Basale Stimulation in der Pflege - Bildungswerk Irsee
Basale Stimulation in der Pflege - Bildungswerk Irsee
Basale Stimulation in der Pflege - Bildungswerk Irsee
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<strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong> ®<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong><br />
Was – Wie – Warum<br />
Wir sollten mehr darauf achten<br />
was e<strong>in</strong> Mensch erlebt und erleidet,<br />
als darauf<br />
was er kann o<strong>der</strong> nicht kann<br />
Dietrich Bonhoeffer<br />
Sab<strong>in</strong>e Weiß© Praxisbegleiter<strong>in</strong> <strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong> ® <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> – März 2011
<strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong> ist e<strong>in</strong> Konzept zur För<strong>der</strong>ung von wahrnehmungsgestörten Patienten.<br />
Vor ca. 30 Jahren begann Dr. Andreas Fröhlich (Son<strong>der</strong>pädagoge und heilpädagogischer<br />
Psychologe )im Rehazentrum Landstuhl mit schwerst mehrfach beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und<br />
Jugendlichen über Berührung, Bewegung und unmittelbare s<strong>in</strong>nliche Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit<br />
<strong>der</strong> Umwelt zu lernen anstatt wie bisher nur über Sprache und Bild , Christel Bienste<strong>in</strong><br />
(Krankenschwester und Diplompädagog<strong>in</strong> ) erweiterte das Konzept ab 1986 zur Anwendung<br />
bei schwerkranken und schwerbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Jugendlichen und Erwachsenen.<br />
Def<strong>in</strong>ition: Basal elementare, grundlegende Angebote<br />
<strong>in</strong> voraussetzungsloser Form<br />
<strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong>:<br />
<strong>Stimulation</strong> Anregung durch ständig verän<strong>der</strong>tes<br />
Informationsmaterial (als Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> eigenen Entwicklung)<br />
- e<strong>in</strong> Versuch, Menschen mit Wahrnehmungs- und<br />
Aktivitätsstörungen elementare Angebote für ihre<br />
persönliche Entwicklungs- und Wahrnehmungsfähigkeit<br />
zu machen.<br />
- e<strong>in</strong> Konzept zur För<strong>der</strong>ung von Menschen <strong>in</strong> krisenhaften Lebenssituationen, <strong>in</strong><br />
denen ihre Austausch- und Regulationskompetenzen deutlich verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t,<br />
e<strong>in</strong>geschränkt o<strong>der</strong> dauerhaft beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t s<strong>in</strong>d.<br />
Dabei stehen Fähigkeiten zur Wahrnehmung, Kommunikation sowie zur Bewegung<br />
im Zentrum des Konzeptes.<br />
Durch e<strong>in</strong>fache und grundlegende Austauschangebote und –hilfen sollen<br />
Kompetenzen erhalten, gesichert und aufgebaut werden.<br />
-e<strong>in</strong>e Form ganzheitlicher, körperbezogener Kommunikation für Menschen mit<br />
wesentlichen E<strong>in</strong>schränkungen<br />
-e<strong>in</strong> Angebot körperbezogenen und ganzheitlichen Lernens<br />
-e<strong>in</strong>e Orientierung <strong>in</strong> unklaren Wahrnehmungs-, Kommunikations- und<br />
Bewegungssituationen<br />
-Stressreduzierung für Menschen <strong>in</strong> belastenden Grenzsituationen, z.B. <strong>in</strong> schweren<br />
gesundheitlichen Krisen<br />
Sab<strong>in</strong>e Weiß© Praxisbegleiter<strong>in</strong> <strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong> ® <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> – März 2011
Pr<strong>in</strong>zip : Der Patient muß ke<strong>in</strong>e Vorleistung erbr<strong>in</strong>gen um geför<strong>der</strong>t zu werden.<br />
Der Mensch erhält e<strong>in</strong> angemessenes Angebot, ohne Erwartung e<strong>in</strong>er<br />
Vorleistung. Wir warten nicht das <strong>der</strong> Patient Reaktionen zeigt, son<strong>der</strong>n<br />
wir för<strong>der</strong>n die Reaktionsfähigkeit damit er reagieren kann<br />
Ziel : Wahrnehmung vermitteln<br />
Reaktion för<strong>der</strong>n<br />
<strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong> ist e<strong>in</strong> offenes Angebot an den Patienten, e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche Begleitung,<br />
ke<strong>in</strong>e „ Zaubermethode“. Es ist ke<strong>in</strong>e <strong>Pflege</strong>technik, son<strong>der</strong>n es geht um die Art und die<br />
Intensität <strong>der</strong> Begegnung mit dem Patienten. Es kommt also nicht nur darauf an „WAS“ man<br />
tut, son<strong>der</strong>n vor allem „WIE“ man es tut. Da wir hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er „Hygienegeneration“ leben,<br />
lernen wir kontam<strong>in</strong>ationsarm zu arbeiten, d.h. auch das wir primär berührungsfe<strong>in</strong>dlich<br />
erzogen wurden. Die <strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong> for<strong>der</strong>t uns zum Umdenken auf, es ist e<strong>in</strong><br />
„Erfahrungslernen“ nicht nur für den Patienten son<strong>der</strong>n auch für uns, die das Konzept<br />
anwenden. <strong>Stimulation</strong> <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Zuwendung ist durch ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Maßnahme o<strong>der</strong><br />
Therapie zu ersetzen und bekommt e<strong>in</strong> um so größeres Gewicht, je weiter e<strong>in</strong> Patient am<br />
Anfang se<strong>in</strong>es Lebens steht o<strong>der</strong> je weiter er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Entwicklung bzw. Wahrnehmung<br />
zurückgeworfen wird.<br />
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Es geht also um Wahrnehmung<br />
Wahrnehmung - B<strong>in</strong>deglied zwischen Mensch und Umwelt<br />
Wahrnehmung ist die s<strong>in</strong>ngebende Verarbeitung von <strong>in</strong>neren und äußeren Reizen unter<br />
Zuhilfenahme von Erfahrung, Lernen und Empf<strong>in</strong>dung, so natürlich das wir erst darüber<br />
nachdenken wenn wir an die Grenzen stoßen z.B. bei Übermüdung o<strong>der</strong> so <strong>in</strong>tensiv<br />
nachdenken o<strong>der</strong> arbeiten das wir Herannahendes gar nicht bemerken.<br />
Es gibt verschiedene Wahrnehmungsbereiche :<br />
gustatorisch<br />
oral auditiv<br />
taktil/haptisch<br />
somatisch<br />
propriozeptiv<br />
vestibulär<br />
Körpers<strong>in</strong>ne<br />
Umwelts<strong>in</strong>ne<br />
vibratorisch<br />
olfaktorisch<br />
Quelle: Buchholz/Schürenberg - Lebensbegleitung alter Menschen / Verlag Hans Huber Bern 2003<br />
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visuell
Wahrnehmung beg<strong>in</strong>nt im Mutterleib und prägt jeden <strong>in</strong>dividuell, je<strong>der</strong> mag etwas an<strong>der</strong>es -<br />
Anamnese !<br />
Wahrnehmung ermöglicht uns die Identität, je<strong>der</strong> hat se<strong>in</strong> unverwechselbares ICH-Bild, durch<br />
dieses ICH-Bild kommunizieren wir mit <strong>der</strong> Umwelt. Durch die Wahrnehmung haben wir<br />
gelernt uns zu bewegen und zu kommunizieren. Bewegung, Wahrnehmung und<br />
Kommunikation bee<strong>in</strong>flussen sich gegenseitig, daraus folgt, daß das gestörte Körperbild des<br />
Hemiplegikers zu e<strong>in</strong>er verän<strong>der</strong>ten Identität und zu e<strong>in</strong>er gestörten Orientierung führt.<br />
Verän<strong>der</strong>ung und Bewegung ist die Grundlage für die Wahrnehmung von Information;<br />
Bewegung kann wesentlich zur geistigen Wachheit beitragen - zulange gleiche Lage,<br />
unbewegliches sitzen im Rollstuhl.<br />
Es darf nicht se<strong>in</strong>, daß mit sich än<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Wahrnehmungsfähigkeit des Patienten unsere<br />
Wahrnehmungsfähigkeit für ihn abnimmt.<br />
- Somatische <strong>Stimulation</strong><br />
Somatische Wahrnehmung s<strong>in</strong>d Empf<strong>in</strong>dungen von <strong>der</strong> Körperoberfläche<br />
( Oberflächensensibilität ) und aus dem Körper<strong>in</strong>neren ( Tiefensensibilität ).<br />
Die Qualität, <strong>in</strong> <strong>der</strong> wir e<strong>in</strong>e somatische <strong>Stimulation</strong> erfahren, hat wesentlichen<br />
E<strong>in</strong>fluß auf unser Körper- und Selbstbewußtse<strong>in</strong>. Der Berührungss<strong>in</strong>n beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
12 SSW und bleibt von allen S<strong>in</strong>nen am längsten erhalten, meist bis zum Tod. Es<br />
geht bei <strong>der</strong> somatischen <strong>Stimulation</strong> um Berührung, um berührt werden. <strong>Pflege</strong><br />
bed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> großes Maß an Haut- und Körperkontakt zwischen <strong>Pflege</strong>person und<br />
Patient ( Ganzwaschung, E<strong>in</strong>reibung, Lagerung, Hilfe bei den Ausscheidungen ). Das<br />
„ wie“ ist von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung.<br />
E<strong>in</strong>e Berührung hat Signalwirkung: Ich fühle etwas!<br />
Was ist das? Vorsicht da ist etwas! (taktile Abwehr)<br />
Diese beiden Reaktionen s<strong>in</strong>d im Gleichgewicht. Bei Hirnschädigungen geht die<br />
Balance verloren, die taktile Abwehr überwiegt.<br />
Berührung muß e<strong>in</strong>deutig se<strong>in</strong>, sie ist e<strong>in</strong>e Form <strong>der</strong> Kommunikation und kann wie die<br />
Sprache Mißverständnisse auslösen.<br />
Darum: - Vermeidung punktueller Berührung<br />
- Vermeidung aller oberflächlich streifenden Berührung<br />
- Vermeidung aller abgehackten, fliehenden und zerstreuten<br />
Berührungen<br />
- Überhastete Arbeitsweise vermeiden, unklare Information schafft<br />
Verwirrung<br />
- Berührungen ruhig, mit flächig aufgelegter Hand deutlich beg<strong>in</strong>nen<br />
und enden<br />
- Vorüberziehend mit konstantem Druck arbeiten<br />
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- Vibratorische <strong>Stimulation</strong><br />
Vibration erzeugt Aufmerksamkeit.<br />
Durch längere Immobilität gehen mehr und mehr Informationen über die<br />
Körperkonturen verloren. Die Vibration ist e<strong>in</strong> Angebot „den Körper bei sich zu<br />
behalten“.<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis: - Vibrax auf die Matratze legen<br />
- elektrische Zahnbürste<br />
- Rasierapparat ( gibt mit fe<strong>in</strong>en Schw<strong>in</strong>gungen stimulierende<br />
Impulse von <strong>der</strong> gesunden zur betroffenen Seite )<br />
- S<strong>in</strong>gen<br />
- Vestibuläre <strong>Stimulation</strong><br />
Das Vestibulum ist das Gleichgewichtsorgan, es geht hierbei also um das Gefühl für<br />
Schwerkraft und die räumliche Orientierung. Die vestibuläre Anregung geschieht<br />
durch Bewegen <strong>der</strong> Körperachse, also Positionsverän<strong>der</strong>ung.<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis: - Lagewechsel<br />
- auch mal das absenken des Bettendes<br />
- Patienten im Arm haltend schaukeln als Vorbereitung zum<br />
Drehen, Aufsetzen o<strong>der</strong> Umsetzen<br />
- zur <strong>Stimulation</strong> von Organen den Patienten beim Verabreichen<br />
<strong>der</strong> Nahrung und bei Ausscheidungen h<strong>in</strong>setzen<br />
Erfährt e<strong>in</strong> Mensch erhebliche E<strong>in</strong>schränkung an sensorischer <strong>Stimulation</strong> durch reduzierte<br />
Wahrnehmungsfähigkeit und/o<strong>der</strong> reduzierte Eigenaktivität, die durch stimulierende<br />
Maßnahmen nicht kompensiert wird kann es zur Autostimulation kommen. Dies s<strong>in</strong>d<br />
Versuche zur Selbsthilfe, Signale für uns!<br />
somatische Autostimulation: Nestelbewegungen auf <strong>der</strong> Bettdecke<br />
Kratzen auf <strong>der</strong> eigenen Haut<br />
vibratorische Autostimulation: Knirschen <strong>der</strong> Zähne<br />
Kratzen mit den F<strong>in</strong>gernägeln auf <strong>der</strong> Decke, auf<br />
dem Tisch<br />
vestibuläre Autostimulation: Schaukelbewegungen mit dem Oberkörper<br />
- Orale <strong>Stimulation</strong><br />
Die Mund- und Nasenzone gehört zu den wahrnehmungsstärksten Körperzonen. Sie<br />
zählen zum Intimbereich. Wahrnehmbar s<strong>in</strong>d Geschmack, Geruch, die Beschaffenheit<br />
<strong>der</strong> Nahrung und ihr Weg beim Schluckakt. Orale <strong>Stimulation</strong> löst Er<strong>in</strong>nerung an<br />
frühere Erfahrung aus.<br />
Ich möchte hier nur ganz kurz darauf h<strong>in</strong>weisen für den Patienten eigene <strong>Pflege</strong>mittel<br />
zu benutzen damit über den Geruch etwas Vertrautes <strong>in</strong> frem<strong>der</strong> Umgebung ist.<br />
Zur Mundpflege bevorzugte Geschmäcker benutzen z.B. Bier o<strong>der</strong> Obst- und<br />
Gemüsesäfte zum anfeuchten <strong>der</strong> Lippen. ( Es br<strong>in</strong>gt nichts e<strong>in</strong>en kl<strong>in</strong>isch re<strong>in</strong>en<br />
Mund zu haben, wenn wir den Mund mit e<strong>in</strong>em Mundsperrer öffnen müssen!)<br />
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- Auditive <strong>Stimulation</strong><br />
Jede sprachliche Äußerung <strong>in</strong> <strong>Pflege</strong>- und Alltagssituationen ist e<strong>in</strong>e auditive<br />
<strong>Stimulation</strong>. Bei wahrnehmungsbee<strong>in</strong>trächtigten Patienten ist es wichtig e<strong>in</strong>deutige<br />
Angebote von e<strong>in</strong>er Person zu geben. Die Ansprache soll handlungsbezogen se<strong>in</strong> und<br />
Zuwendung vermitteln. Beg<strong>in</strong>n und Ende des pflegerischen Tuns müssen wir mit<br />
Worten und klarer Berührung kenntlich machen. Viele Stimmen und Geräusche führen<br />
zu e<strong>in</strong>er Überflutung, es soll niemals Radio o<strong>der</strong> TV kont<strong>in</strong>uierlich laufen. Apallikern<br />
und Bewußtlosen niemals Kopfhörer aufsetzen! Sie können sich dann diesem<br />
auditiven Reiz absolut nicht entziehen. Visite und Übergabe am Krankenbett können<br />
zu deutlicher Verängstigung bei Bewußtlosen und beatmeten Patienten führen. Die<br />
auditive <strong>Stimulation</strong> spielt e<strong>in</strong>e große Rolle beim Umgang von Angehörigen mit den<br />
Patienten. Es ist daher für uns ganz wichtig Angehörige diesbezüglich zu <strong>in</strong>formieren.<br />
- Begrüßen und verabschieden sie sich immer mit den gleichen Worten.<br />
- Berühren sie ihren Angehörigen deutlich wenn sie mit ihm sprechen.<br />
- Sprechen sie deutlich, klar und nicht zu schnell.<br />
- Sprechen sie <strong>in</strong> normaler Tonlage.<br />
- Reden sie nicht mit mehreren Personen gleichzeitig.<br />
- Lassen sie ihren Angehörigen ihre Worte fühlen.<br />
- Taktil-haptische <strong>Stimulation</strong><br />
spricht den Tast- und Greifs<strong>in</strong>n an. Die Grundvoraussetzung ist dem Patienten D<strong>in</strong>ge<br />
erfahrbar/fühlbar zu machen. So sollte es selbstverständlich se<strong>in</strong> dem Patienten vor <strong>der</strong><br />
Zahnpflege die Zahnbürste <strong>in</strong> die Hand zu geben, bevor Wasser e<strong>in</strong>gesetzt wird die<br />
Hand damit <strong>in</strong> Berührung zu br<strong>in</strong>gen. Wenn wir nicht die Gegenstände mit ihm<br />
bewegen, kann er darüber nichts erfahren.<br />
Mit <strong>der</strong> taktil-haptischen <strong>Stimulation</strong> können wir auch den Patienten sich selbst<br />
erfahrbar machen, beim waschen und e<strong>in</strong>cremen kann <strong>der</strong> Patient sich selbst über<br />
Körper und Gesicht streichen.<br />
-Visuelle <strong>Stimulation</strong><br />
Als erstes ist hier die Hell- Dunkelwahrnehmung zu erwähnen. Es ist wichtig den Tag<br />
/ Nachthrytmus zu gewähren, die Aktivitäten an die Tageszeiten anzupassen um e<strong>in</strong><br />
Zeitgefühl zu vermitteln, die Zimmer nicht am Tag verdunkeln und nachts Licht zu<br />
machen. Die freie Sicht im Bett muß gewährleistet se<strong>in</strong>, d.h. ke<strong>in</strong>e Kissen vor den<br />
Augen, bzw. den Blick direkt auf die Bettgitter. Das Umfeld gestalten z.B. die<br />
gegenüberliegende Wand, die Decke, die Schranktür um Kopfbewegung und<br />
Erkundung des Raumes zu för<strong>der</strong>n. Viele Patienten s<strong>in</strong>d gezwungen e<strong>in</strong>en großen Teil<br />
ihrer Zeit <strong>in</strong> Rücken- o<strong>der</strong> Seitlage zu Verbr<strong>in</strong>gen und völlig ohne <strong>Stimulation</strong> auf die<br />
weiße Decke o<strong>der</strong> Wand zu starren, dabei kann es zur Autostimulation kommen, d.h.<br />
er greift auf alte Wahrnehmungen zurück und sieht nach e<strong>in</strong>iger Zeit kle<strong>in</strong>e schwarze<br />
Punkte die sich bewegen und teilt uns mit da seien Sp<strong>in</strong>nen. Er wird als desorientiert,<br />
verwirrt e<strong>in</strong>gestuft dabei ist es e<strong>in</strong> Hilferuf: ich bekomme ke<strong>in</strong>e <strong>Stimulation</strong>, ich<br />
verliere mich.<br />
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Zentrale Ziele<br />
<strong>der</strong> <strong>Basale</strong>n <strong>Stimulation</strong> ® <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong><br />
Die Zentralen Ziele wurden von Bienste<strong>in</strong> und Fröhlich entwickelt, um die Person des<br />
bee<strong>in</strong>trächtigten, des kranken Menschen vollkommen <strong>in</strong> den Mittelpunkt zu stellen.<br />
Dabei kommt es <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e darauf an, dass Patient<strong>in</strong>nen und Patienten nicht als<br />
Objekt gesehen werden, son<strong>der</strong>n als eigenaktive Subjekte, die <strong>der</strong>zeitig <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong><br />
bedürfen.<br />
Die Reihenfolge <strong>der</strong> Ziele stellt ke<strong>in</strong>e Gewichtung dar: für Menschen <strong>in</strong><br />
unterschiedlichen Situationen können die verschiedenen Ziele bedeutsam o<strong>der</strong> auch<br />
weniger wichtig se<strong>in</strong>.<br />
Die zentralen Ziele und e<strong>in</strong>ige Beispiele für <strong>der</strong>en Inhalt:<br />
►Leben erhalten und Entwicklung<br />
erfahren<br />
Bewegung, Wahrnehmung, Atmung, Nahrungsaufnahme,<br />
Entwicklung im Krankheits- o<strong>der</strong> auch im Sterbeprozess<br />
►Das eigene Leben spüren Körperbild, Körpergefühl, Orientierung, Körperpflege,<br />
►Sicherheit erleben und Vertrauen<br />
aufbauen<br />
eigene Ressourcen kennen und nutzen, Zuwendung<br />
Sicherheit bei Mobilisation,<br />
Hilfestellungen erleben bei E<strong>in</strong>schränkungen<br />
►Den eigenen Rhythmus entwickeln Tag-Nachtrhythmus, Tagesrhythmus, Feiern, Jahreszeiten<br />
Essenszeiten, Arbeit, Langeweile<br />
►Die Außenwelt erfahren Umwelterfahrungen, Natur, Sehen, Hören, Riechen<br />
häusliche Umgebung, Gebrauchsgegenstände<br />
►Beziehung aufnehmen und Begegnung<br />
gestalten<br />
Familie, Freunde, Haustiere, Berührung,<br />
<strong>Pflege</strong>- und Betreuungspersonen, Kommunikation,<br />
►S<strong>in</strong>n und Bedeutung geben Religion, Werte, Umgang mit E<strong>in</strong>schränkungen,<br />
Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Krankheit und Tod,<br />
Verlust von Lebensgefährten<br />
►Se<strong>in</strong> Leben gestalten eigene Lebensgestaltung, <strong>in</strong>dividuelle Lebenswelt,<br />
gewohnte o<strong>der</strong> neue Beschäftigungen<br />
►Autonomie und Verantwortung leben Umgang mit verän<strong>der</strong>ten Fähigkeiten und Wahrnehmungen,<br />
Selbstverantwortung (z.B. für Nahrungsaufnahme, Körperpflege)<br />
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ASE<br />
Atemstimulierende E<strong>in</strong>reibung<br />
Mit <strong>der</strong> ASE können wir Atmung harmonisieren und bewusst machen. Die Atmung bietet uns<br />
die Möglichkeit zum Dialog mit Menschen, die <strong>in</strong> ihrer Wahrnehmung bee<strong>in</strong>trächtigt s<strong>in</strong>d.<br />
Der <strong>in</strong>tensive körperliche Kontakt, die ruhigen gleichmäßigen Berührungen vermitteln dem<br />
Patienten Sicherheit. Das geme<strong>in</strong>same Atmen schafft e<strong>in</strong> Verständnis ohne Worte, e<strong>in</strong>e<br />
Verbundenheit, die Unsicherheiten auffangen kann. Die Patienten fühlen sich akzeptiert. Die<br />
vertiefte Ausatmung löst psychosomatische Spannungen, und die Patienten entspannen<br />
körperlich und geistig.<br />
Ziel<br />
► Ruhige tiefe Atmung<br />
► Entspannungsför<strong>der</strong>ung<br />
► Kontaktaufnahme/ Kommunikation<br />
Daraus resultiert e<strong>in</strong>e<br />
► differenzierte Wahrnehmung <strong>der</strong> eigenen Atmung<br />
► differenzierte Wahrnehmung des eigenen Körpers<br />
► bessere Durchblutung <strong>der</strong> Lungenareale und somit verbesserte<br />
Sauerstoffzufuhr<br />
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Zielgruppe s<strong>in</strong>d Menschen<br />
► die unruhig o<strong>der</strong> verängstigt s<strong>in</strong>d z.B. mit motorischer Unruhe, mit bevorstehenden<br />
schweren Operationen, nach maligner Diagnosemitteilung, die im Sterben liegen<br />
► mit depressiven Zuständen<br />
► mit E<strong>in</strong>schlafstörungen<br />
► die beatmet wurden, zur Unterstützung des Abtra<strong>in</strong>ierens vom Beatmungsgerät<br />
► mit Wahrnehmungsverlust des Körpers, z.B. Morbus Alzheimer, Demenz<br />
► mit Lungenproblematik verschiedener Ursache<br />
► mit Schmerzen<br />
Vorraussetzung<br />
► Ruhe und Zeit<br />
► Störungen vermeiden<br />
► <strong>der</strong>/die Ausführende muss ganz bei <strong>der</strong> „Sache“ se<strong>in</strong><br />
► das Zimmer muss gut temperiert se<strong>in</strong><br />
Vorbereitung<br />
► bereitstellen e<strong>in</strong>er W/O Lotion<br />
► warme Hände ohne Schmuck (selbstverständlich ohne Handschuhe)<br />
► Lage des Menschen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> wir gut an den Rücken herankommen<br />
► Information <strong>der</strong> Kollegen/<strong>in</strong>nen, das Störungen vermieden werden<br />
Durchführung<br />
► die ASE wird am Rücken ausgeführt<br />
<strong>in</strong> Ausnahmefällen auch auf <strong>der</strong> Brust<br />
► die ASE kann <strong>in</strong> sitzen<strong>der</strong> Position, <strong>in</strong> 135° Lage, <strong>in</strong> 90° Lagerung (hierbei muss jede<br />
Körperseite e<strong>in</strong>zeln behandelt werden) durchgeführt werden<br />
die Position sollte entspannungsför<strong>der</strong>nd se<strong>in</strong><br />
► W/O Lotion auf die Hände auftragen und anwärmen<br />
► Rücken von oben nach unten ausstreifend e<strong>in</strong>cremen<br />
► betont langsam arbeiten, „ich habe alle Zeit <strong>der</strong> Welt für dich“ vermitteln unsere<br />
Hände dabei<br />
► <strong>der</strong> Hautkontakt wird während <strong>der</strong> gesamten E<strong>in</strong>reibung beibehalten<br />
► die Hände liegen ganzflächig auf, die F<strong>in</strong>ger bleiben geschlossen<br />
► rechts und l<strong>in</strong>ks <strong>der</strong> Wirbelsäule beg<strong>in</strong>nen wir dann <strong>in</strong> kreisenden Bewegungen bis<br />
zum unteren Rippenbogen<br />
► beim Abwärtsstreichen rechts und l<strong>in</strong>ks <strong>der</strong> Wirbelsäule f<strong>in</strong>det die Ausatmung statt,<br />
bei <strong>der</strong> Aufwärtsbewegung am Brustkorb unterstützen wir die E<strong>in</strong>atmung<br />
► ruhiges, rhythmisches Arbeiten, atemsynchron mit etwa 17-21 Atemzügen pro M<strong>in</strong>ute<br />
► die Hände werden nie gleichzeitig vom Körper gelöst<br />
► abschließend den Rücken wie beim vorbereiten von oben nach unten ohne Druck<br />
ausstreifen<br />
► die Berührungsqualität hat hierbei e<strong>in</strong>en abschließenden und verabschiedenden<br />
Charakter<br />
Sab<strong>in</strong>e Weiß© Praxisbegleiter<strong>in</strong> <strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong> ® <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> – März 2011
Menschen<br />
Wir haben es oft mit Menschen zu tun, die stark<br />
wahrnehmungsbee<strong>in</strong>trächtigt s<strong>in</strong>d<br />
- die möglicherweise körperliche Nähe<br />
brauchen, um an<strong>der</strong>e Menschen überhaupt<br />
wahrzunehmen<br />
- die Menschen brauchen, die sie auch ohne<br />
Sprache verstehen und sich auf ihre<br />
Ausdrucksmöglichkeiten e<strong>in</strong>lassen<br />
- die Menschen brauchen, die ihnen die Umwelt<br />
und sich selbst auf verständliche Weise nahe<br />
br<strong>in</strong>gen<br />
- die Menschen brauchen, die ihnen<br />
Fortbewegung und Lageverän<strong>der</strong>ung<br />
nachvollziehbar ermöglichen<br />
- die Menschen brauchen, die sie zuverlässig<br />
versorgen und fachlich kompetent pflegen<br />
Prof. A. Fröhlich beim <strong>Pflege</strong>kongress <strong>in</strong> Ludwigshafen, April 1998<br />
Sab<strong>in</strong>e Weiß© Praxisbegleiter<strong>in</strong> <strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong> ® <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> – März 2011
Ich habe Hände<br />
Hände<br />
Hände reißen an sich<br />
Hände lassen los<br />
Hände jagen fort<br />
Hände laden e<strong>in</strong><br />
Hände wehren ab<br />
Hände öffnen sich<br />
Hände lassen fallen<br />
Hände heben auf<br />
Hände verweigern<br />
Hände empfangen<br />
Hände verführen<br />
Hände weisen den Weg<br />
Hände verletzen<br />
Hände heilen<br />
Hände schlagen<br />
Hände liebkosen<br />
Hände verstoßen<br />
Hände verzeihen<br />
Hände drohen<br />
Hände grüßen<br />
Hände ballen sich zur Faust<br />
Hände falten sich zum Gebet<br />
Hände töten<br />
Hände beleben<br />
Was geschieht durch de<strong>in</strong>e Hände?<br />
Was geschieht durch me<strong>in</strong>e Hände?<br />
Sab<strong>in</strong>e Weiß© Praxisbegleiter<strong>in</strong> <strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong> ® <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> – März 2011
Norbert Scholl<br />
Literaturauswahl zum Thema <strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong> ®<br />
Homepage: http://www.basale-stimulation.de<br />
Nydahl/Bartoszek : <strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong>. Wiesbaden 1999, Verlag selbstbestimmtes Leben, Düsseldorf<br />
Nydahl/Bartoszek : <strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong> – Neue Wege <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> Schwerstkranker, 4.Auflage 2003,<br />
Urban & Fischer<br />
Bienste<strong>in</strong> C./Fröhlich A.: <strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong>. Düsseldorf 1991, Verlag selbstbestimmtes<br />
Leben<br />
Bienste<strong>in</strong> C./Fröhlich A.: <strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong>, Die Grundlagen.2003<br />
Bienste<strong>in</strong> C./Fröhlich A.: <strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong>. Das Arbeitsbuch. 2006, Erhard Friedrich<br />
Verlag GmbH<br />
Kallmeyer`sche Verlagsbuchhandlung<br />
Bienste<strong>in</strong> C./Fröhlich A.: Bewusstlos. Düsseldorf 2000, Verlag selbstbestimmtes Leben<br />
Fröhlich A.: Wahrnehmungsstörungen und Wahrnehmungsför<strong>der</strong>ung.<br />
Heidelberg 1999<br />
Lothar Pickenha<strong>in</strong>: <strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong>. Neurowissenschaftliche Grundlagen, Verlag selbstbestimmtes<br />
Leben, Düsseldorf<br />
M. Grossmann-Schny<strong>der</strong>: Berühren. Hippokrates-Verlag, Stuttgart<br />
I.Tropp Erblad: Katze fängt mit S an<br />
O. Sacks: Der Mann <strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Frau mit dem Hut verwechselte<br />
Der Tag an dem me<strong>in</strong> Be<strong>in</strong> fortg<strong>in</strong>g<br />
Zeit des Erwachens. Alle drei rororo, Hamburg<br />
V. Axl<strong>in</strong>e: Dibs. Knaur Taschenbuch<br />
A.Montagu: Körperkontakt. Klett-Cotta, Stuttgart<br />
A. Fröhlich: <strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> – Das Arbeitsbuch, Kallmeyer bei Friedrich <strong>in</strong> Velber,<br />
Erhard Friedrich Verlag, 2006<br />
Buchholz/Schürenberg: Lebensbegleitung alter Menschen, Verlag Hans Huber, 2005<br />
Sab<strong>in</strong>e Weiß© Praxisbegleiter<strong>in</strong> <strong>Basale</strong> <strong>Stimulation</strong> ® <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> – März 2011