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Berichtsband 1999 Band 2 - WBW Fortbildungsgesellschaft

Berichtsband 1999 Band 2 - WBW Fortbildungsgesellschaft

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BETRIEB ÜBERÖRTLICHER<br />

HOCHWASSERRÜCKHALTEBECKEN<br />

IN BADEN-WÜRTTEMBERG<br />

<strong>Berichtsband</strong> zum zweiten Erfahrungsaustausch<br />

19. November 1997 in Weinsberg<br />

Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg<br />

<strong>Fortbildungsgesellschaft</strong> für Gewässerentwicklung mbH


Impressum<br />

<strong>Berichtsband</strong> zum 6. Erfahrungsaustausch<br />

HRB, 4. Jahrgang, 2000<br />

ISSN 1438-3586<br />

Herausgeber:<br />

<strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong><br />

für Gewässerentwicklung mbH<br />

Mannheimer Str. 1<br />

69115 Heidelberg<br />

Redaktion:<br />

Dipl.-Ing. Jürgen Reich<br />

Geschäftsführer<br />

Gestaltung der Umschlagseite:<br />

DesignConcept Emil Smejkal<br />

Umschlag: Hochwasserrückhaltebecken<br />

Oberstetten, Dammscharte<br />

(Foto: Jürgen Reich)<br />

Heidelberg, April 2000


<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 3<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Seite<br />

Vorwort 5<br />

Programmübersicht 6<br />

Fachbeiträge<br />

Josef Brauns 7<br />

Verhalten zeitweise eingestauter Dämme und<br />

Überwachung ihres Verhaltens<br />

Alois Stockinger 13<br />

Durchführung von Wasser- und Anlagenschauen<br />

Klaus Girod, Holger Rosenkranz 18<br />

Meßeinrichtungen und Bewertung von Meßergebnissen<br />

zur Kontrolle der Dammsicherheit<br />

Matthias Groteklaes 27<br />

Hochwasserentlastungsanlagen und Freibordbemessung<br />

Bernhard Westrich 35<br />

Stand der Überarbeitung der DIN 19700<br />

Konrad Störk 37<br />

Ergebnisse der Überprüfung von Stauanlagen in<br />

Baden-Württemberg im Hinblick auf beabsichtigte<br />

Neuregelungen der DIN 19700<br />

Heinz Daucher 45<br />

Überströmbare Erddämme<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 5<br />

VORWORT<br />

Hauptthema des vorliegenden sechsten <strong>Berichtsband</strong>es ist die Sicherheit von Dammbauwerken.<br />

Diese Bauwerke erfordern eine intensive Überwachung, gerade wenn es sich dabei um Erddämme<br />

handelt. Eine gute Überwachung ist aber nur dann möglich, wenn bestimmte Grundlagen und Randbedingungen<br />

beachtet werden. So ist es wichtig, das Verhalten dieser Dämme bei zeitweisem oder<br />

dauerhaftem Einstau zu kennen, um im Ernstfall Abschätzungen über die Standsicherheit geben<br />

und gegebenenfalls Präventivmaßnahmen einleiten zu können.<br />

Daran schließt sich die Kenntnis der unterschiedlichen Meßverfahren an, um für die jeweilige Fragestellung<br />

die geeignete Meßmethode auswählen zu können. Und nur durch die anschließende<br />

fundierte Bewertung der Meßergebnisse kann die Dammsicherheit zuverlässig kontrolliert werden.<br />

Nicht vergessen werden sollte hier die behördliche Überwachung der Anlagen, die durch eine zusammenfassende<br />

Beurteilung aller Meßgrößen und anderer Vorkommnisse in regelmäßigen Abständen<br />

einen weiteren Beitrag zur Sicherheit der Bauwerke leistet.<br />

Hochwasserentlastungsanlagen werden errichtet, um den Damm vor Überströmung und damit vor<br />

Zerstörung zu schützen. Dabei besteht die Auswahl zwischen verschiedenen Bauformen, die jede<br />

für sich Vor- und Nachteile besitzen bis hin zu sogenannten überströmbaren Dämmen. Damit einher<br />

geht die Freibordbemessung, die nach dem bestehenden Regelwerk nicht immer ohne Schwierigkeiten<br />

durchgeführt werden kann. Um so mehr interessieren beabsichtigte Neuregelungen der DIN<br />

19700 und deren mögliche Auswirkungen auf bestehende Anlagen.<br />

Die Beiträge von Experten zu den vorstehenden Themen wurden in diesem <strong>Berichtsband</strong> über den<br />

sechsten Erfahrungsaustausch für Betreiber überörtlicher Hochwasserrückhaltebecken am 10. Novevber<br />

1919 in ScScbwischch ünd z zämmengngmßt.<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


6 Fachceiträge 6. Erfafrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

Programm 6. Erfahrungsaustausch am 10. November <strong>1999</strong><br />

9 30 Uhr Eröffnung und Begrüßung<br />

Ltd. BD a.D. Gebhard Wagner, Wasserwirtschaftsverband Baden-Württemberg e.V.<br />

Erster Bürgermeister Karl Heinz Ruppel, Stadt Schwäbisch Gmünd<br />

Verbandsvorsitzender Gerhard Gölz, Wasserverband Kocher-Lein<br />

OBR Werner K. Schultz, Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg<br />

Moderation: OBR Werner K. Schultz,<br />

Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg<br />

9 50 Uhr Verhalten zeitweise eingestauter Dämme und Überwachung ihres Verhaltens<br />

Prof. Dr.-Ing. Josef Brauns, Universität Karlsruhe,<br />

Institut für Bodenmechanik und Felsmechanik<br />

10 20 Uhr Durchführung von Wasser- und Anlagenschauen<br />

Alois Stockinger, GwD Neckar, Bereich Ellwangen<br />

10 50 Uhr Diskussion<br />

11 00 Uhr Pause<br />

11 30 Uhr Meßeinrichtungen und Bewertung von Meßergebnissen zur Kontrolle der<br />

Dammsicherheit<br />

Dr. Klaus Girod, Dipl.-Ing. Holger Rosenkranz,<br />

Hydroprojekt Ingenieurgesellschaft, Dresden<br />

12 00 Uhr Diskussion<br />

12 20 Uhr Mittagspause<br />

Moderation: Dipl.-Ing. Werner Zacharides, Landratsamt Heilbronn<br />

13 30 Uhr Hochwasserentlastungsanlagen und Freibordbemessung<br />

OBR Matthias Groteklaes, Regierungspräsidium Freiburg<br />

14 00 Uhr Stand der Überarbeitung der DIN 19700<br />

Prof. Dr.-Ing. Bernhard Westrich, Universität Stuttgart, Institut für Wasserbau<br />

14 30 Uhr Ergebnisse der Überprüfung von Stauanlagen in Baden-Württemberg im Hinblick<br />

auf beabsichtigte Neuregelungen der DIN 19700<br />

BD Konrad Störk, Regierungspräsidium Stuttgart<br />

15 00 Uhr Überströmbare Erddämme<br />

BD Heinz Daucher, Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />

15 30 Uhr Diskussion<br />

16 00 Uhr Ende der Veranstaltung<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 7<br />

Verhalten zeitweise eingestauter Dämme und<br />

Überwachung ihres Verhaltens<br />

von Josef Brauns<br />

1 Einführung<br />

Hochwasser und Hochwasserschutz sind unter den<br />

klimatischen Bedingungen einer Region wie der unsrigen<br />

von alters her wichtige Themen öffentlichen Interesses.<br />

Dies gilt - in gleichem Maße, aber unterschiedlicher<br />

Ausprägung - sowohl für die morphologisch<br />

stärker gegliederten Zonen der Mittelgebirge<br />

wie auch für die Stromtäler und Tieflandbereiche. So<br />

verwundert es nicht, daß die Liste der Hochwasserrückhaltebecken<br />

- nimmt man alle großen und kleinen<br />

Anlagen einmal zusammen - sehr lange ist; allein<br />

in Baden-Württemberg kommt man anhand einer<br />

vorliegenden Aufstellung der LfU auf eine Zahl über<br />

300 (Abb. 1).<br />

Eine große Teilmenge der Becken - vor allem wohl<br />

derjenigen mit kleineren und mittleren Höhen - sind<br />

Trockenbecken, die nur im Hochwasserfalle Wassereinstau<br />

erfahren. Abhängig von den geologischen,<br />

morphologischen und hydrologischen Bedingungen<br />

liegt in bestimmten Regionen nicht einmal ein Bachlauf<br />

mit ständigem Abfluß vor; im Karstgebiet z. B. der<br />

Alb kommen die Einstauereignisse überhaupt nur selten<br />

vor. Andererseits gibt es eine Reihe von Rückhaltebecken<br />

mit gewissem Dauerstau, die dann quasi die<br />

Eigenschaft von Talsperren haben.<br />

Im Zusammenhang mit Planung, Bau und Betrieb<br />

von HRB stellen sich den dafür Zuständigen mancherlei<br />

Probleme verschiedener Art. Hilfreich bei deren<br />

Bewältigung sind gewiß die einschlägigen Regelwerke,<br />

in erster Linie die DIN 19700 mit ihrem speziell<br />

auf HRB gerichteten Teil 12. Weiter ist das DVWK-<br />

Merkblatt 202 (DVWK 1991) als Standardwerk zu<br />

nennen und nicht zuletzt die „Geotechnische Empfehlung“<br />

des MELUF (1984).<br />

Aus dem Gesamtkomplex von Problemstellungen bei<br />

Hochwasserrückhaltebecken wird im vorliegenden<br />

Beitrag nur ein kleiner Ausschnitt beleuchtet, nämlich<br />

die Einwirkungen des Wassers bei einem mehr oder<br />

weniger langen Einstau. In dieser speziellen Fragestellung<br />

kann teilweise Bezug genommen werden auf<br />

Vorgänge bei Hochwasserschutzdeichen an Flüssen,<br />

die ja ebenfalls nur zeitweilig mit Wasser belastet<br />

werden.<br />

2 Vorgänge beim Einstau von Dämmen<br />

Abb. 1: Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg;<br />

Häufigkeitsverteilung nach Dammhöhen (nach LfU)<br />

Je nach ihrer Lage und Größe haben die Hochwasserrückhaltebecken<br />

mehr örtliche oder überörtliche<br />

bzw. regionale Bedeutung. In der Häufigkeit des Vorkommens<br />

überwiegen - wie aus Abb. 1 ersichtlich -<br />

natürlich die kleineren Becken; immerhin finden sich<br />

aber rund 60 Becken mit Dammhöhen zwischen 10<br />

und 16 m, und einige wenige Becken erreichen<br />

Dammhöhen um 30 m.<br />

Die Betrachtung der hydraulischen, vor allem der sikkerhydraulischen<br />

Vorgänge im Zusammenhang mit<br />

einem Einstauereignis ist der entscheidende Punkt in<br />

Hinsicht auf die Sicherheit eines Rückhaltedammes,<br />

denn durch nichts sonst als durch die Einwirkungen<br />

des Sickerwassers - einmal abgesehen von dem sowieso<br />

unzulässigen Fall einer Überflutung - kann ein<br />

solcher Damm gefährdet werden. Ganz grundsätzlich<br />

und schematisch stellt sich die Situation bei einem<br />

längerfristig wasserbelasteten Damm so ein,<br />

wie es in Abb. 2 dargestellt ist.<br />

Abb. 2: Schema eines Rückhaltedammes auf durchlässigem<br />

Untergrund<br />

Prinzipiell ist davon auszugehen, daß sowohl der<br />

Dammkörper als auch der Untergrund mehr oder<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


8 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

minder wasserdurchlässig ist. Wir sprechen zwar<br />

manchmal von „dichten Untergrundhorizonten“ oder<br />

von „Dammdichtungen“; einmal abgesehen von synthetischen<br />

Dichtungselementen aus bestimmten<br />

Stoffen haben wir es in der Natur bzw. in der Baupraxis<br />

aber immer mit durchlässigen Materialien zu tun,<br />

mag ihr Durchlässigkeitsbeiwert noch so gering sein.<br />

So infiltriert also das Beckenwasser im Einstaufalle in<br />

den Dammuntergrund und in den Dammkörper, wobei<br />

die Geschwindigkeit der Infiltration naturgemäß<br />

von der Durchlässigkeit abhängt. Nach einem plötzlichen<br />

Einstau penetriert das Wasser in den Erdkörper<br />

zunächst schnell, findet mit zunehmender Durchsikkerungsstrecke<br />

immer mehr Fließwiderstand (wird<br />

also langsamer) und tritt nach bestimmter Zeit an der<br />

Luftseite als exfiltrierendes Wasser in Erscheinung.<br />

Letzteres ist nun - wie wir alle wissen - ein sehr unerwünschtes<br />

Vorkommnis, zu dem es nur bei ausreichend<br />

langer Dauer des Einstaues kommt und das<br />

es tunlichst zu verhindern gilt. Die Hochwasserrückhaltebecken-DIN<br />

macht dazu die im Textteil von Abb.<br />

3 wiedergegebenen Ausführungen.<br />

Gemeint ist dabei, was sich zur Problematik der instationären<br />

Durchfeuchtung bei Hochwasserschutzdämmen<br />

an Flüssen skizzenhaft im DVWK-Merkblatt<br />

„Flußdeiche“ dargestellt findet (s. Abb. 3 unten). Diese<br />

Darstellung ist rein qualitativ, weshalb im folgenden<br />

kurz auf einige betreffende quantitative Zusammenhänge<br />

eingegangen werden soll, da einige der<br />

kleineren Dämme von HRB als ungegliederte Dämme<br />

ohne Dichtungs- oder Dränelement gebaut sind.<br />

Ziel ist es, zu einer möglichst einfachen Abschätzung<br />

der Staudauer zu gelangen, die zur „Durchfeuchtung“<br />

eines plötzlich wasserbelasteten Dammes bestimmter<br />

Durchlässigkeit benötigt wird.<br />

Abb.3:<br />

Zur Durchfeuchtung homogener Dämme bei zeitweiligem<br />

Einstau (nach DVWK)<br />

Abb. 4: Zum zeitlichen Verlauf der Durchfeuchtung eines plötzlich<br />

eingestauten Dammes - Abschätzung unter vereinfachenden<br />

Annahmen<br />

Da wir in Sachen Durchlässigkeit meist nur größenordnungsmäßig<br />

Bescheid wissen, beschränken wir<br />

uns auf die in Abb. 4 gezeigte Abschätzung unter der<br />

vereinfachenden Annahme einer eindimensionalen<br />

Strömung entlang der dort eingetragenen Ersatzbreite<br />

b*. Hieraus folgt eine einfache Gleichung zur Bestimmung<br />

der Dauer bis zum Austritt von Wasser am luftseitigen<br />

Fuß.<br />

Als Materialparameter geht hier selbstverständlich der<br />

Durchlässigkeitsbeiwert ein; darüber hinaus aber<br />

auch die Porosität n a<br />

, nämlich (lediglich) der Luftporenanteil.<br />

Darauf wird i.a. nicht genügend geachtet.<br />

Es versteht sich aber von selbst, daß Porenwasser,<br />

welches im Boden bzw. Dammschüttstoff bereits vorhanden<br />

ist, nicht erst in den Damm hineingelangen<br />

muß. Die Durchfeuchtung eines - z. B. durch anhaltende<br />

vorausgehende Niederschläge - bereits teilgesättigten<br />

Dammes verläuft demgemäß (und dies<br />

zeigt ja auch die Erfahrung) viel schneller als die eines<br />

seit langem trockenstehenden Dammkörpers<br />

(für n a<br />

0 wird t 0).<br />

An dieser Stelle müssen wir auf die Durchströmungsvorgänge<br />

im Untergrund des Dammes kurz zurückkommen.<br />

Aus dem zuvor Gesagten folgt nämlich,<br />

daß die „Durchfeuchtung“ bzw. die Aufsättigung bei<br />

Vorliegen einer vollständigen Wassersättigung praktisch<br />

überhaupt keine Zeit benötigt. Sollte also in den<br />

Talauesedimenten unter der Dammaufstandsfläche<br />

Grundwasser anstehen, so muß die Untergrunddurchsickerung<br />

bei Auftreten eines Beckeneinstaus<br />

sofort in Gang kommen, auch wenn die vorliegenden<br />

Böden relativ wenig durchlässig sind.<br />

Zurück zur Durchsickerung des Dammes selbst. Der<br />

instationäre Durchfeuchtungsvorgang kann heutzutage<br />

selbstverständlich elegant mit numerischen Berechnungsverfahren<br />

analysiert werden. Ein betreffendes<br />

Ergebnis ist in Abb. 5 dargestellt.<br />

Aufgetragen im Dammprofil sind mehrere Durchfeuchtungsfronten<br />

zu unterschiedlichen Zeitpunkten.<br />

Dabei sind die aufgeschriebenen Zahlenzeilen den<br />

zwei rechts angegebenen Durchlässigkeitsbeiwerten<br />

zuzuordnen. Wir erkennen hier wieder, wie stark das<br />

hydraulische Geschehen vom alles beherrschenden<br />

k-Wert abhängig ist. Gleichwohl spielt jeweils auch<br />

das angenommene Sättigungsprofil im Ausgangszu-<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 9<br />

Abb. 5: Zeitlicher Verlauf der Durchfeuchtung eines plötzlich eingestauten Dammes - Ergebnis einer numerischen Simulation<br />

stand mit herein. Für einen Dammbaustoff mit einer<br />

Durchlässigkeit von k = 10 -5 m/s tritt die Durchsickerung<br />

des 4,5 m hoch eingestauten Dammes immerhin<br />

nach rund 50 Std. seit Einstau zutage, so daß ab<br />

dann womöglich mit riskanten Verhältnissen zu rechnen<br />

wäre. Wie ja bekannt ist, sind streng homogene<br />

Dämme für längeren Einstau in aller Regel nicht<br />

standsicher.<br />

Vollständigkeitshalber ist noch darauf hinzuweisen,<br />

daß einmal wasseraufgesättigte Dämme nach einer<br />

relativ schnellen Entleerung des Staubeckens auch<br />

zur Wasserseite hin nicht standsicher sind. Auch dies<br />

läßt sich in Modellversuchen anschaulich zeigen.<br />

So nimmt es also nicht wunder, daß für Dämme von<br />

HRB nennenswerter Bedeutung und Größe i.d.R. gegliederte<br />

Querschnitte zur Anwendung kommen, wie<br />

sie beispielsweise auch in den „Geotechnischen<br />

Empfehlungen“ (MELUF 1994) aufgeführt sind (vgl.<br />

Abb. 6).<br />

Die dort angeführten Querschnitte kommen denjenigen<br />

für regelrechte Talsperrendämme gleich und sind<br />

durch systematische Gliederung in „dichtende“ (ggf.<br />

auch dränierende) und stützende Elemente gekennzeichnet.<br />

Der zuoberst dargestellte Querschnittstyp<br />

ist dabei noch von sehr einfachem Aufbau und setzt<br />

als weitgehend homogener Erdkörper ein relativ wenig<br />

durchlässiges Schüttmaterial voraus. Die übrigen<br />

Querschnitte weisen ausgeprägte Dichtungselemente<br />

auf, die ihrer Aufgabe nur dann gerecht<br />

werden können, wenn sie tatsächlich sehr viel weniger<br />

durchlässig als das umgebende Dammmatrial<br />

und vor allem auch erosionssicher sind.<br />

Abb. 6:<br />

Übersicht über Dammtypen gemäß den „geotechnischen<br />

Empfehlungen ...“ (MELUF 1984)<br />

Bei Darstellung solcher Dammquerschnitte ist man<br />

leicht dazu geneigt, der Dichtung eine weitestgehende<br />

Dichtungswirkung und den übrigen Zonen eine<br />

vollkommene Dränfunktion zuzuordnen. Hierbei und<br />

generell ist aber zu beachten, daß im konkreten Fall<br />

einige teils konkurrierende Interessen unter einen Hut<br />

zu bringen sind:<br />

- Dichtungsfunktion und Dränfunktion erfordern<br />

möglichst große Unterschiede in den Durchlässigkeiten<br />

der betreffenden Zonen (vorzugsweise<br />

Verhältnis 1 : 1000); in der Folge stellt sich das<br />

Problem der Erosions- bzw. Filterfestigkeit.<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


10 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

- Dichtungsmaterialien sind i.d.R. im Einbau teuer,<br />

und somit besteht die Tendenz, damit zu geizen;<br />

bei schmalen Dichtungszonen ergeben sich aber<br />

hohe hydraulische Belastungen.<br />

- Beim Bau von Dämmen für Rückhaltebecken<br />

müssen ortsverfügbare Baustoffe verwendet werden,<br />

die die gewünschten Anforderungen u. U.<br />

nur bedingt erfüllen.<br />

Trotz derlei Beschränkungen muß auch bei Dämmen<br />

für HRB, die nur zeitweise wasserbelastet sind, die<br />

Sicherheit in allen wesentlichen Belangen gegeben<br />

sein, denn wir haben kein Werkzeug zur Hand, für<br />

unzureichend bemessene bauliche Situationen etwa<br />

erwartbare Standzeiten oder dergleichen vorherzusagen.<br />

Gerade das hydraulische Funktionieren von<br />

Dammaufbauten muß quantitativ nachgewiesen werden.<br />

Dabei ist von Vorteil, wenn der Querschnitt - also<br />

das zu betrachtende System - möglichst einfach und<br />

in der Wirkung übersichtlich ist.<br />

Abb. 8: Damm mit schmaler Innendichtung - Abschätzung<br />

von Durchfluß und Wasserstand hinter der Dichtung<br />

Abb. 7 gibt eine Methode zur Abschätzung des<br />

Durchflusses (q) und des Wasseraufstieges im<br />

Damm hinter einer Oberflächendichtung (h 1<br />

) wieder.<br />

Auf Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden.<br />

Die Wirksamkeit eines Oberflächendichtungselementes<br />

kann hiernach beurteilt werden. Daß die<br />

für die analytische Lösung getroffenen Vereinfachungen,<br />

die schließlich zu sehr übersichtlichen Gleichungen<br />

führen (die übrigens selbstverständlich dimensionsrein<br />

sind), vernünftig sind, läßt sich ebenfalls anhand<br />

von Modellversuchen veranschaulichen.<br />

In ähnlicher Weise wie der Fall mit Oberflächendichtung<br />

kann auch derjenige mit Innendichtung behandelt<br />

werden. Das Ergebnis ist in Abb. 8 dargestellt.<br />

Diese Zusammenhänge werden hier vorgeführt, um<br />

für einfache Fälle etwas leicht handhabbares Handwerkszeug<br />

bereitzustellen für die Erfüllung der in der<br />

DIN 19700 (Teil 10) gestellten Hauptforderung zum<br />

Nachweis der sogenannten „hydraulischen Sicherheit“.<br />

8.1.3 Hydraulische Sicherheit<br />

Es ist der Nachweis zu erbringen, daß das Sickerwasser<br />

durch, unter und um den Damm - auch unter<br />

ungünstigen Annahmen über den Aufbau des<br />

Dammuntergrundes und den Erfolg der Dichtungsmaßnahmen<br />

- schadlos für die Stauanlage ins Unterwasser<br />

abgeführt werden kann. Maßgebende<br />

Sickerlinien und Sickerwasserabflüsse sind zu ermitteln.<br />

Abb. 7: Damm mit schmaler Außendichtung - Abschätzung von<br />

Durchfluß und Wasserstand hinter der Dichtung<br />

Bei klar aufgebauten Systemen läßt sich die hydraulische<br />

Wirkungsweise auf relativ einfache Weise<br />

quantitativ überprüfen. Es ist nämlich sehr vorteilhaft,<br />

wenn man nicht gleich zu komplizierten Lösungsverfahren<br />

greifen muß, bei denen die Ergebnisse nicht<br />

immer leicht zu interpretieren sind. Für zwei der in<br />

Abb. 6 dargestellten Fälle, nämlich Dämme mit<br />

schmaler Oberflächendichtung bzw. mit schmaler Innen-<br />

oder Kerndichtung, sind Abschätzungsformeln<br />

für die wesentlichen hydraulischen Größen in den folgenden<br />

Abbildungen dargestellt.<br />

Abb. 9: Auszug aus DIN 19700 Teil 10 (1986)<br />

Oben vorgestellte Zusammenhänge galten für stationäre<br />

Staubedingungen, also Dauerstau. Ob und inwieweit<br />

es zu derartigen Strömungsbedingungen im<br />

Damm kommt, hängt selbstverständlich wieder von<br />

der Einwirkungsdauer im Vergleich zu den Durchlässigkeitsbeiwerten<br />

ab. Zusätzlich spielen die Vorsättigungsverhältnisse<br />

in den beteiligten Dammzonen -<br />

wie schon gezeigt - eine nicht unbedeutende Rolle.<br />

Über die Zusammenhänge des Wasserhaushaltes von<br />

Dammkörpern - seien sie homogen anzusehen oder<br />

gegliedert aufgebaut - ist unseres Erachtens bisher zu<br />

wenig bekannt. Gerade bei den überwiegend wasserunbelasteten<br />

Dämmen für den Hochwasserschutz, die<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 11<br />

vielfach aus Mischböden geschüttet sind und in irgendeinem<br />

witterungsbedingten Feuchtezustand<br />

plötzlich unter Einstau geraten, scheinen Fragen offen.<br />

Dieses Problemfeld des Zusammenhanges zwischen<br />

Meteorologie, innerem Wasserhaushalt und irgendwann<br />

einsetzender hydrologischer Belastung<br />

durch Einstau ist derzeit Gegenstand unserer Betrachtungen<br />

(vgl. Abb. 10).<br />

Vor dem Hintergrund unserer inzwischen gewonnenen<br />

Kenntnisse zum Wasserhaushalt von Dämmen<br />

unter natürlichen Randbedingungen möchte ich das<br />

Augenmerk aber nochmals auf das Problem der<br />

Feuchte- bzw. Sättigungsmessung lenken, der in unseren<br />

Augen bisher zu wenig Beachtung geschenkt<br />

wird.<br />

Abb. 10: „Wasserhaushalt“ eines Dammkörpers unter natürlichen<br />

Einwirkungen (ohne Einstau), schematisch und vereinfacht<br />

Wir verfügen über ein naturmaßstäbliches Freilandmodell<br />

eines Dammes, in dem wir den Wasserhaushalt<br />

in Abhängigkeit der Randbedingungen zeitabhängig<br />

verfolgen können. Es gibt die Möglichkeit der<br />

künstlichen Beregnung und des gesteuerten Einstaus<br />

sowie der Messung der Wasserstände und der<br />

Feuchteverteilung im Dammkörper wie natürlich<br />

auch des Sickerwasserabflusses. Zweck der Arbeiten<br />

mit diesem Modell (und mit weiteren Labormodellen<br />

in kleinerem Maßstab) ist nicht etwa die Lösung<br />

eines Falles konkreter Ausprägung; vielmehr<br />

zielt die Untersuchung auf das Auffinden allgemeiner<br />

Zusammenhänge, die letztlich in Rechenmodelle einfließen<br />

sollen, die dann bei weitgehend beliebigen Situationen<br />

Anwendung finden können.<br />

Das Messen von Wasserständen im Damminneren<br />

und von Sickerwasserabflüssen ist bei den experimentellen<br />

Untersuchungen eine leichte Übung. Dies<br />

gilt in gewissem Maße auch für konkrete Projekte in<br />

der Natur - und hiermit möchte ich zum Schluß wenigstens<br />

kurz auf das Stichwort „Überwachung des<br />

Dammverhaltens“ zu sprechen kommen.<br />

3 Anmerkungen zum Stichwort Überwachung<br />

Die Überwachung von Dammbauwerken allgemein<br />

gesehen hat sich selbstverständlich auf verschiedene<br />

Aspekte zu richten. Als Stichworte seien<br />

hier kurz aufgezählt: Zustand der Oberfläche, Flora/<br />

Bewuchs, Fauna/Tierbesiedlung bzw. -befall, Setzungen/Sackungen,<br />

Wasseraustritte, womöglich Erosionen<br />

oder dergleichen und der Zustand baulicher Anlagen<br />

u. a. m.. Auf diese Dinge hier einzugehen, erscheint<br />

mir wenig sinnvoll (obwohl dies selbstverständlich<br />

wichtige Sicherheitgesichtspunkte sind).<br />

Abb. 11: Festigkeit von Böden in Abhängigkeit des Wassergehaltes<br />

- Beispiel Löß<br />

Hierzu ist zunächst aufzuzeigen, welch ausschlaggebenden<br />

Einfluß der Wassergehalt bzw. die Wassersättigung<br />

auf die konkret verfügbare Festigkeit eines<br />

Bodens bzw. eines Dammbaustoffes hat. Als Beispiel<br />

sind in Abb. 11 Versuchsergebnisse aufgetragen, die<br />

wir an einem Löß ermittelt haben, man könnte gleichermaßen<br />

auch viele andere Erdstofftypen beiziehen.<br />

Aufgetragen ist schlicht die einaxiale Festigkeit<br />

unterschiedlich feuchter Proben in Abhängigkeit des<br />

Wassergehaltes. Die markanten Bezugswerte des<br />

optimalen Wassergehaltes (w opt.<br />

), der Plastizitätsgrenzen<br />

(w P<br />

und w L<br />

) sowie der Schrumpfgrenze (w S<br />

) sind<br />

eingetragen.<br />

Was wir insgesamt ablesen können, ist, daß solche<br />

feinkörnigen Böden im teilgesättigten Zustand, also<br />

bei kleinen Wassergehalten, eine enorme Festigkeit<br />

aufweisen; allerdings - und das ist die hier wichtige<br />

Botschaft - gegen den Sättigungszustand hin, den wir<br />

etwa bei w S<br />

annehmen müssen, geht diese Festigkeit<br />

weitestgehend verloren. Der Grund dafür ist, daß die<br />

Kohäsionsfestigkeit der feinkörnigen Böden, wie wir<br />

sie meist vor uns haben, überwiegend in der Kapillar-<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


12 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

kohäsion begründet ist, und diese verschwindet bei<br />

Wassersättigung bekanntlich.<br />

Die bekannte praktische Konsequenz ist, daß immer<br />

dort, wo ein Dammbaustoff gegen die Sättigung naß<br />

wird, das Material sich der Belastung entzieht, ja u. U.<br />

„von selbst zu fließen beginnt“. Prinzipiell ist das natürlich<br />

nichts Neues; jedoch haben wir die Konsequenzen<br />

z. B. für die Beobachtung des Zustandes<br />

unserer Dämme m. E. bisher zu wenig bedacht. Häufig<br />

(oder besser manchmal) kennen wir die Lage der<br />

Sickerlinie relativ gut, wohl weil wir sie relativ leicht<br />

messen können. Über den Sättigungsgrad oberhalb<br />

derselben wissen wir dagegen meist nicht Bescheid,<br />

In unserem Freilandmodelldamm testen wir verschiedene<br />

Verfahren, da wir ja gerade hier über die zeitabhängige<br />

Feuchteverteilung Bescheid wissen müssen.<br />

Der Wassergehalt allein ist übrigens zur Bestimmung<br />

des letztlich entscheidenden Sättigungsgrades<br />

nicht ausreichend; hierzu benötigen wir zusätzlich die<br />

Raumdichte des Materials. Damit wird der Untersuchungsaufwand<br />

noch etwas größer.<br />

Mit dem in Abb. 12 abgebildeten Meßergebnis sei gezeigt,<br />

wie etwa die aus solchen Messungen ableitbaren<br />

Verteilungen des Sättigungsgrades aussehen.<br />

Aufgetragen ist die Sättigungsverteilung in einem bestimmten<br />

Querschnitt, und zwar in den oberen beiden<br />

Profilen für zwei unterschiedliche Zeitpunkte. Das<br />

dritte dargestellte Profil gibt die Änderungen des<br />

Sättigungsgrades im zwischenliegenden Zeitraum<br />

wieder.<br />

Wir glauben, die im Prinzip verfügbare Technik der<br />

Feuchtemessung mit unseren Anwendungen in Richtung<br />

Praxistauglichkeit weiterentwickeln zu können.<br />

Wir erachten dies für erforderlich, um nicht zuletzt gerade<br />

bei den nur zeitweilig wasserbelasteten Dämmen<br />

der HRB sowie der Flußdeiche die Feuchtehaushaltsverhältnisse,<br />

über die wir heute noch zu<br />

wenig wissen, besser verfolgen zu können. Denn längerfristig<br />

gesehen müssen wir vielleicht mit noch<br />

gravierenderen Veränderungen in den meteorologischen<br />

Randbedingungen rechnen, als sie sich in der<br />

jüngeren Vergangenheit bereits gezeigt haben. In diesem<br />

Fall könnten sich Fragen der Sicherheit der<br />

Dämme der Hochwasserrückhaltebecken - zumindest<br />

bei bestimmten Bauweisen - neu stellen.<br />

Literaturverzeichnis<br />

MELUF (1984): Geotechnische Empfehlungen für den<br />

Entwurf und Bau neuer Hochwasserrückhaltebecken<br />

sowie für die Beurteilung der Sanierungsbedürftigkeit<br />

und die Sanierung bestehender Hochwasserrückhaltebecken<br />

(Aufsteller: Prof. Dr. U. Smoltczyk). Ministerium<br />

für Ernährung, Landwirtschaft, Umwelt und Forsten<br />

Baden-Württemberg.<br />

Abb. 12: Ergebnis einer Bestimmung der Feuchteverteilung in<br />

einem Querschnitt des Modelldammes<br />

können also auch nicht sagen, wie weit von der Sättigung<br />

- und der damit verbundenen dramatischen Änderung<br />

der „Festigkeit“ - wir hier eigentlich weg sind.<br />

Nun ist - leider - die Messung des Feuchtegrades in<br />

situ, vor allem in zeitlichen Verlauf, nicht ohne weiteres<br />

möglich. Man muß sich hierfür aufwendiger Verfahren<br />

bedienen.<br />

DVWK (1991): Merkblatt 202, Hochwasserrückhaltebecken,<br />

Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und<br />

Kulturbau, Paul Parey Verlag, Hamburg.<br />

DIN 19700 (1986): Stauanlagen, Teil 12; Hochwasserrückhaltebecken.<br />

Normenausschuß Wasserwesen<br />

im DIN.<br />

Anschrift des Verfassers:<br />

Prof. Dr.-Ing. Josef Brauns<br />

Institut für Bodenmechanik und<br />

Felsmechanik, Universität Karlsruhe<br />

Postfach 69 80<br />

76128 Karlsruhe<br />

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<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 13<br />

Durchführung von Wasser- und Anlagenschauen<br />

von Alois Stockinger<br />

1 Rechtliche Vorgaben<br />

1.1 Allgemeine Gewesseraufsicht<br />

§ 82 Wassergegsetz Baden-Württemberg<br />

Die Überwachung der Gewässer isi durch das Lanneswassergestz<br />

allgemein vorgeschrieben. Gemäß<br />

§ 82 Abs. 1 des Wasssrgesetzes BadeneWürttemberg<br />

( G) haben die Wasserbehörden und die technische<br />

FaFhbehörde darüber zu wachene daß die<br />

wassesrechtlichen und sonntigen öffenttich-rechtlichcn<br />

Vorschriften bei der Benutzung von Gewässern<br />

unu den anderen nasserwirtschcftlich bedeutsamen<br />

Vorgängen eingehalten und d e auferlegtet Verpflichtunugen<br />

erfüllt werden.<br />

In der bis zum 31.12.1998 gültigen Fassung des § 82<br />

war der Begriff Wasserschau im Abs. 2 eingeführt. In<br />

der Neufassung des WG vom 01.10.<strong>1999</strong> wurde der<br />

Abs. 2 des § 82 geändert, so daß die früher vorgeschriebene<br />

regelmäßige, umfassende Wasserschau<br />

der technischen Fachbehörde nicht mehr existiert.<br />

Der die Unterhaltung betreffende Teil der Wasserschau<br />

wurde auf den jeweiligen Träger der Unterhaltungslast<br />

im § 49, Abs. 7 des Wassergesetzes übertragen.<br />

1.2 Wasserverbandsgesetz<br />

(WVG vom 12.02.1991)<br />

Darüber hinaus besteht eine gesetzliche Pflicht zur<br />

Schau durch das bundesweit geltende Wasserverbandsgesetz<br />

vom 12.02.1991 für Wasser- und Bodenverbände.<br />

2 Anlagenschau bei Stauanlagen<br />

(Verbandschau)<br />

2.1 Ziel und Umfang der Schau<br />

Ziel der Schau ist die Gewährleistung der Instandhaltung,<br />

sowie die Kontrolle der Einhaltung der wasserrechtlichen<br />

und planungsrechtlichen Vorschriften. Die<br />

Stauanlage ist in ihrem ganzen bestimmungsmäßigen<br />

Umfang zu schauen. Neben den beweglichen und unbeweglichen<br />

Dammbauteilen und dem Dammkörper<br />

sind also alle weiteren Bauteile wie Vorflutgräben,<br />

Fuß- und Böschungssicherungen zu inspizieren. Bei<br />

der regelmäßigen Anlagenschau wird der Zustand der<br />

verschiedenen Anlagenteile dokumentiert.<br />

Die Schauintervalle sind in den Rechtsnormen nicht<br />

festgelegt, sie sollten aber in Abhängigkeit vom Gefährdungszustand<br />

1-3 Jahre nicht überschreiten.<br />

Die Anlagenschau ersetzt nicht die erforderlichen Zustands-<br />

und Funktionskontrollen nach den einschlägigen<br />

DIN-Normen 19700, Teile 10-12. Diese Kontrollen<br />

werden entsprechend den Instandhaltungsplänen<br />

der jeweiligen Betriebsvorschrift durchgeführt.<br />

Bei der Anlagenschau muß auch das Ergebnis der<br />

letzten geotechnischen Überprüfung vorliegen.<br />

2.2 Schaubeauftragte/Sachverständige<br />

Auf Grundlage des § 44 WVG führen Beauftragte des<br />

Verbandes (Schaubeauftragte) eine Verbandsschau<br />

durch. Die Schaubeauftragten werden durch die Verbandsversammlung<br />

oder den Ausschuß für die in der<br />

Satzung festgelegte Zeit gewählt. Der Vorstand oder<br />

ein von ihm bestimmter Schaubeauftragter leitet die<br />

Verbandsschau.<br />

Von den Personen, die mit der Durchführung einer<br />

Verbandsschau beauftragt werden, sind allein aus<br />

wasser- oder verbandsrechtlicher Sicht keine formalen<br />

Voraussetzungen zu erfüllen. Selbstverständlich<br />

sind für jede Sachverständigentätigkeit Fachkenntnisse<br />

erforderlich.<br />

2.3 Durchführung der Schau<br />

Der Verbandsvorstand legt Ort und Zeit der Verbandsschau<br />

fest.<br />

Er hat die Schaubeauftragten, die Aufsichtsbehörde<br />

und die technische Fachbehörde zur Verbandsschau<br />

einzuladen. Über den Ablauf und das Ergebnis der<br />

Verbandsschau ist eine Niederschrift zu fertigen und<br />

von dem Schaubeauftragten zu unterzeichnen. Der<br />

Vorstand veranlaßt die Beseitigung der festgestellten<br />

Mängel (vgl. § 45 WVG).<br />

Im Zuge der bundesweiten Verwaltungsreformen<br />

(„schlanker Staat“) ist es denkbar, daß mit der Durchführung<br />

der Schau auch Dritte beauftragt werden.<br />

Nach der Neufassung des § 82 Abs. 2 WG (Allgemeine<br />

Gewässeraufsicht) kann die Überwachung durch<br />

die Wasserbehörde und die technische Fachbehörde<br />

eingeschränkt werden, wenn gegenüber der Wasser-<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000


14 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

behörde durch einen anerkannten Sachverständigen<br />

oder eine anerkannte sachverständige Stelle die Einhaltung<br />

der Vorschrift und auferlegten Verpflichtungen<br />

bei der Benutzung von Gewässern bestätigt wird.<br />

2.4 Durchführung der Schau bei Hochwasserrückhaltebecken<br />

(HRB)<br />

Umfang und Häufigkeit der Anlagenschau sollten in<br />

der Betriebsvorschrift geregelt sein. Einen Anhalt bietet<br />

das DVWK-Merkblatt 202 (7.6.4 Instandhaltung).<br />

Insbesondere bei Rückhaltebecken mit höherem Gefährdungspotential<br />

sollte eine jährliche Schau die Regel<br />

sein.<br />

Die praktische Durchführung kann nach der Anlage 6<br />

des DVWK-Merkblattes 202 (Kontrollblatt für die Anlagenschau)<br />

erfolgen.<br />

2.5 Beschreibung des Befundes<br />

Die Beschreibung des Befundes kann mit Mangel,<br />

Schaden oder Beschädigung erfolgen. Gängig sind<br />

die Begriffe Mängel und Schaden. Von Schäden ist zu<br />

sprechen, wenn die Funktionsfähigkeit oder die<br />

Standsicherheit der Anlagen gefährdet ist. Als Mangel<br />

sind dann Befunde, welche Standsicherheit und<br />

Funktonsfähigkeit nicht unmittelbar gefährden, zu bezeichnen.<br />

2.6 Beurteilung und Behebung der festgestellten<br />

Befunde<br />

Feststellung von Mängel und Schäden sowie die Anweisung<br />

zu deren Behebung sind im Kontrollblatt einzutragen.<br />

Viele Mängel beeinflussen zunächst nur die<br />

Dauerhaftigkeit eines Bauwerkes. Eine Gefahr besteht<br />

für die Betriebssicherheit und Tragfähigkeit nur<br />

dann, wenn Mängel nicht rechtzeitig behoben werden.<br />

Im Kontrollblatt (siehe Anlage 1 bis 3) ist auch<br />

die Dringlichkeitsstufe (0=unverzüglich, da betriebs-,<br />

standsicherheits-, verkehrssicherheitsrelevant, 1 =<br />

spätestens bis ........., da keine gravierenden Mängel)<br />

anzugeben.<br />

3 Zusammenfassung/Ausblick<br />

Die Bedeutung der Prüfung des Zustandes von Gewässern<br />

und der Funktionsfähigkeit und Sicherheit<br />

von Stauanlagen ist unbestritten und durch das Landeswassergesetz<br />

Baden-Württemberg bzw. durch<br />

das Wasserverbandsgesetz vorgeschrieben.<br />

Wasser- und Anlagenschauen haben wichtige Kontrollfunktionen<br />

für die Sicherheit und den wirtschaftlichen<br />

Betrieb insbesondere bei Stauanlagen. In der<br />

Praxis ist diese Kontrollfunktion häufig nicht gewährleistet,<br />

da Anlagenschauen sehr oft in zu großen Zeitabständen,<br />

zu oberflächlich und von Schaubeauftragten<br />

mit zu geringen spezifischen Fachkenntnissen<br />

durchgeführt werden. Da die Ursache unter anderem<br />

auch in einem fehlenden wirtschaftlichen Anreiz für<br />

die Betreiber liegen dürfte, besteht hier Handlungsbedarf<br />

seitens der zuständigen Behörden.<br />

Im Zuge der Verwaltungsreform und der Novellierung<br />

des Landeswassergesetzes kann die Prüfung der<br />

Funktionsfähigkeit und Sicherheit von Stauanlagen<br />

auch auf sachverständige Dritte verlagert werden.<br />

Der Aufbau von allgemein zugänglichen Mängel- und<br />

Schadensdateien wäre eine Informationsquelle, um<br />

weitere Erkenntnisse für den Bau und die Unterhaltung<br />

der Stauanlagen zu gewinnen. Der Aufbau einer derartigen<br />

Statistik kann den zuständigen Verbänden daher<br />

empfohlen werden, damit „das Rad nicht jedesmal neu<br />

erfunden werden muß“!<br />

Anschrift des Verfassers:<br />

Alois Stockinger<br />

Gewässerdirektion Neckar<br />

Bereich Ellwangen<br />

Priestergasse 5<br />

73479 Ellwangen<br />

Das Kontrollblatt über die Anlagenschau ist zum Betriebstagebuch<br />

zu nehmen.<br />

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<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 15<br />

Kontrollblatt für die Anlagenschau<br />

Hochwasserrückhaltebecken:<br />

Anlagenteil<br />

Absperrdamm<br />

Kontrollpunkte und<br />

Einwirkungen<br />

Feststellung von<br />

Schäden und<br />

Mängeln<br />

Anweisung zur<br />

Behebung<br />

Dringlichkeitsstufe<br />

Stützkörper<br />

Verformungen<br />

- Vertikal<br />

- Horizontal<br />

- an Krone<br />

- an Böschungen<br />

äußere Schäden<br />

durch:<br />

- Witterung<br />

- Verkehr<br />

- Menschen und<br />

Tiere<br />

- Austrocknung<br />

- Verwachsungen<br />

Zustand der<br />

Bepflanzung<br />

Dammdichtung<br />

Verformung<br />

Rissebildung<br />

Güte des<br />

Dichtungsmaterials<br />

Anschluß an<br />

Bauwerke<br />

Dränagesystem<br />

Funktionstüchtigkeit<br />

der Dränleitungen<br />

Trübung, Färbung<br />

des Sickerwassers<br />

Vernässungen an<br />

- luftseitiger Böschung<br />

- wasserseitiger<br />

Böschung<br />

- Talflanken, -aue<br />

Lage der Sickerlinie<br />

Anlage 1: Kontrollblatt für die Anlagenschau, Teil 1<br />

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16 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

Anlagenteil<br />

Bauwerke<br />

Grundablaß,<br />

Betriebsauslaß<br />

Kontrollpunkte<br />

und<br />

Einwirkungen<br />

Rissebildung<br />

Setzungen<br />

Feststellung von<br />

Schäden und<br />

Mängeln<br />

Anweisung zur<br />

Behebung<br />

Dringlichkeitsstufe<br />

Fugenzustand<br />

Zustand der<br />

Sichtflächen<br />

Zustand der Anstriche<br />

Ablagerungen<br />

Betriebsschacht Rissebildung<br />

Setzungen<br />

Fugenzustand<br />

Zustand der<br />

Sichtflächen<br />

Zustand der Anstriche<br />

Ablagerungen<br />

Hochwasserentlastungsanlage:<br />

Rissebildung<br />

* Einlaufbauwerk Setzungen<br />

* Ableitungsgerinne Fugenzustand<br />

* Auslaufbauwerk Zustand der<br />

Sichtflächen<br />

Zustand der Anstriche<br />

Ablagerungen<br />

Energieumwandlungsanlage<br />

Rissebildung<br />

Setzungen<br />

Fugenzustand<br />

Querschnittsverklausung<br />

Zustand der<br />

Sichtflächen<br />

Zustand der Anstriche<br />

Betriebsgebäude<br />

Zustand der Bauteile<br />

- Türen und Tore<br />

- Fenster<br />

- Geländer<br />

- Dachentwässerung<br />

Zustand der<br />

Einrichtungen<br />

- Klimaanlage<br />

- Beleuchtung<br />

- Möbel<br />

Anlage 2: Kontrollblatt für die Anlagenschau, Teil 2<br />

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<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 17<br />

Anlagenteil<br />

Verschlüsse<br />

Unterwasserpegel<br />

Wegenetz<br />

Dammkronenweg<br />

Bermenweg<br />

Treppen,<br />

Brücken, Stege<br />

Rechen<br />

Verschlußorgane<br />

Antriebe und<br />

Übertragungsteile<br />

Stromversorgung:<br />

Netz- und Notstrom<br />

Steuerungs- und<br />

Schaltanlage<br />

Dringlichkeitsstufe<br />

Kontrollpunkte und<br />

Einwirkungen<br />

Zustand<br />

Baulicher Zustand<br />

Betriebszustand<br />

Dichtigkeit<br />

Zustand<br />

Funktionsfähigkeit<br />

Zustand<br />

Funktionsfähigkeit<br />

Zustand<br />

Funktionsfähigkeit<br />

Meß- und Registriergeräte<br />

Zulaufpegel<br />

Beckenpegel<br />

Zustand<br />

Funktionsfähigkeit<br />

Zustand<br />

Funktionsfähigkeit<br />

Zustand<br />

Funktionsfähigkeit<br />

Zustand<br />

Zustand<br />

Zustand<br />

Feststellung von<br />

Schäden und<br />

Mängeln<br />

Anweisung zur<br />

Behebung<br />

Dringlichkeitsstufen<br />

0 = unverzüglich, da betriebs-, standsicherheits-, verkehrssicherungsrelevant<br />

1= spätestens bis ......,. da keine gravierenden Mängel<br />

Schlußfeststellungen<br />

Datum der Anlagenschau:<br />

Teilnehmer<br />

Technische Fachbehörde:<br />

Betriebsleiter:<br />

Stauwärter:<br />

Sonstige Behörden:<br />

(Unterschriften)<br />

Anlage 3: Kontrollblatt für die Anlagenschau, Teil 3<br />

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18 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

Messeinrichtungen und Bewertung von<br />

Messergebnissen zur Kontrolle der Dammsicherheit<br />

von Klaus Girod und Holger Rosenkranz<br />

1 Einleitung<br />

Der Beitrag stützt sich auf die Erkenntnisse, die mit<br />

der Bewertung von Messergebnissen und mit der Planung<br />

von Messeinrichtungen für ständig eingestaute<br />

Dämme und Mauern gesammelt wurden. Sie sind<br />

dann für die Sicherheitsbeurteilung von Hochwasserrückhaltebecken<br />

hilfreich, wenn diese Becken zeitweise<br />

eingestaut sind oder zu einem Teildauerstau genutzt<br />

werden.<br />

Entsprechend DVWK-Merkblatt 222/1991 „Mess- und<br />

Kontrolleinrichtungen zur Überprüfung der Standsicherheit<br />

von Staumauern und Staudämmen“ läßt sich<br />

der Sicherheitszustand eines Absperrbauwerkes in<br />

einen konstruktiven und einen betrieblichen Bereich<br />

aufteilen.<br />

Der Beitrag beschränkt sich auf den konstruktiven Bereich,<br />

also behandelt die Messergebnisse und Messeinrichtungen,<br />

die auf die Standsicherheit gemäß<br />

DIN 19700, Teil 10 bezogen sind. Der betriebliche Bereich<br />

hat jedoch gleichfalls zentrale Bedeutung für die<br />

Dammsicherheit.<br />

Messungen an Staudämmen dienen der Kontrolle und<br />

Überwachung des Bauwerksverhaltens. Hinweise<br />

dazu sind u. a. in den in Abb. 1 genannten Regelwerken<br />

enthalten.<br />

In DIN 19700, Teil 12 Hochwasserrückhaltebecken,<br />

sind vorzugsweise Hinweise für betriebliche Messungen<br />

enthalten. Die Zielstellung für die Messungen ist in<br />

den Regelwerken ganz allgemein formuliert, wie den<br />

Stichworten in Abb. 1 entnommen werden kann.<br />

Um anhand von Messergebnissen diese Ziele zu erreichen,<br />

sind umfangreiche Auswertungen und weitergehende<br />

Untersuchungen in mehreren Schritten<br />

erforderlich, die im Folgenden erläutert werden sollen.<br />

2 Auswertung von Messergebnissen<br />

In der Regel ist es nicht möglich, eine direkte Beziehung<br />

zwischen einem einzelnen Messergebnis und<br />

der Sicherheit eines Dammes abzuleiten. Vielmehr<br />

sind Auswertungsschritte erforderlich, die je nach<br />

Problemlage teilweise oder vollständig zu beschreiten<br />

sind (siehe Abb. 2).<br />

Primärauswertung<br />

Fehlerabschätzung<br />

Sekundärauswertung<br />

Sicherheitsbeurteilung<br />

Abb. 2: Schritte der Sicherheitsbeurteilung<br />

zeitabhängige Abschätzung<br />

Abschätzung<br />

Bauwerksverhalten<br />

Trennung nach<br />

Einwirkungen<br />

Extrapolation für Normwerte<br />

der Einwirkungen<br />

Prognose bei<br />

zeitabhängigem Verhalten<br />

Regelwerke<br />

DIN 19700, Teil 10 –<br />

Gemeinsame Festlegungen<br />

DIN 19700, Teil 11 –<br />

Stauanlagen Talsperren<br />

DVWK-Merkblatt 222 / 1991<br />

DVWK-Merkblatt 202 / 1991<br />

Abb.1:<br />

Zielstellung für Messungen<br />

Vergleich Tragverhalten<br />

mit Berechnungsprognose<br />

Beurteilung Standsicherheit<br />

Überprüfung von Berechnungswerten<br />

Grundlagen für Messeinrichtungen und für die Bewertung von Messergebnissen<br />

Es handelt sich um<br />

- Primärauswertung der<br />

Messergebnisse;<br />

- Fehlerabschätzung;<br />

- Sekundärauswertung der<br />

Messergebnisse;<br />

- Sicherheitsbeurteilung.<br />

Die Primärauswertung sollte<br />

die graphische Darstellung aller<br />

Messergebnisse über den<br />

gesamten oder zumindest einen<br />

längeren Zeitraum enthalten.<br />

Vor Bewertung der Mes-<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 19<br />

sergebnisse sollte immer eine Fehlerabschätzung und<br />

Plausibilitätskontrolle erfolgen, um z. B. Kalibrierungsfehler<br />

zu erkennen. Aus den Ergebnissen der Primärauswertung<br />

erkennt man bestimmte Tendenzen im<br />

Bauwerksverhalten und man kann abschätzen, ob das<br />

Bauwerk den prognostizierten Eigenschaften entspricht.<br />

Allerdings ist in der Regel noch keine quantitative<br />

Aussage zur Dammsicherheit möglich. In vielen<br />

Fällen ist deshalb eine Sekundärauswertung der Messergebnisse<br />

erforderlich.<br />

Damit werden Messgrößen so aufbereitet, dass sie<br />

als Vergleichswerte zu angenommenen Einwirkungen<br />

und Ergebnissen von Standsicherheitsberechnungen<br />

oder als Eingabewerte für neue Berechnungen zur<br />

Verfügung stehen. U. a. sind das (siehe auch Abb. 2)<br />

- Bestimmung von Anteilen der Messgrößen für verschiedene<br />

Einwirkungen (z. B. Stau, Temperatur),<br />

- Extrapolation der Messwerte für Normwerte der<br />

Einwirkungen (z. B. Höchststau), wenn dafür keine<br />

Messergebnisse vorliegen,<br />

- Prognose für Messwerte bei zeitabhängigem Bauwerksverhalten.<br />

3 Sicherheitsbeurteilung<br />

DIN 19700, Teil 10 fordert für Staudämme den Nachweis<br />

- der statischen und dynamischen Sicherheit,<br />

- der hydraulischen Sicherheit,<br />

- der Risssicherheit,<br />

- und verträglicher Verformungen<br />

durch entsprechende Berechnungen und Versuche<br />

und gibt gleichzeitig Normwerte der Sicherheiten vor.<br />

Dieser Nachweisumfang gilt auch für Hochwasserrückhaltebecken,<br />

mit evtl. Einschränkungen beim hydraulischen<br />

Nachweis.<br />

Der Zusammenhang von Messergebnissen und Sicherheitsbeurteilungen<br />

führt zu den im Abb. 3 dargestellten<br />

Beispielen von Messeinrichtungen.<br />

Druckgeber in einer geneigten Lehminnendichtung<br />

zeigen den Porenwasserdruck an. Er ist maßgebend<br />

für die Böschungsstandsicherheit im Lastfall „schnelle<br />

Stauspiegelsenkung“.<br />

Die Suffosions- und Erosionssicherheit der Dammstützkörper<br />

und des Untergrundes kann mit einer<br />

Rückrechnung der Potentialströmung bestimmt werden.<br />

Maßgebend dafür sind Messergebnisse zur<br />

Lage der Sickerlinie, zu Kluftwasserständen und zu<br />

Sickerwassermengen.<br />

Die Beispiele lassen sich für andere Messeinrichtungen<br />

fortsetzen (siehe dazu das DVWK-Merkblatt 222/<br />

1991).<br />

Je nach Konstruktionsart, Bauwerkshöhe, Untergrundverhältnissen<br />

und z. B. Einstauzeiten von Hochwasserrückhaltebecken<br />

sind Änderungen von Art und<br />

Umfang der Messeinrichtungen möglich.<br />

Die Frage „wie kommt man von Messergebnissen zu<br />

einer konkreten Sicherheitsaussage“ kann mit unterschiedlichen<br />

Sicherheitskonzepten beantwortet werden.<br />

Ausgehend von Messergebnissen der Einwirkungen<br />

oder Zustandsgrößen ist der Vergleich mit den angenommenen<br />

Einwirkungen oder Ergebnissen des<br />

Standsicherheitsnachweises oder mit Versuchsergebnissen<br />

möglich. Unter Zustandsgrößen können z.<br />

B. Spannungen und Verschiebungen verstanden<br />

werden.<br />

Die für den Standsicherheitsnachweis angenommenen<br />

Einwirkungen und seine Ergebnisse oder Ver-<br />

Ausgehend von den rechnerisch<br />

geforderten Sicherheitsnachweisen<br />

ist die Frage<br />

zu beantworten, mit welchen<br />

Messergebnissen die<br />

in die Berechnungen eingegangenen<br />

Einwirkungen und<br />

die Berechnungsergebnisse<br />

überprüft werden können.<br />

Messbare Einwirkungen<br />

können z. B. sein<br />

- die Lage der Sickerlinie,<br />

- Größe und Verteilungen<br />

von Sohlenwasserdrükken.<br />

Abb.3:<br />

Sicherheitsbeurteilung mit Messergebnissen<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


20 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

suchsergebnisse werden in diesem Zusammenhang<br />

als Alarmwerte bezeichnet (siehe Abb. 4).<br />

Liegen alle Messergebnisse unter den Alarmwerten,<br />

hat der Damm höhere Sicherheiten als im Standsicherheitsnachweis<br />

ausgewiesen.<br />

Werden Alarmwerte von einzelnen Messergebnissen<br />

überschritten, muss nicht zwangsläufig die in den Berechnungen<br />

ausgewiesene Sicherheit unterschritten<br />

sein. Es ist möglich, dass ein Teil der Messwerte die<br />

Überschreitungen kompensiert. Durch Einführung<br />

bestimmter Kriterien läßt sich prüfen, ob einzelne<br />

oder mehrere Alarmwertüberschreitungen zulässig<br />

sind. Z. B. bieten sich für Sohlenwasser- oder Porenwasserdrücke<br />

Alarmwerte aus gewichteten Mitteln<br />

oder aus Alarmmomenten an.<br />

Sind einzelne Alarmwerte oder Kriterien überschritten,<br />

liegt die Sicherheit unter den Berechnungswerten<br />

und man kann durch Einbeziehung der Messwerte in<br />

Sicherheitsnachweise die aktuelle quantitative Sicherheit<br />

ermitteln. Solche Sicherheitsnachweise können<br />

sein:<br />

Da bei der Bemessung von Dämmen die Normwerte<br />

der Sicherheiten nicht immer ausgeschöpft werden,<br />

besteht bei Erreichen der Alarmwerte eine Sicherheitsreserve.<br />

Bei Überschreitung der Alarmwerte sollte<br />

das geschilderte Verfahren auf Grenzwerte ausgedehnt<br />

werden (siehe Abb. 4). Als Grenzwerte haben<br />

wir Einwirkungen und Ergebnisse der Sicherheitsnachweise<br />

oder Versuchsergebnisse bezeichnet,<br />

bei denen die Normwerte der Sicherheiten ausgeschöpft<br />

werden.<br />

Solange die Messwerte diese Grenzwerte nicht erreichen,<br />

werden die Normvorgaben für die Teilsicherheiten<br />

eines Dammes eingehalten. Bei Überschreitung<br />

von Grenzwerten oder entsprechenden Kriterien wird<br />

die geforderte Normsicherheit nicht eingehalten.<br />

Durch Einführung der Messwerte in Sicherheitsnachweise<br />

analog zur Verfahrensweise bei den Alarmwerten<br />

ist die aktuelle quantitative Sicherheit nachweisbar.<br />

Alarm- oder Grenzwerte können, als übersichtliches<br />

Tabellenwerk gestaltet, ein hilfreiches Arbeitsmittel<br />

für den Betriebsingenieur einer Talsperre sein.<br />

Im folgenden werden Beispiele für die Sicherheitsbeurteilung<br />

auf der Grundlage von Messergebnissen<br />

vorgestellt.<br />

4 Beispiele<br />

4.1 Talsperre Falkenstein<br />

4.1.1 Allgemeine Angaben und Messergebnisse<br />

- Traditionelle Standsicherheitsnachweise (z. B.<br />

Böschungssicherheit unter Berücksichtigung gemessener<br />

Porenwasserdrücke)<br />

- Rückrechnung von Spannungs-Verformungszuständen<br />

durch Vorgabe von gemessenen Verschiebungen.<br />

Abb.4:<br />

aus Messungen<br />

Messwert<br />

Messwert<br />

Sicherheitskonzept<br />

aus Berechnungen,<br />

und Versuchen<br />

Sicherheit<br />

> Alarmwert < Berechnungswert<br />

< Alarmwert > Berechnungswert<br />

< Grenzwert<br />

> Grenzwert < Normwert<br />

> Normwert DIN 19700/10<br />

NL = 1,3<br />

BL = 1,2<br />

AL = 1,1<br />

Die Talsperre Falkenstein liegt in Sachsen (Vogtland)<br />

und wurde in den Jahren 1972 bis 1974 erbaut. Der<br />

Stauraum beträgt 1,3 Mio. m 3 . Der Dammquerschnitt<br />

ist in Abb. 5 dargestellt.<br />

Ein Komplexbauwerk erfüllt die Funktionen der Hochwasserentlastung,<br />

Brauchwasserentnahme und Entleerung.<br />

Der Fallschacht und die Grundablässe münden<br />

in ein Entlastungsgewölbe mit Zugangsteil, das<br />

unter dem Damm hindurchgeht.<br />

Der Kern und die Herdmauer sind durch Feldfugen<br />

unterteilt. Die Abdichtung der Feldfugen und der<br />

Kernaufstandsfuge erfolgt mit Kupferblechen.<br />

neuer<br />

Sicherheitsnachweis<br />

aktuelle<br />

quantitative<br />

Sicherheit<br />

aktuelle<br />

quantitative<br />

Sicherheit<br />

Der Damm weist seit Einstaubeginn<br />

kontinuierliche, zur<br />

Luftseite gerichtete Verschiebungen<br />

auf, die bei Vollstau<br />

stetig zunehmen. Damit verbunden<br />

ist eine Zunahme der<br />

Sickerwässer.<br />

Die Talsperre wird mit einem<br />

umfangreichen Messprogramm<br />

überwacht. Die maßgebenden<br />

Messeinrichtungen<br />

sind in Abb. 6 dargestellt.<br />

Durch Hydroprojekt wurde<br />

seit Staubeginn die Primärund<br />

Sekundärauswertung der<br />

Messergebnisse durchgeführt,<br />

es erfolgte die Ursa-<br />

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<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 21<br />

4.1.2 Sicherheitsbeurteilung<br />

Da nicht alle sicherheitsrelevanten<br />

P nkte des Dammes<br />

direkt messtechnisch<br />

überwacht werden köknen,<br />

erfolgtc Rückkechnunugen<br />

zum Spannungs-Verformungsverhahten<br />

ded Dammes<br />

mit der FEM.<br />

Die spezeellen Anforderungen<br />

an das stoffgesetz für<br />

Steinschüttmaterial wurden<br />

aus den Messergebnissen<br />

und aus Versuchen abgeleitet.<br />

Mit den Rückrechnungen<br />

konnten die Verformungszustände<br />

des Dammes<br />

näherungsweise nachvollzogen<br />

werden. Es wurde<br />

eine gute Übereinstimmung<br />

zwischen Berechnungsund<br />

Messergebnissen erreicht.<br />

In die Sicherheitsbeurteilung<br />

des Dammes wurden<br />

einbezogen:<br />

a) Die Riss-Sicherheit<br />

des Kernes<br />

oben Abb.5:<br />

unten Abb.6:<br />

Dammquerschnitt Talsperre Falkenstein<br />

Messeinrichtungen Talsperre Falkenstein<br />

chenerkundung für die kontinuierlichen Verschiebungen<br />

und das Anwachsen der Sickerwässer und die<br />

Rückrechnung des Verformungsverhaltens mit einer<br />

Sicherheitsbeurteilung für den Damm.<br />

Anhand der Primärauswertung für ausgewählte Messreihen<br />

lässt sich die zeitabhängige Veränderung des<br />

Dammzustandes demonstrieren (siehe Abb. 7).<br />

In Abb. 8 sind die Beþtonkernversc\iebungen an e nem<br />

Talfeld n ch Ersteinstau und nach 19 Jahrhn aufgezeichnet.<br />

Rechts in A b. 8 sind die vorhandenen drei<br />

Schwimmlote sinnbildlich dargestellt.<br />

Die Ergebnisse der Alignernents-, Schwimmlot- und<br />

Klinometermessungen zeigen, das eine relativ geringe<br />

Fußpunktverschiebung, eine den Dammverschiebungen<br />

angepasste Kronenverschiebung und eine Durchbiegung<br />

zur Luftseite besteht. 1993 war eine Kernverschiebung<br />

an der Krone von knapp 25 cm eingetreten.<br />

Es war zu überprüfen,ch<br />

der Kernverbiegung Alarmoder<br />

Grenzwerte überschritten<br />

werden. In den<br />

vorliegenden Nachweisen<br />

waren entsprechende Werte nicht ausgewiesen. Deshalb<br />

erfolgte eine Nachrechnung des Kernes mit der<br />

Stahlbetontheorie unter Berücksichtigung der durch<br />

die Messergebnisse gestützten Biegelinie.<br />

Der Kern kann vom Zustand I - ungerissen - im Bauzustand<br />

in den Zustand II - gerissen - übergehen,<br />

wenn es durch Einstau und zeitabhängige Verschiebungen<br />

zu einer entsprechend großen Verbiegung<br />

kommt. Mit einer Berechnung für Zustand II an<br />

Schnitten mit hoher Beanspruchung ergibt sich, dass<br />

der Querschnitt bis über die Mitte aufgerissen sein<br />

müsste. Bei Rissen bis über die Kernmitte besteht die<br />

Möglichkeit der Umströmung der Kupferbleche für die<br />

Feldfugenabdichtung.<br />

Damit konnte durch Einführung von Messergebnissen<br />

in den Riss-Sicherheitsnachweis der Kerndichtung<br />

nachgewiesen werden, dass der Grenzwert der Kernverbiegung<br />

weit überschritten ist.<br />

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22 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

Die Wellenform der Dichtungsbleche ermöglicht, dass<br />

gegenseitige Verschiebungen bis zu einer bestimmten<br />

Größe schadensfrei aufgenommen werden können.<br />

Der Raum um die Welle wird durch Plastehalbschalen<br />

von Beton freigehalten.<br />

Als Maximalbetrag ergaben sich 1993 rd. 34 mm gegenseitige<br />

Verschiebung. Dieser Betrag liegt unterhalb<br />

des Grenzwertes von 100 mm, der aus Verschiebeversuchen<br />

einbetonierter Kupferbleche ermittelt<br />

wurde.<br />

Aus verschiedenen Varianten der FEM-Prognoseberechnungen<br />

bis zum Jahre 2005 ergab sich ein maximaler<br />

Zuwachs von 12 mm. Die vorhandenen Reserven<br />

der Wellenverformung werden dann etwa zu 50 %<br />

ausgeschöpft sein.<br />

Unter Einbeziehung der Messergebnisse wurden weiterhin<br />

untersucht:<br />

- Rissicherheit des Anschlusses Dichtungsschleier<br />

an die Herdmauer;<br />

- Standsicherheit und hydraulische Sicherheit der<br />

Stützkörper;<br />

- Standsicherheit der Dammgründung.<br />

Die für den Istzustand von 1993 vorgenommene Sicherheitsbeurteilung<br />

und der damalige Bauwerkszustand<br />

gaben keinen Hinweis auf eine aktuelle Gefahrensituation.<br />

Abb.7: Messwerte Talsperre Falkenstein. Erläuterung zu Abb. 7:<br />

Kurve a: Von 1976 bis 1993 bestand mit nur geringen Unterbrechungen<br />

Vollstau.<br />

Kurve b: Seit 1985 sind zunehmende Sickerwassermengen zu verzeichnen.<br />

Kurve c, d: Seit Staubeginn sind ständig größer werdende Horizontal-<br />

und Vertikalverschiebungen an der Krone und an der<br />

Berme zu verzeichnen.<br />

Die Untersuchungen für den Prognosezeitraum wiesen<br />

eine Verringerung der Sicherheitsreserven aus, ohne<br />

dass es zur Unterschreitung der Normwerte der Sicherheiten<br />

für den Staudamm kommt.<br />

b) Riss-Sicherheit des<br />

Anschlusses Kern an<br />

die Herdmauer<br />

Um die horizontalen Verschiebungen<br />

zwischen<br />

Kern und Herdmauer nicht<br />

zu behindern, wurde eine<br />

speziell ausgebildete Aufstandsfuge<br />

angeordnet<br />

(siehe Abb. 9). Die Abdichtung<br />

dieser Fuge erfolgt<br />

ebenfalls mit Kupferblech.<br />

Luftseitig der Fuge sind<br />

Sickerwasserrohre verlegt,<br />

die in das Entlastungsgewölbe<br />

mit Zugangsteil münden.<br />

Abb.8:<br />

Messeinrichtungen und Verschiebungen am Kern der Talsperre Falkenstein<br />

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<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 23<br />

4.2 Weitere Sicherheitsbeurteilungen<br />

für andere<br />

Talsperren<br />

Weitere Sicherheitsbeurteilungen<br />

auf der Grundlage von<br />

Messergebnissen sind in<br />

Abb.10 zusammengestellt.<br />

Auf der Grundlage von Messergebnissen<br />

der Porenwasserdrücke<br />

in der geneigten<br />

Lehmdichtung der Talsperre<br />

Hohenleuben in Thüringen erfolgte<br />

die Sicherheitsbeurteilung<br />

für den Lastfall schnelle<br />

Stauspiegelsenkung. Aufgrund<br />

der Ergebnisse konnten<br />

Abb.9:<br />

Staubeschränkungen beim<br />

Absenken der Talsperre aufgehoben werden.<br />

Auf der Grundlage von Zeitreihen der Sohlenwasserdrücke<br />

und der Einstauhöhe konnten für den Standsicherheitsnachweis<br />

der Staumauer Weida in Thürigen<br />

Sohlenwasserdruckverteilungen für die in der DIN vorgeschriebenen<br />

Stauziele ermittelt werden.<br />

Abgeleitet aus Sohlenwasserdrücken, die mit einer<br />

dreidimensionalen Potentialströmungsberechnung im<br />

Rahmen des Standsicherheitsnachweises berechnet<br />

wurden, konnten für die Staumauer Hohenwarte in Thüringen<br />

Alarmwerte und Alarmmomente der Sohlenwasserdrücke<br />

bestimmt werden. Sie dienen dem Betreiber<br />

zur aktuellen Kontrolle der Messwerte vor Ort.<br />

Für die Staumauer Bleichloch wurden Grenzwerte des<br />

Sohlenwasserdruckes im Rahmen des Standsicherheitsnachweises<br />

bestimmt.<br />

Die zusammenfassende Darstellung und die Beispiele<br />

zeigen, dass es auch für Rückhaltebecken mit zeitweisem<br />

Einstau oder einem Teildauerstau möglich ist,<br />

aus Messergebnissen auf die aktuelle, quantitative Sicherheit<br />

zu schließen.<br />

Dichtung der Gelenkfuge in der Talsperre Falkenstein<br />

5 Anforderungen an Messeinrichtungen<br />

Die Anforderungen an die Messeinrichtungen werden<br />

bestimmt durch die Erfordernisse der Genauigkeit und<br />

der Ortsauflösung der Messwerte und dir konstruktiven<br />

Besonderheiten des Bauwerkes und sind<br />

u. a. festgehalten in einschlägigen Vorschriften und<br />

Regelwerken. Im Einzelnen sind die folgenden Phasen<br />

im „Leben“ des Bauwerkes messtechnisch zu begleiten:<br />

- Bauausführung<br />

- Inbetriebnahme<br />

(Probestau)<br />

- Nutzung im Hochwasserfall<br />

- Nutzung in hochwasserfreien<br />

Zeiten.<br />

Prinzipiell gelten an die Messeinrichtungen von Hochwasserrückhaltebecken<br />

die gleichen Anforderungen<br />

wie bei ständig eingestauten Anlagen. Einige Besonderheiten<br />

verdienen es aber, hervorgehoben zu werden.<br />

Dies sind:<br />

Talsperre Absperrbauwerk Messergebnis Sicherheitsausbildung<br />

Hohenleuben<br />

(Landestalsperrenverwaltung<br />

Thüringen)<br />

Weida<br />

(Landestalsperrenverwaltung<br />

Thüringen)<br />

Hohenwarte 1<br />

(VEAG Thüringen)<br />

Bleiloch<br />

(VEAG Thüringen)<br />

Damm<br />

geneigte Lehmdichtung Porenwasserdrücke Böschungsstandsicherheit<br />

Staumauer<br />

Staumauer<br />

Staumauer<br />

Sohlenwasserdrücke<br />

Verschiebungen<br />

Verschiebungen<br />

Pendellotmessungen<br />

Temperaturen<br />

Sohlenwasserdrücke<br />

Verschiebungen<br />

Gesamtstandsicherheit<br />

Gesamtstandsicherheit<br />

Gesamtstandsicherheit<br />

Vorgabe von Grenzwerten<br />

Abb.10: Sicherheitsbeurteilungen an Talsperren auf der Grundlage von Messergebnissen.<br />

- lange Ruhepausen,<br />

im Extremfall Jahre,<br />

- starke Gradienten<br />

der Messgrößen<br />

durch schnellen Einund<br />

Abstau,<br />

- Messungen im Belastungsfall<br />

eventuell<br />

unter widrigen Witterungsbedingungen<br />

(Regen, Gewitter),<br />

- starke Belastung für<br />

das Staupersonal im<br />

Hochwasserfall<br />

(Stress, körperliche<br />

Belastung....).<br />

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24 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

Messgröße Messeinrichtung Anordnung Messmethode/ Messgerät<br />

manuell<br />

automatisiert<br />

Sickerwassermenge Dränage-Mess-<br />

Schächte<br />

mehrere Profile,<br />

mindestens<br />

1x pro Hang<br />

Gefäßmessung<br />

Messwehr und Messung<br />

der Überfallhöhe<br />

Wasserstand im<br />

Stützkörper<br />

des Dammes<br />

(Sickerlinie)<br />

Porenwasserdruck<br />

Dammpegel<br />

Porenwasserdruck-<br />

Geber<br />

Tabelle 1: hydrometrische Messeinrichtungen<br />

Profilweise in einem/<br />

mehreren<br />

Querprofilen<br />

linienhaft in der Dichtung<br />

bzw.<br />

Dammkörper<br />

Lichtlotmessung<br />

nicht möglich<br />

elektrische / pneumatische<br />

Druckgeber<br />

elektrische / pneumatische<br />

Druckgeber<br />

- Stauanlage zumindest zu Beginn des Hochwasserereignisses<br />

unbesetzt,<br />

- Vandalismus.<br />

Daraus ergeben sich spezielle Anforderungen an die<br />

Messeinrichtungen wie z. B.:<br />

- lange Lebensdauer,<br />

- extrem robuste und zuverlässige Ausführung,<br />

- einfache und schnelle Bedienbarkeit,<br />

- automatische Datenerfassung mit variabler Aufzeichnungsrate,<br />

evtl. ereignisgetriggert,<br />

- Überspannungs- und Blitzschutz,<br />

- kostengünstig bei Montage, Messung und Wartung.<br />

5.1 Arten von Messeinrichtungen<br />

5.1.1 Messeinrichtungen für den Betrieb<br />

Laut DVWK-Merkblatt 202/91 sind mindestens die folgenden<br />

Messeinrichtungen vorgeschrieben:<br />

- Erfassung des Beckenpegels;<br />

- Messung der Abflussmenge;<br />

- Erfassung der Stellung der Regelarmaturen (falls<br />

vorhanden).<br />

Zusätzlich ist es sinnvoll, zur Steuerung des Stauregimes<br />

die Zuflussmenge, die Niederschlagsmenge an<br />

ausgewählten Punkten im Einzugsgebiet und wichtige<br />

unterwasserseitige Pegel zu erfassen, zu registrieren<br />

und zeitnah auszuwerten. Wegen der dezentralen<br />

Messwerterfassung spielt hierbei eine auch im Katastrophenfall<br />

gesicherte Datenübertragung (z. B. Datenfunk)<br />

eine wichtige Rolle.<br />

5.1.2 Messeinrichtungen zur Überwachung des<br />

geotechnischen / konstruktiven Verhaltens<br />

a) Hydrometrische Messeinrichtungen<br />

Hydrometrische Messungen erfassen im weitesten<br />

Sinne Wasserstände, Wasserdrücke oder –mengen<br />

und damit hydrostatische oder hydrodynamische Einflüsse<br />

auf das Bauwerk und seine unmittelbare Umgebung<br />

(siehe Tabelle 1).<br />

Besonders wichtig im Zusammenhang mit der Sicherheitsbewertung<br />

ist die Erfassung der Sickerlinie im<br />

Damm, also die räumlich differenzierte Erfassung des<br />

Wasserstandes im Stützkörper des Dammes, besonders<br />

hinter der Dichtung. Um Kenntnisse über den<br />

Potentialabbau gewinnen zu können, müssen zur Gewährleistung<br />

einer hohen Aussagekraft die Messpegel<br />

profilweise angeordnet sein. Der Verlauf der Sickerlinie<br />

ist zumindest im Hauptquerschnitt an mehreren<br />

Stützstellen zu erfassen. In der Praxis hat sich bewährt,<br />

zur Anordnung der Pegelrohre die Dammkrone<br />

und Bermen zu nutzen und die Bohrung etwa in Höhe<br />

der Gründung enden zu lassen. Der Zugang zu den<br />

Pegeln muss ständig, also auch im Winter gewährleistet<br />

sein.<br />

Die Erfassung der Sickerwassermenge am luftseitigen<br />

Dammfuß gibt Auskunft über die Unter- bzw.<br />

Durchströmung des Absperrbauwerkes. Die Einflüsse<br />

werden generell nur summarisch erfasst. Durch eine<br />

gute konstruktive Differenzierung ist es aber möglich,<br />

Bereiche hoher Durchsickerung räumlich einzugrenzen.<br />

Hierzu sind zumindest die Wassermengen an<br />

beiden Hängen und in der Talaue getrennt zu erfassen.<br />

Besser ist eine weitergehende Unterteilung. In<br />

diesem Zusammenhang soll auf die getrennte Ableitung<br />

der einmal erfassten Sickerwässer in die Vorflut<br />

hingewiesen werden. Der Messtechniker wird immer<br />

dann vor Probleme gestellt, wo bereits einmal gefasste<br />

Wassermengen unkontrolliert wieder versickern und<br />

in anderen Bereichen wieder zutage treten.<br />

Insbesondere an Dämmen mit Lehmdichtung ist es<br />

notwendig, den Porenwasserdruck im bindigen Material<br />

gezielt zu erfassen. Dies geschieht mit Hilfe von<br />

elektrischen oder pneumatischen Druckgebern, wobei<br />

letztere den Vorteil der Störunempfindlichkeit gegenüber<br />

Überspannungseinflüssen (Blitzschlag) besitzen.<br />

Bei der Auswahl der Geber ist auf hohe Nullpunktkonstanz<br />

und Gewährleistung einer langen Lebensdauer<br />

durch geeignete konstruktive Merkmale<br />

und langlebige Materialien zu achten.<br />

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<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 25<br />

b) Geometrische / geomechanische Messeinrichtungen<br />

interessierenden Belastungsfalles, meist ausschließt.<br />

Deformationen im Innern des Dammes können nicht<br />

direkt erfasst werden, allenfalls deren Auswirkungen.<br />

Vertikale Bewegungen im Damm können entlang von<br />

horizontal liegenden Messbahnen mittels stationärer<br />

oder beweglicher Überlaufschlauchwaagen oder<br />

durch pneumatische Setzungspegel gemessen werden.<br />

Letztere besitzen den Nachteil geringerer Genauigkeit,<br />

erfordern aber weniger baulichen Aufwand beim<br />

Einbau. Ein Nachrüsten von Dämmen im Sinne einer<br />

Erweiterung des Messsystems mit derartigen Systemen<br />

ist praktisch nicht möglich.<br />

Tabelle 2: Messung von vertikalen Bewegungen im und am Absperrbauwerk<br />

Messgröße Messeinrichtung Anordnung Messmethode/ Messgerät<br />

manuell<br />

automatisiert<br />

Verschiebung<br />

Objektpunkte für die<br />

Lagemessung<br />

Dammkrone, evtl. auch auf<br />

den luftseitigen Bermen<br />

geometrisches/<br />

trigonomtrisches<br />

Alignement<br />

automatische Registrierung<br />

(Digitaltheodolit)<br />

Handmessgerät<br />

elektrischer Weggeber<br />

Verschiebung,<br />

berechnet aus<br />

Neigungen<br />

im Stützkörper entlang der<br />

Dammachse, verknüpft mit<br />

Magnetsonde<br />

Verschiebung Schwimmlot<br />

Messnischen im<br />

Kontrollgang<br />

Tabelle 3: Messung von vertikalen Bewegungen im und am Absperrbauwerk<br />

Inklinometersonde,<br />

Messung in Nutzrohren<br />

Verschiebung horizontale Extensometer horizontale Messbahnen<br />

gekoppelt mit Überlaufschlauchwaage<br />

Vertikalverschiebungspegel<br />

Koordimetermessung<br />

automatische<br />

Erfassung und<br />

Berechnung notwendig<br />

automatische Positionsgeber<br />

Bewegungen treten prinzipiell als Vektoren unterschiedlicher<br />

Raumlage und Beträge auf, unabhängig<br />

davon, ob nur ein- oder zweidimensionale Komponenten<br />

dieser Bewegungen im konkreten Fall erfasst werden<br />

können. Die im Folgenden vorgenommene Trennung<br />

in vertikale und horizontale Anteile hat ihre Ursache<br />

in der Gestaltung der Messeinrichtungen sowie<br />

der Gegebenheiten beim Einbau derselben. Zur gezielten<br />

Erfassung aller Deformationskomponenten ist es<br />

also wichtig, dass alle Einzelanteile möglichst am gleichen<br />

Ort und zeitnah erfassbar sind. In die Betrachtung<br />

sind stets auch die unmittelbare Umgebung des<br />

Absperrbauwerkes und besonders alle Anschlüsse zu<br />

Betonbauwerken einzubeziehen (vgl. Tabelle 2).<br />

Das Nivellement, ausgeführt als Präzisionsnivellement,<br />

ist das mit Abstand am häufigsten angewendete<br />

Verfahren der Deformationsmessung an kleinen<br />

Dämmen. Die Erfassung von Höhenänderungen ist an<br />

der Außenkontur des Absperrbauwerkes, in seiner<br />

unmittelbaren Umgebung sowie an zugänglichen Anschlüssen<br />

von Betonbauwerken an den Damm möglich<br />

und lässt sich als Standardaufgabe des Vermessungswesens<br />

mit hoher Genauigkeit lösen. Nachteilig<br />

ist die starke Abhängigkeit von geeigneten Witterungsbedingungen<br />

bei der Messung, was eine Durchführung<br />

bei Regen und heftigem Wind, also u. U. während des<br />

Vertikale Setzungspegel, kombiniert mit Inklinometermessbahnen,<br />

bieten den Vorteil der echt dreidimensionalen<br />

Deformationsaussage. Dazu werden außen<br />

um spezielle Nutrohre im Zuge der Dammschüttung<br />

Magnetringe eingebaut, deren Vertikalbewegung mittels<br />

Magnetsonde messbar ist. Durch Messungen<br />

während der Bauzeit ist eine frühzeitige baubegleitende<br />

Überwachung möglich. Derartige Systeme lassen<br />

sich bei Bedarf auch nachträglich einbauen. Die Messung<br />

erfolgt von der Dammkrone aus, die Pegel erfassen<br />

Bewegungen im Dammkörper entlang der Dammachse<br />

(vgl. Tabelle 3).<br />

Das Standardverfahren zur Messung horizontaler Bewegungen<br />

(z. B. Verschiebungen) auf der Dammkrone<br />

in der Hauptbewegungsrichtung orthogonal zur Damm-<br />

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26 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

achse ist das Alignement. Beim geometrischen Alignement<br />

wird ein bewegliches Zielzeichen in die Ziellinie<br />

eingewiesen, bei der trigonometrischen Variante<br />

wird die Abweichung des Zieles aus der Bezugslinie<br />

durch Winkelmessung mit Hilfe eines Tachymeters erfasst.<br />

In beiden Fällen muss die Bezugsachse durch<br />

zwei oder mehr Festpunktpfeiler mit sicherer Gründung<br />

definiert werden.<br />

Die Verschiebungsmessung im Damminnern ist wiederum<br />

entlang horizontaler oder vertikaler Achsen<br />

möglich. Sinnvoll ist die Kombination mit Setzungspegeln,<br />

um aus der Kombination vertikaler und horizontaler<br />

Komponenten räumliche Bewegungen ableiten<br />

zu können und nicht zuletzt Baukosten bei der Verlegung<br />

und Anpassung zu sparen. Für punktuelle Messungen<br />

lassen sich sehr kostengünstige und flexibel<br />

einsetzbare Extensometer verwenden. Die Einbaulängen<br />

können in den meisten Fällen direkt auf der Baustelle<br />

angepasst werden. Für jeden Messpunkt ist ein<br />

Extensometer erforderlich, so dass nur ausgewählte<br />

und vorher definierte diskrete Bereiche überwacht<br />

werden können.<br />

Mittels Inklinometersonde können Bewegungen entlang<br />

der Messrohre mit wesentlich höherer Ortsauflösung,<br />

in der Regel in 1 m - Schritten, lokalisiert werden.<br />

Die Messungsdurchführung und –auswertung hingegen<br />

ist zeitaufwendiger.<br />

6 Dokumentation<br />

An die Dokumentation der Messgeräte und Messeinrichtungen<br />

werden besonders hohe Anforderungen gestellt.<br />

Nur so können die mit viel Aufwand und teilweise<br />

hohen Kosten gewonnenen Messreihen ausreichend<br />

genau ausgewertet und interpretiert werden.<br />

Als Mindestforderungen sind unmittelbar während der<br />

Bauzeit zu erfassen:<br />

- Bezeichnung der Messstelle;<br />

- Lage und Höhe in einem einheitlichen Koordinatensystem;<br />

- wichtige Kenngrößen (Teufen, Höhen der Gründungsfuge,<br />

Bohrlochausbau);<br />

- Geberprotokoll (Typ, Gebernummer, Charge, Kabeltyp<br />

und -bezeichnung, Kalibrierdaten, Messwerte<br />

vor dem Einbau ...);<br />

- Messwert beim Einbau;<br />

- Ausführungszeichnungen (keine Projektzeichnungen);<br />

- Fotodokumentation;<br />

- Bedienungs- und Wartungsanleitung.<br />

7 Zusammenfassung<br />

Die Konzeption, die Projektierung und der Einbau von<br />

Messeinrichtungen zur Überwachung des Verhaltens<br />

der Absperrbauwerke von Hochwasserrückhaltebekken<br />

erfordert viel Erfahrung, um angepasste, kostengünstige<br />

und vor allem aussagekräftige Lösungen zu<br />

finden. Die o. g. Systeme können in vielfältiger Weise<br />

kombiniert, abgewandelt und erweitert werden, um<br />

auch nachträglich bei entsprechender Notwendigkeit<br />

Erweiterungen vornehmen zu können.<br />

Ausgehend von Primär- und Sekundärauswertungen<br />

der Messergebnisses sind Sicherheitsbeurteilungen<br />

von Hochwasserrückhaltebecken mit zeitweisem Einstau<br />

oder Teildauerstau durch Vergleiche mit Einwirkungen<br />

und Ergebnissen von Standsicherheitsnachweisen<br />

gemäß DIN 19700, Teil 10 möglich.<br />

Anschrift der Verfasser:<br />

Dr. Klaus Girod,<br />

Holger Rosenkranz<br />

HPI Ingenieurgesellschaft mbH<br />

Büro Erfurt<br />

Dittelstedter Grenze 3<br />

99099 Erfurt<br />

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<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 27<br />

Hochwasserentlastungsanlagen und<br />

Freibordbemessung<br />

von Matthias Groteklaes<br />

1 Einleitung<br />

Der Vortrag soll einen kurzen Überblick geben über<br />

· die Funktion der Hochwasserentlastungsanlage,<br />

· die wichtigsten Bauwerksgrundtypen mit ihren Besonderheiten,<br />

· die Funktion der Energieumwandlung,<br />

· die Bemessungslastfälle und die Freibordbemessung.<br />

Er stützt sich im Wesentlichen auf die DIN 19700 Teil<br />

10 und 12, die DVWK-Merkblätter 202 und 246, den<br />

Leitfaden zu Dammscharten im Handbuch Wasser 2<br />

und vor allem die Gutachten zur „Hydraulischen Gestaltung<br />

von Hochwasserentlastungsanlagen“, die die<br />

Universität Stuttgart seinerzeit für das Ernährungsministerium<br />

erstellt hat. Im Leitfaden und den Gutachten<br />

finden sich ausführliche Hinweise zur Gestaltung und<br />

hydraulischen Bemessung, auf die hier nicht eingegangen<br />

werden kann.<br />

2 Funktion der Hochwasserentlastungsanlage<br />

Das Überströmen eines Absperrdammes einer Stauanlage<br />

kann zu dessen vollständiger Zerstörung mit<br />

entsprechenden Folgen für die Unterlieger führen,<br />

weshalb dies mit großer Sicherheit ausgeschlossen<br />

werden muss. Hochwasserentlastungsanlagen haben<br />

deshalb die Funktion, mindestens den Bemessungsabfluß<br />

sicher und schadlos für<br />

die Stauanlage aus dem Bekken<br />

abzuführen. Das gesamte<br />

Bauwerk muss so entworfen<br />

und bemessen sein, daß es bei<br />

allen Lastfällen hydraulisch einwandfrei<br />

funktioniert und beherrschbare<br />

Abfluß- und Belastungsverhältnisse<br />

aufweist.<br />

Der Augenmerk ist also nicht<br />

nur darauf zu richten, daß die<br />

Anlage einwandfrei bemessen<br />

ist, sondern im Ernstfall auch<br />

funktionssicher ist, d. h. insbesondere,<br />

daß etwa vorhandene<br />

Verschlüsse geöffnet werden<br />

können und sich die Anlage<br />

nicht durch Treibgut und ähnliches<br />

verlegen kann. Gleichzeitig können aber durchaus<br />

Schäden hingenommen werden, solange sie das<br />

Absperrbauwerk nicht gefährden.<br />

Staumauern können bei einer Überströmung dagegen<br />

nicht pauschal als gefährdet behandelt werden. Sie<br />

lassen u. a. deshalb auch andere Möglichkeiten der<br />

Hochwasserentlastung zu; weil sie aber als Absperrbauwerk<br />

für Hochwasserrückhaltebecken keine große<br />

Rolle spielen, wird im Weiteren nicht auf sie eingegangen.<br />

3 Bauwerksgrundtypen<br />

3.1 Hangseitenentlastung<br />

Die Hangseitenentlastung besteht aus der Überfallschwelle<br />

in den Trog mit anschließendem Übergangsbauwerk<br />

in die Schußrinne und in der Regel einem<br />

Auslaufbauwerk zum Tosbecken (Abb.1). Wie der<br />

Name schon sagt, wird die Entlastung im Hang angeordnet<br />

und führt mehr oder weniger am Damm vorbei.<br />

Die Überfallschwelle kontrolliert den Wasserstand im<br />

Becken bzw. den Abfluß über die Hochwasserentlastungsanlage.<br />

Im Sammeltrog wird der Abfluß vor<br />

Eintritt in die Schußrinne beruhigt. Erst im Übergangsbauwerk<br />

sollte der Übergang zum Schießen erfolgen.<br />

Damit ist es möglich, den Abfluß umzulenken<br />

und auf die Schußrinnenachse auszurichten, um dort<br />

möglichst störungssfreie Verhältnisse herzustellen.<br />

Abb. 1: Funktionselemente einer Hangseitenentlastung<br />

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28 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

Abb. 2: Abflußzustände in kleinen Schachtbauwerken<br />

Dies ist erforderlich, weil Störungen bei schießendem<br />

Abfluß schwer beherrschbare Effekte wie z. B. Kreuzwellen<br />

bewirken, die sich rechnerisch i. d. R. nicht<br />

mehr erfassen lassen und einen Modellversuch erfordern.<br />

Deshalb müssen schießender Abfluß schon im<br />

Trog, Krümmungen oder Querschnittsänderungen der<br />

Schußrinne, aber auch sonstige Störungen jeglicher<br />

Art wie z. B. Einbauten oder Stöße an Fugen durch<br />

Setzungen, vermieden werden.<br />

Der Sammeltrog ist so anzuordnen, daß eine ungestörte<br />

und möglichst senkrechte Anströmung erzielt<br />

wird. Sofern eine Abweisvorrichtung gegen Treibgut erforderlich<br />

ist, sollte diese in ausreichendem Abstand<br />

vor der Überfallschwelle liegen. Die Schwelle selbst<br />

sollte aus Gründen der Verkehrssicherung eine Brüstungshöhe<br />

von mindestens 90 cm haben. Ist der Trog<br />

überdeckelt, sollte über der Überfallhöhe noch ein ausreichender<br />

Abstand sein.<br />

Die Vorteile der Hangseitenentlastung sind ihre hohe<br />

Leistungsfähigkeit, die Überwindung größerer Höhenunterschiede<br />

und die in vielen Fällen erzielbaren hydraulisch<br />

klaren Verhältnisse. Die Talflanke muss aber<br />

aufgrund ihrer Beschaffenheit (Neigung,<br />

Rutschungsgefährdung) geeignet sein. Problematisch<br />

kann die landschaftliche Einbindung sein. Bei kleinen<br />

Abmessungen besteht aufgrund der zweimaligen<br />

rechtwinkligen Umlenkung im Trog ein Verklausungsrisiko.<br />

3.2 Schachtbauwerke<br />

Schachtentlastungen unterscheiden sich von anderen<br />

Typen von Hochwasserentlastungsanlagen vor allem<br />

dadurch, daß nahezu der gesamte Höhenunterschied<br />

zwischen Beckenwasser- und Unterwasserspiegel auf<br />

kürzester Distanz, nämlich im Fallschacht überwunden<br />

wird. Aufgrund der damit verbundenen großen Geschwindigkeiten<br />

und der Umlenkung in die Horizontale<br />

bei geschlossenem Querschnitt ist das Abflußgeschehen<br />

bei großen Fallhöhen sehr komplex. Dadurch ergeben<br />

sich aufwendige Konstruktionen, bei kleinen<br />

Fallhöhen und Wassermengen sind aber vereinfachte<br />

Lösungen möglich, so daß in diesem Fall ein größerer<br />

Anwendungsbereich auch für Hochwasserrückhaltebecken<br />

gegeben ist.<br />

Bei Stauhöhen bis ca. 10 m kann die Hochwasserentlastungsanlage<br />

als einfacher Vertikalschacht mit direkt<br />

angeschlossenem Ablaufstollen ausgeführt werden.<br />

Der Schacht kann allseitig, seitlich und frontal oder nur<br />

frontal angeströmt werden, wobei insbesondere bei allseitiger<br />

Anströmung auf einen genügenden Abstand<br />

zum Damm hin zu achten ist. Die Überfallhöhe sollte<br />

1 m nicht überschreiten. Der Fallschacht selbst darf in<br />

keinem Fall eine Querschnittsverengung nach unten<br />

oder in den Fließquerschnitt hineinragende Einbauten<br />

aufwiesen. Im Ablaufstollen sollte ein einwandfreier<br />

und stabiler Freispiegelabfluß gewährleistet sein, weil<br />

Störungen des i. d. R. schießenden Abflusses im geschlossenen<br />

Profil besonders kritisch sind (Abb. 2).<br />

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<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 29<br />

Abb. 3: Hochwasserentlastungsanlage in Lockerbauweise (Dammscharte und Flutmulde)<br />

Unter diesem Gesichtspunkt muss deshalb auch einem<br />

in den Fallschacht einmündenden Grundablaß<br />

Beachtung geschenkt werden, ebenso einem Rückstau<br />

vom Tosbecken her. Eine Belüftung ist oft nicht notwendig.<br />

Zur Vermeidung von Verklausungen können Abweisvorrichtungen<br />

angebracht werden, aber in einer Entfernung,<br />

daß eine Verlegung der Einlaufquerschnitte<br />

ausgeschlossen ist. Auch hier ist zur Verkehrssicherung<br />

eine Brüstungshöhe von 90 cm erforderlich, keinesfalls<br />

dürfen deshalb Gitter o. ä. direkt in die Einlauföffnungen<br />

eingebaut werden.<br />

Abb. 4: Längsschnitt einer Dammscharte<br />

Vorteil dieses Anlagentyps ist die kompakte Ausführung,<br />

insbesondere in Kombination mit dem Grundablaß,<br />

die auch ein gemeinsames Tosbecken ermöglicht.<br />

Sie kommt zudem dann in Betracht, wenn Topografhie<br />

und Geologie andere Lösungen nicht zulassen.<br />

Nachteil ist aufgrund der geschlossenen Bauweise<br />

und der oftmals kleinen Abmessungen mit mehrfacher<br />

Umlenkung die Versetzungsgefahr sowie im Hinblick<br />

auf Störungen des Abflusses die Empfindlichkeit gegen<br />

Setzungen.<br />

3.3 Flutmulden und Dammscharten<br />

Flutmulden und Dammscharten sind Gerinne zur<br />

Hochwasserableitung, deren Verhältnis von Tiefe zu<br />

Breite sehr gering ist.<br />

Eine Flutmulde befindet sich abseits des Absperrbauwerkes<br />

(Abb. 3). Sie verläuft deshalb nicht in künstlich<br />

geschüttetem, sondern anstehendem Untergrund.<br />

Weil der Dammkörper in der Regel nicht gefährdet ist,<br />

kann eine Sicherung auf die stark beanspruchten Bereiche<br />

beschränkt werden. Ob eine Flutmulde<br />

überhaupt in Betracht kommt,<br />

hängt sehr stark von den topografischen<br />

Gegebenheiten ab. Die einzelnen Elemente<br />

sind die gleichen, wie sie bei<br />

Dammscharten ebenfalls erforderlich<br />

sind.<br />

Dammscharten (Abb. 4) bestehen aus einem<br />

Einschnitt in der Dammkrone, einem<br />

anschließenden Entlastungsgerinne -<br />

meist als Rauhgerinne - und einem Auslaufbereich.<br />

Den Abschluß des Entla-<br />

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30 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

stungsgerinnes bildet eine Fußsicherung, die gleichzeitig<br />

auch als Stützbauwerk für das Deckwerk dienen<br />

kann. Da Dammscharten zumindest zum Teil über den<br />

künstlich errichteten Dammkörper verlaufen, zieht<br />

eine Erosion eine Beschädigung des Dammkörpers<br />

und damit die Gefahr der Beschädigung des<br />

Absperrbauwerkes nach sich.<br />

Grundsätzlich können sie sowohl in massiver wie in<br />

lockerer Bauweise ausgeführt werden. Vielleicht wegen<br />

der im Dammbereich zu erwartenden Setzungen<br />

herrscht bei den in den letzten Jahren errichteten<br />

Becken die Lockerbauweise vor. Dies hat eine vergleichsweise<br />

geringe Abflußleistung pro Meter Gerinnebreite<br />

und damit eine große Überlaufbreite zur Folge.<br />

Bei dem Deckwerk wird zwischen Steinsatz und<br />

Steinschüttung unterschieden. Während bei einer<br />

Steinschüttung die Steine locker in einer bestimmten<br />

Schüttdicke aufgebracht werden, müssen beim Steinsatz<br />

die Steine einlagig auf Kontakt gesetzt werden,<br />

um eine gute Verklammerung zu erzielen. In der Regel<br />

werden unregelmäßige Steine verwendet, um eine<br />

möglichst rauhe Oberfläche und damit schon eine<br />

weitgehende Energieumwandlung im Entlastungsgerinne<br />

zu erzielen. Eine Energieumwandlungsanlage<br />

am Fuße der Dammscharte kann deshalb meistens<br />

entfallen, es ist lediglich die Sicherung gegen rückschreitende<br />

Erosion erforderlich. Insgesamt ist so ein<br />

wirtschaftlicher Einsatz von Dammscharten mit flexiblem<br />

und rauhem Aufbau, um die es im weiteren nur<br />

geht, nur bei spezifischen Belastungen < 1 m³/s/m<br />

und bei Neigungen geringer als 1 : 6, bei Steinschüttungen<br />

sogar 1 : 8, möglich.<br />

Um die Länge des Entlastungsgerinnes zu begrenzen,<br />

wird die Dammscharte möglichst am Talrand angeordnet<br />

(Abb. 5). Eine Weiterführung in das Gelände ist<br />

oft nicht erforderlich. Es ist durch entsprechende<br />

Konstruktion lediglich sicherzustellen, daß der Böschungsfuß<br />

nicht gefährdet wird und das abfließende<br />

Wasser vom Dammfuß ferngehalten wird.<br />

Dammscharten wurden in den letzten Jahren zumindest<br />

im Regierungsbezirk Freiburg recht oft ausgeführt,<br />

weil sie eine Reihe von Vorteilen aufweisen. Die<br />

Versetzungsgefahr ist sehr gering, da weder eine<br />

Umlenkung erfolgt und die Querschnitte vergleichsweise<br />

groß sind. Aufgrund des flexiblen Aufbaus<br />

können sie direkt über den Damm geführt werden<br />

und ein Tosbecken kann wegen der Rauhgerinneströmung<br />

oft entfallen, teilweise sogar das vom Fuß<br />

des Dammes weiterführende Gerinne. Es ist aber zu<br />

befürchten, daß zumindest in den ersten Jahren in<br />

einer Reihe von Fällen nicht alle mit dieser Konstruktionsweise<br />

verbundenen Fragestellungen in ihrer<br />

vollen Tragweite erkannt wurden. Bei der Bemessung<br />

der neueren Anlagen mussten jedenfalls, sowohl<br />

was Neigung als auch die spezifische Belastung betrifft,<br />

Abstriche gemacht werden. Dies führt zu größeren<br />

Abmessungen sowohl des gesamten Bauwerks<br />

wie auch der Steine, und die Dammscharte wird damit<br />

zu einem oft nicht zu übersehenden Bestandteil des<br />

Beckens. Die teilweise deswegen praktizierte Begrünung<br />

durch Überschütten der Rampe ist dagegen bedenklich,<br />

weil ein rechtzeitiges Ausspülen des Materials<br />

nicht gewährleistet ist und sich damit andere Fließverhältnisse<br />

einstellen als der Bemessung zugrundegelegt.<br />

Die Folge ist ein wesentlich beschleunigter Abfluß<br />

mit entsprechendem Angriff am Böschungsfuß.<br />

3.4 Weitere Bauwerkstypen<br />

In gewisser Hinsicht eine konsequente Weiterentwicklung<br />

der Dammscharte ist der überströmbare<br />

Damm; damit kann auf den Freibord verzichtet werden.<br />

Sehr leistungsfähig, aber auch konstruktiv aufwendig,<br />

ist der Heber. Nur in Ausnahmefällen in Betracht<br />

kommt die sog. Druckentlastung, weil dazu die<br />

Öffnung des unter Druck stehenden, geschlossenen<br />

Verschlusses gewährleistet sein muss. Bei niedrigen<br />

Dammhöhen werden auch wehrähnliche Lösungen<br />

ausgeführt.<br />

4 Andere Einteilungskriterien<br />

Abb. 5: Anordnung einer Dammscharte im Talraum<br />

Hochwasserentlastungen können auch nach weiteren<br />

Kriterien unterschieden werden. So ist ein wichtiges<br />

Merkmal einer Hochwasserentlastungsanlage ihre<br />

Überlastbarkeit (Abb. 6). Bei überlastbaren Anlagen<br />

erfolgt die Abflußkontrolle ausschließlich durch den<br />

Einlaufquerschnitt, was mit zunehmender Überfallhöhe<br />

wesentliche Leistungssteigerungen zuläßt, bei<br />

nicht-überlastbaren Annlagen findet sich die Abflußkontrolle<br />

hinter dem Einlaufquerschnitt und staut diesen<br />

ein, weshalb eine Leistungssteigerung dann nur<br />

noch gering ist. Daraus folgt, daß bei der hydraulischen<br />

Bemessung ein Augenmerk darauf zu richten<br />

ist, daß bei steigenden Wassermengen nicht ein anderer<br />

Abflußquerschnitt maßgebend wird. Der Begriff<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 31<br />

5 Energieumwandlung<br />

Der Abfluß aus Hochwasserentlastungsanlagen<br />

erfolgt in aller Regel schießend,<br />

d. h. mit hoher kinetischer Energie, welche<br />

im Unterwasser erhebliche Schäden<br />

verursachen kann. Daraus resultiert die<br />

Forderung, durch bauliche Maßnahmen<br />

die Standsicherheit der Ableitungsbauwerke<br />

und des Dammes in allen Betriebsfällen<br />

sicherzustellen, unter Umständen<br />

ist aber auch eine kontrollierte<br />

Energieumwandlung zur Verminderung<br />

von Schadenswirkungen im Unterwasser<br />

erforderlich.<br />

Abb. 6:<br />

Freispiegelabfluß A (überlastbar ), Druckabfluß B (nicht überlastbar)<br />

„überlastbar“ bezieht sich hier allein auf die hydraulische<br />

Leistungsfähigkeit und darf nicht mit der Belastbarkeit<br />

insgesamt verwechselt werden, insbesondere<br />

nicht bei Rauhgerinnen.<br />

Ein weiteres wichtiges Merkmal ist das Vorhandensein<br />

eines beweglichen Verschlusses. Bei diesen An-<br />

Aus hydraulischer Sicht wird dazu ein<br />

kontrollierter Übergang vom schießenden<br />

zum strömenden Abfluß in einem eigens dafür vorgesehenen<br />

Bereich erzwungen. Dies erfolgt in der Regel<br />

durch bauliche Maßnahmen, welche eine gezielte<br />

und örtlich fixierte Energieumwandlung sicherstellen<br />

(Tosbecken).<br />

Abb. 7: Grundtypen von Tosbecken<br />

lagen wird der Einlaufquerschnitt erst durch Öffnen eines<br />

Verschlusses freigemacht. Der Vorteil ist, daß<br />

entsprechend der Höhe des Verschlußorgans Stauraum<br />

gewonnen wird. Der Nachteil ist die damit<br />

verbundene Gefahr des Versagens eines Verschlußorgans.<br />

Die Mehrzahl der Tosbecken läßt sich auf drei einfache<br />

Grundtypen zurückführen (Abb. 7). Es sind dies die<br />

Sohlstufe am Beckenende (positive Stufe), der Sohlabsatz<br />

am Beckeneinlauf (negative Stufe) und die plötzliche,<br />

seitliche Aufweitung (räumliches Tosbecken). In<br />

vielen Fällen werden diese Grundtypen miteinander<br />

kombiniert oder durch zusätzliche Maßnahmen wie<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


32 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

6 Bemessungslastfälle<br />

Die Lastfälle für die Bemessung der Hochwasserentlastungsanlage<br />

sind in Tabelle 2<br />

des Teils 12 der DIN 19700 zusammengestellt<br />

(Tabelle 1).<br />

Abb. 8: Kolk nach horizontal eingeleitetem Schußstrahl<br />

z. B. Einbauten verstärkt. Die Tosbecken sollten in einem<br />

Mindestabstand vom Damm angeordnet werden;<br />

im Anschluß an das Becken erfolgt ein kontinuierlicher<br />

Übergang ins Unterwasser.<br />

Das Tosbecken kann auch als Kolksee ausgeführt<br />

werden (Abb. 8). Auch hier ist besondere Aufmerksamkeit<br />

auf eine rückschreitende Erosion zu richten.<br />

Im Extremfall, z. B. bei entsprechend widerstandsfähigem<br />

Untergrund oder eben bei Rauhgerinneentlastungen,<br />

ist eine Energieumwandlung nicht erforderlich,<br />

wenn eine rückschreitende Erosion der<br />

Hochwasserentlastungsanlage ausgeschlossen ist.<br />

Oft wird ein gemeinsames Tosbecken für Hochwasserentlastung<br />

und Grundablaß angelegt. Die hydraulischen<br />

Verhältnisse können dann kompliziert werden,<br />

weil eine symmetrische Ausführung in Verlängerung<br />

der Achsen gleichzeitig von Schußrinne und Grundablaß<br />

oft nicht möglich ist.<br />

Der Bemessung der Hochwasserentlastungsanlage<br />

ist für den Normallastfall ein<br />

HQ 200<br />

, bei kleinen Becken ein HQ 100<br />

, zugrundezulegen.<br />

Für die Sicherheit des Absperrbauwerkes<br />

und der Hochwasserentlastungsanlage<br />

ist außerdem für den außergewöhnlichen<br />

Lastfall nachzuweisen, daß ein HQ 1000<br />

schadlos abgeführt werden kann. Dazu können<br />

abmindernde Bedingungen zugelassen<br />

werden, insbesondere die teilweise - 90 %,<br />

bei kleinen Becken 75 % - Inanspruchnahme<br />

des im Freiborde enthaltenen Sicherheitszuschlages.<br />

In diesem Fall dürfen auch Schäden<br />

auftreten, wenn diese die Sicherheit des<br />

Absperrbauwerkes nicht beeinträchtigen.<br />

Bei der Bemessung ist in der Regel davon<br />

auszugehen, daß das Becken bis zum gewöhnlichen<br />

Stauziel gefüllt ist. Die Retention kann berücksichtigt<br />

werden. Nach der Norm darf der Betriebsauslaß - der<br />

in den meisten Rückhaltebecken gleichzeitig der<br />

Grundablaß ist - nicht berücksichtigt werden. Bei beweglichen<br />

Verschlüssen ist bei kleinen Becken davon<br />

auszugehen, daß der leistungsfähigste Verschluß<br />

ausfällt, ansonsten braucht dies nur angenommen zu<br />

werden, wenn dieser ständig eingestaut ist. Hierfür ist<br />

ein Sonderlastfall zu berechnen, der dem HQ 200<br />

bzw.<br />

HQ 300<br />

entspricht. Auch hier darf der Sicherheitszuschlag<br />

im Freibord zu 90% bzw. 75% in Anspruch<br />

genommen werden. Im Gegensatz zur Norm hält es<br />

das DVWK-Merkblatt 202 durchaus für zulässig, die<br />

Grundablässe bzw. Betriebsauslässe bei der Berechnung<br />

mit zu berücksichtigen. Diese sind wie bewegliche<br />

Verschlüsse zu behandeln, so daß im Sonderlastfall<br />

mit Ausfall des leistungsfähigsten Verschlusses zu<br />

rechnen ist, der Verschluß der Hochwasserentlastung<br />

oder des Grund- oder Betriebsauslasses sein kann.<br />

Nr<br />

1<br />

2<br />

Lastfall<br />

Wiedeholungszeitspanne<br />

T n in a<br />

Bezeichnung kleine Becken mittlere und<br />

große Becken<br />

Maximale Inanspuchnahme des<br />

im Freibord enthaltenen<br />

Sicherheitszuschlages in %<br />

kleine Becken<br />

mittlere und<br />

große Becken<br />

Normallastfall 100 200 0 0<br />

außergewöhnlicher Lastfall 1000 1000 75 90<br />

3<br />

Sonderlastfall bei beweglichen<br />

Verschlüssen<br />

300 200 75 90<br />

Tabelle 1: Lastfälle für die Bemessung der Hochwasserentlastungsanlage<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 33<br />

Abb. 9: Freibordanteile (nach DVWK 202/1991)<br />

In vielen Fällen liegt als Bemessungsabfluß nur das<br />

HQ 100<br />

vor, außerdem erfordert die Berechnung seltenerer<br />

Ereignisse besondere Sachkenntnis. Das Land<br />

hat deshalb seinerzeit geregelt, daß das HQ 1000<br />

als<br />

Vielfaches des HQ 100<br />

ermittelt werden kann, gleiches<br />

sieht das DVWK-Merkblatt 202 auch für andere Kehrzeiten<br />

vor. Danach gelten folgende Beziehungen:<br />

HQ 200<br />

= 1,2 x HQ 100<br />

HQ 300<br />

= 1,3 x HQ 100<br />

HQ 1000<br />

= 1,6 x HQ 100<br />

Da diese Vereinfachung nur für die Scheitelwerte gilt,<br />

sind Retentionsberechnungen dann allerdings nicht<br />

mehr möglich.<br />

7 Freibord<br />

Der Freibord ist der vertikale Abstand zwischen der<br />

Dammkrone und dem höchsten Stauziel, das im Normallastfall<br />

das Bemessungsstauziel und im außergewöhnlichen<br />

Lastfall das außergewöhnliche Stauziel<br />

ist. Er setzt sich zusammen aus dem Freibord infolge<br />

Wind, aus dem Sicherheitszuschlag im Freibord und<br />

gegebenenfalls dem Eisstau (Abb. 9).<br />

Unter Eisstau wird die Anhebung des Wasserspiegels<br />

infolge einer (Teil-)<br />

Versetzung der<br />

Hochwasserentlastungsanlage<br />

verstanden.<br />

Dies sollte<br />

durch konstruktive<br />

Maßnahmen verhindert<br />

werden. In<br />

der Regel schließen<br />

sich zudem<br />

Eisstau und der<br />

Windanteil aus.<br />

Der Windanteil setzt<br />

sich zusammen aus<br />

dem Windstau und<br />

dem Wellenauflauf.<br />

Der Windstau beträgt<br />

in der Regel wenige<br />

cm und ist gegenüber<br />

dem Wellenauflauf fast vernachlässigbar. Mit<br />

dessen Berechnung befaßt sich das DVWK-Merkblatt<br />

246 fast ausschließlich. Maßgebliche Eingangsgrößen<br />

sind die Streichlänge des Windes, dessen Geschwindigkeit<br />

sowie Neigung und Rauhigkeit der Böschung.<br />

Da der Wellenauflauf bei den nach dem Merkblatt<br />

sonst anzuwendenden Windgeschwindigkeiten<br />

von etwa 30 m/s leicht Größenordnungen von 1 m annimmt,<br />

empfiehlt es sich immer, hierzu ein Gutachten<br />

des Deutschen Wetterdienstes einzuholen. Auch<br />

durch größere Böschungsneigungen und höhere Rauhigkeit<br />

(Steinschüttungen) kann die Auflaufhöhe vermindert<br />

werden.<br />

Nach DIN 19700 Teil 10 ist in den Freibord ein angemessener<br />

Sicherheitszuschlag einzubeziehen, dessen<br />

Größe vor allen Dingen von den örtlichen Gegebenheiten,<br />

der Größe des Stauraumes, der Aussagekraft<br />

der zugrunde liegenden hydrologischen Daten<br />

und von der Art und konstruktiven Ausbildung des Absperrbauwerkes<br />

abhängig ist. Auch das DVWK-<br />

Merkblatt 202 enthält zunächst keine konkretere Definition.<br />

Es ergänzt nur, daß es sich nicht um einen<br />

allgemeinen Sicherheitszuschlag handelt, der Unsicherheiten<br />

der geotechnischen, hydrologischen oder<br />

hydraulischen Berechnungsannahmen abdecken soll.<br />

Das DVWK-Merkblatt 246 befaßt sich mit diesem<br />

Abb. 10: Freibord im Normallastfall und im außergewöhnlichen Lastfall<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


34 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

Aspekt überhaupt nicht und wiederholt nur die Norm.<br />

Klarheit besteht somit zunächst nur bezüglich des<br />

konstruktiven Aspektes, z. B. daß ein Damm befahrbar<br />

sein sollte oder daß eine Mindestüberdeckung der<br />

Dammdichtung erforderlich ist. Für die Praxis schlägt<br />

das DVWK-Merkblatt 202 dann eine eigenartig anmutende<br />

Vorgehensweise vor: Aus der zulässigen Inanspruchnahme<br />

des Sicherheitszuschlages im Freibord<br />

kann dieser mittels der Wasserstand-Abfluß-Beziehung<br />

aus den verschiedenen Lastfällen gewissermaßen<br />

rückgerechnet werden (Abb. 10). Daraus ergibt<br />

sich in der Regel ein Sicherheitszuschlag von 25 -<br />

50 cm. Unter Berücksichtigung der konstruktiven Gesichtspunkte<br />

sollte aber ein Maß von 0,5 m bei kleinen<br />

und mittleren Becken nicht unterschritten werden. Insgesamt<br />

sollte schon bei kleinen Becken ein Freibord<br />

von mindestens 1 m beim Normallastfall eingehalten<br />

werden; nach einem Erlaßentwurf des Landes darf darüber<br />

hinaus in keinem Lastfall ein Freibord von 0,5 m<br />

unterschritten werden.<br />

Ermittlung des Sicherheitszuschlages im Freibord<br />

nach DVWK-Merkblatt 202<br />

Ausgangsdaten:<br />

Beispiel 1<br />

V = 210 000 m³ mittleres Becken<br />

5m < H < 15 m <br />

H Schwelle<br />

= 237,60 m ü NN<br />

h Ei<br />

= 0 m<br />

h Wi<br />

= 0,02 m<br />

h Au<br />

= 0,80 m<br />

Annahme : f Si<br />

= 0,50 m (Mindestforderung)<br />

Lastfall (LF) 2 (HQ 1000<br />

) : h Ü<br />

= 1,21 m<br />

erf. Dammhöhe<br />

= 237,60 + 1,21 + 0,82 + (1 - 0,9) x 0,50<br />

= 239,68 < 239,92 m ü NN<br />

oder:<br />

Inanspruchnahme des Sicherheitszuschlages im Freibord:<br />

(1,21 -1,00) / 0,5 = 0,4 = 42 % < 90%<br />

Ausgangsdaten:<br />

Beispiel 2<br />

V = 80 000 m³ kleines Becken<br />

H < 5 m<br />

<br />

4 gleiche bewegliche Verschlüsse,<br />

H Schwelle<br />

= 315,15 m ü NN<br />

h Ei<br />

= 0 m<br />

h Wi<br />

= 0,01 m<br />

h Au<br />

= 0,64 m<br />

Regierungspräsidium Freiburg, Abt. 5<br />

317,50<br />

315,15<br />

f si<br />

f wi<br />

h ü<br />

Abb. 12: Beispiel 2, 1. Iteration<br />

LF 1 LF 2<br />

LF 3<br />

HQ 100<br />

HQ 1000<br />

HQ 300<br />

0,50<br />

0,65<br />

1,20<br />

0,44 > 75%<br />

1,64<br />

0,53 > 75%<br />

1,73<br />

kleines Becken, 4 gleiche Verschlüsse<br />

h ei = 0<br />

f wi = h wi + h au = 0,01 + 0,64 = 0,65 m<br />

H.J. Baaske<br />

Regierungspräsidium Freiburg, Abt. 5<br />

239,62<br />

LF 1 LF 2<br />

HQ 200<br />

HQ 1000<br />

H.J. Baaske<br />

1. Iteration: f Si<br />

= 0,50 m (Mindestforderung)<br />

Lastfall (LF) 1 (HQ 100<br />

) : h Ü<br />

= 1,20 m<br />

237,60<br />

f si 0,50<br />

0,29 > 10%<br />

h ü 1,00 1,21<br />

f wi 0,82 0,82<br />

erf. Dammhöhe<br />

= 315,15 + 1,20 + 0,65 + 0,50 = 317,50 m ü NN<br />

Lastfall (LF) 2 (HQ 1000<br />

) : h Ü<br />

= 1,64 m<br />

Abb. 11: Beispiel 1<br />

mittleres Becken<br />

h ei = 0<br />

f wi = h wi + h au = 0,02 + 0,80 = 0,82 m<br />

Lastfall (LF) 1 (HQ 200<br />

): h Ü<br />

= 1,00 m<br />

erf. Dammhöhe = 237,60 + 1,00 + 0,82 + 0,50<br />

= 239,92 m ü NN<br />

Inanspruchnahme des Sicherheitszuschlages im Freibord:<br />

(1,64 -1,20) / 0,50 = 0,88 = 88 % > 75%<br />

Lastfall (LF) 3 (HQ 300<br />

) : h Ü<br />

= 1,73 m<br />

Inanspruchnahme des Sicherheitszuschlages im Freibord:<br />

(1,73 -1,20) / 0,50 = 1,06 = 106 % > 75%<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 35<br />

2. Iteration: f Si<br />

= 0,75 m angenommen<br />

- Lastfall (LF) 1 hier nicht maßgeblich<br />

- Lastfall (LF) 2 hier nicht maßgeblich<br />

- Lastfall (LF) 3:<br />

Inanspruchnahme des Sicherheitszuschlages im Freibord:<br />

(1,73 -1,20) / 0,75 = 0,71 = 71 % < 75%<br />

Weitere Versuche bzw. Rückrechnung ergeben:<br />

min. f Si<br />

= 0,71 m,<br />

d. h. erf. Dammhöhe = 317,71 m ü NN<br />

Regierungspräsidium Freiburg, Abt. 5<br />

317,71<br />

315,15<br />

f si<br />

f wi<br />

h ü<br />

LF 1<br />

LF 3<br />

HQ 100 HQ 300<br />

0,71<br />

0,65<br />

1,20<br />

0,53 = 75%<br />

1,73<br />

H.J. Baaske<br />

Literaturverzeichnis<br />

DIN 19700 Teil 10 - Stauanlagen; Gemeinsame Festlegungen<br />

DIN 19700 Teil 12 - Stauanlagen; Hochwasserrückhaltebecken<br />

DVWK-Merkblatt 202 (1991) Hochwasserrückhaltebecken<br />

DVWK-Merkblatt 246 (1997) Freibordbemessung<br />

an Stauanlagen<br />

Handbuch Wasser 2, <strong>Band</strong> 36 (1997): Dammscharten<br />

in Lockerbauweise bei Hochwasserrückhaltebekken<br />

Universität Stuttgart, Institut für Wasserbau: Gutachten<br />

zur hydraulischen Gestaltung von Hochwasserentlastunsanlagen<br />

(1984)<br />

Teil 2: Bemessungsgrundlagen für Hangseitenentlastungen<br />

Teil 3: Bemessungsgrundlagen für Schachtbauwerke<br />

Teil 4: Bemessungsgrundlagen für Flutmulden und<br />

Dammscharten<br />

Teil 5: Sonderbauwerke<br />

Teil 6: Energieumwandlungsanlagen<br />

Abb. 13: Beispiel 2, Ergebnis<br />

kleines Becken, 4 gleiche Verschlüsse<br />

h ei = 0<br />

f wi = h wi + h au = 0,01 + 0,64 = 0,65 m<br />

Anschrift des Verfassers:<br />

OBR Matthias Groteklaes<br />

Regierungspräsidium Freiburg<br />

Bismarckallee 2<br />

79083 Freiburg i.Br.<br />

Stand der Überarbeitung der DIN 19700<br />

von Bernhard Westrich<br />

Die DIN 19700 wurde in den zurückliegenden zwei Jahren<br />

in wesentlichen Punkten überarbeitet, wobei insbesondere<br />

die hydrologischen Bemessungsgrundlagen,<br />

die Beherrschung des Restrisikos sowie landschaftsgestalterische<br />

und gewässerökologische Gesichtspunkte<br />

als Bestandteile eines ganzheitlichen<br />

Hochwasserschutzes aufgenommen wurden. Die<br />

Novellierung betrifft sämtliche Teile: Teil 10, gemeinsame<br />

Festlegungen; Teil 11, Talsperren; Teil 12,<br />

Hochwasserrückhaltebecken; Teil 13, Staustufen;<br />

Teil 14, Pumpspeicherbecken; Teil 15, Sedimentationsbecken.<br />

Die Entwürfe liegen vor und werden gemeinsam<br />

Ende November nochmals diskutiert, um<br />

insbesondere eine inhaltliche Abstimmung und Harmonisierung<br />

der Einzelentwürfe zu erreichen. In Teil<br />

10 werden die für sämtliche nachfolgenden Teile geltenden<br />

allgemeinen Vorgaben festgelegt. Hierzu<br />

zählen insbesondere die drei Hochwasserbemessungsfälle:<br />

- BHQ 1<br />

zur Bemessung der Hochwasserentlastungsanlage,<br />

- BHQ 2<br />

zum Nachweis der Anlagensicherheit bei<br />

Extremhochwasser und<br />

- BHQ 3<br />

zur Bemessung des gewöhnlichen Hochwasserrückhalteraums.<br />

Aufgrund der Unsicherheit bei der Ermittlung des Bemessungshochwasserzuflusses<br />

BHQ 2<br />

ist in besonders<br />

begründeten Fällen das größte Hochwasser<br />

(PMF) zur Plausibilitätsprüfung heranzuziehen. Das<br />

verbleibende Restrisiko infolge Überschreitung von<br />

BHQ 2<br />

soll in Abhängigkeit von den lokalen Bedingungen<br />

durch flankierende konstruktive, bewirt-<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


36 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

schaftungsseitige, organisatorische und/oder administrative<br />

Maßnahmen abgedeckt werden.<br />

Bezüglich der Hochwasserrückhaltebecken sind folgende<br />

Punkte zu bemerken:<br />

Eine neue Klassifizierung wurde entsprechend der<br />

Beckenhöhe und dem Beckenraum vorgenommen:<br />

sehr kleine, kleine, mittlere und große Becken (siehe<br />

Abb. 1).<br />

Für die Bemessungslastfälle BHQ 1<br />

und BHQ 2<br />

sind in<br />

Abhängigkeit von der Klassifizierung der Becken die<br />

entsprechenden Jährlichkeiten angegeben. Sie variieren<br />

von 200 bis 1000 Jahren bei BHQ 1<br />

und von 1000<br />

bis 10 000 Jahren bei BHQ 2<br />

.<br />

Im DIN-Entwurf sind überströmbare Dämme in einem<br />

separaten Abschnitt aufgenommen. Hierbei wird auf<br />

die besonderen konstruktiven Anforderungen bei der<br />

Ableitung des Hochwasserabflusses über den Absperrdamm<br />

und die Sicherheitsnachweise<br />

hingewiesen.<br />

Beckenhöhe in m<br />

15<br />

10<br />

5<br />

3<br />

1<br />

4<br />

3<br />

2<br />

50 000 100 000 1 000 000<br />

Dem Problem Sanierung und Sicherheitsanpassung<br />

wurde ein separates<br />

Kapitel gewidmet mit folgenden Unterpunkten:<br />

es wird zum einem die<br />

Notwendigkeit angesprochen, die<br />

dann gegeben ist, wenn entsprechende<br />

Mängel oder Bemessungsdefizite<br />

an der Anlage zu verzeichnen sind.<br />

Auf der Basis einer Risikobetrachtung<br />

ist die Dringlichkeit dieser<br />

Sanierungs- und Anpassungsmaßnahmen<br />

festzulegen.<br />

Typ 1: sehr kleine Becken<br />

Typ 2: kleine Becken<br />

Beckenraum in m³<br />

Typ 3: mittlere Becken<br />

Typ 4: große Becken<br />

Abb. 1: Einteilung von Hochwasserrückhaltebecken<br />

nach der Beckengröße (Klassifizierung)<br />

Im Bemessungsfall 1 kann ebenso wie im Bemessungsfall<br />

2 der gewöhnliche Hochwasserrückhalteraum<br />

in Anspruch genommen werden, wenn<br />

die entsprechenden Abflussganglinien hydrologisch<br />

ermittelt wurden. Während im Bemessungslastfall 1<br />

die „(n-1) Regel“ bezüglich der Auslassöffnungen<br />

angesetzt wird, kann im Bemessungslastfall 2 die<br />

vollständige Funktionsfähigkeit der Anlagenteile nach<br />

Betriebsplan angenommen werden. Diese Annahme<br />

ist zu hinterfragen.<br />

Hydrologische Untersuchungen (Dr. Ihringer) an ausgewählten<br />

Hochwasserrückhaltebecken mit einer vergleichenden<br />

Gegenüberstellung von geltender DIN und<br />

neuem DIN-Entwurf zeigen, dass beim Bemessungsfall<br />

2 (Entwurf neue DIN) zufolge der Inanspruchnahme<br />

des gewöhnlichen Hochwasserrückhalteraums eine<br />

niedrigere Wasserspiegellage im Becken erreicht wird<br />

als bei der Bemessung nach geltender DIN mit dem<br />

tausendjährlichen Abfluss. Demnach könnte die Hochwasserentlastungsanlage<br />

nach der neuen DIN für einen<br />

geringeren Abfluss bemessen werden – was jedoch<br />

nicht im Sinne einer schärferen Standsicherheitsüberprüfung<br />

sein kann.<br />

Darüber hinaus sind Maßnahmen der<br />

Gefahrenabwehr angesprochen, wobei<br />

u. a. das Ziel ist, die Wirkungsräume<br />

bei einer möglichen Überflutung<br />

durch Hochwasser zu beschreiben.<br />

Außerdem sind hydrologische<br />

und hydraulische, betriebliche, ökologische<br />

und konstruktive Anpassungen vorzunehmen,<br />

wenn entsprechende Defizite vorliegen.<br />

Bei sämtlichen Anpassungsmaßnahmen an bestehenden<br />

Anlagen sind hinsichtlich der Sicherheit der<br />

Anlage und den ökologischen Gesichtspunkten die<br />

gleichen Zielvorgaben wie beim Neubau von Rückhaltebecken<br />

zu beachten.<br />

Anschrift des Verfassers:<br />

Prof. Dr.-Ing. habil. Bernhard Westrich<br />

Universität Stuttgart<br />

Institut für Wasserbau<br />

Pfaffenwaldring 61<br />

70550 Stuttgart<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000


<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 37<br />

Ergebnisse der Überprüfung von Stauanlagen in Baden-<br />

Württemberg im Hinblick auf beabsichtigte Neuregelungen<br />

der DIN 19700<br />

von Konrad Störk<br />

1 Überblick über die in Überarbeitung befindlichen<br />

Teilnormen der DIN 19700<br />

Die Gründungssitzung des DIN-Arbeitsausschusses<br />

Stauanlagen fand am 26.11.1996 statt. Für die Neubearbeitung<br />

jeder Teilnorm wurde ein Unterausschuss<br />

eingesetzt (siehe Abb. 1).<br />

- Die Möglichkeit der Klassifizierung von Stauanlagen<br />

soll eröffnet werden.<br />

- Aus dem Teil 10 sollen die speziellen Anforderungen<br />

an Staudämme herausgenommen und in Teil<br />

11 behandelt werden.<br />

„Stauanlagen -<br />

Gemeinsame<br />

Festlegungen“<br />

(DIN 19700-10)<br />

„Stauanlagen -<br />

Talsperren“<br />

(DIN 19700-11)<br />

„Stauanlagen -<br />

Hochwasserrückhaltebecken“<br />

(DIN 19700-12)<br />

„Stauanlagen -<br />

Staustufen“<br />

(DIN 19700-13)<br />

„Stauanlagen -<br />

Pumpspeicherbecken“<br />

(DIN 19700-14)<br />

„Stauanlagen -<br />

Sedimentationsbecken“<br />

(DIN 19700-15)<br />

- Staudämme<br />

- Staumauern<br />

- Wehre<br />

- Stauhaltungsdämme<br />

Abb. 1: Unterteilung der Stauanlagen<br />

1.1 Gründe für die Überarbeitung der<br />

DIN 19700<br />

In den vergangenen 10 Jahren hat sich auch international<br />

der Talsperrenbau schnell weiterentwickelt.<br />

Ökologische und sicherheitsrelevante Aspekte haben<br />

eine größere Bedeutung erlangt und sind mehr in<br />

das Interesse der Öffentlichkeit gerückt. Es gab Erfahrungen<br />

mit Schadensfällen.<br />

1.2 Für die Überarbeitung wurden folgende<br />

Grundsätze festgelegt<br />

- Die Norm DIN 19700 bleibt in ihrer vorliegenden<br />

Gliederung in 6 Teile (Teil 10 bis Teil 15) erhalten.<br />

- Im Teil 10 sollen in knapper Form Grundsätze formuliert<br />

werden, mit der Möglichkeit einer Überführung<br />

in eine europäische Norm.<br />

- Die Sanierung bestehender Stauanlagen soll in<br />

die einzelnen Teile der Normenreihe Eingang finden.<br />

- Widersprüche innerhalb der Normenreihe DIN<br />

19700 und zu anderen DIN-Normen sollen beseitigt<br />

werden.<br />

- Anpassung an den heutigen Wissensstand und<br />

Kürzung des Umfanges der Norm.<br />

- Allgemeine Grundsätze sollen im Teil 10 geregelt<br />

werden und für alle Stauanlagen gelten.<br />

- Spezialregelungen in den Teilen 11 bis 15 sollen<br />

den allgemeinen gemeinsamen Regelungen im<br />

Teil 10, ggf. auch im Teil 11 prinzipiell vorgehen.<br />

- Speicherbecken im Nebenschluss sollen je nach<br />

Anlagentyp im jeweiligen Teil der Normenreihe<br />

behandelt werden.<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000


38 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

Mit den weiteren Ausführungen wird Bezug genommen<br />

auf die folgenden Entwürfe zur DIN 19700:<br />

- DIN 19700-10: Gemeinsame Festlegungen, 5.<br />

Normvorlage, Stand 15.07.<strong>1999</strong><br />

- DIN 19700-11: Talsperren, 5. Normvorlage, Stand<br />

16.06.<strong>1999</strong><br />

- DIN 19700-12: Hochwasserrückhaltebecken, 6.<br />

Normvorlage, Stand 29.09.<strong>1999</strong><br />

2 Im Entwurf der DIN 19700, Stand Herbst <strong>1999</strong>,<br />

vorgesehene wesentliche Neuregelungen<br />

Teil 10 enthält allgemeine Vorgaben für die Klassifizierung<br />

der Stauanlagen. In Teil 12 der DIN 19700<br />

wird eine Klassifizierung nach Beckenraum und Bekkenhöhe<br />

vorgenommen. Teil 11 unterscheidet Talsperren<br />

in zwei Klassen nach Höhe<br />

des Absperrbauwerks und nach<br />

dem Gesamtstauraum.<br />

Für die wasserwirtschaftliche Bemessung<br />

soll ein völlig neues Bemessungskonzept<br />

mit drei Hochwasserbemessungsfällen<br />

eingeführt<br />

werden:<br />

Bemessungsfall 1: Bemessung der<br />

Hochwasserentlastungsanlage<br />

Bemessungsfall 2: Nachweis der<br />

Stauanlagensicherheit bei Extremhochwasser<br />

Bemessungsfall 3: Bemessung<br />

des gewöhnlichen Hochwasserrückhalteraumes<br />

Für alle Absperrbauwerke sind ihre<br />

Tragsicherheit, Gebrauchstauglichkeit<br />

und Dauerhaftigkeit nachzuweisen.<br />

Beim Nachweis der Hochwassersicherheit der Anlage,<br />

also der konstruktiven Sicherheit gegen Versagen<br />

des Bauwerks bei Extremhochwasser, sind folgende<br />

Fälle zu unterscheiden:<br />

Lastfall 1 (BHQ 1<br />

): Bemessung der Hochwasserentlastungsanlage<br />

Lastfall 2 (BHQ 2<br />

): Nachweis der Standsicherheit bei<br />

Extremhochwasser<br />

Hierzu die wesentlichen Vorgaben aus dem Entwurf<br />

der DIN 19700-10. Zitat aus Entwurf DIN 19700-10,<br />

Ziff. 5.3 Bemessungshochwasser:<br />

„Zur Bemessung des gewöhnlichen Hochwasserrückhalteraumes,<br />

der Hochwasserentlastungsanlage<br />

sowie zum Nachweis der Anlagensicherheit sind extreme<br />

Hochwasserganglinien zu verwenden. Die<br />

Kenntnis der gesamten Hochwasserganglinie ist insbesondere<br />

bei Stauanlagen mit signifikanter Speicherretentionswirkung<br />

bedeutsam. Bei Verzicht auf<br />

die Berücksichtigung der Retentionswirkung (z. B. bei<br />

geringem Ausbaugrad) und der Annahme von Vollstau<br />

bei Hochwasserbeginn, kann die Bemessung<br />

der Hochwasserentlastungsanlage auf der Basis des<br />

Hochwasserscheitels erfolgen.<br />

Die Hochwasserscheitelabflüsse mit den jeweiligen<br />

mittleren jährlichen Übe`schreitungswahrscheinlichkeiten<br />

sind aus sochwasserstatistiichen Analysen<br />

repräsentatiier Bezugspegel lnmittelbar oder mitttls<br />

regionaler statistischer Analysen abzuschätzen.<br />

(Hierzu wird verwiesen auf DVWK-Regel 101: Empfehlungen<br />

zur Berechnung von Hochwasserwahrscheinlichkeiten.)<br />

Normvorlage DIN 19700 - 12 "HRB"<br />

Jährlichkeiten für BHQ 1 und BHQ 2<br />

Klassifizierung Kriterien Typ BHQ 1 BHQ 2<br />

H B < 3 m<br />

Sehr kleine Becken V B < 50000 1 200 1000<br />

Kleine Becken<br />

H B < 5m<br />

VB < 100000 2 500 5000<br />

Mittlere Becken<br />

H B < 15m<br />

V B < 1 Mio. 3 500 5000<br />

Große Becken<br />

H B > 15m<br />

V B > 1 Mio. 4 1000 10000<br />

Abb. 2: Jährlichkeiten für BHQ 1<br />

und BHQ 2<br />

Für die Abschätzung von Hochwasserfüllen und -ganglinien<br />

sind Niederschlag-Abfluss-Modelle zu verwenden, mit<br />

denen unter Einbeziehung von langjährigen Niederschlagsreihen<br />

(Kontinuumsimulation) oder nach Vorgabe<br />

statistisch oder physikalisch/klimatologisch begründeter<br />

Bemessungsregen, Bemessungshochwasserwellen<br />

berechnet werden. Bei Vorliegen ausreichend<br />

lang beobachteter repräsentativer Bezugspegel<br />

(möglichst Zulaufpegel) ist es auch möglich,<br />

eine Füllenstatistik für die Erzeugung einer statistisch<br />

begründeten Zuflussganglinie zu verwenden“.<br />

Zitat aus Entwurf DIN 19700-10, Ziff. 6.3.2 Nachweis<br />

der Hochwassersicherheit:<br />

„Im Hinblick auf die Hochwassersicherheit einer Stauanlage<br />

(Anmerkung: also der konstruktiven Sicherheit<br />

gegen Versagen des Bauwerks bei Extremhochwasser)<br />

sind zwei Hochwasserbemessungsfälle zu<br />

unterscheiden:<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000


<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 39<br />

Hochwasserbemessungsfall 1: Bemessung der<br />

Hochwasserentlastungsanlage<br />

Es ist ein Bemessungshochwasserzufluss BHQ 1<br />

für<br />

die Bemessung der Hochwasserentlastungsanlage<br />

festzulegen. Bis zur Größe des BHQ 1<br />

sind die volle<br />

Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit der Stauanlage<br />

zu gewährleisten.<br />

Hochwasserbemessungsfall 2: Nachweis der<br />

Stauanlagensicherheit bei Extremhochwasser<br />

Es ist ein Bemessungshochwasserzufluss BHQ 2<br />

zu<br />

bestimmen, dessen mittlere jährliche Überschreitungswahrscheinlichkeit<br />

wesentlich geringer ist als<br />

beim Hochwasserbemessungsfall 1 und der demzufolge<br />

größer als der Bemessungshochwasserzufluss<br />

BHQ 1<br />

ist. Beschädigungen von Bauwerksteilen, Betriebs-<br />

und Messeinrichtungen ohne Gefährdung der<br />

Tragsicherheit des Absperrbauwerkes können beim<br />

Ableiten dieses Extremhochwassers in Kauf genommen<br />

werden. Ebenso dürfen neben der Hochwasserentlastungsanlage<br />

ggf. Notentlastungen für die Hochwasserableitung<br />

berücksichtigt werden“.<br />

Zitat aus Entwurf DIN 19700-12, Ziff. 7.2 Nachweis<br />

der Hochwassersicherheit der Stauanlage:<br />

„Für alle Lastfälle (Anmerkung: zum Nachweis der<br />

Hochwassersicherheit) kann der gewöhnliche Rückhalteraum<br />

vor Beginn des Hochwasserereignisses<br />

als leer angenommen werden. Die dadurch gegebene<br />

Retentionswirkung darf jedoch nur berücksichtigt<br />

werden, wenn BHQ 1<br />

und BHQ 2<br />

als Ganglinie ermittelt<br />

wurden. Bei sehr kleinen und kleinen Becken ist eine<br />

Abminderung der Jährlichkeit für BHQ 1<br />

und BHQ 2<br />

zulässig,<br />

wenn bei Versagen der Anlagen nur Auswirkungen<br />

untergeordneter Bedeutung im Unterwasser<br />

zu erwarten sind“.<br />

Spezifische Vorgaben aus dem Entwurf der DIN<br />

19700-12:<br />

„BHQ 1<br />

: Bei mehreren Auslassöffnungen ist der<br />

größte als nicht funktionsfähig anzunehmen. Für<br />

weitere Auslässe gilt: Abgabe nach Betriebsplan“.<br />

„BHQ 2<br />

: Das Absperrbauwerk darf nicht überströmt<br />

werden“.<br />

Freibordbemessung<br />

In DIN 19700-10, Ziff. 6.4, wird zur Freibordbemessung<br />

folgendes ausgeführt:<br />

„Der Freibord ist der lotrechte Abstand zwischen der<br />

Krone des Absperrbauwerkes und dem höchsten<br />

Stauziel bzw. der Staukurve beim Bemessungshochwasserabfluss<br />

im Hochwasserbemessungsfall 1.<br />

Windstau, Wellenauflauf und ggf. Eisstau sind Teile<br />

des Freibords (siehe auch DIN 4048-1).<br />

Zusätzlich muss der Freibord zur Abdeckung von Unwägbarkeiten<br />

einen angemessenen Sicherheitszuschlag<br />

enthalten. Seine Größe sollte u. a. von örtlichen<br />

Gegebenheiten, der Größe des Stauraumes<br />

und der Aussagekraft der zugrunde liegenden hydrologischen<br />

Daten abhängig gemacht werden.<br />

Weitere Festlegungen zur Größe des Sicherheitszuschlages<br />

erfolgen in den Teilen 11 bis 15 der DIN<br />

19700.<br />

Im Hochwasserbemessungsfall 2 darf der Sicherheitszuschlag<br />

im Freibord teilweise oder bei entsprechenden<br />

Voraussetzungen vollständig in Anspruch<br />

genommen werden“.<br />

Weder ist bisher zur Größe des Sicherheitszuschlages<br />

in DIN 19700-12 etwas ausgesagt noch zu den<br />

Voraussetzungen, unter denen er im Hochwasserbemessungsfall<br />

2 vollständig in Anspruch genommen<br />

werden darf. Im Gegenteil: Nach derzeitigem Entwurf<br />

darf beim Nachweis nach BHQ 2<br />

der Sicherheitszuschlag<br />

nicht reduziert werden.<br />

Zitat aus dem Entwurf der DIN 19700-12, Ziff. 7.3<br />

Freibord:<br />

„Der Freibord ergibt sich aus einem rechnerisch zu<br />

ermittelnden Anteil aus Windwellenwirkung und einem<br />

Sicherheitszuschlag. Der Sicherheitszuschlag<br />

soll hydrologische Unwägbarkeiten abdecken sowie<br />

das Gefährdungspotential, den konstruktiven Aufbau<br />

der Dammkrone und die Möglichkeit der Dammverteidigung<br />

im Hochwasserfall berücksichtigen. Gegebenenfalls<br />

sind die Auswirkungen einer Eisbildung in<br />

Betracht zu ziehen.<br />

Der Freibord infolge Windwellenwirkung darf beim<br />

Nachweis nach BHQ 2<br />

in Anspruch genommen werden.<br />

Der Sicherheitszuschlag darf nicht reduziert<br />

werden“.<br />

Es ist wichtig, hierzu einen Kommentar abzugeben<br />

und weiterhin auf der Änderung dieser Formulierung<br />

zu bestehen. Die Kompensation von hydrologischen<br />

Unwägbarkeiten durch den Freibord ist nicht akzeptabel.<br />

Der Verfasser befürwortet stattdessen eine Regelung,<br />

wie sie in der DIN 19712 Flussdeiche 1997<br />

getroffen wurde:<br />

„Zuschläge beim Freibord haben nicht den Zweck,<br />

Ungenauigkeiten bei der Bestimmung des Bemessungsabflusses<br />

oder des sich daraus ergebenden<br />

Wasserstandes zu kompensieren. Das dadurch erreichte<br />

Sicherheitsmaß läge um ein unbekanntes<br />

Maß, meist aber erheblich über dem ursprünglichen<br />

Bemessungsansatz. Vielmehr sind Unsicherheiten<br />

schon bei der Bestimmung des Wasserstandes zu<br />

berücksichtigen; sie sind vom Vertrauensbereich der<br />

dort verwendeten Daten abhängig.“<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000


40 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

Der DIN-Entwurf 19700-12 gibt folgende Mindestfreibordhöhen<br />

in Abhängigkeit von der Beckengröße an:<br />

Sehr kleine Anlagen: 0,5 m Mindesthöhe<br />

Kleine, mittlere, große Anlagen: 1,00 m Mindesthöhe<br />

Sanierung und Anpassung<br />

Hierzu wird auszugsweise aus dem Entwurf der DIN<br />

19700-12, Ziff. 14.1, Notwendigkeit und Dringlichkeit,<br />

zitiert:<br />

„Notwendigkeit<br />

Ergeben sich aus der Überwachung, der umfassenden<br />

Sicherheitsüberprüfung oder aus veränderten<br />

wasserwirtschaftlichen Zielsetzungen, Mängel- oder<br />

Bemessungsdefizite, sind geeignete Sanierungsund<br />

Anpassungsmaßnahmen einzuleiten.<br />

Um geeignete Sanierungs- und Anpassungsmaßnahmen<br />

zu bestimmen, sind in der Regel weitergehende<br />

hydrologische, hydraulische, betriebliche und<br />

konstruktive Untersuchungen erforderlich.<br />

Eine Risikobetrachtung ist unverzüglich durchzuführen.<br />

Sie hat das durch die festgestellten Mängel begründete<br />

erhöhte Standsicherheits- und Betriebsrisiko<br />

und die durch verschärfte Sicherheitsanforderungen<br />

bedingten Bemessungsdefizite zu bewerten“.<br />

„Dringlichkeit<br />

Auf der Grundlage der Risikobetrachtung ist die<br />

Dringlichkeit der Sanierungs- und Anpassungsmaßnahmen<br />

festzulegen.<br />

Ist ein erhöhtes Risiko für die Sicherheit Dritter festgestellt<br />

worden, sind die Sanierungs- und Anpassungsmaßnahmen<br />

schnellstmöglich einzuleiten.<br />

In jedem Fall ist einem erhöhten Risiko unverzüglich<br />

mit Maßnahmen der Gefahrenabwehr und geeigneten<br />

betrieblichen Anpassungen entgegenzuwirken.“<br />

Verbleibendes Hochwasserrisiko<br />

In den Entwürfen zu Teil 10 und zu Teil 12 werden<br />

auch wesentliche neue Aussagen zur Behandlung<br />

des verbleibenden Hochwasserrisikos gemacht.<br />

Das jenseits des für die Hochwasserschutzwirkung<br />

der Anlage festgelegten Hochwasserschutzgrades<br />

verbleibende Hochwasserrisiko und die damit einhergehenden<br />

Überflutungszustände sind für alle Flächen<br />

im potentiellen Wirkungsraum zu beschreiben.<br />

Die Unterlieger sind über das verbleibende Hochwasserrisiko<br />

und die dabei auftretenden Wasserstände<br />

und Gefahren aufzuklären. Die Beschreibung dient<br />

als Planungsgrundlage für die Hochwasservorsorge<br />

und die Gefahrenabwehr. Im Melde- und Alarmplan<br />

ist die frühzeitige Information der Unterlieger über<br />

den zu erwartenden Eintritt eines Schadenshochwassers<br />

vorzusehen.<br />

Der Normentwurf Teil 12 verlangt auch, dass das<br />

Restrisiko des technischen Versagens eines Hochwasserrückhaltebeckens<br />

z. B. bei extremen hydrologischen<br />

Ereignissen betrachtet wird. Hierzu wird ausgesagt,<br />

dass Bemessung und Betrieb eines Hochwasserrückhaltebeckens<br />

die Aufgabe haben, das regelmäßig<br />

verbleibende Restrisiko bei der Bauwerkssicherheit<br />

zu begrenzen und zu reduzieren.<br />

Zitat aus Entwurf DIN 19700-12, Ziff. 4.3.5 Restrisiko:<br />

„Das Auftreten und die Wirkung sicherheitsrelevanter<br />

Risikofaktoren und Einflussgrößen sind im gebotenen<br />

Umfang zu untersuchen. Die Auswirkungen des<br />

Restrisikos sind einer Analyse zu unterziehen und zu<br />

beschreiben. Es ist zu prüfen, ob weitergehende<br />

Maßnahmen zur Reduzierung der Restrisikoauswirkungen<br />

vorzusehen sind. Dies können sein:<br />

a) administrative Maßnahmen zur Reduzierung von<br />

Schadenshöhen<br />

- Hochwassermelde- und Alarmplan,<br />

- Bau und Betrieb von Frühwarneinrichtungen,<br />

- Evakuierungsplan.<br />

b) Bewirtschaftungsmaßnahmen auch bei Verbundsystemen<br />

c) Planung und Realisierung von Anpassungsmaßnahmen<br />

im Rahmen der regelmäßigen Sicherheitsüberprüfung.“<br />

Im Entwurf der DIN 19700-10, Ziff. 6.3.2 Nachweis<br />

der Hochwassersicherheit, ist hierzu folgende Formulierung<br />

enthalten:<br />

„Dem trotz der Nachweisführung für den Hochwasserbemessungsfall<br />

2 verbleibenden Restrisiko in Folge<br />

Überschreitung von BHQ 2<br />

sollte in Abhängigkeit<br />

von den lokalen Bedingungen durch flankierende<br />

konstruktive, bewirtschaftungsseitige, organisatorische<br />

und/oder administrative Maßnahmen begegnet<br />

werden“.<br />

3 Beispielhafte Überprüfung von Hochwasserentlastungsanlagen<br />

bei Hochwasserrückhaltebecken<br />

in Baden-Württemberg im Hinblick<br />

auf beabsichtigte Neuregelungen in der DIN<br />

19700<br />

Die beispielhafte Überprüfung von Hochwasserentlastungsanlagen<br />

wurde 1998 vom Ministerium für Umwelt<br />

und Verkehr über das Regierungspräsidium<br />

Stuttgart beauftragt und im Mai <strong>1999</strong> abgeschlossen.<br />

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<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 41<br />

Auftragnehmer war das Institut für Wasserwirtschaft<br />

und Kulturtechnik der Universität Karlsruhe;<br />

Projektleiter: Herr Dr. Ihringer<br />

Bearbeiter: Herr Dipl.-Ing. Glüsing<br />

In Baden-Württemberg ist seit Mitte der 80iger Jahre<br />

ein umfangreiches Sanierungsprogramm in Gang zur<br />

Ertüchtigung zahlreicher Hochwasserrückhaltebekken<br />

nach den Vorgaben der geltenden DIN 19700.<br />

Dieses Sanierungsprogramm ist im Regierungsbezirk<br />

Stuttgart weitgehend abgeschlossen. Hier wurden<br />

45 bis 50 Mio. DM in die Hochwasserrückhaltebecken<br />

investiert (ca. 40 Mio DM Förderung des Landes<br />

+ Investitionsanteil der Beckenbetreiber). Es sollte<br />

durch beispielhafte Testrechnungen an ausgewählten<br />

Stauanlagen im Regierungsbezirk Stuttgart<br />

überprüft werden, inwieweit Rückhaltebecken, deren<br />

Sanierung teilweise erst vor kurzem abschlossen<br />

wurde, auch den Sicherheitsanforderungen nach den<br />

neuen Vorgaben des DIN-Entwurfs gerecht werden.<br />

Noch auf der Basis des Diskussionsstandes der DIN<br />

19700, Juli 1998, wurden folgende Hochwasserrückhaltebecken/Hochwasserentlastungsanlagen<br />

überprüft:<br />

1. HRB Oberes Münster, WV Kaiserstraße,<br />

2. HRB Reutal, WV Kaiserstraße,<br />

3. HRB Schwabsberg, WV Obere Jagst,<br />

4. HRB Häsle, WV Obere Jagst,<br />

5. HRB Beimbach, WV Brettach,<br />

6. HRB Täferrot, WV Kocher-Lein.<br />

Nach dem Entwurf der DIN 19700-12 handelt es sich<br />

bei diesen Becken um mittlere und große Becken.<br />

Aufgabenstellung<br />

Für die beispielhafte Überprüfung von Stauanlagen<br />

wurde der Universität Karlsruhe folgende Aufgabenstellung<br />

übertragen:<br />

a) Anpassung eines vereinfachten Niederschlags-<br />

Abflussmodells an die Einzugsgebiete der Hochwasserrückhaltebecken;<br />

b) Extrapolation des Niederschlags-Abfluss-Modells<br />

auf die Extremereignisse der Jährlichkeiten zwischen<br />

T N<br />

= 500 Jahre und T N<br />

= 10.000 Jahre;<br />

c) Festlegung der Bemessungsganglinien für die<br />

Bemessungslastfälle BHQ 1<br />

und BHQ 2<br />

;<br />

d) Simulation des Betriebs der Stauanlagen entsprechend<br />

den Vorgaben aus dem Entwurf der<br />

DIN 19700 (Stand Juli 1998) für die beiden Bemessungslastfälle<br />

BHQ 1<br />

und BHQ 2<br />

.<br />

Um den Aufwand zu reduzieren, wurde auf eine flächendetaillierte<br />

Modellierung der Einzugsgebiete verzichtet<br />

und lediglich ein vereinfachtes hydrologisches<br />

Modell auf der Basis der beiden Regionalisierungsansätze<br />

nach Lutz für den Abflussbeiwert und die Einheitsganglinie<br />

eingesetzt. Diese vereinfachte Vorgehensweise<br />

erlaubt nicht, dass die räumlichen Inhomogitäten<br />

der Einzugsgebiete im Modell berücksichtigt<br />

werden können. Dies war durch eine geeignete<br />

Anpassung der Modellparameter an die Ergebnisse<br />

der früheren flächendetaillierten Modellierung zu<br />

kompensieren. Insofern erfüllt dieses Vorgehen nur<br />

näherungsweise die Anforderungen nach Entwurf<br />

DIN 19700-10: Berechnung der Bemessungshochwasserwelle<br />

für BHQ 1<br />

und BHQ 2<br />

über die Ermittlung<br />

von Hochwasserabflussganglinien aus einem Niederschlags-Abfluss-Modell.<br />

Bei der Überprüfung durch die UniversitätäKarlsruhe<br />

wurden folgende Lastfälle entnprechend den Entwürfen<br />

der DIN 19700 Teil 10 und Teil 12 zu Grunde gelegt:<br />

Hochwasserbemessungsfall 1: Bemessung der<br />

Hochwasserentlastungsanlage<br />

Die Hochwasserentlastungsanlage muss so dimensioniert<br />

sein, dass ein Bemessungshochwasser<br />

BHQ 1<br />

unter Einhaltung der vollen Stand-, Funktionsund<br />

Betriebssicherheit aller Bauwerksteile, Betriebsund<br />

Messeinrichtungen abgeführt werden kann. Die<br />

Wiederholungszeitspanne (Jährlichkeit) für dieses<br />

Bemessungshochwasser beträgt bei sehr kleinen<br />

und kleinen sowie bei mittleren Anlagen T N<br />

= 500 Jahre<br />

und für große Anlagen T N<br />

= 1.000 Jahre. Zwischen<br />

dem außergewöhnlichen Stauziel, das sich für das<br />

BHQ 1<br />

ergibt, und der Krone des Absperrbauwerks ist<br />

das Freibord anzusetzen. Für die Ermittlung des außergewöhnlichen<br />

Stauziels kann, soweit für das Bemessungsereignis<br />

die Abflussganglinie vorliegt, die<br />

Retentionswirkung sowohl des gewöhnlichen als<br />

auch des außergewöhnlichen Rückhalteraumes berücksichtigt<br />

werden. Dabei ist jedoch bei Vorhandensein<br />

mehrerer Auslassöffnungen mit beweglichen<br />

Verschlüssen die leistungsstärkste Verschlussarmatur<br />

als nicht funktionsfähig anzunehmen.<br />

Hochwasserbemessungsfall 2: Nachweis der<br />

Stauanlagensicherheit bei Extremhochwasser<br />

Der Nachweis der Stauanlagensicherheit bei Extremhochwasser<br />

ist mit einem Bemessungshochwasser<br />

BHQ 2<br />

zu führen, dessen Eintrittwahrscheinlichkeit<br />

wesentlich geringer als beim Bemessungsfall 1 ist.<br />

Bei diesem Ereignis können Beschädigungen von<br />

Bauwerksteilen, Betriebs- und Messeinrichtungen<br />

ohne Gefährdung der Standsicherheit des Absperrbauwerks<br />

zugelassen werden. Die Wiederholungszeitspanne<br />

(Jährlichkeit) für dieses Bemessungshochwasser<br />

beträgt bei sehr kleinen und kleinen sowie<br />

bei mittleren Anlagen T N<br />

= 5.000 Jahre und für<br />

große Anlagen T N<br />

= 10.000 Jahre. Beim Nachweis<br />

der Standsicherheit der Anlage nach BHQ 2<br />

ist die<br />

vollständige Funktionsfähigkeit der Anlagenteile nach<br />

Betriebsplan anzusetzen. Gleichzeitig dürfen neben<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000


42 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

der Hochwasserentlastungsanlage Notentlastungen<br />

für die Hochwasserabfuhr berücksichtigt werden.<br />

Das Freibord kann vollständig in Anspruch genommen<br />

werden (Anmerkung des Verfassers: Demgegenüber<br />

sieht der aktuelle Entwurf der DIN 19700-<br />

12 vom Herbst <strong>1999</strong> vor, dass der Sicherheitszuschlag<br />

im Freibord erhalten bleiben muss.) Ein<br />

Überströmen von nicht planmäßig überströmbaren<br />

Dämmen ist auszuschließen.<br />

Im Einzelnen wurden für die 6 Stauanlagen folgende<br />

3 Berechnungsvarianten jeweils für die Jährlichkeiten<br />

T N<br />

= 500, 1.000, 5.000 und 10.000 Jahre durchgeführt:<br />

Variante 1: Berücksichtigung des außergewöhnlichen<br />

Retentionsraumes mit geschlossenem Grundablass<br />

(entsprechend dem seitherigen Sonderlastfall -<br />

HQ 1000<br />

).<br />

Variante 2: Berücksichtigung des gewöhnlichen und<br />

außergewöhnlichen Retentionsraumes mit geschlossenem<br />

Grundablass.<br />

Variante 3: Berücksichtigung des gewöhnlichen und<br />

außergewöhnlichen Retentionsraumes mit Abgabesteuerung<br />

des Grundablasses nach Betriebsregel.<br />

Aus den Ergebnissen der Berechnungen dieser 3 Varianten<br />

lässt sich feststellen:<br />

Die Anwendung der Hochwasserbemessungslastfälle<br />

BHQ 1<br />

und BHQ 2<br />

entsprechend dem Entwurf<br />

über eine Neufassung der DIN 19700 führt<br />

bei keinem der untersuchten Becken zu einem<br />

Wasserspiegelanstieg mit Überströmen des Absperrbauwerks.<br />

Im folgenden sind die Ergebnisse der Berechnungen<br />

für die 3 Varianten für die einzelnen Rückhaltebecken<br />

zusammenfassend dargestellt.<br />

HRB Oberes Münster:<br />

Es handelt sich um ein mittleres Becken entsprechend<br />

der Klassifizierung nach dem Entwurf DIN<br />

19700-12.<br />

BHQ 1<br />

:Variante 2, T N<br />

= 500 Jahre: keine Probleme.<br />

Freibord 68 cm.<br />

BHQ 2<br />

:Variante 3, T N<br />

= 5.000 Jahre: Keine Probleme,<br />

Freibord 84 cm.<br />

Selbst bei Variante 3, T N<br />

= 10.000 Jahre ergeben sich<br />

keine Probleme. Selbst die in den DIN-Entwurf neu<br />

eingebrachte Forderung, den Sicherheitszuschlag für<br />

BHQ 2<br />

zu erhalten, kann hier erfüllt werden.<br />

HRB A E S gew h Krone Variante dh 500 dh 1000 dh 5000 dh 10000 f Freibord<br />

km 2 1000 m 3 m Nr. cm cm cm cm cm<br />

1 -6 0 10 18 58<br />

Ob. Münster 30,05 240 11,6 2 -10 -4 7 16<br />

(8 mm) 3 -55 -39 -26 -14<br />

1 -5 0 9 18 179<br />

Reutal 20,08 690 22 2 -34 -31 -28 -13<br />

(34 mm) 3 -226 -166 -59 -45<br />

1 -15 0 Ü Ü 17<br />

Schwabsberg 173,18 2000 9,4 2 -42 -30 8 23 Ü<br />

(11,5 mm) 3 -120 -77 -46 -34<br />

1 -8 0 15 22 131<br />

Häsle 10,14 360 5,5 2 -32 -27 -17 -12<br />

(35 mm) 3 -99 -62 -35 -29<br />

1 -93 0 Ü Ü 200<br />

Beimbach 156,52 2660 20,9 2 -110 -72 118 219 Ü<br />

(17 mm) 3 -127 -115 3 84<br />

1 -20 0 74 114 Ü 102<br />

Täferrot 108,25 1915 11,4 2 -33 -14 36 92<br />

(17,7 mm) 3 -72 -56 -14 6<br />

Abb. 1: Wasserstände in den Rückhaltebecken für die drei Varianten bezogen auf den Wasserstand des HQ 1000<br />

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<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 43<br />

HRB Reutal:<br />

Es handelt sich um ein großes Becken nach der Klassifizierung<br />

des Entwurfs der DIN 19700-12.<br />

BHQ 1<br />

:Variante 2, T N<br />

= 1.000 Jahre. Es ergibt sich ein<br />

Freibord von 210 cm. Es bestehen also keine<br />

Probleme.<br />

BHQ 2<br />

:Variante 3, T N<br />

= 10.000 Jahre. Auch für den<br />

Bemessungsfall BHQ 2<br />

treten keine Probleme<br />

auf. Der Wasserstand liegt noch tiefer als bei<br />

BHQ 1<br />

.Der Freibord beträgt 224 cm.<br />

HRB Schwabsberg:<br />

Nach der Klassifizierung des Entwurfs der DIN<br />

19700-12 handelt es sich um ein großes Becken.<br />

BHQ 1<br />

:Variante 2, T N<br />

= 1.000 Jahre. Hierfür ergibt sich<br />

ein Freibord von nur 47 cm, somit ist die Forderung<br />

nach dem Mindestfreibord von 1 m nicht<br />

erfüllt. Beim Becken Schwabsberg handelt es<br />

sich aber hinsichtlich der Auslasseinrichtung<br />

um einen Sonderfall, so dass hieraus keine<br />

weiteren Probleme zu besorgen sind.<br />

BHQ 2<br />

:Variante 3, T N<br />

= 10.000 Jahre. Es treten keine<br />

Probleme auf, auch dann nicht, wenn die Forderung<br />

nach der Erhaltung des Sicherheitszuschlags<br />

im Freibord erhoben wird. Der Freibord<br />

beträgt 51 cm.<br />

HRB Häsle:<br />

Dieses Becken ist nach der Klassifizierung im Entwurf<br />

der DIN 19700-12 ein mittleres Becken.<br />

BHQ 1<br />

:Variante 2, T N<br />

= 500 Jahre. Es ergibt sich ein<br />

Freibord von 1,63 m.<br />

BHQ 2<br />

:Variante 3, T N<br />

= 5.000 Jahre. Es ergibt sich sogar<br />

ein Freibord von 1,66 m.<br />

HRB Beimbach:<br />

Es handelt sich nach dem Entwurf der DIN 19700-12<br />

um ein großes Becken.<br />

BHQ 1<br />

:Variante 2, T N<br />

= 1.000 Jahre. Es ergibt sich ein<br />

ausreichendes Freibord von 2,72 m<br />

BHQ 2<br />

:Variante 3, T N<br />

= 10.000 Jahre. Der Freibord beträgt<br />

noch 1,16 m.<br />

HRB Täferrot:<br />

Nach dem Entwurf der DIN 19700-12 handelt es sich<br />

ebenfalls um ein großes Becken.<br />

BHQ 1<br />

:Variante 2, TN = 1.000 Jahre. Es ist ein Freibord<br />

von 1,16 m vorhanden. Dies ist ausreichend.<br />

BHQ 2<br />

:Variante 3, TN = 10.000 Jahre. Das Freibord<br />

beträgt noch 0,96 m und ist damit ausreichend.<br />

4 Kommen wir in Baden-Württemberg mit den<br />

im Entwurf der DIN 19700 vorgesehenen Änderungen/Neuerungen<br />

zurecht<br />

Die Antwort lautet zunächst ja, wenn man ausschließlich<br />

die Frage stellt, ob signifikant höhere Sicherheitsanforderungen<br />

aus den vorgesehenen Änderungen/<br />

Neuerungen resultieren. Da dies nicht der Fall ist,<br />

wäre der Sicherheitsstandard unserer entsprechend<br />

der geltenden DIN 19700 ertüchtigten Hochwasserrückhaltebecken<br />

weiterhin ausreichend. Probleme<br />

mit der neuen DIN 19700 sind aber zu erwarten<br />

wegen der Art der Nachweise und der daraus für<br />

bestehende, gerade erst sanierte Becken möglicherweise<br />

auftretenden Konsequenzen:<br />

a) Die von der Universität Karlsruhe überprüften<br />

Becken sind durchweg mittlere und große Bekken<br />

mit leistungsfähigen Auslässen. Probleme<br />

treten vereinzelt dort auf, wo beim Lastfall<br />

BHQ 1<br />

der Freibord kleiner ist als das im DIN-<br />

Entwurf festgelegte Mindestmaß. Nicht auszuschließen<br />

sind auch Probleme hinsichtlich<br />

der neuen Bemessungsvorgaben bei kleinen<br />

Anlagen, also kleinen Becken mit entweder<br />

wenig leistungsfähigen Auslässen und/oder<br />

geringer Retentionswirkung im gewöhnlichen<br />

Stauraum.<br />

b) Sorge bereitet auch die nicht praktikable Abgrenzung<br />

der Geltungsbereiche der Teile 10<br />

(Hochwasserrückhaltebecken) und 11 (Talsperren).<br />

Derzeit fehlen noch klare Kriterien zur<br />

Differenzierung zwischen Hochwasserrückhaltebecken<br />

und Talsperren. Dies hätte zur Folge,<br />

dass auch für viele Hochwasserrückhaltebecken<br />

in Baden-Württemberg (insbesondere mit Dauerstau)<br />

zusätzliche Vorgaben und Anforderungen<br />

der neuen DIN 19700-11 (Talsperren) zu erfüllen<br />

wären. Dies beträfe insbesondere die Nachweise<br />

für die Dammbauwerke, die Vorschriften für den<br />

Betrieb und die Vorschriften für die Ausrüstung<br />

der Anlagen mit Mess- und Regeltechnik. Konsequenzen<br />

wären dann auch für die staatliche Überwachung<br />

dieser Anlagen zu erwarten. Grundsätzlich<br />

wäre bei jeder Anlage, die im Grenzbereich<br />

Hochwasserrückhaltebecken/Talsperre angesiedelt<br />

ist, zu prüfen, welche Vorgaben schärfer sind,<br />

die im Teil 11 oder die im Teil 12.<br />

Die Definition der Talsperren nach dem Entwurf<br />

19700-11, Ziff. 1 Anwendungsbereich, ist<br />

nicht eindeutig:<br />

„Talsperren sind Stauanlagen, die über den Querschnitt<br />

des gestauten Wasserlaufes hinaus den<br />

Talquerschnitt abriegeln (siehe DIN 4048-1). Sie<br />

bestehen in der Regel aus Absperrbauwerk, Betriebseinrichtungen<br />

und Speicherbecken (Hauptsperre)<br />

sowie ggf. zusätzlichen Vorsperren. Zu<br />

den Talsperren gehören auch alle für ihre Ge-<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000


44 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

brauchstauglichkeit notwendigen Nebenanlagen,<br />

wie Umleitungsstollen, Beileitungen, Geschiebesperren<br />

sowie entferntere Vorbecken und Betriebsgebäude.<br />

Talsperren bewirken durch Speicherung<br />

des zufließenden Wassers einen gezielten<br />

Ausgleich des natürlichen Wasserdargebotes<br />

in den gestauten Fließgewässern.<br />

Die vorliegende Norm gilt insbesondere im Hinblick<br />

auf die Gestaltung, Bemessung und Bauausführung<br />

von Absperrbauwerken und - so weit<br />

geboten - auch für Stauanlagen nach DIN 19700-<br />

12 bis DIN 19700-15“.<br />

Das Regierungspräsidium Freiburg hat den Vorschlag<br />

eingebracht, dass eine sachgerechte Abgrenzung<br />

eventuell möglich ist durch Kriterien wie<br />

z.B.: “Dauerstauhöhe im Verhältnis zur Dammhöhe“<br />

oder “Überwiegender Teil des Stauraums =<br />

Hochwasserrückhalteraum.“<br />

Bei der Klassifizierung unterscheidet der Entwurf<br />

der DIN 19700-11 nur zwischen Talsperrenklasse<br />

1 „Höhe des Absperrbauwerkes von der Sohle<br />

des Gewässers unterhalb des Absperrbauwerkes<br />

bis zur Krone > 5 m und Gesamtstauraum des<br />

Speicherbeckens > 100.000 m³“ und Talsperrenklasse<br />

2 „kleine Talsperren, die die Voraussetzungen<br />

für die Zuordnung zur Talsperrenklasse 1<br />

nicht erfüllen“.<br />

Damit unterscheiden sich die Klassifizierungen in<br />

Teil 11 und Teil 12 erheblich und sind noch nicht in<br />

Deckung zu bringen. Viele Becken in Baden-<br />

Württemberg (insbesondere mit Dauerstau)<br />

müßten eventuell auch der DIN 19700-11 zugeordnet<br />

werden.<br />

c) Zu klären ist auch noch die Frage, wie hoch der<br />

Sicherheitszuschlag im Freibord sein muss.<br />

Im DVWK-Merkblatt 202/1991 ist die Aussage enthalten,<br />

dass der Sicherheitszuschlag bei kleinen, mittleren<br />

und großen Becken 0,25 m >0,50 m beträgt.<br />

Es wird außerdem die Empfehlung gegeben, für kleine<br />

und mittlere Hochwasserrückhaltebecken f si<br />

= 0,50 m<br />

nicht zu unterschreiten.<br />

Darüber hinaus ist noch zu klären, wie der Sicherheitszuschlag<br />

im Freibord beim Lastfall 2 zu behandeln ist,<br />

weil derzeit in den Entwürfen zu Teil 10 und Teil 12 die<br />

Regelungen nicht übereinstimmen.<br />

d) Freibordmessungen nach DVWK 246:<br />

Ist der Freibord im Lastfall BHQ, auch unter Berücksichtigung<br />

des neuen DVWK-Merkblattes<br />

246/1997 ausreichend Diese Frage ist in Zukunft<br />

auch zu prüfen.<br />

e) Die Sanierungspflichten sind noch zu wenig präzise<br />

bzw. praktikabel formuliert. Wie oft ist eine<br />

Überprüfung notwendig Wann ist die Berücksichtigung<br />

der Ergebnisse erforderlich<br />

Es wird vom Land Baden-Württemberg versucht, eine<br />

Regelung zu erreichen, die es ermöglicht, dass erst<br />

bei der nächsten regulären vertieften Prüfung/Sicherheitsprüfung<br />

die erhöhten hydrologischen und konstruktiven<br />

Anforderungen der neuen DIN 19700 umgesetzt<br />

werden müssen.<br />

Anschrift des Verfassers:<br />

BD Konrad Störk<br />

Regierungspräsidium Stuttgart<br />

Ruppmannstr. 21<br />

70565 Stuttgart<br />

Anmerkung des Verfassers:<br />

Die Drucklegung des Vortrags erfolgte im April 2000. Bis dahin erschien bereits die 6. Normvorlage der DIN<br />

19700-10 vom 3.3.2000. Wesentliche Änderungen gegenüber der 5. Normvorlage, insbesondere hinsichtlich<br />

der Lastfälle zum Nachweis der Hochwassersicherheit, sind nicht erfolgt. Die Normvorlage der DIN 19700-12<br />

wird voraussichtlich im April 2000 nochmals überarbeitet.<br />

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<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 45<br />

Überströmbare Erddämme und Dammscharten<br />

von Heinz Daucher<br />

Einführung<br />

In Baden-Württemberg befinden sich derzeit über 400<br />

Rückhaltebecken für den Hochwasserschutz. Im Jahre<br />

1987 wurde eine landesweite Überprüfung bezüglich<br />

der Sicherheit der Anlagen durchgeführt. Es wurden<br />

Regelungen für z.t. erforderliche Ertüchtigungen getroffen.<br />

berg berichtet. Diese Anlagentypen sind landschaftsverträglicher<br />

als herkömmliche massive Kunstbauwerke,<br />

sind oft hydraulisch überlastbarer und verklausungssicherer.<br />

Leider existieren diesbezüglich noch keine Normen,<br />

Regelwerke oder Richtlinien. Seit 1986 wurden im<br />

Auftrag der Wasserwirtschaftsverwaltung des Landes<br />

Baden-Württemberg<br />

zahlreiche Untersuchungen<br />

durchgeführt, vgl. Lit.<br />

[1] bis [6].<br />

Dammscharten<br />

Abb. 1: Hochwasserrückhaltebecken Gissigheim (Main-Tauber-Kreis), Bruch nach Überströmen, 1984<br />

Dammscharten wurden bereits<br />

in den fünfziger Jahren<br />

bei kleineren Becken in Beton<br />

bzw. Pflaster in Beton<br />

ausgeführt. Bei der Ertüchtigung<br />

von Becken wurden<br />

seit 1987 öfters auch<br />

„Dammscharten in Lockerbauweise“<br />

als kostengünstige<br />

und landschaftsverträglichere<br />

Erweiterungsmöglichkeit<br />

vorhandener<br />

konventioneller Hochwas-<br />

„Das wichtigste Sicherungsglied<br />

eines Hochwasserrückhaltebekkens<br />

ist die Hochwasserentlastungsanlage<br />

in<br />

Verbindung mit einem<br />

ausreichenden Freibord,<br />

um den Damm auch unter<br />

außergewöhnlichen<br />

Belastungen vor einer<br />

Überströmung und damit<br />

vor einer Zerstörung zu<br />

bewahren [5]“, vgl. hierzu<br />

Abb.1.<br />

Nachfolgend wird über<br />

den Sachstand der Hochwasserentlastungstypen<br />

„Dammscharten“ und<br />

„überströmbare Dämme“<br />

in Baden-Württem-<br />

Abb. 2a: Grundriß einer Dammscharte (Beispiel) aus [5]<br />

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46 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

Überströmbare<br />

Dämme<br />

Abb. 2b: Längsschnitt einer Dammscharte (Beispiel) aus [5]<br />

serentlastungsanlagen mit zu geringer hydraulischer<br />

Leistungsfähigkeit gebaut. Auch bei neuen Hochwasserrückhaltebecken<br />

werden verstärkt „Dammscharten<br />

in Lockerbauweise“ gewählt, vgl. Abb. 2a, 2b (Prinzipskizze)<br />

und Abb. 3 (Deckwerksaufbau mit den Varianten<br />

„Steinsatz“ und Steinschüttung“).<br />

Insbesondere bei geringen<br />

Dammhöhen<br />

(z.b. kleiner als 3 m)<br />

und kleinen Einzugsgebieten<br />

wurden<br />

schon vor ca. 20 Jahren<br />

Hochwasserrückhaltebecken<br />

gebaut,<br />

bei denen die Hochwasserentlastung<br />

über die gesamte<br />

Dammbreite erfolgt,<br />

gl. Prinzipskizze Abb.<br />

7 und die Ausführungsbeispiele<br />

gem.<br />

Abb. 8 und 9. Hierbei<br />

handelt es sich um<br />

Becken mit Steinstützkörper<br />

und sehr kleinen spezifischen Hochwasserabflüssen<br />

pro lfdm.<br />

Im Zuge des dezentralen Hochwasserschutzes werden<br />

verstärkt derartige Lösungen benötigt, um „durch<br />

Wegfall des Freibordes...“ die Dämme niedriger gestalten<br />

zu können. Über 50 derartige Becken befinden sich<br />

derzeit in der Planungs- bzw. Vorplanungsphase.<br />

Abb. 4 und Abb. 5 zeigen<br />

ein Beispiel „Dammscharte<br />

in Lockerbauweise –Steinschüttung-„<br />

mit einer horizontalen<br />

Überlaufschwelle<br />

von l = 173 m, wodurch die<br />

„Überfallhöhe bei Hochwasserabfluss“<br />

und damit die<br />

Dammhöhe reduziert werden<br />

konnten.<br />

Planungs- und Bemessungshinweise<br />

sowie derzeitige<br />

Anwendungsgrenzen<br />

sind in [5] enthalten.<br />

Neuere Versuchsergebnisse<br />

[4] deuten darauf hin,<br />

dass gegenüber der rein<br />

statischen Betrachtungsweise<br />

erhöhte Beanspruchungen<br />

infolge hydrodynamischer<br />

Effekte auftreten,<br />

vgl. Abb. 6. Weitere Untersuchungen<br />

sind daher erforderlich<br />

und vorgesehen.<br />

Abb. 3: Deckwerksaufbau einer Dammscharte in Lockerbauweise aus [5]<br />

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<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 47<br />

Abb. 4: Hochwasserrückhaltebecken Nöttingen (Gemeinde Remchingen), Ansicht vom Oberwasser, <strong>1999</strong><br />

Abb. 5: Hochwasserrückhaltebecken Nöttingen/Pfinz, Dammscharte in Lockerbauweise (Schwellenlänge 173m), <strong>1999</strong><br />

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48 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

Abb. 6: Strömungsablösungen und Staupunkte, aus [4]<br />

Nach [6.1] werden derzeit in enger Abstimmung mit<br />

der Wasserwirtschaftsverwaltung des Landes Baden-<br />

Württemberg mögliche Lösungsvarianten untersucht,<br />

vgl. Abb. 10 und Abb. 11.<br />

Sonderfälle<br />

Eine „Sonderlösung“ ist in Abb. 12 dargestellt.<br />

Der Damm des Hochwasserrückhaltebeckens wurde<br />

so trassiert, dass die Hochwasserentlastung über den<br />

gewachsenen Boden (Wiese-Gras) erfolgt.<br />

Ausblick<br />

Sowohl für „Dammscharten in Lockerbauweise“ als<br />

auch für „überströmbare (kleine) Erddämme“ sind weitere<br />

Untersuchungen dringend erforderlich und werden<br />

bis Ende <strong>1999</strong> in einem Forschungsauftrag konkretisiert.<br />

Ab 2000 sollen die weiteren Untersuchungen durchgeführt<br />

werden, um aus der Grundlagenforschung<br />

baldmöglichst Gestaltungs- und Bemessungsverfahren<br />

für den praktischen Vollzug zu erhalten.<br />

Abb. 7: Schema der Abflüsse bei einem überströmbaren Damm aus [6.1]<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000


<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 49<br />

Abb. 8: Hochwasserrückhaltebecken Königsbach- Stein (Enzkreis), überströmbarer Damm (Bj 1977), Aufnahme <strong>1999</strong><br />

Abb. 9: Hochwasserrückhaltebecken Obernhausen (Enzkreis), überströmbarer Damm, <strong>1999</strong><br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000


50 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />

Abb. 10: überströmbarer Erddamm mit Innensicherung aus [6.1]<br />

Abb. 11: überströmbarer Erddamm mit Oberflächensicherung aus [6.1]<br />

<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000


<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 51<br />

Abb. 12: Hochwasserrückhaltebecken Stuttgart/Feuerbacher Tal, Hochwasserentlastung „über gewachsenem Boden“ (Vordergrund) <strong>1999</strong><br />

Literaturverzeichnis<br />

Untersuchungen im Auftrag der Wasserwirtschaftsverwaltung<br />

des Landes Baden-Württemberg:<br />

[1] Larsen P., Bernhart H.H., Schenk E., Blinde A.,<br />

Brauns J., Degen F.P. (1986): „Überströmbare Dämme<br />

Hochwasserentlastung über Dammscharten“,<br />

Gutachten der Universität Karlsruhe für das RP<br />

Karlsruhe.<br />

[2] Kobus H., Westrich B., Hassinger R. (1987): Hydraulische<br />

Gestaltung von Hochwasserentlastungsanlagen,<br />

Teil 4: Bemessungsgrundlagen für Dammscharten<br />

und Flutmulden“. Gutachten der Universität<br />

Stuttgart, Institut für Wasserbau im Auftrag des ME-<br />

LUF.<br />

[3] Giesecke J., Westrich B., Salden D., Rathgeb A.<br />

(1994): „Dammscharten in Lockerbauweise zur<br />

Hochwasserentlastung an Rückhaltebecken, Gutachten<br />

der Universität Stuttgart, Institut für Wasserbau<br />

im Auftrag der LfU, Außenstelle Stuttgart.<br />

[4] Westrich B., Rathgeb A. (1996): Bemessungsgrundlagen<br />

und Gestaltungsvorschläge für überströmbare<br />

Dämme (Modelluntersuchungen), Universität<br />

Stuttgart, Institut für Wasserbau, im Auftrag der<br />

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg.<br />

[5] Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />

(1997). Dammscharten in Lockerbauweise bei<br />

Hochwasserrückhaltebecken. Handbuch Wasser 2,<br />

Heft 36, Karlsruhe.<br />

[6] Unveröffentlichte Ausarbeitungen des landesinternen<br />

Arbeitskreises „Überströmbare Dämme und<br />

Dammscharten“ (1996 bis <strong>1999</strong>):<br />

[6.1] Beiträge der Universität Karlsruhe (TH)<br />

· Abteilung Erddammbau und Deponiebau am Institut<br />

für Boden- und Felsmechanik, Prof. Dr.-Ing.<br />

J. Brauns<br />

· Institut für Wasserwirtschaft und Kulturtechnik,<br />

Prof. Dr.-Ing. F. Nostmann<br />

[6.2] Beiträge der Universität Stuttgart<br />

· Institut für Wasserbau, Versuchsanstalt, Prof.<br />

Dr.-Ing. B. Westrich<br />

· Institut für Geotechnik, Dr.-Ing. D. Salden<br />

Anm.: In [1] bis [5] sind jeweils umfangreiche Hinweise<br />

auf weiterführende Literatur enthalten.<br />

Anschrift des Verfassers:<br />

BD Dipl.-Ing. Heinz Daucher<br />

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />

Abteilung 4 – Wasser und Altlasten<br />

Griesbachstr. 1<br />

76185 Karlsruhe<br />

Alle Aufnahmen: Daucher<br />

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