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Die Traumtheorien von C.G. Jung und die Neurowissenschaften

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<strong>Die</strong> <strong>Traumtheorien</strong> <strong>von</strong><br />

C.G. <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Neurowissenschaften</strong><br />

Verena Kast


<strong>Die</strong> <strong>Traumtheorien</strong> <strong>von</strong> C.G.<strong>Jung</strong><br />

1. Komplexe verursachen Träume, Träume<br />

stellen Komplexe in einen Kontext,<br />

verarbeiten Komplexe<br />

2. Theorie der Kompensation<br />

Träume kompensieren <strong>die</strong> bewusste<br />

Haltung


Komplexe verursachen Träumen<br />

„<strong>Die</strong> via regia zum Unbewussten sind<br />

allerdings nicht <strong>die</strong> Träume,…sondern <strong>die</strong><br />

Komplexe, welche <strong>die</strong> Verursacher der<br />

Träume <strong>und</strong> Symptome sind.“ GW 8,§ 210


„<strong>Die</strong> Traumpsychologie zeigt mit aller nur<br />

wünschenswerten Deutlichkeit, wie <strong>die</strong><br />

Komplexe personifiziert auftreten, wenn<br />

kein hemmendes Bewusstsein sie<br />

unterdrückt,…“ GW 8, § 203


<strong>Die</strong> Komplexe „sind <strong>die</strong> handelnden<br />

Personen unserer Träume…“ GW 8, § 202


Komplexe<br />

Affekte verursachen Komplexe, Komplexe<br />

beeinflussen Affekte. Je stärker der<br />

Gefühlston (Emotion) des Komplexes, um<br />

so häufiger <strong>die</strong> Störungen im<br />

Assoziationsexperiment. <strong>Die</strong><br />

Absichtlichkeit des Handelns wird immer<br />

mehr ersetzt durch unbeabsichtigte<br />

Fehler. GW 3, § 93


Wesentliche Gr<strong>und</strong>lage der Persönlichkeit<br />

ist <strong>die</strong> Affektivität. (1906) GW3, §77ff.


Komplexe zu haben ist eine „normale<br />

Lebenserscheinung“, sie sind <strong>die</strong><br />

“lebendigen Einheiten der unbewussten<br />

Psyche.“ GW 8, § 210 – 211<br />

Sie regulieren <strong>die</strong> Wahrnehmung, <strong>die</strong><br />

Aufnahme <strong>von</strong> Information <strong>und</strong> Emotion.


Symbole bilden Komplexe ab<br />

Komplexe entwickeln für sich eine<br />

Phantasietätigkeit. „Im Schlaf erscheint <strong>die</strong><br />

Phantasie als Traum. Aber auch im<br />

Wachen träumen wir unter der<br />

Bewusstseinsschwelle weiter <strong>und</strong> <strong>die</strong>s<br />

ganz besonders vermöge verdrängter oder<br />

sonstwie unbewusster Komplexe.“<br />

GW 16, § 125


Komplexepisode<br />

„Er (der Komplex) geht offenbar hervor aus<br />

dem Zusammenstoss einer<br />

Anpassungsforderung mit der besonderen<br />

<strong>und</strong> hinsichtlich der Forderung<br />

ungeeigneten Beschaffenheit des<br />

Individuums.“<br />

C.G.<strong>Jung</strong>, GW 6, § 991<br />

Anschliessend spricht er <strong>von</strong><br />

Elternkomplexen


Komplexepisode<br />

Opfer<br />

Wut,<br />

Angst<br />

etc<br />

Aggressor<br />

Verachtung<br />

Wut


Komplexe<br />

Komplexe kann man verstehen als<br />

internalisierte konflikthafte<br />

Beziehungserfahrungen mit einem<br />

ähnlichen Thema, <strong>die</strong> emotional betont<br />

sind.<br />

Es sind generalisierte konflikthafte<br />

Beziehungserfahrungen im Bereich<br />

zentraler Bedürfnisse, mehr oder weniger<br />

verdrängt.


<strong>Die</strong> <strong>Traumtheorien</strong> <strong>von</strong> C.G.<strong>Jung</strong><br />

1. Komplexe verursachen Träume, Träume<br />

stellen Komplexe in einen Kontext,<br />

verarbeiten Komplexe


Ernest Hartmann<br />

Träume stellen mehr Verbindungen her als<br />

es im Wachen möglich ist<br />

Jedes Erlebnis →Erregungsfluss im<br />

neuronalen Netz →Gedächtnis wird<br />

angeklickt<br />

Im Schlaf sind es <strong>die</strong> Emotionen, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

neuronalen Netze anklicken. Das Träumen<br />

stellt <strong>die</strong> Emotionen in einen Kontext.


Ernest Hartmann 2<br />

Als Paradigma:<br />

Träumen nach einem Trauma<br />

Kurz nach dem Trauma<br />

• Träume mit Angst, Schrecken,<br />

Verletzlichkeit, Schuldgefühle<br />

• Träume verändern sich minimal, indem<br />

Verbindungen mit anderem, emotional<br />

ähnlichen Material hergestellt wird.


• Träume bringen Inhalte aus Phantasien,<br />

Tagträumen, Gelesenem.<br />

• Es entstehen immer mehr Verbindungen,<br />

das Trauma spielt eine immer geringere<br />

Rolle.<br />

• Träume sind wie vor dem Trauma<br />

• Fazit: Ein Trauma kann verträumt werden.<br />

Es wird „verwoben“.


Fazit Ernest Hartmann<br />

Träume haben eine quasi-therapeutische<br />

Funktion.<br />

Der Traumprozess ist wie eine Serie <strong>von</strong><br />

durch Emotionen generierte Fragen, <strong>die</strong><br />

durch <strong>die</strong> Träume in einen Kontext gestellt<br />

<strong>und</strong> beantwortet werden können.


Literatur<br />

Hartmann Ernest (1996) Outline for the<br />

Theory on the Nature and Functions of<br />

Dreaming. In: Dreaming, 6, 2, S. 147 –<br />

170<br />

Hartmann Ernest, Basile Robert (2003)<br />

Dreams Imagery Becomes More Intense<br />

After 9/11/01. In: Dreaming 13.2 (Internet)


Mark Solms<br />

Ohne Erregung kein Traum.<br />

Erregung: Tagesrest (Was hat mich<br />

emotional beschäftigt) Rem-Schlaf etc.<br />

Mechanismen <strong>die</strong> Träume auslösen:<br />

Zustand gesteigerter cerebraler Erregung im<br />

Schlaf. <strong>Die</strong>se Erregungen können dann<br />

Träume auslösen, wenn sie das<br />

Motivationssystem in den Frontallappen<br />

aktivieren.


Fazit Solms:<br />

Das Motivationssystem, das Suchsystem springt<br />

nur dann an, wenn etwas geschieht, was für das<br />

Individuum wichtig, interessant, bedeutsam ist,<br />

emotional anspricht.<br />

Es gibt einen guten Gr<strong>und</strong>, in der Therapie sich mit<br />

Träumen zu beschäftigen…<br />

Solms Mark (2005) The Interpretation of Dreams<br />

and the Neuroscience.<br />

Lptw.de/fileadmin/Archiv/Vortrag 2005/solms.pdf


Harry Fiss<br />

Warntraum als jüdischer Schüler<br />

Experimentell psychologische Traumforschung –<br />

im Schatten <strong>von</strong> Hobson<br />

Träume beobachten, nicht deren Gehirn!<br />

Träume sind stressbewältigend,<br />

stimmungsregulierend<br />

entwickeln neue Strukturen<br />

Verbindung zum Körper


Eckart Rüther<br />

„<strong>Die</strong> Schwächung der kognitiv ordnenden<br />

<strong>und</strong> stabilisierenden Kontrolle [im Traum<br />

VK] bewirkt eine assoziative Lockerung<br />

der Hirnfunktionen, so dass nicht nur<br />

bereits bestehende affektive Muster<br />

assoziativ abgerufen werden können,<br />

sondern durch <strong>die</strong> Austauschbarkeit<br />

einzelner Affekte auch neue Muster<br />

spielerisch erprobt werden können.


E. Rüther /Fortsetzung Zitat<br />

Bei erfolgreichem Ausprobieren neuer<br />

Affektmuster im Traumgeschehen können<br />

alte Muster überschrieben <strong>und</strong> stattdessen<br />

neue Affektmuster ausgewählt <strong>und</strong><br />

neuronal fixiert werden.“<br />

Rüther Eckart (2005) <strong>Die</strong> Seele in der<br />

Neurobiologie des Träumens.<br />

Lptw.de/fileadmin/Archiv/vortrag/2005/<br />

ruether.pdf.


<strong>Jung</strong>: Komplexe verursachen<br />

Träume<br />

• <strong>Die</strong> leitende Emotion weist auf einen<br />

Komplex hin<br />

• Komplexepisoden sind im Traum<br />

dargestellt oder werden verändert<br />

• Komplexepisoden sind in symbolischer<br />

Form dargestellt


<strong>Jung</strong>: <strong>Die</strong> Kompensation<br />

„Je einseitiger <strong>und</strong> weiter wegführend vom<br />

Optimum der Lebensmöglichkeit <strong>die</strong> bewusste<br />

Einstellung ist, desto eher ist <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

vorhanden, dass lebhafte Träume <strong>von</strong> stark<br />

kontrastierendem Inhalt als Ausdruck der<br />

psychologischen Selbststeuerung des<br />

Individiuums auftreten.“<br />

Allgemeine Gesichtspunkte zur Psychologie des<br />

Traums. GW 8, § 488


Kompensation <strong>und</strong> Finalität<br />

Bei einer Serie <strong>von</strong> Träumen<br />

…“drängt sich dem Beobachter allmählich ein<br />

Phänomen auf, das beim einzelnen Traum<br />

hinter der jeweiligen Kompensation verborgen<br />

ist. Es ist <strong>die</strong>s eine Art <strong>von</strong> Entwicklungsvorgang<br />

in der Persönlichkeit…Ich habe <strong>die</strong>sen in der<br />

Symbolik langer Traumserien sich spontan<br />

ausdrückenden unbewussten Vorgang als<br />

Individuationsprozess bezeichnet.“ (GW 8, §550)


Der Individuationsprozess<br />

<strong>Jung</strong> : (GW 11, § 399)<br />

„<strong>Die</strong>ser Vorgang der Menschwerdung wird in<br />

Träumen <strong>und</strong> inneren Bildern als eine<br />

Zusammensetzung aus vielen Einheiten, als<br />

eine Sammlung <strong>von</strong> Zerstreutem einesteils,<br />

anderenteils als allmähliches Hervortreten <strong>und</strong><br />

Deutlichwerden <strong>von</strong> etwas, das stets vorhanden<br />

war, dargestellt…“


Archetypus<br />

Archetypus →Archetypische Bilder<br />

„Es handelt sich…um eine angeborene Disposition<br />

zu parallelen Vorstellungsbildern, bezw. um<br />

universale, identische Strukturen der Psyche,<br />

welche ich später als das Kollektive Unbewusste<br />

bezeichnet habe. <strong>Die</strong>se Strukturen nannte ich<br />

Archetypen. Sie entsprechen dem biologischen<br />

begriff des Pattern of behavior.“ GW 5, § 224


Archetypus in heutiger Sprache<br />

„Archetypen sind phylogenetisch erworbene<br />

neuronale psychische Systeme, <strong>die</strong> das<br />

Wahrnehmen <strong>und</strong> das Verhalten des Menschen<br />

steuern, sowie seine affektiven <strong>und</strong> kognitiven<br />

Erfahrungen bedingen…<br />

Als phylogenetisch erworbene psychobiologische<br />

Reaktions- <strong>und</strong> Aktionsmuster sind <strong>die</strong> A. in den<br />

älteren Hirnregionen mit neuronalen<br />

Verschaltungen repräsentiert.“ Schlegel


„Das urtümliche Bild oder der Archetypus ist<br />

eine Figur, sei sie Dämon, Mensch oder<br />

Vorgang, <strong>die</strong> sich im Laufe der Geschichte<br />

da wiederholt, wo sie schöpferische<br />

Phantasie frei betätigt.“<br />

GW 15, § 127


Das Selbst<br />

Zentraler Archetypus <strong>von</strong> grosser<br />

Selbstregulierungs – <strong>und</strong><br />

Selbstzentrierungskraft, <strong>von</strong> dem aus<br />

Anreiz zu Integration <strong>von</strong> psychischen<br />

Anteilen <strong>und</strong> damit zu lebenslanger<br />

Entwicklung erfolgt<br />

GW 8, § 870, GW 16, § 219


Finalität: Wohin <br />

Entwicklungsanreize, was will der Traum<br />

„Dementsprechend hätte dann der Traum [..]<br />

den Wert einer positiv leitenden Idee oder<br />

einer Zielvorstellung, <strong>die</strong> dem momentan<br />

konstellierten Bewusstseinsinhalt an<br />

vitaler Bedeutung überlegen wäre.“ GW 8,<br />

§ 491


Das Bewusstein <strong>und</strong> das Ubw<br />

<strong>Jung</strong>: „<strong>Die</strong> Bedeutung des Unbewussten ist<br />

für <strong>die</strong> Gesamtleistung der Psyche<br />

wahrscheinlich ebenso gross wie <strong>die</strong> des<br />

Bewusstseins.“ GW 8, § 491


Gerhard Roth<br />

„das Bewusste <strong>und</strong> das Unbewusste [sind]<br />

sowohl hirnanatomisch als auch funktional<br />

unterschiedene Systeme.“<br />

Der assoziative Cortex [nur er ist<br />

bewusstseinsfähig] arbeitet aber nur dann,<br />

wenn „ein Geschehnis oder eine Aufgabe<br />

als neu <strong>und</strong> wichtig eingestuft wurde.“


Roth 2<br />

Für <strong>die</strong>se Einstufung braucht es ein System,<br />

das mindestens in „wichtig versus<br />

unwichtig, bekannt versus unbekannt<br />

klassifiziert.“ → Unbewusstes,<br />

Vorbewusstes<br />

Roth Gerhard (2001) Fühlen, denken,<br />

handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten<br />

steuert. Suhrkamp, FFM


<strong>Die</strong> <strong>Jung</strong>schen <strong>Traumtheorien</strong> sind<br />

vereinbar mit Ergebnissen der<br />

Neurowissenschaft <strong>und</strong> mit Hypothesen<br />

<strong>von</strong> einigen Neurowissenschaftlern<br />

Zumindest können wir miteinander im<br />

Gespräch bleiben

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