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Newtons Gravitationsgesetz – aus Formeln wird eine Idee

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Mit dieser Meinung werde ich zwar nicht<br />

bei allen Historikern auf Zustimmung stoßen,<br />

doch scheint mir der Einfluß, den der<br />

Briefwechsel mit Hooke auf Newton hatte,<br />

in de Motu und im ersten Buch der Philosophiae<br />

Naturalis Principia Mathematica<br />

(Mathematische Prinzipien der Naturlehre),<br />

das im folgenden Frühjahr entstand, unverkennbar.<br />

In einigen autobiographischen<br />

Manuskripten äußert Newton selbst, daß er<br />

die Berechnungen der Planetenbahn, die in<br />

de Motu und in den Principia veröffentlicht<br />

wurden, teilweise während des Briefwechsels<br />

mit Hooke und teilweise später durchgeführt<br />

habe. Beide Schriften enthalten den<br />

Beweis, daß ein Objekt dann auf <strong>eine</strong>r Ellipsenbahn<br />

umläuft, wenn die Trägheit die<br />

<strong>eine</strong> Komponente der Bewegung bestimmt<br />

und <strong>eine</strong> Zentripetalkraft, die umgekehrt<br />

proportional zum Quadrat der Entfernung<br />

ist, die andere.<br />

Dieser Beweis ließ die physikalische Bedeutung<br />

des ersten Keplerschen Gesetzes in<br />

<strong>eine</strong>m neuen Licht ersch<strong>eine</strong>n. Dieses Gesetz<br />

besagt, daß die Bahnen der Planeten<br />

Ellipsen sind, in deren Brennpunkt die<br />

Sonne steht. Es mag heute überraschen, daß<br />

es nicht Kepler, sondern Newton war, der<br />

die fundamentale Bedeutung der Keplerschen<br />

Gesetze aufdeckte. Man muß sich aber<br />

vor Augen halten, daß diese Gesetze vor der<br />

Veröffentlichung der Principia lediglich als<br />

Hypothesen betrachtet wurden.<br />

Insbesondere das zweite Keplersche Gesetz,<br />

der Flächensatz, schien den Astronomen<br />

des siebzehnten Jahrhunderts von untergeordneter<br />

Bedeutung und ist in den meisten<br />

astronomischen Schriften nicht einmal erwähnt.<br />

Auch die Astronomia Carolina von<br />

Thomas Streete, <strong>aus</strong> der Newton das dritte<br />

Keplersche Gesetz abschrieb, enthält k<strong>eine</strong>n<br />

Hinweis auf den Flächensatz – das zweite<br />

Keplersche Gesetz. (Das dritte Keplersche<br />

Gesetz besagt, daß die dritte Potenz der<br />

mittleren Entfernung des Planeten zu Sonne<br />

proportional zum Quadrat der Umlaufperiode<br />

ist.) Die meisten Astronomen berechneten<br />

die Planetenpositionen damals nicht<br />

nach dem Flächensatz, sondern mit Hilfe<br />

<strong>eine</strong>r geometrischen Konstruktion (Bild 6).<br />

Man betrachtete <strong>eine</strong>n Radiusvektor, der von<br />

<strong>eine</strong>m Brennpunkt der Ellipsenbahn <strong>aus</strong>ging,<br />

und synchron zu Umlaufbewegung des Planeten<br />

gleichmäßig rotierte. Dieser Vektor<br />

überstrich in gleichen „Zeiträumen“ gleiche<br />

Winkel, und der Schnittpunkt, an dem er zu<br />

<strong>eine</strong>m vorgegebenen „Zeitpunkt“ die Ellipse<br />

schnitt, legte die Position des Planeten fest.<br />

Dieses Verfahren ergab nur dann genaue<br />

Positionsangaben, wenn man geeignete Korrekturfaktoren<br />

einführte. Da die Astronomen<br />

den Flächensatz kaum anwendeten, bedurfte<br />

es <strong>eine</strong>s besonderen wissenschaftlichen<br />

Spürsinns, um die fundamentale Bedeutung<br />

dieses Keplerschen Gesetzes zu erkennen.<br />

Es war Newton, der den Flächensatz in den<br />

Rang erhob, der ihm gebührt.<br />

Bild 4: Diesen Brief schrieb Robert Hooke am 6. Januar 1680 an Newton (datierte ihn aber<br />

nach dem Julianischen Kalendersystem, in dem das Jahr mit dem Monat März beginnt, auf<br />

den 6. Januar 1679). Zu dieser Zeit stand Hooke mit Newton in <strong>eine</strong>m Briefwechsel, in<br />

dessen Verlauf er über s<strong>eine</strong> Methode berichtete, die Bewegungen der Planeten oder<br />

anderer Körper, die gekrümmten Bahnen folgen, in zwei Komponenten zu zerlegen, die<br />

Trägheits- oder Inertialkomponente und die Zentripetalkomponente. Die Zentripetalkraft<br />

zieht den Körper zum Bahnzentrum und verhindert, daß er aufgrund s<strong>eine</strong>r Trägheit tangential<br />

davonfliegt. In dem abgebildeten Brief geht Hooke auf die Zentripetalkraft bei der<br />

Planetenbewegung ein: „M<strong>eine</strong> Behauptung ist, daß die Anziehung immer in <strong>eine</strong>r quadratischen<br />

Beziehung (duplicate proportion) zum Kehrwert des Abstandes steht und daß<br />

folglich die Geschwindigkeit in <strong>eine</strong>r Wurzelbeziehung (subduplicate proportion) zur Anziehung<br />

steht und damit dem Kehrwert des Abstandes [proportional ist], genau wie es<br />

Kepler behauptet hat." Diese Passage zeigt, daß Hooke zwar richtig vermutete, daß die<br />

Anziehungskraft umgekehrt proportional zum Quadrat der Entfernung ist, aber dar<strong>aus</strong> die<br />

falsche Folgerung zog, daß die Geschwindigkeit umgekehrt proportional zum Abstand sei.<br />

Dieser Fehler zeigt, daß Hooke sich über die Bedeutung der Beziehung zwischen der Anziehungskraft,<br />

die auf <strong>eine</strong>n Planeten wirkt, und dem Planetenabstand zur Sonne nicht im<br />

klaren war, auch wenn er in diesem Brief behauptet, mit s<strong>eine</strong>r Methode könnten alle<br />

Himmelserscheinungen erklärt werden. Weiter unten betont Hooke, wie wichtig es sei, die<br />

Eigenschaften der Bahnkurven zu bestimmen, denn die geographischen Längen, die für die<br />

Menschheit von großer Bedeutung seien, könnten <strong>aus</strong> der Mondbewegung abgeleitet<br />

werden.<br />

Spektrum der Wissenschaft, Mai 1981 105

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