125 Jahre Krieghoff REPORTAGE
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<strong>REPORTAGE</strong><br />
Jubiläumsknaller<br />
Traditionshersteller <strong>Krieghoff</strong> blickt auf eine bewegte <strong>125</strong>-jährige Firmenhistorie<br />
mit vielen Höhen und Tiefen zurück. Zu den Erfolgen zählt das Flintenmodell K-80.<br />
VISIER ging mit der Bockdoppelflinte auf den Wurfscheibenstand.<br />
<strong>125</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krieghoff</strong><br />
Andreas Wilhelmus<br />
<strong>Krieghoff</strong> — ein Name, der in<br />
der deutschen Waffengeschichte<br />
einen besonderen<br />
Platz einnimmt: Heute in Ulm<br />
ansässig, gehört das in fünfter<br />
Generation geführte Familienwerk<br />
zu den großen deutschen<br />
Traditionalisten; es wurde wie<br />
Walther 1886 gegründet. Sei-<br />
Bei <strong>Krieghoff</strong> ergänzen<br />
sich zeitgemäße<br />
Maschinen und Handarbeit.<br />
Zum Jubiläum<br />
baute das Ulmer Werk<br />
diese Luxusversion (l.)<br />
seiner erfolgreichen<br />
Bockdoppelflinte K-80.<br />
Der Preis des Unikats<br />
“Waters of Chesapeake”<br />
inklusive vier Laufpaaren:<br />
<strong>125</strong>000 Euro.<br />
nen weltweiten Ruf als Waffenhersteller<br />
verdankt <strong>Krieghoff</strong><br />
nicht nur einer der seltensten<br />
Varianten der Pistole 08, sondern<br />
vor allem seinen Langwaffen:<br />
Jäger kennen seit Jahrzehnten<br />
die Trumpf-Drillinge,<br />
Sportschützen die Flintenreihe<br />
K-80. Die hat sich längst ihren<br />
Platz als eine der klassischen<br />
Trap-Waffen erobert —<br />
zum Test kam ein Exemplar,<br />
das den aktuellen Stand der<br />
Entwicklung repräsentiert.<br />
Doch vor dem Blick auf Verarbeitung<br />
und Leistung der<br />
schienenbewehrten Bockdoppelflinte<br />
sei sich dem Werdegang<br />
der Firma zugewandt.<br />
Die Geschichte der H. <strong>Krieghoff</strong><br />
GmbH wurzelte in der<br />
Fotos: M. Schippers, J. Frießner, U. Eichstädt, A. Wilhelmus, Firmenfotos<br />
Büchsenmacherstadt Suhl. Im<br />
dortigen Gesellschaftsregister<br />
tauchte 1886 erstmals der Name<br />
des Fabrikanten und Lehrers<br />
Berthold Selmar Ludwig<br />
<strong>Krieghoff</strong> neben einem Mitgesellschafter<br />
und Mechanikus<br />
Karl Röder auf. Kurze Zeit später<br />
zog Ludwig <strong>Krieghoff</strong> einen<br />
neuen Partner hinzu, und ab<br />
da firmierte man unter Sem-<br />
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<strong>REPORTAGE</strong><br />
pert & <strong>Krieghoff</strong>. Sempert war<br />
Spezialist für Elektrizität, angeblich<br />
erwarb er sein Wissen<br />
in den USA — bei keinem geringeren<br />
als Thomas A. Edison<br />
selbst. Folgerichtig produzierte<br />
der Betrieb neben Kleinteilen<br />
für Jagdgewehre auch Zubehör<br />
für elektrische Anlagen.<br />
In der Weltwirtschaftkrise<br />
wanderte Sempert aber endgültig<br />
aus. Er überließ alle seine<br />
Rechte am gemeinsamen<br />
Unternehmen <strong>Krieghoff</strong>. Der<br />
gab mangels Know-how den<br />
Elektrikbereich auf und konzentrierte<br />
sich auf die Waffenfertigung.<br />
Der Drei-Mann-Betrieb<br />
produzierte zunächst<br />
Jagdgewehre und Ladezubehör.<br />
Letztgenanntes wich jedoch<br />
alsbald der steigenden<br />
Nachfrage nach Waffen und<br />
-teilen. Ludwigs Frau Marie erledigte<br />
die Buchführung.<br />
Ihr erstgeborener Sohn Ludwig<br />
jun. studierte und wurde<br />
Rechtsanwalt und Notar. Der<br />
zweite Sohn Heinrich blieb nur<br />
bis zum Einjährigen (heute<br />
Mittlere Reife) auf der Schule<br />
und machte dann zunächst eine<br />
Lehre beim renommierten<br />
Suhler Büchsenmacher Reinhold<br />
Funk. Bereits nach etwas<br />
mehr als einem Jahr legte er<br />
sein Gesellenstück vor, um sofort<br />
das Graveurhandwerk bei<br />
Meister Theodor Heim zu erlernen.<br />
Auch diese Ausbildung<br />
schloss der Junior zügig ab. Damit<br />
nicht genug, schickte ihn<br />
sein Vater noch zu Rohrmacher<br />
Klett, um sich die Fertigkeiten<br />
des Lötens, Zusammenlegens<br />
und Garnierens von Läufen anzueignen.<br />
Nach dem Gang<br />
durch die Handwerksbetriebe<br />
verschaffte sich Heinrich im<br />
belgischen Lüttich bei Schol-<br />
berg & Delheid, den Gebrüdern<br />
Simonis und FN einen Eindruck<br />
von der maschinellen<br />
Lang- und Kurzwaffenfertigung.<br />
Dann reiste er weiter<br />
nach England, um die dortigen<br />
Herstellungsprozesse zu verinnerlichen.<br />
1910 kehrte er<br />
nach Suhl zurück, trat aber wenig<br />
später den freiwilligen Militärdienst<br />
beim 32. Infanterieregiment<br />
in Meiningen an.<br />
Auf dem Foto links sind die<br />
treibenden Kräfte hinter dem<br />
deutsch-amerikanischen “K-32-<br />
Projekt” zu sehen: (v. l.) Hal Du<br />
Pont, Nick Maynard, Viktor<br />
Brandl und Heinz-Ulrich<br />
<strong>Krieghoff</strong>. Hal Du Pont stieß<br />
nach langer Suche in den USA<br />
und in Europa auf den Ulmer<br />
Waffenbauer <strong>Krieghoff</strong>. Der<br />
baute die K-32 und Du Pont<br />
vertrieb sie in den USA.<br />
Hinter diesen drei Köpfen verbirgt sich die heutige Führungsriege des mittlerweile in der fünften<br />
Generation geführten Familienunternehmens H. <strong>Krieghoff</strong> GmbH: (v. l.) Phil und sein Vater Dieter<br />
<strong>Krieghoff</strong> sowie Peter Braß, alle samt als Geschäftsführer eingetragen.<br />
Von 1912 bis zum Ausbruch<br />
des I. Weltkriegs arbeitete der<br />
Filius im väterlichen Betrieb.<br />
1914 rückte er als Reserveleutnant<br />
ein und kämpfte rund ein<br />
Jahr an der französischen<br />
Front. Dann stellten ihn die Militärs<br />
zur Rüstungsfertigung<br />
frei, und er gründete seine eigene<br />
Firma, die Heinrich <strong>Krieghoff</strong><br />
Waffenfabrik. 1919 übernahm<br />
er auch den väterlichen<br />
44 VISIER 1/2012<br />
<strong>125</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Krieghoff</strong><br />
Betrieb. Beide Firmen existierten<br />
parallel. Zum damaligen<br />
Programm gehörten über<br />
70 verschiedene Jagdwaffentypen,<br />
drunter zahlreiche Drillinge.<br />
Das vorläufige Aus für<br />
die beiden <strong>Krieghoff</strong>-Unternehmen<br />
kam mit dem Ende<br />
des II. Weltkriegs: Die sowjetische<br />
Besatzungsmacht sprengte<br />
die gesamten Fertigungsanlagen.<br />
Zuvor sorgten die<br />
Amerikaner per Zwangsevakuierung<br />
dafür, dass das Knowhow<br />
von <strong>Krieghoff</strong> und seinem<br />
Mitarbeiterstab nicht in der<br />
von den Sowjets kontrollierten<br />
Zone verblieb. Sie siedelten<br />
die Waffenspezialisten kurzerhand<br />
nach Heidenheim an<br />
der Brenz um.<br />
Das Besatzungsstatut verbot<br />
die Waffenherstellung, also<br />
musste für <strong>Krieghoff</strong> und seinen<br />
Mitarbeiter ein anderes<br />
Betätigungsfeld her. Man fertigte<br />
zunächst Waschbretter<br />
und kleine Holzkästchen. Hinzu<br />
kamen kleinere Möbel.<br />
Schließlich stolperte <strong>Krieghoff</strong><br />
über die Unmengen an in<br />
GI-Gaststätten weggeworfenen<br />
Weißblechdosen. Er sah darin<br />
Rohmaterial für die Produktion<br />
von Scharnieren. Aus von<br />
der Belegschaft gesammelten<br />
Dosen und Verpackungsdraht<br />
entstanden die begehrten Beschläge.<br />
Vom Gewinn wurden<br />
Werkzeug und erste Maschinen<br />
angeschafft. In der Zwischenzeit<br />
kehrte Heinrichs<br />
Sohn Heinz-Ulrich aus der Gefangenschaft<br />
zurück. Der stieg<br />
nach erfolgreich absolvierter<br />
Lehre zum Maschinenschlos-<br />
VISIER 1/2012<br />
Hierzulande machte sich <strong>Krieghoff</strong> vor allem mit seinen<br />
Drillingen bei den Jägern einen Namen. So entschieden<br />
sich die Ulmer bei ihrer seit 1999 auf der IWA<br />
vorgestellten Waffe des <strong>Jahre</strong>s dieses Mal<br />
dafür, einen Doppelbüchsdrilling<br />
Neptun als Ausgangsbasis<br />
zu nehmen.<br />
ser und Werkzeugdreher in<br />
den väterlichen Betrieb ein.<br />
Nach der Währungsreform<br />
sank der Absatz durch zunehmende<br />
Konkurrenz, und die<br />
<strong>Krieghoff</strong>s suchten sich ein<br />
neues Betätigungsfeld. Zusammen<br />
mit dem ebenfalls aus<br />
Suhl evakuierten Uhrmacher<br />
Coufal entstand das Unternehmen<br />
<strong>Krieghoff</strong> und Coufal. So<br />
produzierte man in der <strong>Krieghoff</strong>schen<br />
Wohnung Armbanduhren,<br />
die in eigener Regie an<br />
Fachhändler verkauft wurden.<br />
Die Rückkehr zum Waffenhandwerk<br />
kam in Gestalt des<br />
Heidenheimer Stadtkommandanten.<br />
Der US-Offizier war<br />
selbst Jäger und fragte Heinrich<br />
<strong>Krieghoff</strong>, ob er für seine<br />
Männer alte Wehrmachtskarabiner<br />
zu Jagdgewehren<br />
umbauen könne. Gleichzeitig<br />
sicherte er zu, die nötige<br />
Sondergenehmigung zu beschaffen.<br />
<strong>Krieghoff</strong> willigte<br />
zum Leidwesen von Coufal ein,<br />
der schließlich das Unternehmen<br />
verließ. Dieses ging in<br />
die H. <strong>Krieghoff</strong> KG über.<br />
Rasch wurde der nötige<br />
Maschinenpark aufgestockt<br />
— und immer mehr Besatzungssoldaten<br />
brachten 98er<br />
Gewehre zum Umbau in die<br />
Werkstatt.<br />
Hinzu kam die Herstellung<br />
von Montageteilen für Zielfernrohre.<br />
Da die engen Produktionsräume<br />
nicht mehr<br />
ausreichten, zogen die Waffenbauer<br />
schließlich in die 50<br />
Kilometer südlicher gelegene<br />
Donaustadt Ulm. Nach Auflassen<br />
der dortigen Garnison<br />
stand hier hinreichend günstiger<br />
Produktions- und Wohnraum<br />
für die Mitarbeiter zur<br />
Verfügung.<br />
So begann der eigentliche Neuanfang<br />
im Juni 1950 an der<br />
“Oberen Donaubastion” in<br />
Ulm. Hier starteten Heinrich<br />
und Heinz-Ulrich <strong>Krieghoff</strong><br />
mit 13 Mitarbeitern zunächst<br />
mit dem Bau von Luftgewehren.<br />
Das Herstellen anderer<br />
Waffen war noch verboten.<br />
Schrittweise kamen weitere<br />
Jagd- und Sportwaffen hinzu.<br />
So orderte die Forstverwaltung<br />
im “Ländle” spezielle “Försterdrillinge”.<br />
1960 boten die<br />
gemieteten Räume in der Donaubastion<br />
nicht mehr genug<br />
Platz, und <strong>Krieghoff</strong> baute ein<br />
eigenes Firmengebäude in der<br />
Boschstraße. Die dort entwickelten<br />
Drillingsmodelle<br />
Trumpf, aber auch die Bockwaffenreihe<br />
Einschloss, Alb<br />
und später auch Teck und Ulm<br />
sorgten für die weitere Expansion<br />
— nicht nur des Firmengebäudes.<br />
Mit Heinz-Ulrichs<br />
Sohn Dieter kam die vierte Ge-<br />
neration<br />
ins Familienunternehmen.<br />
Mit<br />
Flinten wie der K-32,<br />
später der K-80 und<br />
K-20 gelang der Schritt<br />
in die USA. Dieters<br />
Kontakte zur dortigen Wurfscheiben-Szene<br />
trugen wohl<br />
zur Gründung einer US-Vertriebsniederlassung<br />
<strong>Krieghoff</strong>s<br />
bei. Im Jagdwaffensegment<br />
legten die Ulmer noch die<br />
Zweischloss-Kombi-Handspannergewehre<br />
Optima, Ultra und<br />
Classic sowie die Kipplaufbüchse<br />
Hubertus und die Inline-<br />
Repetierbüchse Semprio nach.<br />
Im Jubiläumsjahr führen Dieter<br />
und Phil <strong>Krieghoff</strong> zusammen<br />
mit Peter Braß die<br />
knapp 100 Mitarbeiter zählende<br />
Waffenschmiede. Und<br />
mit Phil regiert bereits die<br />
fünfte <strong>Krieghoff</strong>-Generation<br />
im Betrieb. Æ<br />
Den Inline-Repetierer Semprio stellte <strong>Krieghoff</strong> bereits 2007 vor.<br />
In diesem Jahr erhielt die schlanke Büchse noch einen Lochschaft dazu.<br />
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