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Druckversion: Weiche Wolle für harten Einsatz - 4-Seasons.de

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66 Hersteller Hersteller 67<br />

Aus <strong>de</strong>m Fjäll in die Welt: Woolpower fertigt sämtliche Produkte in Östersund.<br />

<strong>Weiche</strong> <strong>Wolle</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>harten</strong> <strong>Einsatz</strong><br />

So natürlich! So weich! So funktionell! Merinowolle ist mega­in.<br />

Darüber können die Woolpower­Leute nur lächeln: Im schwedischen<br />

Jämtland stricken sie seit 40 Jahren mit Merino – und haben die<br />

weiche <strong>Wolle</strong> <strong>für</strong> <strong>de</strong>n <strong>harten</strong> <strong>Einsatz</strong> optimiert.<br />

Text: Julian Rohn | Fotos: Woolpower<br />

Ist Jämtland das Silicon Valley <strong>de</strong>r Outdoorszene? Der Verdacht<br />

liegt nahe. Denn während sich in Kalifornien die klügsten Köpfe<br />

gegenseitig anspornen, um neue Software und Computer zu<br />

entwickeln, dreht sich in <strong>de</strong>r mittelschwedischen Provinz vieles um<br />

die perfekte Ausrüstung <strong>für</strong> das Leben draußen.<br />

Ihre Freizeit verbringen die Jämtlän<strong>de</strong>r gern im Fjäll. Im Sommer<br />

durchstreifen sie es mit <strong>de</strong>m Rucksack, im Winter mit Ski und<br />

Pulk a. Dabei stellt man zwangsläufig fest, ob die Ausrüstung funktioniert<br />

o<strong>de</strong>r nicht. Und wenn etwas nicht funktioniert, löst das bei<br />

Jämtlän<strong>de</strong>rn offenbar einen Drang zum Tüfteln aus: Das Equipment<br />

wird verbessert o<strong>de</strong>r gleich selbst gefertigt. Kein Wun<strong>de</strong>r also, dass<br />

die Region eine ganze Reihe namhafter Outdoor­Hersteller hervorgebracht<br />

hat: Hilleberg, Trangia, Lundhags, Klättermusen – und<br />

natürlic h Woolpower, <strong>de</strong>r Spezialist <strong>für</strong> Funktionsunterwäsche mit<br />

Sitz in Östersund.<br />

Je<strong>de</strong> Näherin signiert ihre Produkte<br />

Woolpower – älteren Outdoorsemestern noch unter <strong>de</strong>m Namen<br />

Ullfrotté bekannt – setzt seit jeher auf die Naturfaser <strong>Wolle</strong>. Über<br />

<strong>de</strong>n aktuellen »Megatrend Merinowolle« können die Schwe<strong>de</strong>n nur<br />

lächeln. Sie hatten bereits in <strong>de</strong>n 1970er­Jahren die verblüffen<strong>de</strong>n<br />

Eigenschaften von beson<strong>de</strong>rs feiner Schurwolle <strong>für</strong> sich ent<strong>de</strong>ckt –<br />

und in bester Jämtland­Manier sogar noch verbessert.<br />

Als früherer Hersteller von Nylonstrumpfhosen verfügte Ullfrotté<br />

bereit s über das technische Know­how und suchte nach einem<br />

robuste n Material, das sowohl bei körperlicher Anstrengung wie<br />

auch im Ruhe zustand einen optimalen Kälteschutz bot. Forscher,<br />

Ärzte, Überlebensexperten und die schwedische Armee wur<strong>de</strong>n<br />

einbezogen. Heraus kam ein Materialmix, <strong>de</strong>r bis heute nur leicht<br />

variiert wird: zwei Drittel Merinowolle, ein Drittel Synthetikfaser.<br />

Diese Kombination wärmt – auch in feuchtem Zustand – sehr gut<br />

und ist <strong>de</strong>utlich strapazierfähiger als reine <strong>Wolle</strong>. In Skandinavien<br />

wur<strong>de</strong> Ullfrotté bald zum Inbegriff <strong>für</strong> funktionelle Unterwäsche,<br />

zunächst allerdings bei Berufskleidung: Armee, Straßendienst,<br />

Jäger o<strong>de</strong>r auch Hafenarbeiter schworen auf die Strickwaren.<br />

Die Bezeichnung »Frottee« kommt dabei nicht von ungefähr. Auf<br />

<strong>de</strong>r Innenseite <strong>de</strong>r Bekleidung ist die <strong>Wolle</strong> in luftigen Schlingen<br />

gestrickt. In Kombination mit <strong>de</strong>r ohnehin kräuseligen Faserstruktur<br />

wird so mehr Luft gespeichert und als zusätzliche Isolationsschicht<br />

genutzt, gleichzeitig kann Körperfeuchtigkeit durch die lockeren<br />

Maschen besser entweichen.<br />

Die Socken, Unterhosen, Shirts, Jacken, Mützen und Nierenwärmer<br />

von Woolpower entstehen in patagonisch­<strong>de</strong>utsch­schwedischer >


68 Hersteller Hersteller 69<br />

Function, not fashion! Die Qualität steht im Mittelpunkt … … aber ein bisschen Farbe darf sein. Eine <strong>für</strong> alles: Woolpower-Wäsche im <strong>Einsatz</strong>.<br />

Aus <strong>de</strong>n ge<strong>de</strong>ckten Farben blitzt jetzt schon mal ein<br />

rotes Shirt mit orangen Nähten hervor. Mehr modische<br />

Sperenzchen braucht man nicht in Jämtland.<br />

Koproduktion: Merinoschafe aus <strong>de</strong>n wil<strong>de</strong>n Weiten Patagoniens<br />

liefer n die <strong>Wolle</strong>, die dann in Deutschland gesponnen und gefärbt<br />

wird. Die eigentliche Fertigung fin<strong>de</strong>t nach wie vor in Östersund<br />

statt, 85 Mitarbeiter sind in <strong>de</strong>r eigenen Produktion beschäftigt.<br />

Auf speziellen Maschinen wer<strong>de</strong>n Ärmel, Beine und Rumpfteile<br />

rundgestrickt, so benötigt man beim Zusammensetzen weniger<br />

Nähte – und vermei<strong>de</strong>t Druckstellen beim Rucksacktragen.<br />

Sind die Einzelteile gestrickt, vorgewaschen und entsprechend<br />

ihre r Verwendung ausgestanzt, wird je<strong>de</strong>s Kleidungsstück einer<br />

Näheri n übergeben. Sie betreut das neue Woolpower­Teil vom<br />

erste n Na<strong>de</strong>lstich bis zur Verpackung und fügt am Schluss ihr<br />

Namens etikett ein – mit dieser Signierung bürgt je<strong>de</strong>r Mitarbeiter<br />

<strong>für</strong> seine Arbeit.<br />

Schwerer Start im Polyester-Zeitalter<br />

Der eingangs gezogene Vergleich mit <strong>de</strong>m Silicon Valley hinkt<br />

allerdings, wenn man die Firmenkultur <strong>de</strong>r Jämtlän<strong>de</strong>r Hersteller<br />

betrachte t. Statt hipper Startups fin<strong>de</strong>t man eher wertkonservative<br />

Familienunternehmen. Woolpower ist im Besitz <strong>de</strong>r »Gränsfors<br />

Bruks Mo<strong>de</strong>rbolag«, einer familiengeführten Unternehmensgruppe,<br />

zu <strong>de</strong>r auch die berühmte Gränsfors­Axtschmie<strong>de</strong> gehört.<br />

Firmensitz ist seit jeher Östersund, eine Verlagerun g <strong>de</strong>r Produktion<br />

nach Fernost kam nie infrage. Und obwohl sich <strong>de</strong>r Umsatz in<br />

<strong>de</strong>n letzten fünf Jahren verdoppelt hat, agieren die Schwe<strong>de</strong>n<br />

vorsichtig und legen Wert auf gesun<strong>de</strong>s Wachstum. Die <strong>Wolle</strong> wird<br />

langfristig eingekauft, auch wenn man so auf aktuelle Farbtrends<br />

nur langsam reagieren kann.<br />

Diese nordische Zurückhaltung wird nachvollziehbar, wenn man<br />

weiß, dass die <strong>de</strong>rzeit so beliebte Merinowäsche einen schweren<br />

Start hatte. Die 1980er­ und 1990er­ Jahre waren in <strong>de</strong>r Outdoorbranche<br />

ein absolutes Synthetik­Zeitalter. Naturfasern waren<br />

gera<strong>de</strong> zu verpönt, beson<strong>de</strong>rs wenn es um Funktionsunterwäsche<br />

ging. Die Szene verlangte damals nach Kunstfaser, leicht und<br />

schnelltrocknend – aber eben auch nicht so komfortabel und vor<br />

allem geruchsar m wie Merinowolle.<br />

Das ist auch <strong>de</strong>r Grund, warum sich Ullfrotté zunächst nur im Bereich<br />

<strong>de</strong>r Berufsbekleidung etablieren konnte. Gera<strong>de</strong> öffentliche<br />

Institutionen schätzten die lange Haltbarkeit und die Möglichkeit,<br />

die Wollprodukte auch in Großwäschereien bei 60 Grad Celsius<br />

hygienisc h zu reinigen – modisches Design war eher zweitrangig.<br />

»Function, not fashion« gilt noch heute als Motto im Werk in Östersund.<br />

Ausgefallene Looks fin<strong>de</strong>t man im Programm <strong>de</strong>r Schwe<strong>de</strong>n<br />

weniger, da<strong>für</strong> soli<strong>de</strong>n und robusten Kälteschutz, <strong>de</strong>r auch nach<br />

einer mehrwöchigen Tour unter scheuern<strong>de</strong>n Rucksackträgern<br />

nicht in Einzelteilen von <strong>de</strong>n Schultern fällt.<br />

Auf dicken Socken ins Globetrotter-Sortiment<br />

Zu <strong>de</strong>n ersten Outdoorhändlern, die auf die Jämtlän<strong>de</strong>r Strick waren<br />

aufmerksam wur<strong>de</strong>n, gehörte Globetrotter Ausrüstung. Schon<br />

1993, also noch mitten in <strong>de</strong>r Polyesterhochphase, nahmen die<br />

Hamburger ein Kältebollwerk aus Schwe<strong>de</strong>n ins Programm: eine<br />

800er­Socke aus Merinowolle. Bewährt in <strong>de</strong>n langen und kalte n<br />

skandinavischen Wintern, sollte sie ab sofort auch in <strong>de</strong>utsche n<br />

Winterstiefeln <strong>für</strong> warme Füße sorgen. Nach diesem ers ten Test<br />

wur<strong>de</strong> im Winterhandbuch 1995 ein kleines Ullfrotté­Sortimen t<br />

prominent auf <strong>de</strong>r Rückseite <strong>de</strong>s Katalogs präsentiert und <strong>de</strong>n<br />

Kun<strong>de</strong>n schmackhaft gemacht. Seit <strong>de</strong>m Jahr 2000 sind Socken,<br />

Hem<strong>de</strong>n, Long Johns, eine Sturmmaske und ein Nierenwärmer im<br />

Woolpower auf<br />

einen Blick<br />

Die Schwe<strong>de</strong>n verarbeiten ausschließlich feinste Merinowolle<br />

aus Patagonien, die mit etwa 30 Prozent Synthetikfaser<br />

ergänzt wird (je nach <strong>Einsatz</strong>bereich verschie<strong>de</strong>ne<br />

Mischunge n mit Polyamid, Polyester und Elasthan).<br />

Woolpower ist – im Gegensatz zu an<strong>de</strong>ren Merinoprodukten<br />

– bei 60 Grad waschbar und hat sich im <strong>harten</strong> Outdoor­<br />

Alltag als äußerst robust erwiesen. Sämtliche Teile wer<strong>de</strong>n<br />

in Jämtland hergestellt. Verarbeitet wer<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne<br />

Wärmeklassen, die sich am Quadratmetergewicht <strong>de</strong>s<br />

Stricks orientieren und meist im Mo<strong>de</strong>llnamen angegeben<br />

sind. 200 (steht <strong>für</strong> 200 g/qm) ist bei Wool power die<br />

»leichte« Ware (an<strong>de</strong>rswo schon die Mittelklasse).<br />

400 ist schon <strong>für</strong> <strong>de</strong>n reinen Wintereinsatz gedacht. Und<br />

die superwarmen Wildlife Socks 600 kann man entwe<strong>de</strong>r<br />

beim Eisfischen tragen – o<strong>de</strong>r als Hausschuh.<br />

Mehr unter woolpower.<strong>de</strong>.<br />

Globetrotter­Sortiment. Unspektakulär unifarben in grau, braun,<br />

schwarz o<strong>de</strong>r oliv, aber viel gefragt und bewährt. Die größte Verän<strong>de</strong>rung<br />

erfolgte 2006 – als Ullfrotté in Woolpower umbenannt<br />

wurd e. Die Qualität blieb unverän<strong>de</strong>rt.<br />

Der <strong>de</strong>rzeitige Merino­Trend geht aber nicht völlig an <strong>de</strong>n Schwe<strong>de</strong> n<br />

vorbei. Nicht nur im tiefsten Winter wird inzwischen <strong>Wolle</strong> getragen,<br />

auch im Sommer und als T­Shirt hat sich das Naturmaterial<br />

bewährt. Zum 40­jährigen Woolpower­Jubiläum wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb die<br />

Lite­Kollektion entwickelt – ohne Frotteeschlingen und <strong>de</strong>shalb<br />

wenige r warm. Flächengewichte unter 200 Gramm (siehe Kasten<br />

oben) setzen die Qualitätsfanatiker aber nicht ein. »Mit weniger<br />

Gewich t könnten wir nicht mehr die Robustheit garantieren, die wir<br />

unseren Kun<strong>de</strong>n bieten wollen«, sagt Jesper Rodig vom <strong>de</strong>utschen<br />

Importeur Scandic Outdoor in Seevetal.<br />

Optisch wur<strong>de</strong> die neue Kollektion auch ein bisschen vielfältiger:<br />

Aus <strong>de</strong>n ge<strong>de</strong>ckten Farben blitzt jetzt schon mal ein rotes Shirt mit<br />

orangen Nähten hervor. Mehr modische Sperenzchen braucht man<br />

nicht in Jämtland. Viel wichtiger ist, dass die Woolpower­Wäsche<br />

auch bei <strong>de</strong>r nächsten Tour im Fjäll trocken und warm hält. So wie<br />

schon in <strong>de</strong>n vergangenen 40 Jahren.<br />

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