,7 1,9 1,4<br />
Vollsortimenter<br />
1,9<br />
Discounter<br />
0,6<br />
1,8<br />
0,4 0,5 0,9 0,5<br />
2,2 2,2 2,8<br />
3,9<br />
3,0<br />
3,6<br />
2,2 2,3<br />
2,5<br />
5,6<br />
5,2<br />
4,2<br />
7,7<br />
1,7<br />
3,0<br />
5,9 5,9<br />
9,2<br />
9,9<br />
JAN FEB MAR<br />
6,2 6,4 7,0 7,4 8,0<br />
2,5<br />
5,5<br />
11,2<br />
0,2<br />
6,1<br />
11,5<br />
0,5<br />
6,4<br />
12,8<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
18<br />
Zwischen Preisschub und Konsumkontrolle<br />
Perioden. Der Umsatz der Vollsortimenter<br />
stieg dagegen in den Monaten September<br />
bis Dezember 2007 insgesamt<br />
schwächer als zuvor; vor allem bei den<br />
Supermärkten zeigten sich deutliche<br />
Unterschiede in der Umsatzverteilung.<br />
Auch zu Beginn des Jahres 2008 verzeichnen<br />
die Discounter deutlich höhere<br />
Wachstumsraten als die anderen Vertriebskanäle.<br />
Dies liegt unter anderem<br />
daran, dass Aldi bei FMCG auf den<br />
Wachstumspfad zurückgekehrt ist. Aber<br />
auch bei Verbraucher- und Supermärkten<br />
machen sich die Preissteigerungen<br />
inzwischen positiv bemerkbar. Nur die<br />
Drogeriemärkte, die keine (teureren)<br />
Lebensmittel verkaufen, stagnieren.<br />
Die Reaktion der Verbraucher:<br />
Zurückhaltung beim Konsum<br />
Zahlreiche Haushalte können die höheren<br />
Kosten für die Lebenshaltung nicht<br />
mehr dadurch kompensieren, dass sie ein<br />
weniger tiefer in die Haushaltskasse greifen<br />
– da ist oft einfach nichts mehr zu<br />
holen. So sagten im vergangenen Jahr<br />
26 Prozent aller Haushalte in <strong>Deutschland</strong><br />
von sich, dass sie sich fast nichts<br />
mehr leisten können; in jedem siebzehnten<br />
Haushalt reicht es sogar vorne und<br />
hinten nicht. Diesen Verbrauchern bleibt<br />
nichts anderes übrig, als ihren Konsum<br />
zu reduzieren. Aber nicht nur sie reagieren<br />
auf die drastischen Preissteigerungen<br />
mit Kaufzurückhaltung.<br />
Discounter profitieren von Preissteigerungen bei Lebensmitteln<br />
Umsatzanteile in % nach Handelspanelsystematik – ohne Fachhandel*<br />
2005 2006 2007* Vertriebsschienen<br />
VÄ Wert in % 2007* 2008*<br />
Jan - Dez Jan - Aug Sep - Dez Jan - Mar<br />
8,2 8,5 8,5<br />
24,6 24,4 24,0<br />
26,3 24,6 24,3<br />
40,9<br />
18,9<br />
7,9<br />
136,6<br />
+ 2,7<br />
42,5<br />
19,6<br />
8,6<br />
140,2<br />
43,2<br />
18,9<br />
9,3<br />
142,7<br />
Drogeriemärkte<br />
VM Total (ab 1.500 qm)<br />
Supermärkte (bis 1.499 qm)<br />
Discounter<br />
Aldi<br />
Lidl<br />
Mrd. Euro<br />
VÄ zum Vorjahr in %<br />
* eigene Berechnungen auf Basis <strong>GfK</strong> ConsumerScan, Bonsumme FMCG<br />
Quelle: IRI Grundgesamtheiten, Stand jeweils zum Jahresende<br />
2,6<br />
0,0<br />
0,9<br />
3,5<br />
-1,3<br />
10,2<br />
1,8<br />
2,9<br />
0,0<br />
1,2<br />
3,2<br />
-1,6<br />
10,1<br />
1,8<br />
2,0<br />
0,1<br />
0,2<br />
3,9<br />
-0,8<br />
10,3<br />
1,9<br />
-0,1<br />
3,2<br />
2,8<br />
6,9<br />
7,3<br />
10,9<br />
4,6<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
Im dritten Tertial des vergangenen<br />
Jahres haben alle Verbrauchergruppen<br />
ihre mengenmäßige Nachfrage im<br />
Lebensmitteleinzelhandel eingeschränkt.<br />
Entweder haben sie weniger konsumiert<br />
oder aber wenigstens andere, billigere<br />
Produkte gekauft.<br />
Dies gilt natürlich vor allem für die finanziell<br />
schwachen Haushalte, die in den<br />
letzten vier Monaten des Jahres fast<br />
sechs Prozent weniger Menge eingekauft<br />
haben als im gleichen Vorjahreszeitraum.<br />
Dadurch gingen in dieser<br />
Gruppe trotz der massiven Preissteigerungen<br />
auch die Ausgaben zurück.<br />
Auch die mittleren und selbst die finanziell<br />
gut gestellten Haushalte haben im<br />
19<br />
Zwischen Preisschub und Konsumkontrolle<br />
letzten Tertial ihre Mengennachfrage<br />
reduziert, aber immerhin noch zum<br />
Umsatzwachstum des LEH beigetragen,<br />
wenn auch nur über die höheren<br />
Preise. In den ersten beiden Tertialen<br />
des Jahres 2007 hatte es bei den kaufkraftstarken<br />
Haushalten dagegen noch<br />
einen echten Konsumanstieg gegeben,<br />
während bei den Haushalten der Mitte<br />
bereits ein Rückgang im Verbrauch festzustellen<br />
war.<br />
Insgesamt hat der LEH sein Umsatzwachstum<br />
im letzten Jahr ausschließlich<br />
über Preiserhöhungen realisiert. Dazu<br />
haben ihn eigene Kostensteigerungen<br />
gezwungen. Die Verbraucher zwängt<br />
das zurück in eine Preisfixierung, aus der<br />
sie sich gerade erst gelöst hatten.<br />
Konsumzurückhaltung durch Preisschub im 3. Tertial 2007<br />
Angaben in %<br />
Haushaltsverteilung<br />
Ausgabenverteilung FMCG<br />
Veränderung (Wert)<br />
Gesamtjahr 2007 : 2006<br />
Januar – August ’07, davon<br />
Preiseffekte<br />
Nachfrageeffekte<br />
Sept. – Dez. ’07, davon<br />
Preiseffekte<br />
Nachfrageeffekte<br />
© <strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
-3,4<br />
alle Haushalte Haushalte…<br />
… die sich fast nichts<br />
mehr leisten können<br />
-0,2<br />
1,8<br />
1,7<br />
1,9<br />
2,0<br />
5,4<br />
-5,9<br />
26%<br />
… die im Großen und<br />
Ganzen zurecht kommen<br />
… die sich fast alles<br />
leisten können<br />
47% 27%<br />
23% 47%<br />
30%<br />
-1,2<br />
-0,1<br />
-0,9<br />
0,4<br />
1,6<br />
5,0<br />
-0,8<br />
-2,9<br />
1,8<br />
1,3<br />
2,1<br />
2,7<br />
5,6<br />
-2,3<br />
1,9<br />
1,4<br />
3,2<br />
3,3<br />
3,0<br />
5,3<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
20<br />
Zwischen Preisschub und Konsumkontrolle<br />
Trotz steigender Preise:<br />
Qualitätsorientierung nimmt zu<br />
Trotz der Preissteigerungen hat die Qualitätsorientierung<br />
der Haushalte auch<br />
2007 weiter zugenommen. So achteten<br />
im vergangenen Jahr 47 Prozent aller<br />
Verbraucher beim Einkauf von Gütern<br />
des täglichen Bedarfs vor allem auf die<br />
Produktqualität. Das ist eine Steigerung<br />
um sechs Prozentpunkte gegenüber<br />
2003. Seinerzeit war die Qualitätsorientierung<br />
der Verbraucher infolge des<br />
„Teuro“-Schocks von 44 auf 41 Prozent<br />
eingebrochen. Allerdings ist für die<br />
Mehrheit der Verbraucher nach wie vor<br />
der Preis die entscheidende Orientierungsgröße<br />
beim Einkauf von FMCG.<br />
Sein Anteil an den Kaufentscheidungen<br />
liegt bei 53 Prozent.<br />
Qualitäts- versus Preisorientierung<br />
Angaben in %<br />
Beim Einkaufen<br />
achte ich vor<br />
allem auf…<br />
… die Qualität<br />
… den Preis<br />
1995 1997 1999 2001 2003 2005 2006* 2007*<br />
49 46 45 44 41 44 46 47<br />
51 54 55 56 59 56 54 53<br />
Quelle: <strong>GfK</strong>-Trendsensor Konsum 2005 ; *<strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
Naturgemäß fällt es den finanziell besser<br />
situierten Haushalten leichter, sich beim<br />
Einkauf von Wünschen statt von Preisen<br />
leiten zu lassen. In dieser Verbrauchergruppe<br />
räumen fast 60 Prozent der Qualität<br />
den höheren Stellenwert ein. Doch<br />
bereits für die Konsumenten aus der<br />
wirtschaftlichen Mitte hat der Preis die<br />
höhere Bedeutung, und für die finanziell<br />
schwachen Haushalte ist er nahezu<br />
durchgehend das einzige Kriterium.<br />
Die Frage ist nun, ob die seit Jahren<br />
stetige, nachhaltige Verbesserung der<br />
Qualitätsorientierung durch die massiven<br />
Preissteigerungen für Lebensmittel<br />
seit Herbst letzten Jahres einen Knacks<br />
bekommen hat. Ein Hinweis darauf<br />
könnte die aktuelle Markenpräferenz<br />
der Verbraucher sein.<br />
Haushalte…<br />
… die sich<br />
fast nichts<br />
mehr leisten<br />
können<br />
26%<br />
… die im<br />
Großen und<br />
Ganzen zurecht<br />
kommen<br />
… die sich<br />
fast alles<br />
leisten<br />
können<br />
47% 27%<br />
24 43 59<br />
76 57 41<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
Parallel zur wachsenden Qualitätsorientierung<br />
hat in den letzten Jahren auch<br />
der Marktanteil der Premium-Marken<br />
stetig zugenommen. Das sind Marken,<br />
deren Preis über dem Preis des jeweiligen<br />
Marktführers in der Warengruppe<br />
liegt, und die von den Konsumenten<br />
wegen ihrer herausragenden Produkteigenschaften<br />
und ihres speziellen<br />
Nutzenprofils bevorzugt werden.<br />
Sofern diese Marken Marktführer in<br />
ihrer Kategorie sind, wurden sie in der<br />
<strong>GfK</strong>-Analyse den „Marktführern“ zugeschlagen.<br />
Bei den Premium-Marken<br />
handelt es sich in der vorliegenden<br />
Betrachtung also ausschließlich um das<br />
Top-Produkt in der Warengruppe.<br />
Markt-Polarisierung setzt sich fort<br />
21<br />
Zwischen Preisschub und Konsumkontrolle<br />
Der wertmäßige Marktanteil dieser Premium-Marken<br />
ist zwischen 2004 und<br />
2007 um rund drei Prozentpunkte gestiegen.<br />
Das entspricht einem durchschnittlichen<br />
jährlichen Wachstum von<br />
acht Prozent. Am stärksten fiel die<br />
Umsatzsteigerung für diese Marken<br />
2005 aus, in dem Jahr, in dem sich die<br />
deutsche Wirtschaft aus der Talsohle<br />
befreite und der kräftige konjunkturelle<br />
Aufschwung einsetzte.<br />
Auch im Gesamtjahr 2007 stieg der<br />
Umsatz des Handels mit Premiummarken<br />
um fast sechs Prozent. Damit wuchs das<br />
Premiumsegment fast dreimal stärker als<br />
das der Handelsmarken. Zugleich stagnierten<br />
die marktführenden Marken, und<br />
die Mitte-Marken büßten erneut kräftig<br />
Marktanteile ein.<br />
Marktanteilsentwicklung Wert in % – Basis: 100 Warengruppen<br />
2004<br />
12,0<br />
15,2<br />
41,0<br />
31,8<br />
3,5<br />
2005<br />
13,7<br />
15,2<br />
38,2<br />
32,9<br />
4,1<br />
* ohne Marktführer; Durchschnittspreis (Marken) ≥ Preis Marktführer (+ 5 %)<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
2006<br />
14,1<br />
15,1<br />
36,4<br />
34,4<br />
4,5<br />
2007<br />
14,9<br />
15,3<br />
34,7<br />
35,1<br />
4,5<br />
Premium-Marken*<br />
Marktführer<br />
Mitte-Marken<br />
Handelsmarken / Aldi<br />
davon Mehrwert-HM<br />
VÄ Wert in %<br />
2006/2007 01-08/2007 09-12/2007<br />
0,4<br />
5,1<br />
2,6<br />
3,1<br />
0,4<br />
6,3<br />
2,6<br />
4,4<br />
1,1<br />
0,5<br />
2,8<br />
4,0<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
22<br />
Zwischen Preisschub und Konsumkontrolle<br />
Teilt man das Jahr 2007 aber in zwei<br />
Perioden auf, so zeigt sich, dass die<br />
Preiserhöhungen die Premiumkäufe<br />
spürbar ausgebremst haben. In den<br />
ersten acht Monaten des Jahres stieg<br />
der Umsatz mit Premiummarken noch<br />
um durchschnittlich 6,3 Prozent, in den<br />
letzten vier Monaten dagegen „nur“<br />
noch um 2,8 Prozent. Das ist immer noch<br />
Lidl: Profil über Marke und Premium<br />
Käuferreichweiten in % – FMCG Gesamt 2007 vs. 2006<br />
16%<br />
Marken-Präferenzen bei…<br />
ALDI LIDL<br />
11,5<br />
9,7<br />
63,4<br />
15,4<br />
93%<br />
exklusiv bei Aldi<br />
FMCG gesamt<br />
Marke<br />
- 2,2<br />
+ 2,3<br />
- 3,5<br />
+ 7,0<br />
- 1,3<br />
Preiseinstiegs-Handelsmarken<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
Aldi und Lidl<br />
zusammen<br />
70%<br />
bei Aldi und Lidl<br />
* Obst, Gemüse, Kartoffeln, Fleisch, Geflügel<br />
+ 22,6<br />
+ 8,4<br />
+ 4,7<br />
+ 12,0<br />
+ 10,2<br />
23,8<br />
12,2<br />
47,1<br />
16,9<br />
7%<br />
exklusiv bei Lidl<br />
FMCG gesamt<br />
Mehrwert-Handelsmarken<br />
Frische*<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
deutlich mehr als bei den übrigen<br />
Herstellermarken, einschließlich der<br />
Marktführer, und mehr als doppelt so<br />
viel wie im FMCG-Gesamtmarkt. Aber<br />
nur noch knapp die Hälfte dessen, was<br />
vor den Preiserhöhungen erzielt wurde.<br />
Die umgekehrte Entwicklung zeigt sich<br />
bei den Handelsmarken. Hier war das<br />
Wertwachstum nach den Preiserhöhungen<br />
stärker als zuvor. Bezeichnenderweise<br />
kamen auch die so genannten<br />
Mehrwert-Handelsmarken nur wenig<br />
voran.<br />
Die Marke bewahrt sich ihre<br />
Attraktivität – auch im Discount<br />
Trotz der offenbar wieder verstärkten<br />
Preissensibilität der Verbraucher, haben<br />
Marken und der Wunsch, etwas Besonderes<br />
(Premium) zu kaufen, für die<br />
Konsumenten nach wie vor hohen<br />
Stellenwert. Dies zeigt sich nicht nur<br />
an der wieder erstarkten Position der<br />
Vollsortimenter, sondern auch im Discount.<br />
Lidl beispielsweise profiliert sich<br />
seit vielen Jahren über sein wachsendes<br />
Sortiment an Herstellermarken. Mit<br />
dieser Strategie gewinnt Lidl beständig<br />
neue Kunden und Marktanteile hinzu.<br />
Lidl hat im Jahr 2007 fast ein Viertel<br />
seines gesamten FMCG-Umsatzes mit<br />
Herstellermarken verdient. Dieses Segment<br />
hat zudem mehr als doppelt<br />
so stark zum bekannt kräftigen Umsatzwachstum<br />
von Lidl im vergangenen Jahr
eigetragen als die Gesamtheit des<br />
Angebots. Nimmt man die Mehrwert-<br />
Handelsmarken hinzu, erwirtschaft Lidl<br />
knapp ein Drittel seines Umsatzes mit für<br />
einen Discounter eher ungewöhnlichen,<br />
hochwertigen Angeboten.<br />
Das Markenangebot führt Lidl offenbar<br />
eine finanzstärkere Klientel zu als dem<br />
Konkurrenten Aldi. Auch Aldi hat inzwischen<br />
einige starke Herstellermarken in<br />
seinem Sortiment. Aber Aldi hat, anders<br />
als Lidl, seinen Umsatz über dieses<br />
Segment nicht steigern können. Im<br />
Gegenteil: Der Umsatz mit Herstellermarken<br />
ging bei Aldi um gut zwei Prozent<br />
zurück. Und auch die Mehrwert-<br />
Handelsmarken brachten Aldi nicht so<br />
viel zusätzlich ein wie Lidl.<br />
Die Dominanz der klassischen Preiseinstiegs-Handelsmarken<br />
gehört zu den<br />
entscheidenden, klassischen Erfolgsfaktoren<br />
von Aldi. Aber genau das hat sich<br />
im letzten Jahr als Problem erwiesen.<br />
Aldi leidet wegen dieser Ausrichtung<br />
stärker unter wirtschaftlichen Flauten als<br />
andere Discounter, und eine größere<br />
Zahl der Aldi-Kunden hat sich wegen der<br />
Preiserhöhungen in der zweiten Jahreshälfte<br />
2007 überdurchschnittlich einschränken<br />
müssen. Das Resultat: ein<br />
Minus von 3,5 Prozent im Kerngeschäft.<br />
Lidl ist dagegen auch im Bereich der<br />
Preiseinstiegs-Handelsmarken um fast<br />
fünf Prozent gewachsen. Der Discounter<br />
bietet hier ebenfalls ein ausgewogenes<br />
und attraktives Sortiment. Hinzu kommt,<br />
23<br />
Zwischen Preisschub und Konsumkontrolle<br />
dass Lidl viele alte Filialen neu gestaltet<br />
und die Verkaufsflächen ausgeweitet<br />
hat, auch durch Neueröffnungen. Dies<br />
hat das Geschäft von Lidl insgesamt angetrieben<br />
und damit auch den Umsatz<br />
im Preiseinstiegsbereich. Schließlich war<br />
Lidl im letzten Jahr auch mit seinem<br />
Frischeangebot erfolgreicher als Aldi.<br />
Aus den Käuferreichweiten der beiden<br />
führenden Discounter ergibt sich für Lidl<br />
zudem die bessere Ausgangsposition für<br />
die Zukunft. Aldi und Lidl erreichen<br />
zusammen 93 Prozent aller Haushalte in<br />
<strong>Deutschland</strong>. Die meisten kaufen sowohl<br />
bei Aldi als auch bei Lidl ein.<br />
Zwar hat Aldi rund doppelt so viele<br />
Exklusivkunden wie Lidl, aber gerade<br />
diese Kundensegmente unterscheiden<br />
sich in ihrer Ausrichtung und Kaufkraft<br />
voneinander. Das Exklusiv-Segment von<br />
Lidl ist vom Profil her weitgehend identisch<br />
mit den Markenkäufern des<br />
schwäbischen Discounters. Und das<br />
sind zumeist die finanziell besser ausgestatteten<br />
Haushalte, die hier hohe<br />
Qualität zu günstigen Preisen einkaufen.<br />
So ist zwar auch Lidl, wie alle FMCG-<br />
Anbieter, von der allgemeinen Konsumstimmung<br />
abhängig, aber weniger als<br />
Aldi von der tatsächlichen Situation der<br />
finanzschwachen Haushalte, die derzeit<br />
ganz besonders unter den steigenden<br />
Preisen leiden.
24<br />
Zwischen Preisschub und Konsumkontrolle<br />
Konsumklima:<br />
„Preisknick“ überwunden<br />
Die Konsumstimmung der Verbraucher<br />
hat sich nach dem jähen Absturz zu<br />
Beginn des Jahres 2002 langsam aber<br />
stetig erholt. Seit Mitte des Jahres 2003<br />
ist der Konsumklima-Index der <strong>GfK</strong> nicht<br />
mehr unter den langjähringen Durchschnitt<br />
gesunken, allerdings auch nicht<br />
wieder auf Höhen wie gegen Ende des<br />
letzten Jahrhunderts geklettert. Dies gilt<br />
auch für die privaten Konsumausgaben,<br />
die sich weitgehend im Einklang mit der<br />
Konsumstimmung bewegen.<br />
Konsumklima<br />
Im Jahr 2007 gab es aber gleich zwei<br />
Kontinuitätsbrüche. Der eine lag zu<br />
Beginn des Jahres, als die Mehrwertsteuererhöhung<br />
in Kraft trat und – infolge<br />
vorgezogener Käufe – die Anschaffungen<br />
der Haushalte deutlich zurückgingen.<br />
Die rasche Erholung der Konsumstimmung<br />
brach aber ebenso abrupt<br />
wieder ab, als im August der massive<br />
Anstieg der Lebensmittelpreise einsetzte<br />
und die Verbraucher verschreckte. Doch<br />
die guten Nachrichten über die Konjunktur<br />
in <strong>Deutschland</strong> sind hier wohl wie der<br />
sprichwörtlich stete Tropfen, der den<br />
Stein höhlt.<br />
Reale Änderung ggü. dem Vorjahresmonat in % – Indikatorpunkte<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
- 2<br />
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008<br />
- 4<br />
- 40<br />
Reale Änderung ggü. Vorjahresmonat in % Indikatorpunkte<br />
Änderung ggü. Vorjahresmonat, real<br />
Private Konsumausgaben, real<br />
Quelle: Verbraucherumfrage der EU-Kommision;<br />
Privater Verbrauch: Stat. Bundesamt, <strong>GfK</strong> Marktforschung;<br />
Indikatorberechnung: <strong>GfK</strong> Marktforschung;<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
- 20
So zeigen sich die deutschen Konsumenten<br />
trotz andauernder Turbulenzen auf<br />
den Finanzmärkten und der nach wie vor<br />
hohen Lebensmittel- und Energiepreise<br />
in diesem Frühjahr wieder zuversichtlicher.<br />
Alle drei Indikatoren des <strong>GfK</strong> Konsumklima-Index<br />
wiesen im April 2008<br />
Zugewinne auf.<br />
Grundlage dafür sind in erster Linie der<br />
anhaltende Aufschwung am Arbeitsmarkt,<br />
aber auch die höheren Tarifabschlüsse<br />
der letzten Monate. Durch die<br />
steigende Beschäftigung schwindet die<br />
Angst vor der Arbeitslosigkeit immer<br />
Erwartungen des Konsumenten<br />
25<br />
Zwischen Preisschub und Konsumkontrolle<br />
weiter. Und die im Unterschied zu den<br />
letzten Tarifrunden bemerkenswerten<br />
Lohnsteigerungen nähren bei den Verbrauchern<br />
die Hoffnung, dass sie sich<br />
nun wirklich wieder etwas mehr leisten<br />
können.<br />
Es scheint also, dass die bereits für den<br />
Jahresbeginn vorhergesagte Erholung<br />
der Konsumkonjunktur – wenn auch<br />
etwas verspätet – nun doch einsetzt.<br />
Damit sich das Konsumklima auf Dauer<br />
positiv entwickelt, ist es freilich nötig,<br />
dass der Inflationsdruck im Verlauf der<br />
kommenden Monate nachlässt.<br />
Reale Änderung ggü. dem Vorjahresmonat in % – Indikatorpunkte<br />
80<br />
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008<br />
60 60<br />
40 40<br />
20 20<br />
0 0<br />
- 20 - 20<br />
- 40 - 40<br />
- 60<br />
- 60<br />
Indikatorpunkte Indikatorpunkte<br />
Konjunkturerwartung<br />
Einkommenserwartung<br />
Quelle: Verbraucherumfrage der EU-Kommision;<br />
Indikatorberechnung: <strong>GfK</strong> Marktforschung<br />
Anschaffungsneigung<br />
Preiserwartung<br />
80<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
26<br />
Zwischen Preisschub und Konsumkontrolle<br />
Perspektiven 2008:<br />
Preisentwicklung als Risikofaktor<br />
Worauf muss sich der Handel mit FMCG<br />
also einrichten? – Auf der Wetterkarte<br />
der Konsumentenstimmung gibt es von<br />
strahlendem Sonnenschein bis Sturm<br />
und Hagel alles im Angebot.<br />
So sollte der Beschäftigungsaufbau noch<br />
ein wenig anhalten, damit wäre dann<br />
für eine stabile Hochdruckwetterlage<br />
gesorgt. Die eine oder andere Konjunkturwolke,<br />
die aus dem Ausland (sprich:<br />
Außenhandel) hereinziehen könnte,<br />
ändert daran nichts. Eher schon der<br />
Außer-Haus-Konsum, der sich infolge<br />
der höheren Beschäftigung (Kantinen)<br />
und der leicht steigenden Realeinkommen<br />
dämpfend auf die Umsätze des<br />
Konsumentenstimmung<br />
2007/2008 für den LEH<br />
Arbeitsplätze /<br />
Beschäftigung<br />
Konjunktur<br />
Realeinkommen<br />
Out of Home<br />
Verbraucherpreise<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
150<br />
140<br />
Gemäßigtes Wachstum<br />
Ausgaben in Mrd. Euro – VÄ in %<br />
2006 2007 2008*<br />
147,9<br />
Nonfood**<br />
LEH + DM<br />
140,2<br />
+ 0,6%<br />
+ 1,8%<br />
148,8<br />
142,7<br />
* Prognose ** Elektro/Textil/Hartwaren<br />
Basis: <strong>GfK</strong> Verbraucherpanels<br />
+ 1/2%*<br />
+ 3%*<br />
149,6<br />
147,1<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
LEH auswirken könnte. Allerdings ist<br />
die Schlechtwetter-Preisfront immer<br />
noch nicht abgezogen, und wenn sich<br />
der Wind hier wieder dreht, droht<br />
Ungemach.<br />
Dem Handel mit Gütern des täglichen<br />
Bedarfs prognostiziert die <strong>GfK</strong> auf dieser<br />
Grundlage wechselhaftes Wetter: Das<br />
Umsatzwachstum von rund drei Prozent<br />
geht wohl auch in diesem Jahr vornehmlich<br />
auf die höheren Preise für Lebensmittel<br />
zurück und weniger auf steigende<br />
Mengennachfrage oder höherwertigen<br />
Konsum.<br />
Folglich kommt es für die Anbieter von<br />
FMCG umso mehr darauf an, dass sie ihre<br />
Stammkunden behalten und neue Kundenpotenziale<br />
erschließen. Der Schlüssel<br />
dazu heißt: <strong>Markenbindung</strong>.<br />
150<br />
140
Gibt es Treue für die Marke?<br />
<strong>Lebenslange</strong> <strong>Markenbindung</strong> – Realität oder Illusion?<br />
Treue ist eine Frucht vieler Erfahrung und<br />
entsteht nicht im Augenblick. – Diesen<br />
durch und durch modernen Gedanken<br />
hat der deutsche Dichter und Gelehrte<br />
Wilhelm Heinse, ein Zeitgenosse Goethes,<br />
vor mehr als 200 Jahren niedergeschrieben.<br />
Natürlich hatte er dabei die<br />
Treue von Mann und Frau im Blick, wie<br />
wohl die meisten, wenn sie an Treue denken.<br />
Im Kern gilt Heinses Gedanke über<br />
die Treue aber auch für die Bindung der<br />
Verbraucher zur Marke, für ihre Markentreue.<br />
Ziel jeder Markenführung ist der Aufbau<br />
von Präferenzen für die Marke, um<br />
zunächst Verbraucher zum Kauf dieser<br />
Marke zu bewegen und sich dann bei<br />
den Wiederkäufern eine lang andauernde<br />
<strong>Markenbindung</strong> zu sichern. In<br />
diesem Bestreben unterscheiden sich<br />
die Markenartikelhersteller nicht von<br />
„gewöhnlichen“ Menschen. Auch diese<br />
müssen attraktiv sein, um den oder die<br />
Umworbene zu überzeugen und schließlich<br />
fürs Leben an sich zu binden. Doch<br />
oft ist alle Mühe umsonst, wie man weiß<br />
– im einen wie im anderen Fall.<br />
Die Hersteller von Gütern des täglichen<br />
Bedarfs konzentrieren sich heute nahezu<br />
ausschließlich auf die Gewinnung neuer<br />
Käufer, da lang anhaltende <strong>Markenbindung</strong><br />
bei den Treuekäufern unterstellt<br />
wird.<br />
Dabei müsste bereits der Blick auf<br />
die zumeist bestenfalls stagnierende<br />
Umsatzentwicklung der Marken ein paar<br />
kritische Fragen aufwerfen: Wie erfolgreich<br />
ist eigentlich das Neukunden-<br />
Marketing, wenn man Kundentreue wie<br />
beschrieben unterstellt? Oder ist es am<br />
Ende um die <strong>Markenbindung</strong> doch nicht<br />
so gut bestellt? Müssen neue Kunden<br />
die Löcher stopfen, die nur vermeintlich<br />
treue, in Wahrheit aber umherschweifende<br />
Konsumenten aufreißen?<br />
In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen,<br />
wie realistisch die Annahme<br />
einer lebenslangen <strong>Markenbindung</strong> ist,<br />
wie sich die <strong>Markenbindung</strong> in den letzten<br />
Jahren entwickelt hat und wo ihre<br />
Stützen bzw. Bruchstellen liegen.<br />
Wolfgang Twardawa<br />
Division Manager Marketing<br />
27<br />
<strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
„Achtzig Prozent der Marketing-<br />
manager aus der FMCG-Industrie<br />
glauben, dass die Markenbin-<br />
dung seit Jahren konstant oder<br />
sogar gestiegen ist – eine<br />
Fehleinschätzung, mit fatalen<br />
Folgen für das Marketing.“<br />
Dr. Raimund Wildner<br />
Geschäftsführer<br />
<strong>GfK</strong>-Nürnberg e.V.<br />
„Starke Marken behalten ihre<br />
Bevorzugung im Bewusstsein der<br />
Verbraucher, auch wenn sie aktu-<br />
ell nicht gekauft werden. Folge:<br />
Jedes dritte gekaufte Produkt ist<br />
nicht das Wunschprodukt.“
28<br />
Gibt es Treue für die Marke?<br />
Käuferwanderung<br />
contra Markentreue<br />
Die Jahre nach der Jahrtausendwende<br />
sind für den Lebensmitteleinzelhandel<br />
bis heute eine Aneinanderreihung von<br />
Prüfungen und Herausforderungen. Es<br />
begann mit den Terroranschlägen vom<br />
September 2001, die das Wertegefüge<br />
der Menschen erschütterten und zu<br />
einem plötzlichen und spürbaren Einbruch<br />
des Konsums führten. In Europa<br />
wurde drei Monate später der Euro als<br />
allgemein geltendes Zahlungsmittel eingeführt,<br />
den die Verbraucher als Teuro<br />
erlebten und der die Nachfrage nach<br />
Gütern des täglichen Bedarfs in <strong>Deutschland</strong><br />
in den folgenden Jahren in erheb-<br />
Vertriebsschienenanteile im LEH<br />
Nach Handelspanelsystematik – ohne Fachhandel<br />
Vollsortimenter<br />
Verbraucher- /<br />
Supermärkte<br />
Discountierende<br />
LEH-Discounter /<br />
Drogeriemärkte<br />
Mrd. Euro<br />
VÄ z.Vj. in %<br />
Umsatzanteile in %<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007*<br />
60,4 58,6 55,4 53,7 52,3 50,9 49,0<br />
39,6 41,4<br />
44,6 46,3 47,7 49,1<br />
51,0<br />
48,3<br />
51,7<br />
129,2 133,5 134,7 136,7 136,6 136,6 140,2 142,7<br />
+ 3,3 + 0,9 + 1,5<br />
± 0 - 0,1 + 2,7 + 1,8<br />
Quelle: IRI Grundgesamtheiten, Stand jeweils zum Jahresende,<br />
* eigene Berechnungen auf Basis <strong>GfK</strong> ConsumerScan, Bonsumme FMCG<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
lichem Umfang zu den Discountern und<br />
zu deren Handelsmarken verschob.<br />
Verstärkt wurde diese Käuferwanderung<br />
durch die Sozialreformen der Bundesregierung<br />
in den Jahren 2003 bis 2005,<br />
die den Haushalten zum Teil erheblich<br />
höhere Belastungen für die Gesundheitsvorsorge<br />
und für die Alterssicherung<br />
auferlegten. Schließlich sorgte die<br />
im Herbst 2005 angekündigte Mehrwertsteuererhöhung<br />
für vorgezogene Käufe<br />
bei langlebigen und vergleichsweise<br />
teuren Gebrauchsgütern, was nach dem<br />
Inkrafttreten der Steuererhöhung am<br />
1. Januar 2007 eine leicht verzögerte,<br />
aber dafür umso tiefere Nachfragedelle<br />
im gesamten Konsum nach sich zog.<br />
Seit dem Jahr 2000 haben sich, bedingt<br />
und angetrieben durch diese Ereignisse,<br />
die Marktanteile im deutschen Lebensmittelhandel<br />
massiv verschoben. Die<br />
discountierenden Vertriebsschienen –<br />
Lebensmitteldiscounter und Drogeriemärkte<br />
– konnten ihren Umsatzanteil bis<br />
2007 um zusammen 12 Prozentpunkte<br />
auf rund 52 Prozent aufbauen, während<br />
der wertmäßige Marktanteil der Vollsortimenter<br />
von ehedem 60 Prozent auf<br />
heute 48 Prozent schrumpfte.<br />
Mit diesem Bedeutungswandel der Einkaufsstätten<br />
ging eine ebenfalls massive<br />
Verschiebung der Markensegmente einher.<br />
Der Marktanteil der Handelsmarken<br />
stieg von knapp 25 Prozent im Jahr 2000<br />
auf gut 35 Prozent im Jahr 2007. Entsprechend<br />
ging der wertmäßige Marktanteil
der Herstellermarken von drei Viertel<br />
auf rund zwei Drittel des Gesamtmarktes<br />
zurück.<br />
Die Gewichte verschoben sich jedoch<br />
nicht nur zwischen Handels- und Herstellermarken,<br />
sondern auch im Markensegment<br />
selbst. Während Premiummarken<br />
und die Marken der Marktführer<br />
an Umsatzbedeutung hinzugewannen,<br />
schrumpfte der Marktanteil der Mittemarken<br />
deutlich zusammen. Heute hat<br />
sich das Wachstum der Handelsmarken<br />
etwas verlangsamt, die Verschiebung<br />
im Markensegment ist dafür aber umso<br />
stärker geworden.<br />
Die Fehleinschätzung<br />
der Hersteller<br />
Obwohl sich diese Marktveränderungen<br />
zwangsläufig auch im Entwicklungsprofil<br />
der einzelnen Herstellermarken zeigen,<br />
gehen nach einer Umfrage der facit marketing-Forschung<br />
80 Prozent der Marketingmanager<br />
aus der FMCG-Industrie<br />
davon aus, dass die <strong>Markenbindung</strong> der<br />
Verbraucher in den letzten Jahren konstant<br />
geblieben oder sogar gestiegen ist.<br />
Dies erklärt das Verhalten der Industrie,<br />
die ihre Marketingaktivitäten überwiegend<br />
darauf ausrichtet, Neukäufer zu<br />
gewinnen. <strong>Markenbindung</strong> wird dagegen<br />
schlichtweg unterstellt.<br />
Nach der tatsächlichen Marktentwicklung<br />
muss man aber davon ausgehen, dass<br />
dies allenfalls für einzelne, starke Marken<br />
gilt, aber keineswegs für die Masse<br />
der Marken. Die meisten Hersteller<br />
unterliegen hinsichtlich der <strong>Markenbindung</strong><br />
einer Fehleinschätzung, mit fatalen<br />
Folgen für das Marketing.<br />
Eine umfassende Studie von <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong><br />
<strong>Services</strong> zur Entwicklung der <strong>Markenbindung</strong>,<br />
die Grundlage der folgenden Ausführungen<br />
ist, zeigt, dass fortwährend<br />
ein relevanter Teil von Stammkäufern der<br />
Marke den Rücken kehrt. Um die Position<br />
der Marke nicht zu gefährden, muss<br />
die Industrie diese Erosion stoppen. Dies<br />
bedeutet für viele eine grundlegende<br />
Neuausrichtung ihres Marketings.<br />
29<br />
Gibt es Treue für die Marke?<br />
Stammkäufer – Rückgrat der Marke<br />
Angaben in %<br />
Im Ø setzen sich die<br />
Käufer einer Marke<br />
zusammen aus…<br />
43,7<br />
Die Meinung<br />
der Hersteller*<br />
Umsatzanteil<br />
2007<br />
…First Choice Buyer …Second Choice Buyer<br />
58 71,3<br />
56,3 42 28,7<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan, Ø aus 160 Marken in 32 Warengruppen<br />
* Befragung von 50 Marketingleitern/-entscheidern,<br />
facit marketing-forschung, Dez. 2007, Käuferverteilung<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
30<br />
Wie entsteht <strong>Markenbindung</strong>?<br />
Wie entsteht <strong>Markenbindung</strong>?<br />
Positionierung, Prägung und Erinnerung als Erfolgsparameter<br />
<strong>Lebenslange</strong> <strong>Markenbindung</strong> ist nicht das<br />
Ziel jeder Marke. Eine der ersten Marken,<br />
mit denen „Konsumenten“ überhaupt in<br />
Berührung kommen, legt es sogar explizit<br />
darauf an, nach einem knappen Jahr wieder<br />
aus dem Portfolio des „Verwenders“<br />
zu verschwinden. Dann hat die bedeutendste<br />
Marke der frühen Kindheit, die<br />
Babynahrung HIPP, ihre Funktion erfüllt.<br />
War sie erfolgreich, stehen die Chancen<br />
auf neuerliche Verwendung gut, nämlich<br />
dann, wenn die nächste Generation<br />
gefüttert werden will.<br />
Dauer der <strong>Markenbindung</strong><br />
Definition über die Positionierung<br />
Marken für …<br />
u spezielle Lebenssituationen<br />
w w<br />
u spezielle Zielgruppen<br />
w w<br />
w<br />
u alle Lebensphasen<br />
w w N<br />
w w<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Eine andere Marke kommt erst viele<br />
Jahrzehnte später ins Blickfeld der Verwender.<br />
Kukident ist die Marke fürs<br />
Alter, so wie Hipp die Marke für die<br />
Kindheit ist. Beide Marken sind für<br />
spezielle Lebenssituationen konzipiert,<br />
was ihre <strong>Markenbindung</strong> auf natürliche<br />
Weise einengt.<br />
Zeitlich weniger eingeengt sind jene<br />
Marken, die auf spezielle Zielgruppen<br />
zugeschnitten sind. Natürlich findet<br />
man beispielsweise bei IKEA auch reifere<br />
Kunden, aber der Erfolgs-Einrichter aus<br />
Schweden zielt in erster Linie auf junge<br />
Leute und Familien mit Kindern. Die<br />
frische Art, der bequeme Einkauf und<br />
angemessene Preise haben IKEA innerhalb<br />
weniger Jahrzehnte zum größten<br />
Möbelhändler <strong>Deutschland</strong>s aufsteigen<br />
lassen. Eine Erfolgsgeschichte wie Aldi.<br />
Auch die Automarke MINI ist allein schon<br />
formatbedingt auf eine junge, bewegliche<br />
Zielgruppe ausgerichtet, und sie<br />
spricht darüber hinaus vor allem Frauen<br />
an. Auch hier gilt aber der Grundsatz: für<br />
jung gebliebene ältere Semester nicht<br />
ausgeschlossen.<br />
‚Get a girl‘ ist die Botschaft des Deomittels<br />
AXE. Die Marke suggeriert den Verwendern,<br />
dass dieser Duft auf Frauen<br />
einfach unwiderstehlich wirkt. Entspre-
15<br />
12<br />
9<br />
6<br />
3<br />
0<br />
AXE Deodorant: „Get a Girl“<br />
Verwender-Penetration – Angaben in %<br />
bis 13 Jahre<br />
1,4<br />
0,6<br />
14 - 19 Jahre<br />
14,3<br />
1,8<br />
20 - 29 Jahre<br />
10,3<br />
1,5<br />
Männer Frauen<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> Consumer <strong>Panel</strong> Usage-Study, April-Sept. 2006<br />
chend liegt die Verwendung bei Frauen<br />
über nahezu alle Altersgruppen hinweg<br />
bei unauffälligen ein bis zwei Prozent.<br />
Dagegen hoffen vor allem junge Männer<br />
zwischen 14 und 19 Jahren darauf,<br />
dass die Duftformel tatsächlich Wirkung<br />
zeigt: Ein Siebtel aller Jungs in der<br />
Altersgruppe gehört zu den Verwen-<br />
AXE „über 30“<br />
Ausdehnung der Verwenderschaft<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
30 - 39 Jahre<br />
5,8<br />
1,1<br />
40 - 49 Jahre<br />
5,5<br />
1,2<br />
dern von AXE, bei den 20- bis 29-Jährigen<br />
sind es immerhin noch zehn Prozent.<br />
Man kann davon ausgehen, dass<br />
ein großer Teil dieser Verwender schon<br />
seit längerem auf die anziehende Wirkung<br />
von AXE setzt; die <strong>Markenbindung</strong><br />
liegt damit im oberen Bereich, wie man<br />
später sehen wird.<br />
Danach geht die Bindung an die Marke<br />
aber auch bei den männlichen Verwendern<br />
deutlich zurück; hier liegt bei<br />
einer vorsichtigen Umpositionierung der<br />
Marke weiteres Potenzial. Der Hersteller,<br />
Unilever, versucht denn auch, die Verwendung<br />
auf die folgende Altersgruppe<br />
auszudehnen. Zielscheibe der aktuellen<br />
Fernsehspots ist die Generation der über<br />
30-Jährigen. Die Botschaft: Klappt auch<br />
beim zweiten Versuch.<br />
31<br />
Wie entsteht <strong>Markenbindung</strong>?<br />
50 + Jahre<br />
3,2<br />
0,6<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
15<br />
12<br />
9<br />
6<br />
3<br />
0
32<br />
Wie entsteht <strong>Markenbindung</strong>?<br />
Andere Marken sind von vornherein auf<br />
eine lebenslange Verwendung angelegt.<br />
Beispiel Nivea: Früher begleitete<br />
die blaue Dose nahezu alle Verbraucher<br />
durchs Leben. Heute hat Nivea seine<br />
Marke ausdifferenziert und spezielle<br />
Produkte für bestimmte Zielgruppen und<br />
spezielle Verwenderkreise entwickelt.<br />
So richtet sich die klassische Nivea Creme<br />
an die eher höheren Altersgruppen, die<br />
das Produkt schon „ewig“ kennen. Die<br />
empfindliche Haut in den mittleren Jahren<br />
kann man seit kurzem mit DNAge pflegen,<br />
ein Produkt speziell für die Haut ab 40.<br />
Deos und verschiedene Cremes/Lotionen<br />
ergänzen sich zu einem altersorientierten<br />
Angebots-Portfolio. Diese Dachmarken-<br />
Strategie führt zu einer hohen <strong>Markenbindung</strong><br />
durch alle Lebensphasen.<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
Das Waschmittel Persil (Henkel) ist ebenfalls<br />
eine Marke für alle Lebensphasen<br />
im Bereich der Fast Moving Consumer<br />
Goods. Die heute 65-Jährigen haben<br />
bereits mit Persil gewaschen, und die<br />
heute 20-Jährigen tun es immer noch.<br />
Wie sich später zeigen wird, gehören<br />
die frühe Berührung mit einer Marke<br />
und die intensive Markenerinnerung zu<br />
den entscheidenden Faktoren für eine<br />
lebenslange <strong>Markenbindung</strong>.<br />
Wenn es Marken im Bereich der FMCG<br />
schaffen, durch alle Lebensphasen hindurch<br />
für die Verwender attraktiv zu<br />
bleiben, so ist das angesichts der Fülle<br />
konkurrierender Produkte eine immense<br />
Leistung. Hilfreich ist dabei eine Prägung<br />
für die Marke, die vielfach in frühen<br />
Kindheits- und Jugendjahren entsteht.<br />
Nivea: in allen Lebensphasen positioniert<br />
Käufer-Penetration – Angaben in %<br />
bis 29 Jahre<br />
Käufer-Penetration<br />
29<br />
28<br />
30 - 39 Jahre<br />
Nivea Creme/Lotion<br />
Nivea Deo<br />
30<br />
29<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan, 2007<br />
40 - 49 Jahre<br />
32<br />
27<br />
50 - 59 Jahre<br />
33<br />
26<br />
60 + Jahre<br />
u Erfolgreiche Dachmarkenstrategie durch altersorientiertes Angebot-Portfolio<br />
45<br />
30<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
50<br />
40<br />
30<br />
20
Markenprägung in der Jugend<br />
schafft dauerhafte Bindung<br />
Erwachsene erinnern sich an das Motorrad<br />
vom Opa, an das Butterbrot von<br />
Oma, an Gärten und Spielorte, Reisen<br />
und Ereignisse ihrer Kindheit. Und sie<br />
erinnern sich an Marken und Produkte,<br />
die in der Kindheit unverzichtbar zum<br />
Haushalt gehörten. Nicht auszudenken,<br />
dass die Hühnersuppe im Teller dampfte,<br />
aber kein Maggi im Haus war. Brandt-<br />
Zwieback aß man, um nach einer Krankheit<br />
wieder zu Kräften zu kommen. Und<br />
wenn man sich mal böse gestoßen hatte,<br />
hielt Nivea den Schorf geschmeidig und<br />
heilte die Wunde. Die Haare wurden mit<br />
Schauma gewaschen, Basteleien mit Uhu<br />
geklebt und der Abwasch mit Pril erledigt.<br />
Es gab einfach nichts anderes!<br />
Wann entsteht <strong>Markenbindung</strong>?<br />
Markenprägung in der Jugend spielt eine wichtige Rolle<br />
"Uhu – ich erinnere mich<br />
genau an diesen Geruch<br />
bei der Weihnachtsbastelei"<br />
"Die blaue Dose steht da<br />
schon immer, da stand noch nie<br />
was anderes, die muss da hin.<br />
Wenn ich diesen Nivea Duft<br />
nicht in der Nase habe,<br />
fehlt etwas an mir"<br />
© 5 Focus-Gruppen zum Thema Marke, Sept. 2007<br />
"Brandt, den hat mir meine<br />
Mutter früher immer gegeben,<br />
wenn ich krank war"<br />
Marken, an denen man aufgrund von<br />
Kindheits- und Jugenderinnerungen hängt<br />
"Haarshampoo von<br />
Schauma. Das mit Apfel.<br />
Kenne ich von Mama, hab ich<br />
schon als Kind genommen "<br />
Prägungen für eine bestimmte Marke in<br />
der Jugend spielen eine große Rolle für<br />
die spätere Markenerinnerung und Markenverwendung.<br />
Gerüche, Formen, Farben<br />
– all dies trägt dazu bei, das Marken<br />
nachhaltig im Gedächtnis bleiben und<br />
oft ein Leben lang verwendet werden.<br />
Die <strong>GfK</strong> hat im September 2007 fünf<br />
Focus-Gruppen mit Verbrauchern unterschiedlichen<br />
Alters zum Thema Marke<br />
befragt. Dabei stellte sich heraus, dass<br />
die meisten die Marken der frühen Kindheit<br />
und Jugend noch heute intensiv<br />
beschreiben können, selbst dann noch,<br />
wenn sie im Haushalt seit vielen Jahren<br />
nicht mehr verwendet werden. Dieser<br />
Zusammenhang wurde durch eine Omnibuseinfrage<br />
der <strong>GfK</strong> im Oktober 2007<br />
bestätigt.<br />
33<br />
Wie entsteht <strong>Markenbindung</strong>?<br />
"Pril – ich weiß gar nicht<br />
warum, schon immer. Haben<br />
meine Eltern benutzt – und es<br />
riecht viel besser als anderes"<br />
"Maggi – Das ist ein<br />
gewohnter Geschmack. In<br />
eine klare Brühe gehört ein<br />
Schuss Maggi. Das war<br />
schon zu Kindertagen so"<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
34<br />
Wie entsteht <strong>Markenbindung</strong>?<br />
Untersuchte<br />
Warengruppen<br />
u Waschmittel<br />
u Zahnpasta<br />
u Haarwaschmittel<br />
u Teigwaren<br />
u Margarine<br />
u Säfte<br />
u Kaffee<br />
u Schokolade<br />
Für die Untersuchung wurden pro<br />
Warengruppe repräsentativ jeweils 800<br />
bis 1.000 Verwender ab 20 Jahren<br />
befragt. Höchstwerte in der Markenerinnerung<br />
erzielten dabei die Marken Persil<br />
und Rama. 27 Prozent (Persil) bzw. 26<br />
Prozent (Rama) aller Verwender der<br />
Warengruppe erinnern sich daran, dass<br />
diese Marken im Haushalt der Eltern in<br />
Gebrauch waren. Auch Milka-Schokolade<br />
und das Haarwaschmittel Schauma<br />
bringen es auf hohe Erinnerungswerte.<br />
Spee hatte in der ehemaligen DDR die<br />
gleiche Bedeutung wie Persil im Westen.<br />
Weil es dort keine echten Produktalternativen<br />
gab, ist der Anteil der Erinnerer<br />
an das Ost-Waschmittel in der Warengruppe<br />
hoch, obwohl in der DDR die<br />
Zahl der Haushalte viel geringer war als<br />
im Westen.<br />
Verwendete Marken im Elternhaus<br />
Anteil Erinnerer an allen Warengruppenverwendern in %<br />
Persil<br />
27<br />
Rama<br />
26<br />
Milka<br />
18<br />
Schauma<br />
17<br />
Birkel<br />
Basis: n=ca. 800-1000 Verwender ab 20 Jahren pro Warengruppe;<br />
Omnibuseinfrage Okt. 2007, freie Nennungen,<br />
warengruppenbezogen<br />
Jacobs<br />
13 13<br />
Sanella<br />
10<br />
Spee<br />
9<br />
Umgekehrt führt eine hohe Markendichte<br />
in der Warengruppe und eine<br />
stärker wechselnde Verwendung zu eher<br />
diffusen Erinnerungsbildern. So erinnern<br />
sich an die im Haus der Eltern verwendete<br />
Zahnpasta „nur“ sechs Prozent der<br />
Verwender. Dies gilt für Colgate, Signal<br />
und Blendax gleichermaßen.<br />
Generell kann man sagen, dass die Erinnerung<br />
der Verwender für eine Marke<br />
umso höher ist, je öfter das Produkt<br />
im Elternhaus gebraucht wurde und je<br />
intensiver die persönliche Berührung<br />
damit war.<br />
Die Markenprägung im Elternhaus ist<br />
weiter ein wichtiger Erfolgsfaktor für die<br />
langfristige Verwendung der Marke und<br />
damit für deren heutigen Marktanteil.<br />
Hohes C<br />
8<br />
Sarotti<br />
Rondo<br />
7 7<br />
Tchibo<br />
Colgate<br />
Signal<br />
u Fragetext: „Können Sie sich erinnern, welche Marke in<br />
Ihrem Elternhaus hauptsächlich verwendet wurde bei<br />
… (Warengruppe)?“<br />
Blendax<br />
6 6 6 6<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
So liegt beispielsweise der aktuelle<br />
wertmäßige Marktanteil von Persil in<br />
der Warengruppe Vollwaschmittel bei<br />
27 Prozent. Fünf Prozent davon gehen<br />
auf bewusste Jugenderinnerungen<br />
zurück, wie man durch einen Vergleich<br />
der Marktanteile von Erinnerern und<br />
Nicht-Erinnerern errechnen kann. Der<br />
„Jugend-Anteil“ am Gesamtumsatz der<br />
Marke beträgt damit aktuell bei rund 20<br />
Prozent. Bei Rama, Hohes C und Spee ist<br />
der auf Markenerinnerung basierende<br />
Marktanteil ebenfalls relativ hoch. Im<br />
Falle von Spee macht das glatt ein Viertel<br />
des gesamten Jahresumsatzes der Marke<br />
aus. Gleiches gilt für Birkel, allerdings auf<br />
deutlich niedrigerem absoluten Niveau.<br />
Die Tatsache, dass Marken generell zu<br />
einem relevanten Teil durch bewusste<br />
Jugenderinnerungen getragen werden,<br />
führt in Zukunft möglicherweise<br />
zu einem weiteren ernsten Problem für<br />
die gesamte Markenrange. Denn immer<br />
weniger Kinder werden heute im Haushalt<br />
der Eltern mit Markenartikeln konfrontiert,<br />
sondern immer häufiger mit<br />
Handelsmarken.<br />
Für die einzelne Marke können die Auswirkungen<br />
geringer, aber auch deutlich<br />
größer sein. Dass gilt vor allem für<br />
Marken, die durch Umstellungen in der<br />
Warengruppen-Verwendung immer<br />
weniger im Focus der Konsumenten<br />
stehen, beispielsweise Eier-Nudeln von<br />
Birkel.<br />
Prägung im Elternhaus – langfristiger Erfolgsfaktor<br />
Angaben in %<br />
Persil<br />
5<br />
22<br />
27<br />
Rama<br />
3<br />
15<br />
18<br />
Milka<br />
1<br />
16<br />
17<br />
Ariel<br />
1<br />
15<br />
16<br />
Tchibo<br />
1<br />
13<br />
14<br />
Hohes C<br />
2<br />
12<br />
14<br />
Quellen: MA; ConsumerScan; Omnibuseinfrage Okt. 2007, ca. 1.000 Stammkunden pro Warengruppe<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Schauma<br />
1<br />
12<br />
13<br />
Blenda-med<br />
Marktanteil durch bewusste Jugenderinnerungen (Basis Wert)<br />
1<br />
10<br />
11<br />
Colgate<br />
1<br />
9<br />
10<br />
35<br />
Wie entsteht <strong>Markenbindung</strong>?<br />
Spee<br />
2<br />
8<br />
10<br />
Birkel<br />
1<br />
4<br />
5
36<br />
Wie entsteht <strong>Markenbindung</strong>?<br />
Haupt-Anker für<br />
die Markenerinnerung<br />
Vielfach sind aber nicht Marktentwicklungen<br />
Schuld daran, dass die Verbraucher<br />
ihre Marke nicht (wieder)erkennen,<br />
sondern die Produktpolitik der Hersteller,<br />
wie beispielsweise bei Birkel. Der schwäbische<br />
Traditionshersteller hat das Klarsichtfenster<br />
in seiner Nudelverpackung<br />
aufgegeben, möglicherweise, weil die<br />
Verpackung damit zu teuer wurde. Der<br />
stärkste Erinnerungswert für Birkel Eiernudeln<br />
ist aber genau diese Verpackung.<br />
Sie rangiert, wie die repräsentative Erhebung<br />
der <strong>GfK</strong> zeigt, deutlich vor dem<br />
erinnerten Geschmack und mit großem<br />
Abstand vor allen anderen Kriterien.<br />
Anker für die Markenerinnerung<br />
Anteil Erinnerer in %<br />
Verpackung<br />
Duft<br />
Geschmack<br />
Form / Design<br />
Farbe<br />
Werbung<br />
Symbol / Werbefigur<br />
70<br />
Quelle: Omnibuseinfrage Okt. 2007;<br />
ca. 300 bis 500 Erinnerer pro Warengruppe<br />
7<br />
70<br />
22<br />
41<br />
39<br />
25<br />
65<br />
31<br />
/<br />
7<br />
9<br />
40<br />
18<br />
In den meisten Fällen ist die Verpackung<br />
der stärkste Ankerpunkt für die Markenerinnerung.<br />
An das Aussehen von<br />
Milka, Persil und Rama erinnern sich<br />
zwischen sechzig und siebzig Prozent<br />
all derer, denen die Marke von früher<br />
im Bewusstsein ist. Auch der Duft ist ein<br />
Schlüssel zur Markenerinnerung, und<br />
zwar einer der stärksten überhaupt bei<br />
Marken, bei denen Geruch/Duft relevant<br />
ist. Den Duft einer solchen Marke<br />
zu ändern kommt deshalb einem Tabubruch<br />
gleich; Kunden kennen ihre Marke<br />
nicht wieder und lehnen sie ab.<br />
Milka und Persil erwiesen sich in der <strong>GfK</strong>-<br />
Untersuchung als die beiden Marken mit<br />
den höchsten Erinnerungswerten in den<br />
acht untersuchten Kategorien. Milkas<br />
u Fragetext: „Woran genau erinnern Sie sich, wenn Sie sich an<br />
die genannte Marke in Ihrer Kindheit / Jugend erinnern?“<br />
Milka Persil Colgate Rama Schauma Birkel<br />
u Konsequenz für das Marketing: Essentielle Änderungen positiver Schlüsselerlebnisse sind tabu!<br />
36<br />
11<br />
62<br />
14<br />
34<br />
14<br />
/<br />
68<br />
4<br />
39<br />
23<br />
15<br />
18<br />
11<br />
44<br />
55<br />
/<br />
18<br />
23<br />
24<br />
7<br />
45<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
/<br />
36<br />
19<br />
7<br />
11<br />
8
Lila Kuh und die lilafarbene Verpackung<br />
sind ebenso starke Schlüsselreize wie die<br />
Dame im weißen Kleid und die grüne<br />
Farbe für Persil.<br />
Die Konsequenz für das Marketing muss<br />
deshalb lauten: Essentielle Änderungen<br />
positiver Schlüsselerlebnisse sind tabu!<br />
Wer die Erinnerung der Verbraucher an<br />
ihre Marke schwächt, tilgt die Marke sukzessive<br />
aus ihrem Gedächtnis und damit<br />
aus ihrem Relevant Set.<br />
Starke Marken setzen dagegen auf Kontinuität,<br />
und das in jeder Hinsicht. Dies<br />
schließt zeitgemäße Innovationen am<br />
Produkt und an der Verpackung nicht<br />
aus. Auch dafür sind Milka und Persil<br />
ausgezeichnete Beispiele.<br />
Bruchstellen für<br />
die <strong>Markenbindung</strong><br />
Die – möglichst lange – Geschichte einer<br />
Marke ist häufig eine der wichtigsten<br />
Stützen für die Markenerinnerung und<br />
damit für die <strong>Markenbindung</strong>, es sei<br />
denn, dass spezifische Kontinuitätsbrüche<br />
diese Bindung lockern. So hat beispielsweise<br />
auch die hundert Jahre alte<br />
Marke Persil einen Knick in der (jüngeren)<br />
Markenerinnerung. Dieser korrespondiert<br />
zur Erinnerungsspitze für die Marke<br />
Ariel, die dank des Klementine-Faktors in<br />
der Altersgruppe der 40 bis 49-Jährigen<br />
überproportional präsent ist.<br />
Persil hat es dann aber geschafft, durch<br />
eine Umwelt-Innovation, die Einführung<br />
Markenerinnerung durch Geschichte der Marken geprägt<br />
Anteil je Altersgruppe, die sich an im Elternhaus verwendete Marken erinnern<br />
Alter in Jahren 20 - 29 30 - 39 40 - 49 50 - 59 60 - 69 70 +<br />
u Fragetext: „Können Sie sich auch erinnern, welche Marke in Ihrem Elternhaus<br />
hauptsächlich verwendet wurde bei… (Warengruppe)?“<br />
Rama<br />
Persil<br />
Ritter Sport<br />
Birkel<br />
Ariel<br />
Lätta<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Quelle: Omnibuseinfrage Okt. 2007; Basis: ca. 800 - 1.000 Verwender ab 20 Jahren pro Warengruppe;<br />
freie Nennungen, warengruppenbezogen<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
37<br />
Wie entsteht <strong>Markenbindung</strong>?<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0
38<br />
Wie entsteht <strong>Markenbindung</strong>?<br />
des phosphatfreien Persil, bei den heute<br />
bis 39-Jährigen (das sind die damals<br />
besonders umweltsensiblen jungen Leute)<br />
verlorenen Boden gut zu machen.<br />
Naturgemäß verfügen junge Marken in<br />
höheren Altersgruppen über keine Markenerinnerung,<br />
aber auch bei den jüngeren<br />
Verbrauchern haben sie sich kaum<br />
eingeprägt. Selbst Lifestyle-Marken wie<br />
Ritter Sport oder Lätta kommen hier<br />
nicht auf relevante Erinnerungswerte.<br />
Gründe dafür sind einerseits die wachsende<br />
Vielfalt der Marken und andererseits<br />
der steile Anstieg der Handelsmarken<br />
im Relevant Set der Verbraucher.<br />
Wo liegen Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong>?<br />
Haushalte nach Familien-Lebenswelten<br />
Die Markenerinnerung ist aber nur ein<br />
Aspekt für die <strong>Markenbindung</strong>. Mehr<br />
noch als die Erinnerung an die Verwendung<br />
im Elternhaus beeinflussen die<br />
aktuellen Lebensumstände die jeweilige<br />
Markenpräferenz bzw. <strong>Markenbindung</strong>.<br />
Lifestyle- und Preiseinstiegsmarken dominieren<br />
die frühe Orientierungsphase und<br />
die Rushhour des Lebens; Designerlabels<br />
und klassische Herstellermarken die späteren<br />
Jahre des beruflichen Erfolgs und<br />
des Ruhestands.<br />
Es sind natürliche bzw. soziale Bruchstellen<br />
für die <strong>Markenbindung</strong>, die für Markenhersteller<br />
enorme Risiken, aber auch<br />
große Chancen bieten.<br />
Ausbildung Berufsleben Ruhestand<br />
Orientierungsphase<br />
Studierende/<br />
Auszubildende<br />
(eigener HH)<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> Lebenswelten<br />
Rushhour des Lebens Second Life<br />
Aufsteiger,<br />
Singles,<br />
DINKS<br />
Junge<br />
Familien<br />
Ältere<br />
Familien<br />
Berufstätige<br />
Alleinlebende<br />
Empty Nest-<br />
Familien<br />
Renter-<br />
Familien<br />
Silver<br />
Generation<br />
Alleinstehende<br />
Ältere<br />
Alter<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
Langjährige <strong>Markenbindung</strong> ist das Re-<br />
sultat aktiver und zielgerichteter Mar-<br />
kenführung. Je älter eine Marke ist, desto<br />
solider ist dabei in der Regel das Fundament,<br />
auf das Markenführung und Marketing<br />
aufbauen können.<br />
Ob aus diesem Bemühen eine lebenslange<br />
<strong>Markenbindung</strong> bei den Verbrauchern<br />
erwächst, hängt jedoch nicht allein<br />
von der Attraktivität der Marke ab. Zahlreiche<br />
exogene Faktoren beeinflussen<br />
die <strong>Markenbindung</strong>; diese lassen sich in<br />
drei übergreifenden Komplexen zusammenfassen.<br />
1. Gesellschaftlicher Wandel / Zeitgeist<br />
Dazu gehören zum Beispiel die veränderte<br />
Stellung von Frauen in der<br />
Gesellschaft, ihre wachsende Berufstätigkeit<br />
und ein neues Verständnis<br />
der Familie.<br />
2. Die alternde Gesellschaft<br />
Die Veränderung im Altersaufbau<br />
der Gesellschaft führt zu einer rapide<br />
wachsenden Bedeutung älterer Zielgruppen<br />
mit speziellen Bedürfnissen<br />
und Anforderungsprofilen an eine<br />
lebensbegleitende Marke.<br />
3. Persönliche Rahmenbedingungen<br />
Dazu gehören beispielsweise veränderten<br />
soziale und familiäre Rah-<br />
39<br />
First Choice Buyer – das Rückgrat der Marke<br />
First Choice Buyer – das Rückgrat der Marke<br />
Was heißt <strong>Markenbindung</strong> und wie entwickelt sie sich?<br />
menbedingungen sowie Änderungen<br />
zwischen und innerhalb der<br />
einzelnen Familien-Lebenswelten.<br />
Im Folgenden werden die vielfältigen<br />
Einflüsse dieser exogenen Faktoren auf<br />
die <strong>Markenbindung</strong> untersucht. Zunächst<br />
stellt sich jedoch die Frage, woran sich<br />
<strong>Markenbindung</strong> eigentlich misst, wie sie<br />
sich entwickelt hat und welche Optionen<br />
das Marketing hat, die <strong>Markenbindung</strong><br />
zu erhalten bzw. zu stärken.<br />
<strong>Markenbindung</strong> im Stresstest<br />
Welche Faktoren beeinflussen die <strong>Markenbindung</strong>?<br />
hohe<br />
Markenattraktivität<br />
(hoher<br />
First Choice<br />
Buyer-Anteil)<br />
gesellschaftliche / umweltbedingte<br />
Rahmenbedingungen<br />
(Zeitgeist)<br />
<strong>Lebenslange</strong><br />
<strong>Markenbindung</strong><br />
persönliche Rahmenbedingungen<br />
(insbesondere Änderungen<br />
in den Familien-Lebenswelten)<br />
biologische<br />
Alterung<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
40<br />
First Choice Buyer – das Rückgrat der Marke<br />
Was bedeutet <strong>Markenbindung</strong>?<br />
<strong>Markenbindung</strong> bemisst sich daran,<br />
inwieweit die Käufer einer Marke diese<br />
bevorzugt kaufen (First Choice Buyer).<br />
Entscheidend ist dabei das tatsächliche<br />
Kaufverhalten, das die <strong>GfK</strong> für Fast<br />
Moving Consumer Goods in ihrem Haushaltspanel<br />
ConsumerScan kontinuierlich<br />
erhebt. Je mehr solcher Treuekäufer eine<br />
Marke hat, desto stärker ist ihre Marktposition.<br />
Auf diese First Choice Buyer<br />
entfallen zwischen 60 und 80 Prozent<br />
der Umsätze; der Durchschnitt über alle<br />
Marken liegt bei 71 Prozent. Damit sind<br />
sie das Rückgrat jeder Marke.<br />
Was heißt <strong>Markenbindung</strong>?<br />
Die Stufen der <strong>Markenbindung</strong><br />
Präferenzbildung (qualitative <strong>Markenbindung</strong>)<br />
Nicht-<br />
Kenner<br />
Kenner<br />
Relevant<br />
Set<br />
Kaufverhalten (quantitative <strong>Markenbindung</strong>)<br />
Nicht-<br />
Käufer<br />
in der<br />
Kategorie<br />
Competitive<br />
Choice Buyer<br />
kauft nur<br />
andere Marken<br />
Second<br />
Choice Buyer<br />
Probier- /<br />
Gelegenheitskäufer<br />
Erst-<br />
Präferenz<br />
First<br />
Choice Buyer<br />
kauft bevorzugt<br />
diese Marke<br />
u Die <strong>Markenbindung</strong> bemisst sich an der Höhe der First-Choice-Buyer<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Das verbleibende Fünftel steuern die<br />
Second Choice Buyer zum Umsatz bei.<br />
Dies sind gelegentliche Käufer der<br />
Marke, die ansonsten aber eine andere<br />
Marke bevorzugen, also dort möglicherweise<br />
First Choice Buyer sind, oder aber<br />
in der Regel Handelsmarken kaufen.<br />
Competitive Choice Buyer kaufen ausschließlich<br />
Konkurrenzprodukte; sie sind<br />
für die Marke aber nicht verloren, sondern<br />
bilden ihr bislang unausgeschöpftes<br />
Käuferpotenzial.<br />
Ziel jeder Marke muss es also sein, so<br />
viele First Choice Buyer wie möglich zu<br />
haben bzw. zu bekommen. Der Weg<br />
dahin führt über den Aufbau von Präferenzen<br />
für die Marke, die in vier Stufen<br />
vor sich geht. In diesem Prozess der<br />
qualitativen <strong>Markenbindung</strong> geht es<br />
in erster Linie darum, aus jenen Konsumenten,<br />
die die Marke bereits in ihrem<br />
Relevant Set führen, Stammkäufer zu<br />
machen. Darüber hinaus gilt es, Verbraucher,<br />
die die Marke zwar kennen, aber<br />
nicht zu deren Käufern gehören, von<br />
deren Qualität zu überzeugen und sie zu<br />
Second Choice Buyern oder besser noch:<br />
gleich zu First Choice Buyern zu machen.<br />
Schließlich müssen die Nicht-Kenner<br />
durch attraktive Angebote an die Marke<br />
herangeführt werden.<br />
Diese fortwährende Präferenzbildung ist<br />
für jede Marke unerlässlich, so stark sie<br />
augenblicklich auch sein mag, denn ihr<br />
gehen immer wieder Stammkäufer verloren,<br />
und zwar mehr, als den Markenherstellern<br />
bewusst ist.
Obwohl sich die durchschnittliche Anzahl<br />
der Marken in praktisch jeder einzelnen<br />
Warengruppe in den letzten 20<br />
Jahren fast verdoppelt hat, ist die Zahl<br />
der verschiedenen gekauften Marken<br />
pro Warengruppe nahezu gleich geblieben.<br />
Der Mensch braucht erfahrungsgemäß<br />
nicht mehr als drei Marken je<br />
Warengruppe. Dies bedeutet: Auch wenn<br />
sich die Zahl der angebotenen Marken<br />
nochmals verdoppeln sollte, bleibt dieser<br />
Wert konstant. Die gilt übrigens auch für<br />
andere Bereiche, wie beispielsweise die<br />
Zahl der gelesenen Publikumszeitschriften,<br />
obwohl sich deren Titelzahl in den letzten<br />
20 Jahren mehr als verdreifacht hat.<br />
Die einzelnen Verbraucher haben also<br />
nach wie vor ein konstantes Relevant<br />
Set an Marken, allerdings nutzen sie die<br />
zunehmende Wahl- und Gestaltungsfreiheit,<br />
die sich ihnen durch die wachsende<br />
Fülle an attraktiven Angeboten bietet, in<br />
immer stärkerem Maße aus. Deshalb sind<br />
die drei heute gekauften Marken nicht<br />
unbedingt die gleichen Marken wie vor<br />
20 Jahren.<br />
So hat sich die Bindung an die erstpräferierte<br />
Marke dramatisch verschlechtert:<br />
Sie ist von 71 Prozent im Jahr 1989 auf<br />
62 Prozent im Jahr 2007 gesunken. Konkret<br />
heißt dies: Die Erosion bei den First<br />
Choice Buyern durch den verstärkten<br />
Markenwechsel gefährdet das Rückgrat<br />
der Marke.<br />
Wie hoch das Gefahrenpotenzial für die<br />
Marke tatsächlich ist, zeigt eine Längs-<br />
41<br />
First Choice Buyer – das Rückgrat der Marke<br />
schnittanalyse der <strong>GfK</strong> in ihrem Haushaltspanel<br />
ConsumerScan (siehe Chart<br />
auf der folgenden Seite). Dazu wurde<br />
die Entwicklung von 160 verschiedenen<br />
Marken in 32 Warengruppen in den Jahren<br />
2004 bis 2007 ausgewertet.<br />
Erosion der First Choice Buyer<br />
Im Durchschnitt wird jede Marke von<br />
44 Prozent First Choice Buyern gekauft;<br />
56 Prozent sind Second Choice Buyer,<br />
die die Marke nur gelegentlich kaufen.<br />
Obwohl sie die kleinere Gruppe sind,<br />
tragen die First Choice Buyer im Durchschnitt<br />
71,3 Prozent zum Umsatz der<br />
Entwicklung der <strong>Markenbindung</strong><br />
Angaben in % – 127 Marken in 30 Warengrupppen<br />
q Ø Anzahl verschiedener gekaufter Marken pro Warengruppe<br />
1989<br />
2,9<br />
1992<br />
3,0<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
1995<br />
2,9<br />
2004<br />
2,9<br />
2006<br />
u Obwohl sich die Wahlmöglichkeiten in den letzten 20 Jahren<br />
fast verdoppelt haben, hat sich die durchschnittliche Anzahl<br />
verschiedener gekaufter Marken nicht verändert!<br />
2,9<br />
2007<br />
u Aber die Bindung an die erstpräferierte Marke hat nachgelassen!<br />
q Ø Bedarfsdeckung der erstpräferierten Marke (FCB) / Basis Wert<br />
1989<br />
71%<br />
1992<br />
1995 2004 2006<br />
67%<br />
3,0<br />
2007<br />
62%<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
42<br />
First Choice Buyer – das Rückgrat der Marke<br />
Marke bei. Jeder Stammkäufer gibt also<br />
zweimal mehr Geld für die Marke aus<br />
als jeder einzelne Gelegenheitskäufer.<br />
Dies macht die überragende Bedeutung<br />
der First Choice Buyer deutlich. Dennoch<br />
lassen die Markenanbieter Jahr für Jahr<br />
einen großen Teil ihrer Stammkunden<br />
leichtfertig ziehen.<br />
Von ihren 44 Prozent First Choice Buyern<br />
hat die Marke im Folgejahr bereits<br />
14 Prozentpunkte verloren, und zwar<br />
zu etwa gleichen Teilen an die Gruppe<br />
der Second Choice Buyer, die die Marke<br />
nur noch gelegentlich kauft, und an die<br />
Competitive Choice Buyer, die der Marke<br />
komplett den Rücken gekehrt haben.<br />
Dramatische Erosion bei den First Choice Buyern<br />
Durchschnitt aus 160 Marken in 32 Warengruppen – Angaben in %<br />
Ausgangssituation<br />
43,7<br />
56,3<br />
First Choice Buyer (FCB)<br />
1. Folgejahr<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan, 2004 -2007<br />
Kaufverhalten der FCB/SCB im<br />
6,0 8,0<br />
8,0<br />
8,8 9,0<br />
2. Folgejahr 3. Folgejahr<br />
9,5<br />
29,7 26,8 25,2<br />
9,3<br />
23,1 22,1 20,5<br />
24,4 25,2 26,5<br />
Erosionsrate<br />
22%<br />
8,9 9,0 21%<br />
47%<br />
Second Choice Buyer (SCB) Competitive Choice Buyer (CCB)<br />
u Die Markenerosion zeigt sich bei fast jedem zweiten First- und Second Choice Buyer<br />
u Die Erosionsrate bei den First Choice Buyern kann nicht durch entsprechende Gewinne bei<br />
den Second Choice Buyern ausgeglichen werden<br />
u Die Erosionsrate bei den First Choice Buyern ist im ersten Jahr am höchsten<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
In diesem ersten Jahr ist die Erosion der<br />
Stammkäufer am stärksten, aber noch<br />
nicht zu Ende. Nach drei Jahren hat die<br />
Marke 43 Prozent ihrer ursprünglichen<br />
First Choice Buyer verloren.<br />
Auf der anderen Seite gibt es Second<br />
Choice Buyer, die zu First Choice Buyern<br />
aufsteigen. Doch dieser Zugewinn neuer<br />
Stammkäufer aus der Gruppe der Second<br />
Choice Buyer kann den Verlust traditioneller<br />
Stammkäufer nicht ausgleichen. Es<br />
bleibt eine Lücke von gut neun Prozentpunkten.<br />
Hinzu kommt die Erosionsrate bei den<br />
Second Choice Buyern, die noch größer<br />
als bei den Stammkäufern ist. Nach<br />
drei Jahren sind 47 Prozent der ehemaligen<br />
Gelegenheitskäufer zu Competitive<br />
Choice Buyern geworden, die statt der<br />
Marke nur noch Konkurrenzprodukte<br />
kaufen. Die hohen Erosionsraten, vor<br />
allem bei den First Choice Buyern, haben<br />
für die Marken einen gefährlichen Stand<br />
erreicht. Noch vor zwanzig Jahren lag die<br />
Erosionsrate um ein Viertel niedriger.<br />
Bei alledem handelt es sich wohlgemerkt<br />
um Durchschnittswerte, die von Marke<br />
zu Marke teils erheblich abweichen können.<br />
Tatsächlich ist der Erosionsprozess<br />
umso geringer, je länger bereits <strong>Markenbindung</strong><br />
besteht und je höher sie zuvor<br />
gewesen ist.<br />
43<br />
First Choice Buyer – das Rückgrat der Marke<br />
Stammkäufer-Erosion – nicht<br />
Schicksal, sondern Versäumnis<br />
Wie die Marke einerseits ständig Stammkäufer<br />
verliert, so gewinnt sie andererseits<br />
laufend neue First Choice Buyer aus<br />
dem Segment der Second Choice Buyer<br />
hinzu. Aber es sind, wie zuvor gezeigt,<br />
nicht genug, um die Erosion der First<br />
Choice Buyer auszugleichen. Es müssen<br />
der Marke zusätzlich zahlreiche neue<br />
Käufer zugeführt werden.<br />
Eine detailliertere Analyse zeigt, dass<br />
lediglich rund ein Siebtel der First Choice<br />
Buyer, welche die Marke im ersten Folgejahr<br />
(nach der Ausgangssituation) verliert,<br />
Dauer der <strong>Markenbindung</strong> und Erosion<br />
Angaben in % – ø aus 160 Marken in 32 Warengruppen<br />
FCB im<br />
Jahr davor<br />
2,1<br />
20,4<br />
Ausgangssituation<br />
14,0<br />
29,7<br />
SCB 56,3<br />
First Choice Buyer (FCB)<br />
1. Folgejahr<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan, 2004 - 2007<br />
Kaufverhalten der FCB im<br />
2. Folgejahr 3. Folgejahr<br />
29,7 26,8 25,2<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong>
44<br />
First Choice Buyer – das Rückgrat der Marke<br />
vorher bereits Stammkäufer gewesen ist.<br />
Es sind also vornehmlich die neu gewonnenen<br />
First Choice Buyer, die der Marke<br />
bereits im ersten Folgejahr wieder den<br />
Rücken kehren und zu Gelegenheits- oder<br />
Nichtkäufern werden. Echte „Stammkäufer“<br />
sehen wahrlich anders aus!<br />
Tatsächlich verhalten sich die Stammkäufer<br />
der Marken aber recht unterschied-<br />
lich. Ist der First Choice Buyer-Anteil einer<br />
Marke relativ hoch, so ist die Erosionsrate<br />
der Stammkäufer vergleichsweise niedrig.<br />
Umgekehrt kehren prozentual gesehen<br />
umso mehr Stammkäufer einer Marke<br />
den Rücken, je niedriger deren First<br />
Choice Buyer-Anteil ist. Ein hoher Stammkäufer-Anteil<br />
ist Ausdruck einer höheren<br />
Markenzufriedenheit und folglich Basis<br />
einer stabileren <strong>Markenbindung</strong>.<br />
First Choice Buyer-Anteil und Erosionsrate<br />
Beispiel: Universalwaschmittel – Angaben in %<br />
FCB im<br />
Jahr davor<br />
q Persil<br />
39<br />
q Spee<br />
23<br />
q Weißer Riese<br />
5<br />
Ausgangssituation<br />
65<br />
47<br />
28<br />
u Es gibt enorme Unterschiede in der Erosionsrate der einzelnen Marken<br />
u Grundsätzlich gilt: Je höher der First Choice Buyer-Anteil, desto geringer die Erosionsrate<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan, 2004 -2007<br />
Kaufverhalten der FCB im Erosionsrate<br />
1. Folgejahr 2. Folgejahr 3. Folgejahr<br />
47<br />
32<br />
9<br />
45<br />
29<br />
8<br />
43<br />
27<br />
7<br />
34%<br />
43%<br />
75%<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
First Choice Buyer-Anteil und Erosionsrate<br />
65 Marken aus 13 Warengruppen<br />
Anteil FCB in %<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Kokett Topa (Aldi)<br />
Bautzner Senf<br />
Bärenmarke<br />
10<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan, 2004 -2007<br />
Dies wird deutlich beim Vergleich dreier<br />
Waschmittelmarken. Persil hat im Ausgangsjahr<br />
einen First Choice Buyer-<br />
Anteil von 65 Prozent, das sind 21<br />
Prozent mehr als der Durchschnitt der<br />
untersuchten Marken. Bereits im Vorjahr<br />
war der FCB-Anteil von Persil um 17<br />
Prozent höher.<br />
Die Erosion der First Choice Buyer in<br />
den Folgejahren ist bei Persil ebenfalls<br />
geringer als im Durchschnitt der anderen<br />
Marken. Während nach drei Jahren<br />
„nur“ ein Drittel der Stammkunden von<br />
Persil die Markenpräferenz gewechselt<br />
hat, sind der Marke Weißer Riese im<br />
gleichen Zeitraum drei von vier Stammkäufern<br />
abhanden gekommen. Dabei<br />
Fit<br />
Pril<br />
Tandil<br />
Rama<br />
Persil<br />
Tchibo<br />
Spee<br />
Ariel<br />
Melitta Kaffee<br />
45<br />
First Choice Buyer – das Rückgrat der Marke<br />
Axe Deo<br />
Hakle<br />
Zott Joghurt<br />
Weißer Riese<br />
20 30 40 50 60 70 80<br />
Erosionsrate nach 1 Jahr in %<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
hatte die Marke ohnehin nur einen<br />
vergleichsweise geringen First Choice<br />
Buyer-Anteil von gerade einmal 28 Prozent.<br />
Spee liegt sowohl beim FCB-Anteil<br />
als auch bei der Erosionsrate ziemlich<br />
genau auf Durchschnittsniveau.<br />
Im oben stehenden Chart zeigen sich<br />
ganz deutlich die enorm hohen Unterschiede<br />
im First Choice Buyer-Anteil<br />
der einzelnen Marken und die Abhängigkeit<br />
der Erosionsrate von diesem<br />
Anteil an Stammkäufern. Für alle hier<br />
untersuchten Marken gilt, mit geringen<br />
Abweichungen von dieser Regel, dass<br />
ein hoher First Choice Buyer-Anteil die<br />
beste Strategie gegen die Erosion der<br />
Stammkäufer ist.
46<br />
First Choice Buyer – das Rückgrat der Marke<br />
Sowohl der hohe Anteil als auch die<br />
geringe Erosion der Stammkäufer wird<br />
dabei unterstützt durch eine hohe Einkaufsstättenbindung<br />
und geringe Markendichte<br />
in der Warengruppe. Dies sieht<br />
man an der Spitzenposition des Aldi-Produkts<br />
Kokett. Aldi-Kunden haben beim<br />
Kauf von Toilettenpapier keine Wahl; es<br />
gibt dort nur diese eine Marke. Hakle<br />
dagegen konkurriert nicht nur mit dem<br />
billigen Aldi-Produkt, sondern auch mit<br />
anderen Marken in den Regalen der<br />
Vollsortimenter. Der First Choice Buyer-<br />
Anteil ist bei Hakle viel niedriger und die<br />
FCB-Erosionsrate folglich deutlich höher.<br />
Beim Aldi-Waschmittel Tandil ist der First<br />
Choice Buyer-Anteil deshalb niedriger<br />
und die FCB-Erosionsrate höher, weil<br />
es in dieser Warengruppe eine Vielzahl<br />
starker Herstellermarken gibt, die selbst<br />
von regelmäßigen Aldi-Kunden bevorzugt<br />
werden, vor allem Persil. Eine lange<br />
Markentradition verhilft auch Bärenmarke<br />
zu einem hohen First Choice<br />
Buyer-Anteil und entsprechend geringer<br />
FCB-Erosionsrate. Andere Marken wiederum<br />
haben einen Ost-Bonus, wie beispielsweise<br />
Bautzner Senf.<br />
Aber selbst diese Marken mit vergleichsweise<br />
hohem Stammkäufer-Anteil und<br />
relativ geringer Erosionsrate müssen den<br />
Verlust an First Choice Buyern regelmäßig<br />
durch Neukäufer-Akquisition ausgleichen.<br />
Der Zwang dazu ist naturgemäß<br />
umso größer, je geringer der First Choice<br />
Buyer-Anteil und – dadurch bedingt – je<br />
höher die Stammkäufer-Erosion ist.<br />
Hohe Investitionen<br />
in neue Kunden<br />
Die Längsschnittanalyse der <strong>GfK</strong> zeigt,<br />
dass die Marken innerhalb von drei Jahren<br />
im Durchschnitt zehn Prozentpunkte<br />
ihres First Choice Buyer-Anteils und weitere<br />
rund 25 Prozentpunkte ihres Second<br />
Choice Buyer-Anteils einbüßen. Diese<br />
enormen Kundenverluste müssen durch<br />
Neukunden-Akquisition ausgeglichen<br />
werden.<br />
Je höher die Erosion der First Choice<br />
Buyer ist, desto mehr Geld stecken die<br />
Hersteller unter anderem in Preispromotions,<br />
um neue Kunden zu gewinnen.<br />
Doch trotz dieser zum Teil enormen<br />
Investitionen schaffen es die meisten<br />
Marken nicht, den Verlust an Stammkäufern<br />
auszugleichen. So verlieren sie am<br />
Ende gleich zweimal Geld.<br />
Hinzu kommt, dass exzessive Preispromotions<br />
zur Neukunden-Akquisition nachhaltig<br />
kontraproduktiv auf die Attraktivität<br />
der Marke wirken.<br />
Die Strategie der meisten Markenartikelhersteller<br />
zum Erhalt ihrer Marktanteile<br />
ähnelt heute dem Leaky Bucket-Phänomen.<br />
So wie der löchrige Eimer Wasser<br />
verliert, das stetig nachgefüllt werden<br />
muss, so versuchen die Hersteller durch<br />
stetige Akquisition neuer Kunden die<br />
Erosion ihrer Stammkäufer auszugleichen.<br />
Doch die Gewinnung neuer Käufer<br />
absorbiert sowohl einen großen Teil der<br />
Marketingbudgets als auch die Manpo-
47<br />
First Choice Buyer – das Rückgrat der Marke<br />
Erosions-Ausgleich durch Neukäufer-Akquisition<br />
Durchschnitt aus 65 Marken in 13 Warengruppen<br />
Ausgangssituation<br />
First Choice Buyer<br />
(FCB)<br />
Second Choice Buyer<br />
(SCB)<br />
Competitive Choice<br />
Buyer (CCB)<br />
1. Folgejahr<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan, 2004 -2007<br />
Kaufverhalten der FCB/SCB im<br />
2. Folgejahr 3. Folgejahr<br />
u Je größer die Erosionsrate, desto mehr muss in die Neukäufer-<br />
Akquisition investiert werden<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Hohe Erosionsrate, hoher Investitionsbedarf<br />
Anteil Preispromotions am Umsatz* – 65 Marken aus 13 Warengruppen<br />
Preispromotion-Druck-Index*<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
0<br />
10<br />
Fit Becel<br />
Persil<br />
* gewichtet am Warengruppen-Promotionanteil<br />
u Exzessive Preispromotions zur Neukäufer-Akquisition wirken nachhaltig kontraproduktiv<br />
auf die Markenattraktivität<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan, MediaControl<br />
Spee<br />
Fairy<br />
20 30 40 50 60 70 80<br />
Fa<br />
Weißer Riese<br />
Erosionsrate nach 1 Jahr in %<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
48<br />
First Choice Buyer – das Rückgrat der Marke<br />
wer in den Marketingabteilungen – bei<br />
zweifelhaftem Erfolg.<br />
Die Kehrseite dieser einseitigen Marketingausrichtung<br />
ist nicht weniger verheerend.<br />
So wird der Kundenbindung<br />
heute weder die nötige Aufmerksamkeit<br />
in der täglichen Praxis geschenkt, noch<br />
steht sie im Focus der Strategieplanung.<br />
Der Königsweg zu einer höheren <strong>Markenbindung</strong><br />
besteht aber gerade darin,<br />
zunächst die Erosion zu reduzieren und<br />
dann in einem weiteren Schritt ehemalige<br />
Treuekäufer zurückzuholen.<br />
Das "Leaky Bucket“-Phänomen<br />
der löchrige<br />
Eimer …<br />
…verliert Wasser…<br />
(sprich: FCB und SCB)<br />
…und muss<br />
laufend nachgefüllt<br />
werden<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Dazu ist es nötig, der Marke ein klares<br />
Profil zu geben und die Unterschiede zu<br />
den Mitbewerbern für die Verbraucher<br />
deutlich herauszuarbeiten. Dies gilt vor<br />
allem für Innovationen, die einen echten,<br />
für die Verbraucher nachvollziehbaren<br />
Vorteil gegenüber der bisherigen Produktausstattung,<br />
vor allem aber gegenüber<br />
den Produkten der Konkurrenz bringen<br />
müssen. Marken mit einer langen<br />
Geschichte haben dabei einen Vorsprung,<br />
sie müssen aber umso mehr darauf achten,<br />
diesen Vorteil nicht durch übertriebenen<br />
Änderungswahn zu gefährden.<br />
Neben dieser endogenen Markenpflege<br />
gilt es, die Marke auf die Herausforderungen<br />
durch exogene Faktoren vorzubereiten.<br />
Dies betrifft vor allem den<br />
gravierenden Wandel in der Gesellschaft<br />
(Zeitgeist) und der Demografie sowie<br />
die Veränderungen in den persönlichen<br />
Lebensverhältnissen der Menschen.<br />
Wie aus diesen Herausforderungen<br />
ein strategischer Vorteil werden kann,<br />
darum geht es im folgenden Kapitel.
Das Alter(n) stärkt die (Marken-)Bindung<br />
Die Zeiten ändern sich – und mit ihnen<br />
die Menschen, ihre Einstellungen und<br />
Orientierungen, Bedürfnisse und Wünsche.<br />
Wer hat nicht schon einmal verwundert<br />
die Fotos vom letzten runden<br />
Geburtstag angeschaut? Was, das ist nur<br />
zehn Jahre her? Was hatten wir da an?<br />
Und diese Frisur…<br />
Fundamentale Veränderungen in der<br />
Gesellschaft und der Einfluss des Zeitgeists<br />
sind Ursachen dafür, dass sich<br />
das Rad des Wandels auch anderenorts<br />
immer schneller dreht, nicht zuletzt auch<br />
im Konsum. Jährlich rund 30.000 neue<br />
Produkte und Produktvarianten in den<br />
Regalen des LEH sind ein Ausdruck der<br />
üppigen Fantasie und Erneuerungskraft<br />
von Herstellern und Handel, aber auch<br />
ein Zeichen des immensen Anpassungsdrucks,<br />
unter dem die Anbieter und ihre<br />
Marken stehen.<br />
Tiefer als die teils schnell vergänglichen<br />
Moden und Marotten des Zeitgeists<br />
verändert der Wandel in der demografischen<br />
Zusammensetzung unserer<br />
Gesellschaft die Nachfrage der Verbraucher.<br />
Die Tatsache, dass die deutsche<br />
Bevölkerung immer älter wird, verleiht<br />
der sogenannten Generation Silber eine<br />
ständig wachsende Bedeutung für die<br />
Produktentwicklung und das Marketing<br />
der Hersteller, aber auch für die Sor-<br />
49<br />
Das Alter(n) stärkt die (Marken-)Bindung<br />
Die Bedeutung von Zeitgeist und Alterung für die <strong>Markenbindung</strong><br />
timentspolitik und die Serviceausrichtung<br />
des Handels. Auch hier entsteht der<br />
Druck auf die Anbieter und ihre Marken<br />
nicht allein aus dem rein zahlenmäßigen<br />
Wachstum der älteren Zielgruppen, sondern<br />
genauso aus dem forcierten Wandel<br />
individueller Vorlieben und Wünsche.<br />
Demografie, biologische Alterung sowie<br />
soziale Faktoren und Verwerfungen führen<br />
schließlich zu spürbaren Veränderungen<br />
in den Familien-Lebenswelten.<br />
Die Übergänge zwischen den einzelnen<br />
Lebensphasen erweisen sich dabei oft<br />
als entscheidende Bruchstellen für die<br />
<strong>Markenbindung</strong>.<br />
Allerdings bergen diese Prozesse nicht<br />
nur Risiken, sondern sie eröffnen auch<br />
Chancen für die <strong>Markenbindung</strong>.<br />
Im Fol- Exogene Faktoren<br />
genden wird gezeigt,<br />
Was beeinflusst die <strong>Markenbindung</strong>?<br />
wie die exogenen<br />
Faktoren – jede für<br />
sich genommen, aber<br />
auch im Zusammen-<br />
Zeitgeist<br />
spiel – die künftige<br />
Bindung der Stammkäufer<br />
an ihre präferierten<br />
Marken tangieren.<br />
Marken-<br />
Attraktivität<strong>Lebenslange</strong><strong>Markenbindung</strong>BiologischeAlterung<br />
Lebenswelten<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
50<br />
Das Alter(n) stärkt die (Marken-)Bindung<br />
Gesellschaftliche Veränderungen<br />
und der Wandel des Zeitgeists<br />
Frauen stellen die „K“-Frage. Der konventionelle<br />
Dreiklang Kinder – Küche –<br />
Kirche bestimmte noch bis in die sechziger<br />
Jahre hinein das Bild und den Alltag<br />
der Frauen in <strong>Deutschland</strong>. Seither hat<br />
sich die Rolle der Frau in der Gesellschaft<br />
radikal gewandelt, mit weitreichenden<br />
Folgen auch auf die <strong>Markenbindung</strong>:<br />
u Kompetenz<br />
Frauen stellen die Mehrheit der Abiturienten<br />
und an den Universitäten studieren<br />
mehr Frauen als Männer.<br />
u Kapital<br />
Frauen sind im Beruf erfolgreich und die<br />
meisten verfügen über eigenes Einkommen<br />
und Vermögen.<br />
Rollenwandel: Frauen-Bilder<br />
Beispiel für gesellschaftlichen Wandel<br />
u Kinder<br />
u Küche<br />
u Kirche<br />
1968 2008<br />
u Gestaltungsfreiheit statt Konventionen<br />
u Kompetenz<br />
u Kapital<br />
u Kritische Einstellung<br />
u „Kanzlerin“<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
u Kritische Einstellung<br />
Frauen sind selbstbewusste Partner in<br />
Politik, Gesellschaft und im Privaten.<br />
u „Kanzlerin“<br />
Frauen sind ehrgeizig und verfolgen<br />
ambitionierte Karrierepläne.<br />
Frauen sind heute nicht mehr „Heimchen<br />
am Herd“. Ihre Einstellung zu Marken<br />
und Produkten ist nicht affirmativ,<br />
sondern kritisch, auch und gerade wenn<br />
sie als Hausfrau die Familie versorgen.<br />
Beruflich engagiert und zeitlich eingespannt,<br />
verändert sich ihr Konsum- und<br />
Einkaufsverhalten radikal.<br />
Dabei ist der Rollenwandel im Frauenbild<br />
nur eine der großen gesellschaftlichen<br />
Veränderungen, die in den letzten<br />
Jahrzehnten Einstellungen und Verhalten<br />
der Konsumenten beeinflusst haben<br />
– und künftig noch weit stärker bestimmen<br />
werden.<br />
Die neue Arbeitswelt, der Wandel von<br />
der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft,<br />
die Berufstätigkeit der Frauen<br />
und die im historischen Vergleich nach<br />
wie vor hohe Arbeitslosigkeit polarisieren<br />
das soziale Gefüge und den Konsum.<br />
Hinzu kommt ein stark verändertes<br />
Mobilitäts- und Freizeitverhalten, das<br />
neue Nachfragesegmente entstehen<br />
lässt und die bisherigen Gewichte des<br />
Konsums verschiebt. Schließlich führt<br />
der Bewusstseinswandel mit Bezug auf<br />
Umwelt und Ethik dazu, dass sich traditionelle<br />
Konsummuster auflösen und<br />
neue <strong>Markenbindung</strong>en entstehen.
In den meisten Fällen gehen solche fundamentalen<br />
gesellschaftlichen Wandlungsprozesse<br />
mit temporären Einstellungsänderungen<br />
einher, die gemeinhin<br />
unter dem Begriff Zeitgeist firmieren und<br />
verstärkend auf die Basisprozesse wirken.<br />
Dabei ist dieses Zeitgeist-Spektrum<br />
recht weit gefasst; es reicht von Modeerscheinungen<br />
(beispielsweise in der<br />
Musik) mit begrenzten Auswirkungen<br />
auf spezielle Nachfragesegmente bis hin<br />
zu generellen Einstellungsparametern,<br />
die den gesamten Konsum betreffen.<br />
Ein solch umfassender Zeitgeist-Faktor<br />
ist die Qualitäts- bzw. Preisorientierung<br />
der Verbraucher. Hintergrund hierfür ist<br />
die soziale Lage der Haushalte, aber insbesondere<br />
auch die Angebotspolitik des<br />
Handels.<br />
51<br />
Das Alter(n) stärkt die (Marken-)Bindung<br />
Es handelt sich bei dieser Art Konsumorientierung<br />
also nicht um ein reines<br />
Zeitgeist-Phänomen, aber der Zeitgeist<br />
hat sich ihrer bemächtigt, und der Handelsriese<br />
Saturn hat dies in den griffigen<br />
Slogan „Geiz ist geil“ gepackt.<br />
Flexibel, wie der Zeitgeist nun aber mal<br />
ist, hat er sein Mantra kürzlich geopfert<br />
und durch ein neues ersetzt. Qualität<br />
versus Preis, regional versus global, bio<br />
versus konventionell – dies alles sind<br />
Ausprägungen des Zeitgeists, der das<br />
Konsumverhalten der Verbraucher infiltriert.<br />
Nach Jahren der Hyper-Sparsamkeit<br />
endlich auch wieder mit positiven<br />
Auswirkungen für die Marke.<br />
Einstellungswandel: Qualitätsorientierung<br />
Beispiel für Änderungen des Zeitgeists – Angaben in % aller Befragten<br />
1995 1997 1999 2001 2003 2005 2006* 2007*<br />
Beim Einkaufen achte ich<br />
vor allem auf…<br />
… den Preis<br />
… die Qualität<br />
51 54 55 56 59 56 54 53<br />
49 46 45 44 41 44 46 47<br />
Quelle: <strong>GfK</strong>-Trendsensor Konsum 2005 ; *<strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
neuer Slogan<br />
ab Oktober 2007<br />
nachhaltig steigende<br />
Qualiätsorientierung<br />
seit 2005<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
52<br />
Das Alter(n) stärkt die (Marken-)Bindung<br />
Biologische Alterung –<br />
Chancen und Risiken für die<br />
<strong>Markenbindung</strong><br />
Der Altersaufbau der deutschen Bevölkerung<br />
hat sich vor allem in den letzten<br />
beiden Jahrzehnten dramatisch verändert<br />
und wird sich in den kommenden<br />
beiden Jahrzehnten in noch größerem<br />
Maße verändern. Ursachen dafür<br />
sind geringere Geburtenraten, höhere<br />
Lebenserwartung und die sukzessive<br />
Verschiebung der Geburtenjahrgänge.<br />
1964 wurden in <strong>Deutschland</strong> fast 1,5<br />
Mio. Kinder geboren, im Jahr 2005 dagegen<br />
nicht einmal 700 Tsd., weniger als<br />
im letzten Kriegsjahr 1945. Das ist ein<br />
massiver Rückgang, vor allem wenn man<br />
Die Bedeutung der Altersjahrgänge<br />
Geburten im jeweiligen Jahr<br />
1,5 Mio.<br />
1,2 Mio.<br />
0,9 Mio.<br />
0,6 Mio.<br />
0,3 Mio.<br />
0 Mio.<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt, Bevölkerungsfortschreibung 2005,<br />
nach Batz-Hausen Research & Consulting<br />
bedenkt, dass die Bevölkerungszahl insgesamt<br />
heute viel höher ist als auf dem<br />
Höhepunkt des Babybooms.<br />
Die faktische Halbierung der aktuellen<br />
Geburtenzahl führt in den kommenden<br />
Jahren zu einer dramatischen Verschiebung<br />
der Alterspyramide. So wird es im<br />
Jahr 2030 nach Vorausberechnungen des<br />
Statistischen Bundesamtes 23 Prozent<br />
weniger 20 bis 30-Jährige geben als im<br />
Basisjahr 2005, aber 33 Prozent mehr<br />
über 65-Jährige. Im Jahr 2040 leben<br />
demnach in <strong>Deutschland</strong> fast 16 Mio.<br />
Menschen im Alter zwischen 65 und 80<br />
Jahren. Das sind doppelt so viele wie<br />
in den beiden Altersgruppen der 30 bis<br />
40 Jährigen und der 40 bis 50-Jährigen<br />
zusammen genommen.<br />
2005 (Jahresende) 1975 1964<br />
1945 1940<br />
vor 1915<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
Auch gibt es 2030 einen kleinen Männer-<br />
Überschuss, was für sich genommen nicht<br />
so gravierend ist, aber im Vergleich zu<br />
heute (wegen der Kriegsjahrgänge mit<br />
ihrem hohen Frauen-Überschuss) doch<br />
einen deutlichen Unterschied ausmacht.<br />
Schon heute liegt der Anteil der ausländischen<br />
Wohnbevölkerung in <strong>Deutschland</strong><br />
bei rund neun Prozent, hinzu kommen<br />
zehn Prozent Deutsche mit Migrationshintergrund.<br />
Dieser Anteil wird sich weiter<br />
erhöhen, wenn auch nicht absolut, so<br />
doch wenigstens im Verhältnis zum Rest<br />
der Bevölkerung. Hinzu kommt, dass die<br />
in <strong>Deutschland</strong> geborenen Migrantenkinder<br />
der zweiten und dritten Generation,<br />
aber auch die aus Ehen von Migranten<br />
und Deutschen hervorgehenden Kinder<br />
ein anderes Konsumverhalten haben als<br />
Kinder der deutschen Stammbevölkerung.<br />
Anders gesagt: <strong>Deutschland</strong> wird<br />
vielleicht nicht zum Multi-Kulti-Staat,<br />
aber die Kulturen in <strong>Deutschland</strong> werden<br />
vielschichtiger – und damit auch die<br />
Konsumkultur.<br />
Im Folgenden werden die Auswirkungen<br />
der biologischen Alterung auf den Konsum<br />
näher beleuchtet: Wie kaufen Verbraucher<br />
ein, wenn sie älter werden?<br />
Stellen sich dann typische Alterseffekte<br />
ein, die sich in der Verschiebung von<br />
Konsumpräferenzen für bestimmte Produktgruppen<br />
zeigen? Oder entsteht<br />
durch die Wanderung der geburtenstarken<br />
Jahrgänge ins Alter ein Kohorten-<br />
Effekt, der ganze Warengruppen aber<br />
auch einzelne Marken mitzieht?<br />
53<br />
Das Alter(n) stärkt die (Marken-)Bindung<br />
Shopping Trips<br />
und Einkaufsstättenbindung<br />
Mit zunehmendem Alter verschiebt sich<br />
das Einkaufsverhalten der Verbraucher<br />
deutlich. Es ist, legt man die Zahl der<br />
Shopping Trips und die Größe des Einkaufskorbs<br />
zugrunde – fast diametral<br />
zum Shoppingverhalten der jüngeren<br />
Verbraucher (siehe Chart auf der folgenden<br />
Seite).<br />
So kaufen beispielsweise die 25 bis<br />
29-Jährigen im Durchschnitt 134 Mal<br />
im Jahr Güter des täglichen Bedarfs ein<br />
(Basis: Alter der Hausfrau), die 30 bis<br />
34-Jährigen rund 144 Mal. In beiden<br />
Altersgruppen herrscht Zeitknappheit<br />
vor, bedingt durch erste berufliche Engagements<br />
oder aber infolge von Familiengründung<br />
und Babyjahre.<br />
Mit zunehmendem Alter steigt die Zahl<br />
der Shopping Trips deutlich an. 50-Jährige<br />
betreten bereits über 200 Mal pro Jahr<br />
ein LEH-Geschäft (inkl. Drogeriemarkt),<br />
55-Jährige bereits mehr als 220 Mal. Am<br />
häufigsten gehen die 70 bis 74-Jährigen<br />
zum Einkaufen, nämlich an beinahe fünf<br />
von sechs Einkaufstagen der Woche.<br />
Die Gründe für die höhere Einkaufsfrequenz<br />
der älteren Bevölkerung sind zwar<br />
alters-, aber nicht unbedingt generationentypisch.<br />
Das heißt, sie unterliegen<br />
keinem Einstellungswandel oder gar dem<br />
Zeitgeist. Entscheidende Ursache ist vielmehr<br />
die Suche nach sozialen Kontakten,<br />
die in dieser Altersgruppe aufgrund von
54<br />
Das Alter(n) stärkt die (Marken-)Bindung<br />
Krankheiten, Tod des Partners oder von<br />
Freunden nicht mehr so leicht zu haben<br />
sind. Deshalb bevorzugen ältere Konsumenten<br />
zumeist die Supermärkte in der<br />
Nähe der Wohnung statt der großen Verbrauchermärkte<br />
auf der grünen Wiese<br />
oder der nüchternen Discounter-Filialen.<br />
Eine Rolle spielt auch die Tatsache, dass<br />
man schließlich Zeit genug hat. Man<br />
kann es sich leisten, öfter zum Einkaufen<br />
zu gehen, auch, wenn dabei fast nichts<br />
gekauft wird.<br />
Denn das ist die Kehrseite der häufigen<br />
Shopping Trips: Die Bonsumme liegt bei<br />
den 70 bis 74-Jährigen bei durchschnittlich<br />
12,17 Euro; das ist fast ein Drittel weniger<br />
als bei den 30 bis 34-Jährigen. Nur bei<br />
über 75-Jährigen ist sie noch geringer, das<br />
aber bei deutlich weniger Einkäufen.<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
Dennoch geben die Älteren im Durchschnitt<br />
mehr Geld für FMCG aus als die<br />
Jüngeren. Bei ihren 144 Einkaufstrips lässt<br />
die Altersgruppe der Anfang 30-Jährigen<br />
rund 2.500 Euro im Jahr im Geschäft, die<br />
Altersgruppe der Anfang 70-Jährigen<br />
gibt dagegen bei ihren knapp 250 Shopping<br />
Trips rund 3.000 Euro aus. Das sind<br />
etwas 20 Prozent mehr, unter anderem<br />
der Tribut an den häufigeren Einkauf bei<br />
einem Vollsortimenter.<br />
Das Beispiel Shopping Trips zeigt aber<br />
auch, wie wichtig oft eine länger<br />
zurückreichende Perspektive ist, um zu<br />
einem fundierten Urteil über die künftige<br />
Entwicklung zu kommen.<br />
Im Vergleichszeitraum Juli 2006 bis Juni<br />
2007 steigt die Zahl der Shopping Trips in<br />
den ersten drei abgebildeten Altersgrup-<br />
Mit dem Alter wächst die Zahl der Shopping Trips<br />
Alter der Hausfrau in Jahren – Einkauf von FMCG – alle Einkaufsstätten<br />
bis 24<br />
14,52<br />
116<br />
25 - 29 30 - 34 35 - 39 40 - 44 45 - 49 50 - 54 55 - 59 60 - 64 65 - 69 70 - 74 75 +<br />
16,10<br />
134<br />
17,33<br />
144<br />
16,89 16,64<br />
164<br />
182<br />
16,38<br />
192<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan, Juli 2006 - Juni 2007<br />
208<br />
15,18<br />
223<br />
14,30<br />
216 243<br />
14,22<br />
12,91<br />
Shopping Trips p.a. (linke Skala) ø Bonsumme FMCG in Euro (rechte Skala)<br />
247<br />
12,17<br />
199<br />
11,16<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
18<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
Vergleich der Shopping Trips 1996 zu 2007<br />
Alter der Hausfrau in Jahren – FMCG – alle Einkaufsstätten<br />
bis 24<br />
170<br />
116<br />
25 - 29 30 - 34 35 - 39 40 - 44 45 - 49 50 - 54 55 - 59<br />
195<br />
134<br />
210<br />
144<br />
1996 2007<br />
211<br />
164<br />
230 228<br />
182<br />
192<br />
Verhaltensänderung durch u.a.<br />
u zunehmende Berufstätigkeit der Frauen<br />
u weniger Besuche von Fachgeschäften<br />
(Bäckerei, Metzgerei usw.)<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan, Juli 2006 - Juni 2007<br />
pen (Chart auf der linken Seite) von 116<br />
auf 144, mithin um knapp ein Viertel an.<br />
Im Vergleich der Jahre 1996 zu 2007 ist<br />
die Zahl der Shopping Trips in den gleichen<br />
Altersgruppen aber von 170 auf<br />
144 zurückgegangen, also um rund ein<br />
Siebtel gesunken (obiges Chart). Anders<br />
ausgedrückt: Eine heute 30-Jährige hat<br />
vor zehn Jahren fast 30 Mal öfter im LEH<br />
eingekauft als heute.<br />
Die Ursache dafür liegt vor allem in<br />
der zunehmenden Berufstätigkeit von<br />
Frauen und in der heutigen Bevorzugung<br />
größerer Geschäfte wie Verbrauchermärkte<br />
auf der einen und Discounter<br />
auf der anderen Seite, deren<br />
221<br />
208<br />
250<br />
223<br />
Kohorteneffekte<br />
55<br />
Das Alter(n) stärkt die (Marken-)Bindung<br />
60 - 64 65 - 69 70 - 74 75 +<br />
255 251 250<br />
216<br />
243<br />
247<br />
208<br />
199<br />
Alterseffekt<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Sortimentserweiterung und Ausbau des<br />
Frische-Angebots zu Lasten der Fachgeschäfte<br />
wie zum Beispiel Bäckereien und<br />
Metzgereien geht.<br />
Je älter die Verbraucher in den beiden<br />
Vergleichsjahren waren bzw. sind, desto<br />
geringer fällt der Rückgang der Shopping<br />
Trips aus. Der in den letzten Jahren<br />
forcierte Wandel der Arbeitswelt, aber<br />
auch die soziale Polarisierung trifft die<br />
jüngeren Altersgruppen offenbar stärker<br />
als beispielsweise die mittleren.<br />
Dort wiederum ergeben sich, was die<br />
Einkaufstrips betrifft, deutliche Kohorten-Effekte.<br />
Diese Verbraucher haben ihr<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100
56<br />
Das Alter(n) stärkt die (Marken-)Bindung<br />
Einkaufsverhalten in den letzten zehn<br />
Jahren kaum geändert, sondern den<br />
Rhythmus ihrer Shopping Trips durch die<br />
Jahre weitgehend beibehalten.<br />
Der Rückgang bei den Shopping Trips<br />
in der Altersgruppe 75+ ist ein typischer<br />
Alterseffekt, bedingt durch Gehbehinderungen,<br />
Krankheit, aber auch durch<br />
geringeren Bedarf an Konsumgütern.<br />
Während die Zahl der Shopping Trips<br />
über alle Altersgruppen hinweg in den<br />
letzten 25 Jahren um ein Fünftel zurückgegangen<br />
sind, blieben sie für die erstpräferierte<br />
Einkaufsstätte gleich.<br />
Dadurch ist die Bedarfsdeckung über die<br />
erstpräferierte Einkaufsstätte gestiegen.<br />
Gewinner dieses Wandels im Einkaufsverhalten<br />
sind also die typischen Stammgeschäfte<br />
mit vielen treuen Käufern, aber<br />
auch Marken mit hoher Präsenz in den<br />
Stammgeschäften. Denn je höher die Einkaufsstättentreue<br />
der Verbraucher, desto<br />
höher ist nach Erkenntnissen der Marketingforschung<br />
auch ihre Markentreue.*<br />
* (Dr. Th. Goerdt, Die Marken- und Einkaufsstättentreue<br />
der Konsumenten<br />
als Bestimmungsfaktor des vertikalen<br />
Beziehungsmarketing, Dissertation, Univ.<br />
Erlangen-Nürnberg, 1999, Lehrstuhl für<br />
Marketing, Prof. Dr. H. Diller).<br />
Shopping Trips und Einkaufsstättenbindung<br />
Basis: Alle FMCG-Einkaufsstätten<br />
1982 1987 1992 1997 2003 2004 2005 2006 2007<br />
q Shopping Trips für alle Einkaufsstätten sinken<br />
233<br />
227<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
223 221<br />
207<br />
201<br />
q Shopping Trips für erstpräferierte Einkaufsstätte bleiben konstant<br />
q Bedarfsdeckung Wert (%) über erstpräferierte Einkaufsstätte steigt<br />
52<br />
37<br />
193<br />
187 186<br />
51<br />
42<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
Kohorten-Effekte begünstigen<br />
die <strong>Markenbindung</strong><br />
Das Konsumverhalten der Verbraucher<br />
insgesamt oder einzelner Altersgruppen<br />
ist trotz der aufgezeigten großen Veränderungen<br />
immer noch relativ stabil. Zwar<br />
wünschen die Konsumenten die Veränderung,<br />
aber sie sehnen sich eben auch nach<br />
Kontinuität und Beharrung. Soweit es<br />
sich nicht um typischen Lifestyle-Konsum<br />
handelt, der nur in in einem bestimmten<br />
Alter oder bei bestimmten Gelegenheiten<br />
gepflegt wird, behalten die Verbraucher<br />
deshalb ihre Konsumgewohnheiten<br />
in der Regel über eine längere Zeit bei,<br />
wenn nicht gar ein Leben lang.<br />
Dies führt zu sogenannten Kohorten-<br />
Effekten, das heißt, wenn die Verbraucher<br />
älter werden, nehmen sie ihr<br />
antrainiertes Konsumverhalten mit in<br />
die nächste Altersgruppe usw. Dadurch<br />
entsteht eine zugleich horizontale (Zeit)<br />
und vertikale (Altersjahrgänge) Verschiebung<br />
der Nachfrage nach Gütern des<br />
täglichen Bedarfs insgesamt, aber auch<br />
für bestimmte Warengruppen oder gar<br />
für einzelne Marken.<br />
Verbraucher, die in den geburtenstarken<br />
sechziger Jahren geboren wurden, sind<br />
heute zwischen ca. 35 und 50 Jahren<br />
alt, mithin in den beiden Altersgruppen<br />
der 30 bis 39-Jährigen bzw. der 40 bis<br />
49-Jähringen angesiedelt. Durch Kohorteneffekte<br />
wird sich deren überproportionale<br />
Nachfrage in den kommenden<br />
Jahren immer weiter in die älteren Ziel-<br />
57<br />
Das Alter(n) stärkt die (Marken-)Bindung<br />
Kohorteneffekte: Dekorative Kosmetik<br />
Käuferreichweite in %<br />
Alter in Jahren<br />
70 +<br />
60 - 69<br />
50 - 59<br />
40 - 49<br />
30 - 39<br />
20 - 29<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
2000 2007<br />
2016<br />
18,1<br />
22,7<br />
30,9<br />
33,5<br />
34,4<br />
33,4<br />
21,3<br />
32,9<br />
35,5<br />
36,1<br />
33,9<br />
gruppen hinein verlagern und damit die<br />
Konsumschwerpunkte und die Nachfrage<br />
massiv verändern.<br />
Beispiel Dekorative Kosmetik: Die Käuferreichweite<br />
für diese Produkte lag im<br />
Jahr 2000 in der Altersgruppe 70+ bei<br />
gerade einmal 18 Prozent. Heute ist sie<br />
durch den Kohorteneffekt bereits um<br />
drei Prozentpunkte höher und bis 2016<br />
steigt sie gegenüber heute um weitere<br />
zehn Prozentpunkte. Erst ab Mitte der<br />
dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts<br />
wird die Käuferreichweite für diese Produktgruppe<br />
wieder sinken, weil dann<br />
die geburtenschwächeren Jahrgänge ins<br />
höhere Alter kommen.<br />
Der Anstieg der Käuferreichweite innerhalb<br />
der einzelnen Altersgruppen resultiert<br />
zunächst aus der steigenden Verwendung<br />
in der Altersgruppe und sinkt<br />
später durch natürliche Abgänge.<br />
33<br />
35<br />
36<br />
34<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
58<br />
Das Alter(n) stärkt die (Marken-)Bindung<br />
Beispiel Fixprodukte: Hier sind die Kohor-<br />
teneffekte besonders ausgeprägt. So<br />
steigt die Zahl der Verwender sowohl<br />
horizontal als auch vertikal deutlich an.<br />
Im Jahr 2016 werden in der Altersgruppe<br />
70+ etwa ein Drittel mehr Verbraucher<br />
Kohorteneffekte: Fixprodukte<br />
Käuferreichweite in %<br />
Kohorten- und Alterseffekte: Bier<br />
Menge pro Käuferhaushalt in Liter<br />
Alterseffekte<br />
Kohorteneffekte<br />
Alter in Jahren<br />
70 +<br />
60 - 69<br />
50 - 59<br />
40 - 49<br />
30 - 39<br />
20 - 29<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
Alter in Jahren<br />
70 +<br />
60 - 69<br />
50 - 59<br />
40 - 49<br />
30 - 39<br />
20 - 29<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
1999 2006<br />
2016<br />
51,8<br />
62,2<br />
66,9<br />
77,4<br />
77,4<br />
76,7<br />
1999 2006<br />
2016<br />
64,1<br />
114,1<br />
137,9<br />
140,8<br />
96,0<br />
63,1<br />
57,2<br />
67,9<br />
75,4<br />
78,0<br />
79,6<br />
83,8<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
78,6<br />
111,6<br />
132,0<br />
107,2<br />
69,0<br />
43,9<br />
68<br />
76<br />
78<br />
80<br />
84<br />
80<br />
112<br />
110<br />
70<br />
44<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
als heute Fixprodukte verwenden, eine<br />
Folge des Älterwerdens der geburtenstarken<br />
Jahrgänge. Hinzu kommt, dass die<br />
Verwendung von Fixprodukten vor allem<br />
in den jüngeren Altersgruppen infolge<br />
zunehmender Zeit-Restriktionen deutlich<br />
ansteigt. Das wiederum verstärkt den<br />
Kohorteneffekt für diese Warengruppe.<br />
Beispiel Bier: Auch hier gibt es in den<br />
nächsten Jahrzehnten Kohorteneffekte,<br />
die aber negativ sind, weil der Konsum<br />
von Bier in den jüngeren Altersgruppen<br />
unterproportional ist. So wurde in<br />
der Altersgruppe der 20 bis 29-Jährigen<br />
2006 pro Käuferhaushalt im Schnitt nur<br />
noch 44 Liter Bier im Hause konsumiert,<br />
von den 50 bis 59-Jährigen aber fast dreimal<br />
so viel. Da die junge Altersgruppe<br />
zudem zahlenmäßig erheblich kleiner<br />
ist, sieht es für die künftige Biernachfrage<br />
schlecht aus.<br />
Bei Bier zeigen sich zudem typische Alterseffekte.<br />
Ältere Menschen trinken generell<br />
weniger und vor allem weniger Alkohol.<br />
Kohorten- und Alterseffekte werden sich<br />
daher zu einem Problem für die Brauereien<br />
hochschaukeln, zumindest was den<br />
Absatz ihres Klassikers betrifft.<br />
Für die <strong>Markenbindung</strong> sind Kohorten-<br />
Effekte grundsätzlich positiv, denn wenn<br />
jemand sein Konsumverhalten mitnimmt,<br />
nimmt er mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
auch seine Markenpräferenzen mit. Allerdings<br />
können diese Kohorten-Effekte<br />
gerade durch den Wechsel in eine andere<br />
Lebenswelt auch durchbrochen werden.
Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong><br />
Negative und positive Effekte durch den Lebenswelten-Übergang<br />
Für das Konsum- und Einkaufsverhalten<br />
der Verbraucher ist ein ganzes Bündel<br />
an Faktoren bestimmend. Da sind zum<br />
einen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
wie beispielsweise die aktuelle<br />
Konjunktur und die Lage auf dem<br />
Arbeitsmarkt. Sie prägen die Konsumstimmung<br />
der Verbraucher und sorgen<br />
damit für eine lebhafte oder schleppende,<br />
eine ansteigende oder rückläufige<br />
Nachfrage.<br />
Hinzu kommt die jeweilige gesellschaftliche<br />
und soziale Situation der Haushalte,<br />
die unmittelbaren Einfluss auf die Ausgaben<br />
für Güter des täglichen Bedarfs<br />
hat und für die Wahl der bevorzugten<br />
Einkaufsstätten ebenso verantwortlich<br />
ist wie für die Entscheidung, ob Preisoder<br />
Qualitätskriterien die Produktwahl<br />
bestimmen, ob bevorzugt Markenartikel<br />
oder Handelsmarken gekauft werden.<br />
Schließlich sind da noch individuelle Bedingungen<br />
und persönliche Vorlieben, die<br />
das Konsumverhalten lenken. Wer wenig<br />
Zeit zum Einkaufen und Kochen hat, wird<br />
sich häufiger für Convenience-Produkte<br />
entscheiden, wer einen stressigen Job<br />
hat, möglicherweise auch Wellness-Produkte<br />
bevorzugen. Hinzu kommen mehr<br />
oder weniger ausgeprägte Präferenzen<br />
für bestimmte Markensegmente (z.B. Premiummarken)<br />
oder -produkte.<br />
59<br />
Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong><br />
Um Trends im Konsumverhalten der Verbraucher<br />
bestimmen und prognostizieren<br />
zu können, müssen diese einzelnen Parameter<br />
in ausreichend differenzierter, aber<br />
zugleich praktisch verwertbarer Form<br />
zusammengefasst werden. Dies geschieht<br />
in den Familien-Lebenswelten der <strong>GfK</strong>.<br />
Die 14 Familien-Lebenswelten (siehe<br />
Chart auf der folgenden Seite) repräsentieren<br />
typische Altersgruppen, familiäre<br />
Lebensverhältnisse, soziale Grundlagen<br />
und finanzielle Ausstattungen, Einstellungen<br />
und Verhaltensweisen. Jede dieser<br />
Lebenswelten ist ein eigener Kosmos,<br />
der die dazu Gehörenden einschließt<br />
und ihr Verhalten bestimmt. Die Größe<br />
der einzelnen Lebenswelten ändert sich<br />
allerdings laufend durch die Entwicklung<br />
der Bevölkerung. So wird die Anzahl der<br />
Ruhestands-Haushalte von derzeit 35<br />
Prozent in den nächsten zwei Jahrzehnten<br />
auf über vierzig Prozent anwachsen,<br />
allein durch die biologische Alterung der<br />
geburtenstarken Jahrgänge, die derzeit<br />
noch in der älteren Mittel- und Arbeiterschicht<br />
sowie in den Empty Nest-Familien<br />
verortet sind.<br />
Andererseits ändern die einzelnen<br />
Lebenswelten immer wieder ihre Kontur,<br />
zum Beispiel durch ein Anwachsen oder<br />
Schrumpfen des Anteils berufstätiger<br />
Haushalte, der Kinderzahl oder durch
60<br />
Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong><br />
ausgeprägte Einstellungs- und Verhaltensänderungen.<br />
So haben die Ruhestands-Haushalte<br />
der nächsten 20 Jahre<br />
mit denen der letzten 20 Jahre kaum<br />
mehr gemein als das (biologische) Alter.<br />
Doch während sich diese Prozesse langsam,<br />
über viele Jahre und Jahrzehnte<br />
hinweg vollziehen, bedeutet der Übergang<br />
einzelner Haushalte von einer<br />
Lebenswelt in eine andere nicht selten<br />
einen fundamentalen Bruch mit bisherigen<br />
Konsumgewohnheiten. Berufstätigen<br />
Aufsteigern fehlt beim Übergang<br />
in die Lebenswelt der Jungen Familien<br />
oft ein nahezu komplettes Einkommen;<br />
ein Kaufkraftschwund, der durch steuerliche<br />
Vorteile und Kindergeld auch nicht<br />
annähernd ausgeglichen wird, weil parallel<br />
dazu auch die Kosten steigen.<br />
Umgekehrt steht Rentner-Familien häufig<br />
deutlich mehr Geld für den persönlichen<br />
Konsum zur Verfügung, weil Haus und<br />
Wohnung schuldenfrei sind und keine<br />
Miete anfällt, aber auch, weil Erbschaften<br />
den finanziellen Spielraum erweitern. Der<br />
Zuwachs an Kaufkraft entsteht zum Teil<br />
bereits in den Empty Nest-Familien, also<br />
wenn die Kinder aus dem Haus sind.<br />
Anteil der Haushalte und Berufstätigkeit in den Familien-Lebenswelten<br />
Anteile an allen Haushalten in % – Anteil berufstätiger Haushaltsführer in %<br />
Ausbildung Berufsleben Ruhestand<br />
Studierende/<br />
Auszubildende<br />
(eigener HH)<br />
Soziale<br />
Schicht<br />
Familien-<br />
Phasen<br />
Aufsteiger /<br />
Singles / DINKS<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan, Nov 06 - Okt 07<br />
Junge Familien<br />
Mittelschicht<br />
Junge Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
Ältere Familien<br />
Mittelschicht<br />
6 57 7 69 5<br />
3 98 11 100<br />
7<br />
7 50 7<br />
Berufstätige<br />
Alleinlebende<br />
Ältere Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
Arbeitslose /<br />
Working-Poor<br />
8<br />
100<br />
70<br />
15<br />
Empty Nest-<br />
Familien<br />
Mittelschicht<br />
Empty Nest-<br />
Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
Renter-Familien<br />
Mittelschicht<br />
74 11 6<br />
Renter-Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
4 70 9<br />
7<br />
Alter<br />
Alleinstehende<br />
Ältere<br />
Mittelschicht<br />
Alleinstehende<br />
Ältere<br />
Arbeiterschicht<br />
Anteil an allen Haushalten in %<br />
Anteil berufstätiger Haushaltsführer in %<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
9<br />
6
„Migranten“ zwischen<br />
Wohnort und Lebenswelt<br />
Der Übergang zwischen den Lebenswelten<br />
gehört zu den kritischsten Stellen<br />
für die <strong>Markenbindung</strong>. Jahr für Jahr<br />
wechseln 13 Prozent aller Haushalte im<br />
Berufsleben ihre Lebenswelt. Gleichzeitig<br />
wechseln jedes Jahr zehn Prozent aller<br />
Haushalte ihren Wohnort. In dem einen<br />
Fall lassen die Verbraucher bestimmte<br />
Verhaltensweisen hinter sich, im anderen<br />
lassen sie gewohnte Einkaufsstätten<br />
zurück. Beides hat Auswirkungen auf die<br />
<strong>Markenbindung</strong>.<br />
61<br />
Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong><br />
Vor allem in den jüngeren Lebenswelten<br />
sind diese Übergänge zahlenmäßig sehr<br />
hoch. So verlässt jedes Jahr ein Drittel<br />
der Auszubildenden und Studierenden<br />
mit eigenem Haushalt diese Lebenswelt.<br />
Drei Viertel von ihnen „migrieren“ in<br />
die Lebenswelt der Aufsteiger / Singles /<br />
DINKS, ein Viertel direkt zu den Jungen<br />
Familien. In anderen Lebenswelten ist die<br />
Zahl der „Migranten“ absolut gesehen<br />
geringer, anteilig aber oft deutlich höher,<br />
weil die Haushaltsbasis kleiner ist. Dadurch<br />
geht es um deutlich relevantere Konsumverschiebungen,<br />
mit massiven Auswirkungen<br />
auf Markenwahl und -bindung.<br />
Übergänge zwischen den Familien-Lebenswelten<br />
Gesamt-Abwanderungen aus der jeweiligen Lebenswelt* – Angaben in %<br />
Ausbildung<br />
Studierende /<br />
Auszubildende<br />
(eigener HH)<br />
33<br />
23<br />
8<br />
Aufsteiger /<br />
Singles / DINKS<br />
10<br />
5<br />
Junge Familien<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan, Mittel der Abwanderungen<br />
aus den Jahreswechseln 2003/04,2004/05,2005/06,2006/07<br />
15<br />
Ältere Familien<br />
Lesebeispiel: Aus der Lebenswelt „Studierende / Auszubildende“<br />
wandern pro Jahr insgesamt 33% ab; 23% davon zur Gruppe der<br />
„Aufsteiger / Singles / DINKS“, 8% direkt zu den jüngeren Familien.<br />
u 13% aller Haushalte im Berufsleben wechseln pro Jahr ihre Lebenswelt<br />
Berufsleben Ruhestand<br />
14<br />
Empty Nest-<br />
Familien<br />
15<br />
Berufstätige<br />
Alleinlebende<br />
11<br />
Arbeitslose,<br />
Working-Poor<br />
26<br />
Renter-Familien<br />
5<br />
Alter<br />
Alleinstehende<br />
Ältere<br />
* An den Pfeilen werden<br />
alle Abwanderungen<br />
von 2,5% und mehr gezeigt.<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
1
62<br />
Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong><br />
Wie dramatisch der Übergang zwischen<br />
den Lebenswelten für die Marke ist, zeigt<br />
die Analyse im Haushaltspanel der <strong>GfK</strong>:<br />
Demnach tauschen 39 Prozent aller Haushalte,<br />
die ihre Lebenswelt wechseln, bei<br />
dieser Gelegenheit auch ihre erstpräferierte<br />
Marke aus. Sie werden von Stammzu<br />
Gelegenheits- oder gar Nicht-Käufern.<br />
Bei den Haushalten, die in ihrer Lebenswelt<br />
bleiben, liegt die FCB-Erosionsrate<br />
dagegen nur bei 29 Prozent.<br />
Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong>…<br />
Durchschnitt aus 160 Marken in 32 Warengruppen<br />
q … am Beispiel Lebenswelt-Wechsel<br />
ø FCB-Erosionsrate* derjenigen Haushalte, die 2006/2007<br />
ihre Familien-Lebenswelt …<br />
… nicht gewechselt haben … gewechselt haben<br />
* im Folgejahr<br />
29%<br />
u Wohnungswechsel führt oft über einen Wechsel der Einkaufsstätte<br />
zu einem Wechsel der bisher gekauften Marke<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
39%<br />
q …am Beispiel Wohnungs-Wechsel (10% aller Haushalte pro Jahr)<br />
ø FCB-Erosionsrate derjenigen Haushalte, die 2006/2007 …<br />
… nicht umgezogen sind … umgezogen sind<br />
30%<br />
38%<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Ein Wohnungswechsel hat ähnliche Auswirkungen.<br />
38 Prozent der Haushalte,<br />
die umziehen, kaufen danach bevorzugt<br />
eine andere Marke in der jeweiligen<br />
Warengruppe. Bei standorttreuen Haushalten<br />
liegt die Erosion der First Choice<br />
Buyer dagegen „nur” bei 30 Prozent.<br />
Ein Wohnungswechsel führt über den<br />
erzwungenen Wechsel der Einkaufsstätte<br />
also vielfach zu einem Wechsel der bisher<br />
gekauften Marke. Dadurch fallen eingeübte<br />
Routinen weg, und die Konsumenten<br />
wechseln zu einer neuen Marke, obwohl<br />
auch die bislang präferierte Marke oft<br />
weiterhin zur Verfügung steht.<br />
Allerdings gibt es im Kontinuum der<br />
Lebenswelten auch positive Bruchstellen<br />
für die <strong>Markenbindung</strong>. So kehren zahlreiche<br />
First Choice Buyer, die ihrer Marke<br />
einst den Rücken gekehrt haben, bei<br />
Lebensweltänderungen wieder zu ihrer<br />
Marke zurück.<br />
Marken mit dem höchsten Rückkehrer-<br />
Potenzial sind solche, die bei der Geburt<br />
eines Kindes aus praktischen oder finanziellen<br />
Gründen aufgegeben wurden.<br />
Sobald sich die finanziellen Verhältnisse<br />
bessern, werden diese Marken zum Teil<br />
wieder ins Portfolio der Verwender<br />
aufgenommen. Der Rückkehrer-Anteil<br />
steigt, wenn die Kinder aus dem Haus<br />
sind (Empty Nest), und erreicht beim Eintritt<br />
der Haushalte in den Ruhestand zum<br />
Teil höhere Marktanteile als in der frühen<br />
Phase der Verwendung. Vielfach handelt<br />
es sich bei den Marken mit hohem Rückkehrerpotenzial<br />
um Premiummarken.
Abwanderer und Rückkehrer<br />
Marktanteils-Verschiebungen bei Lebensphasen-Änderungen<br />
Volatilität*<br />
stark<br />
Änderungen der<br />
Lebenswelten<br />
sind Bruchstellen<br />
in der<br />
<strong>Markenbindung</strong><br />
Kohorten-<br />
Verhalten<br />
gering<br />
Lebenswelten<br />
In der Rushhour des Lebens, vor allem<br />
dann, wenn das Haus gebaut und abbezahlt<br />
wird, stehen andere Dinge im Mittelpunkt<br />
als der Konsum. Das Leben soll<br />
dann zwar angenehm und angemessen<br />
sein, aber die Pläne fürs Alter nicht<br />
gefährden. In dieser Zeit nimmt die Verwendung<br />
von Value-for-money-Marken<br />
zu, Marken aus der zweiten und dritten<br />
Reihe oder aber begehrte Markenartikel,<br />
die in Aktionen oder beim Discounter<br />
erworben werden.<br />
Im Alter spielen die Restriktionen aus der<br />
Lebensmitte keine so bestimmende Rolle<br />
mehr, und viele Konsumenten kehren zu<br />
ihren ursprünglichen Marken- und Einkaufspräferenzen<br />
zurück.<br />
verschiedene Muster von Marktanteilsverschiebungen<br />
Marken mit hohem Rückkehrerpotenzial<br />
Value-for-money-Marken in der Rushhour des Lebens<br />
Life-Style-orientierte Marken<br />
Lebensbegleitende Marken<br />
* Maß der Volatilität sind alle Marktanteils-Verschiebungen bei Lebensphasen-Änderungen („Mover")<br />
in Relation zu den Marktanteils-Verschiebungen ohne Lebensphasen-Wechsel („Stayer")<br />
63<br />
Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong><br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Lifestyle-orientierte Marken erreichen<br />
den höchsten Marktanteil naturgemäß<br />
in jungen Lebenswelten bzw. in<br />
Haushalten, die bereits über etwas<br />
mehr Geld verfügen: bei Aufsteigern /<br />
Singles / DINKS. In den Ruhestands-Haushalten<br />
sind sie unterrepräsentiert.<br />
Bei den lebensbegleitenden Marken<br />
führen Lebenswelten-Übergänge seltener<br />
zu Brüchen in der <strong>Markenbindung</strong>,<br />
und wenn, dann nicht zu so starken.<br />
Hier sorgt das Kohorten-Verhalten der<br />
Lebenswelt für hohe Beständigkeit.<br />
Im Folgenden werden beispielhaft solche<br />
Effekte beschrieben, die Grundlage für<br />
Kontinuität bzw. Diskontinuität in der<br />
<strong>Markenbindung</strong> sind.
64<br />
Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong><br />
DIREKTE EFFEKTE<br />
u für alle Betroffenen gleich oder<br />
Direkte Effekte aus Änderungen<br />
der Familien-Lebenswelten<br />
Änderungen in den Familien-Lebenswelten<br />
können direkte und/oder indirekte<br />
Effekte auf das Kaufverhalten der Verbraucher<br />
und damit auf die <strong>Markenbindung</strong><br />
haben:<br />
ähnlich (z.B. Baby g Babynahrung)<br />
INDIREKTE EFFEKTE<br />
u Budget-Restriktionen<br />
u Mobilitäts-Restriktionen<br />
u Zeit-Restriktionen<br />
u Rollenkonformer Lifestyle<br />
Direkter Effekt: Beispiel Babynahrung<br />
Ein „direkter” Effekt ist beispielsweise<br />
die Nachfrage der Eltern nach Babynahrung,<br />
die mit der Geburt eines Kindes<br />
einsetzt. Haushalte, die dadurch aus der<br />
Lebenswelt Aufsteiger/Singles/DINKS in<br />
die Lebenswelt Junge Familien wandern,<br />
geben damit im Durchschnitt 279 Prozent<br />
mehr für Babynahrung aus.<br />
Dass die Nachfrage nicht so kurzfristig<br />
wieder abbricht, wie sie entstanden ist,<br />
liegt daran, dass in den folgenden Jahren<br />
weitere Kinder geboren werden, allerdings<br />
bekommt nicht jede Familie ein<br />
zweites Kind. Dadurch sinken die durchschnittlichen<br />
Ausgaben für Babynahrung<br />
während der kommenden Jahre sowie<br />
beim Übergang in die jeweils nächste<br />
Ausgabenveränderung in % – jeweils erstes Tertial 2003/04/05/06<br />
Aufsteiger /<br />
Singles / DINKS<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
Junge<br />
Familien<br />
- 39<br />
+ 279 - 34<br />
Ø Entwicklung der Ausgaben pro Haushalt<br />
p.a. in der jeweiligen Lebenswelt<br />
Veränderung der Ausgaben pro Haushalt<br />
bei Wechsel in eine andere Lebenswelt<br />
Berufsleben Ruhestand<br />
Ältere<br />
Familien<br />
Empty<br />
Nester<br />
Renter-<br />
Familien<br />
u Es gibt zwei positive Bruchstellen für die Nachfrage<br />
nach Babynahrung<br />
- 23<br />
- 24<br />
+ 3<br />
+ 431<br />
- 26<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
Direkter Effekt: Beispiel Röstkaffee<br />
Ausgabenveränderung in % – jeweils erstes Tertial 2003/04/05/06<br />
Aufsteiger /<br />
Singles / DINKS<br />
+ 8<br />
+ 44<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
Junge<br />
Familien<br />
+ 4<br />
Lebenswelt in kleineren Schritten ab, bis<br />
sie schließlich entfallen.<br />
Es gibt neben der Geburt eines Kindes<br />
eine zweite positive Bruchstelle für die<br />
Nachfrage nach Babynahrung. Diese fällt<br />
in die Zeit des Übergangs von der Lebenswelt<br />
der Empty Nester in den Ruhestand.<br />
Dann werden die Enkel geboren, auf die<br />
sich Oma und Opa schon so freuen. Bei<br />
diesem Lebenswelten-Übergang steigen<br />
die Ausgaben für Babynahrung pro Haushalt<br />
im Durchschnitt um 431 Prozent.<br />
Was bedeutet dies nun für die Marke?<br />
– In den meisten Fällen werden die Großeltern<br />
wohl zu der Marke zurückkommen,<br />
die sie bereits als junge Eltern<br />
gekauft haben.<br />
Berufsleben Ruhestand<br />
- 3<br />
Ø Entwicklung der Ausgaben pro Haushalt<br />
p.a. in der jeweiligen Lebenswelt<br />
Ältere<br />
Familien<br />
+ 5<br />
+ 2<br />
Empty<br />
Nester<br />
+ 1<br />
65<br />
Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong><br />
+ 14<br />
Renter-<br />
Familien<br />
u Änderungen in den Lebenswelten führen zur Verlagerung<br />
von Außer-Haus-Konsum in Richtung Inhome-Konsum<br />
+ 3<br />
Veränderung der Ausgaben pro Haushalt<br />
bei Wechsel in eine andere Lebenswelt<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Ein anderes Beispiel für direkte Effekte<br />
sind die Ausgaben für Röstkaffee. Auch<br />
hier gibt es einen abrupten Anstieg in<br />
der Verwendung, wenn sich mit der<br />
Geburt eines Kindes zwangsläufig der<br />
Lebensstil der vormals „jungen Wilden“<br />
ändert. Überhaupt werden die Verbraucher<br />
im Laufe ihres Lebens immer häuslicher,<br />
was zu einem kontinuierlichen<br />
Anstieg der Ausgaben für Kaffee führt.<br />
Der deutliche Sprung beim Übergang<br />
in den Ruhestand erklärt sich dadurch,<br />
dass die vormaligen Arbeitnehmer und<br />
künftigen Rentner ihren Außer-Haus-<br />
Konsum zwangsläufig reduzieren und<br />
ihren Kaffee jetzt in der Regel zu Hause<br />
trinken.
66<br />
Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong><br />
Indirekte Effekte<br />
aus Lebenswelt-Änderungen<br />
Durch den Übergang von einer Lebenswelt<br />
in eine andere stellen sich aber<br />
auch „indirekte” Effekte ein, die, im<br />
Unterschied zu den direkten Effekten,<br />
nicht für alle Betroffenen gleich sind,<br />
sondern individuell mehr oder weniger<br />
stark abweichen können. In der Summe<br />
führen aber auch sie zu signifikanten<br />
Auswirkungen auf das Verbraucherverhalten,<br />
auf die Einkaufsstätten- wie auf<br />
die <strong>Markenbindung</strong>. Solche indirekten<br />
Effekte sind beispielsweise Zeit-, Mobili-<br />
täts- und Budget-Restriktionen oder ein<br />
rollenkonformer Lebensstil.<br />
Eine hohe Relevanz für das Kaufverhalten<br />
haben Budget-Restriktionen, vor<br />
allem bei Familienhaushalten und in<br />
unteren sozialen Schichten. Durch den<br />
Übergang in diese Lebenswelten fällt<br />
für die zuvor meist relativ gut situierten<br />
Haushalte häufig ein ganzes Einkommen<br />
weg. Infolgedessen ändern viele von<br />
ihnen ihre Markenpräferenz. So werden<br />
aus vormaligen Premium- und Markenkäufern<br />
bevorzugt Promotion- bzw.<br />
Handelsmarkenkäufer.<br />
Indirekter Effekt: Marken- und Einkaufsstättenpräferenzen verschieben sich<br />
Anteile an allen Haushalten in %<br />
Ausbildung Berufsleben Ruhestand<br />
Soziale<br />
Schicht<br />
Familien-<br />
Phasen<br />
Studierende/<br />
Auszubildende<br />
(eigener HH)<br />
44<br />
Markenkäufer<br />
Promotionkäufer<br />
Handelsmarken-Käufer<br />
Anteil Discounter<br />
an FMCG in %<br />
Aufsteiger,<br />
Singles, DINKS<br />
37<br />
Farblich unterlegt sind die Familien-Lebenswelten<br />
mit jeweils überproportionalem Anteil an den<br />
einzelnen Shoppertypen<br />
Quelle: ConsumerScan, Nov 2006 - Okt 2007<br />
Junge Familien<br />
Mittelschicht<br />
40<br />
Junge Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
44<br />
Gefährdungspotenzial Rückkehrerpotenzial<br />
Ältere Familien<br />
Mittelschicht<br />
39<br />
Berufstätige<br />
Alleinlebende<br />
36<br />
Ältere Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
42<br />
Arbeitslose /<br />
Working Poor<br />
45<br />
Empty Nest-<br />
Familien<br />
Mittelschicht<br />
32<br />
Empty Nest-<br />
Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
36<br />
Renter-Familien<br />
Mittelschicht<br />
31<br />
Renter-Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
35<br />
Alter<br />
Alleinstehende<br />
Ältere<br />
Mittelschicht<br />
32<br />
Alleinstehende<br />
Ältere<br />
Arbeiterschicht<br />
35<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
Oft zieht sich dieser Paradigmenwechsel<br />
im Konsum durch das gesamte aktive<br />
Berufsleben hindurch. Diese Lebensphase<br />
birgt ein hohes Gefährdungspotenzial<br />
für den Markenartikel schlechthin und<br />
damit auch für die jeweils bevorzugte<br />
Marke in der Warengruppe. In der Mitte<br />
des Berufslebens gehen der Marke denn<br />
auch überdurchschnittlich viele Stammkäufer<br />
verloren. Hinzu kommt bei den<br />
Familien-Haushalten die Zeitknappheit.<br />
Stunden, welche die Kinder beanspruchen,<br />
fehlen für alles andere, auch für<br />
den Einkauf.<br />
Eine Ausnahme bildet in dieser Phase die<br />
Lebenswelt der berufstätigen Alleinlebenden,<br />
deren finanzielle Situation sich<br />
mit den Jahren sogar weiter verbessert,<br />
und die daher keine sozialen Gründe für<br />
eine Abkehr von ihren Markenpräferenzen<br />
haben.<br />
Sobald die Kinder aus dem Haus sind,<br />
bessert sich auch die finanzielle Situation<br />
der Familienhaushalte wieder. Die Zahl<br />
der Handelsmarken-Käufer geht zurück,<br />
und die besser gestellten Mittelschicht-<br />
Haushalte kaufen wieder mehr Markenartikel,<br />
auf die vor allem die älteren<br />
Familien (zumeist mit mehreren Kindern)<br />
aus Budgetgründen verzichtet hatten.<br />
In Empty Nest-Lebenswelten, vor allem<br />
aber in Ruhestands-Lebenswelten kehren<br />
zahlreiche Verbraucher zu ihrem<br />
„traditionellen“ Konsum- und Einkaufsverhalten<br />
zurück. Marken, die jetzt zielgruppengerechte<br />
Angebote machen,<br />
67<br />
Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong><br />
können dieses Rückkehrerpotenzial für<br />
deutliche Wertschöpfungssteigerungen<br />
nutzen.<br />
Allerdings stellen sich in diesen Lebenswelten<br />
zunehmend Mobilitäts-Restriktionen<br />
ein. Dies führt bei den betroffenen<br />
Haushalten häufig zu Änderungen im<br />
Einkaufsverhalten, wodurch sowohl die<br />
Einkaufsstätten- als auch die <strong>Markenbindung</strong><br />
beeinträchtigt werden.<br />
Eine gesonderte Betrachtung verdienen<br />
in diesem Zusammenhang die Discounter.<br />
Sie kommen, wie oben gesagt, auf besonders<br />
hohe wertmäßige Marktanteile in<br />
den Lebenswelten der jungen und älteren<br />
Familien sowie bei jungen Leuten mit<br />
eigenem Haushalt, die noch in der Ausbildung<br />
stecken. Dagegen sind sie in den<br />
älteren Lebenswelten, vor allem in den<br />
finanziell gut situierten Rentner-Familien<br />
der Mittelschicht, wesentlich geringer.<br />
Gerade diese Lebenswelten werden aber<br />
in den nächsten beiden Jahrzehnten<br />
dem Umfang nach deutlich wachsen,<br />
während die jüngeren Lebenswelten<br />
schrumpfen. Die Discounter werden also<br />
in den nächsten Jahren auf „natürliche“<br />
Weise Marktanteile einbüßen. Denn das<br />
Einkaufsverhalten der Verbraucher beim<br />
Übertritt in den Ruhestand folgt nach<br />
Analysen der <strong>GfK</strong> (derzeit) nicht einem<br />
Kohorteneffekt, sondern dem alterstypischen<br />
Wunsch der Haushalte nach sozialen<br />
Kontakten beim Einkauf. Dabei kehren<br />
viele auch wieder zu ihren „alten“,<br />
ehedem präferierten Marken zurück.
68<br />
Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong><br />
Wunsch versus Kauf<br />
Wunsch und Wirklichkeit<br />
– die Attraktivität der alten Marke<br />
Dass Marken aus dem Relevant Set der<br />
Verbraucher verschwinden, kann, wie<br />
gesehen, vielfältige Ursachen haben.<br />
Jedoch behalten starke Marken ihre<br />
Bevorzugung im Kopf der Verbraucher,<br />
selbst wenn bestimmte Lebensereignisse<br />
zwischenzeitlich zu gegensätzlichem<br />
Kaufverhalten führen. Wie hoch<br />
das Rückkehrer-Potenzial einer Marke<br />
tatsächlich ist, bestimmt sich folglich<br />
danach, ob die Attraktivität der alten<br />
Marke gegenüber der neuen, aktuell<br />
gekauften weiter besteht.<br />
Um dieses Potenzial zu bestimmen, hat<br />
die <strong>GfK</strong> in einer Ad-hoc-Stichprobe 8.000<br />
u Frage:<br />
„Angenommen, Sie bekämen ein Einkaufsabonnement geschenkt<br />
und müssten überhaupt nichts bezahlen, egal was Sie einkaufen,<br />
welche Marke würden Sie dann voraussichtlich am häufigsten<br />
wählen, bei ... (Warengruppe)?“<br />
Kauf & Wunsch<br />
sind identisch<br />
71%<br />
Quelle: Omnibuseinfrage, Okt. 2007<br />
8.000 Haushalte<br />
29%<br />
Gekauftes Produkt<br />
ist nicht das<br />
Wunschprodukt<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong><br />
repräsentativ ausgewählte Konsumenten<br />
daraufhin befragt, ob das aktuell von<br />
ihnen gekaufte Produkt ihrem Wunschprodukt<br />
entspricht. Das Resultat: Ein<br />
Drittel der Verbraucher kauft nicht das<br />
Wunschprodukt, sondern ein anderes.<br />
Am stärksten ist die Diskrepanz zwischen<br />
Wunschprodukt und tatsächlich<br />
erworbenem Produkt in Familien und<br />
bei den finanziell schwachen Haushalten<br />
(siehe Chart auf der rechten Seite).<br />
Junge Familien der Mittelschicht kaufen<br />
beispielsweise zu einem Viertel häufiger<br />
nicht das Wunschprodukt als der Durchschnitt<br />
der Haushalte. Das gilt im gleichen<br />
Umfang für die Arbeitslosen/Working<br />
Poor und mit Abstrichen auch für<br />
Berufstätige Alleinlebende und für die<br />
Aufsteiger/Singles/DINKS. In den beiden<br />
zuletzt erwähnten Lebenswelten führen<br />
aber weniger finanzielle Gründe zum<br />
Kauf des „falschen“ Produkts, als vielmehr<br />
der Zeitdruck beim Einkauf und<br />
die fehlende Verfügbarkeit durch häufigeren<br />
Einkaufsstättenwechsel, aber auch<br />
ein hohes Anspruchsniveau.<br />
In den Rentner-Lebenswelten und in den<br />
Empty Nest-Familien herrscht dagegen<br />
eine vergleichsweise hohe Markenzufriedenheit.<br />
Hier wird deutlich öfter als<br />
im Durchschnitt das Wunschprodukt<br />
gekauft, was auch daran liegt, dass viele<br />
dieser Haushalte sich finanziell weniger<br />
beschränken müssen.<br />
In den analysierten Warengruppen differiert<br />
der Anteil der Wunschprodukt-Käu-
fer erheblich. Bei Margarine z.B. kaufen<br />
lediglich zwanzig Prozent der Verbraucher<br />
nicht das Wunschprodukt, bei Nudeln<br />
sind es dreißig Prozent und beim Einkauf<br />
von Tafelschokolade ist der entsprechende<br />
Anteil fast doppelt so hoch (39%).<br />
Grundsätzlich kann man sagen, dass die<br />
Diskrepanz zwischen gekauftem und<br />
Wunschprodukt umso größer ist…<br />
u je höher der Anteil der Handelsmarken<br />
in der Warengruppe ist und<br />
u je höher der Ausgabenanteil der<br />
Warengruppen am Budget der<br />
Verbraucher ist.<br />
69<br />
Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong><br />
Wunsch- und gekauftes Produkt in den verschiedenen Lebenswelten<br />
Anteil Wunschprodukt anders als gekauftes (Indexwerte: ø = 100 = 29%)<br />
Ausbildung Berufsleben Ruhestand<br />
Studierende/<br />
Auszubildende<br />
(eigener HH)<br />
93<br />
Soziale<br />
Schicht<br />
Familien-<br />
Phasen<br />
Aufsteiger,<br />
Singles, DINKS<br />
114<br />
Junge Familien<br />
Mittelschicht<br />
124<br />
Junge Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
103<br />
Omnibuseinfrage Okt. 2007; jeweils ca. 1.000 Befragte<br />
in 8 ausgewählten FMCG-Warengruppen<br />
Ältere Familien<br />
Mittelschicht<br />
97<br />
Berufstätige<br />
Alleinlebende<br />
117<br />
Ältere Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
97<br />
Arbeitslose,<br />
Working-Poor<br />
124<br />
Empty Nest-<br />
Familien<br />
Mittelschicht<br />
86<br />
Empty Nest-<br />
Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
86<br />
Renter-Familien<br />
Mittelschicht<br />
Renter-Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
Dies zeigt, dass eine Einkaufsstättenpräferenz<br />
für die Discounter und eine Markenpräferenz<br />
für Private Labels oft keine<br />
positive Option ist, sondern lediglich ein<br />
Ausweichen aus finanziellen Gründen.<br />
57 Prozent der Handelsmarken- bzw.<br />
Aldi-Käufer würden bei entsprechender<br />
Möglichkeit sofort andere Produkte kaufen,<br />
wogegen lediglich 13 Prozent der<br />
Premiumkäufe nicht dem eigentlichen<br />
Wunsch des Käufers entsprechen. Von<br />
den übrigen Markenkäufen würden 25<br />
Prozent nicht im Einkaufskorb landen,<br />
wenn die Käufer es sich ungeachtet aller<br />
fremden Einflüsse aussuchen könnten.<br />
86<br />
76<br />
Alter<br />
Alleinstehende<br />
Ältere<br />
Mittelschicht<br />
86<br />
u Hohe Markenzufriedenheit: Wunschmarke<br />
wird tatsächlich gekauft!<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
70<br />
Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong><br />
Kauf- versus Wunschprodukt<br />
Durchschnitt aus 8 Warengruppen – Angaben in %<br />
Gefährdungspotenzial<br />
u Wunschprodukt<br />
anders als das<br />
gekaufte Produkt<br />
29<br />
alle Käufer<br />
Chancenpotenzial<br />
u Gekaufte Produkte<br />
der heute ‚Unzufriedenen‘<br />
u Wunschprodukte der heute ‚Unzufriedenen‘*<br />
* Angaben derjenigen<br />
Befragten, die etwas<br />
anderes wählen<br />
würden, wenn sie<br />
die Möglichkeit<br />
hätten.<br />
13<br />
Premium-<br />
Markenkäufe<br />
58<br />
Premium-<br />
Marken<br />
Basis: Omnibuseinfrage Okt. 2007;<br />
ca.1.000 Befragte pro Warengruppe<br />
25<br />
andere<br />
Markenkäufe<br />
39<br />
andere<br />
Marken<br />
57<br />
Handelsmarken-/<br />
Aldi-Käufe<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Was sind nun aber die Wunschprodukte<br />
derer, die ein anderes Produkt kaufen,<br />
als sie eigentlich haben wollen? – Von<br />
den „Unzufriedenen“ würden sich bei<br />
entsprechender Möglichkeit 58 Prozent<br />
für eine Premiummarke entscheiden,<br />
39 Prozent für eine andere Marke und<br />
lediglich drei Prozent für eine Handelsmarke-<br />
bzw. ein Aldi-Produkt.<br />
3<br />
Handelsmarken-/<br />
Aldi-Produkte<br />
Das Gefährdungspotenzial für die Markentreue<br />
liegt also vor allem in finanziellen<br />
Restriktionen, denen die Verbraucher<br />
situativ oder auf Dauer ausgesetzt<br />
sind. Umgekehrt liegt aber genau darin<br />
die Chance, dass ältere Verbraucher zu<br />
ihrer Wunschmarke zurückkehren, wenn<br />
die besonderen finanziellen Belastungen<br />
der Familienzeit vorüber sind.<br />
Dass die ‚unzufriedenen‘ Verbraucher<br />
sich überwiegend für Premium-Marken<br />
entscheiden, zeigt, welch überragende<br />
Bedeutung sie dem Qualitätsversprechen<br />
einer Marke zumessen. Marken, die an<br />
der Spitze positioniert sind, wachsen zumeist<br />
auch dann, wenn die Nachfrage in<br />
der Warengruppe infolge von negativen<br />
Kohorteneffekten schrumpft, wie zum<br />
Beispiel bei Bier. Oder sie profitieren gerade<br />
von solchen Effekten, weil sie einen<br />
festen Platz im Bewusstsein und damit im<br />
Relevant Set der Verbraucher haben.<br />
Doch auch für diese Marken gilt, dass sie<br />
ihre Präsenz für die Konsumenten stets<br />
erneuern müssen. Nicht von ungefähr<br />
gehören die großen lebensbegleitenden<br />
Marken auch zu den aktivsten Werbetreibenden.<br />
Werbung ist einer der wichtigsten<br />
„Übermittler“ der <strong>Markenbindung</strong><br />
durch die verschiedenen Lebenswelten.<br />
Doch nicht jede Werbung ist dazu geeignet.<br />
Worauf kommt es also bei einer auf<br />
<strong>Markenbindung</strong> angelegten Kommunikation<br />
an? Dies soll im Folgenden an drei<br />
Beispielen erläutert werden.
Verbindlich, verbindend, verlässlich<br />
Die Rolle der Kommunikation für die <strong>Markenbindung</strong><br />
Wie in den vorhergehenden Abschnitten<br />
dieses Beitrags gezeigt, sind Übergänge<br />
zwischen den einzelnen Lebenswelten<br />
oft gravierende Bruchstellen für die <strong>Markenbindung</strong>.<br />
Eine auf <strong>Markenbindung</strong><br />
angelegte Kommunikation muss deshalb<br />
genau an diesen Bruchstellen ansetzen<br />
und sie gegebenenfalls überdecken.<br />
Um festzustellen, welche Werbung bzw.<br />
welche Werbeaussagen die <strong>Markenbindung</strong><br />
am ehesten fördern, hat die<br />
<strong>GfK</strong> 80 Werbefilme unterschiedlicher<br />
Marken ausgewertet. Dabei stellte sich<br />
heraus, dass Marken mit einer relativ<br />
hohen <strong>Markenbindung</strong>, in der Werbung<br />
auf das Verbindende innerhalb sowie<br />
zwischen den Generationen (Lebenswelten)<br />
setzen.<br />
<strong>Lebenslange</strong> <strong>Markenbindung</strong> wird demnach<br />
gefördert durch Werbung, die…<br />
u Menschen verschiedenen Alters<br />
positiv darstellt<br />
u Menschen in Situationen darstellt,<br />
mit denen sich Menschen verschiedenen<br />
Alters identifizieren können<br />
u eine Szenerie zeigt, die Menschen<br />
der Kohorte, also einer bestimmten<br />
Lebenswelt, oder Menschen verschiedenen<br />
Alters anspricht.<br />
Die Rolle der Kommunikation für die <strong>Markenbindung</strong><br />
Marke mit geringen Bruchstellen<br />
– Beispiel: blend-a-med<br />
Marken mit geringen Bruchstellen in der<br />
<strong>Markenbindung</strong> arbeiten mit Bedürfnissen<br />
verschiedener Generationen. Sie<br />
bieten keine Angriffsfläche dafür, das<br />
Produkt einer bestimmten Altersgruppe<br />
zuzuweisen und damit andere von der<br />
Verwendung auszuschließen. Ein Beispiel<br />
ist die Fernsehwerbung der Zahnpasta<br />
„blend-a-med“.<br />
Blend-a-med wird in allen Lebenswelten<br />
nahezu gleichmäßig verwendet. Bei den<br />
Studierenden/Auszubildenden liegt der<br />
wertmäßige Marktanteil der Marke mit<br />
einem Indexwert von 99 Punkten ziemlich<br />
genau auf Höhe des Gesamtniveaus,<br />
Marke mit geringen Bruchstellen<br />
Beispiel blend-a-med<br />
u arbeitet mit den<br />
Bedürfnissen<br />
verschiedener<br />
Generationen<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
71
72<br />
Die Rolle der Kommunikation für die <strong>Markenbindung</strong><br />
ähnlich bei den jungen Familien der<br />
Arbeiterschicht und bei den Berufstätigen<br />
Alleinlebenden.<br />
Den relativ höchsten Marktanteil hat<br />
die Marke in Familienhaushalten, aber<br />
auch hier ist die Abweichung vom<br />
Durchschnitt eher unauffällig. Dagegen<br />
ist der Marktanteil von blend-a-med in<br />
den älteren Lebenswelten leicht unterdurchschnittlich.<br />
Vor allem in den Ruhestands-Lebenswelten<br />
konkurriert die<br />
Marke mit anderen Angeboten für die<br />
Pflege der dritten Zähne.<br />
Blend-a-med: Marke mit geringen Bruchstellen<br />
Index Marktanteil Blend-a-med Zahncreme (Wert)<br />
überdurchschnittlich<br />
durchschnittlich<br />
unterdurchschnittlich<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
Marke mit großen Bruchstellen<br />
– Beispiel: Colgate<br />
Die konkurrierende Zahnpasta-Marke<br />
Colgate ist, anders als blend-a-med, eine<br />
Marke mit großen Bruchstellen, und das,<br />
obwohl Colgate hinsichtlich Produktportfolio,<br />
Distribution und Preisstellung<br />
absolut vergleichbar mit blend-a-med<br />
ist. Vor allem in den älteren Lebenswelten<br />
ist der wertmäßige Marktanteil von<br />
Colgate deutlich unterdurchschnittlich.<br />
Der Schwerpunkt von Colgate liegt bei<br />
den jüngeren Zielgruppen. In der Lebens-<br />
Ausbildung Berufsleben Ruhestand<br />
Studierende/<br />
Auszubildende<br />
(eigener HH)<br />
99<br />
Aufsteiger,<br />
Singles, DINKS<br />
110<br />
Index Marktanteil Wert<br />
Junge Familien<br />
Mittelschicht<br />
107<br />
Junge Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
104<br />
Ältere Familien<br />
Mittelschicht<br />
108<br />
Berufstätige<br />
Alleinlebende<br />
97<br />
Ältere Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
106<br />
Arbeitslose,<br />
Working-Poor<br />
107<br />
Empty Nest-<br />
Familien<br />
Mittelschicht<br />
91<br />
Empty Nest-<br />
Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
95<br />
Renter-Familien<br />
Mittelschicht<br />
83<br />
Renter-Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
95<br />
Alter<br />
Alleinstehende<br />
Ältere<br />
Mittelschicht<br />
92<br />
Alleinstehende<br />
Ältere<br />
Arbeiterschicht<br />
129<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
welt der Studierenden/Auszubildenden<br />
kommt die Marke auf einen doppelt so<br />
hohen wertmäßigen Marktanteil wie im<br />
Durchschnitt, bei den jungen Berufstätigen<br />
ist er ebenfalls deutlich überproportional.<br />
Mit Abstrichen gilt dies auch noch<br />
für junge Familien der Arbeiterschicht.<br />
Colgate konzentriert alle Werbung<br />
bevorzugt auf diese Zielgruppen und<br />
zeigt beispielsweise einen jungen Mann<br />
in der Tonalität und der Situation dieser<br />
Generation. Hohe <strong>Markenbindung</strong> über<br />
die gesamte Lebenszeit erreicht Colgate<br />
so allerdings nicht.<br />
Colgate: Marke mit großen Bruchstellen<br />
Index Marktanteil Colgate Zahncreme (Wert)<br />
Die Rolle der Kommunikation für die <strong>Markenbindung</strong><br />
Ausbildung Berufsleben Ruhestand<br />
Studierende/<br />
Auszubildende<br />
(eigener HH)<br />
209<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
Aufsteiger,<br />
Singles, DINKS<br />
151<br />
Index Marktanteil Wert<br />
überdurchschnittlich<br />
durchschnittlich<br />
unterdurchschnittlich<br />
Junge Familien<br />
Mittelschicht<br />
99<br />
Junge Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
124<br />
Marke mit großen Bruchstellen<br />
Beispiel Colgate<br />
u zeigt jungen Mann in der Tonalität und<br />
der Situation einer Generation<br />
Ältere Familien<br />
Mittelschicht<br />
114<br />
Berufstätige<br />
Alleinlebende<br />
98<br />
Ältere Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
108<br />
Arbeitslose,<br />
Working-Poor<br />
102<br />
Empty Nest-<br />
Familien<br />
Mittelschicht<br />
93<br />
Empty Nest-<br />
Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
92<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Renter-Familien<br />
Mittelschicht<br />
68<br />
Renter-Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
78<br />
Alter<br />
Alleinstehende<br />
Ältere<br />
Mittelschicht<br />
72<br />
Alleinstehende<br />
Ältere<br />
Arbeiterschicht<br />
39<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
73
74<br />
Die Rolle der Kommunikation für die <strong>Markenbindung</strong><br />
Marke mit großen Bruchstellen<br />
– Beispiel: Lindt<br />
Die Premiummarke Lindt hat ihren Marktanteilsschwerpunkt<br />
naturgemäß in den<br />
Lebenswelten, denen es finanziell vergleichsweise<br />
gut geht. Für junge Berufstätige<br />
gehört sie ebenso zum Relevant<br />
Set wie für Berufstätige Alleinlebende.<br />
Anders sieht es bei den Familien und<br />
in den unteren sozialen Schichten aus.<br />
Wenn Haushalte aus der Lebenswelt der<br />
Aufsteiger/Singles/DINKS in die Familienphase<br />
mit ihren finanziellen und sozia-<br />
Lindt: Marke mit großen Bruchstellen<br />
Index Marktanteil Lindt Tafelschokolade (Wert)<br />
len Einschränkungen wechseln, geben<br />
sie die Marke vielfach auf; bei den jungen<br />
Familien der Arbeiterschicht kommt<br />
Lindt mit seiner Tafelschokolade gerade<br />
einmal auf knapp vierzig Prozent seines<br />
durchschnittlichen wertmäßigen Marktanteils.<br />
Lindt gehört allerdings zu den starken<br />
Marken, die ihre Bevorzugung im<br />
Bewusstsein der Verbraucher behalten,<br />
auch wenn diese der Marke zwischenzeitlich<br />
den Rücken kehren. Lindt hat<br />
daher großes Rückkehrerpotenzial, das<br />
die Marke konsequent nutzt.<br />
Ausbildung Berufsleben Ruhestand<br />
Studierende/<br />
Auszubildende<br />
(eigener HH)<br />
89<br />
Quelle: <strong>GfK</strong> ConsumerScan<br />
Aufsteiger,<br />
Singles, DINKS<br />
105<br />
Index Marktanteil Wert<br />
überdurchschnittlich<br />
durchschnittlich<br />
unterdurchschnittlich<br />
Junge Familien<br />
Mittelschicht<br />
71<br />
Junge Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
38<br />
Ältere Familien<br />
Mittelschicht<br />
76<br />
Berufstätige<br />
Alleinlebende<br />
105<br />
Ältere Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
56<br />
Arbeitslose,<br />
Working-Poor<br />
53<br />
Empty Nest-<br />
Familien<br />
Mittelschicht<br />
117<br />
Empty Nest-<br />
Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
86<br />
Renter-Familien<br />
Mittelschicht<br />
161<br />
Renter-Familien<br />
Arbeiterschicht<br />
103<br />
Alter<br />
Alleinstehende<br />
Ältere<br />
Mittelschicht<br />
165<br />
Alleinstehende<br />
Ältere<br />
Arbeiterschicht<br />
111<br />
© <strong>GfK</strong> <strong>Panel</strong> <strong>Services</strong> <strong>Deutschland</strong>
In der Werbung spricht Lindt bevorzugt<br />
Menschen an, die sich den besonderen<br />
Genuss gerne etwas kosten lassen. In<br />
den älteren Mittelschichtfamilien erzielt<br />
Lindt denn auch die höchsten Umsätze<br />
für seine Marke.<br />
Diese Strategie wird Lindt in den kommenden<br />
zwei Jahrzehnten auf quasi<br />
natürliche Weise eine Vielzahl neuer<br />
Konsumenten zuführen bzw. alte zurückbringen.<br />
Denn in diesem Zeitraum kommen<br />
die geburtenstarken Jahrgänge der<br />
sechziger Dekade in „die besten Jahre“<br />
bzw. ins Rentenalter.<br />
Grundsätzlich tun sich Marken wie Lindt<br />
aber schwerer, eine lang währende <strong>Markenbindung</strong><br />
aufzubauen. Grundsätzlich<br />
kann man sagen, dass <strong>Markenbindung</strong><br />
umso effizienter gelingt, je geringer die<br />
Bruchstellen beim Übergang zwischen<br />
den Lebenswelten sind.<br />
Die <strong>GfK</strong> hat in ihrer Analyse der <strong>Markenbindung</strong><br />
in ausgewählten Warengruppen<br />
rund 30 Marken identifiziert, die<br />
solche geringen Bruchstellen aufweisen.<br />
Es sind – im Prinzip – Marken für das<br />
ganze Leben. Warum es dennoch nicht<br />
allen gelingt, die Mehrheit der Verwender<br />
zwischen Jugend und Alter zu binden,<br />
liegt oft an Fehlern in der Markenführung<br />
und im Marketing. Und genau<br />
dies macht letztlich den Unterschied zu<br />
den Marken aus, die uns Verbraucher ein<br />
Leben lang begleiten.<br />
Die Rolle der Kommunikation für die <strong>Markenbindung</strong><br />
Beispiele für Marken<br />
mit geringen Bruchstellen<br />
aufgrund von Lebenswelten-<br />
Verschiebungen<br />
u Krombacher<br />
u Bitburger<br />
u Warsteiner<br />
u Rotkäppchen<br />
u Jägermeister<br />
u Underberg<br />
u Asbach<br />
u Jacobs<br />
u Teekanne<br />
u Vittel<br />
u Maggi<br />
u Knorr<br />
u Rama<br />
u Sanella<br />
u Uncle Ben‘s<br />
u Birkel<br />
u Schwartau<br />
u Zentis<br />
u Nutella<br />
u Bärenmarke<br />
u Milka<br />
u Ritter Sport<br />
u Persil<br />
u Ariel<br />
u Spee<br />
u Tandil<br />
u Lenor<br />
u Rexona<br />
u Nivea Deodorant<br />
u Nivea Creme<br />
u Odol-med3<br />
u blend-a-med<br />
u Tempo<br />
75
76<br />
Fazit: <strong>Lebenslange</strong> <strong>Markenbindung</strong> ist möglich<br />
Fazit: <strong>Lebenslange</strong> <strong>Markenbindung</strong> ist möglich<br />
First Choice Buyer – Leitwährung der Markenführung<br />
Zahlreiche starke Marken zeigen, dass<br />
lebenslange <strong>Markenbindung</strong> durchaus<br />
möglich ist. Aber auch für diese Marken<br />
gilt: Sie stellt sich nicht von selbst ein.<br />
Wer seine Käufer möglichst ein ganzes<br />
Leben lang an die eigene Marke binden<br />
will, muss aktiv etwas dafür tun.<br />
Eine lebenslange <strong>Markenbindung</strong> wird<br />
gefördert durch…<br />
u eine frühe Bindung an die Marke,<br />
die bereits im Kindesalter entsteht<br />
und bis ins hohe Alter hineinreicht<br />
u hohe Markenattraktivität, die sich<br />
in einem hohen First Choice Buyer-<br />
Anteil ausdrückt; dabei haben es die<br />
Hersteller selbst in der Hand, ihre<br />
Marken durch eine klare Differenzierung<br />
und durch echte (keine me-too)<br />
Innovationen attraktiv zu halten<br />
u eine Lifestyle- und Lebensweltenunabhängige<br />
Positionierung<br />
u Abfedern von Brüchen beim Übergang<br />
zwischen den Lebenswelten<br />
durch eine (Marken-)lebensbegleitende<br />
Dachmarkenstrategie<br />
u Kontinuität in Markenführung bei<br />
gleichzeitiger<br />
u behutsame Anpassung an den Zeitgeist<br />
u Neuorientierung in der Kommunikation.<br />
Die Markenführung bedarf eines Paradigmenwechsels,<br />
der der <strong>Markenbindung</strong><br />
Priorität vor der Neukundengewinnung<br />
einräumt.<br />
Die Leitwährung der Markenführung<br />
muss künftig der First Choice Buyer sein.
<strong>GfK</strong> Gruppe<br />
Nordwestring 101<br />
D-90319 Nürnberg