Berichtsband 1999 Band 2 - WBW Fortbildungsgesellschaft
Berichtsband 1999 Band 2 - WBW Fortbildungsgesellschaft
Berichtsband 1999 Band 2 - WBW Fortbildungsgesellschaft
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BETRIEB ÜBERÖRTLICHER<br />
HOCHWASSERRÜCKHALTEBECKEN<br />
IN BADEN-WÜRTTEMBERG<br />
<strong>Berichtsband</strong> zum zweiten Erfahrungsaustausch<br />
19. November 1997 in Weinsberg<br />
Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg<br />
<strong>Fortbildungsgesellschaft</strong> für Gewässerentwicklung mbH
Impressum<br />
<strong>Berichtsband</strong> zum 6. Erfahrungsaustausch<br />
HRB, 4. Jahrgang, 2000<br />
ISSN 1438-3586<br />
Herausgeber:<br />
<strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong><br />
für Gewässerentwicklung mbH<br />
Mannheimer Str. 1<br />
69115 Heidelberg<br />
Redaktion:<br />
Dipl.-Ing. Jürgen Reich<br />
Geschäftsführer<br />
Gestaltung der Umschlagseite:<br />
DesignConcept Emil Smejkal<br />
Umschlag: Hochwasserrückhaltebecken<br />
Oberstetten, Dammscharte<br />
(Foto: Jürgen Reich)<br />
Heidelberg, April 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 3<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Seite<br />
Vorwort 5<br />
Programmübersicht 6<br />
Fachbeiträge<br />
Josef Brauns 7<br />
Verhalten zeitweise eingestauter Dämme und<br />
Überwachung ihres Verhaltens<br />
Alois Stockinger 13<br />
Durchführung von Wasser- und Anlagenschauen<br />
Klaus Girod, Holger Rosenkranz 18<br />
Meßeinrichtungen und Bewertung von Meßergebnissen<br />
zur Kontrolle der Dammsicherheit<br />
Matthias Groteklaes 27<br />
Hochwasserentlastungsanlagen und Freibordbemessung<br />
Bernhard Westrich 35<br />
Stand der Überarbeitung der DIN 19700<br />
Konrad Störk 37<br />
Ergebnisse der Überprüfung von Stauanlagen in<br />
Baden-Württemberg im Hinblick auf beabsichtigte<br />
Neuregelungen der DIN 19700<br />
Heinz Daucher 45<br />
Überströmbare Erddämme<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 5<br />
VORWORT<br />
Hauptthema des vorliegenden sechsten <strong>Berichtsband</strong>es ist die Sicherheit von Dammbauwerken.<br />
Diese Bauwerke erfordern eine intensive Überwachung, gerade wenn es sich dabei um Erddämme<br />
handelt. Eine gute Überwachung ist aber nur dann möglich, wenn bestimmte Grundlagen und Randbedingungen<br />
beachtet werden. So ist es wichtig, das Verhalten dieser Dämme bei zeitweisem oder<br />
dauerhaftem Einstau zu kennen, um im Ernstfall Abschätzungen über die Standsicherheit geben<br />
und gegebenenfalls Präventivmaßnahmen einleiten zu können.<br />
Daran schließt sich die Kenntnis der unterschiedlichen Meßverfahren an, um für die jeweilige Fragestellung<br />
die geeignete Meßmethode auswählen zu können. Und nur durch die anschließende<br />
fundierte Bewertung der Meßergebnisse kann die Dammsicherheit zuverlässig kontrolliert werden.<br />
Nicht vergessen werden sollte hier die behördliche Überwachung der Anlagen, die durch eine zusammenfassende<br />
Beurteilung aller Meßgrößen und anderer Vorkommnisse in regelmäßigen Abständen<br />
einen weiteren Beitrag zur Sicherheit der Bauwerke leistet.<br />
Hochwasserentlastungsanlagen werden errichtet, um den Damm vor Überströmung und damit vor<br />
Zerstörung zu schützen. Dabei besteht die Auswahl zwischen verschiedenen Bauformen, die jede<br />
für sich Vor- und Nachteile besitzen bis hin zu sogenannten überströmbaren Dämmen. Damit einher<br />
geht die Freibordbemessung, die nach dem bestehenden Regelwerk nicht immer ohne Schwierigkeiten<br />
durchgeführt werden kann. Um so mehr interessieren beabsichtigte Neuregelungen der DIN<br />
19700 und deren mögliche Auswirkungen auf bestehende Anlagen.<br />
Die Beiträge von Experten zu den vorstehenden Themen wurden in diesem <strong>Berichtsband</strong> über den<br />
sechsten Erfahrungsaustausch für Betreiber überörtlicher Hochwasserrückhaltebecken am 10. Novevber<br />
1919 in ScScbwischch ünd z zämmengngmßt.<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
6 Fachceiträge 6. Erfafrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
Programm 6. Erfahrungsaustausch am 10. November <strong>1999</strong><br />
9 30 Uhr Eröffnung und Begrüßung<br />
Ltd. BD a.D. Gebhard Wagner, Wasserwirtschaftsverband Baden-Württemberg e.V.<br />
Erster Bürgermeister Karl Heinz Ruppel, Stadt Schwäbisch Gmünd<br />
Verbandsvorsitzender Gerhard Gölz, Wasserverband Kocher-Lein<br />
OBR Werner K. Schultz, Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg<br />
Moderation: OBR Werner K. Schultz,<br />
Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg<br />
9 50 Uhr Verhalten zeitweise eingestauter Dämme und Überwachung ihres Verhaltens<br />
Prof. Dr.-Ing. Josef Brauns, Universität Karlsruhe,<br />
Institut für Bodenmechanik und Felsmechanik<br />
10 20 Uhr Durchführung von Wasser- und Anlagenschauen<br />
Alois Stockinger, GwD Neckar, Bereich Ellwangen<br />
10 50 Uhr Diskussion<br />
11 00 Uhr Pause<br />
11 30 Uhr Meßeinrichtungen und Bewertung von Meßergebnissen zur Kontrolle der<br />
Dammsicherheit<br />
Dr. Klaus Girod, Dipl.-Ing. Holger Rosenkranz,<br />
Hydroprojekt Ingenieurgesellschaft, Dresden<br />
12 00 Uhr Diskussion<br />
12 20 Uhr Mittagspause<br />
Moderation: Dipl.-Ing. Werner Zacharides, Landratsamt Heilbronn<br />
13 30 Uhr Hochwasserentlastungsanlagen und Freibordbemessung<br />
OBR Matthias Groteklaes, Regierungspräsidium Freiburg<br />
14 00 Uhr Stand der Überarbeitung der DIN 19700<br />
Prof. Dr.-Ing. Bernhard Westrich, Universität Stuttgart, Institut für Wasserbau<br />
14 30 Uhr Ergebnisse der Überprüfung von Stauanlagen in Baden-Württemberg im Hinblick<br />
auf beabsichtigte Neuregelungen der DIN 19700<br />
BD Konrad Störk, Regierungspräsidium Stuttgart<br />
15 00 Uhr Überströmbare Erddämme<br />
BD Heinz Daucher, Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />
15 30 Uhr Diskussion<br />
16 00 Uhr Ende der Veranstaltung<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 7<br />
Verhalten zeitweise eingestauter Dämme und<br />
Überwachung ihres Verhaltens<br />
von Josef Brauns<br />
1 Einführung<br />
Hochwasser und Hochwasserschutz sind unter den<br />
klimatischen Bedingungen einer Region wie der unsrigen<br />
von alters her wichtige Themen öffentlichen Interesses.<br />
Dies gilt - in gleichem Maße, aber unterschiedlicher<br />
Ausprägung - sowohl für die morphologisch<br />
stärker gegliederten Zonen der Mittelgebirge<br />
wie auch für die Stromtäler und Tieflandbereiche. So<br />
verwundert es nicht, daß die Liste der Hochwasserrückhaltebecken<br />
- nimmt man alle großen und kleinen<br />
Anlagen einmal zusammen - sehr lange ist; allein<br />
in Baden-Württemberg kommt man anhand einer<br />
vorliegenden Aufstellung der LfU auf eine Zahl über<br />
300 (Abb. 1).<br />
Eine große Teilmenge der Becken - vor allem wohl<br />
derjenigen mit kleineren und mittleren Höhen - sind<br />
Trockenbecken, die nur im Hochwasserfalle Wassereinstau<br />
erfahren. Abhängig von den geologischen,<br />
morphologischen und hydrologischen Bedingungen<br />
liegt in bestimmten Regionen nicht einmal ein Bachlauf<br />
mit ständigem Abfluß vor; im Karstgebiet z. B. der<br />
Alb kommen die Einstauereignisse überhaupt nur selten<br />
vor. Andererseits gibt es eine Reihe von Rückhaltebecken<br />
mit gewissem Dauerstau, die dann quasi die<br />
Eigenschaft von Talsperren haben.<br />
Im Zusammenhang mit Planung, Bau und Betrieb<br />
von HRB stellen sich den dafür Zuständigen mancherlei<br />
Probleme verschiedener Art. Hilfreich bei deren<br />
Bewältigung sind gewiß die einschlägigen Regelwerke,<br />
in erster Linie die DIN 19700 mit ihrem speziell<br />
auf HRB gerichteten Teil 12. Weiter ist das DVWK-<br />
Merkblatt 202 (DVWK 1991) als Standardwerk zu<br />
nennen und nicht zuletzt die „Geotechnische Empfehlung“<br />
des MELUF (1984).<br />
Aus dem Gesamtkomplex von Problemstellungen bei<br />
Hochwasserrückhaltebecken wird im vorliegenden<br />
Beitrag nur ein kleiner Ausschnitt beleuchtet, nämlich<br />
die Einwirkungen des Wassers bei einem mehr oder<br />
weniger langen Einstau. In dieser speziellen Fragestellung<br />
kann teilweise Bezug genommen werden auf<br />
Vorgänge bei Hochwasserschutzdeichen an Flüssen,<br />
die ja ebenfalls nur zeitweilig mit Wasser belastet<br />
werden.<br />
2 Vorgänge beim Einstau von Dämmen<br />
Abb. 1: Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg;<br />
Häufigkeitsverteilung nach Dammhöhen (nach LfU)<br />
Je nach ihrer Lage und Größe haben die Hochwasserrückhaltebecken<br />
mehr örtliche oder überörtliche<br />
bzw. regionale Bedeutung. In der Häufigkeit des Vorkommens<br />
überwiegen - wie aus Abb. 1 ersichtlich -<br />
natürlich die kleineren Becken; immerhin finden sich<br />
aber rund 60 Becken mit Dammhöhen zwischen 10<br />
und 16 m, und einige wenige Becken erreichen<br />
Dammhöhen um 30 m.<br />
Die Betrachtung der hydraulischen, vor allem der sikkerhydraulischen<br />
Vorgänge im Zusammenhang mit<br />
einem Einstauereignis ist der entscheidende Punkt in<br />
Hinsicht auf die Sicherheit eines Rückhaltedammes,<br />
denn durch nichts sonst als durch die Einwirkungen<br />
des Sickerwassers - einmal abgesehen von dem sowieso<br />
unzulässigen Fall einer Überflutung - kann ein<br />
solcher Damm gefährdet werden. Ganz grundsätzlich<br />
und schematisch stellt sich die Situation bei einem<br />
längerfristig wasserbelasteten Damm so ein,<br />
wie es in Abb. 2 dargestellt ist.<br />
Abb. 2: Schema eines Rückhaltedammes auf durchlässigem<br />
Untergrund<br />
Prinzipiell ist davon auszugehen, daß sowohl der<br />
Dammkörper als auch der Untergrund mehr oder<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
8 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
minder wasserdurchlässig ist. Wir sprechen zwar<br />
manchmal von „dichten Untergrundhorizonten“ oder<br />
von „Dammdichtungen“; einmal abgesehen von synthetischen<br />
Dichtungselementen aus bestimmten<br />
Stoffen haben wir es in der Natur bzw. in der Baupraxis<br />
aber immer mit durchlässigen Materialien zu tun,<br />
mag ihr Durchlässigkeitsbeiwert noch so gering sein.<br />
So infiltriert also das Beckenwasser im Einstaufalle in<br />
den Dammuntergrund und in den Dammkörper, wobei<br />
die Geschwindigkeit der Infiltration naturgemäß<br />
von der Durchlässigkeit abhängt. Nach einem plötzlichen<br />
Einstau penetriert das Wasser in den Erdkörper<br />
zunächst schnell, findet mit zunehmender Durchsikkerungsstrecke<br />
immer mehr Fließwiderstand (wird<br />
also langsamer) und tritt nach bestimmter Zeit an der<br />
Luftseite als exfiltrierendes Wasser in Erscheinung.<br />
Letzteres ist nun - wie wir alle wissen - ein sehr unerwünschtes<br />
Vorkommnis, zu dem es nur bei ausreichend<br />
langer Dauer des Einstaues kommt und das<br />
es tunlichst zu verhindern gilt. Die Hochwasserrückhaltebecken-DIN<br />
macht dazu die im Textteil von Abb.<br />
3 wiedergegebenen Ausführungen.<br />
Gemeint ist dabei, was sich zur Problematik der instationären<br />
Durchfeuchtung bei Hochwasserschutzdämmen<br />
an Flüssen skizzenhaft im DVWK-Merkblatt<br />
„Flußdeiche“ dargestellt findet (s. Abb. 3 unten). Diese<br />
Darstellung ist rein qualitativ, weshalb im folgenden<br />
kurz auf einige betreffende quantitative Zusammenhänge<br />
eingegangen werden soll, da einige der<br />
kleineren Dämme von HRB als ungegliederte Dämme<br />
ohne Dichtungs- oder Dränelement gebaut sind.<br />
Ziel ist es, zu einer möglichst einfachen Abschätzung<br />
der Staudauer zu gelangen, die zur „Durchfeuchtung“<br />
eines plötzlich wasserbelasteten Dammes bestimmter<br />
Durchlässigkeit benötigt wird.<br />
Abb.3:<br />
Zur Durchfeuchtung homogener Dämme bei zeitweiligem<br />
Einstau (nach DVWK)<br />
Abb. 4: Zum zeitlichen Verlauf der Durchfeuchtung eines plötzlich<br />
eingestauten Dammes - Abschätzung unter vereinfachenden<br />
Annahmen<br />
Da wir in Sachen Durchlässigkeit meist nur größenordnungsmäßig<br />
Bescheid wissen, beschränken wir<br />
uns auf die in Abb. 4 gezeigte Abschätzung unter der<br />
vereinfachenden Annahme einer eindimensionalen<br />
Strömung entlang der dort eingetragenen Ersatzbreite<br />
b*. Hieraus folgt eine einfache Gleichung zur Bestimmung<br />
der Dauer bis zum Austritt von Wasser am luftseitigen<br />
Fuß.<br />
Als Materialparameter geht hier selbstverständlich der<br />
Durchlässigkeitsbeiwert ein; darüber hinaus aber<br />
auch die Porosität n a<br />
, nämlich (lediglich) der Luftporenanteil.<br />
Darauf wird i.a. nicht genügend geachtet.<br />
Es versteht sich aber von selbst, daß Porenwasser,<br />
welches im Boden bzw. Dammschüttstoff bereits vorhanden<br />
ist, nicht erst in den Damm hineingelangen<br />
muß. Die Durchfeuchtung eines - z. B. durch anhaltende<br />
vorausgehende Niederschläge - bereits teilgesättigten<br />
Dammes verläuft demgemäß (und dies<br />
zeigt ja auch die Erfahrung) viel schneller als die eines<br />
seit langem trockenstehenden Dammkörpers<br />
(für n a<br />
0 wird t 0).<br />
An dieser Stelle müssen wir auf die Durchströmungsvorgänge<br />
im Untergrund des Dammes kurz zurückkommen.<br />
Aus dem zuvor Gesagten folgt nämlich,<br />
daß die „Durchfeuchtung“ bzw. die Aufsättigung bei<br />
Vorliegen einer vollständigen Wassersättigung praktisch<br />
überhaupt keine Zeit benötigt. Sollte also in den<br />
Talauesedimenten unter der Dammaufstandsfläche<br />
Grundwasser anstehen, so muß die Untergrunddurchsickerung<br />
bei Auftreten eines Beckeneinstaus<br />
sofort in Gang kommen, auch wenn die vorliegenden<br />
Böden relativ wenig durchlässig sind.<br />
Zurück zur Durchsickerung des Dammes selbst. Der<br />
instationäre Durchfeuchtungsvorgang kann heutzutage<br />
selbstverständlich elegant mit numerischen Berechnungsverfahren<br />
analysiert werden. Ein betreffendes<br />
Ergebnis ist in Abb. 5 dargestellt.<br />
Aufgetragen im Dammprofil sind mehrere Durchfeuchtungsfronten<br />
zu unterschiedlichen Zeitpunkten.<br />
Dabei sind die aufgeschriebenen Zahlenzeilen den<br />
zwei rechts angegebenen Durchlässigkeitsbeiwerten<br />
zuzuordnen. Wir erkennen hier wieder, wie stark das<br />
hydraulische Geschehen vom alles beherrschenden<br />
k-Wert abhängig ist. Gleichwohl spielt jeweils auch<br />
das angenommene Sättigungsprofil im Ausgangszu-<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 9<br />
Abb. 5: Zeitlicher Verlauf der Durchfeuchtung eines plötzlich eingestauten Dammes - Ergebnis einer numerischen Simulation<br />
stand mit herein. Für einen Dammbaustoff mit einer<br />
Durchlässigkeit von k = 10 -5 m/s tritt die Durchsickerung<br />
des 4,5 m hoch eingestauten Dammes immerhin<br />
nach rund 50 Std. seit Einstau zutage, so daß ab<br />
dann womöglich mit riskanten Verhältnissen zu rechnen<br />
wäre. Wie ja bekannt ist, sind streng homogene<br />
Dämme für längeren Einstau in aller Regel nicht<br />
standsicher.<br />
Vollständigkeitshalber ist noch darauf hinzuweisen,<br />
daß einmal wasseraufgesättigte Dämme nach einer<br />
relativ schnellen Entleerung des Staubeckens auch<br />
zur Wasserseite hin nicht standsicher sind. Auch dies<br />
läßt sich in Modellversuchen anschaulich zeigen.<br />
So nimmt es also nicht wunder, daß für Dämme von<br />
HRB nennenswerter Bedeutung und Größe i.d.R. gegliederte<br />
Querschnitte zur Anwendung kommen, wie<br />
sie beispielsweise auch in den „Geotechnischen<br />
Empfehlungen“ (MELUF 1994) aufgeführt sind (vgl.<br />
Abb. 6).<br />
Die dort angeführten Querschnitte kommen denjenigen<br />
für regelrechte Talsperrendämme gleich und sind<br />
durch systematische Gliederung in „dichtende“ (ggf.<br />
auch dränierende) und stützende Elemente gekennzeichnet.<br />
Der zuoberst dargestellte Querschnittstyp<br />
ist dabei noch von sehr einfachem Aufbau und setzt<br />
als weitgehend homogener Erdkörper ein relativ wenig<br />
durchlässiges Schüttmaterial voraus. Die übrigen<br />
Querschnitte weisen ausgeprägte Dichtungselemente<br />
auf, die ihrer Aufgabe nur dann gerecht<br />
werden können, wenn sie tatsächlich sehr viel weniger<br />
durchlässig als das umgebende Dammmatrial<br />
und vor allem auch erosionssicher sind.<br />
Abb. 6:<br />
Übersicht über Dammtypen gemäß den „geotechnischen<br />
Empfehlungen ...“ (MELUF 1984)<br />
Bei Darstellung solcher Dammquerschnitte ist man<br />
leicht dazu geneigt, der Dichtung eine weitestgehende<br />
Dichtungswirkung und den übrigen Zonen eine<br />
vollkommene Dränfunktion zuzuordnen. Hierbei und<br />
generell ist aber zu beachten, daß im konkreten Fall<br />
einige teils konkurrierende Interessen unter einen Hut<br />
zu bringen sind:<br />
- Dichtungsfunktion und Dränfunktion erfordern<br />
möglichst große Unterschiede in den Durchlässigkeiten<br />
der betreffenden Zonen (vorzugsweise<br />
Verhältnis 1 : 1000); in der Folge stellt sich das<br />
Problem der Erosions- bzw. Filterfestigkeit.<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
10 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
- Dichtungsmaterialien sind i.d.R. im Einbau teuer,<br />
und somit besteht die Tendenz, damit zu geizen;<br />
bei schmalen Dichtungszonen ergeben sich aber<br />
hohe hydraulische Belastungen.<br />
- Beim Bau von Dämmen für Rückhaltebecken<br />
müssen ortsverfügbare Baustoffe verwendet werden,<br />
die die gewünschten Anforderungen u. U.<br />
nur bedingt erfüllen.<br />
Trotz derlei Beschränkungen muß auch bei Dämmen<br />
für HRB, die nur zeitweise wasserbelastet sind, die<br />
Sicherheit in allen wesentlichen Belangen gegeben<br />
sein, denn wir haben kein Werkzeug zur Hand, für<br />
unzureichend bemessene bauliche Situationen etwa<br />
erwartbare Standzeiten oder dergleichen vorherzusagen.<br />
Gerade das hydraulische Funktionieren von<br />
Dammaufbauten muß quantitativ nachgewiesen werden.<br />
Dabei ist von Vorteil, wenn der Querschnitt - also<br />
das zu betrachtende System - möglichst einfach und<br />
in der Wirkung übersichtlich ist.<br />
Abb. 8: Damm mit schmaler Innendichtung - Abschätzung<br />
von Durchfluß und Wasserstand hinter der Dichtung<br />
Abb. 7 gibt eine Methode zur Abschätzung des<br />
Durchflusses (q) und des Wasseraufstieges im<br />
Damm hinter einer Oberflächendichtung (h 1<br />
) wieder.<br />
Auf Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden.<br />
Die Wirksamkeit eines Oberflächendichtungselementes<br />
kann hiernach beurteilt werden. Daß die<br />
für die analytische Lösung getroffenen Vereinfachungen,<br />
die schließlich zu sehr übersichtlichen Gleichungen<br />
führen (die übrigens selbstverständlich dimensionsrein<br />
sind), vernünftig sind, läßt sich ebenfalls anhand<br />
von Modellversuchen veranschaulichen.<br />
In ähnlicher Weise wie der Fall mit Oberflächendichtung<br />
kann auch derjenige mit Innendichtung behandelt<br />
werden. Das Ergebnis ist in Abb. 8 dargestellt.<br />
Diese Zusammenhänge werden hier vorgeführt, um<br />
für einfache Fälle etwas leicht handhabbares Handwerkszeug<br />
bereitzustellen für die Erfüllung der in der<br />
DIN 19700 (Teil 10) gestellten Hauptforderung zum<br />
Nachweis der sogenannten „hydraulischen Sicherheit“.<br />
8.1.3 Hydraulische Sicherheit<br />
Es ist der Nachweis zu erbringen, daß das Sickerwasser<br />
durch, unter und um den Damm - auch unter<br />
ungünstigen Annahmen über den Aufbau des<br />
Dammuntergrundes und den Erfolg der Dichtungsmaßnahmen<br />
- schadlos für die Stauanlage ins Unterwasser<br />
abgeführt werden kann. Maßgebende<br />
Sickerlinien und Sickerwasserabflüsse sind zu ermitteln.<br />
Abb. 7: Damm mit schmaler Außendichtung - Abschätzung von<br />
Durchfluß und Wasserstand hinter der Dichtung<br />
Bei klar aufgebauten Systemen läßt sich die hydraulische<br />
Wirkungsweise auf relativ einfache Weise<br />
quantitativ überprüfen. Es ist nämlich sehr vorteilhaft,<br />
wenn man nicht gleich zu komplizierten Lösungsverfahren<br />
greifen muß, bei denen die Ergebnisse nicht<br />
immer leicht zu interpretieren sind. Für zwei der in<br />
Abb. 6 dargestellten Fälle, nämlich Dämme mit<br />
schmaler Oberflächendichtung bzw. mit schmaler Innen-<br />
oder Kerndichtung, sind Abschätzungsformeln<br />
für die wesentlichen hydraulischen Größen in den folgenden<br />
Abbildungen dargestellt.<br />
Abb. 9: Auszug aus DIN 19700 Teil 10 (1986)<br />
Oben vorgestellte Zusammenhänge galten für stationäre<br />
Staubedingungen, also Dauerstau. Ob und inwieweit<br />
es zu derartigen Strömungsbedingungen im<br />
Damm kommt, hängt selbstverständlich wieder von<br />
der Einwirkungsdauer im Vergleich zu den Durchlässigkeitsbeiwerten<br />
ab. Zusätzlich spielen die Vorsättigungsverhältnisse<br />
in den beteiligten Dammzonen -<br />
wie schon gezeigt - eine nicht unbedeutende Rolle.<br />
Über die Zusammenhänge des Wasserhaushaltes von<br />
Dammkörpern - seien sie homogen anzusehen oder<br />
gegliedert aufgebaut - ist unseres Erachtens bisher zu<br />
wenig bekannt. Gerade bei den überwiegend wasserunbelasteten<br />
Dämmen für den Hochwasserschutz, die<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 11<br />
vielfach aus Mischböden geschüttet sind und in irgendeinem<br />
witterungsbedingten Feuchtezustand<br />
plötzlich unter Einstau geraten, scheinen Fragen offen.<br />
Dieses Problemfeld des Zusammenhanges zwischen<br />
Meteorologie, innerem Wasserhaushalt und irgendwann<br />
einsetzender hydrologischer Belastung<br />
durch Einstau ist derzeit Gegenstand unserer Betrachtungen<br />
(vgl. Abb. 10).<br />
Vor dem Hintergrund unserer inzwischen gewonnenen<br />
Kenntnisse zum Wasserhaushalt von Dämmen<br />
unter natürlichen Randbedingungen möchte ich das<br />
Augenmerk aber nochmals auf das Problem der<br />
Feuchte- bzw. Sättigungsmessung lenken, der in unseren<br />
Augen bisher zu wenig Beachtung geschenkt<br />
wird.<br />
Abb. 10: „Wasserhaushalt“ eines Dammkörpers unter natürlichen<br />
Einwirkungen (ohne Einstau), schematisch und vereinfacht<br />
Wir verfügen über ein naturmaßstäbliches Freilandmodell<br />
eines Dammes, in dem wir den Wasserhaushalt<br />
in Abhängigkeit der Randbedingungen zeitabhängig<br />
verfolgen können. Es gibt die Möglichkeit der<br />
künstlichen Beregnung und des gesteuerten Einstaus<br />
sowie der Messung der Wasserstände und der<br />
Feuchteverteilung im Dammkörper wie natürlich<br />
auch des Sickerwasserabflusses. Zweck der Arbeiten<br />
mit diesem Modell (und mit weiteren Labormodellen<br />
in kleinerem Maßstab) ist nicht etwa die Lösung<br />
eines Falles konkreter Ausprägung; vielmehr<br />
zielt die Untersuchung auf das Auffinden allgemeiner<br />
Zusammenhänge, die letztlich in Rechenmodelle einfließen<br />
sollen, die dann bei weitgehend beliebigen Situationen<br />
Anwendung finden können.<br />
Das Messen von Wasserständen im Damminneren<br />
und von Sickerwasserabflüssen ist bei den experimentellen<br />
Untersuchungen eine leichte Übung. Dies<br />
gilt in gewissem Maße auch für konkrete Projekte in<br />
der Natur - und hiermit möchte ich zum Schluß wenigstens<br />
kurz auf das Stichwort „Überwachung des<br />
Dammverhaltens“ zu sprechen kommen.<br />
3 Anmerkungen zum Stichwort Überwachung<br />
Die Überwachung von Dammbauwerken allgemein<br />
gesehen hat sich selbstverständlich auf verschiedene<br />
Aspekte zu richten. Als Stichworte seien<br />
hier kurz aufgezählt: Zustand der Oberfläche, Flora/<br />
Bewuchs, Fauna/Tierbesiedlung bzw. -befall, Setzungen/Sackungen,<br />
Wasseraustritte, womöglich Erosionen<br />
oder dergleichen und der Zustand baulicher Anlagen<br />
u. a. m.. Auf diese Dinge hier einzugehen, erscheint<br />
mir wenig sinnvoll (obwohl dies selbstverständlich<br />
wichtige Sicherheitgesichtspunkte sind).<br />
Abb. 11: Festigkeit von Böden in Abhängigkeit des Wassergehaltes<br />
- Beispiel Löß<br />
Hierzu ist zunächst aufzuzeigen, welch ausschlaggebenden<br />
Einfluß der Wassergehalt bzw. die Wassersättigung<br />
auf die konkret verfügbare Festigkeit eines<br />
Bodens bzw. eines Dammbaustoffes hat. Als Beispiel<br />
sind in Abb. 11 Versuchsergebnisse aufgetragen, die<br />
wir an einem Löß ermittelt haben, man könnte gleichermaßen<br />
auch viele andere Erdstofftypen beiziehen.<br />
Aufgetragen ist schlicht die einaxiale Festigkeit<br />
unterschiedlich feuchter Proben in Abhängigkeit des<br />
Wassergehaltes. Die markanten Bezugswerte des<br />
optimalen Wassergehaltes (w opt.<br />
), der Plastizitätsgrenzen<br />
(w P<br />
und w L<br />
) sowie der Schrumpfgrenze (w S<br />
) sind<br />
eingetragen.<br />
Was wir insgesamt ablesen können, ist, daß solche<br />
feinkörnigen Böden im teilgesättigten Zustand, also<br />
bei kleinen Wassergehalten, eine enorme Festigkeit<br />
aufweisen; allerdings - und das ist die hier wichtige<br />
Botschaft - gegen den Sättigungszustand hin, den wir<br />
etwa bei w S<br />
annehmen müssen, geht diese Festigkeit<br />
weitestgehend verloren. Der Grund dafür ist, daß die<br />
Kohäsionsfestigkeit der feinkörnigen Böden, wie wir<br />
sie meist vor uns haben, überwiegend in der Kapillar-<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
12 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
kohäsion begründet ist, und diese verschwindet bei<br />
Wassersättigung bekanntlich.<br />
Die bekannte praktische Konsequenz ist, daß immer<br />
dort, wo ein Dammbaustoff gegen die Sättigung naß<br />
wird, das Material sich der Belastung entzieht, ja u. U.<br />
„von selbst zu fließen beginnt“. Prinzipiell ist das natürlich<br />
nichts Neues; jedoch haben wir die Konsequenzen<br />
z. B. für die Beobachtung des Zustandes<br />
unserer Dämme m. E. bisher zu wenig bedacht. Häufig<br />
(oder besser manchmal) kennen wir die Lage der<br />
Sickerlinie relativ gut, wohl weil wir sie relativ leicht<br />
messen können. Über den Sättigungsgrad oberhalb<br />
derselben wissen wir dagegen meist nicht Bescheid,<br />
In unserem Freilandmodelldamm testen wir verschiedene<br />
Verfahren, da wir ja gerade hier über die zeitabhängige<br />
Feuchteverteilung Bescheid wissen müssen.<br />
Der Wassergehalt allein ist übrigens zur Bestimmung<br />
des letztlich entscheidenden Sättigungsgrades<br />
nicht ausreichend; hierzu benötigen wir zusätzlich die<br />
Raumdichte des Materials. Damit wird der Untersuchungsaufwand<br />
noch etwas größer.<br />
Mit dem in Abb. 12 abgebildeten Meßergebnis sei gezeigt,<br />
wie etwa die aus solchen Messungen ableitbaren<br />
Verteilungen des Sättigungsgrades aussehen.<br />
Aufgetragen ist die Sättigungsverteilung in einem bestimmten<br />
Querschnitt, und zwar in den oberen beiden<br />
Profilen für zwei unterschiedliche Zeitpunkte. Das<br />
dritte dargestellte Profil gibt die Änderungen des<br />
Sättigungsgrades im zwischenliegenden Zeitraum<br />
wieder.<br />
Wir glauben, die im Prinzip verfügbare Technik der<br />
Feuchtemessung mit unseren Anwendungen in Richtung<br />
Praxistauglichkeit weiterentwickeln zu können.<br />
Wir erachten dies für erforderlich, um nicht zuletzt gerade<br />
bei den nur zeitweilig wasserbelasteten Dämmen<br />
der HRB sowie der Flußdeiche die Feuchtehaushaltsverhältnisse,<br />
über die wir heute noch zu<br />
wenig wissen, besser verfolgen zu können. Denn längerfristig<br />
gesehen müssen wir vielleicht mit noch<br />
gravierenderen Veränderungen in den meteorologischen<br />
Randbedingungen rechnen, als sie sich in der<br />
jüngeren Vergangenheit bereits gezeigt haben. In diesem<br />
Fall könnten sich Fragen der Sicherheit der<br />
Dämme der Hochwasserrückhaltebecken - zumindest<br />
bei bestimmten Bauweisen - neu stellen.<br />
Literaturverzeichnis<br />
MELUF (1984): Geotechnische Empfehlungen für den<br />
Entwurf und Bau neuer Hochwasserrückhaltebecken<br />
sowie für die Beurteilung der Sanierungsbedürftigkeit<br />
und die Sanierung bestehender Hochwasserrückhaltebecken<br />
(Aufsteller: Prof. Dr. U. Smoltczyk). Ministerium<br />
für Ernährung, Landwirtschaft, Umwelt und Forsten<br />
Baden-Württemberg.<br />
Abb. 12: Ergebnis einer Bestimmung der Feuchteverteilung in<br />
einem Querschnitt des Modelldammes<br />
können also auch nicht sagen, wie weit von der Sättigung<br />
- und der damit verbundenen dramatischen Änderung<br />
der „Festigkeit“ - wir hier eigentlich weg sind.<br />
Nun ist - leider - die Messung des Feuchtegrades in<br />
situ, vor allem in zeitlichen Verlauf, nicht ohne weiteres<br />
möglich. Man muß sich hierfür aufwendiger Verfahren<br />
bedienen.<br />
DVWK (1991): Merkblatt 202, Hochwasserrückhaltebecken,<br />
Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und<br />
Kulturbau, Paul Parey Verlag, Hamburg.<br />
DIN 19700 (1986): Stauanlagen, Teil 12; Hochwasserrückhaltebecken.<br />
Normenausschuß Wasserwesen<br />
im DIN.<br />
Anschrift des Verfassers:<br />
Prof. Dr.-Ing. Josef Brauns<br />
Institut für Bodenmechanik und<br />
Felsmechanik, Universität Karlsruhe<br />
Postfach 69 80<br />
76128 Karlsruhe<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 13<br />
Durchführung von Wasser- und Anlagenschauen<br />
von Alois Stockinger<br />
1 Rechtliche Vorgaben<br />
1.1 Allgemeine Gewesseraufsicht<br />
§ 82 Wassergegsetz Baden-Württemberg<br />
Die Überwachung der Gewässer isi durch das Lanneswassergestz<br />
allgemein vorgeschrieben. Gemäß<br />
§ 82 Abs. 1 des Wasssrgesetzes BadeneWürttemberg<br />
( G) haben die Wasserbehörden und die technische<br />
FaFhbehörde darüber zu wachene daß die<br />
wassesrechtlichen und sonntigen öffenttich-rechtlichcn<br />
Vorschriften bei der Benutzung von Gewässern<br />
unu den anderen nasserwirtschcftlich bedeutsamen<br />
Vorgängen eingehalten und d e auferlegtet Verpflichtunugen<br />
erfüllt werden.<br />
In der bis zum 31.12.1998 gültigen Fassung des § 82<br />
war der Begriff Wasserschau im Abs. 2 eingeführt. In<br />
der Neufassung des WG vom 01.10.<strong>1999</strong> wurde der<br />
Abs. 2 des § 82 geändert, so daß die früher vorgeschriebene<br />
regelmäßige, umfassende Wasserschau<br />
der technischen Fachbehörde nicht mehr existiert.<br />
Der die Unterhaltung betreffende Teil der Wasserschau<br />
wurde auf den jeweiligen Träger der Unterhaltungslast<br />
im § 49, Abs. 7 des Wassergesetzes übertragen.<br />
1.2 Wasserverbandsgesetz<br />
(WVG vom 12.02.1991)<br />
Darüber hinaus besteht eine gesetzliche Pflicht zur<br />
Schau durch das bundesweit geltende Wasserverbandsgesetz<br />
vom 12.02.1991 für Wasser- und Bodenverbände.<br />
2 Anlagenschau bei Stauanlagen<br />
(Verbandschau)<br />
2.1 Ziel und Umfang der Schau<br />
Ziel der Schau ist die Gewährleistung der Instandhaltung,<br />
sowie die Kontrolle der Einhaltung der wasserrechtlichen<br />
und planungsrechtlichen Vorschriften. Die<br />
Stauanlage ist in ihrem ganzen bestimmungsmäßigen<br />
Umfang zu schauen. Neben den beweglichen und unbeweglichen<br />
Dammbauteilen und dem Dammkörper<br />
sind also alle weiteren Bauteile wie Vorflutgräben,<br />
Fuß- und Böschungssicherungen zu inspizieren. Bei<br />
der regelmäßigen Anlagenschau wird der Zustand der<br />
verschiedenen Anlagenteile dokumentiert.<br />
Die Schauintervalle sind in den Rechtsnormen nicht<br />
festgelegt, sie sollten aber in Abhängigkeit vom Gefährdungszustand<br />
1-3 Jahre nicht überschreiten.<br />
Die Anlagenschau ersetzt nicht die erforderlichen Zustands-<br />
und Funktionskontrollen nach den einschlägigen<br />
DIN-Normen 19700, Teile 10-12. Diese Kontrollen<br />
werden entsprechend den Instandhaltungsplänen<br />
der jeweiligen Betriebsvorschrift durchgeführt.<br />
Bei der Anlagenschau muß auch das Ergebnis der<br />
letzten geotechnischen Überprüfung vorliegen.<br />
2.2 Schaubeauftragte/Sachverständige<br />
Auf Grundlage des § 44 WVG führen Beauftragte des<br />
Verbandes (Schaubeauftragte) eine Verbandsschau<br />
durch. Die Schaubeauftragten werden durch die Verbandsversammlung<br />
oder den Ausschuß für die in der<br />
Satzung festgelegte Zeit gewählt. Der Vorstand oder<br />
ein von ihm bestimmter Schaubeauftragter leitet die<br />
Verbandsschau.<br />
Von den Personen, die mit der Durchführung einer<br />
Verbandsschau beauftragt werden, sind allein aus<br />
wasser- oder verbandsrechtlicher Sicht keine formalen<br />
Voraussetzungen zu erfüllen. Selbstverständlich<br />
sind für jede Sachverständigentätigkeit Fachkenntnisse<br />
erforderlich.<br />
2.3 Durchführung der Schau<br />
Der Verbandsvorstand legt Ort und Zeit der Verbandsschau<br />
fest.<br />
Er hat die Schaubeauftragten, die Aufsichtsbehörde<br />
und die technische Fachbehörde zur Verbandsschau<br />
einzuladen. Über den Ablauf und das Ergebnis der<br />
Verbandsschau ist eine Niederschrift zu fertigen und<br />
von dem Schaubeauftragten zu unterzeichnen. Der<br />
Vorstand veranlaßt die Beseitigung der festgestellten<br />
Mängel (vgl. § 45 WVG).<br />
Im Zuge der bundesweiten Verwaltungsreformen<br />
(„schlanker Staat“) ist es denkbar, daß mit der Durchführung<br />
der Schau auch Dritte beauftragt werden.<br />
Nach der Neufassung des § 82 Abs. 2 WG (Allgemeine<br />
Gewässeraufsicht) kann die Überwachung durch<br />
die Wasserbehörde und die technische Fachbehörde<br />
eingeschränkt werden, wenn gegenüber der Wasser-<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
14 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
behörde durch einen anerkannten Sachverständigen<br />
oder eine anerkannte sachverständige Stelle die Einhaltung<br />
der Vorschrift und auferlegten Verpflichtungen<br />
bei der Benutzung von Gewässern bestätigt wird.<br />
2.4 Durchführung der Schau bei Hochwasserrückhaltebecken<br />
(HRB)<br />
Umfang und Häufigkeit der Anlagenschau sollten in<br />
der Betriebsvorschrift geregelt sein. Einen Anhalt bietet<br />
das DVWK-Merkblatt 202 (7.6.4 Instandhaltung).<br />
Insbesondere bei Rückhaltebecken mit höherem Gefährdungspotential<br />
sollte eine jährliche Schau die Regel<br />
sein.<br />
Die praktische Durchführung kann nach der Anlage 6<br />
des DVWK-Merkblattes 202 (Kontrollblatt für die Anlagenschau)<br />
erfolgen.<br />
2.5 Beschreibung des Befundes<br />
Die Beschreibung des Befundes kann mit Mangel,<br />
Schaden oder Beschädigung erfolgen. Gängig sind<br />
die Begriffe Mängel und Schaden. Von Schäden ist zu<br />
sprechen, wenn die Funktionsfähigkeit oder die<br />
Standsicherheit der Anlagen gefährdet ist. Als Mangel<br />
sind dann Befunde, welche Standsicherheit und<br />
Funktonsfähigkeit nicht unmittelbar gefährden, zu bezeichnen.<br />
2.6 Beurteilung und Behebung der festgestellten<br />
Befunde<br />
Feststellung von Mängel und Schäden sowie die Anweisung<br />
zu deren Behebung sind im Kontrollblatt einzutragen.<br />
Viele Mängel beeinflussen zunächst nur die<br />
Dauerhaftigkeit eines Bauwerkes. Eine Gefahr besteht<br />
für die Betriebssicherheit und Tragfähigkeit nur<br />
dann, wenn Mängel nicht rechtzeitig behoben werden.<br />
Im Kontrollblatt (siehe Anlage 1 bis 3) ist auch<br />
die Dringlichkeitsstufe (0=unverzüglich, da betriebs-,<br />
standsicherheits-, verkehrssicherheitsrelevant, 1 =<br />
spätestens bis ........., da keine gravierenden Mängel)<br />
anzugeben.<br />
3 Zusammenfassung/Ausblick<br />
Die Bedeutung der Prüfung des Zustandes von Gewässern<br />
und der Funktionsfähigkeit und Sicherheit<br />
von Stauanlagen ist unbestritten und durch das Landeswassergesetz<br />
Baden-Württemberg bzw. durch<br />
das Wasserverbandsgesetz vorgeschrieben.<br />
Wasser- und Anlagenschauen haben wichtige Kontrollfunktionen<br />
für die Sicherheit und den wirtschaftlichen<br />
Betrieb insbesondere bei Stauanlagen. In der<br />
Praxis ist diese Kontrollfunktion häufig nicht gewährleistet,<br />
da Anlagenschauen sehr oft in zu großen Zeitabständen,<br />
zu oberflächlich und von Schaubeauftragten<br />
mit zu geringen spezifischen Fachkenntnissen<br />
durchgeführt werden. Da die Ursache unter anderem<br />
auch in einem fehlenden wirtschaftlichen Anreiz für<br />
die Betreiber liegen dürfte, besteht hier Handlungsbedarf<br />
seitens der zuständigen Behörden.<br />
Im Zuge der Verwaltungsreform und der Novellierung<br />
des Landeswassergesetzes kann die Prüfung der<br />
Funktionsfähigkeit und Sicherheit von Stauanlagen<br />
auch auf sachverständige Dritte verlagert werden.<br />
Der Aufbau von allgemein zugänglichen Mängel- und<br />
Schadensdateien wäre eine Informationsquelle, um<br />
weitere Erkenntnisse für den Bau und die Unterhaltung<br />
der Stauanlagen zu gewinnen. Der Aufbau einer derartigen<br />
Statistik kann den zuständigen Verbänden daher<br />
empfohlen werden, damit „das Rad nicht jedesmal neu<br />
erfunden werden muß“!<br />
Anschrift des Verfassers:<br />
Alois Stockinger<br />
Gewässerdirektion Neckar<br />
Bereich Ellwangen<br />
Priestergasse 5<br />
73479 Ellwangen<br />
Das Kontrollblatt über die Anlagenschau ist zum Betriebstagebuch<br />
zu nehmen.<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 15<br />
Kontrollblatt für die Anlagenschau<br />
Hochwasserrückhaltebecken:<br />
Anlagenteil<br />
Absperrdamm<br />
Kontrollpunkte und<br />
Einwirkungen<br />
Feststellung von<br />
Schäden und<br />
Mängeln<br />
Anweisung zur<br />
Behebung<br />
Dringlichkeitsstufe<br />
Stützkörper<br />
Verformungen<br />
- Vertikal<br />
- Horizontal<br />
- an Krone<br />
- an Böschungen<br />
äußere Schäden<br />
durch:<br />
- Witterung<br />
- Verkehr<br />
- Menschen und<br />
Tiere<br />
- Austrocknung<br />
- Verwachsungen<br />
Zustand der<br />
Bepflanzung<br />
Dammdichtung<br />
Verformung<br />
Rissebildung<br />
Güte des<br />
Dichtungsmaterials<br />
Anschluß an<br />
Bauwerke<br />
Dränagesystem<br />
Funktionstüchtigkeit<br />
der Dränleitungen<br />
Trübung, Färbung<br />
des Sickerwassers<br />
Vernässungen an<br />
- luftseitiger Böschung<br />
- wasserseitiger<br />
Böschung<br />
- Talflanken, -aue<br />
Lage der Sickerlinie<br />
Anlage 1: Kontrollblatt für die Anlagenschau, Teil 1<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
16 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
Anlagenteil<br />
Bauwerke<br />
Grundablaß,<br />
Betriebsauslaß<br />
Kontrollpunkte<br />
und<br />
Einwirkungen<br />
Rissebildung<br />
Setzungen<br />
Feststellung von<br />
Schäden und<br />
Mängeln<br />
Anweisung zur<br />
Behebung<br />
Dringlichkeitsstufe<br />
Fugenzustand<br />
Zustand der<br />
Sichtflächen<br />
Zustand der Anstriche<br />
Ablagerungen<br />
Betriebsschacht Rissebildung<br />
Setzungen<br />
Fugenzustand<br />
Zustand der<br />
Sichtflächen<br />
Zustand der Anstriche<br />
Ablagerungen<br />
Hochwasserentlastungsanlage:<br />
Rissebildung<br />
* Einlaufbauwerk Setzungen<br />
* Ableitungsgerinne Fugenzustand<br />
* Auslaufbauwerk Zustand der<br />
Sichtflächen<br />
Zustand der Anstriche<br />
Ablagerungen<br />
Energieumwandlungsanlage<br />
Rissebildung<br />
Setzungen<br />
Fugenzustand<br />
Querschnittsverklausung<br />
Zustand der<br />
Sichtflächen<br />
Zustand der Anstriche<br />
Betriebsgebäude<br />
Zustand der Bauteile<br />
- Türen und Tore<br />
- Fenster<br />
- Geländer<br />
- Dachentwässerung<br />
Zustand der<br />
Einrichtungen<br />
- Klimaanlage<br />
- Beleuchtung<br />
- Möbel<br />
Anlage 2: Kontrollblatt für die Anlagenschau, Teil 2<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 17<br />
Anlagenteil<br />
Verschlüsse<br />
Unterwasserpegel<br />
Wegenetz<br />
Dammkronenweg<br />
Bermenweg<br />
Treppen,<br />
Brücken, Stege<br />
Rechen<br />
Verschlußorgane<br />
Antriebe und<br />
Übertragungsteile<br />
Stromversorgung:<br />
Netz- und Notstrom<br />
Steuerungs- und<br />
Schaltanlage<br />
Dringlichkeitsstufe<br />
Kontrollpunkte und<br />
Einwirkungen<br />
Zustand<br />
Baulicher Zustand<br />
Betriebszustand<br />
Dichtigkeit<br />
Zustand<br />
Funktionsfähigkeit<br />
Zustand<br />
Funktionsfähigkeit<br />
Zustand<br />
Funktionsfähigkeit<br />
Meß- und Registriergeräte<br />
Zulaufpegel<br />
Beckenpegel<br />
Zustand<br />
Funktionsfähigkeit<br />
Zustand<br />
Funktionsfähigkeit<br />
Zustand<br />
Funktionsfähigkeit<br />
Zustand<br />
Zustand<br />
Zustand<br />
Feststellung von<br />
Schäden und<br />
Mängeln<br />
Anweisung zur<br />
Behebung<br />
Dringlichkeitsstufen<br />
0 = unverzüglich, da betriebs-, standsicherheits-, verkehrssicherungsrelevant<br />
1= spätestens bis ......,. da keine gravierenden Mängel<br />
Schlußfeststellungen<br />
Datum der Anlagenschau:<br />
Teilnehmer<br />
Technische Fachbehörde:<br />
Betriebsleiter:<br />
Stauwärter:<br />
Sonstige Behörden:<br />
(Unterschriften)<br />
Anlage 3: Kontrollblatt für die Anlagenschau, Teil 3<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
18 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
Messeinrichtungen und Bewertung von<br />
Messergebnissen zur Kontrolle der Dammsicherheit<br />
von Klaus Girod und Holger Rosenkranz<br />
1 Einleitung<br />
Der Beitrag stützt sich auf die Erkenntnisse, die mit<br />
der Bewertung von Messergebnissen und mit der Planung<br />
von Messeinrichtungen für ständig eingestaute<br />
Dämme und Mauern gesammelt wurden. Sie sind<br />
dann für die Sicherheitsbeurteilung von Hochwasserrückhaltebecken<br />
hilfreich, wenn diese Becken zeitweise<br />
eingestaut sind oder zu einem Teildauerstau genutzt<br />
werden.<br />
Entsprechend DVWK-Merkblatt 222/1991 „Mess- und<br />
Kontrolleinrichtungen zur Überprüfung der Standsicherheit<br />
von Staumauern und Staudämmen“ läßt sich<br />
der Sicherheitszustand eines Absperrbauwerkes in<br />
einen konstruktiven und einen betrieblichen Bereich<br />
aufteilen.<br />
Der Beitrag beschränkt sich auf den konstruktiven Bereich,<br />
also behandelt die Messergebnisse und Messeinrichtungen,<br />
die auf die Standsicherheit gemäß<br />
DIN 19700, Teil 10 bezogen sind. Der betriebliche Bereich<br />
hat jedoch gleichfalls zentrale Bedeutung für die<br />
Dammsicherheit.<br />
Messungen an Staudämmen dienen der Kontrolle und<br />
Überwachung des Bauwerksverhaltens. Hinweise<br />
dazu sind u. a. in den in Abb. 1 genannten Regelwerken<br />
enthalten.<br />
In DIN 19700, Teil 12 Hochwasserrückhaltebecken,<br />
sind vorzugsweise Hinweise für betriebliche Messungen<br />
enthalten. Die Zielstellung für die Messungen ist in<br />
den Regelwerken ganz allgemein formuliert, wie den<br />
Stichworten in Abb. 1 entnommen werden kann.<br />
Um anhand von Messergebnissen diese Ziele zu erreichen,<br />
sind umfangreiche Auswertungen und weitergehende<br />
Untersuchungen in mehreren Schritten<br />
erforderlich, die im Folgenden erläutert werden sollen.<br />
2 Auswertung von Messergebnissen<br />
In der Regel ist es nicht möglich, eine direkte Beziehung<br />
zwischen einem einzelnen Messergebnis und<br />
der Sicherheit eines Dammes abzuleiten. Vielmehr<br />
sind Auswertungsschritte erforderlich, die je nach<br />
Problemlage teilweise oder vollständig zu beschreiten<br />
sind (siehe Abb. 2).<br />
Primärauswertung<br />
Fehlerabschätzung<br />
Sekundärauswertung<br />
Sicherheitsbeurteilung<br />
Abb. 2: Schritte der Sicherheitsbeurteilung<br />
zeitabhängige Abschätzung<br />
Abschätzung<br />
Bauwerksverhalten<br />
Trennung nach<br />
Einwirkungen<br />
Extrapolation für Normwerte<br />
der Einwirkungen<br />
Prognose bei<br />
zeitabhängigem Verhalten<br />
Regelwerke<br />
DIN 19700, Teil 10 –<br />
Gemeinsame Festlegungen<br />
DIN 19700, Teil 11 –<br />
Stauanlagen Talsperren<br />
DVWK-Merkblatt 222 / 1991<br />
DVWK-Merkblatt 202 / 1991<br />
Abb.1:<br />
Zielstellung für Messungen<br />
Vergleich Tragverhalten<br />
mit Berechnungsprognose<br />
Beurteilung Standsicherheit<br />
Überprüfung von Berechnungswerten<br />
Grundlagen für Messeinrichtungen und für die Bewertung von Messergebnissen<br />
Es handelt sich um<br />
- Primärauswertung der<br />
Messergebnisse;<br />
- Fehlerabschätzung;<br />
- Sekundärauswertung der<br />
Messergebnisse;<br />
- Sicherheitsbeurteilung.<br />
Die Primärauswertung sollte<br />
die graphische Darstellung aller<br />
Messergebnisse über den<br />
gesamten oder zumindest einen<br />
längeren Zeitraum enthalten.<br />
Vor Bewertung der Mes-<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 19<br />
sergebnisse sollte immer eine Fehlerabschätzung und<br />
Plausibilitätskontrolle erfolgen, um z. B. Kalibrierungsfehler<br />
zu erkennen. Aus den Ergebnissen der Primärauswertung<br />
erkennt man bestimmte Tendenzen im<br />
Bauwerksverhalten und man kann abschätzen, ob das<br />
Bauwerk den prognostizierten Eigenschaften entspricht.<br />
Allerdings ist in der Regel noch keine quantitative<br />
Aussage zur Dammsicherheit möglich. In vielen<br />
Fällen ist deshalb eine Sekundärauswertung der Messergebnisse<br />
erforderlich.<br />
Damit werden Messgrößen so aufbereitet, dass sie<br />
als Vergleichswerte zu angenommenen Einwirkungen<br />
und Ergebnissen von Standsicherheitsberechnungen<br />
oder als Eingabewerte für neue Berechnungen zur<br />
Verfügung stehen. U. a. sind das (siehe auch Abb. 2)<br />
- Bestimmung von Anteilen der Messgrößen für verschiedene<br />
Einwirkungen (z. B. Stau, Temperatur),<br />
- Extrapolation der Messwerte für Normwerte der<br />
Einwirkungen (z. B. Höchststau), wenn dafür keine<br />
Messergebnisse vorliegen,<br />
- Prognose für Messwerte bei zeitabhängigem Bauwerksverhalten.<br />
3 Sicherheitsbeurteilung<br />
DIN 19700, Teil 10 fordert für Staudämme den Nachweis<br />
- der statischen und dynamischen Sicherheit,<br />
- der hydraulischen Sicherheit,<br />
- der Risssicherheit,<br />
- und verträglicher Verformungen<br />
durch entsprechende Berechnungen und Versuche<br />
und gibt gleichzeitig Normwerte der Sicherheiten vor.<br />
Dieser Nachweisumfang gilt auch für Hochwasserrückhaltebecken,<br />
mit evtl. Einschränkungen beim hydraulischen<br />
Nachweis.<br />
Der Zusammenhang von Messergebnissen und Sicherheitsbeurteilungen<br />
führt zu den im Abb. 3 dargestellten<br />
Beispielen von Messeinrichtungen.<br />
Druckgeber in einer geneigten Lehminnendichtung<br />
zeigen den Porenwasserdruck an. Er ist maßgebend<br />
für die Böschungsstandsicherheit im Lastfall „schnelle<br />
Stauspiegelsenkung“.<br />
Die Suffosions- und Erosionssicherheit der Dammstützkörper<br />
und des Untergrundes kann mit einer<br />
Rückrechnung der Potentialströmung bestimmt werden.<br />
Maßgebend dafür sind Messergebnisse zur<br />
Lage der Sickerlinie, zu Kluftwasserständen und zu<br />
Sickerwassermengen.<br />
Die Beispiele lassen sich für andere Messeinrichtungen<br />
fortsetzen (siehe dazu das DVWK-Merkblatt 222/<br />
1991).<br />
Je nach Konstruktionsart, Bauwerkshöhe, Untergrundverhältnissen<br />
und z. B. Einstauzeiten von Hochwasserrückhaltebecken<br />
sind Änderungen von Art und<br />
Umfang der Messeinrichtungen möglich.<br />
Die Frage „wie kommt man von Messergebnissen zu<br />
einer konkreten Sicherheitsaussage“ kann mit unterschiedlichen<br />
Sicherheitskonzepten beantwortet werden.<br />
Ausgehend von Messergebnissen der Einwirkungen<br />
oder Zustandsgrößen ist der Vergleich mit den angenommenen<br />
Einwirkungen oder Ergebnissen des<br />
Standsicherheitsnachweises oder mit Versuchsergebnissen<br />
möglich. Unter Zustandsgrößen können z.<br />
B. Spannungen und Verschiebungen verstanden<br />
werden.<br />
Die für den Standsicherheitsnachweis angenommenen<br />
Einwirkungen und seine Ergebnisse oder Ver-<br />
Ausgehend von den rechnerisch<br />
geforderten Sicherheitsnachweisen<br />
ist die Frage<br />
zu beantworten, mit welchen<br />
Messergebnissen die<br />
in die Berechnungen eingegangenen<br />
Einwirkungen und<br />
die Berechnungsergebnisse<br />
überprüft werden können.<br />
Messbare Einwirkungen<br />
können z. B. sein<br />
- die Lage der Sickerlinie,<br />
- Größe und Verteilungen<br />
von Sohlenwasserdrükken.<br />
Abb.3:<br />
Sicherheitsbeurteilung mit Messergebnissen<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
20 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
suchsergebnisse werden in diesem Zusammenhang<br />
als Alarmwerte bezeichnet (siehe Abb. 4).<br />
Liegen alle Messergebnisse unter den Alarmwerten,<br />
hat der Damm höhere Sicherheiten als im Standsicherheitsnachweis<br />
ausgewiesen.<br />
Werden Alarmwerte von einzelnen Messergebnissen<br />
überschritten, muss nicht zwangsläufig die in den Berechnungen<br />
ausgewiesene Sicherheit unterschritten<br />
sein. Es ist möglich, dass ein Teil der Messwerte die<br />
Überschreitungen kompensiert. Durch Einführung<br />
bestimmter Kriterien läßt sich prüfen, ob einzelne<br />
oder mehrere Alarmwertüberschreitungen zulässig<br />
sind. Z. B. bieten sich für Sohlenwasser- oder Porenwasserdrücke<br />
Alarmwerte aus gewichteten Mitteln<br />
oder aus Alarmmomenten an.<br />
Sind einzelne Alarmwerte oder Kriterien überschritten,<br />
liegt die Sicherheit unter den Berechnungswerten<br />
und man kann durch Einbeziehung der Messwerte in<br />
Sicherheitsnachweise die aktuelle quantitative Sicherheit<br />
ermitteln. Solche Sicherheitsnachweise können<br />
sein:<br />
Da bei der Bemessung von Dämmen die Normwerte<br />
der Sicherheiten nicht immer ausgeschöpft werden,<br />
besteht bei Erreichen der Alarmwerte eine Sicherheitsreserve.<br />
Bei Überschreitung der Alarmwerte sollte<br />
das geschilderte Verfahren auf Grenzwerte ausgedehnt<br />
werden (siehe Abb. 4). Als Grenzwerte haben<br />
wir Einwirkungen und Ergebnisse der Sicherheitsnachweise<br />
oder Versuchsergebnisse bezeichnet,<br />
bei denen die Normwerte der Sicherheiten ausgeschöpft<br />
werden.<br />
Solange die Messwerte diese Grenzwerte nicht erreichen,<br />
werden die Normvorgaben für die Teilsicherheiten<br />
eines Dammes eingehalten. Bei Überschreitung<br />
von Grenzwerten oder entsprechenden Kriterien wird<br />
die geforderte Normsicherheit nicht eingehalten.<br />
Durch Einführung der Messwerte in Sicherheitsnachweise<br />
analog zur Verfahrensweise bei den Alarmwerten<br />
ist die aktuelle quantitative Sicherheit nachweisbar.<br />
Alarm- oder Grenzwerte können, als übersichtliches<br />
Tabellenwerk gestaltet, ein hilfreiches Arbeitsmittel<br />
für den Betriebsingenieur einer Talsperre sein.<br />
Im folgenden werden Beispiele für die Sicherheitsbeurteilung<br />
auf der Grundlage von Messergebnissen<br />
vorgestellt.<br />
4 Beispiele<br />
4.1 Talsperre Falkenstein<br />
4.1.1 Allgemeine Angaben und Messergebnisse<br />
- Traditionelle Standsicherheitsnachweise (z. B.<br />
Böschungssicherheit unter Berücksichtigung gemessener<br />
Porenwasserdrücke)<br />
- Rückrechnung von Spannungs-Verformungszuständen<br />
durch Vorgabe von gemessenen Verschiebungen.<br />
Abb.4:<br />
aus Messungen<br />
Messwert<br />
Messwert<br />
Sicherheitskonzept<br />
aus Berechnungen,<br />
und Versuchen<br />
Sicherheit<br />
> Alarmwert < Berechnungswert<br />
< Alarmwert > Berechnungswert<br />
< Grenzwert<br />
> Grenzwert < Normwert<br />
> Normwert DIN 19700/10<br />
NL = 1,3<br />
BL = 1,2<br />
AL = 1,1<br />
Die Talsperre Falkenstein liegt in Sachsen (Vogtland)<br />
und wurde in den Jahren 1972 bis 1974 erbaut. Der<br />
Stauraum beträgt 1,3 Mio. m 3 . Der Dammquerschnitt<br />
ist in Abb. 5 dargestellt.<br />
Ein Komplexbauwerk erfüllt die Funktionen der Hochwasserentlastung,<br />
Brauchwasserentnahme und Entleerung.<br />
Der Fallschacht und die Grundablässe münden<br />
in ein Entlastungsgewölbe mit Zugangsteil, das<br />
unter dem Damm hindurchgeht.<br />
Der Kern und die Herdmauer sind durch Feldfugen<br />
unterteilt. Die Abdichtung der Feldfugen und der<br />
Kernaufstandsfuge erfolgt mit Kupferblechen.<br />
neuer<br />
Sicherheitsnachweis<br />
aktuelle<br />
quantitative<br />
Sicherheit<br />
aktuelle<br />
quantitative<br />
Sicherheit<br />
Der Damm weist seit Einstaubeginn<br />
kontinuierliche, zur<br />
Luftseite gerichtete Verschiebungen<br />
auf, die bei Vollstau<br />
stetig zunehmen. Damit verbunden<br />
ist eine Zunahme der<br />
Sickerwässer.<br />
Die Talsperre wird mit einem<br />
umfangreichen Messprogramm<br />
überwacht. Die maßgebenden<br />
Messeinrichtungen<br />
sind in Abb. 6 dargestellt.<br />
Durch Hydroprojekt wurde<br />
seit Staubeginn die Primärund<br />
Sekundärauswertung der<br />
Messergebnisse durchgeführt,<br />
es erfolgte die Ursa-<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 21<br />
4.1.2 Sicherheitsbeurteilung<br />
Da nicht alle sicherheitsrelevanten<br />
P nkte des Dammes<br />
direkt messtechnisch<br />
überwacht werden köknen,<br />
erfolgtc Rückkechnunugen<br />
zum Spannungs-Verformungsverhahten<br />
ded Dammes<br />
mit der FEM.<br />
Die spezeellen Anforderungen<br />
an das stoffgesetz für<br />
Steinschüttmaterial wurden<br />
aus den Messergebnissen<br />
und aus Versuchen abgeleitet.<br />
Mit den Rückrechnungen<br />
konnten die Verformungszustände<br />
des Dammes<br />
näherungsweise nachvollzogen<br />
werden. Es wurde<br />
eine gute Übereinstimmung<br />
zwischen Berechnungsund<br />
Messergebnissen erreicht.<br />
In die Sicherheitsbeurteilung<br />
des Dammes wurden<br />
einbezogen:<br />
a) Die Riss-Sicherheit<br />
des Kernes<br />
oben Abb.5:<br />
unten Abb.6:<br />
Dammquerschnitt Talsperre Falkenstein<br />
Messeinrichtungen Talsperre Falkenstein<br />
chenerkundung für die kontinuierlichen Verschiebungen<br />
und das Anwachsen der Sickerwässer und die<br />
Rückrechnung des Verformungsverhaltens mit einer<br />
Sicherheitsbeurteilung für den Damm.<br />
Anhand der Primärauswertung für ausgewählte Messreihen<br />
lässt sich die zeitabhängige Veränderung des<br />
Dammzustandes demonstrieren (siehe Abb. 7).<br />
In Abb. 8 sind die Beþtonkernversc\iebungen an e nem<br />
Talfeld n ch Ersteinstau und nach 19 Jahrhn aufgezeichnet.<br />
Rechts in A b. 8 sind die vorhandenen drei<br />
Schwimmlote sinnbildlich dargestellt.<br />
Die Ergebnisse der Alignernents-, Schwimmlot- und<br />
Klinometermessungen zeigen, das eine relativ geringe<br />
Fußpunktverschiebung, eine den Dammverschiebungen<br />
angepasste Kronenverschiebung und eine Durchbiegung<br />
zur Luftseite besteht. 1993 war eine Kernverschiebung<br />
an der Krone von knapp 25 cm eingetreten.<br />
Es war zu überprüfen,ch<br />
der Kernverbiegung Alarmoder<br />
Grenzwerte überschritten<br />
werden. In den<br />
vorliegenden Nachweisen<br />
waren entsprechende Werte nicht ausgewiesen. Deshalb<br />
erfolgte eine Nachrechnung des Kernes mit der<br />
Stahlbetontheorie unter Berücksichtigung der durch<br />
die Messergebnisse gestützten Biegelinie.<br />
Der Kern kann vom Zustand I - ungerissen - im Bauzustand<br />
in den Zustand II - gerissen - übergehen,<br />
wenn es durch Einstau und zeitabhängige Verschiebungen<br />
zu einer entsprechend großen Verbiegung<br />
kommt. Mit einer Berechnung für Zustand II an<br />
Schnitten mit hoher Beanspruchung ergibt sich, dass<br />
der Querschnitt bis über die Mitte aufgerissen sein<br />
müsste. Bei Rissen bis über die Kernmitte besteht die<br />
Möglichkeit der Umströmung der Kupferbleche für die<br />
Feldfugenabdichtung.<br />
Damit konnte durch Einführung von Messergebnissen<br />
in den Riss-Sicherheitsnachweis der Kerndichtung<br />
nachgewiesen werden, dass der Grenzwert der Kernverbiegung<br />
weit überschritten ist.<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
22 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
Die Wellenform der Dichtungsbleche ermöglicht, dass<br />
gegenseitige Verschiebungen bis zu einer bestimmten<br />
Größe schadensfrei aufgenommen werden können.<br />
Der Raum um die Welle wird durch Plastehalbschalen<br />
von Beton freigehalten.<br />
Als Maximalbetrag ergaben sich 1993 rd. 34 mm gegenseitige<br />
Verschiebung. Dieser Betrag liegt unterhalb<br />
des Grenzwertes von 100 mm, der aus Verschiebeversuchen<br />
einbetonierter Kupferbleche ermittelt<br />
wurde.<br />
Aus verschiedenen Varianten der FEM-Prognoseberechnungen<br />
bis zum Jahre 2005 ergab sich ein maximaler<br />
Zuwachs von 12 mm. Die vorhandenen Reserven<br />
der Wellenverformung werden dann etwa zu 50 %<br />
ausgeschöpft sein.<br />
Unter Einbeziehung der Messergebnisse wurden weiterhin<br />
untersucht:<br />
- Rissicherheit des Anschlusses Dichtungsschleier<br />
an die Herdmauer;<br />
- Standsicherheit und hydraulische Sicherheit der<br />
Stützkörper;<br />
- Standsicherheit der Dammgründung.<br />
Die für den Istzustand von 1993 vorgenommene Sicherheitsbeurteilung<br />
und der damalige Bauwerkszustand<br />
gaben keinen Hinweis auf eine aktuelle Gefahrensituation.<br />
Abb.7: Messwerte Talsperre Falkenstein. Erläuterung zu Abb. 7:<br />
Kurve a: Von 1976 bis 1993 bestand mit nur geringen Unterbrechungen<br />
Vollstau.<br />
Kurve b: Seit 1985 sind zunehmende Sickerwassermengen zu verzeichnen.<br />
Kurve c, d: Seit Staubeginn sind ständig größer werdende Horizontal-<br />
und Vertikalverschiebungen an der Krone und an der<br />
Berme zu verzeichnen.<br />
Die Untersuchungen für den Prognosezeitraum wiesen<br />
eine Verringerung der Sicherheitsreserven aus, ohne<br />
dass es zur Unterschreitung der Normwerte der Sicherheiten<br />
für den Staudamm kommt.<br />
b) Riss-Sicherheit des<br />
Anschlusses Kern an<br />
die Herdmauer<br />
Um die horizontalen Verschiebungen<br />
zwischen<br />
Kern und Herdmauer nicht<br />
zu behindern, wurde eine<br />
speziell ausgebildete Aufstandsfuge<br />
angeordnet<br />
(siehe Abb. 9). Die Abdichtung<br />
dieser Fuge erfolgt<br />
ebenfalls mit Kupferblech.<br />
Luftseitig der Fuge sind<br />
Sickerwasserrohre verlegt,<br />
die in das Entlastungsgewölbe<br />
mit Zugangsteil münden.<br />
Abb.8:<br />
Messeinrichtungen und Verschiebungen am Kern der Talsperre Falkenstein<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 23<br />
4.2 Weitere Sicherheitsbeurteilungen<br />
für andere<br />
Talsperren<br />
Weitere Sicherheitsbeurteilungen<br />
auf der Grundlage von<br />
Messergebnissen sind in<br />
Abb.10 zusammengestellt.<br />
Auf der Grundlage von Messergebnissen<br />
der Porenwasserdrücke<br />
in der geneigten<br />
Lehmdichtung der Talsperre<br />
Hohenleuben in Thüringen erfolgte<br />
die Sicherheitsbeurteilung<br />
für den Lastfall schnelle<br />
Stauspiegelsenkung. Aufgrund<br />
der Ergebnisse konnten<br />
Abb.9:<br />
Staubeschränkungen beim<br />
Absenken der Talsperre aufgehoben werden.<br />
Auf der Grundlage von Zeitreihen der Sohlenwasserdrücke<br />
und der Einstauhöhe konnten für den Standsicherheitsnachweis<br />
der Staumauer Weida in Thürigen<br />
Sohlenwasserdruckverteilungen für die in der DIN vorgeschriebenen<br />
Stauziele ermittelt werden.<br />
Abgeleitet aus Sohlenwasserdrücken, die mit einer<br />
dreidimensionalen Potentialströmungsberechnung im<br />
Rahmen des Standsicherheitsnachweises berechnet<br />
wurden, konnten für die Staumauer Hohenwarte in Thüringen<br />
Alarmwerte und Alarmmomente der Sohlenwasserdrücke<br />
bestimmt werden. Sie dienen dem Betreiber<br />
zur aktuellen Kontrolle der Messwerte vor Ort.<br />
Für die Staumauer Bleichloch wurden Grenzwerte des<br />
Sohlenwasserdruckes im Rahmen des Standsicherheitsnachweises<br />
bestimmt.<br />
Die zusammenfassende Darstellung und die Beispiele<br />
zeigen, dass es auch für Rückhaltebecken mit zeitweisem<br />
Einstau oder einem Teildauerstau möglich ist,<br />
aus Messergebnissen auf die aktuelle, quantitative Sicherheit<br />
zu schließen.<br />
Dichtung der Gelenkfuge in der Talsperre Falkenstein<br />
5 Anforderungen an Messeinrichtungen<br />
Die Anforderungen an die Messeinrichtungen werden<br />
bestimmt durch die Erfordernisse der Genauigkeit und<br />
der Ortsauflösung der Messwerte und dir konstruktiven<br />
Besonderheiten des Bauwerkes und sind<br />
u. a. festgehalten in einschlägigen Vorschriften und<br />
Regelwerken. Im Einzelnen sind die folgenden Phasen<br />
im „Leben“ des Bauwerkes messtechnisch zu begleiten:<br />
- Bauausführung<br />
- Inbetriebnahme<br />
(Probestau)<br />
- Nutzung im Hochwasserfall<br />
- Nutzung in hochwasserfreien<br />
Zeiten.<br />
Prinzipiell gelten an die Messeinrichtungen von Hochwasserrückhaltebecken<br />
die gleichen Anforderungen<br />
wie bei ständig eingestauten Anlagen. Einige Besonderheiten<br />
verdienen es aber, hervorgehoben zu werden.<br />
Dies sind:<br />
Talsperre Absperrbauwerk Messergebnis Sicherheitsausbildung<br />
Hohenleuben<br />
(Landestalsperrenverwaltung<br />
Thüringen)<br />
Weida<br />
(Landestalsperrenverwaltung<br />
Thüringen)<br />
Hohenwarte 1<br />
(VEAG Thüringen)<br />
Bleiloch<br />
(VEAG Thüringen)<br />
Damm<br />
geneigte Lehmdichtung Porenwasserdrücke Böschungsstandsicherheit<br />
Staumauer<br />
Staumauer<br />
Staumauer<br />
Sohlenwasserdrücke<br />
Verschiebungen<br />
Verschiebungen<br />
Pendellotmessungen<br />
Temperaturen<br />
Sohlenwasserdrücke<br />
Verschiebungen<br />
Gesamtstandsicherheit<br />
Gesamtstandsicherheit<br />
Gesamtstandsicherheit<br />
Vorgabe von Grenzwerten<br />
Abb.10: Sicherheitsbeurteilungen an Talsperren auf der Grundlage von Messergebnissen.<br />
- lange Ruhepausen,<br />
im Extremfall Jahre,<br />
- starke Gradienten<br />
der Messgrößen<br />
durch schnellen Einund<br />
Abstau,<br />
- Messungen im Belastungsfall<br />
eventuell<br />
unter widrigen Witterungsbedingungen<br />
(Regen, Gewitter),<br />
- starke Belastung für<br />
das Staupersonal im<br />
Hochwasserfall<br />
(Stress, körperliche<br />
Belastung....).<br />
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24 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
Messgröße Messeinrichtung Anordnung Messmethode/ Messgerät<br />
manuell<br />
automatisiert<br />
Sickerwassermenge Dränage-Mess-<br />
Schächte<br />
mehrere Profile,<br />
mindestens<br />
1x pro Hang<br />
Gefäßmessung<br />
Messwehr und Messung<br />
der Überfallhöhe<br />
Wasserstand im<br />
Stützkörper<br />
des Dammes<br />
(Sickerlinie)<br />
Porenwasserdruck<br />
Dammpegel<br />
Porenwasserdruck-<br />
Geber<br />
Tabelle 1: hydrometrische Messeinrichtungen<br />
Profilweise in einem/<br />
mehreren<br />
Querprofilen<br />
linienhaft in der Dichtung<br />
bzw.<br />
Dammkörper<br />
Lichtlotmessung<br />
nicht möglich<br />
elektrische / pneumatische<br />
Druckgeber<br />
elektrische / pneumatische<br />
Druckgeber<br />
- Stauanlage zumindest zu Beginn des Hochwasserereignisses<br />
unbesetzt,<br />
- Vandalismus.<br />
Daraus ergeben sich spezielle Anforderungen an die<br />
Messeinrichtungen wie z. B.:<br />
- lange Lebensdauer,<br />
- extrem robuste und zuverlässige Ausführung,<br />
- einfache und schnelle Bedienbarkeit,<br />
- automatische Datenerfassung mit variabler Aufzeichnungsrate,<br />
evtl. ereignisgetriggert,<br />
- Überspannungs- und Blitzschutz,<br />
- kostengünstig bei Montage, Messung und Wartung.<br />
5.1 Arten von Messeinrichtungen<br />
5.1.1 Messeinrichtungen für den Betrieb<br />
Laut DVWK-Merkblatt 202/91 sind mindestens die folgenden<br />
Messeinrichtungen vorgeschrieben:<br />
- Erfassung des Beckenpegels;<br />
- Messung der Abflussmenge;<br />
- Erfassung der Stellung der Regelarmaturen (falls<br />
vorhanden).<br />
Zusätzlich ist es sinnvoll, zur Steuerung des Stauregimes<br />
die Zuflussmenge, die Niederschlagsmenge an<br />
ausgewählten Punkten im Einzugsgebiet und wichtige<br />
unterwasserseitige Pegel zu erfassen, zu registrieren<br />
und zeitnah auszuwerten. Wegen der dezentralen<br />
Messwerterfassung spielt hierbei eine auch im Katastrophenfall<br />
gesicherte Datenübertragung (z. B. Datenfunk)<br />
eine wichtige Rolle.<br />
5.1.2 Messeinrichtungen zur Überwachung des<br />
geotechnischen / konstruktiven Verhaltens<br />
a) Hydrometrische Messeinrichtungen<br />
Hydrometrische Messungen erfassen im weitesten<br />
Sinne Wasserstände, Wasserdrücke oder –mengen<br />
und damit hydrostatische oder hydrodynamische Einflüsse<br />
auf das Bauwerk und seine unmittelbare Umgebung<br />
(siehe Tabelle 1).<br />
Besonders wichtig im Zusammenhang mit der Sicherheitsbewertung<br />
ist die Erfassung der Sickerlinie im<br />
Damm, also die räumlich differenzierte Erfassung des<br />
Wasserstandes im Stützkörper des Dammes, besonders<br />
hinter der Dichtung. Um Kenntnisse über den<br />
Potentialabbau gewinnen zu können, müssen zur Gewährleistung<br />
einer hohen Aussagekraft die Messpegel<br />
profilweise angeordnet sein. Der Verlauf der Sickerlinie<br />
ist zumindest im Hauptquerschnitt an mehreren<br />
Stützstellen zu erfassen. In der Praxis hat sich bewährt,<br />
zur Anordnung der Pegelrohre die Dammkrone<br />
und Bermen zu nutzen und die Bohrung etwa in Höhe<br />
der Gründung enden zu lassen. Der Zugang zu den<br />
Pegeln muss ständig, also auch im Winter gewährleistet<br />
sein.<br />
Die Erfassung der Sickerwassermenge am luftseitigen<br />
Dammfuß gibt Auskunft über die Unter- bzw.<br />
Durchströmung des Absperrbauwerkes. Die Einflüsse<br />
werden generell nur summarisch erfasst. Durch eine<br />
gute konstruktive Differenzierung ist es aber möglich,<br />
Bereiche hoher Durchsickerung räumlich einzugrenzen.<br />
Hierzu sind zumindest die Wassermengen an<br />
beiden Hängen und in der Talaue getrennt zu erfassen.<br />
Besser ist eine weitergehende Unterteilung. In<br />
diesem Zusammenhang soll auf die getrennte Ableitung<br />
der einmal erfassten Sickerwässer in die Vorflut<br />
hingewiesen werden. Der Messtechniker wird immer<br />
dann vor Probleme gestellt, wo bereits einmal gefasste<br />
Wassermengen unkontrolliert wieder versickern und<br />
in anderen Bereichen wieder zutage treten.<br />
Insbesondere an Dämmen mit Lehmdichtung ist es<br />
notwendig, den Porenwasserdruck im bindigen Material<br />
gezielt zu erfassen. Dies geschieht mit Hilfe von<br />
elektrischen oder pneumatischen Druckgebern, wobei<br />
letztere den Vorteil der Störunempfindlichkeit gegenüber<br />
Überspannungseinflüssen (Blitzschlag) besitzen.<br />
Bei der Auswahl der Geber ist auf hohe Nullpunktkonstanz<br />
und Gewährleistung einer langen Lebensdauer<br />
durch geeignete konstruktive Merkmale<br />
und langlebige Materialien zu achten.<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 25<br />
b) Geometrische / geomechanische Messeinrichtungen<br />
interessierenden Belastungsfalles, meist ausschließt.<br />
Deformationen im Innern des Dammes können nicht<br />
direkt erfasst werden, allenfalls deren Auswirkungen.<br />
Vertikale Bewegungen im Damm können entlang von<br />
horizontal liegenden Messbahnen mittels stationärer<br />
oder beweglicher Überlaufschlauchwaagen oder<br />
durch pneumatische Setzungspegel gemessen werden.<br />
Letztere besitzen den Nachteil geringerer Genauigkeit,<br />
erfordern aber weniger baulichen Aufwand beim<br />
Einbau. Ein Nachrüsten von Dämmen im Sinne einer<br />
Erweiterung des Messsystems mit derartigen Systemen<br />
ist praktisch nicht möglich.<br />
Tabelle 2: Messung von vertikalen Bewegungen im und am Absperrbauwerk<br />
Messgröße Messeinrichtung Anordnung Messmethode/ Messgerät<br />
manuell<br />
automatisiert<br />
Verschiebung<br />
Objektpunkte für die<br />
Lagemessung<br />
Dammkrone, evtl. auch auf<br />
den luftseitigen Bermen<br />
geometrisches/<br />
trigonomtrisches<br />
Alignement<br />
automatische Registrierung<br />
(Digitaltheodolit)<br />
Handmessgerät<br />
elektrischer Weggeber<br />
Verschiebung,<br />
berechnet aus<br />
Neigungen<br />
im Stützkörper entlang der<br />
Dammachse, verknüpft mit<br />
Magnetsonde<br />
Verschiebung Schwimmlot<br />
Messnischen im<br />
Kontrollgang<br />
Tabelle 3: Messung von vertikalen Bewegungen im und am Absperrbauwerk<br />
Inklinometersonde,<br />
Messung in Nutzrohren<br />
Verschiebung horizontale Extensometer horizontale Messbahnen<br />
gekoppelt mit Überlaufschlauchwaage<br />
Vertikalverschiebungspegel<br />
Koordimetermessung<br />
automatische<br />
Erfassung und<br />
Berechnung notwendig<br />
automatische Positionsgeber<br />
Bewegungen treten prinzipiell als Vektoren unterschiedlicher<br />
Raumlage und Beträge auf, unabhängig<br />
davon, ob nur ein- oder zweidimensionale Komponenten<br />
dieser Bewegungen im konkreten Fall erfasst werden<br />
können. Die im Folgenden vorgenommene Trennung<br />
in vertikale und horizontale Anteile hat ihre Ursache<br />
in der Gestaltung der Messeinrichtungen sowie<br />
der Gegebenheiten beim Einbau derselben. Zur gezielten<br />
Erfassung aller Deformationskomponenten ist es<br />
also wichtig, dass alle Einzelanteile möglichst am gleichen<br />
Ort und zeitnah erfassbar sind. In die Betrachtung<br />
sind stets auch die unmittelbare Umgebung des<br />
Absperrbauwerkes und besonders alle Anschlüsse zu<br />
Betonbauwerken einzubeziehen (vgl. Tabelle 2).<br />
Das Nivellement, ausgeführt als Präzisionsnivellement,<br />
ist das mit Abstand am häufigsten angewendete<br />
Verfahren der Deformationsmessung an kleinen<br />
Dämmen. Die Erfassung von Höhenänderungen ist an<br />
der Außenkontur des Absperrbauwerkes, in seiner<br />
unmittelbaren Umgebung sowie an zugänglichen Anschlüssen<br />
von Betonbauwerken an den Damm möglich<br />
und lässt sich als Standardaufgabe des Vermessungswesens<br />
mit hoher Genauigkeit lösen. Nachteilig<br />
ist die starke Abhängigkeit von geeigneten Witterungsbedingungen<br />
bei der Messung, was eine Durchführung<br />
bei Regen und heftigem Wind, also u. U. während des<br />
Vertikale Setzungspegel, kombiniert mit Inklinometermessbahnen,<br />
bieten den Vorteil der echt dreidimensionalen<br />
Deformationsaussage. Dazu werden außen<br />
um spezielle Nutrohre im Zuge der Dammschüttung<br />
Magnetringe eingebaut, deren Vertikalbewegung mittels<br />
Magnetsonde messbar ist. Durch Messungen<br />
während der Bauzeit ist eine frühzeitige baubegleitende<br />
Überwachung möglich. Derartige Systeme lassen<br />
sich bei Bedarf auch nachträglich einbauen. Die Messung<br />
erfolgt von der Dammkrone aus, die Pegel erfassen<br />
Bewegungen im Dammkörper entlang der Dammachse<br />
(vgl. Tabelle 3).<br />
Das Standardverfahren zur Messung horizontaler Bewegungen<br />
(z. B. Verschiebungen) auf der Dammkrone<br />
in der Hauptbewegungsrichtung orthogonal zur Damm-<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
26 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
achse ist das Alignement. Beim geometrischen Alignement<br />
wird ein bewegliches Zielzeichen in die Ziellinie<br />
eingewiesen, bei der trigonometrischen Variante<br />
wird die Abweichung des Zieles aus der Bezugslinie<br />
durch Winkelmessung mit Hilfe eines Tachymeters erfasst.<br />
In beiden Fällen muss die Bezugsachse durch<br />
zwei oder mehr Festpunktpfeiler mit sicherer Gründung<br />
definiert werden.<br />
Die Verschiebungsmessung im Damminnern ist wiederum<br />
entlang horizontaler oder vertikaler Achsen<br />
möglich. Sinnvoll ist die Kombination mit Setzungspegeln,<br />
um aus der Kombination vertikaler und horizontaler<br />
Komponenten räumliche Bewegungen ableiten<br />
zu können und nicht zuletzt Baukosten bei der Verlegung<br />
und Anpassung zu sparen. Für punktuelle Messungen<br />
lassen sich sehr kostengünstige und flexibel<br />
einsetzbare Extensometer verwenden. Die Einbaulängen<br />
können in den meisten Fällen direkt auf der Baustelle<br />
angepasst werden. Für jeden Messpunkt ist ein<br />
Extensometer erforderlich, so dass nur ausgewählte<br />
und vorher definierte diskrete Bereiche überwacht<br />
werden können.<br />
Mittels Inklinometersonde können Bewegungen entlang<br />
der Messrohre mit wesentlich höherer Ortsauflösung,<br />
in der Regel in 1 m - Schritten, lokalisiert werden.<br />
Die Messungsdurchführung und –auswertung hingegen<br />
ist zeitaufwendiger.<br />
6 Dokumentation<br />
An die Dokumentation der Messgeräte und Messeinrichtungen<br />
werden besonders hohe Anforderungen gestellt.<br />
Nur so können die mit viel Aufwand und teilweise<br />
hohen Kosten gewonnenen Messreihen ausreichend<br />
genau ausgewertet und interpretiert werden.<br />
Als Mindestforderungen sind unmittelbar während der<br />
Bauzeit zu erfassen:<br />
- Bezeichnung der Messstelle;<br />
- Lage und Höhe in einem einheitlichen Koordinatensystem;<br />
- wichtige Kenngrößen (Teufen, Höhen der Gründungsfuge,<br />
Bohrlochausbau);<br />
- Geberprotokoll (Typ, Gebernummer, Charge, Kabeltyp<br />
und -bezeichnung, Kalibrierdaten, Messwerte<br />
vor dem Einbau ...);<br />
- Messwert beim Einbau;<br />
- Ausführungszeichnungen (keine Projektzeichnungen);<br />
- Fotodokumentation;<br />
- Bedienungs- und Wartungsanleitung.<br />
7 Zusammenfassung<br />
Die Konzeption, die Projektierung und der Einbau von<br />
Messeinrichtungen zur Überwachung des Verhaltens<br />
der Absperrbauwerke von Hochwasserrückhaltebekken<br />
erfordert viel Erfahrung, um angepasste, kostengünstige<br />
und vor allem aussagekräftige Lösungen zu<br />
finden. Die o. g. Systeme können in vielfältiger Weise<br />
kombiniert, abgewandelt und erweitert werden, um<br />
auch nachträglich bei entsprechender Notwendigkeit<br />
Erweiterungen vornehmen zu können.<br />
Ausgehend von Primär- und Sekundärauswertungen<br />
der Messergebnisses sind Sicherheitsbeurteilungen<br />
von Hochwasserrückhaltebecken mit zeitweisem Einstau<br />
oder Teildauerstau durch Vergleiche mit Einwirkungen<br />
und Ergebnissen von Standsicherheitsnachweisen<br />
gemäß DIN 19700, Teil 10 möglich.<br />
Anschrift der Verfasser:<br />
Dr. Klaus Girod,<br />
Holger Rosenkranz<br />
HPI Ingenieurgesellschaft mbH<br />
Büro Erfurt<br />
Dittelstedter Grenze 3<br />
99099 Erfurt<br />
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<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 27<br />
Hochwasserentlastungsanlagen und<br />
Freibordbemessung<br />
von Matthias Groteklaes<br />
1 Einleitung<br />
Der Vortrag soll einen kurzen Überblick geben über<br />
· die Funktion der Hochwasserentlastungsanlage,<br />
· die wichtigsten Bauwerksgrundtypen mit ihren Besonderheiten,<br />
· die Funktion der Energieumwandlung,<br />
· die Bemessungslastfälle und die Freibordbemessung.<br />
Er stützt sich im Wesentlichen auf die DIN 19700 Teil<br />
10 und 12, die DVWK-Merkblätter 202 und 246, den<br />
Leitfaden zu Dammscharten im Handbuch Wasser 2<br />
und vor allem die Gutachten zur „Hydraulischen Gestaltung<br />
von Hochwasserentlastungsanlagen“, die die<br />
Universität Stuttgart seinerzeit für das Ernährungsministerium<br />
erstellt hat. Im Leitfaden und den Gutachten<br />
finden sich ausführliche Hinweise zur Gestaltung und<br />
hydraulischen Bemessung, auf die hier nicht eingegangen<br />
werden kann.<br />
2 Funktion der Hochwasserentlastungsanlage<br />
Das Überströmen eines Absperrdammes einer Stauanlage<br />
kann zu dessen vollständiger Zerstörung mit<br />
entsprechenden Folgen für die Unterlieger führen,<br />
weshalb dies mit großer Sicherheit ausgeschlossen<br />
werden muss. Hochwasserentlastungsanlagen haben<br />
deshalb die Funktion, mindestens den Bemessungsabfluß<br />
sicher und schadlos für<br />
die Stauanlage aus dem Bekken<br />
abzuführen. Das gesamte<br />
Bauwerk muss so entworfen<br />
und bemessen sein, daß es bei<br />
allen Lastfällen hydraulisch einwandfrei<br />
funktioniert und beherrschbare<br />
Abfluß- und Belastungsverhältnisse<br />
aufweist.<br />
Der Augenmerk ist also nicht<br />
nur darauf zu richten, daß die<br />
Anlage einwandfrei bemessen<br />
ist, sondern im Ernstfall auch<br />
funktionssicher ist, d. h. insbesondere,<br />
daß etwa vorhandene<br />
Verschlüsse geöffnet werden<br />
können und sich die Anlage<br />
nicht durch Treibgut und ähnliches<br />
verlegen kann. Gleichzeitig können aber durchaus<br />
Schäden hingenommen werden, solange sie das<br />
Absperrbauwerk nicht gefährden.<br />
Staumauern können bei einer Überströmung dagegen<br />
nicht pauschal als gefährdet behandelt werden. Sie<br />
lassen u. a. deshalb auch andere Möglichkeiten der<br />
Hochwasserentlastung zu; weil sie aber als Absperrbauwerk<br />
für Hochwasserrückhaltebecken keine große<br />
Rolle spielen, wird im Weiteren nicht auf sie eingegangen.<br />
3 Bauwerksgrundtypen<br />
3.1 Hangseitenentlastung<br />
Die Hangseitenentlastung besteht aus der Überfallschwelle<br />
in den Trog mit anschließendem Übergangsbauwerk<br />
in die Schußrinne und in der Regel einem<br />
Auslaufbauwerk zum Tosbecken (Abb.1). Wie der<br />
Name schon sagt, wird die Entlastung im Hang angeordnet<br />
und führt mehr oder weniger am Damm vorbei.<br />
Die Überfallschwelle kontrolliert den Wasserstand im<br />
Becken bzw. den Abfluß über die Hochwasserentlastungsanlage.<br />
Im Sammeltrog wird der Abfluß vor<br />
Eintritt in die Schußrinne beruhigt. Erst im Übergangsbauwerk<br />
sollte der Übergang zum Schießen erfolgen.<br />
Damit ist es möglich, den Abfluß umzulenken<br />
und auf die Schußrinnenachse auszurichten, um dort<br />
möglichst störungssfreie Verhältnisse herzustellen.<br />
Abb. 1: Funktionselemente einer Hangseitenentlastung<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
28 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
Abb. 2: Abflußzustände in kleinen Schachtbauwerken<br />
Dies ist erforderlich, weil Störungen bei schießendem<br />
Abfluß schwer beherrschbare Effekte wie z. B. Kreuzwellen<br />
bewirken, die sich rechnerisch i. d. R. nicht<br />
mehr erfassen lassen und einen Modellversuch erfordern.<br />
Deshalb müssen schießender Abfluß schon im<br />
Trog, Krümmungen oder Querschnittsänderungen der<br />
Schußrinne, aber auch sonstige Störungen jeglicher<br />
Art wie z. B. Einbauten oder Stöße an Fugen durch<br />
Setzungen, vermieden werden.<br />
Der Sammeltrog ist so anzuordnen, daß eine ungestörte<br />
und möglichst senkrechte Anströmung erzielt<br />
wird. Sofern eine Abweisvorrichtung gegen Treibgut erforderlich<br />
ist, sollte diese in ausreichendem Abstand<br />
vor der Überfallschwelle liegen. Die Schwelle selbst<br />
sollte aus Gründen der Verkehrssicherung eine Brüstungshöhe<br />
von mindestens 90 cm haben. Ist der Trog<br />
überdeckelt, sollte über der Überfallhöhe noch ein ausreichender<br />
Abstand sein.<br />
Die Vorteile der Hangseitenentlastung sind ihre hohe<br />
Leistungsfähigkeit, die Überwindung größerer Höhenunterschiede<br />
und die in vielen Fällen erzielbaren hydraulisch<br />
klaren Verhältnisse. Die Talflanke muss aber<br />
aufgrund ihrer Beschaffenheit (Neigung,<br />
Rutschungsgefährdung) geeignet sein. Problematisch<br />
kann die landschaftliche Einbindung sein. Bei kleinen<br />
Abmessungen besteht aufgrund der zweimaligen<br />
rechtwinkligen Umlenkung im Trog ein Verklausungsrisiko.<br />
3.2 Schachtbauwerke<br />
Schachtentlastungen unterscheiden sich von anderen<br />
Typen von Hochwasserentlastungsanlagen vor allem<br />
dadurch, daß nahezu der gesamte Höhenunterschied<br />
zwischen Beckenwasser- und Unterwasserspiegel auf<br />
kürzester Distanz, nämlich im Fallschacht überwunden<br />
wird. Aufgrund der damit verbundenen großen Geschwindigkeiten<br />
und der Umlenkung in die Horizontale<br />
bei geschlossenem Querschnitt ist das Abflußgeschehen<br />
bei großen Fallhöhen sehr komplex. Dadurch ergeben<br />
sich aufwendige Konstruktionen, bei kleinen<br />
Fallhöhen und Wassermengen sind aber vereinfachte<br />
Lösungen möglich, so daß in diesem Fall ein größerer<br />
Anwendungsbereich auch für Hochwasserrückhaltebecken<br />
gegeben ist.<br />
Bei Stauhöhen bis ca. 10 m kann die Hochwasserentlastungsanlage<br />
als einfacher Vertikalschacht mit direkt<br />
angeschlossenem Ablaufstollen ausgeführt werden.<br />
Der Schacht kann allseitig, seitlich und frontal oder nur<br />
frontal angeströmt werden, wobei insbesondere bei allseitiger<br />
Anströmung auf einen genügenden Abstand<br />
zum Damm hin zu achten ist. Die Überfallhöhe sollte<br />
1 m nicht überschreiten. Der Fallschacht selbst darf in<br />
keinem Fall eine Querschnittsverengung nach unten<br />
oder in den Fließquerschnitt hineinragende Einbauten<br />
aufwiesen. Im Ablaufstollen sollte ein einwandfreier<br />
und stabiler Freispiegelabfluß gewährleistet sein, weil<br />
Störungen des i. d. R. schießenden Abflusses im geschlossenen<br />
Profil besonders kritisch sind (Abb. 2).<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 29<br />
Abb. 3: Hochwasserentlastungsanlage in Lockerbauweise (Dammscharte und Flutmulde)<br />
Unter diesem Gesichtspunkt muss deshalb auch einem<br />
in den Fallschacht einmündenden Grundablaß<br />
Beachtung geschenkt werden, ebenso einem Rückstau<br />
vom Tosbecken her. Eine Belüftung ist oft nicht notwendig.<br />
Zur Vermeidung von Verklausungen können Abweisvorrichtungen<br />
angebracht werden, aber in einer Entfernung,<br />
daß eine Verlegung der Einlaufquerschnitte<br />
ausgeschlossen ist. Auch hier ist zur Verkehrssicherung<br />
eine Brüstungshöhe von 90 cm erforderlich, keinesfalls<br />
dürfen deshalb Gitter o. ä. direkt in die Einlauföffnungen<br />
eingebaut werden.<br />
Abb. 4: Längsschnitt einer Dammscharte<br />
Vorteil dieses Anlagentyps ist die kompakte Ausführung,<br />
insbesondere in Kombination mit dem Grundablaß,<br />
die auch ein gemeinsames Tosbecken ermöglicht.<br />
Sie kommt zudem dann in Betracht, wenn Topografhie<br />
und Geologie andere Lösungen nicht zulassen.<br />
Nachteil ist aufgrund der geschlossenen Bauweise<br />
und der oftmals kleinen Abmessungen mit mehrfacher<br />
Umlenkung die Versetzungsgefahr sowie im Hinblick<br />
auf Störungen des Abflusses die Empfindlichkeit gegen<br />
Setzungen.<br />
3.3 Flutmulden und Dammscharten<br />
Flutmulden und Dammscharten sind Gerinne zur<br />
Hochwasserableitung, deren Verhältnis von Tiefe zu<br />
Breite sehr gering ist.<br />
Eine Flutmulde befindet sich abseits des Absperrbauwerkes<br />
(Abb. 3). Sie verläuft deshalb nicht in künstlich<br />
geschüttetem, sondern anstehendem Untergrund.<br />
Weil der Dammkörper in der Regel nicht gefährdet ist,<br />
kann eine Sicherung auf die stark beanspruchten Bereiche<br />
beschränkt werden. Ob eine Flutmulde<br />
überhaupt in Betracht kommt,<br />
hängt sehr stark von den topografischen<br />
Gegebenheiten ab. Die einzelnen Elemente<br />
sind die gleichen, wie sie bei<br />
Dammscharten ebenfalls erforderlich<br />
sind.<br />
Dammscharten (Abb. 4) bestehen aus einem<br />
Einschnitt in der Dammkrone, einem<br />
anschließenden Entlastungsgerinne -<br />
meist als Rauhgerinne - und einem Auslaufbereich.<br />
Den Abschluß des Entla-<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
30 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
stungsgerinnes bildet eine Fußsicherung, die gleichzeitig<br />
auch als Stützbauwerk für das Deckwerk dienen<br />
kann. Da Dammscharten zumindest zum Teil über den<br />
künstlich errichteten Dammkörper verlaufen, zieht<br />
eine Erosion eine Beschädigung des Dammkörpers<br />
und damit die Gefahr der Beschädigung des<br />
Absperrbauwerkes nach sich.<br />
Grundsätzlich können sie sowohl in massiver wie in<br />
lockerer Bauweise ausgeführt werden. Vielleicht wegen<br />
der im Dammbereich zu erwartenden Setzungen<br />
herrscht bei den in den letzten Jahren errichteten<br />
Becken die Lockerbauweise vor. Dies hat eine vergleichsweise<br />
geringe Abflußleistung pro Meter Gerinnebreite<br />
und damit eine große Überlaufbreite zur Folge.<br />
Bei dem Deckwerk wird zwischen Steinsatz und<br />
Steinschüttung unterschieden. Während bei einer<br />
Steinschüttung die Steine locker in einer bestimmten<br />
Schüttdicke aufgebracht werden, müssen beim Steinsatz<br />
die Steine einlagig auf Kontakt gesetzt werden,<br />
um eine gute Verklammerung zu erzielen. In der Regel<br />
werden unregelmäßige Steine verwendet, um eine<br />
möglichst rauhe Oberfläche und damit schon eine<br />
weitgehende Energieumwandlung im Entlastungsgerinne<br />
zu erzielen. Eine Energieumwandlungsanlage<br />
am Fuße der Dammscharte kann deshalb meistens<br />
entfallen, es ist lediglich die Sicherung gegen rückschreitende<br />
Erosion erforderlich. Insgesamt ist so ein<br />
wirtschaftlicher Einsatz von Dammscharten mit flexiblem<br />
und rauhem Aufbau, um die es im weiteren nur<br />
geht, nur bei spezifischen Belastungen < 1 m³/s/m<br />
und bei Neigungen geringer als 1 : 6, bei Steinschüttungen<br />
sogar 1 : 8, möglich.<br />
Um die Länge des Entlastungsgerinnes zu begrenzen,<br />
wird die Dammscharte möglichst am Talrand angeordnet<br />
(Abb. 5). Eine Weiterführung in das Gelände ist<br />
oft nicht erforderlich. Es ist durch entsprechende<br />
Konstruktion lediglich sicherzustellen, daß der Böschungsfuß<br />
nicht gefährdet wird und das abfließende<br />
Wasser vom Dammfuß ferngehalten wird.<br />
Dammscharten wurden in den letzten Jahren zumindest<br />
im Regierungsbezirk Freiburg recht oft ausgeführt,<br />
weil sie eine Reihe von Vorteilen aufweisen. Die<br />
Versetzungsgefahr ist sehr gering, da weder eine<br />
Umlenkung erfolgt und die Querschnitte vergleichsweise<br />
groß sind. Aufgrund des flexiblen Aufbaus<br />
können sie direkt über den Damm geführt werden<br />
und ein Tosbecken kann wegen der Rauhgerinneströmung<br />
oft entfallen, teilweise sogar das vom Fuß<br />
des Dammes weiterführende Gerinne. Es ist aber zu<br />
befürchten, daß zumindest in den ersten Jahren in<br />
einer Reihe von Fällen nicht alle mit dieser Konstruktionsweise<br />
verbundenen Fragestellungen in ihrer<br />
vollen Tragweite erkannt wurden. Bei der Bemessung<br />
der neueren Anlagen mussten jedenfalls, sowohl<br />
was Neigung als auch die spezifische Belastung betrifft,<br />
Abstriche gemacht werden. Dies führt zu größeren<br />
Abmessungen sowohl des gesamten Bauwerks<br />
wie auch der Steine, und die Dammscharte wird damit<br />
zu einem oft nicht zu übersehenden Bestandteil des<br />
Beckens. Die teilweise deswegen praktizierte Begrünung<br />
durch Überschütten der Rampe ist dagegen bedenklich,<br />
weil ein rechtzeitiges Ausspülen des Materials<br />
nicht gewährleistet ist und sich damit andere Fließverhältnisse<br />
einstellen als der Bemessung zugrundegelegt.<br />
Die Folge ist ein wesentlich beschleunigter Abfluß<br />
mit entsprechendem Angriff am Böschungsfuß.<br />
3.4 Weitere Bauwerkstypen<br />
In gewisser Hinsicht eine konsequente Weiterentwicklung<br />
der Dammscharte ist der überströmbare<br />
Damm; damit kann auf den Freibord verzichtet werden.<br />
Sehr leistungsfähig, aber auch konstruktiv aufwendig,<br />
ist der Heber. Nur in Ausnahmefällen in Betracht<br />
kommt die sog. Druckentlastung, weil dazu die<br />
Öffnung des unter Druck stehenden, geschlossenen<br />
Verschlusses gewährleistet sein muss. Bei niedrigen<br />
Dammhöhen werden auch wehrähnliche Lösungen<br />
ausgeführt.<br />
4 Andere Einteilungskriterien<br />
Abb. 5: Anordnung einer Dammscharte im Talraum<br />
Hochwasserentlastungen können auch nach weiteren<br />
Kriterien unterschieden werden. So ist ein wichtiges<br />
Merkmal einer Hochwasserentlastungsanlage ihre<br />
Überlastbarkeit (Abb. 6). Bei überlastbaren Anlagen<br />
erfolgt die Abflußkontrolle ausschließlich durch den<br />
Einlaufquerschnitt, was mit zunehmender Überfallhöhe<br />
wesentliche Leistungssteigerungen zuläßt, bei<br />
nicht-überlastbaren Annlagen findet sich die Abflußkontrolle<br />
hinter dem Einlaufquerschnitt und staut diesen<br />
ein, weshalb eine Leistungssteigerung dann nur<br />
noch gering ist. Daraus folgt, daß bei der hydraulischen<br />
Bemessung ein Augenmerk darauf zu richten<br />
ist, daß bei steigenden Wassermengen nicht ein anderer<br />
Abflußquerschnitt maßgebend wird. Der Begriff<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 31<br />
5 Energieumwandlung<br />
Der Abfluß aus Hochwasserentlastungsanlagen<br />
erfolgt in aller Regel schießend,<br />
d. h. mit hoher kinetischer Energie, welche<br />
im Unterwasser erhebliche Schäden<br />
verursachen kann. Daraus resultiert die<br />
Forderung, durch bauliche Maßnahmen<br />
die Standsicherheit der Ableitungsbauwerke<br />
und des Dammes in allen Betriebsfällen<br />
sicherzustellen, unter Umständen<br />
ist aber auch eine kontrollierte<br />
Energieumwandlung zur Verminderung<br />
von Schadenswirkungen im Unterwasser<br />
erforderlich.<br />
Abb. 6:<br />
Freispiegelabfluß A (überlastbar ), Druckabfluß B (nicht überlastbar)<br />
„überlastbar“ bezieht sich hier allein auf die hydraulische<br />
Leistungsfähigkeit und darf nicht mit der Belastbarkeit<br />
insgesamt verwechselt werden, insbesondere<br />
nicht bei Rauhgerinnen.<br />
Ein weiteres wichtiges Merkmal ist das Vorhandensein<br />
eines beweglichen Verschlusses. Bei diesen An-<br />
Aus hydraulischer Sicht wird dazu ein<br />
kontrollierter Übergang vom schießenden<br />
zum strömenden Abfluß in einem eigens dafür vorgesehenen<br />
Bereich erzwungen. Dies erfolgt in der Regel<br />
durch bauliche Maßnahmen, welche eine gezielte<br />
und örtlich fixierte Energieumwandlung sicherstellen<br />
(Tosbecken).<br />
Abb. 7: Grundtypen von Tosbecken<br />
lagen wird der Einlaufquerschnitt erst durch Öffnen eines<br />
Verschlusses freigemacht. Der Vorteil ist, daß<br />
entsprechend der Höhe des Verschlußorgans Stauraum<br />
gewonnen wird. Der Nachteil ist die damit<br />
verbundene Gefahr des Versagens eines Verschlußorgans.<br />
Die Mehrzahl der Tosbecken läßt sich auf drei einfache<br />
Grundtypen zurückführen (Abb. 7). Es sind dies die<br />
Sohlstufe am Beckenende (positive Stufe), der Sohlabsatz<br />
am Beckeneinlauf (negative Stufe) und die plötzliche,<br />
seitliche Aufweitung (räumliches Tosbecken). In<br />
vielen Fällen werden diese Grundtypen miteinander<br />
kombiniert oder durch zusätzliche Maßnahmen wie<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
32 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
6 Bemessungslastfälle<br />
Die Lastfälle für die Bemessung der Hochwasserentlastungsanlage<br />
sind in Tabelle 2<br />
des Teils 12 der DIN 19700 zusammengestellt<br />
(Tabelle 1).<br />
Abb. 8: Kolk nach horizontal eingeleitetem Schußstrahl<br />
z. B. Einbauten verstärkt. Die Tosbecken sollten in einem<br />
Mindestabstand vom Damm angeordnet werden;<br />
im Anschluß an das Becken erfolgt ein kontinuierlicher<br />
Übergang ins Unterwasser.<br />
Das Tosbecken kann auch als Kolksee ausgeführt<br />
werden (Abb. 8). Auch hier ist besondere Aufmerksamkeit<br />
auf eine rückschreitende Erosion zu richten.<br />
Im Extremfall, z. B. bei entsprechend widerstandsfähigem<br />
Untergrund oder eben bei Rauhgerinneentlastungen,<br />
ist eine Energieumwandlung nicht erforderlich,<br />
wenn eine rückschreitende Erosion der<br />
Hochwasserentlastungsanlage ausgeschlossen ist.<br />
Oft wird ein gemeinsames Tosbecken für Hochwasserentlastung<br />
und Grundablaß angelegt. Die hydraulischen<br />
Verhältnisse können dann kompliziert werden,<br />
weil eine symmetrische Ausführung in Verlängerung<br />
der Achsen gleichzeitig von Schußrinne und Grundablaß<br />
oft nicht möglich ist.<br />
Der Bemessung der Hochwasserentlastungsanlage<br />
ist für den Normallastfall ein<br />
HQ 200<br />
, bei kleinen Becken ein HQ 100<br />
, zugrundezulegen.<br />
Für die Sicherheit des Absperrbauwerkes<br />
und der Hochwasserentlastungsanlage<br />
ist außerdem für den außergewöhnlichen<br />
Lastfall nachzuweisen, daß ein HQ 1000<br />
schadlos abgeführt werden kann. Dazu können<br />
abmindernde Bedingungen zugelassen<br />
werden, insbesondere die teilweise - 90 %,<br />
bei kleinen Becken 75 % - Inanspruchnahme<br />
des im Freiborde enthaltenen Sicherheitszuschlages.<br />
In diesem Fall dürfen auch Schäden<br />
auftreten, wenn diese die Sicherheit des<br />
Absperrbauwerkes nicht beeinträchtigen.<br />
Bei der Bemessung ist in der Regel davon<br />
auszugehen, daß das Becken bis zum gewöhnlichen<br />
Stauziel gefüllt ist. Die Retention kann berücksichtigt<br />
werden. Nach der Norm darf der Betriebsauslaß - der<br />
in den meisten Rückhaltebecken gleichzeitig der<br />
Grundablaß ist - nicht berücksichtigt werden. Bei beweglichen<br />
Verschlüssen ist bei kleinen Becken davon<br />
auszugehen, daß der leistungsfähigste Verschluß<br />
ausfällt, ansonsten braucht dies nur angenommen zu<br />
werden, wenn dieser ständig eingestaut ist. Hierfür ist<br />
ein Sonderlastfall zu berechnen, der dem HQ 200<br />
bzw.<br />
HQ 300<br />
entspricht. Auch hier darf der Sicherheitszuschlag<br />
im Freibord zu 90% bzw. 75% in Anspruch<br />
genommen werden. Im Gegensatz zur Norm hält es<br />
das DVWK-Merkblatt 202 durchaus für zulässig, die<br />
Grundablässe bzw. Betriebsauslässe bei der Berechnung<br />
mit zu berücksichtigen. Diese sind wie bewegliche<br />
Verschlüsse zu behandeln, so daß im Sonderlastfall<br />
mit Ausfall des leistungsfähigsten Verschlusses zu<br />
rechnen ist, der Verschluß der Hochwasserentlastung<br />
oder des Grund- oder Betriebsauslasses sein kann.<br />
Nr<br />
1<br />
2<br />
Lastfall<br />
Wiedeholungszeitspanne<br />
T n in a<br />
Bezeichnung kleine Becken mittlere und<br />
große Becken<br />
Maximale Inanspuchnahme des<br />
im Freibord enthaltenen<br />
Sicherheitszuschlages in %<br />
kleine Becken<br />
mittlere und<br />
große Becken<br />
Normallastfall 100 200 0 0<br />
außergewöhnlicher Lastfall 1000 1000 75 90<br />
3<br />
Sonderlastfall bei beweglichen<br />
Verschlüssen<br />
300 200 75 90<br />
Tabelle 1: Lastfälle für die Bemessung der Hochwasserentlastungsanlage<br />
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<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 33<br />
Abb. 9: Freibordanteile (nach DVWK 202/1991)<br />
In vielen Fällen liegt als Bemessungsabfluß nur das<br />
HQ 100<br />
vor, außerdem erfordert die Berechnung seltenerer<br />
Ereignisse besondere Sachkenntnis. Das Land<br />
hat deshalb seinerzeit geregelt, daß das HQ 1000<br />
als<br />
Vielfaches des HQ 100<br />
ermittelt werden kann, gleiches<br />
sieht das DVWK-Merkblatt 202 auch für andere Kehrzeiten<br />
vor. Danach gelten folgende Beziehungen:<br />
HQ 200<br />
= 1,2 x HQ 100<br />
HQ 300<br />
= 1,3 x HQ 100<br />
HQ 1000<br />
= 1,6 x HQ 100<br />
Da diese Vereinfachung nur für die Scheitelwerte gilt,<br />
sind Retentionsberechnungen dann allerdings nicht<br />
mehr möglich.<br />
7 Freibord<br />
Der Freibord ist der vertikale Abstand zwischen der<br />
Dammkrone und dem höchsten Stauziel, das im Normallastfall<br />
das Bemessungsstauziel und im außergewöhnlichen<br />
Lastfall das außergewöhnliche Stauziel<br />
ist. Er setzt sich zusammen aus dem Freibord infolge<br />
Wind, aus dem Sicherheitszuschlag im Freibord und<br />
gegebenenfalls dem Eisstau (Abb. 9).<br />
Unter Eisstau wird die Anhebung des Wasserspiegels<br />
infolge einer (Teil-)<br />
Versetzung der<br />
Hochwasserentlastungsanlage<br />
verstanden.<br />
Dies sollte<br />
durch konstruktive<br />
Maßnahmen verhindert<br />
werden. In<br />
der Regel schließen<br />
sich zudem<br />
Eisstau und der<br />
Windanteil aus.<br />
Der Windanteil setzt<br />
sich zusammen aus<br />
dem Windstau und<br />
dem Wellenauflauf.<br />
Der Windstau beträgt<br />
in der Regel wenige<br />
cm und ist gegenüber<br />
dem Wellenauflauf fast vernachlässigbar. Mit<br />
dessen Berechnung befaßt sich das DVWK-Merkblatt<br />
246 fast ausschließlich. Maßgebliche Eingangsgrößen<br />
sind die Streichlänge des Windes, dessen Geschwindigkeit<br />
sowie Neigung und Rauhigkeit der Böschung.<br />
Da der Wellenauflauf bei den nach dem Merkblatt<br />
sonst anzuwendenden Windgeschwindigkeiten<br />
von etwa 30 m/s leicht Größenordnungen von 1 m annimmt,<br />
empfiehlt es sich immer, hierzu ein Gutachten<br />
des Deutschen Wetterdienstes einzuholen. Auch<br />
durch größere Böschungsneigungen und höhere Rauhigkeit<br />
(Steinschüttungen) kann die Auflaufhöhe vermindert<br />
werden.<br />
Nach DIN 19700 Teil 10 ist in den Freibord ein angemessener<br />
Sicherheitszuschlag einzubeziehen, dessen<br />
Größe vor allen Dingen von den örtlichen Gegebenheiten,<br />
der Größe des Stauraumes, der Aussagekraft<br />
der zugrunde liegenden hydrologischen Daten<br />
und von der Art und konstruktiven Ausbildung des Absperrbauwerkes<br />
abhängig ist. Auch das DVWK-<br />
Merkblatt 202 enthält zunächst keine konkretere Definition.<br />
Es ergänzt nur, daß es sich nicht um einen<br />
allgemeinen Sicherheitszuschlag handelt, der Unsicherheiten<br />
der geotechnischen, hydrologischen oder<br />
hydraulischen Berechnungsannahmen abdecken soll.<br />
Das DVWK-Merkblatt 246 befaßt sich mit diesem<br />
Abb. 10: Freibord im Normallastfall und im außergewöhnlichen Lastfall<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
34 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
Aspekt überhaupt nicht und wiederholt nur die Norm.<br />
Klarheit besteht somit zunächst nur bezüglich des<br />
konstruktiven Aspektes, z. B. daß ein Damm befahrbar<br />
sein sollte oder daß eine Mindestüberdeckung der<br />
Dammdichtung erforderlich ist. Für die Praxis schlägt<br />
das DVWK-Merkblatt 202 dann eine eigenartig anmutende<br />
Vorgehensweise vor: Aus der zulässigen Inanspruchnahme<br />
des Sicherheitszuschlages im Freibord<br />
kann dieser mittels der Wasserstand-Abfluß-Beziehung<br />
aus den verschiedenen Lastfällen gewissermaßen<br />
rückgerechnet werden (Abb. 10). Daraus ergibt<br />
sich in der Regel ein Sicherheitszuschlag von 25 -<br />
50 cm. Unter Berücksichtigung der konstruktiven Gesichtspunkte<br />
sollte aber ein Maß von 0,5 m bei kleinen<br />
und mittleren Becken nicht unterschritten werden. Insgesamt<br />
sollte schon bei kleinen Becken ein Freibord<br />
von mindestens 1 m beim Normallastfall eingehalten<br />
werden; nach einem Erlaßentwurf des Landes darf darüber<br />
hinaus in keinem Lastfall ein Freibord von 0,5 m<br />
unterschritten werden.<br />
Ermittlung des Sicherheitszuschlages im Freibord<br />
nach DVWK-Merkblatt 202<br />
Ausgangsdaten:<br />
Beispiel 1<br />
V = 210 000 m³ mittleres Becken<br />
5m < H < 15 m <br />
H Schwelle<br />
= 237,60 m ü NN<br />
h Ei<br />
= 0 m<br />
h Wi<br />
= 0,02 m<br />
h Au<br />
= 0,80 m<br />
Annahme : f Si<br />
= 0,50 m (Mindestforderung)<br />
Lastfall (LF) 2 (HQ 1000<br />
) : h Ü<br />
= 1,21 m<br />
erf. Dammhöhe<br />
= 237,60 + 1,21 + 0,82 + (1 - 0,9) x 0,50<br />
= 239,68 < 239,92 m ü NN<br />
oder:<br />
Inanspruchnahme des Sicherheitszuschlages im Freibord:<br />
(1,21 -1,00) / 0,5 = 0,4 = 42 % < 90%<br />
Ausgangsdaten:<br />
Beispiel 2<br />
V = 80 000 m³ kleines Becken<br />
H < 5 m<br />
<br />
4 gleiche bewegliche Verschlüsse,<br />
H Schwelle<br />
= 315,15 m ü NN<br />
h Ei<br />
= 0 m<br />
h Wi<br />
= 0,01 m<br />
h Au<br />
= 0,64 m<br />
Regierungspräsidium Freiburg, Abt. 5<br />
317,50<br />
315,15<br />
f si<br />
f wi<br />
h ü<br />
Abb. 12: Beispiel 2, 1. Iteration<br />
LF 1 LF 2<br />
LF 3<br />
HQ 100<br />
HQ 1000<br />
HQ 300<br />
0,50<br />
0,65<br />
1,20<br />
0,44 > 75%<br />
1,64<br />
0,53 > 75%<br />
1,73<br />
kleines Becken, 4 gleiche Verschlüsse<br />
h ei = 0<br />
f wi = h wi + h au = 0,01 + 0,64 = 0,65 m<br />
H.J. Baaske<br />
Regierungspräsidium Freiburg, Abt. 5<br />
239,62<br />
LF 1 LF 2<br />
HQ 200<br />
HQ 1000<br />
H.J. Baaske<br />
1. Iteration: f Si<br />
= 0,50 m (Mindestforderung)<br />
Lastfall (LF) 1 (HQ 100<br />
) : h Ü<br />
= 1,20 m<br />
237,60<br />
f si 0,50<br />
0,29 > 10%<br />
h ü 1,00 1,21<br />
f wi 0,82 0,82<br />
erf. Dammhöhe<br />
= 315,15 + 1,20 + 0,65 + 0,50 = 317,50 m ü NN<br />
Lastfall (LF) 2 (HQ 1000<br />
) : h Ü<br />
= 1,64 m<br />
Abb. 11: Beispiel 1<br />
mittleres Becken<br />
h ei = 0<br />
f wi = h wi + h au = 0,02 + 0,80 = 0,82 m<br />
Lastfall (LF) 1 (HQ 200<br />
): h Ü<br />
= 1,00 m<br />
erf. Dammhöhe = 237,60 + 1,00 + 0,82 + 0,50<br />
= 239,92 m ü NN<br />
Inanspruchnahme des Sicherheitszuschlages im Freibord:<br />
(1,64 -1,20) / 0,50 = 0,88 = 88 % > 75%<br />
Lastfall (LF) 3 (HQ 300<br />
) : h Ü<br />
= 1,73 m<br />
Inanspruchnahme des Sicherheitszuschlages im Freibord:<br />
(1,73 -1,20) / 0,50 = 1,06 = 106 % > 75%<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 35<br />
2. Iteration: f Si<br />
= 0,75 m angenommen<br />
- Lastfall (LF) 1 hier nicht maßgeblich<br />
- Lastfall (LF) 2 hier nicht maßgeblich<br />
- Lastfall (LF) 3:<br />
Inanspruchnahme des Sicherheitszuschlages im Freibord:<br />
(1,73 -1,20) / 0,75 = 0,71 = 71 % < 75%<br />
Weitere Versuche bzw. Rückrechnung ergeben:<br />
min. f Si<br />
= 0,71 m,<br />
d. h. erf. Dammhöhe = 317,71 m ü NN<br />
Regierungspräsidium Freiburg, Abt. 5<br />
317,71<br />
315,15<br />
f si<br />
f wi<br />
h ü<br />
LF 1<br />
LF 3<br />
HQ 100 HQ 300<br />
0,71<br />
0,65<br />
1,20<br />
0,53 = 75%<br />
1,73<br />
H.J. Baaske<br />
Literaturverzeichnis<br />
DIN 19700 Teil 10 - Stauanlagen; Gemeinsame Festlegungen<br />
DIN 19700 Teil 12 - Stauanlagen; Hochwasserrückhaltebecken<br />
DVWK-Merkblatt 202 (1991) Hochwasserrückhaltebecken<br />
DVWK-Merkblatt 246 (1997) Freibordbemessung<br />
an Stauanlagen<br />
Handbuch Wasser 2, <strong>Band</strong> 36 (1997): Dammscharten<br />
in Lockerbauweise bei Hochwasserrückhaltebekken<br />
Universität Stuttgart, Institut für Wasserbau: Gutachten<br />
zur hydraulischen Gestaltung von Hochwasserentlastunsanlagen<br />
(1984)<br />
Teil 2: Bemessungsgrundlagen für Hangseitenentlastungen<br />
Teil 3: Bemessungsgrundlagen für Schachtbauwerke<br />
Teil 4: Bemessungsgrundlagen für Flutmulden und<br />
Dammscharten<br />
Teil 5: Sonderbauwerke<br />
Teil 6: Energieumwandlungsanlagen<br />
Abb. 13: Beispiel 2, Ergebnis<br />
kleines Becken, 4 gleiche Verschlüsse<br />
h ei = 0<br />
f wi = h wi + h au = 0,01 + 0,64 = 0,65 m<br />
Anschrift des Verfassers:<br />
OBR Matthias Groteklaes<br />
Regierungspräsidium Freiburg<br />
Bismarckallee 2<br />
79083 Freiburg i.Br.<br />
Stand der Überarbeitung der DIN 19700<br />
von Bernhard Westrich<br />
Die DIN 19700 wurde in den zurückliegenden zwei Jahren<br />
in wesentlichen Punkten überarbeitet, wobei insbesondere<br />
die hydrologischen Bemessungsgrundlagen,<br />
die Beherrschung des Restrisikos sowie landschaftsgestalterische<br />
und gewässerökologische Gesichtspunkte<br />
als Bestandteile eines ganzheitlichen<br />
Hochwasserschutzes aufgenommen wurden. Die<br />
Novellierung betrifft sämtliche Teile: Teil 10, gemeinsame<br />
Festlegungen; Teil 11, Talsperren; Teil 12,<br />
Hochwasserrückhaltebecken; Teil 13, Staustufen;<br />
Teil 14, Pumpspeicherbecken; Teil 15, Sedimentationsbecken.<br />
Die Entwürfe liegen vor und werden gemeinsam<br />
Ende November nochmals diskutiert, um<br />
insbesondere eine inhaltliche Abstimmung und Harmonisierung<br />
der Einzelentwürfe zu erreichen. In Teil<br />
10 werden die für sämtliche nachfolgenden Teile geltenden<br />
allgemeinen Vorgaben festgelegt. Hierzu<br />
zählen insbesondere die drei Hochwasserbemessungsfälle:<br />
- BHQ 1<br />
zur Bemessung der Hochwasserentlastungsanlage,<br />
- BHQ 2<br />
zum Nachweis der Anlagensicherheit bei<br />
Extremhochwasser und<br />
- BHQ 3<br />
zur Bemessung des gewöhnlichen Hochwasserrückhalteraums.<br />
Aufgrund der Unsicherheit bei der Ermittlung des Bemessungshochwasserzuflusses<br />
BHQ 2<br />
ist in besonders<br />
begründeten Fällen das größte Hochwasser<br />
(PMF) zur Plausibilitätsprüfung heranzuziehen. Das<br />
verbleibende Restrisiko infolge Überschreitung von<br />
BHQ 2<br />
soll in Abhängigkeit von den lokalen Bedingungen<br />
durch flankierende konstruktive, bewirt-<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
36 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
schaftungsseitige, organisatorische und/oder administrative<br />
Maßnahmen abgedeckt werden.<br />
Bezüglich der Hochwasserrückhaltebecken sind folgende<br />
Punkte zu bemerken:<br />
Eine neue Klassifizierung wurde entsprechend der<br />
Beckenhöhe und dem Beckenraum vorgenommen:<br />
sehr kleine, kleine, mittlere und große Becken (siehe<br />
Abb. 1).<br />
Für die Bemessungslastfälle BHQ 1<br />
und BHQ 2<br />
sind in<br />
Abhängigkeit von der Klassifizierung der Becken die<br />
entsprechenden Jährlichkeiten angegeben. Sie variieren<br />
von 200 bis 1000 Jahren bei BHQ 1<br />
und von 1000<br />
bis 10 000 Jahren bei BHQ 2<br />
.<br />
Im DIN-Entwurf sind überströmbare Dämme in einem<br />
separaten Abschnitt aufgenommen. Hierbei wird auf<br />
die besonderen konstruktiven Anforderungen bei der<br />
Ableitung des Hochwasserabflusses über den Absperrdamm<br />
und die Sicherheitsnachweise<br />
hingewiesen.<br />
Beckenhöhe in m<br />
15<br />
10<br />
5<br />
3<br />
1<br />
4<br />
3<br />
2<br />
50 000 100 000 1 000 000<br />
Dem Problem Sanierung und Sicherheitsanpassung<br />
wurde ein separates<br />
Kapitel gewidmet mit folgenden Unterpunkten:<br />
es wird zum einem die<br />
Notwendigkeit angesprochen, die<br />
dann gegeben ist, wenn entsprechende<br />
Mängel oder Bemessungsdefizite<br />
an der Anlage zu verzeichnen sind.<br />
Auf der Basis einer Risikobetrachtung<br />
ist die Dringlichkeit dieser<br />
Sanierungs- und Anpassungsmaßnahmen<br />
festzulegen.<br />
Typ 1: sehr kleine Becken<br />
Typ 2: kleine Becken<br />
Beckenraum in m³<br />
Typ 3: mittlere Becken<br />
Typ 4: große Becken<br />
Abb. 1: Einteilung von Hochwasserrückhaltebecken<br />
nach der Beckengröße (Klassifizierung)<br />
Im Bemessungsfall 1 kann ebenso wie im Bemessungsfall<br />
2 der gewöhnliche Hochwasserrückhalteraum<br />
in Anspruch genommen werden, wenn<br />
die entsprechenden Abflussganglinien hydrologisch<br />
ermittelt wurden. Während im Bemessungslastfall 1<br />
die „(n-1) Regel“ bezüglich der Auslassöffnungen<br />
angesetzt wird, kann im Bemessungslastfall 2 die<br />
vollständige Funktionsfähigkeit der Anlagenteile nach<br />
Betriebsplan angenommen werden. Diese Annahme<br />
ist zu hinterfragen.<br />
Hydrologische Untersuchungen (Dr. Ihringer) an ausgewählten<br />
Hochwasserrückhaltebecken mit einer vergleichenden<br />
Gegenüberstellung von geltender DIN und<br />
neuem DIN-Entwurf zeigen, dass beim Bemessungsfall<br />
2 (Entwurf neue DIN) zufolge der Inanspruchnahme<br />
des gewöhnlichen Hochwasserrückhalteraums eine<br />
niedrigere Wasserspiegellage im Becken erreicht wird<br />
als bei der Bemessung nach geltender DIN mit dem<br />
tausendjährlichen Abfluss. Demnach könnte die Hochwasserentlastungsanlage<br />
nach der neuen DIN für einen<br />
geringeren Abfluss bemessen werden – was jedoch<br />
nicht im Sinne einer schärferen Standsicherheitsüberprüfung<br />
sein kann.<br />
Darüber hinaus sind Maßnahmen der<br />
Gefahrenabwehr angesprochen, wobei<br />
u. a. das Ziel ist, die Wirkungsräume<br />
bei einer möglichen Überflutung<br />
durch Hochwasser zu beschreiben.<br />
Außerdem sind hydrologische<br />
und hydraulische, betriebliche, ökologische<br />
und konstruktive Anpassungen vorzunehmen,<br />
wenn entsprechende Defizite vorliegen.<br />
Bei sämtlichen Anpassungsmaßnahmen an bestehenden<br />
Anlagen sind hinsichtlich der Sicherheit der<br />
Anlage und den ökologischen Gesichtspunkten die<br />
gleichen Zielvorgaben wie beim Neubau von Rückhaltebecken<br />
zu beachten.<br />
Anschrift des Verfassers:<br />
Prof. Dr.-Ing. habil. Bernhard Westrich<br />
Universität Stuttgart<br />
Institut für Wasserbau<br />
Pfaffenwaldring 61<br />
70550 Stuttgart<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, 4. Jahrgang, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 37<br />
Ergebnisse der Überprüfung von Stauanlagen in Baden-<br />
Württemberg im Hinblick auf beabsichtigte Neuregelungen<br />
der DIN 19700<br />
von Konrad Störk<br />
1 Überblick über die in Überarbeitung befindlichen<br />
Teilnormen der DIN 19700<br />
Die Gründungssitzung des DIN-Arbeitsausschusses<br />
Stauanlagen fand am 26.11.1996 statt. Für die Neubearbeitung<br />
jeder Teilnorm wurde ein Unterausschuss<br />
eingesetzt (siehe Abb. 1).<br />
- Die Möglichkeit der Klassifizierung von Stauanlagen<br />
soll eröffnet werden.<br />
- Aus dem Teil 10 sollen die speziellen Anforderungen<br />
an Staudämme herausgenommen und in Teil<br />
11 behandelt werden.<br />
„Stauanlagen -<br />
Gemeinsame<br />
Festlegungen“<br />
(DIN 19700-10)<br />
„Stauanlagen -<br />
Talsperren“<br />
(DIN 19700-11)<br />
„Stauanlagen -<br />
Hochwasserrückhaltebecken“<br />
(DIN 19700-12)<br />
„Stauanlagen -<br />
Staustufen“<br />
(DIN 19700-13)<br />
„Stauanlagen -<br />
Pumpspeicherbecken“<br />
(DIN 19700-14)<br />
„Stauanlagen -<br />
Sedimentationsbecken“<br />
(DIN 19700-15)<br />
- Staudämme<br />
- Staumauern<br />
- Wehre<br />
- Stauhaltungsdämme<br />
Abb. 1: Unterteilung der Stauanlagen<br />
1.1 Gründe für die Überarbeitung der<br />
DIN 19700<br />
In den vergangenen 10 Jahren hat sich auch international<br />
der Talsperrenbau schnell weiterentwickelt.<br />
Ökologische und sicherheitsrelevante Aspekte haben<br />
eine größere Bedeutung erlangt und sind mehr in<br />
das Interesse der Öffentlichkeit gerückt. Es gab Erfahrungen<br />
mit Schadensfällen.<br />
1.2 Für die Überarbeitung wurden folgende<br />
Grundsätze festgelegt<br />
- Die Norm DIN 19700 bleibt in ihrer vorliegenden<br />
Gliederung in 6 Teile (Teil 10 bis Teil 15) erhalten.<br />
- Im Teil 10 sollen in knapper Form Grundsätze formuliert<br />
werden, mit der Möglichkeit einer Überführung<br />
in eine europäische Norm.<br />
- Die Sanierung bestehender Stauanlagen soll in<br />
die einzelnen Teile der Normenreihe Eingang finden.<br />
- Widersprüche innerhalb der Normenreihe DIN<br />
19700 und zu anderen DIN-Normen sollen beseitigt<br />
werden.<br />
- Anpassung an den heutigen Wissensstand und<br />
Kürzung des Umfanges der Norm.<br />
- Allgemeine Grundsätze sollen im Teil 10 geregelt<br />
werden und für alle Stauanlagen gelten.<br />
- Spezialregelungen in den Teilen 11 bis 15 sollen<br />
den allgemeinen gemeinsamen Regelungen im<br />
Teil 10, ggf. auch im Teil 11 prinzipiell vorgehen.<br />
- Speicherbecken im Nebenschluss sollen je nach<br />
Anlagentyp im jeweiligen Teil der Normenreihe<br />
behandelt werden.<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
38 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
Mit den weiteren Ausführungen wird Bezug genommen<br />
auf die folgenden Entwürfe zur DIN 19700:<br />
- DIN 19700-10: Gemeinsame Festlegungen, 5.<br />
Normvorlage, Stand 15.07.<strong>1999</strong><br />
- DIN 19700-11: Talsperren, 5. Normvorlage, Stand<br />
16.06.<strong>1999</strong><br />
- DIN 19700-12: Hochwasserrückhaltebecken, 6.<br />
Normvorlage, Stand 29.09.<strong>1999</strong><br />
2 Im Entwurf der DIN 19700, Stand Herbst <strong>1999</strong>,<br />
vorgesehene wesentliche Neuregelungen<br />
Teil 10 enthält allgemeine Vorgaben für die Klassifizierung<br />
der Stauanlagen. In Teil 12 der DIN 19700<br />
wird eine Klassifizierung nach Beckenraum und Bekkenhöhe<br />
vorgenommen. Teil 11 unterscheidet Talsperren<br />
in zwei Klassen nach Höhe<br />
des Absperrbauwerks und nach<br />
dem Gesamtstauraum.<br />
Für die wasserwirtschaftliche Bemessung<br />
soll ein völlig neues Bemessungskonzept<br />
mit drei Hochwasserbemessungsfällen<br />
eingeführt<br />
werden:<br />
Bemessungsfall 1: Bemessung der<br />
Hochwasserentlastungsanlage<br />
Bemessungsfall 2: Nachweis der<br />
Stauanlagensicherheit bei Extremhochwasser<br />
Bemessungsfall 3: Bemessung<br />
des gewöhnlichen Hochwasserrückhalteraumes<br />
Für alle Absperrbauwerke sind ihre<br />
Tragsicherheit, Gebrauchstauglichkeit<br />
und Dauerhaftigkeit nachzuweisen.<br />
Beim Nachweis der Hochwassersicherheit der Anlage,<br />
also der konstruktiven Sicherheit gegen Versagen<br />
des Bauwerks bei Extremhochwasser, sind folgende<br />
Fälle zu unterscheiden:<br />
Lastfall 1 (BHQ 1<br />
): Bemessung der Hochwasserentlastungsanlage<br />
Lastfall 2 (BHQ 2<br />
): Nachweis der Standsicherheit bei<br />
Extremhochwasser<br />
Hierzu die wesentlichen Vorgaben aus dem Entwurf<br />
der DIN 19700-10. Zitat aus Entwurf DIN 19700-10,<br />
Ziff. 5.3 Bemessungshochwasser:<br />
„Zur Bemessung des gewöhnlichen Hochwasserrückhalteraumes,<br />
der Hochwasserentlastungsanlage<br />
sowie zum Nachweis der Anlagensicherheit sind extreme<br />
Hochwasserganglinien zu verwenden. Die<br />
Kenntnis der gesamten Hochwasserganglinie ist insbesondere<br />
bei Stauanlagen mit signifikanter Speicherretentionswirkung<br />
bedeutsam. Bei Verzicht auf<br />
die Berücksichtigung der Retentionswirkung (z. B. bei<br />
geringem Ausbaugrad) und der Annahme von Vollstau<br />
bei Hochwasserbeginn, kann die Bemessung<br />
der Hochwasserentlastungsanlage auf der Basis des<br />
Hochwasserscheitels erfolgen.<br />
Die Hochwasserscheitelabflüsse mit den jeweiligen<br />
mittleren jährlichen Übe`schreitungswahrscheinlichkeiten<br />
sind aus sochwasserstatistiichen Analysen<br />
repräsentatiier Bezugspegel lnmittelbar oder mitttls<br />
regionaler statistischer Analysen abzuschätzen.<br />
(Hierzu wird verwiesen auf DVWK-Regel 101: Empfehlungen<br />
zur Berechnung von Hochwasserwahrscheinlichkeiten.)<br />
Normvorlage DIN 19700 - 12 "HRB"<br />
Jährlichkeiten für BHQ 1 und BHQ 2<br />
Klassifizierung Kriterien Typ BHQ 1 BHQ 2<br />
H B < 3 m<br />
Sehr kleine Becken V B < 50000 1 200 1000<br />
Kleine Becken<br />
H B < 5m<br />
VB < 100000 2 500 5000<br />
Mittlere Becken<br />
H B < 15m<br />
V B < 1 Mio. 3 500 5000<br />
Große Becken<br />
H B > 15m<br />
V B > 1 Mio. 4 1000 10000<br />
Abb. 2: Jährlichkeiten für BHQ 1<br />
und BHQ 2<br />
Für die Abschätzung von Hochwasserfüllen und -ganglinien<br />
sind Niederschlag-Abfluss-Modelle zu verwenden, mit<br />
denen unter Einbeziehung von langjährigen Niederschlagsreihen<br />
(Kontinuumsimulation) oder nach Vorgabe<br />
statistisch oder physikalisch/klimatologisch begründeter<br />
Bemessungsregen, Bemessungshochwasserwellen<br />
berechnet werden. Bei Vorliegen ausreichend<br />
lang beobachteter repräsentativer Bezugspegel<br />
(möglichst Zulaufpegel) ist es auch möglich,<br />
eine Füllenstatistik für die Erzeugung einer statistisch<br />
begründeten Zuflussganglinie zu verwenden“.<br />
Zitat aus Entwurf DIN 19700-10, Ziff. 6.3.2 Nachweis<br />
der Hochwassersicherheit:<br />
„Im Hinblick auf die Hochwassersicherheit einer Stauanlage<br />
(Anmerkung: also der konstruktiven Sicherheit<br />
gegen Versagen des Bauwerks bei Extremhochwasser)<br />
sind zwei Hochwasserbemessungsfälle zu<br />
unterscheiden:<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 39<br />
Hochwasserbemessungsfall 1: Bemessung der<br />
Hochwasserentlastungsanlage<br />
Es ist ein Bemessungshochwasserzufluss BHQ 1<br />
für<br />
die Bemessung der Hochwasserentlastungsanlage<br />
festzulegen. Bis zur Größe des BHQ 1<br />
sind die volle<br />
Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit der Stauanlage<br />
zu gewährleisten.<br />
Hochwasserbemessungsfall 2: Nachweis der<br />
Stauanlagensicherheit bei Extremhochwasser<br />
Es ist ein Bemessungshochwasserzufluss BHQ 2<br />
zu<br />
bestimmen, dessen mittlere jährliche Überschreitungswahrscheinlichkeit<br />
wesentlich geringer ist als<br />
beim Hochwasserbemessungsfall 1 und der demzufolge<br />
größer als der Bemessungshochwasserzufluss<br />
BHQ 1<br />
ist. Beschädigungen von Bauwerksteilen, Betriebs-<br />
und Messeinrichtungen ohne Gefährdung der<br />
Tragsicherheit des Absperrbauwerkes können beim<br />
Ableiten dieses Extremhochwassers in Kauf genommen<br />
werden. Ebenso dürfen neben der Hochwasserentlastungsanlage<br />
ggf. Notentlastungen für die Hochwasserableitung<br />
berücksichtigt werden“.<br />
Zitat aus Entwurf DIN 19700-12, Ziff. 7.2 Nachweis<br />
der Hochwassersicherheit der Stauanlage:<br />
„Für alle Lastfälle (Anmerkung: zum Nachweis der<br />
Hochwassersicherheit) kann der gewöhnliche Rückhalteraum<br />
vor Beginn des Hochwasserereignisses<br />
als leer angenommen werden. Die dadurch gegebene<br />
Retentionswirkung darf jedoch nur berücksichtigt<br />
werden, wenn BHQ 1<br />
und BHQ 2<br />
als Ganglinie ermittelt<br />
wurden. Bei sehr kleinen und kleinen Becken ist eine<br />
Abminderung der Jährlichkeit für BHQ 1<br />
und BHQ 2<br />
zulässig,<br />
wenn bei Versagen der Anlagen nur Auswirkungen<br />
untergeordneter Bedeutung im Unterwasser<br />
zu erwarten sind“.<br />
Spezifische Vorgaben aus dem Entwurf der DIN<br />
19700-12:<br />
„BHQ 1<br />
: Bei mehreren Auslassöffnungen ist der<br />
größte als nicht funktionsfähig anzunehmen. Für<br />
weitere Auslässe gilt: Abgabe nach Betriebsplan“.<br />
„BHQ 2<br />
: Das Absperrbauwerk darf nicht überströmt<br />
werden“.<br />
Freibordbemessung<br />
In DIN 19700-10, Ziff. 6.4, wird zur Freibordbemessung<br />
folgendes ausgeführt:<br />
„Der Freibord ist der lotrechte Abstand zwischen der<br />
Krone des Absperrbauwerkes und dem höchsten<br />
Stauziel bzw. der Staukurve beim Bemessungshochwasserabfluss<br />
im Hochwasserbemessungsfall 1.<br />
Windstau, Wellenauflauf und ggf. Eisstau sind Teile<br />
des Freibords (siehe auch DIN 4048-1).<br />
Zusätzlich muss der Freibord zur Abdeckung von Unwägbarkeiten<br />
einen angemessenen Sicherheitszuschlag<br />
enthalten. Seine Größe sollte u. a. von örtlichen<br />
Gegebenheiten, der Größe des Stauraumes<br />
und der Aussagekraft der zugrunde liegenden hydrologischen<br />
Daten abhängig gemacht werden.<br />
Weitere Festlegungen zur Größe des Sicherheitszuschlages<br />
erfolgen in den Teilen 11 bis 15 der DIN<br />
19700.<br />
Im Hochwasserbemessungsfall 2 darf der Sicherheitszuschlag<br />
im Freibord teilweise oder bei entsprechenden<br />
Voraussetzungen vollständig in Anspruch<br />
genommen werden“.<br />
Weder ist bisher zur Größe des Sicherheitszuschlages<br />
in DIN 19700-12 etwas ausgesagt noch zu den<br />
Voraussetzungen, unter denen er im Hochwasserbemessungsfall<br />
2 vollständig in Anspruch genommen<br />
werden darf. Im Gegenteil: Nach derzeitigem Entwurf<br />
darf beim Nachweis nach BHQ 2<br />
der Sicherheitszuschlag<br />
nicht reduziert werden.<br />
Zitat aus dem Entwurf der DIN 19700-12, Ziff. 7.3<br />
Freibord:<br />
„Der Freibord ergibt sich aus einem rechnerisch zu<br />
ermittelnden Anteil aus Windwellenwirkung und einem<br />
Sicherheitszuschlag. Der Sicherheitszuschlag<br />
soll hydrologische Unwägbarkeiten abdecken sowie<br />
das Gefährdungspotential, den konstruktiven Aufbau<br />
der Dammkrone und die Möglichkeit der Dammverteidigung<br />
im Hochwasserfall berücksichtigen. Gegebenenfalls<br />
sind die Auswirkungen einer Eisbildung in<br />
Betracht zu ziehen.<br />
Der Freibord infolge Windwellenwirkung darf beim<br />
Nachweis nach BHQ 2<br />
in Anspruch genommen werden.<br />
Der Sicherheitszuschlag darf nicht reduziert<br />
werden“.<br />
Es ist wichtig, hierzu einen Kommentar abzugeben<br />
und weiterhin auf der Änderung dieser Formulierung<br />
zu bestehen. Die Kompensation von hydrologischen<br />
Unwägbarkeiten durch den Freibord ist nicht akzeptabel.<br />
Der Verfasser befürwortet stattdessen eine Regelung,<br />
wie sie in der DIN 19712 Flussdeiche 1997<br />
getroffen wurde:<br />
„Zuschläge beim Freibord haben nicht den Zweck,<br />
Ungenauigkeiten bei der Bestimmung des Bemessungsabflusses<br />
oder des sich daraus ergebenden<br />
Wasserstandes zu kompensieren. Das dadurch erreichte<br />
Sicherheitsmaß läge um ein unbekanntes<br />
Maß, meist aber erheblich über dem ursprünglichen<br />
Bemessungsansatz. Vielmehr sind Unsicherheiten<br />
schon bei der Bestimmung des Wasserstandes zu<br />
berücksichtigen; sie sind vom Vertrauensbereich der<br />
dort verwendeten Daten abhängig.“<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
40 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
Der DIN-Entwurf 19700-12 gibt folgende Mindestfreibordhöhen<br />
in Abhängigkeit von der Beckengröße an:<br />
Sehr kleine Anlagen: 0,5 m Mindesthöhe<br />
Kleine, mittlere, große Anlagen: 1,00 m Mindesthöhe<br />
Sanierung und Anpassung<br />
Hierzu wird auszugsweise aus dem Entwurf der DIN<br />
19700-12, Ziff. 14.1, Notwendigkeit und Dringlichkeit,<br />
zitiert:<br />
„Notwendigkeit<br />
Ergeben sich aus der Überwachung, der umfassenden<br />
Sicherheitsüberprüfung oder aus veränderten<br />
wasserwirtschaftlichen Zielsetzungen, Mängel- oder<br />
Bemessungsdefizite, sind geeignete Sanierungsund<br />
Anpassungsmaßnahmen einzuleiten.<br />
Um geeignete Sanierungs- und Anpassungsmaßnahmen<br />
zu bestimmen, sind in der Regel weitergehende<br />
hydrologische, hydraulische, betriebliche und<br />
konstruktive Untersuchungen erforderlich.<br />
Eine Risikobetrachtung ist unverzüglich durchzuführen.<br />
Sie hat das durch die festgestellten Mängel begründete<br />
erhöhte Standsicherheits- und Betriebsrisiko<br />
und die durch verschärfte Sicherheitsanforderungen<br />
bedingten Bemessungsdefizite zu bewerten“.<br />
„Dringlichkeit<br />
Auf der Grundlage der Risikobetrachtung ist die<br />
Dringlichkeit der Sanierungs- und Anpassungsmaßnahmen<br />
festzulegen.<br />
Ist ein erhöhtes Risiko für die Sicherheit Dritter festgestellt<br />
worden, sind die Sanierungs- und Anpassungsmaßnahmen<br />
schnellstmöglich einzuleiten.<br />
In jedem Fall ist einem erhöhten Risiko unverzüglich<br />
mit Maßnahmen der Gefahrenabwehr und geeigneten<br />
betrieblichen Anpassungen entgegenzuwirken.“<br />
Verbleibendes Hochwasserrisiko<br />
In den Entwürfen zu Teil 10 und zu Teil 12 werden<br />
auch wesentliche neue Aussagen zur Behandlung<br />
des verbleibenden Hochwasserrisikos gemacht.<br />
Das jenseits des für die Hochwasserschutzwirkung<br />
der Anlage festgelegten Hochwasserschutzgrades<br />
verbleibende Hochwasserrisiko und die damit einhergehenden<br />
Überflutungszustände sind für alle Flächen<br />
im potentiellen Wirkungsraum zu beschreiben.<br />
Die Unterlieger sind über das verbleibende Hochwasserrisiko<br />
und die dabei auftretenden Wasserstände<br />
und Gefahren aufzuklären. Die Beschreibung dient<br />
als Planungsgrundlage für die Hochwasservorsorge<br />
und die Gefahrenabwehr. Im Melde- und Alarmplan<br />
ist die frühzeitige Information der Unterlieger über<br />
den zu erwartenden Eintritt eines Schadenshochwassers<br />
vorzusehen.<br />
Der Normentwurf Teil 12 verlangt auch, dass das<br />
Restrisiko des technischen Versagens eines Hochwasserrückhaltebeckens<br />
z. B. bei extremen hydrologischen<br />
Ereignissen betrachtet wird. Hierzu wird ausgesagt,<br />
dass Bemessung und Betrieb eines Hochwasserrückhaltebeckens<br />
die Aufgabe haben, das regelmäßig<br />
verbleibende Restrisiko bei der Bauwerkssicherheit<br />
zu begrenzen und zu reduzieren.<br />
Zitat aus Entwurf DIN 19700-12, Ziff. 4.3.5 Restrisiko:<br />
„Das Auftreten und die Wirkung sicherheitsrelevanter<br />
Risikofaktoren und Einflussgrößen sind im gebotenen<br />
Umfang zu untersuchen. Die Auswirkungen des<br />
Restrisikos sind einer Analyse zu unterziehen und zu<br />
beschreiben. Es ist zu prüfen, ob weitergehende<br />
Maßnahmen zur Reduzierung der Restrisikoauswirkungen<br />
vorzusehen sind. Dies können sein:<br />
a) administrative Maßnahmen zur Reduzierung von<br />
Schadenshöhen<br />
- Hochwassermelde- und Alarmplan,<br />
- Bau und Betrieb von Frühwarneinrichtungen,<br />
- Evakuierungsplan.<br />
b) Bewirtschaftungsmaßnahmen auch bei Verbundsystemen<br />
c) Planung und Realisierung von Anpassungsmaßnahmen<br />
im Rahmen der regelmäßigen Sicherheitsüberprüfung.“<br />
Im Entwurf der DIN 19700-10, Ziff. 6.3.2 Nachweis<br />
der Hochwassersicherheit, ist hierzu folgende Formulierung<br />
enthalten:<br />
„Dem trotz der Nachweisführung für den Hochwasserbemessungsfall<br />
2 verbleibenden Restrisiko in Folge<br />
Überschreitung von BHQ 2<br />
sollte in Abhängigkeit<br />
von den lokalen Bedingungen durch flankierende<br />
konstruktive, bewirtschaftungsseitige, organisatorische<br />
und/oder administrative Maßnahmen begegnet<br />
werden“.<br />
3 Beispielhafte Überprüfung von Hochwasserentlastungsanlagen<br />
bei Hochwasserrückhaltebecken<br />
in Baden-Württemberg im Hinblick<br />
auf beabsichtigte Neuregelungen in der DIN<br />
19700<br />
Die beispielhafte Überprüfung von Hochwasserentlastungsanlagen<br />
wurde 1998 vom Ministerium für Umwelt<br />
und Verkehr über das Regierungspräsidium<br />
Stuttgart beauftragt und im Mai <strong>1999</strong> abgeschlossen.<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 41<br />
Auftragnehmer war das Institut für Wasserwirtschaft<br />
und Kulturtechnik der Universität Karlsruhe;<br />
Projektleiter: Herr Dr. Ihringer<br />
Bearbeiter: Herr Dipl.-Ing. Glüsing<br />
In Baden-Württemberg ist seit Mitte der 80iger Jahre<br />
ein umfangreiches Sanierungsprogramm in Gang zur<br />
Ertüchtigung zahlreicher Hochwasserrückhaltebekken<br />
nach den Vorgaben der geltenden DIN 19700.<br />
Dieses Sanierungsprogramm ist im Regierungsbezirk<br />
Stuttgart weitgehend abgeschlossen. Hier wurden<br />
45 bis 50 Mio. DM in die Hochwasserrückhaltebecken<br />
investiert (ca. 40 Mio DM Förderung des Landes<br />
+ Investitionsanteil der Beckenbetreiber). Es sollte<br />
durch beispielhafte Testrechnungen an ausgewählten<br />
Stauanlagen im Regierungsbezirk Stuttgart<br />
überprüft werden, inwieweit Rückhaltebecken, deren<br />
Sanierung teilweise erst vor kurzem abschlossen<br />
wurde, auch den Sicherheitsanforderungen nach den<br />
neuen Vorgaben des DIN-Entwurfs gerecht werden.<br />
Noch auf der Basis des Diskussionsstandes der DIN<br />
19700, Juli 1998, wurden folgende Hochwasserrückhaltebecken/Hochwasserentlastungsanlagen<br />
überprüft:<br />
1. HRB Oberes Münster, WV Kaiserstraße,<br />
2. HRB Reutal, WV Kaiserstraße,<br />
3. HRB Schwabsberg, WV Obere Jagst,<br />
4. HRB Häsle, WV Obere Jagst,<br />
5. HRB Beimbach, WV Brettach,<br />
6. HRB Täferrot, WV Kocher-Lein.<br />
Nach dem Entwurf der DIN 19700-12 handelt es sich<br />
bei diesen Becken um mittlere und große Becken.<br />
Aufgabenstellung<br />
Für die beispielhafte Überprüfung von Stauanlagen<br />
wurde der Universität Karlsruhe folgende Aufgabenstellung<br />
übertragen:<br />
a) Anpassung eines vereinfachten Niederschlags-<br />
Abflussmodells an die Einzugsgebiete der Hochwasserrückhaltebecken;<br />
b) Extrapolation des Niederschlags-Abfluss-Modells<br />
auf die Extremereignisse der Jährlichkeiten zwischen<br />
T N<br />
= 500 Jahre und T N<br />
= 10.000 Jahre;<br />
c) Festlegung der Bemessungsganglinien für die<br />
Bemessungslastfälle BHQ 1<br />
und BHQ 2<br />
;<br />
d) Simulation des Betriebs der Stauanlagen entsprechend<br />
den Vorgaben aus dem Entwurf der<br />
DIN 19700 (Stand Juli 1998) für die beiden Bemessungslastfälle<br />
BHQ 1<br />
und BHQ 2<br />
.<br />
Um den Aufwand zu reduzieren, wurde auf eine flächendetaillierte<br />
Modellierung der Einzugsgebiete verzichtet<br />
und lediglich ein vereinfachtes hydrologisches<br />
Modell auf der Basis der beiden Regionalisierungsansätze<br />
nach Lutz für den Abflussbeiwert und die Einheitsganglinie<br />
eingesetzt. Diese vereinfachte Vorgehensweise<br />
erlaubt nicht, dass die räumlichen Inhomogitäten<br />
der Einzugsgebiete im Modell berücksichtigt<br />
werden können. Dies war durch eine geeignete<br />
Anpassung der Modellparameter an die Ergebnisse<br />
der früheren flächendetaillierten Modellierung zu<br />
kompensieren. Insofern erfüllt dieses Vorgehen nur<br />
näherungsweise die Anforderungen nach Entwurf<br />
DIN 19700-10: Berechnung der Bemessungshochwasserwelle<br />
für BHQ 1<br />
und BHQ 2<br />
über die Ermittlung<br />
von Hochwasserabflussganglinien aus einem Niederschlags-Abfluss-Modell.<br />
Bei der Überprüfung durch die UniversitätäKarlsruhe<br />
wurden folgende Lastfälle entnprechend den Entwürfen<br />
der DIN 19700 Teil 10 und Teil 12 zu Grunde gelegt:<br />
Hochwasserbemessungsfall 1: Bemessung der<br />
Hochwasserentlastungsanlage<br />
Die Hochwasserentlastungsanlage muss so dimensioniert<br />
sein, dass ein Bemessungshochwasser<br />
BHQ 1<br />
unter Einhaltung der vollen Stand-, Funktionsund<br />
Betriebssicherheit aller Bauwerksteile, Betriebsund<br />
Messeinrichtungen abgeführt werden kann. Die<br />
Wiederholungszeitspanne (Jährlichkeit) für dieses<br />
Bemessungshochwasser beträgt bei sehr kleinen<br />
und kleinen sowie bei mittleren Anlagen T N<br />
= 500 Jahre<br />
und für große Anlagen T N<br />
= 1.000 Jahre. Zwischen<br />
dem außergewöhnlichen Stauziel, das sich für das<br />
BHQ 1<br />
ergibt, und der Krone des Absperrbauwerks ist<br />
das Freibord anzusetzen. Für die Ermittlung des außergewöhnlichen<br />
Stauziels kann, soweit für das Bemessungsereignis<br />
die Abflussganglinie vorliegt, die<br />
Retentionswirkung sowohl des gewöhnlichen als<br />
auch des außergewöhnlichen Rückhalteraumes berücksichtigt<br />
werden. Dabei ist jedoch bei Vorhandensein<br />
mehrerer Auslassöffnungen mit beweglichen<br />
Verschlüssen die leistungsstärkste Verschlussarmatur<br />
als nicht funktionsfähig anzunehmen.<br />
Hochwasserbemessungsfall 2: Nachweis der<br />
Stauanlagensicherheit bei Extremhochwasser<br />
Der Nachweis der Stauanlagensicherheit bei Extremhochwasser<br />
ist mit einem Bemessungshochwasser<br />
BHQ 2<br />
zu führen, dessen Eintrittwahrscheinlichkeit<br />
wesentlich geringer als beim Bemessungsfall 1 ist.<br />
Bei diesem Ereignis können Beschädigungen von<br />
Bauwerksteilen, Betriebs- und Messeinrichtungen<br />
ohne Gefährdung der Standsicherheit des Absperrbauwerks<br />
zugelassen werden. Die Wiederholungszeitspanne<br />
(Jährlichkeit) für dieses Bemessungshochwasser<br />
beträgt bei sehr kleinen und kleinen sowie<br />
bei mittleren Anlagen T N<br />
= 5.000 Jahre und für<br />
große Anlagen T N<br />
= 10.000 Jahre. Beim Nachweis<br />
der Standsicherheit der Anlage nach BHQ 2<br />
ist die<br />
vollständige Funktionsfähigkeit der Anlagenteile nach<br />
Betriebsplan anzusetzen. Gleichzeitig dürfen neben<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
42 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
der Hochwasserentlastungsanlage Notentlastungen<br />
für die Hochwasserabfuhr berücksichtigt werden.<br />
Das Freibord kann vollständig in Anspruch genommen<br />
werden (Anmerkung des Verfassers: Demgegenüber<br />
sieht der aktuelle Entwurf der DIN 19700-<br />
12 vom Herbst <strong>1999</strong> vor, dass der Sicherheitszuschlag<br />
im Freibord erhalten bleiben muss.) Ein<br />
Überströmen von nicht planmäßig überströmbaren<br />
Dämmen ist auszuschließen.<br />
Im Einzelnen wurden für die 6 Stauanlagen folgende<br />
3 Berechnungsvarianten jeweils für die Jährlichkeiten<br />
T N<br />
= 500, 1.000, 5.000 und 10.000 Jahre durchgeführt:<br />
Variante 1: Berücksichtigung des außergewöhnlichen<br />
Retentionsraumes mit geschlossenem Grundablass<br />
(entsprechend dem seitherigen Sonderlastfall -<br />
HQ 1000<br />
).<br />
Variante 2: Berücksichtigung des gewöhnlichen und<br />
außergewöhnlichen Retentionsraumes mit geschlossenem<br />
Grundablass.<br />
Variante 3: Berücksichtigung des gewöhnlichen und<br />
außergewöhnlichen Retentionsraumes mit Abgabesteuerung<br />
des Grundablasses nach Betriebsregel.<br />
Aus den Ergebnissen der Berechnungen dieser 3 Varianten<br />
lässt sich feststellen:<br />
Die Anwendung der Hochwasserbemessungslastfälle<br />
BHQ 1<br />
und BHQ 2<br />
entsprechend dem Entwurf<br />
über eine Neufassung der DIN 19700 führt<br />
bei keinem der untersuchten Becken zu einem<br />
Wasserspiegelanstieg mit Überströmen des Absperrbauwerks.<br />
Im folgenden sind die Ergebnisse der Berechnungen<br />
für die 3 Varianten für die einzelnen Rückhaltebecken<br />
zusammenfassend dargestellt.<br />
HRB Oberes Münster:<br />
Es handelt sich um ein mittleres Becken entsprechend<br />
der Klassifizierung nach dem Entwurf DIN<br />
19700-12.<br />
BHQ 1<br />
:Variante 2, T N<br />
= 500 Jahre: keine Probleme.<br />
Freibord 68 cm.<br />
BHQ 2<br />
:Variante 3, T N<br />
= 5.000 Jahre: Keine Probleme,<br />
Freibord 84 cm.<br />
Selbst bei Variante 3, T N<br />
= 10.000 Jahre ergeben sich<br />
keine Probleme. Selbst die in den DIN-Entwurf neu<br />
eingebrachte Forderung, den Sicherheitszuschlag für<br />
BHQ 2<br />
zu erhalten, kann hier erfüllt werden.<br />
HRB A E S gew h Krone Variante dh 500 dh 1000 dh 5000 dh 10000 f Freibord<br />
km 2 1000 m 3 m Nr. cm cm cm cm cm<br />
1 -6 0 10 18 58<br />
Ob. Münster 30,05 240 11,6 2 -10 -4 7 16<br />
(8 mm) 3 -55 -39 -26 -14<br />
1 -5 0 9 18 179<br />
Reutal 20,08 690 22 2 -34 -31 -28 -13<br />
(34 mm) 3 -226 -166 -59 -45<br />
1 -15 0 Ü Ü 17<br />
Schwabsberg 173,18 2000 9,4 2 -42 -30 8 23 Ü<br />
(11,5 mm) 3 -120 -77 -46 -34<br />
1 -8 0 15 22 131<br />
Häsle 10,14 360 5,5 2 -32 -27 -17 -12<br />
(35 mm) 3 -99 -62 -35 -29<br />
1 -93 0 Ü Ü 200<br />
Beimbach 156,52 2660 20,9 2 -110 -72 118 219 Ü<br />
(17 mm) 3 -127 -115 3 84<br />
1 -20 0 74 114 Ü 102<br />
Täferrot 108,25 1915 11,4 2 -33 -14 36 92<br />
(17,7 mm) 3 -72 -56 -14 6<br />
Abb. 1: Wasserstände in den Rückhaltebecken für die drei Varianten bezogen auf den Wasserstand des HQ 1000<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 43<br />
HRB Reutal:<br />
Es handelt sich um ein großes Becken nach der Klassifizierung<br />
des Entwurfs der DIN 19700-12.<br />
BHQ 1<br />
:Variante 2, T N<br />
= 1.000 Jahre. Es ergibt sich ein<br />
Freibord von 210 cm. Es bestehen also keine<br />
Probleme.<br />
BHQ 2<br />
:Variante 3, T N<br />
= 10.000 Jahre. Auch für den<br />
Bemessungsfall BHQ 2<br />
treten keine Probleme<br />
auf. Der Wasserstand liegt noch tiefer als bei<br />
BHQ 1<br />
.Der Freibord beträgt 224 cm.<br />
HRB Schwabsberg:<br />
Nach der Klassifizierung des Entwurfs der DIN<br />
19700-12 handelt es sich um ein großes Becken.<br />
BHQ 1<br />
:Variante 2, T N<br />
= 1.000 Jahre. Hierfür ergibt sich<br />
ein Freibord von nur 47 cm, somit ist die Forderung<br />
nach dem Mindestfreibord von 1 m nicht<br />
erfüllt. Beim Becken Schwabsberg handelt es<br />
sich aber hinsichtlich der Auslasseinrichtung<br />
um einen Sonderfall, so dass hieraus keine<br />
weiteren Probleme zu besorgen sind.<br />
BHQ 2<br />
:Variante 3, T N<br />
= 10.000 Jahre. Es treten keine<br />
Probleme auf, auch dann nicht, wenn die Forderung<br />
nach der Erhaltung des Sicherheitszuschlags<br />
im Freibord erhoben wird. Der Freibord<br />
beträgt 51 cm.<br />
HRB Häsle:<br />
Dieses Becken ist nach der Klassifizierung im Entwurf<br />
der DIN 19700-12 ein mittleres Becken.<br />
BHQ 1<br />
:Variante 2, T N<br />
= 500 Jahre. Es ergibt sich ein<br />
Freibord von 1,63 m.<br />
BHQ 2<br />
:Variante 3, T N<br />
= 5.000 Jahre. Es ergibt sich sogar<br />
ein Freibord von 1,66 m.<br />
HRB Beimbach:<br />
Es handelt sich nach dem Entwurf der DIN 19700-12<br />
um ein großes Becken.<br />
BHQ 1<br />
:Variante 2, T N<br />
= 1.000 Jahre. Es ergibt sich ein<br />
ausreichendes Freibord von 2,72 m<br />
BHQ 2<br />
:Variante 3, T N<br />
= 10.000 Jahre. Der Freibord beträgt<br />
noch 1,16 m.<br />
HRB Täferrot:<br />
Nach dem Entwurf der DIN 19700-12 handelt es sich<br />
ebenfalls um ein großes Becken.<br />
BHQ 1<br />
:Variante 2, TN = 1.000 Jahre. Es ist ein Freibord<br />
von 1,16 m vorhanden. Dies ist ausreichend.<br />
BHQ 2<br />
:Variante 3, TN = 10.000 Jahre. Das Freibord<br />
beträgt noch 0,96 m und ist damit ausreichend.<br />
4 Kommen wir in Baden-Württemberg mit den<br />
im Entwurf der DIN 19700 vorgesehenen Änderungen/Neuerungen<br />
zurecht<br />
Die Antwort lautet zunächst ja, wenn man ausschließlich<br />
die Frage stellt, ob signifikant höhere Sicherheitsanforderungen<br />
aus den vorgesehenen Änderungen/<br />
Neuerungen resultieren. Da dies nicht der Fall ist,<br />
wäre der Sicherheitsstandard unserer entsprechend<br />
der geltenden DIN 19700 ertüchtigten Hochwasserrückhaltebecken<br />
weiterhin ausreichend. Probleme<br />
mit der neuen DIN 19700 sind aber zu erwarten<br />
wegen der Art der Nachweise und der daraus für<br />
bestehende, gerade erst sanierte Becken möglicherweise<br />
auftretenden Konsequenzen:<br />
a) Die von der Universität Karlsruhe überprüften<br />
Becken sind durchweg mittlere und große Bekken<br />
mit leistungsfähigen Auslässen. Probleme<br />
treten vereinzelt dort auf, wo beim Lastfall<br />
BHQ 1<br />
der Freibord kleiner ist als das im DIN-<br />
Entwurf festgelegte Mindestmaß. Nicht auszuschließen<br />
sind auch Probleme hinsichtlich<br />
der neuen Bemessungsvorgaben bei kleinen<br />
Anlagen, also kleinen Becken mit entweder<br />
wenig leistungsfähigen Auslässen und/oder<br />
geringer Retentionswirkung im gewöhnlichen<br />
Stauraum.<br />
b) Sorge bereitet auch die nicht praktikable Abgrenzung<br />
der Geltungsbereiche der Teile 10<br />
(Hochwasserrückhaltebecken) und 11 (Talsperren).<br />
Derzeit fehlen noch klare Kriterien zur<br />
Differenzierung zwischen Hochwasserrückhaltebecken<br />
und Talsperren. Dies hätte zur Folge,<br />
dass auch für viele Hochwasserrückhaltebecken<br />
in Baden-Württemberg (insbesondere mit Dauerstau)<br />
zusätzliche Vorgaben und Anforderungen<br />
der neuen DIN 19700-11 (Talsperren) zu erfüllen<br />
wären. Dies beträfe insbesondere die Nachweise<br />
für die Dammbauwerke, die Vorschriften für den<br />
Betrieb und die Vorschriften für die Ausrüstung<br />
der Anlagen mit Mess- und Regeltechnik. Konsequenzen<br />
wären dann auch für die staatliche Überwachung<br />
dieser Anlagen zu erwarten. Grundsätzlich<br />
wäre bei jeder Anlage, die im Grenzbereich<br />
Hochwasserrückhaltebecken/Talsperre angesiedelt<br />
ist, zu prüfen, welche Vorgaben schärfer sind,<br />
die im Teil 11 oder die im Teil 12.<br />
Die Definition der Talsperren nach dem Entwurf<br />
19700-11, Ziff. 1 Anwendungsbereich, ist<br />
nicht eindeutig:<br />
„Talsperren sind Stauanlagen, die über den Querschnitt<br />
des gestauten Wasserlaufes hinaus den<br />
Talquerschnitt abriegeln (siehe DIN 4048-1). Sie<br />
bestehen in der Regel aus Absperrbauwerk, Betriebseinrichtungen<br />
und Speicherbecken (Hauptsperre)<br />
sowie ggf. zusätzlichen Vorsperren. Zu<br />
den Talsperren gehören auch alle für ihre Ge-<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
44 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
brauchstauglichkeit notwendigen Nebenanlagen,<br />
wie Umleitungsstollen, Beileitungen, Geschiebesperren<br />
sowie entferntere Vorbecken und Betriebsgebäude.<br />
Talsperren bewirken durch Speicherung<br />
des zufließenden Wassers einen gezielten<br />
Ausgleich des natürlichen Wasserdargebotes<br />
in den gestauten Fließgewässern.<br />
Die vorliegende Norm gilt insbesondere im Hinblick<br />
auf die Gestaltung, Bemessung und Bauausführung<br />
von Absperrbauwerken und - so weit<br />
geboten - auch für Stauanlagen nach DIN 19700-<br />
12 bis DIN 19700-15“.<br />
Das Regierungspräsidium Freiburg hat den Vorschlag<br />
eingebracht, dass eine sachgerechte Abgrenzung<br />
eventuell möglich ist durch Kriterien wie<br />
z.B.: “Dauerstauhöhe im Verhältnis zur Dammhöhe“<br />
oder “Überwiegender Teil des Stauraums =<br />
Hochwasserrückhalteraum.“<br />
Bei der Klassifizierung unterscheidet der Entwurf<br />
der DIN 19700-11 nur zwischen Talsperrenklasse<br />
1 „Höhe des Absperrbauwerkes von der Sohle<br />
des Gewässers unterhalb des Absperrbauwerkes<br />
bis zur Krone > 5 m und Gesamtstauraum des<br />
Speicherbeckens > 100.000 m³“ und Talsperrenklasse<br />
2 „kleine Talsperren, die die Voraussetzungen<br />
für die Zuordnung zur Talsperrenklasse 1<br />
nicht erfüllen“.<br />
Damit unterscheiden sich die Klassifizierungen in<br />
Teil 11 und Teil 12 erheblich und sind noch nicht in<br />
Deckung zu bringen. Viele Becken in Baden-<br />
Württemberg (insbesondere mit Dauerstau)<br />
müßten eventuell auch der DIN 19700-11 zugeordnet<br />
werden.<br />
c) Zu klären ist auch noch die Frage, wie hoch der<br />
Sicherheitszuschlag im Freibord sein muss.<br />
Im DVWK-Merkblatt 202/1991 ist die Aussage enthalten,<br />
dass der Sicherheitszuschlag bei kleinen, mittleren<br />
und großen Becken 0,25 m >0,50 m beträgt.<br />
Es wird außerdem die Empfehlung gegeben, für kleine<br />
und mittlere Hochwasserrückhaltebecken f si<br />
= 0,50 m<br />
nicht zu unterschreiten.<br />
Darüber hinaus ist noch zu klären, wie der Sicherheitszuschlag<br />
im Freibord beim Lastfall 2 zu behandeln ist,<br />
weil derzeit in den Entwürfen zu Teil 10 und Teil 12 die<br />
Regelungen nicht übereinstimmen.<br />
d) Freibordmessungen nach DVWK 246:<br />
Ist der Freibord im Lastfall BHQ, auch unter Berücksichtigung<br />
des neuen DVWK-Merkblattes<br />
246/1997 ausreichend Diese Frage ist in Zukunft<br />
auch zu prüfen.<br />
e) Die Sanierungspflichten sind noch zu wenig präzise<br />
bzw. praktikabel formuliert. Wie oft ist eine<br />
Überprüfung notwendig Wann ist die Berücksichtigung<br />
der Ergebnisse erforderlich<br />
Es wird vom Land Baden-Württemberg versucht, eine<br />
Regelung zu erreichen, die es ermöglicht, dass erst<br />
bei der nächsten regulären vertieften Prüfung/Sicherheitsprüfung<br />
die erhöhten hydrologischen und konstruktiven<br />
Anforderungen der neuen DIN 19700 umgesetzt<br />
werden müssen.<br />
Anschrift des Verfassers:<br />
BD Konrad Störk<br />
Regierungspräsidium Stuttgart<br />
Ruppmannstr. 21<br />
70565 Stuttgart<br />
Anmerkung des Verfassers:<br />
Die Drucklegung des Vortrags erfolgte im April 2000. Bis dahin erschien bereits die 6. Normvorlage der DIN<br />
19700-10 vom 3.3.2000. Wesentliche Änderungen gegenüber der 5. Normvorlage, insbesondere hinsichtlich<br />
der Lastfälle zum Nachweis der Hochwassersicherheit, sind nicht erfolgt. Die Normvorlage der DIN 19700-12<br />
wird voraussichtlich im April 2000 nochmals überarbeitet.<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 45<br />
Überströmbare Erddämme und Dammscharten<br />
von Heinz Daucher<br />
Einführung<br />
In Baden-Württemberg befinden sich derzeit über 400<br />
Rückhaltebecken für den Hochwasserschutz. Im Jahre<br />
1987 wurde eine landesweite Überprüfung bezüglich<br />
der Sicherheit der Anlagen durchgeführt. Es wurden<br />
Regelungen für z.t. erforderliche Ertüchtigungen getroffen.<br />
berg berichtet. Diese Anlagentypen sind landschaftsverträglicher<br />
als herkömmliche massive Kunstbauwerke,<br />
sind oft hydraulisch überlastbarer und verklausungssicherer.<br />
Leider existieren diesbezüglich noch keine Normen,<br />
Regelwerke oder Richtlinien. Seit 1986 wurden im<br />
Auftrag der Wasserwirtschaftsverwaltung des Landes<br />
Baden-Württemberg<br />
zahlreiche Untersuchungen<br />
durchgeführt, vgl. Lit.<br />
[1] bis [6].<br />
Dammscharten<br />
Abb. 1: Hochwasserrückhaltebecken Gissigheim (Main-Tauber-Kreis), Bruch nach Überströmen, 1984<br />
Dammscharten wurden bereits<br />
in den fünfziger Jahren<br />
bei kleineren Becken in Beton<br />
bzw. Pflaster in Beton<br />
ausgeführt. Bei der Ertüchtigung<br />
von Becken wurden<br />
seit 1987 öfters auch<br />
„Dammscharten in Lockerbauweise“<br />
als kostengünstige<br />
und landschaftsverträglichere<br />
Erweiterungsmöglichkeit<br />
vorhandener<br />
konventioneller Hochwas-<br />
„Das wichtigste Sicherungsglied<br />
eines Hochwasserrückhaltebekkens<br />
ist die Hochwasserentlastungsanlage<br />
in<br />
Verbindung mit einem<br />
ausreichenden Freibord,<br />
um den Damm auch unter<br />
außergewöhnlichen<br />
Belastungen vor einer<br />
Überströmung und damit<br />
vor einer Zerstörung zu<br />
bewahren [5]“, vgl. hierzu<br />
Abb.1.<br />
Nachfolgend wird über<br />
den Sachstand der Hochwasserentlastungstypen<br />
„Dammscharten“ und<br />
„überströmbare Dämme“<br />
in Baden-Württem-<br />
Abb. 2a: Grundriß einer Dammscharte (Beispiel) aus [5]<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
46 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
Überströmbare<br />
Dämme<br />
Abb. 2b: Längsschnitt einer Dammscharte (Beispiel) aus [5]<br />
serentlastungsanlagen mit zu geringer hydraulischer<br />
Leistungsfähigkeit gebaut. Auch bei neuen Hochwasserrückhaltebecken<br />
werden verstärkt „Dammscharten<br />
in Lockerbauweise“ gewählt, vgl. Abb. 2a, 2b (Prinzipskizze)<br />
und Abb. 3 (Deckwerksaufbau mit den Varianten<br />
„Steinsatz“ und Steinschüttung“).<br />
Insbesondere bei geringen<br />
Dammhöhen<br />
(z.b. kleiner als 3 m)<br />
und kleinen Einzugsgebieten<br />
wurden<br />
schon vor ca. 20 Jahren<br />
Hochwasserrückhaltebecken<br />
gebaut,<br />
bei denen die Hochwasserentlastung<br />
über die gesamte<br />
Dammbreite erfolgt,<br />
gl. Prinzipskizze Abb.<br />
7 und die Ausführungsbeispiele<br />
gem.<br />
Abb. 8 und 9. Hierbei<br />
handelt es sich um<br />
Becken mit Steinstützkörper<br />
und sehr kleinen spezifischen Hochwasserabflüssen<br />
pro lfdm.<br />
Im Zuge des dezentralen Hochwasserschutzes werden<br />
verstärkt derartige Lösungen benötigt, um „durch<br />
Wegfall des Freibordes...“ die Dämme niedriger gestalten<br />
zu können. Über 50 derartige Becken befinden sich<br />
derzeit in der Planungs- bzw. Vorplanungsphase.<br />
Abb. 4 und Abb. 5 zeigen<br />
ein Beispiel „Dammscharte<br />
in Lockerbauweise –Steinschüttung-„<br />
mit einer horizontalen<br />
Überlaufschwelle<br />
von l = 173 m, wodurch die<br />
„Überfallhöhe bei Hochwasserabfluss“<br />
und damit die<br />
Dammhöhe reduziert werden<br />
konnten.<br />
Planungs- und Bemessungshinweise<br />
sowie derzeitige<br />
Anwendungsgrenzen<br />
sind in [5] enthalten.<br />
Neuere Versuchsergebnisse<br />
[4] deuten darauf hin,<br />
dass gegenüber der rein<br />
statischen Betrachtungsweise<br />
erhöhte Beanspruchungen<br />
infolge hydrodynamischer<br />
Effekte auftreten,<br />
vgl. Abb. 6. Weitere Untersuchungen<br />
sind daher erforderlich<br />
und vorgesehen.<br />
Abb. 3: Deckwerksaufbau einer Dammscharte in Lockerbauweise aus [5]<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 47<br />
Abb. 4: Hochwasserrückhaltebecken Nöttingen (Gemeinde Remchingen), Ansicht vom Oberwasser, <strong>1999</strong><br />
Abb. 5: Hochwasserrückhaltebecken Nöttingen/Pfinz, Dammscharte in Lockerbauweise (Schwellenlänge 173m), <strong>1999</strong><br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
48 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
Abb. 6: Strömungsablösungen und Staupunkte, aus [4]<br />
Nach [6.1] werden derzeit in enger Abstimmung mit<br />
der Wasserwirtschaftsverwaltung des Landes Baden-<br />
Württemberg mögliche Lösungsvarianten untersucht,<br />
vgl. Abb. 10 und Abb. 11.<br />
Sonderfälle<br />
Eine „Sonderlösung“ ist in Abb. 12 dargestellt.<br />
Der Damm des Hochwasserrückhaltebeckens wurde<br />
so trassiert, dass die Hochwasserentlastung über den<br />
gewachsenen Boden (Wiese-Gras) erfolgt.<br />
Ausblick<br />
Sowohl für „Dammscharten in Lockerbauweise“ als<br />
auch für „überströmbare (kleine) Erddämme“ sind weitere<br />
Untersuchungen dringend erforderlich und werden<br />
bis Ende <strong>1999</strong> in einem Forschungsauftrag konkretisiert.<br />
Ab 2000 sollen die weiteren Untersuchungen durchgeführt<br />
werden, um aus der Grundlagenforschung<br />
baldmöglichst Gestaltungs- und Bemessungsverfahren<br />
für den praktischen Vollzug zu erhalten.<br />
Abb. 7: Schema der Abflüsse bei einem überströmbaren Damm aus [6.1]<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 49<br />
Abb. 8: Hochwasserrückhaltebecken Königsbach- Stein (Enzkreis), überströmbarer Damm (Bj 1977), Aufnahme <strong>1999</strong><br />
Abb. 9: Hochwasserrückhaltebecken Obernhausen (Enzkreis), überströmbarer Damm, <strong>1999</strong><br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
50 Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch <strong>1999</strong><br />
Abb. 10: überströmbarer Erddamm mit Innensicherung aus [6.1]<br />
Abb. 11: überströmbarer Erddamm mit Oberflächensicherung aus [6.1]<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000
<strong>1999</strong> Fachbeiträge 6. Erfahrungsaustausch 51<br />
Abb. 12: Hochwasserrückhaltebecken Stuttgart/Feuerbacher Tal, Hochwasserentlastung „über gewachsenem Boden“ (Vordergrund) <strong>1999</strong><br />
Literaturverzeichnis<br />
Untersuchungen im Auftrag der Wasserwirtschaftsverwaltung<br />
des Landes Baden-Württemberg:<br />
[1] Larsen P., Bernhart H.H., Schenk E., Blinde A.,<br />
Brauns J., Degen F.P. (1986): „Überströmbare Dämme<br />
Hochwasserentlastung über Dammscharten“,<br />
Gutachten der Universität Karlsruhe für das RP<br />
Karlsruhe.<br />
[2] Kobus H., Westrich B., Hassinger R. (1987): Hydraulische<br />
Gestaltung von Hochwasserentlastungsanlagen,<br />
Teil 4: Bemessungsgrundlagen für Dammscharten<br />
und Flutmulden“. Gutachten der Universität<br />
Stuttgart, Institut für Wasserbau im Auftrag des ME-<br />
LUF.<br />
[3] Giesecke J., Westrich B., Salden D., Rathgeb A.<br />
(1994): „Dammscharten in Lockerbauweise zur<br />
Hochwasserentlastung an Rückhaltebecken, Gutachten<br />
der Universität Stuttgart, Institut für Wasserbau<br />
im Auftrag der LfU, Außenstelle Stuttgart.<br />
[4] Westrich B., Rathgeb A. (1996): Bemessungsgrundlagen<br />
und Gestaltungsvorschläge für überströmbare<br />
Dämme (Modelluntersuchungen), Universität<br />
Stuttgart, Institut für Wasserbau, im Auftrag der<br />
Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg.<br />
[5] Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />
(1997). Dammscharten in Lockerbauweise bei<br />
Hochwasserrückhaltebecken. Handbuch Wasser 2,<br />
Heft 36, Karlsruhe.<br />
[6] Unveröffentlichte Ausarbeitungen des landesinternen<br />
Arbeitskreises „Überströmbare Dämme und<br />
Dammscharten“ (1996 bis <strong>1999</strong>):<br />
[6.1] Beiträge der Universität Karlsruhe (TH)<br />
· Abteilung Erddammbau und Deponiebau am Institut<br />
für Boden- und Felsmechanik, Prof. Dr.-Ing.<br />
J. Brauns<br />
· Institut für Wasserwirtschaft und Kulturtechnik,<br />
Prof. Dr.-Ing. F. Nostmann<br />
[6.2] Beiträge der Universität Stuttgart<br />
· Institut für Wasserbau, Versuchsanstalt, Prof.<br />
Dr.-Ing. B. Westrich<br />
· Institut für Geotechnik, Dr.-Ing. D. Salden<br />
Anm.: In [1] bis [5] sind jeweils umfangreiche Hinweise<br />
auf weiterführende Literatur enthalten.<br />
Anschrift des Verfassers:<br />
BD Dipl.-Ing. Heinz Daucher<br />
Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />
Abteilung 4 – Wasser und Altlasten<br />
Griesbachstr. 1<br />
76185 Karlsruhe<br />
Alle Aufnahmen: Daucher<br />
<strong>Berichtsband</strong> 6. Erfahrungsaustausch HRB, <strong>WBW</strong> <strong>Fortbildungsgesellschaft</strong>, Heidelberg 2000