Druckversion: Weiche Wolle für harten Einsatz - 4-Seasons.de
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Aus <strong>de</strong>m Fjäll in die Welt: Woolpower fertigt sämtliche Produkte in Östersund.<br />
<strong>Weiche</strong> <strong>Wolle</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>harten</strong> <strong>Einsatz</strong><br />
So natürlich! So weich! So funktionell! Merinowolle ist megain.<br />
Darüber können die WoolpowerLeute nur lächeln: Im schwedischen<br />
Jämtland stricken sie seit 40 Jahren mit Merino – und haben die<br />
weiche <strong>Wolle</strong> <strong>für</strong> <strong>de</strong>n <strong>harten</strong> <strong>Einsatz</strong> optimiert.<br />
Text: Julian Rohn | Fotos: Woolpower<br />
Ist Jämtland das Silicon Valley <strong>de</strong>r Outdoorszene? Der Verdacht<br />
liegt nahe. Denn während sich in Kalifornien die klügsten Köpfe<br />
gegenseitig anspornen, um neue Software und Computer zu<br />
entwickeln, dreht sich in <strong>de</strong>r mittelschwedischen Provinz vieles um<br />
die perfekte Ausrüstung <strong>für</strong> das Leben draußen.<br />
Ihre Freizeit verbringen die Jämtlän<strong>de</strong>r gern im Fjäll. Im Sommer<br />
durchstreifen sie es mit <strong>de</strong>m Rucksack, im Winter mit Ski und<br />
Pulk a. Dabei stellt man zwangsläufig fest, ob die Ausrüstung funktioniert<br />
o<strong>de</strong>r nicht. Und wenn etwas nicht funktioniert, löst das bei<br />
Jämtlän<strong>de</strong>rn offenbar einen Drang zum Tüfteln aus: Das Equipment<br />
wird verbessert o<strong>de</strong>r gleich selbst gefertigt. Kein Wun<strong>de</strong>r also, dass<br />
die Region eine ganze Reihe namhafter OutdoorHersteller hervorgebracht<br />
hat: Hilleberg, Trangia, Lundhags, Klättermusen – und<br />
natürlic h Woolpower, <strong>de</strong>r Spezialist <strong>für</strong> Funktionsunterwäsche mit<br />
Sitz in Östersund.<br />
Je<strong>de</strong> Näherin signiert ihre Produkte<br />
Woolpower – älteren Outdoorsemestern noch unter <strong>de</strong>m Namen<br />
Ullfrotté bekannt – setzt seit jeher auf die Naturfaser <strong>Wolle</strong>. Über<br />
<strong>de</strong>n aktuellen »Megatrend Merinowolle« können die Schwe<strong>de</strong>n nur<br />
lächeln. Sie hatten bereits in <strong>de</strong>n 1970erJahren die verblüffen<strong>de</strong>n<br />
Eigenschaften von beson<strong>de</strong>rs feiner Schurwolle <strong>für</strong> sich ent<strong>de</strong>ckt –<br />
und in bester JämtlandManier sogar noch verbessert.<br />
Als früherer Hersteller von Nylonstrumpfhosen verfügte Ullfrotté<br />
bereit s über das technische Knowhow und suchte nach einem<br />
robuste n Material, das sowohl bei körperlicher Anstrengung wie<br />
auch im Ruhe zustand einen optimalen Kälteschutz bot. Forscher,<br />
Ärzte, Überlebensexperten und die schwedische Armee wur<strong>de</strong>n<br />
einbezogen. Heraus kam ein Materialmix, <strong>de</strong>r bis heute nur leicht<br />
variiert wird: zwei Drittel Merinowolle, ein Drittel Synthetikfaser.<br />
Diese Kombination wärmt – auch in feuchtem Zustand – sehr gut<br />
und ist <strong>de</strong>utlich strapazierfähiger als reine <strong>Wolle</strong>. In Skandinavien<br />
wur<strong>de</strong> Ullfrotté bald zum Inbegriff <strong>für</strong> funktionelle Unterwäsche,<br />
zunächst allerdings bei Berufskleidung: Armee, Straßendienst,<br />
Jäger o<strong>de</strong>r auch Hafenarbeiter schworen auf die Strickwaren.<br />
Die Bezeichnung »Frottee« kommt dabei nicht von ungefähr. Auf<br />
<strong>de</strong>r Innenseite <strong>de</strong>r Bekleidung ist die <strong>Wolle</strong> in luftigen Schlingen<br />
gestrickt. In Kombination mit <strong>de</strong>r ohnehin kräuseligen Faserstruktur<br />
wird so mehr Luft gespeichert und als zusätzliche Isolationsschicht<br />
genutzt, gleichzeitig kann Körperfeuchtigkeit durch die lockeren<br />
Maschen besser entweichen.<br />
Die Socken, Unterhosen, Shirts, Jacken, Mützen und Nierenwärmer<br />
von Woolpower entstehen in patagonisch<strong>de</strong>utschschwedischer >
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Function, not fashion! Die Qualität steht im Mittelpunkt … … aber ein bisschen Farbe darf sein. Eine <strong>für</strong> alles: Woolpower-Wäsche im <strong>Einsatz</strong>.<br />
Aus <strong>de</strong>n ge<strong>de</strong>ckten Farben blitzt jetzt schon mal ein<br />
rotes Shirt mit orangen Nähten hervor. Mehr modische<br />
Sperenzchen braucht man nicht in Jämtland.<br />
Koproduktion: Merinoschafe aus <strong>de</strong>n wil<strong>de</strong>n Weiten Patagoniens<br />
liefer n die <strong>Wolle</strong>, die dann in Deutschland gesponnen und gefärbt<br />
wird. Die eigentliche Fertigung fin<strong>de</strong>t nach wie vor in Östersund<br />
statt, 85 Mitarbeiter sind in <strong>de</strong>r eigenen Produktion beschäftigt.<br />
Auf speziellen Maschinen wer<strong>de</strong>n Ärmel, Beine und Rumpfteile<br />
rundgestrickt, so benötigt man beim Zusammensetzen weniger<br />
Nähte – und vermei<strong>de</strong>t Druckstellen beim Rucksacktragen.<br />
Sind die Einzelteile gestrickt, vorgewaschen und entsprechend<br />
ihre r Verwendung ausgestanzt, wird je<strong>de</strong>s Kleidungsstück einer<br />
Näheri n übergeben. Sie betreut das neue WoolpowerTeil vom<br />
erste n Na<strong>de</strong>lstich bis zur Verpackung und fügt am Schluss ihr<br />
Namens etikett ein – mit dieser Signierung bürgt je<strong>de</strong>r Mitarbeiter<br />
<strong>für</strong> seine Arbeit.<br />
Schwerer Start im Polyester-Zeitalter<br />
Der eingangs gezogene Vergleich mit <strong>de</strong>m Silicon Valley hinkt<br />
allerdings, wenn man die Firmenkultur <strong>de</strong>r Jämtlän<strong>de</strong>r Hersteller<br />
betrachte t. Statt hipper Startups fin<strong>de</strong>t man eher wertkonservative<br />
Familienunternehmen. Woolpower ist im Besitz <strong>de</strong>r »Gränsfors<br />
Bruks Mo<strong>de</strong>rbolag«, einer familiengeführten Unternehmensgruppe,<br />
zu <strong>de</strong>r auch die berühmte GränsforsAxtschmie<strong>de</strong> gehört.<br />
Firmensitz ist seit jeher Östersund, eine Verlagerun g <strong>de</strong>r Produktion<br />
nach Fernost kam nie infrage. Und obwohl sich <strong>de</strong>r Umsatz in<br />
<strong>de</strong>n letzten fünf Jahren verdoppelt hat, agieren die Schwe<strong>de</strong>n<br />
vorsichtig und legen Wert auf gesun<strong>de</strong>s Wachstum. Die <strong>Wolle</strong> wird<br />
langfristig eingekauft, auch wenn man so auf aktuelle Farbtrends<br />
nur langsam reagieren kann.<br />
Diese nordische Zurückhaltung wird nachvollziehbar, wenn man<br />
weiß, dass die <strong>de</strong>rzeit so beliebte Merinowäsche einen schweren<br />
Start hatte. Die 1980er und 1990er Jahre waren in <strong>de</strong>r Outdoorbranche<br />
ein absolutes SynthetikZeitalter. Naturfasern waren<br />
gera<strong>de</strong> zu verpönt, beson<strong>de</strong>rs wenn es um Funktionsunterwäsche<br />
ging. Die Szene verlangte damals nach Kunstfaser, leicht und<br />
schnelltrocknend – aber eben auch nicht so komfortabel und vor<br />
allem geruchsar m wie Merinowolle.<br />
Das ist auch <strong>de</strong>r Grund, warum sich Ullfrotté zunächst nur im Bereich<br />
<strong>de</strong>r Berufsbekleidung etablieren konnte. Gera<strong>de</strong> öffentliche<br />
Institutionen schätzten die lange Haltbarkeit und die Möglichkeit,<br />
die Wollprodukte auch in Großwäschereien bei 60 Grad Celsius<br />
hygienisc h zu reinigen – modisches Design war eher zweitrangig.<br />
»Function, not fashion« gilt noch heute als Motto im Werk in Östersund.<br />
Ausgefallene Looks fin<strong>de</strong>t man im Programm <strong>de</strong>r Schwe<strong>de</strong>n<br />
weniger, da<strong>für</strong> soli<strong>de</strong>n und robusten Kälteschutz, <strong>de</strong>r auch nach<br />
einer mehrwöchigen Tour unter scheuern<strong>de</strong>n Rucksackträgern<br />
nicht in Einzelteilen von <strong>de</strong>n Schultern fällt.<br />
Auf dicken Socken ins Globetrotter-Sortiment<br />
Zu <strong>de</strong>n ersten Outdoorhändlern, die auf die Jämtlän<strong>de</strong>r Strick waren<br />
aufmerksam wur<strong>de</strong>n, gehörte Globetrotter Ausrüstung. Schon<br />
1993, also noch mitten in <strong>de</strong>r Polyesterhochphase, nahmen die<br />
Hamburger ein Kältebollwerk aus Schwe<strong>de</strong>n ins Programm: eine<br />
800erSocke aus Merinowolle. Bewährt in <strong>de</strong>n langen und kalte n<br />
skandinavischen Wintern, sollte sie ab sofort auch in <strong>de</strong>utsche n<br />
Winterstiefeln <strong>für</strong> warme Füße sorgen. Nach diesem ers ten Test<br />
wur<strong>de</strong> im Winterhandbuch 1995 ein kleines UllfrottéSortimen t<br />
prominent auf <strong>de</strong>r Rückseite <strong>de</strong>s Katalogs präsentiert und <strong>de</strong>n<br />
Kun<strong>de</strong>n schmackhaft gemacht. Seit <strong>de</strong>m Jahr 2000 sind Socken,<br />
Hem<strong>de</strong>n, Long Johns, eine Sturmmaske und ein Nierenwärmer im<br />
Woolpower auf<br />
einen Blick<br />
Die Schwe<strong>de</strong>n verarbeiten ausschließlich feinste Merinowolle<br />
aus Patagonien, die mit etwa 30 Prozent Synthetikfaser<br />
ergänzt wird (je nach <strong>Einsatz</strong>bereich verschie<strong>de</strong>ne<br />
Mischunge n mit Polyamid, Polyester und Elasthan).<br />
Woolpower ist – im Gegensatz zu an<strong>de</strong>ren Merinoprodukten<br />
– bei 60 Grad waschbar und hat sich im <strong>harten</strong> Outdoor<br />
Alltag als äußerst robust erwiesen. Sämtliche Teile wer<strong>de</strong>n<br />
in Jämtland hergestellt. Verarbeitet wer<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne<br />
Wärmeklassen, die sich am Quadratmetergewicht <strong>de</strong>s<br />
Stricks orientieren und meist im Mo<strong>de</strong>llnamen angegeben<br />
sind. 200 (steht <strong>für</strong> 200 g/qm) ist bei Wool power die<br />
»leichte« Ware (an<strong>de</strong>rswo schon die Mittelklasse).<br />
400 ist schon <strong>für</strong> <strong>de</strong>n reinen Wintereinsatz gedacht. Und<br />
die superwarmen Wildlife Socks 600 kann man entwe<strong>de</strong>r<br />
beim Eisfischen tragen – o<strong>de</strong>r als Hausschuh.<br />
Mehr unter woolpower.<strong>de</strong>.<br />
GlobetrotterSortiment. Unspektakulär unifarben in grau, braun,<br />
schwarz o<strong>de</strong>r oliv, aber viel gefragt und bewährt. Die größte Verän<strong>de</strong>rung<br />
erfolgte 2006 – als Ullfrotté in Woolpower umbenannt<br />
wurd e. Die Qualität blieb unverän<strong>de</strong>rt.<br />
Der <strong>de</strong>rzeitige MerinoTrend geht aber nicht völlig an <strong>de</strong>n Schwe<strong>de</strong> n<br />
vorbei. Nicht nur im tiefsten Winter wird inzwischen <strong>Wolle</strong> getragen,<br />
auch im Sommer und als TShirt hat sich das Naturmaterial<br />
bewährt. Zum 40jährigen WoolpowerJubiläum wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb die<br />
LiteKollektion entwickelt – ohne Frotteeschlingen und <strong>de</strong>shalb<br />
wenige r warm. Flächengewichte unter 200 Gramm (siehe Kasten<br />
oben) setzen die Qualitätsfanatiker aber nicht ein. »Mit weniger<br />
Gewich t könnten wir nicht mehr die Robustheit garantieren, die wir<br />
unseren Kun<strong>de</strong>n bieten wollen«, sagt Jesper Rodig vom <strong>de</strong>utschen<br />
Importeur Scandic Outdoor in Seevetal.<br />
Optisch wur<strong>de</strong> die neue Kollektion auch ein bisschen vielfältiger:<br />
Aus <strong>de</strong>n ge<strong>de</strong>ckten Farben blitzt jetzt schon mal ein rotes Shirt mit<br />
orangen Nähten hervor. Mehr modische Sperenzchen braucht man<br />
nicht in Jämtland. Viel wichtiger ist, dass die WoolpowerWäsche<br />
auch bei <strong>de</strong>r nächsten Tour im Fjäll trocken und warm hält. So wie<br />
schon in <strong>de</strong>n vergangenen 40 Jahren.<br />