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DEr FAST-FOOD-TEST - Arge für Obdachlose

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Vom Kellerloch bis zum Heustadl<br />

Dietmar Koschier wurde für einen Tag zum Kupfermucknverkäufer<br />

In den urigen, gemütlichen Redaktionsräumen<br />

der Kupfermuckn erhalte ich von den Mitarbeitern<br />

Heinz und Daniela eine Einführung in<br />

das Projekt sowie in grundlegende Benimmregeln,<br />

etwa Respektabstand zu seinen Kollegen<br />

einzuhalten oder zumindest die andere Straßenseite.<br />

Fixe Standplätze gibt’s nämlich nur<br />

bei begründeten Ausnahmen oder sehr lange<br />

etabliertem Gewohnheitsrecht. Ebenfalls darf<br />

ich keine Subunternehmer anheuern, die meinen<br />

Stapel Zeitungen für mich verkaufen.<br />

Zum Abschluss lerne ich noch die Bedeutung<br />

des Wortes »Kupfermuckn«: Vagabundenslang<br />

für alle möglichen Arten von Schlafplätzen,<br />

vom Kellerabteil bis zum Heuschober.<br />

Danach geht’s los, damit ich mal am eigenen<br />

Leib erfahre, was es heißt, Straßenzeitungsverkäufer<br />

zu sein.<br />

»Ham Sie ka Oabeid Nau, daun<br />

schau da um ane!«<br />

Anfangs ist mir etwas mulmig zumute auf<br />

meinem Standplatz am Taubenmarkt. Immerhin<br />

befinde ich mich in einer exponierten Lage<br />

der Öffentlichkeit gegenüber und deklariere<br />

mich aufgrund meiner Kupfermuckn-Montur<br />

als arm oder zumindest armutsgefährdet. Mit<br />

einem Mal fällt mir deutlicher auf, wie sehr<br />

fast alles rund um mich – Plakate, Annoncen,<br />

Auslagen, etc. – an die obersten Pflichten eines<br />

Bürgers der Konsumgesellschaft erinnert:<br />

kaufen und Geld ausgeben. Bedürfnisse werden<br />

künstlich geweckt und wollen mit Kapital<br />

befriedigt werden. Nachdem ich darüber offensichtlich<br />

nicht verfüge, bin ich unattraktiv<br />

geworden für den Markt. Entgegen dem alten<br />

Sprichwort lautet der unterschwellige Tenor in<br />

unserer Gesellschaft nämlich sehr wohl »Armut<br />

schändet!« Erst nach einer gewissen Eingewöhnungsphase<br />

entspanne ich mich allmählich.<br />

Ich beobachte die Passanten und nehme<br />

beruhigt zur Kenntnis, dass sie mich weder<br />

wie einen Exoten anglotzen noch mit Verachtung<br />

auf mich herabblicken. Die meisten interessieren<br />

sich ohnehin eher für die Waren in<br />

den Schaufenstern. Wobei einige Herrschaften<br />

schon auch klarzumachen versuchen, wem<br />

welche Stellung innerhalb der sozialen Hackordnung<br />

zukommt. Denn während ich friedfertig<br />

einfach dastehe, folgen manche eiligen<br />

Schrittes - vor allem ein Paketzusteller hat es<br />

in dieser Hinsicht besonders eilig – stur ihrer<br />

Marschrichtung und wenn ich nicht der Klügere<br />

wäre, würden sie wohl glatt in mich reinlaufen.<br />

Unaufmerksamkeit oder Absicht<br />

Dann kommt eine ältere Dame auf mich zu,<br />

holt ihre Geldbörse hervor und kramt darin<br />

herum. Währenddessen plaudern wir ein bisschen<br />

und obwohl sie behauptet, dass man »eh<br />

kaum zum Zeitungslesen kommt«, habe ich<br />

8 10/2011

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