In der Tat/4/02 print - schwanger-in-wiesbaden.org

Empfehlungen

Info

14 Mutig handeln und fragen: Was brauchen Menschen? Rahmen einer Vorgabe für ihre Verantwortung. Das war mein Führungsprinzip auch in Wiesbaden. Da habe ich enorme Kreativität erlebt, viel Phantasie. Zentrale Leitung hat das Problem, dass sie weit weg ist von den Menschen, für die wir da sind. A.: Das führt uns zur Frage nach der Rechtsform des Diakonischen Werkes. Sie haben ja in den letzen Jahren die sogenannte Probe-gGmbH in Wiesbaden geleitet. Welche Rechtsform entspricht den Diakonischen Werken? Röhrig: Also wir haben ja über viele Jahre und das gilt nicht nur für mich, sondern für viele meiner Kolleginnen und Kollegen, gelitten unter den Strukturen des Diakonischen Werkes. Ich brauche nur daran erinnern, dass die Dekanatsstellenleiter eine Ausgabeermächtigung von maximal 150 DM hatten. Wenn wir einen Staubsauger mit 160 DM anschaffen mussten, dann brauchten wir einen Antrag mit Kostenvoranschlägen, der in Frankfurt entschieden wurde. Auch die Geschäftsführung hat erkannt, das geht so nicht weiter. Sie hat einen mutigen Schritt gemacht und gesagt: wir wollen Strukturen verändern und starten zwei Versuche: die gGmbH, in Wiesbaden, und den Eigenbetrieb. Alle Bewertungen und Beurteilungen haben klar ergeben: Die gGmbH hat sich bewährt. Leider ist es dann zu der Entscheidung gekommen, diese Struktur sei politisch nicht durchsetzbar. Warum, weiß ich nicht. Nach meiner Einschätzung ist aber die gGmbH die beste Rechtsform für die regionalen Diakonischen Werke. Ich sage aber dazu: nicht alle regionalen 4 02
4 02 Mutig handeln und fragen: Was brauchen Menschen? Diakonischen Werke sind in gleicher Weise in der Lage, diese riesige Verantwortung zu übernehmen. Darüber muss sich jeder, nicht nur der Leiter, sondern auch jeder Mitarbeiter im Klaren sein. Aber die, welche dazu noch nicht in der Lage sind, müssen durch den Landesverband gestärkt werden. Ich meine auch, das Diakonische Werk sollte immer der Mehrheitsgesellschafter der regionalen gGmbH sein, wenn nicht der alleinige Träger. Ich halte es für bedenklich, die regionalen Diakonischen Werke bei den Dekanaten anzubinden. Dann besteht die Gefahr, dass diakonische Entscheidungen nicht sachgemäß gefällt werden. Wenn es darum geht, im Diakonischen Werk eine Sozialarbeiterin zu beschäftigen, aber auf der Dekanatsebene steht auch ein Kirchenmusikdirektor dringend an, dann gibt es notwendigerweise eine Auseinandersetzung. Ich halte es für schwierig, wenn das Diakonische Werk zu sehr in die Strukturen der Kirche eingebunden wird. Die Väter, die 1960 das Diakonische Werk gegründet haben, haben recht daran getan, das Diakonische Werk in eine eigene Rechtsform unabhängig von der Kirche zu installieren. Ich will damit nicht sagen, dass Kirche und Diakonie etwas unterschiedliches sind, nein, Diakonie ohne Kirche ist ein Sozialverein ohne eigentlichen Sinn, die Kirche ist ein leere Hülse ohne Diakonie. Deswegen gehört beides zusammen, aber die Strukturen müssten geändert werden. Wenn sich die Diakonie als rechtlich selbstständiger Verein sozialpolitisch äußert, dann tut sie das aus eigener Verantwortung und Aufgabenstellung. Die Kirche muss oft eine andere Haltung haben. Ich denke nur an die 218- Beratung. Wir hatten mal eine heftige Diskussion mit zwei Theologen aus der Kirchenleitung und der Kirchenverwaltung, als wir die 218-Beratung aufnahmen. Da hieß es, ihr Beraterinnen und Berater müsst aber auch die Schuldhaftigkeit des Handelns der Frauen bei einem Schwangerschaftsabbruch deutlich machen. Ihr müsst den Frauen sagen, sie machen sich mit einem Schwangerschaftsabbruch schuldig. Aber ihr könnt dann auf die Barmherzigkeit und die Vergebung Gottes verweisen. Das war für uns Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter nicht zu ertragen. Die Frauen, die in die Beratung kommen, haben schon starke Schuldgefühle, keine macht sich einen Abbruch leicht. Es steht uns nicht zu, ihnen weitere Schuldgefühle einzureden und dann etwas von Barmherzigkeit zu erzählen. A.: Herr Röhrig, diese Spannung zwischen Diakonie und Kirche bezieht sich auch auf unsere Mitarbeiterschaft. Die meisten arbeiten in der Diakonie aus verständlichen bürgerlichen Gründen. Sie müssen ihre Familie ernähren und sie wollen einen interessanten Beruf haben und sie stehen oft in einer gewissen Spannung zu kirchlichen und Frömmigkeitsüberlieferungen. Wie sind Sie als Leiter des regionalen Diakonischen Werkes in Wiesbaden mit dieser Tatsache umgegangen? Röhrig: Ja, die Auswahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lag mir be- sonders am Herzen. Mein Leitgedanke war: Ich suche nicht für ein Arbeitsgebiet den Fachspezialisten, sondern ich suche eine Persönlichkeit, die Fantasie hat, beweglich ist und die sich in jedem Arbeitsgebiet zurechtfinden kann. Wir haben junge Leute gewonnen, auch ältere, die mit Kirche zunächst nicht viel anzufangen wussten, auch mit Diakonie nicht. Wir haben ja nun die Bedingung, das ist auch gut so, dass die Mitarbeiter in einer Kirche der Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen sein müssen, aber wir haben auch gemerkt, dass durch die Arbeitsbereiche und durch die Vorgaben und auch durch die gemeinsame Arbeit das spezifisch-diakonische und christliche zum Ausdruck kam. A.: Was hat Sie selbst zum Beruf des Sozialarbeiters geführt? Sie haben in Heidelberg die Schule besucht, von dort aus auch praktiziert. Das war ja in der Hochzeit des Wirtschaftswunders, als das Soziale noch kein öffentlicher Gesprächsgegenstand von Rang geworden war. Röhrig: Ich wollte Förster werden. In meiner Familie gibt es sehr viele Förster, meine Eltern stammen von einem großen Gut in Westpreußen; da hatten wir auch sehr viel Wald. Aber die Berufsberatung beim Heidelberger Arbeitsamt meinte: „Vergessen Sie das ganz schnell. Die Stellen sind voll, und die wenigen freien werden meistens familiär besetzt. Der Sohn des Försters übernimmt auch wieder 15
Seite 1 und 2: Diakonie in Hessen und Nassau Haupt
Seite 3 und 4: derTat 4 02 in Inhalt 2002 2 3 4 6
Seite 5 und 6: 4 02 Hoffnung gegen Doppelstress se
Seite 7 und 8: 4 02 Aufbruchstimmung in der Diakon
Seite 9 und 10: derTat 4 02 in Betrachtung Samuel Z
Seite 11 und 12: 4 02 Gedanken zum Advent 11 erklär
Seite 13: 4 02 Mutig handeln und fragen: Was
Seite 17 und 18: 4 02 Mutig handeln und fragen: Was
Seite 19 und 20: 4 02 Recht auf Hilfe und Eigenstän
Seite 21 und 22: 4 02 Recht auf Hilfe und Eigenstän
Seite 23 und 24: 4 02 Porträt: Schwester Christine
Seite 25 und 26: 4 02 Gegen die Einsamkeit der Angst
Seite 27 und 28: 4 02 Gegen die Einsamkeit der Angst
Seite 29 und 30: 4 02 Ich bin du, und du bist ich Di
Seite 31 und 32: derTat 4 02 in Nachruf „Wo die HO

In der Tat/4/02 print - schwanger-in-wiesbaden.org

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Template löschen?

Als Template speichern?