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Von der Gewässerpflege zur Gewässerentwicklung - WBW ...

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VON DER GEWÄSSERPFLEGE<br />

ZUR GEWÄSSERENTWICKLUNG<br />

14 JAHRE <strong>WBW</strong> FORTBILDUNGSGESELLSCHAFT<br />

FÜR GEWÄSSERENTWICKLUNG


Vorwort<br />

Mit dem Beschluss des Umweltministeriums Anfang <strong>der</strong> 1990er Jahre auf<br />

Landesebene Gewässernachbarschaften ein<strong>zur</strong>ichten, beginnt die Geschichte<br />

<strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH.<br />

Nach einer ersten Pilotveranstaltung im Jahre 1991, die mit großer Beteiligung<br />

und großem Interesse seitens <strong>der</strong> Kommunen aufgenommen wurde,<br />

beauftragte das Umweltministerium den Wasserwirtschaftsverband Baden-<br />

Württemberg e.V. (<strong>WBW</strong>) die Gewässernachbarschaften landesweit zu organisieren.<br />

Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, gründete <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> 1992<br />

eine Tochtergesellschaft, die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung<br />

mbH, die bis 1995 unter dem Namen „Gemeinnützige Gesellschaft<br />

für die Gewässerpflege mbH“ aktiv war.<br />

Dabei ist die Geschichte <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung<br />

mbH eng mit <strong>der</strong> des Fachdienstes Wasser <strong>der</strong> Landesanstalt<br />

für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) verknüpft. Durch gemeinsame<br />

Themenschwerpunkte und Zielvorstellungen ist eine partnerschaftliche<br />

Zusammenarbeit im Gewässerschutz von Baden-Württemberg entstanden.<br />

Mit einem gewissen Stolz kann auf die zahlreichen durchgeführten Veranstaltungen<br />

und Veröffentlichungen dieser beiden Partner verwiesen werden. Es ist nicht verwun<strong>der</strong>lich, dass<br />

die Idee <strong>zur</strong> Schulung <strong>der</strong> Gewässerunterhaltspflichtigen in Gewässernachbarschaften sowie die vielfältige<br />

Bearbeitung <strong>der</strong> Themen zunehmend Resonanz in an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n und im benachbarten Ausland<br />

findet.<br />

Die Veranstaltungen <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften sind eine <strong>der</strong> wichtigsten Plattformen für die fachgerechte<br />

Gewässerunterhaltung zwischen Verwaltung, Kommunen und Fachleuten in Baden-Württemberg. Schon<br />

früh wurde erkannt, dass beson<strong>der</strong>s die Schulung <strong>der</strong> Zielgruppe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den<br />

Betriebshöfen, welche die Gewässerunterhaltung durchführen, beson<strong>der</strong>s wichtig ist. Nur durch geschultes<br />

Personal, welches die Zusammenhänge zwischen Unterhaltung sowie Ökologie <strong>der</strong> Gewässer kennt, ist es<br />

möglich, die heutige Zielvorstellung im Gewässerschutz zu erfüllen. Beson<strong>der</strong>s die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Wasserrahmenrichtlinie<br />

können langfristig durch eine ökologisch ausgerichtete Gewässerunterhaltung erfüllt werden.<br />

Beson<strong>der</strong>s erfreulich ist, dass trotz zweier Verwaltungsreformen in Baden-Württemberg mit vielfältigen Än<strong>der</strong>ungen<br />

in <strong>der</strong> Personalstruktur die Gewässernachbarschaften weiterhin in <strong>der</strong> Wasserwirtschaftsverwaltung<br />

einen festen Bestandteil bilden. Daher gilt mein Dank beson<strong>der</strong>s den Regierungspräsidien, den Städte- und<br />

Landkreisen sowie den Kommunen, welche Betreuerinnen und Betreuer aus ihren Reihen <strong>zur</strong> Verfügung stellen.<br />

Die Präsentation des Jubiläumsbandes „<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung“ zeigt die breite<br />

Themenpalette <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft und <strong>der</strong> Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz<br />

(LUBW) im Zusammenspiel mit <strong>der</strong> Wasserwirtschaftsverwaltung von Baden-Württemberg. Mit diesem<br />

Jubiläumsband werden alle Veröffentlichungen <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung<br />

mbH und <strong>der</strong> Landesanstalt für Umwelt, Messung und Naturschutz zu den Themen Gewässerunterhaltung und<br />

Gewässerentwicklung auf einer CD bereitgestellt. Dieser Band stellt daher ein wertvolles und informatives<br />

Nachschlagewerk dar.<br />

Der Jubiläumsband wird anlässlich des 14. Betreuertages am 11. Oktober 2006 in Ludwigsburg präsentiert. Neben<br />

<strong>der</strong> Präsentation des Bandes stellen die Betreuerinnen und Betreuer <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften die<br />

Fortbildungsthemen <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften vor. Es wird berichtet, wie die Themen vermittelt und in die<br />

Praxis umgesetzt werden.<br />

In diesem Zusammenhang möchte ich mich recht herzlich bei den ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern<br />

<strong>der</strong> Gewässernachbarschaften bedanken. Ohne ihr großartiges Engagement und fundiertes Fachwissen<br />

wäre die Durchführung von flächendeckenden Gewässernachbarschaften in Baden-Württemberg nicht möglich.<br />

Dr.-Ing. Manfred Rost<br />

Präsident des Wasserwirtschaftsverbandes<br />

Baden-Württemberg e. V.


Inhalt<br />

1 Die Vorgeschichte ..........................................................................................1<br />

2 14 Jahre Fortbildungsgesellschaft.................................................................4<br />

Die Gewässernachbarschaften .................................................................................................................................5<br />

Der Erfahrungsaustausch „Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken“..............................................................6<br />

Gewässerpädagogik....................................................................................................................................................7<br />

Hochwasserpartnerschaften.......................................................................................................................................8<br />

Erfahrungsaustausch <strong>der</strong> Wasserbehörden in Baden-Württemberg ...................................................................8<br />

3 Die Gewässernachbarschaften.....................................................................9<br />

Organisation...................................................................................................................................................................9<br />

Das Gesamtkonzept „Naturnahe Unterhaltung von Fließgewässern“ und die ersten<br />

Fortbildungsthemen <strong>der</strong> Nachbarschaften............................................................................................................13<br />

Das didaktische Konzept ...........................................................................................................................................17<br />

Die Wassergesetznovelle von 1995 ..........................................................................................................................19<br />

Urbane Gewässer........................................................................................................................................................24<br />

Status Quo <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Gewässerentwicklung und -unterhaltung in Baden-<br />

Württemberg Ende <strong>der</strong> 1990er Jahre und Folgen für die Gewässernachbarschaften..................................26<br />

10-jähriges Bestehen <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften .........................................................................................28<br />

Die Europäischen Richtlinien FFH und WRRL...........................................................................................................30<br />

4 Der Erfahrungsaustausch für den Betrieb von<br />

Hochwasserrückhaltebecken .....................................................................33<br />

Erfahrungsaustausch für Betriebsbeauftragte und Betreiber von<br />

Hochwasserrückhaltebecken ...................................................................................................................................34<br />

Stauwärtertage und Stauwärtergrundkurs .............................................................................................................34<br />

5 Gewässerpädagogik ...................................................................................36<br />

Wan<strong>der</strong>ausstellung Fließgewässer für Schulklassen, Familien und ErzieherInnen ............................................39<br />

Artery – Menschen an den Fluss (für Kin<strong>der</strong> und Erwachsene): ..........................................................................39<br />

Angebot mit Volkshochschulen................................................................................................................................40<br />

Gewässerführerausbildung........................................................................................................................................41<br />

Pädagogische Themen bei den „Kleinen Betreuertagen“ <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften .......................41<br />

Sonstige Aktivitäten.....................................................................................................................................................42<br />

6 Hochwasserpartnerschaften........................................................................43


7 Erfahrungsaustausch „Wasserbehörden in Baden-Württemberg“ ...........46<br />

8 Künftige Aufgaben <strong>der</strong> Gewässerentwicklung..........................................48<br />

Der dreifache Rahmen ..............................................................................................................................................48<br />

Die Handlungsfel<strong>der</strong> ...................................................................................................................................................50<br />

Was wir brauchen .......................................................................................................................................................53<br />

9 Anhang..........................................................................................................54<br />

Fortbildungsthema Nr. 1 „Naturgemäße Bauweisen“ ..........................................................................................55<br />

Fortbildungsthema Nr. 2 „Praktische Gehölzpflege“ (1992 und Überarbeitung 2005) ...................................59<br />

Fortbildungsthema Nr. 3 „Arbeiten im Lebensraum Fließgewässer“..................................................................63<br />

Fortbildungsthema Nr. 4 „Was tun nach Hochwasser?“ ......................................................................................66<br />

Fortbildungsthema Nr. 5 „Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit“ .................................................................71<br />

Fortbildungsthema Nr. 6 „Gewässerunterhaltung in Ortslagen“ ........................................................................75<br />

Fortbildungsthema Nr. 7 „Unterhaltung und Pflege von Gräben“.....................................................................78<br />

Fortbildungsthema Nr. 8 „Totholz in Gewässern“...................................................................................................82<br />

Fortbildungsthema Nr. 9 „Gewässerunterhaltung in geschützten Gebieten“ .................................................84<br />

Fortbildungsthema Nr. 10 „Gewässeraufsicht“ ......................................................................................................86<br />

10 Literatur ..........................................................................................................89


1 Die Vorgeschichte<br />

Jede Geschichte hat ihre Vorgeschichte, so auch die Themen und Aktivitäten des Fachdienstes Wasser <strong>der</strong><br />

früheren Landesanstalt für Umweltschutz (heute LUBW) und <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung<br />

mbH. Die Keimzelle ist in den 1970er Jahren zu finden. In <strong>der</strong> Gesellschaft und in den Verwaltungen<br />

gab es zunehmendes Unbehagen über den Zustand und die Ausbaustandards bei zahlreichen<br />

Fließgewässern. 1 Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs nach dem Krieg und einer Fortschrittseuphorie<br />

waren zahlreiche Gewässer ausgebaut und begradigt worden<br />

und teils erheblich stofflich belastet. Wie heute auch, war dies <strong>der</strong><br />

Nie<strong>der</strong>schlag <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Gesellschaft und des Kenntnisstands<br />

von Wissenschaft und Technik.<br />

Der Paradigmenwechsel kündigte sich 1971 mit dem Landesentwicklungsplan<br />

an, in dem es hieß, „wasserbauliche Maßnahmen<br />

[sollen] einvernehmlich mit Natur und Landschaft gestaltet und<br />

durch Urbaneinflüsse geschädigte Gewässerstrecken in einen<br />

möglichst naturnahen Zustand <strong>zur</strong>ück versetzt werden“. Da die<br />

Umsetzung neuer Ansätze Zeit braucht, dauerte es bis 1980, bis mit<br />

einem Erlass des zuständigen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft,<br />

Umwelt und Forsten, dem so genannten Wasserbaumerkblatt,<br />

eine neue Epoche begann. Mit dem Merkblatt wurden<br />

mehrere Erlasse, die überflüssig wurden und teils das alte wasserbauliche<br />

Denken spiegelten, aufgehoben. 2 Bei einer Weiterbildungsveranstaltung<br />

<strong>der</strong> Wasserwirtschaftsverwaltung in Loßburg<br />

bei Freudenstadt geht H. Wolf mit dem bisherigen Wasserbau und<br />

dessen Fehleinschätzungen hart ins Gericht. Deutlich spürt man<br />

den damaligen Zeitgeist und die moralische Entrüstung über die<br />

Umweltsünden. 3 F. Bürkle, damaliger Leiter des Wasserwirtschaftsamts<br />

Besigheim, berichtet bei <strong>der</strong>selben Veranstaltung<br />

über die Entwicklung und Fehlentwicklung von ausgebauten Gewässern,<br />

von <strong>der</strong> zu lernen sei, wie man einen „naturverbundenen<br />

Das Wasserbaumerkblatt von 1980.<br />

Gewässerausbau“ bewerkstelligen könne. – Programmatischer Satz in <strong>der</strong> Einleitung des Wasserbaumerkblattes<br />

ist: „Gewässer sind wesentliche Bestandteile des Landschaftsbildes und Lebensraum für zahlreiche Tier- und<br />

Pflanzenarten. Eingriffe in natürliche Gewässer durch wasserbauliche Maßnahmen sind daher auf das unbedingt<br />

erfor<strong>der</strong>liche Maß zu beschränken und soweit wie möglich auszugleichen.“<br />

Zu Beginn <strong>der</strong> 1980erJahre wurden erste Forschungsaufträge vergeben, um die Anfor<strong>der</strong>ungen aus dem Wasserbaumerkblatt<br />

wissenschaftlich zu untermauern. <strong>Von</strong> großer Tragweite und großem Tiefgang waren die<br />

„Ökologischen Untersuchungen an <strong>der</strong> ausgebauten unteren Murr“, erste Vorher-Nachher-Langzeituntersuchungen<br />

(1977 bis 1987), von F. Bürkle initiiert, mit einem sehr starken biologisch-ökologischen Anteil<br />

(was sich bei weiteren Vorhaben nie<strong>der</strong>schlagen sollte). 4 Im Hohenlohischen an <strong>der</strong> Gronach und einigen ihrer<br />

Zuflüsse wurden verschieden ausgebaute und nicht ausgebaute kleine Fließgewässer miteinan<strong>der</strong> verglichen. 5<br />

1 Auch davor hatte es natürlich schon Stimmen gegeben, die auf eine naturgemäßeren Umgang mit den Gewässern drängten.<br />

Stellvertretend dafür sei Meszmer mit seiner Arbeit „Natur- und landschaftsnaher Bau von Fließgewässern“ aus dem Jahr<br />

1961 genannt. Mezsmer hatte einen stark pflanzensoziologisch und sozialhygienisch geprägten Denkansatz (Mezsmer, 1961).<br />

2 Schaal, Bürkle, 1993<br />

3 Wolf, 1980<br />

4 Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU), 1985 und 1991<br />

5 Konold, 1984<br />

Seite 1<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Das 1986 erschienene „Handbuch Wasserbau“ 6 verstand sich als Ergänzung zum Wasserbaumerkblatt, in dem<br />

an Hand von 37 Beispielen verschiedene Gewässerausbauten aus dem ganzen Land mitsamt ihrer Entwicklung<br />

dokumentiert und begutachtet wurden. Man spürt bei den Beurteilungen, dass Gewässerdynamik nur<br />

innerhalb eines kalkulierbaren Rahmens akzeptiert wurde. Die Ufersicherung,<br />

sei es mit Steinschüttungen, mit Gehölzen o<strong>der</strong> Heckenbuschlagen,<br />

und <strong>der</strong>en Funktionsfähigkeit standen stark im<br />

Vor<strong>der</strong>grund. Entsprechend waren „Wundhänge“ zu beseitigen,<br />

die Gehölze gut zu pflegen. Es wurde gewürdigt, wenn sich innerhalb<br />

von Betonprofilen etwas gewässertypische Vegetation breit<br />

gemacht hatte. Manche Ausbauten waren ausgesprochen zukunftsweisend,<br />

etwa <strong>der</strong> <strong>der</strong> Wutach bei Weizen, wo die Ufer mit<br />

verwitterungsunbeständigen Nagelfluhblöcken befestigt worden<br />

waren. 7<br />

Titelseite <strong>der</strong> ersten Broschüre <strong>der</strong> Bachpatenschaften<br />

(1985).<br />

Im Jahre 1985 war die Broschüre „Bachpatenschaften“ erschienen,<br />

herausgegeben vom Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft,<br />

Umwelt und Forsten, um „in <strong>der</strong> Bevölkerung das Umweltbewusstsein<br />

zu stärken und das Verständnis für eine zeitgemäße<br />

Gewässerpflege zu wecken“ 8 – auch hier zieht sich ein roter Faden<br />

bis in die Gegenwart, auch wenn er mittlerweile nur noch an ein<br />

paar Orten in Baden-Württemberg sichtbar ist. Ein sehr wichtiger<br />

Schritt war die För<strong>der</strong>ung von Bachpatenschaften insofern, als zum<br />

ersten Mal wasserwirtschaftliche und gewässerpflegerische Themen<br />

in die breite Öffentlichkeit getragen und damit auch Kontakt<br />

zu Naturschutz-Akteuren gesucht wurde.<br />

Ein weiterer Meilenstein war die vom damaligen Institut für Wasserbau<br />

und Kulturtechnik <strong>der</strong> Universität Karlsruhe bearbeitete Studie<br />

<strong>zur</strong> „Naturnahen Umgestaltung ausgebauter Fließgewässer“, 9 die<br />

insofern eine neue Qualität brachte, als die bisherige Unterhaltungspraxis kritisch unter die Lupe genommen<br />

wurde und mehrere Pilotprojekte <strong>zur</strong> Umgestaltung verschiedener Gewässertypen in Aussicht gestellt wurden.<br />

Hatte man bisher recht pragmatisch und mit einem Bündel von bekannten Techniken Gewässer so umgestaltet,<br />

dass die Sicherung des Gewässerbetts gewährleistet war, so standen nun auf typologischer Grundlage 10<br />

ökologische Verbesserungen im Vor<strong>der</strong>grund, um „...für eine Region typische Tier- und Pflanzengesellschaften<br />

an einem Fließgewässer...“ wie<strong>der</strong>herzustellen o<strong>der</strong> entstehen zu lassen. „Naturnahe Umgestaltungen sollen<br />

sich am Gewässertyp unter den naturräumlichen Gegebenheiten orientieren.“ Entsprechende Aktivitäten<br />

sollten in ein umfassendes Naturschutzkonzept eingebunden sein. Angesprochen wurden in <strong>der</strong> Studie einige<br />

Aspekte, die in den folgenden Jahren von großer Bedeutung werden sollten und die auch die Arbeit <strong>der</strong> LfU<br />

und <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft mitbestimmten, so beispielsweise die Leitbild-Orientierung, die Einbeziehung<br />

<strong>der</strong> Aue in Umgestaltungen, das Problem <strong>der</strong> Durchgängigkeit, die interdisziplinäre Herangehensweise<br />

und die Beteiligung <strong>der</strong> Öffentlichkeit. – Was die in <strong>der</strong> Studie vorgeschlagenen Gestaltungselemente angeht<br />

– u.a. Bau von Bermen, Anlegen von Tümpeln, Abflachen von Böschungen, Einbringen von Störsteinen, Böschungssicherung<br />

mit Stangenverbau – , so spiegelt das den Stand <strong>der</strong> damaligen Diskussion wi<strong>der</strong>, war jedoch<br />

teilweise weit weg von einer echten typologischen Betrachtungsweise. Diese wurde später jedoch<br />

konsequent angegangen. 11<br />

Einen umweltpolitischen Schub für die Gewässer löste das „Gesamtkonzept Naturschutz und Landschaftspflege“<br />

aus, das gemeinsam von den Ministern Vetter (UM) und Weiser (MLR) im Jahre 1989 herausgegeben wurde<br />

und in dem weit gehende programmatische Pflöcke für die Gewässer eingeschlagen werden, aber auch<br />

selbstbewusst auf bereits laufende Umgestaltungsmaßnahmen verwiesen wird.<br />

6 Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg, 1986<br />

7 Pabst, 1989; Hohmann, Konold, 1992<br />

8 Schaal, Bürkle, 1993: 216<br />

9 Kern, Nadolny, 1986<br />

10 Eine Schlüsselarbeit hierzu war die Studie von Otto, Brauckmann, 1993.<br />

11 Forschungsgruppe Fließgewässer, 1994, 1998; Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein, 2001<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 2


Als Meilenstein und auch ein Stück weit als inhaltliche<br />

Grundlage für die künftige Arbeit <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

ist das Kolloquium „Naturgemäße<br />

Gestaltung von Fließgewässern“ im Februar 1990 12 zu<br />

sehen. Dort wurde von B. Burkart erstmals das Regelwerk<br />

Wasserbau mit einzelnen Bausteinen vorgestellt.<br />

Darüber hinaus ging W. Hauck auf „Naturgemäße<br />

Bauweisen <strong>zur</strong> Ufersicherung“ ein, dem Einstiegsthema<br />

<strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft. In seinem abschließenden<br />

Beitrag unterstrich Minister Vetter, die<br />

Gewässer hätten für ihn erste politische Priorität, und<br />

er kündigte weitere Maßnahmen und Programme an.<br />

Damit war politisch und inhaltlich <strong>der</strong> Boden für die<br />

Einrichtung des Zentralen Fachdienstes „Wasserbau<br />

und Gewässerpflege (Gewässerentwicklung)“ gemäß<br />

Statut <strong>der</strong> LfU von 1990 als zentrale Know-how-Stelle<br />

sowie für die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft bereitet,<br />

die seit 1992 die landesweite Umsetzung im Rahmen<br />

eines Erfahrungsaustausches <strong>der</strong> Unterhaltungspflichtigen<br />

in Theorie und Praxis durchführt.<br />

Mit dem Gesamtkonzept Naturschutz und Landschaftspflege<br />

wurden die Leitlinien und Ziele <strong>der</strong> Naturschutzpolitik<br />

in Baden-Württemberg <strong>der</strong> 1990er Jahre gesetzt.<br />

12 Die Beiträge lagen kurze Zeit später als „Handbuch Wasserbau, H. 3“ gedruckt vor, einem Heft, das richtungsweisend war.<br />

Seite 3<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


2 14 Jahre Fortbildungsgesellschaft<br />

Anfang <strong>der</strong> 1990er Jahre beschloss das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Umweltministerium, die<br />

Einrichtung von Gewässernachbarschaften, bei denen die gesammelten Erfahrungen und wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse im Bereich <strong>der</strong> naturnahen Gewässerentwicklung und -pflege an die Gewässerunterhaltungspflichtigen<br />

<strong>der</strong> Städte, Kommunen und des Landes weitervermittelt werden sollte. Die Idee <strong>der</strong> Nachbarschaften<br />

stammte aus dem Modell <strong>der</strong> Kläranlagennachbarschaften, die im Land schon seit 1968 erfolgreich<br />

technisch-wissenschaftlich auf dem Bereich <strong>der</strong> Abwassertechnik tätig waren. 13 Im Frühling 1991 fand eine<br />

erste Testveranstaltung zum Thema „Naturgemäße Sanierung von Uferabbrüchen„ in Buchen im Odenwald<br />

statt. Aufgrund <strong>der</strong> außergewöhnlichen Hochwasserereignisse, die in den Jahren davor an vielen Gewässern<br />

zu erheblichen Seitenerosionen geführt hatten, waren die Gewässerunterhaltungspflichtigen gehalten, die<br />

Schäden zu beseitigen. Die Beseitigung von Uferabbrüchen war hoch aktuell und spielte dem entsprechend<br />

bei <strong>der</strong> damaligen Gewässerunterhaltung eine eminent wichtige Rolle. Infolge dessen genoss die Pilotveranstaltung<br />

eine hohe Teilnehmerresonanz und bekam sehr positive Rückmeldungen von den Teilnehmern,<br />

was die Richtigkeit des Konzeptes bestätigte. Es wurde erkannt, dass eine landesweite Koordination und eine<br />

zentrale Auswahl und Aufbereitung von Themen die Effektivität <strong>der</strong> Nachbarschaften erhöhen könnte. Daraufhin<br />

bekam <strong>der</strong> Wasserwirtschaftsverband Baden-Württemberg e.V. (<strong>WBW</strong>) den Auftrag vom Land, die Gewässernachbarschaften<br />

bzw. Gewässernachbarschaftstage landesweit zu organisieren, was in einer Vereinbarung<br />

festgelegt wurde. Für die Bewältigung dieser Aufgaben rief <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> im Sommer 1992 eine Tochtergesellschaft<br />

ins Leben, die „Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für die Gewässerpflege mbH“, die bis<br />

1997 den Namen behielt und seitdem unter dem Namen <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung<br />

mbH weiterhin aktiv ist.<br />

Geschäftsführer <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

seit ihrer Gründung 1992:<br />

Team <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft im Jahr 2005<br />

Wolfgang Hauck<br />

Petra Gritsch<br />

Jürgen Reich<br />

Armin Stelzer<br />

Thorsten Kowalke<br />

(09/1992 - 03/1997)<br />

(04/1997 - 08/1997)<br />

(09/1997- 04/2002)<br />

(05/2002 – 06/2006)<br />

(seit 07/2006)<br />

Teilnehmer <strong>der</strong> Gewässernachbarschaftstage<br />

waren und sind immer noch die Unterhaltungspflichtigen<br />

von Gewässern 1. Ordnung (in <strong>der</strong><br />

Zuständigkeit des Landes) und von Gewässern<br />

2. Ordnung (Zuständigkeit bei den Städten und<br />

Gemeinden) und damit primär die Mitarbeiter<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Bauhöfe. So sind bis auf die<br />

privaten Gewässer alle Fließgewässer des Landes<br />

abgedeckt und einheitlichen Kriterien <strong>der</strong><br />

Unterhaltung und Pflege unterworfen.<br />

<strong>Von</strong> links nach rechts Marc Lyachenko (Techn. Mitarbeiter),<br />

Felicitas Faber (Sekretariat und Verwaltung), Birgit Beermann<br />

(Techn. Mitarbeiterin), Gabriele Müller (Sekretariat<br />

und Verwaltung) und Armin Stelzer (Geschäftsführer bis Juli<br />

2006).<br />

13 Sommer, 1995<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 4


Die Gewässernachbarschaften<br />

Die Ziele <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft waren von Anfang an praxis- und problemlösungsorientiert und gleichzeitig<br />

weit reichend und anspruchsvoll. Leitidee und Fahrplan für die Aktivitäten <strong>der</strong> Gesellschaft war das „Gesamtkonzept<br />

Naturnahe Unterhaltung von Fließgewässern“, das vom Umweltministerium Baden-Württemberg<br />

Ende <strong>der</strong> 1980er Jahre vorgelegt worden war. Grundlagen und Verfahren des naturnahen Wasserbaus stellten<br />

somit den wesentlichen Inhalt des Weiterbildungsangebotes <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft an die Unterhaltungspflichtigen<br />

dar. Sie sollte auch einen Bewusstseinswandel bei den Unterhaltungspflichtigen för<strong>der</strong>n sie<br />

wegführen von <strong>der</strong> bisher eher wasserbautechnisch geprägten Aufgabenerfüllung hin zu einem besseren Verständnis<br />

für naturbezogene Aspekte im Gewässerbereich. So sollten Grundlagen über die ökologischen Zusammenhänge<br />

zu einem neuen Umgang mit den Gewässern vermittelt werden. An<strong>der</strong>erseits sollte die Fortbildungsgesellschaft<br />

nicht primär eine Bildungsfunktion erfüllen, son<strong>der</strong>n eine Hilfestellung <strong>zur</strong> Selbsthilfe anbieten.<br />

In einem überschaubaren Kreis, <strong>der</strong> Gewässernachbarschaft, sollten die Unterhaltungspflichtigen die<br />

Möglichkeit bekommen, unbefangen und mit <strong>der</strong> Unterstützung von Fachleuten – den ehrenamtlichen Betreuern<br />

und von diesen eingeladenen Gästen und Referenten – über ihre Probleme, Unsicherheiten und Erfolge<br />

zu berichten und zu diskutieren, um auf diese Weise <strong>zur</strong> kritischen Beurteilung ihrer Arbeit befähigt zu<br />

werden. Der Erfahrungsaustausch unter den Unterhaltungspflichtigen sollte zudem die nachbarschaftlichen<br />

Beziehungen und die gegenseitige Unterstützung stärken. Insgesamt war es ein Anliegen des Landes, das<br />

Selbstvertrauen <strong>der</strong> Praktiker bei <strong>der</strong> Erfüllung ihrer Aufgaben zu stärken und den Schatz <strong>der</strong> Fließgewässer von<br />

nun an nur noch fachlich qualifizierten Arbeitskräften zu überlassen.<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

vor<br />

92<br />

F92 H92 F93 H93 F94 H94 F95 H95 F96 H96 F97 H97 F98 H98 F99 H99 F00 H00 F01 H01 F02 H02 F03 H03<br />

Naturgemäße Sanierung von Uferabbrüchen - Thema 1 Praktische Gehölzpflege - Thema 2<br />

Arbeiten im Lebensraum Fließgew ässer - Thema 3 Was tun nach Hochw asser - Thema 4<br />

Gew ässerrandstreifen - Thema 5 Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit - Thema 6<br />

Gew ässerunterhaltung in Ortslagen - Thema 7 Grabenunterhaltung - Thema 8<br />

Totholz - Thema 9 Unterhaltung in geschützten Gebieten - Thema 10<br />

Sonstige Themen, Erfahrungsaustausch - Thema 99<br />

Anzahl und Themen <strong>der</strong> Nachbarschaftstage bis 2003<br />

Mit <strong>der</strong> Zeit haben sich, entsprechend den gesellschaftlichen, politischen und gesetzlichen Verän<strong>der</strong>ungen,<br />

manche Ziele erweitert und an<strong>der</strong>e sind dazugekommen. Standen stark praxisorientierte Themen wie „Praktische<br />

Gehölzpflege“ o<strong>der</strong> „Naturgemäße Bauweisen“ auf <strong>der</strong> Tagesordnung <strong>der</strong> ersten Jahre, sind die Fortbildungsthemen,<br />

die sich mit ökologischen Grundlagen und naturschutzfachlichen Problemen, wie „Arbeiten im<br />

Lebensraum Fließgewässer“, „Totholz im Fließgewässer“ o<strong>der</strong> „Gewässerunterhaltung in geschützten Gebieten“,<br />

mit <strong>der</strong> Zeit dazugekommen. Die Ersteren bieten Lösungen und Antworten zu konkreten Problemen bei<br />

<strong>der</strong> alltäglichen Unterhaltung <strong>der</strong> Gewässer; die Letzteren för<strong>der</strong>n ein besseres Verständnis <strong>der</strong> ökologischen<br />

Verhältnisse und Prozesse in Fließgewässern und tragen auf diese Weise <strong>zur</strong> naturschutzfachlichen Bewusstseinsbildung<br />

<strong>der</strong> Unterhaltungspflichtigen und zu ihrer Qualifizierung bei. Sie lernen an solchen komplexen und<br />

wertvollen Lebensräumen, vernetzt zu denken und den Gesetzmäßigkeiten <strong>der</strong> Natur folgend zu arbeiten.<br />

Deswegen hat sich die Kombination und Abwechslung von theoretischen und praktischen Themen als Fortbildungsthemen<br />

bei den jährlichen stattfindenden Veranstaltungen bewährt.<br />

Seite 5<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Die Gewässernachbarschaften haben sich auch als geeignetes Instrument <strong>zur</strong> effektiven Übertragung von<br />

gesetzlichen Verän<strong>der</strong>ungen in die Praxis bewährt. So bildete beispielsweise nach <strong>der</strong> Novellierung des Wassergesetztes<br />

Baden-Württemberg im Jahr 1995 die Vermittlung einer praktischen Interpretation des neuen Gesetzes<br />

an den Unterhaltungspflichtigen den Schwerpunkt <strong>der</strong> Nachbarschaftstage. Im Rahmen <strong>der</strong> Novellierung<br />

entfiel damals u.a. die allgemeine Wie<strong>der</strong>herstellungspflicht <strong>der</strong> Gewässerufer nach Hochwasserschäden.<br />

Die Unterhaltungspflichtigen mussten von heute auf morgen lernen zu entscheiden, wann sie <strong>zur</strong><br />

Beseitigung <strong>der</strong> Hochwasserschäden verpflichtet waren und wann nicht. Das Fortbildungsthema im Jahr 1997<br />

„Was tun nach Hochwasser“ verfolgte deshalb das Ziel, den Unterhaltungspflichtigen ein sicheres Wissen über<br />

die rechtlichen Vorschriften zu vermitteln<br />

und ihnen Handlungsmöglichkeiten für<br />

Konflikte mit Eigentümern und sonstigen<br />

Interessenten aufzuzeigen. Auch im Jahr<br />

2004 wurden mit dem Thema „Gewässerschauen“<br />

Aspekte eines europäischen<br />

Rechts, <strong>der</strong> Europäischen Wasserrahmenrichtlinie<br />

(WRRL), betreffend die<br />

Unterhaltung <strong>der</strong> Gewässer, aufgegriffen<br />

und praxisgerecht weitergegeben.<br />

Zunehmend an Bedeutung hat in den<br />

letzten Jahren bei den Gewässernachbarschaftstagen<br />

<strong>der</strong> reine Erfahrungsaustausch<br />

gewonnen. Dies hängt sicherlich<br />

primär damit zusammen, dass sich<br />

im Lauf <strong>der</strong> Jahre viele Erfahrungen ansammeln,<br />

aber auch, dass die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

an die Gewässerunterhaltung<br />

In Rahmen einer Gewässerschau können unzugängliche Stellen an Gewässern<br />

o<strong>der</strong> unrechtmäßige Uferverbauungen, wie auf diesem Foto<br />

ersichtlich, entdeckt und geeignete Maßnahmen getroffen werden.<br />

Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

immer komplexer werden. Erfahrungen<br />

unter den Betreuern, also den Multiplikatoren,<br />

bei den Betreuertagen auszutauschen<br />

heißt, praktische Tipps weiter zu<br />

geben, aber auch sich abzusichern und<br />

didaktisch-pädagogische Erkenntnisse weiter zu tragen. Deshalb ist <strong>der</strong> Erfahrungsaustausch heute ein Schwerpunkt<br />

<strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> Gesellschaft, ergänzt durch konkrete Fragestellungen <strong>der</strong> Unterhaltungspflichtigen und<br />

durch Spezialthemen bei beson<strong>der</strong>er Nachfrage.<br />

Der Erfahrungsaustausch<br />

„Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken“<br />

In Baden-Württemberg sind die Hochwasserschutzverbände<br />

für den Betrieb<br />

von hun<strong>der</strong>ten von Hochwasserrückhaltebecken<br />

und sonstigen Stauanlagen für<br />

den Hochwasserschutz zuständig. Die<br />

Beratung und Betreuung dieser Verbände<br />

wurde nach <strong>der</strong> Auflösung <strong>der</strong> Ämter<br />

für Wasserwirtschaft und Bodenschutz<br />

durch das Son<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ungsgesetz<br />

(SoBEG) im Jahr 1995 an die unteren<br />

Verwaltungsbehörden <strong>der</strong> Städte und<br />

Kreise übertragen. Zur Unterstützung <strong>der</strong><br />

Kommunen bei <strong>der</strong> Bewältigung dieser<br />

neuen Aufgaben beauftragte das Land<br />

die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft mit<br />

<strong>der</strong> Organisation und Leitung eines Er-<br />

Besichtigung eines Schlauchwehrs in Waibstadt bei Sinsheim im Rahmen<br />

eines Erfahrungsaustausches „Betrieb von HRB“ in März 2004.<br />

Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 6


fahrungsaustauschs für Betreiber und Betriebsbeauftragte von Hochwasserrückhaltebecken. Mit diesem neuen<br />

Auftrag bekam die Fortbildungsgesellschaft eine neue Satzung und ihren aktuellen Namen <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

für Gewässerentwicklung mbH.<br />

Der Erfahrungsaustausch fand anfänglich zweimal jährlich, im Frühjahr und im Herbst, statt. Seit 1999 wird er<br />

einmal im Jahr durchgeführt. Die Berichte erscheinen in gedruckter Form in Heften, die jedem Interessierten <strong>zur</strong><br />

Verfügung stehen. Zwei Jahre nach <strong>der</strong> Gründung erweiterte sich das Konzept des Erfahrungsaustausches auf<br />

die Stauwärter <strong>der</strong> Hochwasserrückhaltebecken, welche die Verantwortung für den Betrieb <strong>der</strong> Rückhaltebecken<br />

vor Ort tragen. Seit 1999 wird für sie jährlich eine eigene Veranstaltung mit dem Charakter eines Erfahrungsaustausches<br />

und einer Fortbildungsveranstaltung organisiert – die so genannten Stauwärtertage.<br />

Hierfür wurde Baden-Württemberg in Anlehnung an die Gewässernachbarschaften in Nachbarschaftsbezirke<br />

eingeteilt, die von ehrenamtlichen Fachleuten betreut werden. Aus den Erfahrungen <strong>der</strong> Stauwärtertage kristallisierte<br />

sich im Laufe <strong>der</strong> Zeit das Bedürfnis heraus, eine zusätzliche Ausbildung für die Stauwärter anzubieten.<br />

Diese leitete die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft in Form eines Grundkurses in die Wege. Der Kurs läuft seit 2002<br />

und ist die erste zertifizierte Ausbildung im Land, die angehenden Stauwärtern und Stauwärtern, die bereits<br />

tätig sind, regelmäßig angeboten wird.<br />

Gewässerpädagogik<br />

Wan<strong>der</strong>ausstellung „Erlebnis Fließgewässer“ im Donaupark Tuttlingen, organisiert<br />

mit dem Naturschutzzentrum Karlsruhe im September 2003. Aufn.: C. Rettig.<br />

Um die Gesellschaft näher an die<br />

Gewässer heran zu führen und<br />

auch eine gesellschaftliche Unterstützung<br />

für die Maßnahmen <strong>der</strong><br />

Wasserwirtschaft zu bekommen, rief<br />

das baden-württembergische Ministerium<br />

für Umwelt und Verkehr<br />

1999 das Projekt „Mensch & Gewässer“<br />

ins Leben. Als ein Teil dieses<br />

Projektes übernahm die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

die Aufgabe,<br />

durch gewässerpädagogische<br />

Konzepte, die an verschiedene<br />

Zielgruppen <strong>der</strong> Gesellschaft gerichtet<br />

sind, die Bürger für die Gewässer<br />

zu sensibilisieren. Die erste<br />

Zielgruppe waren die Betreuer <strong>der</strong><br />

Gewässernachbarschaften, die<br />

sich in zwei „kleinen Betreuertagen“<br />

mit dem Thema „Mensch & Gewässer“<br />

und „Gewässerpädagogik“ beschäftigten. Als nächsten Schritt bereitete die Fortbildungsgesellschaft zusammen<br />

mit Naturschutzzentren, den ehemaligen Gewässerdirektionen und mehreren Verbänden, u.a. dem<br />

Volkshochschulverband, diverse Aktionen vor für Kin<strong>der</strong> und Erwachsene. So entstand 2003 die Wan<strong>der</strong>ausstellung<br />

„Erlebnisraum Fließgewässer“, <strong>der</strong>en Hauptzielgruppe Kin<strong>der</strong> und Familien sind und die in zahlreichen<br />

Naturschutzzentren und Schulen ausgestellt wurde und noch wird. Das bisher größte Projekt „Menschen<br />

an den Fluss“ startete 2004 und ist eingebunden in das EU-Kooperationsprojekt „Artery – Flusslandschaften <strong>der</strong><br />

Zukunft als Lebensa<strong>der</strong> <strong>der</strong> Region“. Es richtet sich sowohl an Kin<strong>der</strong> als auch an Erwachsene und organisiert<br />

Veranstaltungen am Flussufer in <strong>der</strong> Rhein-Neckar-Region zu Natur, Geschichte, Wirtschaft und Kultur.<br />

Als letzte Aktion im Bereich <strong>der</strong> Gewässerpädagogik hat die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft die Ausbildung zum<br />

Gewässerführer als Pilotprojekt gestartet. Diese Aktion versteht sich als Teil des Gesamtkonzeptes „Mensch &<br />

Gewässer“ des Landes und ist als Impuls gedacht, die Beziehung <strong>der</strong> Menschen zu den Gewässern im Erwachsenenbereich<br />

auszuweiten. Ziel ist es, dass ausgebildete und geprüfte Gewässerführer, die auf regionale und<br />

lokale Aspekte und Beson<strong>der</strong>heiten spezialisiert sind, dazu beitragen, die Identifizierung <strong>der</strong> Bürger mit den<br />

Gewässern ihrer Region bzw. einer bestimmten Gegend zu unterstützen sowie eine Kundenbindung an diese<br />

Region zu för<strong>der</strong>n.<br />

Seite 7<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Hochwasserpartnerschaften<br />

Ein weiteres Standbein <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft bilden die Hochwasserpartnerschaften. Im Auftrag<br />

des damaligen Ministeriums für Umwelt und Verkehr hat die Gesellschaft 2003 die Neugründung und Organisation<br />

<strong>der</strong> Hochwasserpartnerschaften in Baden-Württemberg übernommen. Hintergrundgedanke für diese<br />

neue Aufgabe ist, dass sich Hochwasserschäden am besten minimieren lassen, wenn innerhalb eines Einzugsgebiets<br />

alle Beteiligten über die Gefahrenpotentiale ausreichend informiert sind und gemeinsam eine Strategie<br />

zu Hochwasservorsorge und -schutz entwickeln. Im Rahmen <strong>der</strong> Hochwasserpartnerschaften werden<br />

Tagungen organisiert, an denen sich die Entscheidungsträger <strong>der</strong> Kommunen eines Einzugsgebietes treffen<br />

und gemeinsam ihre Meinungen<br />

über Themen zum<br />

vorsorgenden Hochwasserschutz<br />

austauschen und<br />

diskutieren.<br />

Mit Entscheidungsträgern<br />

sind die Bürgermeister, die<br />

Feuerwehr, die Gefahrenabwehr<br />

und <strong>der</strong> Katastrophenschutz<br />

gemeint. Erwünscht<br />

ist, dass dieser Personenkreis<br />

als Multiplikator<br />

in seinem jeweiligen Verantwortungsbereich<br />

fungiert<br />

und die Bürger über<br />

die Gefahren, und Vorsorgemaßnahmen<br />

in Sachen<br />

Hochwasser informiert, um<br />

<strong>zur</strong> Bewusstseinsbildung beizutragen.<br />

In den Hochwasserpartnerschaften wird das Risikopotential von Überschwemmungen<br />

innerhalb eines Einzugsgebietes analysiert und über entsprechende Vorsorgemaßnahmen<br />

diskutiert. Eine wichtige Grundlage für diese Arbeit bieten die Hochwassergefahrenkarten<br />

des Landes. Quelle: LUBW.<br />

Erfahrungsaustausch <strong>der</strong> Wasserbehörden in Baden-Württemberg<br />

Das neueste Standbein <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft stellt <strong>der</strong> „Erfahrungsaustausch <strong>der</strong> Wasserbehörden“<br />

dar. Der Erfahrungsaustausch wird durch die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft organisiert. Für die fachliche<br />

Ausarbeitung ist die Landesanstalt<br />

für Umwelt, Messung und Naturschutz<br />

(LUBW) zuständig. Es werden<br />

für jeden Regierungsbezirk pro Jahr<br />

zwei Veranstaltungen durchgeführt.<br />

Der Erfahrungsaustausch wird nach<br />

vorgehen<strong>der</strong> Abfrage bei den Regierungspräsidien<br />

sowie den Städteund<br />

Landkreisen bedarfsorientiert<br />

angeboten.<br />

Auftaktveranstaltung des Erfahrungsaustausches in Stuttgart am 13. Juni 2006.<br />

Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 8


3 Die Gewässernachbarschaften<br />

Organisation<br />

Die Details zu Organisation, Inhalten, Programmgestaltung,<br />

Öffentlichkeitsarbeit und<br />

Finanzierung <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft werden<br />

vom Beirat beschlossen, dessen Vorsitz<br />

beim Umweltministerium Baden-Württemberg<br />

liegt und <strong>der</strong> sich zu Beginn aus Vertretern des<br />

<strong>WBW</strong>, <strong>der</strong> oberen Wasser- und Naturschutzbehörden,<br />

unteren Verwaltungsbehörden, <strong>der</strong><br />

Hochschulen sowie einem Sprecher <strong>der</strong> Betreuer<br />

zusammensetzte. Diese Liste von Mitwirkenden<br />

zeugt von einer breit angelegten<br />

Zusammenarbeit, die von Beginn <strong>der</strong> Gesellschaft auf Wunsch des Umweltministeriums die Arbeit <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

bestimmte.<br />

Der Beirat erweiterte 1999 seine Kompetenz noch mehr, als sich die kommunalen Spitzenverbände <strong>zur</strong> Mitarbeit<br />

im Beirat entschlossen. Dies brachte positive Effekte für die Kommunen mit sich, da ihre Interessen bei <strong>der</strong><br />

Auswahl <strong>der</strong> Themenschwerpunkte stärker als bisher beachtet werden konnten. Verän<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> Vertretung<br />

<strong>der</strong> Verwaltung im Beirat brachten die Verwaltungsreformen in den Jahren 1995 (SoBEG) und 2005<br />

(VRG), die zu einer tiefgreifenden Umstrukturierung <strong>der</strong> Wasserwirtschaftsverwaltung innerhalb einer Dekade<br />

geführt haben. Die Besetzung des Beirats im Jahre<br />

2005 ist in <strong>der</strong> Abbildung links und in <strong>der</strong> Tabelle<br />

auf <strong>der</strong> nächsten Seite dargestellt.<br />

Die ehrenamtlichen Betreuer und Betreuerinnen<br />

sind die tragende Säule <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften.<br />

Sie sind zuständig für die Organisation,<br />

Gestaltung und Durchführung <strong>der</strong> Nachbarschaftstage,<br />

die einmal im Jahr stattfinden.<br />

Außerdem halten sie Kontakt zu den Sprechern<br />

<strong>der</strong> Nachbarschaften 14 und stehen für Fragen<br />

<strong>der</strong> Teilnehmer <strong>der</strong> Nachbarschaften <strong>zur</strong> Verfügung.<br />

Sie sind somit das Verbindungsglied zwischen<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft und den Praktikern <strong>der</strong><br />

Gewässerpflege und -entwicklung. Ihre inhaltliche<br />

Aufgabe ist, ganz allgemein gesprochen,<br />

praktische, handwerkliche, aber auch rechtliche<br />

und wissenschaftliche Erkenntnisse in die<br />

Umsetzung zu transportieren. Außerdem kümmern<br />

sie sich um die Öffentlichkeitsarbeit in ihrer<br />

Nachbarschaft, wobei es sich hier meistens um<br />

Pressearbeit handelt. Bei all diesen Aufgaben<br />

erhalten sie Unterstützung in Form von Fortbildungsunterlagen<br />

sowie Schrift- und Bildmateria-<br />

Organigramm <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften<br />

lien für die Pressearbeit, die von <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

ausgearbeitet werden. Speziell die Fortbildungsunterlagen<br />

werden seit 1994 von Experten in so genannten „Projektgruppen Fortbildungsunterlagen“<br />

erarbeitet, die sich aus Vertretern <strong>der</strong> LUBW, Beiratsmitglie<strong>der</strong>n und Dritten zusammensetzen, die aus verschiedenen<br />

Fachdisziplinen und <strong>der</strong> Praxis stammen und themenbezogen vom Beirat benannt werden.<br />

14 Die Sprecher <strong>der</strong> Nachbarschaften sind Vertreter <strong>der</strong> Unterhaltungspflichtigen in den Nachbarschaften.<br />

Seite 9<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Aktuelle Mitglie<strong>der</strong> des Beirats <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften (Stand August 2006)<br />

Heinz Daucher<br />

Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW)<br />

Dr. Margarete Dohmann<br />

Landratsamt Reutlingen<br />

Manfred Flittner<br />

Landratsamt Rastatt, Umweltamt<br />

Georg Förster Regierungspräsidium Freiburg, Abteilung 5<br />

Walter Hailer<br />

Besigheim, ehemals Regierungspräsidium Stuttgart<br />

Prof. Dr. Hans-Karl Hauffe<br />

Fachhochschule Nürtingen<br />

Karlheinz Kibele<br />

Landkreistag Baden-Württemberg<br />

Prof. Dr. Werner Konold<br />

Albert-Ludwigs-Universität, Institut für Landespflege<br />

Gerhard Müller<br />

Gemeindetag Baden-Württemberg<br />

Dr. Jürgen Schedler<br />

Regierungspräsidium Stuttgart<br />

Rainer Specht<br />

Städtetag Baden-Württemberg<br />

Hansjörg Strähle<br />

Umweltministerium Baden-Württemberg<br />

Bürgermeister Herbert Vollmer<br />

Bürgermeisteramt Nordrach<br />

Bernd Walser Regierungspräsidium Freiburg, Abteilung 5<br />

Prof. Dr.-Ing.habil Bernhard Westrich Universität Stuttgart, Institut für Wasserbau<br />

Einmal im Jahr treffen sich<br />

die Betreuer (im Übrigen bis<br />

2000 „Lehrer“ genannt) <strong>zur</strong><br />

zentralen Veranstaltung des<br />

Betreuertags. Ziel ist dabei,<br />

die Betreuer an neue und<br />

aktuelle Themen z. B. rechtlicher<br />

und fachlicher Natur<br />

heranzuführen, Erfahrungen<br />

Dritter aufzunehmen, vor<br />

allem aber die nächsten<br />

Fortbildungsthemen zu diskutieren,<br />

sich untereinan<strong>der</strong><br />

auszutauschen und sich<br />

näher kennen zu lernen. Betreuer im Jahr 2002 in Bad Herrenalb. Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

Die Vorträge bei den Betreuertagen<br />

decken ein breites Spektrum ab. Ganz bewusst nahm man neben den „klassischen“ Themen wie<br />

Gehölzpflege, Hydraulik, Durchgängigkeit, Hochwasserschutz und Gewässerentwicklungsplanung auch Fragen<br />

<strong>der</strong> Geschichte von Gewässern, <strong>der</strong> Ästhetik, ja sogar <strong>der</strong> Geisteswissenschaften, und damit normative<br />

Aspekte, auf, um einen ganzheitlichen Zugang zu den Gewässern zu vermitteln. Der Trend zu solchen Themen<br />

hat sich in den letzten Jahren verstärkt: ein Spiegelbild <strong>der</strong> überall zu beobachtenden erweiterten Betrachtung<br />

von Natur, Landschaft und Gewässern.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Betreuertage bekam die pädagogisch-didaktische Fortbildung <strong>der</strong> Betreuer einen immer größeren<br />

Stellenwert, zum einen begründet in dem generellen Wunsch nach besserer Vermittlung von Inhalten,<br />

zum an<strong>der</strong>en sicherlich aber auch zu sehen als Reaktion auf die gesellschaftlichen Prozesse in Richtung vertiefter<br />

Kommunikation und <strong>der</strong> „Kundenorientierung“ <strong>der</strong> Fachleute. Dieser Teil <strong>der</strong> Weiterbildung besitzt eine sehr<br />

große Bedeutung, denn für die Leitung und Mo<strong>der</strong>ation <strong>der</strong> Gewässernachbarschaftage sind fundierte fachliche<br />

Kenntnisse alleine nicht ausreichend. Es sind darüber hinaus soziale und kommunikative Fähigkeiten und<br />

Kompetenzen wie Kontaktfreudigkeit, rhetorische Fähigkeiten, Kenntnisse <strong>der</strong> Methoden <strong>der</strong> Erwachsenenbildung<br />

und <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation, Kreativitätstechniken, <strong>der</strong> richtige Einsatz von Medien usw. erfor<strong>der</strong>lich. Zusätzlich<br />

erarbeitete eine Gruppe von Pädagogen ein Konzept für die Vermittlung <strong>der</strong> Inhalte <strong>der</strong> Fortbildungsthemen,<br />

<strong>der</strong> den Betreuern als Hilfe für die Ausarbeitung und Durchführung <strong>der</strong> Gewässernachbarschaftstage dient.<br />

Der Erfolg <strong>der</strong> Betreuertage in den ersten Jahren des Bestehens <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft führte dazu, dass<br />

1999 ein „kleiner Betreuertag“ organisiert wurde. Dieser diente dem intensiven Erfahrungsaustausch und <strong>der</strong><br />

Weiterbildung über aktuelle Themen und <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Fragen, die sich nicht als Fortbildungsthemen<br />

eignen, jedoch für die Arbeit in den Gewässernachbarschaften nützlich sind. Die Klärung <strong>der</strong> Beziehungen<br />

zwischen dem Mensch und dem Gewässer, die Gewässerpädagogik o<strong>der</strong> die Erläuterung wichtiger<br />

Aspekte <strong>der</strong> Europäischen Wasserrahmenrichtlinie sind beispielsweise Themen <strong>der</strong> kleinen Betreuertage gewesen.<br />

Diese Veranstaltungen hatten teils Workshop-Charakter und integrierten demzufolge interaktive Elemente,<br />

was den Austausch und die Diskussion unter den Betreuern auf einer fachlich hochwertigen und praxisnahen<br />

Ebene för<strong>der</strong>te. Die Betreuerinnen und Betreuer nehmen hier nicht nur wichtige fachliche Erkenntnisse für die<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 10


Nachbarschaftstage mit, son<strong>der</strong>n auch für ihren beruflichen Alltag. Auf diese Weise profitieren auf breiter Ebene<br />

auch das Land, die Kreise und die Kommunen von den Betreuertagen. Seit 1999 finden die großen und die<br />

kleinen Betreuertage jährlich im Wechsel statt.<br />

Durchführungsort, -zeitpunkt und Inhalt <strong>der</strong> Betreuertage und „Kleine Betreuertage“ zwischen 1993 und 2006:<br />

Jahr Ort Inhaltliche Schwerpunkte <strong>der</strong> Betreuertage<br />

1993 Oberharmersbach Ernennung <strong>der</strong> Betreuer; Verteilung erster Themenordner „Gehölzpflege“<br />

1994 Wäschenbeuren<br />

Vorstellung <strong>der</strong> drei ersten Fortbildungsthemen „Naturnahe Bauweisen“, „Gehölzpflege“ und<br />

„Lebensraum Fließgewässer“<br />

1995 Heiligenkreuztal Kosten und Belastbarkeit von naturnahen Bauweisen, Allgemeines zu Gewässerunterhaltung<br />

1996 Hüfingen<br />

Das neue Wassergesetz, Gewässerentwicklungsplanung, Gewässerunterhaltung im Konflikt <strong>der</strong><br />

Interessen<br />

1997 Mosbach/Odenwald Gewässerrandstreifen, reduzierte Gewässerunterhaltung und Vergabe <strong>der</strong> Unterhaltung an Dritte<br />

1998 Schwäbisch Hall Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit<br />

1999 Vaihingen/Enz Kleiner Betreuertag: Workshop zum Thema Mensch & Gewässer<br />

2000 Ulm Lebensraum und Erlebnisraum Gewässer<br />

2001 Todtmoos Kleiner Betreuertag: Gewässerpädagogik<br />

2002 Bad Herrenalb<br />

Jubiläumsveranstaltung <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft: Aktionstag am Rennbach mit einem<br />

Rückblick <strong>der</strong> bislang behandelten Themen<br />

2003 Denzlingen Kleiner Betreuertag: Kunst im/am Gewässer, Urbane Gewässer, verän<strong>der</strong>te Gewässer, WRRL<br />

2004 Friedrichshafen Aktionstag an <strong>der</strong> Rotach mit Themenschwerpunkt Wasserrahmenrichtlinie<br />

2005 Herrenberg<br />

2006 Ludwigsburg<br />

Kleiner Betreuertag: Erlensterben, neuer Fortbildungsordner Gehölzpflege und naturnahe Bauweisen<br />

in <strong>der</strong> Praxis<br />

Präsentation Jubiläumsband <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft; Vorstellung <strong>der</strong> Fortbildungsthemen<br />

durch die Betreuer <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften<br />

Seite 11<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Die Betreuer <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften von 1993 bis 2006<br />

Gewässernachbarschaft<br />

Freiburger Bucht<br />

Kaiserstuhl, Markgräflerl.<br />

LK Emmendingen<br />

LK Konstanz<br />

Ortenau/Schwarzwald<br />

Ortenau/Oberrhein<br />

LK Rottweil<br />

LK Tuttlingen<br />

Schwarzwald-Baar<br />

LK Waldshut<br />

Markgräflerl/Hochrhein<br />

Hochschwarzwald<br />

LK Calw<br />

Enzkreis<br />

LK Freudenstadt<br />

Oberrhein/Odenwald<br />

Kraichgau, Odenwald<br />

Neckar-Odenw. 1<br />

Neckar-Odenw. 2<br />

LK Karslruhe<br />

LK Rastatt<br />

LK Ludwigsburg<br />

Glems<br />

Rems 15<br />

Rems-Murr<br />

Schwäb. Gmünd/Heidenh.<br />

LK Aalen<br />

Kocher-Jagst-Sulm<br />

Schozach-Zaber-Lein 16<br />

LK Göppingen<br />

LK Esslingen<br />

LK Böblingen<br />

Main-Tauber<br />

Hohenlohe<br />

Schwäbisch Hall 1<br />

Schwäbisch Hall 2<br />

Ravensburg<br />

Bodenseekreis<br />

Sigmaringen<br />

LK Reutlingen<br />

LK Tübingen<br />

Zollernalb<br />

Alb-Donau-Kreis/Süd<br />

ADK/HDH<br />

LK Heidenheim 17<br />

Donau, Riss, Schussen<br />

Westernach, Rot Iller<br />

Hochrhein 18 (ab 1999)<br />

Betreuer<br />

1993 Klaus Steegmüller; 1994-95 Thomas Lindinger; seit 1996 Klaus Steegmüller<br />

1993-heute Joachim Striebel<br />

1993 Frömken; 1994-95 Klaus Steegmüller; 1996-2001 Petra Wehland; 2002-05 Stefan Martin, seit 2006<br />

Bernd Walser<br />

1993-94 Axel Volz; 1995-99 Franz Rosenberger; 2000-heute Hermann Ku<strong>der</strong><br />

1993-2005 Bernd Walser, seit 2006 Stefan Martin<br />

Seit 1995 Wendelin Maurath<br />

1995-97 Uwe Miritz; 1999-2005 Marlene Reichegger, seit 2005 Herbert Ulrich<br />

1993-94 Uwe Miritz; 1995-99 Willi Hensch, seit 2006 Marlene Reichegger<br />

1993-94 Manfred Däschner; 1995-2002 Dr. Gerhard Bronner; seit 2003 Michael Koch<br />

1993-96 Jürgen Reich; 1997-2001 Albert Ebner; seit 2002 Thorsten Kowalke<br />

1993-94 Armin von Roth; 1995-2005 Erich Linsin, seit 2006 Andreas Tröndle<br />

1993-97 Reinhold Jörger; 1998-2000 Michael Thater; 2001 Thorsten Kowalke; seit 2002 Hans Schweikert<br />

1993-2005 Siegfried Kappler, seit 2005 Peter Leib<br />

1993-99 Peter Haselmaier; seit 2000 Angelika Gross<br />

1993-2005 Axel Pälchen, heute Siegfried Kappler<br />

1993-heute Rainer Römer<br />

1993 Willi Klenk; 1995-heute Alexan<strong>der</strong> Hampe<br />

1993-heute Waldemar Ehrmann<br />

1994-95 Christian Thumfart; seit 1996 Dieter Rögner<br />

Seit 1995 Michael Reuschenbach<br />

1993-94 Günter Winkler; 1995-2005 Wolfgang Hennegriff, seit 2006 Herbert Peppel<br />

1993-97 Klaus-Dieter Schwarz; 1998-2002 Dieter Lillich<br />

1993 Stöckel; 1994-98 Walter Heuser; 1999-2002 Anton Schühle; seit 2003 Michael Kübler/Frau Lugibihl<br />

1993-94 Manfred Hopp; 1998 Paul Heinz Gutmayer<br />

1994-97 Almut Meyer; 1999-2002 Paul Heinz Gutmayer; seit 2003 Uta Lemberger<br />

1993-94 Dr. Ottmar Funk; seit 1995 Arnolf Hauber<br />

1993-94 Arnolf Hauber; 1995-heute Willi Gresser<br />

1993-94 Peter Laier; 1995-2000 Anke Albrecht, seit 2001 Frank Hütter<br />

1993 Glieninger; 1994 A. Ehrl-Nazaruk; 1994-95 Regine Rüdinger; seit 1996 Jakobine Biehl<br />

1993 Martin Lehmann; seit 1995 Gunnar Herbert<br />

1993-95 Roland Frick; seit 1996 Martin Lehmann<br />

1995-2005 Thomas Peissner, seit 2005 Mario Haas<br />

1993 Helmut Schwab; 1995 Werner Bäumler; 1996-1998 Peter Bissinger; 2000-2002 Helmut Schwab<br />

1994-2002 Helmut Schwab; seit 2003 Peter Laier<br />

1994 Thomas Riedel; seit 1995 Volker Elsässer<br />

1993, 1995-98 Thomas Riedel; 2000-heute Peter Engel<br />

1993-heute Dr. Heinz Strehle<br />

1994 Dr. Helmut Klepser; 1995-heute Josef Osterried<br />

1993-2005, Josef Pfen<strong>der</strong><br />

1993 Willi Bold; 1994 Herbert Weiwadel seit 1995 Willi Bold<br />

1993 Thomas Soldner; 1994 Elmar Lin<strong>der</strong>; 1995-2006 Thomas Soldner<br />

1993 Frau Semmler-Elpers; 1994 Erhard Hamann; 1995 Martin Lehmann; 1997-2005 Dr. Werner Ludwig,<br />

ab 2006 Simone Bass<br />

1993-heute Reinhold Beck<br />

1993-99 Martin Wiedenmann; seit 2000 Manfred Erhardt<br />

1993-94 Reinhold Beck; 1994 -1995 Dr. Ottmar Funk<br />

1993-94 Paul Rieck; seit 1995 Hans-Peter Hau<br />

1993 Dr. Helmut Klepser; seit 1994 Peter Eisele<br />

1999-2005 Jürgen Reich, ab 2006 Erich Linsin<br />

15 1999 wurde <strong>der</strong> Bezirk Rems im Bezirk Rems-Murr integriert.<br />

16 Bis 1995 war diese Nachbarschaft in zwei (Schozach-Sulm und Zaber-Lein) geteilt.<br />

17 Seit 1995 Zusammen mit Schwäbisch Gmünd<br />

18 Grenzüberschreitende Gewässernachbarschaft entstand 1999.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 12


Ursprünglich wurde Baden-Württemberg in<br />

insgesamt 47 Gewässernachbarschaftsbezirke<br />

nach Verwaltungsgrenzen, naturräumlichen<br />

und flusstypologischen Kriterien sowie nach<br />

Größe eingeteilt. In jedem Bezirk sollten sich<br />

ca. 25 Gewässerunterhaltungspflichtige befinden.<br />

Im Laufe <strong>der</strong> Jahre ist ein deutschschweizerischer<br />

Bezirk bei<strong>der</strong>seits des Hochrheins<br />

entstanden; zwei weitere sind aus organisatorischen<br />

Gründen zu einem verbunden<br />

worden, sodass es aktuell 47 Bezirke sind.<br />

Je<strong>der</strong> Betreuer und jede Betreuerin ist zuständig<br />

für einen Gewässernachbarschaftsbezirk,<br />

weshalb die gesamte Betreuergruppe im Idealfall<br />

aus 47 Personen besteht. Da die Betreuung<br />

viel Zeit und Energie in Anspruch nimmt<br />

und rein ehrenamtlich geleistet wird, kann es in<br />

Zeiten von hohem Arbeitsdruck und bei Verän<strong>der</strong>ungen<br />

o<strong>der</strong> Unsicherheiten in den Ämtern<br />

dazu kommen, dass Nachbarschaftstage<br />

nicht zustande kommen. Dank des enormen<br />

Engagements zahlreicher Bediensteter des<br />

Landes, <strong>der</strong> Landkreise und <strong>der</strong> Städte konnten<br />

jedoch bisher alle Nachbarschaften gut<br />

betreut werden.<br />

Im ersten Jahr <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

stammten alle Betreuer von den damaligen<br />

Ämtern für Wasserwirtschaft und Bodenschutz.<br />

Doch zunehmend engagierten sich in den<br />

Gewässernachbarschaften die Kreise, Städte<br />

Gewässernachbarschaftsbezirke in Baden-Württemberg. Stand<br />

August 2006.<br />

und Gemeinden immer mehr und schlugen eigene Betreuer vor. Durch die Einglie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gewässerdirektionen<br />

in die Regierungspräsidien und Landratsämter im Jahr 2005 sind viele Landesbedienstete zu den Landratsämtern<br />

gekommen, wodurch die Anzahl <strong>der</strong> Betreuer von Landeseinrichtungen stark geschrumpft ist.<br />

Heute kommt die Mehrheit <strong>der</strong> Betreuer aus den Landratsämtern <strong>der</strong> verschiedenen Kreise, ca. ein Drittel<br />

stammt aus Einrichtungen des Landes (Regierungspräsidien und Umweltministerium) und <strong>der</strong> Rest wird von den<br />

Kommunen und sogar von Firmen, wie z.B. <strong>der</strong> EnBW GmbH, für die Arbeit als Betreuer freigestellt.<br />

Das Gesamtkonzept „Naturnahe Unterhaltung von Fließgewässern“<br />

und die ersten Fortbildungsthemen <strong>der</strong> Nachbarschaften 19<br />

Wie bereits im Kapitel 1 kurz ausgeführt, war das Wasserbaumerkblatt im Jahre 1980 <strong>der</strong> erste Erlass in Baden-<br />

Württemberg, in dem festgelegt wurde, dass die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege bei den<br />

wasserbaulichen Maßnahmen an Fließgewässer berücksichtigt werden sollen. Es weist darauf hin, dass alle<br />

wasserbaulichen Arbeiten so vorzunehmen seien, dass die Lebensräume <strong>der</strong> Tier- und Pflanzenwelt gesichert<br />

werden können. Darüber hinaus seien die Bauweisen des naturgemäßen Wasserbaus anzuwenden und die<br />

Ufer naturnah zu gestalten.<br />

19 Auf eine detaillierte Beschreibung <strong>der</strong> Inhalte <strong>der</strong> Fortbildungsthemen <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften wird an dieser Stelle<br />

verzichtet. Im Anhang wird jedes Thema ausführlich erläutert, unter Einbeziehung von didaktischen Aspekten.<br />

Seite 13<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Gewässerausbau<br />

Handbuch Wasserbau H. 1 (1986)<br />

Dieses Heft ist das erste <strong>der</strong> Reihe Handbuch Wasserbau<br />

und erfüllt das Versprechen von 1980, das<br />

Wasserbaumerkblatt zusammen mit Beispielen aus<br />

<strong>der</strong> wasserbaulichen Praxis, mit denen die Anliegen<br />

des Merkblatts verdeutlicht werden können,<br />

zu veröffentlichen. Insgesamt werden 37 Beispiele<br />

von Gewässerstrecken präsentiert, die Gegenstand<br />

einer Umgestaltung gewesen sind. Die gibt<br />

einen Einblick in kurz- bis mittelfristige gewässermorphologische<br />

Prozesse und erfasst nahezu alle Gewässertypen<br />

in den Naturräumen des Landes.<br />

Die Ziele des Merkblattes bildeten eine wichtige Säule<br />

des Gesamtkonzeptes des Landes „Naturnahe Unterhaltung<br />

von Fließgewässern“, welches teilweise den<br />

inhaltlichen Rahmen für die Themen <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften<br />

darstellte (z.B. Gehölzpflege, naturgemäße<br />

Bauweisen). Das Konzept hatte schon lange<br />

Zeit in den Köpfen <strong>der</strong> Fachleute existiert und einen<br />

starken Nie<strong>der</strong>schlag in Umsetzungsprojekten (s.u.)<br />

gefunden, wurde aber erst im Jahre 1995 als konzentrierte<br />

Handlungsanleitung mit Leitfaden-Charakter für<br />

die Praxis in <strong>der</strong> Reihe „Handbuch Wasser 2“ veröffentlicht.<br />

Vorteil dieses Vorgehens war, dass aus <strong>der</strong> Erfahrung<br />

mit den Projekten beispielsweise <strong>der</strong> zuvor<br />

teilweise ausschweifende Erhebungs- und Planungsaufwand<br />

auf ein richtiges Maß zu Recht gestutzt werden<br />

konnte („In vielen Fällen mag <strong>der</strong> ‚Plan im Kopf’ genügen,...“) und auch die Planungssystematik schon<br />

ausgereift und erprobt war.<br />

Im Rahmen des Gesamtkonzeptes „Naturnahe Umgestaltung<br />

von Fließgewässern“ wurden über die Landesanstalt<br />

für Umweltschutz und die damaligen Ämter für Wasserwirtschaft<br />

und Bodenschutz Pilotprojekte in Angriff genommen,<br />

die als Vorbild für die unterhaltungspflichtigen Kommunen<br />

dienen sollten. Gleichzeitig sollten die Umgestaltungen<br />

wissenschaftlich untersucht werden, um Erkenntnisse für<br />

künftige Verfahren zu gewinnen. Insgesamt wurden 37 Pilotprojekte<br />

durchgeführt, die zusammen etwa 70 Kilometer<br />

Fließstrecke umfassten, räumlich und typologisch über das<br />

ganze Land verteilt. Ökologisch aufgewertet o<strong>der</strong> ganz<br />

umgestaltet wurden Gewässer I. und II. Ordnung unter<br />

Skizze einer Faschine aus dem Handbuch Wasserbau<br />

H. 5 „Naturgemäße Bauweisen“ von 1993.<br />

Naturgemäße Bauweisen<br />

Ufer- und Böschungssicherungen<br />

Handbuch Wasserbau, H. 5 (1993)<br />

Mit diesem Heft entstand eine aktualisierte, umfassende<br />

Grundlage für den naturnahen Wasserbau in <strong>der</strong> Praxis. Es<br />

wird eine große Fülle von ingenieurbiologischen Sicherungsmaßnahmen<br />

kurz und mit Hilfe zahlreicher Bil<strong>der</strong> und Skizzen<br />

beschrieben. Dies bot exzellente Entscheidungshilfen<br />

bei <strong>der</strong> Planung von Arbeiten am Gewässer.<br />

Das Heft glie<strong>der</strong>t sich in zwei Teile. Im ersten werden naturnahe<br />

Bäche – die Vorbil<strong>der</strong> – mit ihren vielen feinen Strukturen<br />

vorgestellt und den naturfernen Strukturen, die infolge<br />

menschlicher Eingriffe entstehen, gegenüber gestellt. Danach<br />

werden die Grundsätze des naturnahen Wasserbaus<br />

erläutert, ergänzt von einer kurzen Anleitung <strong>zur</strong> Auswahl<br />

von ingenieurbiologischen Bauweisen. Eine beson<strong>der</strong>e<br />

Aufmerksamkeit wird <strong>der</strong> Gehölzpflege geschenkt; sie wird<br />

in einem eigenen Kapitel ausführlich behandelt.<br />

Die Beschreibung von siebzehn verschiedenen Bauweisen<br />

füllt den zweiten Teil des Bandes. Manche Bauweisen sind<br />

einfach und kostengünstig durchführen (z.B. Weidenstecklinge),<br />

manche sind technisch anspruchsvoller und<br />

benötigen den Einsatz von Maschinen (z.B. Pfahlbuhnen).<br />

In einem Steckbrief wird jede einzelne Bauweise mit Text,<br />

Skizzen und Fotos genau beschrieben und hinsichtlich ihrer<br />

Vor- und Nachteile diskutiert.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 14


Verwendung ganz unterschiedlicher Verfahren, darunter bereits jahrzehntelang bekannte und erprobte ingenieurbiologische<br />

Bauweisen, aber auch neue Ansätze, wie etwa Gerinneaufweitungen, die Einbeziehung historischer<br />

Elemente o<strong>der</strong> einfach die Sukzession laufen zu lassen. Hier deutet sich die später dominanter<br />

werdende Strategie des „Lassen statt Machen“ schon an. Mit den Pilotprojekten konnten in kurzer Zeit viele<br />

neue Erkenntnisse gewonnen werden.<br />

Programm „Naturnahe Umgestaltung von Fließgewässern“<br />

Veröffentlichungen in Handbuch Wasserbau, H. 2 (Teil I & II) und Handbuch Wasser 2, H. 20 (Teil III)<br />

Teil I Leitfaden (1992) Teil II Dokumentation ausgeführter Projekte (1992)<br />

Damit präsentierte das Land den ersten umfassenden<br />

Wegweiser für die Planung und Ausführung<br />

von Projekten <strong>zur</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> naturnahen Gewässerentwicklung.<br />

Planungsinhalte und -abläufe<br />

im naturnahen Wasserbau unterscheiden sich wesentlich<br />

von denen <strong>der</strong> herkömmlichen Praxis im<br />

Wasserbau. Der wichtigste Unterschied ist die Zusammenarbeit<br />

von unterschiedlichen Disziplinen.<br />

Gerade die multidisziplinäre Betrachtungsweise in<br />

<strong>der</strong> Planung wird in diesem Leitfaden vermittelt<br />

und den Kommunen und sonstigen Interessierten<br />

als Empfehlungen <strong>zur</strong> Verfügung gestellt.<br />

Der Schwerpunkt wird auf die Beschreibung aller<br />

Phasen des Planungsablaufes gesetzt, von <strong>der</strong><br />

Vorklärung <strong>der</strong> Rahmenbedingungen und Ziele<br />

<strong>der</strong> Projekte mit allen Beteiligten über die Bestandsaufnahme<br />

im Einzugsgebiet, in <strong>der</strong> Aue und<br />

am Gewässer bis hin <strong>zur</strong> Ausführungsplanung. Eine<br />

Vielzahl von Beispielen aus <strong>der</strong> Praxis, unterstützt<br />

durch Pläne, Abbildungen und Skizzen, helfen dabei,<br />

diese für viele bisher unbekannte Art <strong>der</strong> Planung<br />

in einer verständlichen Art zu vermitteln.<br />

Das Umweltministerium Baden-Württemberg begann<br />

1986 das Pilotvorhaben „Naturnahe Umgestaltung ausgebauter<br />

Fließgewässer“. Dabei wurden unter Fe<strong>der</strong>führung<br />

<strong>der</strong> damaligen Wasserwirtschaftsverwaltung und<br />

unter Mitarbeit <strong>der</strong> Naturschutzverwaltung und auch örtlicher<br />

Naturschutzverbände 37 Gewässerstrecken an<br />

Gewässern II. Ordnung auf einer Länge von rd. 70 Km<br />

umgestaltet. Nach den Umgestaltungen wurden über die<br />

folgenden Jahre breit angelegte Untersuchungen durchgeführt,<br />

die neue Erkenntnisse über die Entwicklung <strong>der</strong><br />

Gewässer lieferten. Die Pilotprojekte sollten weitere Städte<br />

und Gemeinden ebenfalls <strong>zur</strong> naturnahen Umgestaltung<br />

ihrer ausgebauten Gewässer motivieren.<br />

Das Land veröffentlichte in diesem Heft die Erfahrungen<br />

bezüglich <strong>der</strong> Planung und Ausführung von 17<br />

Pilotprojekten. Jedes Projekt wird mittels eines Steckbriefs<br />

kurz beschrieben und in einer topographischen Karte<br />

lokalisiert. Dazu werden Details zu den Bestandsaufnahmen,<br />

Entwicklungszielen, <strong>zur</strong> Planung und Ausführung<br />

vermittelt. Je<strong>der</strong> Gewässerabschnitt ist fotographisch sehr<br />

gut dokumentiert, was die Planung und Umgestaltung<br />

anschaulich nachvollziehen lässt. Sehr wertvoll sind die<br />

vielen projektbezogenen Erfahrungen, die ebenfalls<br />

mitgeteilt werden.<br />

Teil III Dokumentation <strong>der</strong> Entwicklung ausgewählter Pilotvorhaben (1995)<br />

Aus den im Teil II beschriebenen Pilotprojekten wurden sechs Gewässer II. Ordnung für eine ökologische Begleitung<br />

nach <strong>der</strong> Umgestaltung ausgewählt. Dabei fanden Untersuchungen <strong>zur</strong> Morphologie, Hydrologie, Hydraulik und<br />

Gewässerentwicklung, zu den naturgemäßen Bauweisen, Bodenkäfern, Vögeln, zum Makrozoobenthos und <strong>zur</strong><br />

Fischfauna und Vegetation statt. Es werden zuerst die Methoden, die zum Monitoring verwendet wurden, beschrieben.<br />

Anschließend wird die Entwicklung <strong>der</strong> Gewässer Speltach, Kehrgraben, Siegentalbach, Kleines Sulzbächle,<br />

Wiesenbächle, Krähenbach, Enz und Murr mit Text und Bil<strong>der</strong>n dokumentiert.<br />

Eines <strong>der</strong> umfangreichsten und bekanntesten Projekte war in dieser Hinsicht die naturnahe Umgestaltung <strong>der</strong><br />

Enz in Pforzheim. Der Umbau <strong>der</strong> Enz auf 1800 m Länge im Stadtgebiet sollte beispielhaft sein und war ein äußerst<br />

publikumswirksamer Schwerpunkt <strong>der</strong> Landesgartenschau 1992. Die anspruchsvollen Baumaßnahmen<br />

wurden in den Jahren 1990 und 1991 umgesetzt. Hierbei wurden die Ufer <strong>der</strong> Enz mit verschiedenen ingenieurbiologischen<br />

Bauweisen gestaltet und gesichert. Die Enz in Pforzheim war damit ein großes, in dieser Form<br />

noch nie da gewesenes Freilandlabor, das sich in hervorragen<strong>der</strong> Weise für Dauerbeobachtungen und Erfolgskontrollen<br />

eignete. In den folgenden zehn Jahren wurden die Entwicklung <strong>der</strong> Bauweisen in wissenschaftlichen<br />

Untersuchungen erfasst und praxisbezogene Bemessungsgrundlagen im Bereich <strong>der</strong> Hydraulik,<br />

Hydrologie und Morphologie erarbeitet. Bei diesen Untersuchungen wirkte die Wasserwirtschaftsverwaltung mit<br />

Hochschulen und Fachbüros zusammen.<br />

Die Ergebnisse erschienen in den Reihen Handbuch Wasserbau (Hefte 1-5) und Handbuch Wasser 2, die das<br />

Umweltministerium und die Landesanstalt für Umweltschutz unter dem Dach des Gesamtkonzeptes heraus-<br />

Seite 15<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


achten. 20 In diesen Handbüchern wurde das Gesamtkonzept samt den Pilotprojekten vorgestellt, über die<br />

Methoden <strong>zur</strong> Unterstützung <strong>der</strong> naturnahen Gewässerentwicklung berichtet und ein Teil <strong>der</strong> Ergebnisse veröffentlicht.<br />

Die Enz in Pforzheim vor <strong>der</strong> Umgestaltung (Aufn.: LfU 1989). Naturnah umgestaltete Enz in Pforzheim (Aufn.: LfU 1994).<br />

Die Handbücher sollten den Kommunikationsfluss zwischen<br />

<strong>der</strong> Wasserwirtschaftsverwaltung und den unterhaltungspflichtigen<br />

Kommunen in Gang setzen und <strong>zur</strong> weiteren<br />

Umgestaltung ausgebauter Gewässer motivieren. Außerdem<br />

sollten sie dazu beitragen, die Fachwelt auf dem Laufenden<br />

zu halten. In diesem Kontext und <strong>zur</strong> Unterstützung<br />

dieser Ziele auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Unterhaltungspflichtigen organisierte<br />

die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft die ersten Gewässernachbarschaftstage<br />

im Jahr 1992 mit dem Fortbildungsschwerpunkt<br />

„Naturgemäße Bauweisen“. Der Hauptinhalt<br />

<strong>der</strong> Nachbarschaftstage lag in <strong>der</strong> Beschreibung<br />

solcher Bauweisen, <strong>der</strong>en Anwendungsmöglichkeiten und<br />

Grenzen sowie in praktischen Übungen am Gewässer.<br />

Weitere inhaltliche Grundlagen für die Nachbarschaftstage<br />

lieferten die bereits damals erschienenen Hefte <strong>der</strong> o. g. Reihen,<br />

vor allem:<br />

• Gewässerausbau, Handbuch Wasserbau, Heft 1<br />

(1986) (siehe auch Kasten Seite 14)<br />

• Naturgemäße Umgestaltung von Gewässern, Handbuch<br />

Wasserbau, Heft 2 (1992) (siehe auch Kasten<br />

Seite 15)<br />

• Naturgemäße Gestaltung von Gewässern, Handbuch<br />

Wasserbau, Heft 3 (1990)<br />

Handbuch Wasserbau: erste Reihe des Umweltministeriums<br />

zum naturnahen Wasserbau.<br />

• Bauweisen des naturnahen Wasserbaus: Umgestaltung<br />

<strong>der</strong> Enz in Pforzheim, Handbuch Wasser 2, Heft 2 (1991) (siehe auch Seite 56).<br />

Ebenso wichtig und hoch aktuell wie das Thema „Naturnahe Bauweisen“ war das 2. Fortbildungsthema „Praktische<br />

Gehölzpflege“, das für das Jahr 1993 gewählt wurde. Hierbei wurde die Bedeutung <strong>der</strong> Uferrandstreifen<br />

für Bäche und Flüsse hinsichtlich Ökologie, Uferschutz und Landschaftsbild hervorgehoben und es wurden<br />

Anlässe und Techniken <strong>der</strong> Gehölzpflege vorgestellt. Dazu wurden gesetzliche Vorschriften über Eigentumsverhältnisse<br />

und Zuständigkeiten erläutert und wurde auf die wichtigsten Unfallverhütungsvorschriften einge-<br />

20 Wichtige Handbücher und Leitfäden des UM/UVM und <strong>der</strong> LfU sowie sonstige beson<strong>der</strong>e Unterlagen, die als Grundlage für<br />

die Ausarbeitung <strong>der</strong> einzelnen Fortbildungsthemen von <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft herangezogen wurden, werden<br />

im Text in gelben Kästen vorgestellt.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 16


gangen. Die Beschäftigung mit diesen Themen erscheint heute selbstverständlich zu sein; damals hatten sie<br />

einen hohen Innovationswert und waren Ausdruck eines neuen Umgangs mit Gewässern.<br />

Der Inhalt dieses Fortbildungsthemas lehnte sich zum<br />

Teil an die Hefte <strong>der</strong> Reihe Handbuch Wasserbau an,<br />

insbeson<strong>der</strong>e an die Hefte Nr. 5 „Naturgemäße Bauweisen“<br />

und Nr. 6 „Gehölze an Fließgewässern“ (siehe<br />

Kasten auf Seite 14 und Fortbildungsthema „Praktische<br />

Gehölzpflege“ im Anhang).<br />

Darstellung des Wachstums eines auf den Stock gesetzten<br />

Baumstammes. Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

Das didaktische Konzept<br />

Das 3. Thema „Arbeiten im Lebensraum Fließgewässer“ knüpft an das vorherige „Praktische Gehölzpflege“ an,<br />

mit dem die Bedeutung <strong>der</strong> Ufervegetation für die Gewässer betont wurde. Diesmal sollte sich <strong>der</strong> Blick <strong>der</strong><br />

Unterhaltungspflichtigen auf das Wasser wenden und die darin lebenden Lebewesen entdecken. Sie sollten<br />

erfahren, dass die Wasserorganismen an ihren Lebensraum sehr spezifisch angepasst sind und Ansprüche haben,<br />

die für ihre Reproduktion und ihr Überleben erfüllt sein müssen. Darauf aufbauend sollten sie in Erfahrung<br />

bringen, welche Auswirkungen die Gewässerunterhaltung auf die Lebensbedingungen im Gewässer hat, und<br />

anschließend die passenden Methoden, Geräte und Pflegezeiträume kennen lernen, mit denen und in denen<br />

die Gewässerunterhaltung naturverträglicher verrichtet werden kann.<br />

Bevor das Fortbildungsthema beim jährlichen Lehrertag (später<br />

Betreuertag) präsentiert wurde und die Unterlagen für ihre Behandlung<br />

in den Gewässernachbarschaftstagen den Betreuern<br />

verteilt wurden, fanden üblicherweise im Herbst des vorherigen<br />

Jahres Pilotveranstaltungen statt. Bereits bei den Veranstaltungen<br />

zum Thema „Arbeiten im Lebensraum Fließgewässer“ wurde ein<br />

starker Rückgang <strong>der</strong> Teilnehmer im Vergleich zu den beiden vorangegangenen<br />

Fortbildungsthemen beobachtet. Mehrfach wurde<br />

von den Teilnehmern kritisiert, eine Notwendigkeit einer<br />

Teilnahme bei diesem Thema bestünde nicht. Auch von den Betreuern<br />

kamen Bedenken, ob das Thema in <strong>der</strong> kurzen Zeit eines<br />

Das Ökomobil.<br />

Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

Nachbarschaftstages zu behandeln und ob überhaupt ein Praxisbezug<br />

gegeben sei. Der Vortragsteil erwies sich als schwer vermittelbar<br />

und die vorgesehenen Lernziele konnten nur unvollständig<br />

vermittelt werden.<br />

Der erhoffte Erfolg stellte sich dennoch ein, weil die Teilnehmer intensiv in die inhaltlichen Diskussionen einbezogen<br />

wurden. Im praktischen Teil des Pilot-Nachbarschaftstages erwies sich das Ökomobil – wo die Teilnehmer<br />

die Tiere, die sie im Wasser gesucht und gesammelt hatten, unter dem Mikroskop anschauen konnten<br />

– als ein Höhepunkt <strong>der</strong> Veranstaltung.<br />

An den Mängeln dieser Pilotveranstaltungen zeigte sich, dass eine <strong>der</strong> größten Schwierigkeiten bei diesem<br />

Fortbildungsthema das Wecken von Interesse für ein auf den ersten Blick theoretisches und praxisfernes Thema<br />

war. So kam man zu <strong>der</strong> Erkenntnis, dass sowohl für die Erarbeitung und Gestaltung <strong>der</strong> Nachbarschaftstage<br />

als auch für die Einweisung <strong>der</strong> Betreuer in das Fortbildungsthema ein auf Erwachsene ausgerichtetes didaktisches<br />

Konzept notwendig war. Dieses wurde aus <strong>der</strong> Pädagogik <strong>der</strong> Erwachsenenbildung entwickelt und in<br />

den Merkblättern <strong>der</strong> Betreuer für die Vorbereitung und Durchführung <strong>der</strong> Nachbarschaftstage aufgenommen.<br />

Vom Grundsatz her handelt es sich um Methodenvorschläge, die darauf zielen, die Aufmerksamkeit <strong>der</strong><br />

Zuhörer bei <strong>der</strong> Vermittlung <strong>der</strong> Lernziele zu fangen und ihnen die Lernziele so zu präsentieren, dass sie sie verstehen<br />

und verinnerlichen. Bei <strong>der</strong> Konzeption war es sehr wichtig darauf zu achten, dass die Spezifika <strong>der</strong> Teilnehmer<br />

berücksichtigt wurden: Sie sind erwachsen, verfügen über berufliches Wissen und praktische<br />

Erfahrungen und sind es vor allem nicht mehr gewöhnt, Dozenten in geschlossenen Räumen zuzuhören!<br />

Seite 17<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Empfohlen wurde die Kombination<br />

von Vorträgen, Dialogen und Gruppenarbeit.<br />

Die Vortragsform darf nur<br />

über eine kurze Zeitspanne und nur<br />

dort angewendet werden, wo die<br />

Vermittlung von Sachverhalten, die<br />

für die Teilnehmer überwiegend neu<br />

sind, im Vor<strong>der</strong>grund steht. Beim<br />

Dialog sollen unter <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation<br />

des Betreuers die Lernziele durch<br />

Fragen und Antworten mit den Teilnehmern<br />

erarbeitet werden. In Gruppenarbeit<br />

werden die Teilnehmer<br />

aufgefor<strong>der</strong>t, die Lernziele selber zu<br />

finden.<br />

Ebenfalls wird auf die große Bedeutung<br />

von Rollenspielen hingewiesen,<br />

bei denen die verschiedenen Interessen von den Teilnehmern personifiziert werden. Dies kann <strong>zur</strong> Festigung<br />

des Lernstoffes und auch gleichzeitig <strong>zur</strong> Auflockerung <strong>der</strong> Vortragsteile beitragen. Zur Umsetzung <strong>der</strong> Methoden<br />

in <strong>der</strong> Praxis sollten verschiedene Hilfsmittel herangezogen werden, u.a. Folien, Lichtbil<strong>der</strong>, Tafeln, Flipchart<br />

und schriftliche Unterlagen.<br />

Da für die Umsetzung vom erarbeiteten didaktischen Konzept im Endeffekt nur die Betreuer zuständig sind,<br />

mussten diese erstmals das Konzept kennen lernen und sich mit ihm vertraut machen. Dabei musste ihr unterschiedlicher<br />

Kenntnisstand berücksichtigt werden. Um dies zu erreichen, wurden insbeson<strong>der</strong>e beim zweiten<br />

Betreuertag im Herbst 1994 in Wäschenbeuren und auch in den darauf folgenden Jahren Fachbeiträge <strong>zur</strong><br />

Didaktik und Mo<strong>der</strong>ation angeboten, die die Betreuer in ihrer Arbeit bei den Gewässernachbarschaftstagen<br />

unterstützen sollten.<br />

Nachbarschaftstag im Landkreis Waldshut, 1996: Dialog im Rollenspiel<br />

(Aufn.: Hauck).<br />

Im Jahr 1994 wird die Projektgruppe Fortbildungsunterlagen durch<br />

den Beirat ins Leben gerufen. Ihre Aufgaben umfassen:<br />

• Die Fortbildungsinhalte und Lernziele des Pilottages bis <strong>zur</strong> Beschlussreife<br />

zu erarbeiten,<br />

• die Erarbeitung von Vorschlägen <strong>zur</strong> Ausgestaltung des Lehrertages<br />

• die Unterstützung <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft und des Pilozum<br />

Fortbildungsthema durchführt) bei <strong>der</strong> Vorbereitung des Pilottages<br />

und <strong>der</strong> Betreuertagung<br />

Die Projektgruppe unter Fe<strong>der</strong>führung <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

setzt sich aus Beiratsmitglie<strong>der</strong>n, Vertretern des Pilotamtes<br />

und <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft sowie nach Bedarf aus<br />

Dritten zusammen. Jedes Jahr wird <strong>der</strong> Aufbau vom Beirat entsprechend<br />

dem Inhalt des Fortbildungsthemas neu beschlossen.<br />

Sowohl die Fortbildungsinhalte als auch<br />

ein an jedes Fortbildungsthema angepasstes<br />

didaktisches Konzept wird seitdem<br />

in einem Fortbildungsordner<br />

zusammengestellt, <strong>der</strong> beim Betreuertag<br />

den Betreuern übergeben und erläutert<br />

wird. In den schriftlichen Unterlagen wird<br />

das an jedem Thema angepasste didaktische<br />

Konzept in Form einer didaktischen<br />

Treppe dargestellt. Hier werden<br />

die Lernziele kurz beschrieben, zeitlich<br />

geordnet und geeignete Methoden und<br />

Medien <strong>zur</strong> Vermittlung <strong>der</strong> Lerninhalte<br />

vorgeschlagen. Die Lehr- und Lehrerunterlagen<br />

sind zweispaltig aufgebaut und<br />

durch zwei Symbole gekennzeichnet,<br />

was ihre optische und inhaltliche Aufteilung<br />

vereinfacht.<br />

Mit Hilfe des gut durchdachten und an die Teilnehmer angepassten didaktischen Konzepts konnte das Thema<br />

„Arbeiten im Lebensraum Fließgewässer“ letztlich erfolgreich vermittelt werden. Bei den Teilnehmern stieß das<br />

Thema auf große Resonanz, nicht zuletzt, wie bereits erwähnt, wegen des Einsatzes des Ökomobils.<br />

Nachdem die ersten drei Fortbildungsthemen zwischen den Jahren 1992 und 1995 in insgesamt 121 Nachbarschaftstagen<br />

an 2776 Unterhaltungspflichtige vermittelt worden waren, war <strong>der</strong> Erfahrungsaustausch <strong>der</strong><br />

Schwerpunkt des Jahres 1996.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 18


Informationen für ihre Einarbeitung <strong>der</strong> Betreuer in das Thema<br />

(weitergehende Informationen)<br />

Handreichungen für die Teilnehmer <strong>der</strong> Nachbarschaftstage<br />

(Vortragsinhalt)<br />

Beispiel zum didaktischen Konzept für die Behandlung des 6. Fortbildungsthemas „Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit“.<br />

Die Wassergesetznovelle von 1995<br />

Zum 1.1.1996 trat in Baden-Württemberg die Wassergesetznovelle in Kraft. Zahlreiche ökologische Zielsetzungen<br />

erweiterten die wasserwirtschaftliche Linie, die die Wassergesetzgebung bisher charakterisiert hatte. Das<br />

Gesetz brachte so viele Verän<strong>der</strong>ungen in Richtung naturnahe Gewässerentwicklung mit sich, dass es sogar<br />

„das ökologische Wassergesetz“ genannt wurde. So wurde zum Beispiel festgelegt, dass den Belangen des<br />

Naturhaushaltes bei <strong>der</strong> Bewirtschaftung Rechnung getragen werden müssen. Zum ersten Mal wurde in einem<br />

Gesetz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass natürliche o<strong>der</strong> naturnahe Gewässer erhalten werden sollen<br />

und bei den an<strong>der</strong>en ein naturnaher Zustand anzustreben sei. Und zwar solle dies in großem Maßstab im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Gewässerunterhaltung erfolgen, <strong>der</strong>en Umfang im Bezug auf die Gestaltung und Bewirtschaftung des<br />

Gewässerbettes und <strong>der</strong> Ufer deshalb erheblich erweitert wurde. 21 Obwohl die Bedeutung <strong>der</strong> Gewässer als<br />

Lebensräume stark hervorgehoben wurde, blieb doch die erste Priorität <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung, die Erhaltung<br />

eines ordnungsgemäßen Zustands für den Wasserabfluss, unangetastet.<br />

21 Schlenker, 1996; Poymann, 1997<br />

Seite 19<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Rechtsgrundlagen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung<br />

Teil I Überblick<br />

Handbuch Wasser 2, Heft 31 (1996)<br />

Der Leitfaden fasst die rechtlichen Grundlagen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung<br />

an öffentlichen Gewässern zusammen, die sich durch<br />

die Novellierung des Wassergesetzes von Baden-Württemberg im<br />

1996 verän<strong>der</strong>ten. Er sollte den Unterhaltungspflichtigen als Einführung<br />

in die neue Gesetzeslage dienen. Dafür werden die Neuregelungen<br />

ausführlich beschrieben, ihre Bedeutung für die Unterhaltung<br />

<strong>der</strong> Gewässer hervorgehoben und mit Skizzen und Bildmaterial<br />

anschaulich gemacht. Alle neuen und verän<strong>der</strong>ten<br />

Paragraphen sind aus dem Wassergesetz exzerpiert und in Kästen<br />

übersichtlich im Text integriert, sodass sich <strong>der</strong> Leitfaden zudem als<br />

rechtliches Nachschlagewerk sehr gut eignet.<br />

Ein Schwerpunkt des Heftes bildet die Schil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Eigentumsverhältnisse<br />

in und am Gewässer und <strong>der</strong>en Verän<strong>der</strong>ungen bei<br />

eigendynamischen Verän<strong>der</strong>ungen des Gewässerbettes.<br />

Ein zweiter Schwerpunkt ist die genaue Zuordnung <strong>der</strong> Verantwortlichkeiten<br />

bei <strong>der</strong> Unterhaltung <strong>der</strong> Gewässer und <strong>der</strong>en Anlagen<br />

und die Darstellung des Umfanges <strong>der</strong> Unterhaltungspflicht.<br />

Dabei wird u.a. auf die Abgrenzung <strong>der</strong> Unterhaltung zum Ausbau<br />

<strong>der</strong> Gewässer näher eingegangen.<br />

Eine weitere, für die Praxis <strong>der</strong> Unterhaltungspflichtigen bedeutende Verän<strong>der</strong>ung stellten die Neuregelungen<br />

hinsichtlich <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung des Gewässerzustands nach Hochwasserschäden dar. Bis 1996 hatten Anlieger<br />

ein Recht darauf, dass die von einem Hochwasser verursachten Schäden vom Unterhaltungspflichtigen zu<br />

beseitigen seien. Um die Eigenentwicklung <strong>der</strong> Gewässer zu för<strong>der</strong>n und damit auch die Entstehung von natürlichen<br />

Gewässerstrukturen zu unterstützen, legte das Wassergesetz nun fest, dass Hochwasserschäden grundsätzlich<br />

belassen werden und nur in begründeten Ausnahmefällen wie<strong>der</strong> rückgängig gemacht werden<br />

sollten. Diese Regelung spiegelte sich in den neuen För<strong>der</strong>richtlinien des Landes wi<strong>der</strong>. Hatte das Land die<br />

Sanierung von Hochwasserschäden früher pauschal bezuschusst, wurden solche Maßnahmen ab 1996 nur<br />

dann subventioniert, wenn sie in einem Vorhaben <strong>zur</strong> naturnahen Entwicklung o<strong>der</strong> Grun<strong>der</strong>werb von Gewässerrandstreifen<br />

integriert waren. 22 Sowohl die gesetzlichen Neuregelungen als auch die aktuellen För<strong>der</strong>richtlinien<br />

wurden von <strong>der</strong> damaligen<br />

LfU in einem Leitfaden herausgebracht<br />

(siehe Kasten).<br />

Es war damit zu rechnen, dass viele betroffene<br />

Anlieger nicht mit dem Flächenverlust<br />

infolge einer Verlagerung<br />

o<strong>der</strong> Vergrößerung des Gewässerbettes<br />

einverstanden sein würden und dass es<br />

zu Auseinan<strong>der</strong>setzungen mit den Unterhaltungspflichtigen<br />

kommen würde. Um<br />

Konflikte zu vermeiden und das Gesetz<br />

möglichst konfliktfrei in die Praxis umzusetzen,<br />

war es notwendig, die Unterhaltungspflichtigen<br />

gut darauf vorzubereiten.<br />

So war es beispielsweise wichtig,<br />

dass die Unterhaltungspflichtigen die<br />

Gründe, die <strong>zur</strong> Verän<strong>der</strong>ung des Gesetzes<br />

in Richtung mehr Naturschutz geführt<br />

hatten, akzeptieren. Weiter sollten sie mit<br />

den neuen Regelungen vertraut ge-<br />

Das Fortbildungsthema „Was tun nach Hochwasser“ hilft den Unterhaltungspflichtigen<br />

zu entscheiden, wie sie nach dem Eintreten von Hochwasserschäden<br />

(z.B. Uferabbrüche, wie auf dem Bild) vorgehen müssen.<br />

Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

22 Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU), 1996<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 20


macht werden und es sollte ihnen das nötige rechtliche Wissen vermittelt werden, damit sie den Anliegern die<br />

möglichen Alternativen für ihren Flächenverlust aufzeigen könnten. Diese Ziele bildeten den Kern des 4. Fortbildungsthemas<br />

„Was tun nach Hochwasser?“, das schwerpunktmäßig im Laufe des Jahres 1996 vorbereitet und<br />

im darauf folgenden Jahr in den Gewässernachbarschaften behandelt wurde.<br />

und das Prinzip des „Lassen statt Machen“ – auf die Unterhaltungspraxis auswirkte, zeigen die zahlreichen<br />

Fachbeiträge, die <strong>zur</strong> Information und Einarbeitung <strong>der</strong> Betreuer im dritten Betreuertag gehalten und in den<br />

Statusberichten 1995 und 1996 zusammengestellt wurden. Jürgen Schlenker, stellvertreten<strong>der</strong> Leiter des Referates<br />

51 beim RP Stuttgart, beschrieb mit einfachen Beispielen viele Aspekte <strong>der</strong> neuen Rechtslage. Er ging auch<br />

auf rechtliche Begriffe ein, die für Nicht-Juristen unbestimmt sein können, wie zum Beispiel „Rechnung tragen“.<br />

Ein weiterer Jurist, Thomas Reinhardt vom Umweltministerium, berichtete über die Pflichten und Duldungen <strong>der</strong><br />

Anlieger und Nutzer gegenüber <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung und stellte Fallbeispiele vor, wie in Streitfällen mit<br />

den Anliegern umgegangen werden könnte. Die neu definierte Abgrenzung zwischen Unterhaltung und Ausbau<br />

von Gewässern, mit ihren Ungenauigkeiten und möglichen Konfliktfel<strong>der</strong>n, wurde an Hand von Erfahrungen<br />

aus <strong>der</strong> Praxis von Roland Frick, damaliger Betreuer des Landkreises Esslingen, konkretisiert und<br />

durchsichtiger gemacht.<br />

Wie vielfältig und komplex sich die Wassergesetznovelle – insbeson<strong>der</strong>e die verän<strong>der</strong>te Eigentumsregelung<br />

An<strong>der</strong>e Vorträge widmeten sich dem Grundsatz „Lassen statt Machen“ bzw., wie es Bernhard Burkart, Leiter<br />

des damaligen Bereiches Offenburg <strong>der</strong> Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein, präziser ausdrückte,<br />

„Neue Wege in <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung“ (Statusbericht 1997/98). Der Ausdruck „Lassen statt Machen“<br />

wurde von vielen so verstanden, dass die Unterhaltung aller Gewässer pauschal stark eingeschränkt werden<br />

sollte, um die Naturnähe <strong>der</strong> Gewässer zu för<strong>der</strong>n. Dies kann aber zu unerwarteten Hochwasserschäden führen,<br />

da die unkontrolliert wachsende Ufervegetation unvorsehbare Auswirkungen auf die Abflussleistung des<br />

Gewässers haben kann. Burkart plädierte deshalb für die Suche und Erprobung von alternativen Strategien,<br />

die sowohl <strong>zur</strong> Kosteneinsparung als auch <strong>zur</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gewässerentwicklung und Bewahrung des Hochwasserschutzes<br />

führen können.<br />

Die neuen Aspekte <strong>der</strong> Novellierung waren unter den kritischen Augen <strong>der</strong> Anlieger und Nutzer so strittig, dass<br />

die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft eine öffentliche Diskussion organisierte, um die betroffenen Interessensgruppen<br />

zusammen zu bringen. Im Rahmen des 4. Betreuertags wurden Vertreter von Politik und Presse, des Gemeindetags,<br />

von Ingenieurbüros, <strong>der</strong> Landwirtschaft und des Naturschutzes eingeladen, damit sie ihre<br />

Meinung, Lob und Kritik äußern und sich <strong>der</strong> Diskussion stellen. Die Statements <strong>der</strong> Teilnehmer und die anschließende<br />

Podiumsdiskussion zeigten, wie unterschiedlich die Wassergesetznovelle bei den Betroffenen angekommen<br />

war und wie kritisch sie gesehen wurde. Die Gemeinden sahen ihre Unterhaltungslast immer größer<br />

werden, und dies bei zunehmend knapperen Haushaltsmitteln; <strong>der</strong> Vertreter des Landesbauernverbandes<br />

äußerte die Sorge <strong>der</strong> Landwirte, unter den neuen Regelungen weiter „bluten“ zu müssen. Der BUND und an<strong>der</strong>e<br />

Umweltverbände kritisierten dagegen,<br />

dass das Wassergesetz beim Schutz<br />

<strong>der</strong> Gewässerrandstreifen viel zu kurz<br />

gegriffen habe. – Mit welchem Fingerspitzengefühl<br />

dieses Thema behandelt<br />

werden sollte, konnten die Betreuer an<br />

dieser Diskussion gut erkennen und konnten<br />

dies entsprechend bei den Nachbarschaftstagen<br />

an die Teilnehmer weitergeben.<br />

Gewässerrandstreifen können Einträge abpuffern, hier an <strong>der</strong> Schneidheimer<br />

Sechta. Aufn.: W. Konold.<br />

Wie bereits erwähnt, wurde in <strong>der</strong> Wassergesetznovelle<br />

<strong>der</strong> Begriff Gewässerrandstreifen<br />

eingeführt und seine Ausweisung<br />

für alle Gewässer gesetzlich<br />

festgelegt. Gewässerrandstreifen besitzen<br />

eine Fülle von Funktionen, die sich<br />

sowohl auf das Gewässer als Lebensraum<br />

als auch auf die Wasserqualität<br />

(Pufferfunktion) und die Abflussleistung<br />

erstrecken. Auch wenn diese Streifen auf privatem Grund liegen, muss ihre Pflege im Rahmen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung<br />

gewährleistet sein. Das Wassergesetz verpflichtet die Träger <strong>der</strong> Unterhaltung, die Randstreifen zum<br />

Schutz <strong>der</strong> Gewässer auszuweisen und erfor<strong>der</strong>lichenfalls zu erwerben.<br />

Seite 21<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Um die Unterhaltungspflichtigen bei <strong>der</strong> Bewältigung dieser neuen Aufgaben zu unterstützen, wurde das 5.<br />

Fortbildungsthema „Gewässerrandstreifen“ auf <strong>der</strong> Grundlage eines Vortrags von Manfred Bauer (siehe Statusberichte<br />

1996 und 1997/98) entwickelt. Die For<strong>der</strong>ung, die Gewässerrandstreifen zu erwerben, ist danach im<br />

Prinzip eine gute Lösung, um Flächen aus <strong>der</strong> landwirtschaftlichen Nutzung dauerhaft herauszunehmen. Bei<br />

immer kleineren öffentlichen Budgets ist <strong>der</strong> Grun<strong>der</strong>werb jedoch oft nicht realisierbar, da zu den Grundstückskosten<br />

schwer kalkulierbare Vermessungskosten hinzukommen. Sozial- und agrarpolitisch ist <strong>der</strong> Grun<strong>der</strong>werb<br />

auch nicht immer eine optimale Lösung, da Landwirte und sonstige Anlieger aus <strong>der</strong> Gestaltung des ländlichen<br />

Raumes ausgeschlossen werden. Besser ist es, sie in die Pflege zu integrieren und ihnen eine Einkommensquelle<br />

zu schaffen. Deshalb sind Alternativen zu verfolgen, etwa in <strong>der</strong> Form, dass für die<br />

Gewässerrandstreifen Nutzungseinschränkungen o<strong>der</strong> die Umwandlung von Acker- in Grünland vereinbart<br />

werden. Erfahrungen zeigen, dass Landwirte oft bereit sind, die Pflege <strong>der</strong> Landschaft – wobei hier die Gewässerrandstreifen<br />

gemeint sind – zu übernehmen (siehe Vortrag von Peter Schach zum Thema Landschaftserhaltungsverbände,<br />

Statusbericht 1997/98 und Vortrag von Martin Seng zum Thema Maschinenring im<br />

Statusbericht 1997/98).<br />

Die Alternative, die schonende Bewirtschaftung des Gewässerrandstreifens den Landwirten zu überlassen,<br />

schließt an eine Tendenz an, die seit Mitte <strong>der</strong> 1990er Jahre in <strong>der</strong> Wasserwirtschaftsverwaltung verstärkt an<br />

Bedeutung gewann: Die Vergabe <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung an Dritte, die durch die Reduktion <strong>der</strong> personellen<br />

Ressourcen im öffentlichen Dienst ausgelöst wurde. Die Möglichkeiten, die den Gemeinden und Gewässerdirektionen<br />

in dieser Hinsicht <strong>zur</strong> Verfügung stehen, wurden beim Betreuertag im Jahr 1997 aufgezeigt. Dabei<br />

wurde unter Verweis auf entsprechende rechtliche Regelungen darauf hingewiesen, dass die Vergabe <strong>der</strong><br />

Unterhaltung die Aufsichtsbehörde nicht von ihren gesetzlichen Pflichten freimache. Die Leiter <strong>der</strong> Bereiche<br />

<strong>der</strong> GWDen Nördlicher Oberrhein und Südlicher Oberrhein/Hochrhein berichteten von ihren diesbezüglichen<br />

Erfahrungen an Gewässern I. Ordnung. Walter Heuser vom Tiefbauamt Stuttgart erzählte, wie sich Einsparungen<br />

in <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung und Gewässerpflege an Gewässern II. Ordnung auf die Unterhaltungspraxis<br />

einerseits auswirken und an<strong>der</strong>seits erreichen lassen. Wie die Landschaftspflege sich konkret darstellt, zeigten<br />

Referenten von <strong>der</strong> Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Stuttgart und vom Landschaftserhaltungsverband<br />

Emmendingen.<br />

Der Erfolg <strong>der</strong> Fortbildungsthemen „Was tun nach Hochwasser?“ und „Gewässerrandstreifen“ war sehr groß –<br />

1997 nahmen über 1000 Personen an den Nachbarschaftstagen teil. Die äußerst positive Resonanz lässt sich<br />

am Beispiel des Zitats eines Teilnehmers erkennen: Es ist schön, dass wir einmal im Jahr weg von unserer täglichen<br />

Arbeit kommen und sehen, was Sache bei <strong>der</strong> natürlichen Gewässerunterhaltung ist. Beson<strong>der</strong>s toll finde<br />

ich, dass man da aus erster Hand erfährt, was das Wassergesetz rechtlich hergibt, z.B. ob und wann wir Hochwasserschäden<br />

beheben müssen. Die Teilnahme am Nachbarschaftstag erspart uns durch die Hintergrundinformationen<br />

viel Arbeit, weil wir dann wissen, was wir tun müssen, aber auch, was wir lassen können (H. Karle,<br />

Leiter des Bauhofes <strong>der</strong> Gemeinde<br />

Dörzbach an <strong>der</strong> Jagst 23 ).<br />

1999 rückte ein für die Annäherung an<br />

naturnahe Verhältnisse im Gewässer<br />

unverzichtbares Thema in den Vor<strong>der</strong>grund:<br />

die Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit.<br />

1992/93 war <strong>der</strong> morphologische<br />

Zustand <strong>der</strong> Fließgewässer<br />

im Land durch die LfU zum ersten Mal<br />

erhoben und in eine Übersichtskarte<br />

dargestellt worden. Neben an<strong>der</strong>en<br />

Parametern wurde <strong>der</strong> Strukturfaktor<br />

„künstliche Wan<strong>der</strong>ungshin<strong>der</strong>nisse für<br />

Kleinlebewesen und Fische“ an den<br />

Gewässern erhoben und die Ergebnisse<br />

zeigten, dass rund die Hälfte <strong>der</strong> Gewässer<br />

II. Ordnung bezüglich ihrer Durch-<br />

Fisch-„Freitreppe“ statt Durchgängigkeit: eine alte, nicht funktionsfähige<br />

technische Lösung in <strong>der</strong> Aich bei Grötzingen. Aufn.: W. Konold.<br />

23 Schwab, 1999<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 22


gängigkeit als beeinträchtigt bis naturfern galten. 24<br />

Ausgelöst von dieser Kartierung und auf Grund des im Wassergesetz formulierten Ziels, den ökologischen Zustand<br />

<strong>der</strong> Gewässer zu verbessern, beauftragte die LfU 1996 Prof. Westrich von <strong>der</strong> Universität Stuttgart mit <strong>der</strong><br />

Erarbeitung einer Studie <strong>zur</strong> ökologischen Durchgängigkeit. 25 Diese Studie bildete die Grundlage für die wenige<br />

Jahre später veröffentlichten Leitfäden <strong>der</strong> Reihe Handbuch Wasser 2 „Rauhe Rampen in Fließgewässern“<br />

und „Anlagen <strong>zur</strong> Herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit von Fließgewässern“ (siehe Kasten auf Seite 24). Auch bundesweit<br />

gewann dieses Thema an Bedeutung, wie die Veröffentlichung des Deutschen Verbandes für Wasserwirtschaft<br />

und Kulturbau „Fischaufstiegsanlagen – Bemessung, Gestaltung, Funktionskontrolle“ (1996) zeigt. 26<br />

Die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft griff diese Problematik als 6. Fortbildungsthema auf und entwickelte einen für<br />

die Unterhaltungspflichtigen angepassten Fortbildungsordner mit dem Namen „Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit“.<br />

Durchgängigkeit für Tiere in Gewässern<br />

LUBW Leitfadenreihe „Oberirdische Gewässer, Gewässerökologie“<br />

Bereits 1987 wurden Untersuchungen <strong>zur</strong> ökologischen Durchgängigkeit von Pegelschwellen begonnen. Diese wurden<br />

ab 1990 im Zusammenhang mit Vorarbeiten zum Wasserkrafterlass auf Raue Rampen, Verbindungsgewässer<br />

und Mindestabflussregelungen erweitert. Hieraus entstand unter Beteiligung <strong>der</strong> Gewässerbiologen und Fischökologen<br />

sowie <strong>der</strong> Fischereiverwaltung des Landes Baden-Württemberg 1999 <strong>der</strong> LfU-Leitfaden „Rauhe Rampen in<br />

Fließgewässern“ (Heft 45). Dieses Heft wurde durch den LfU-Leitfaden „Anlagen <strong>zur</strong> Herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit<br />

in Fließgewässern – Raue Rampen und Verbindungsgewässer“ im Jahr 2000 durch die Verbindungsgewässer erweitert<br />

(Heft 63, siehe auch Kasten auf Seite 24).<br />

Im Jahr 2005 wurde <strong>der</strong> LfU-Leitfaden „Mindestabflüsse in Ausleitungsstrecken – Grundlagen, Ermittlung und Beispiele“<br />

(Heft 97) herausgegeben und zum Thema „Durchgängigkeit für Tiere in Fließgewässern“ wurde eine neue Leitfadenreihe<br />

begonnen:<br />

Teil 1 – Grundlagen<br />

Teil 2 – Umgehungsgewässer und fischpassierbare Querbauwerke<br />

Teil 3 – Hochwasserrückhaltebecken und Talsperren<br />

Teil 4 – Durchlässe, Verrohrungen sowie Anschluss Seitengewässer und Aue<br />

Teil 5 – Fischabstieg bei Querbauwerken<br />

Der LfU-Leitfaden Teil 1 (Heft 95) wurde Ende 2005 veröffentlicht. Teil 2 <strong>der</strong> Leitfadenreihe (Heft 101) wurde als Fortschreibung<br />

des Hefts 63 in 2006 durch die LUBW aktualisiert.<br />

Ein wichtiger Bestandteil <strong>der</strong> Leitfäden sind ausgeführte Beispiele in Baden-Württemberg. Diese Beispiele richten sich<br />

an Behörden und Planer und beinhalten wertvolle Informationen über die hydraulische Berechnung, die bautechnische<br />

Gestaltung sowie praktische Erfahrungen und Hinweise <strong>zur</strong> Bauausführung und zum Betrieb.<br />

Der Begriff „Durchgängigkeit“ umfasst die Vernetzung <strong>der</strong> Lebensräume im Gewässer und bezieht sich (a) auf<br />

den Längsverlauf, um Wan<strong>der</strong>ung und Drift zu ermöglichen, (b) auf das Querprofil und die Vernetzung von<br />

Gewässer, Wasserwechselzone und Aue und (c) auf die Durchgängigkeit in vertikaler Richtung, vom Wasserkörper<br />

im Lückensystem unter <strong>der</strong> Gewässersohle bis in den Grundwasserkörper. Alle Aspekte wurden beim<br />

Betreuertag angesprochen, um ein ganzheitliches Bild des Gewässers zu vermitteln. Die Fachbeiträge wurden<br />

anschließend im Statusbericht veröffentlicht und können dort nachgeschlagen werden.<br />

Beson<strong>der</strong>es Interesse an durchgängigen Gewässern haben vor allem auch die Angler. Beim Betreuertag des<br />

Jahres 1998 konnte diese Interessensgruppe direkt ihre Anliegen bezüglich <strong>der</strong> Gestaltung von durchgängigen<br />

Bauwerken vortragen, etwa wie mit kleinen ingenieurbiologischen Maßnahmen große Erfolge erreicht werden<br />

können. An<strong>der</strong>e Vorträge des Betreuertages, die sich mit <strong>der</strong> Problematik <strong>der</strong> Durchgängigkeit beschäftigten,<br />

widmeten sich den hydraulischen Bedingungen, die zu stabilen und morphologisch vielfältigen Gewässersohlen<br />

führen. Bemerkenswert war dabei <strong>der</strong> Beitrag von Martin Jäggi über Gewässeraufweitungen, die <strong>zur</strong> Vermin<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Sohlenerosion in schweizerischen Gewässern durchgeführt wurden. Jäggi stellte außerdem vor,<br />

wie sich eine solche Gewässeraufweitung auf die Wutach auswirken könnte, bezogen auf einer Strecke, an<br />

<strong>der</strong> <strong>der</strong> Fluss die Grenze zwischen Deutschland und <strong>der</strong> Schweiz bildet und auffallende Tiefenerosionsprobleme<br />

zeigt.<br />

24 Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU), 1995<br />

25 Institut für Wasserbau <strong>der</strong> Universität Stuttgart, 1996<br />

26 DVWK, 1996<br />

Seite 23<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Anlagen <strong>zur</strong> Herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit<br />

von Fließgewässern –<br />

Raue Rampen und Verbindungsgewässer<br />

Oberirdische Gewässer, Gewässerökologie 63. LfU<br />

(2000)<br />

Dieses Heft ist die Fortsetzung und Erweiterung des Heftes<br />

Nr. 45 <strong>der</strong> gleichen Reihe namens „Rauhe Rampen<br />

in Fließgewässern“ (1999). Es handelt sich um einen<br />

technisch ausgerichteten Leitfaden, in dem verschiedene<br />

Anlagentypen <strong>zur</strong> Herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit<br />

von Gewässern (Klassische Rampe, Steinrampe<br />

nach SCHAUBERGER, Riegelrampe, Muldenrampe und<br />

Teilrampe) sowie Verbindungsgewässer technisch beschrieben<br />

werden.<br />

Nach einer Einführung in die hydraulische Berechung<br />

von Rauen Rampen werden für jeden Rampentyp Bemessungsbeispiele<br />

und Konstruktionsempfehlungen<br />

gegeben. Für die Verbindungsgewässer werden ebenfalls<br />

die hydraulischen Grundlagen vermittelt und Empfehlungen<br />

<strong>zur</strong> Gestaltung des Einlaufbereiches, des<br />

Verbindungsgewässers und des Auslaufbereiches gemacht.<br />

Als Letztes wird eine breite Palette von ausgeführten<br />

Rampen und Verbindungsgewässern in Baden-<br />

Württemberg dokumentiert. Diese Beispiele richten sich<br />

an Behörden und Planer und beinhalten wertvolle Information<br />

über die bautechnische Gestaltung sowie<br />

praktische Erfahrungen und Hinweise <strong>zur</strong> Bauausführung.<br />

Fischaufstiegsanlagen – Bemessung,<br />

Gestaltung, Funktionskontrolle<br />

DVWK Merkblätter 232/1996<br />

Der vom DVWK eingesetzte Fachausschuss<br />

ermittelte durch eine interdisziplinäre<br />

Zusammenarbeit von Biologen und<br />

Ingenieuren den Stand <strong>der</strong> Technik im<br />

Jahr 1996 zum Bau und Betrieb von Fischaufstiegsanlagen.<br />

Zunächst werden die<br />

abiotischen Faktoren, die das Überleben<br />

<strong>der</strong> Gewässerfauna bedingen, das Wan<strong>der</strong>verhalten<br />

aquatischer Organismen<br />

und Ursachen für ihre Gefährdung erläutert.<br />

Darauf aufbauend wird auf die technischen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen von Fischaufstiegsanlagen<br />

eingegangen, die am Beispiel<br />

bestehenden Konstruktionen beleuchtet<br />

werden. Ergänzt wird das Ganze mit <strong>der</strong><br />

Beschreibung <strong>der</strong> Funktion, Gestaltung<br />

und hydraulischen Bemessung (inkl. Bemessungsbeispiele)<br />

von technischen<br />

Fischaufstiegsanlagen.<br />

Die Unterscheidung zwischen den Arbeiten, die im Rahmen <strong>der</strong> Unterhaltung durchgeführt werden können,<br />

von denen, die einer wasserrechtlichen Genehmigung bedürfen, wurde ebenfalls bei diesem Betreuertag<br />

angesprochen. Für die Gewässerunterhaltungspflichtigen stellt sich regelmäßig die Frage, ob Maßnahmen <strong>zur</strong><br />

naturnahen Gestaltung eines Gewässers genehmigungspflichtig sind o<strong>der</strong> im Rahmen <strong>der</strong> Unterhaltung ohne<br />

Weiteres umgesetzt werden können. Diese Frage taucht insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit<br />

auf, da man es mit mehr o<strong>der</strong> weniger großen bautechnischen Maßnahmen zu tun hat. Die Frage<br />

lässt sich für die Praxis nicht pauschal beantworten; es müssen also Einzelfallentscheidungen getroffen werden.<br />

Urbane Gewässer<br />

Viele Siedlungsgewässer sind durch Querbauwerke fragmentiert. Die Funktion des Hochwasserschutzes bzw.<br />

des schadlosen Abflusses von Hochwässern steht meist an erster Stelle. Daher ist die Mehrzahl <strong>der</strong> Gewässer –<br />

große wie kleine – in starre und groß dimensionierte Gerinne eingezwängt o<strong>der</strong> gar unter die Straßen verbannt<br />

worden. Die Gewässerunterhaltung reduzierte sich in den meisten Fällen auf die Offenhaltung des Abflussprofils.<br />

Spontan aufkommende Vegetation wurde als Gefahr gesehen und, außer in wenigen Ausnahmen, nicht<br />

geduldet.<br />

Mit zunehmenden Ansprüchen an die urbane Lebensqualität, einem erhöhten Umweltbewusstsein und steigendem<br />

Erholungsdruck ist in <strong>der</strong> Gesellschaft <strong>der</strong> Wunsch nach attraktiveren, aber auch schönen Freiräumen<br />

in Ortslagen gewachsen. Der Trend, seit den 1970er Jahren erkennbar, erweiterte sich auf die Gewässer und<br />

ihre Uferzonen, also Strukturen, die lange Zeit als Abflusskanäle abqualifiziert und auch vergessen waren. 27 Das<br />

Wassergesetz von 1995 bot den rechtlichen Rahmen für eine Aufwertung, indem es für Gewässer in Ortslagen<br />

einen Gewässerrandstreifen festlegte und ihre ökologische Verbesserung einfor<strong>der</strong>te.<br />

Gewässer in <strong>der</strong> Stadt sind ein wichtiger Bestandteil <strong>der</strong> urbanen Freiräume. Auch für Flora und Fauna können<br />

urbane Gewässer – ein akzeptabler struktureller und stofflicher Zustand vorausgesetzt – eine enorme Bedeu-<br />

27 DVWK, 2000<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 24


tung haben, da sie, vor allem bei hoher urbaner Dichte, <strong>der</strong> einzige nennenswerte Lebensraum für etliche<br />

Arten sein können und sich wie eine „Lebensa<strong>der</strong>“ quer durch Siedlungen und Verkehrsflächen ziehen.<br />

Die Verbesserung des ökologischen Zustandes <strong>der</strong> Gewässer innerhalb von Ortslagen ist um ein Vielfaches<br />

schwieriger zu bewerkstelligen als außerhalb. Innerhalb <strong>der</strong> Siedlungen stößt man auf zahlreiche Zwangspunkte<br />

in Form von Gebäuden, Verkehrswegen und Versorgungsleitungen, sodass es utopisch ist, naturnahe<br />

Gewässer herstellen zu wollen. Zudem muss die Hochwassersicherheit innerhalb von Ortslagen ausnahmslos<br />

gewährleistet sein, weshalb die Vegetationsentwicklung nur unter kontrollierten Bedingungen innerhalb des<br />

Abflussprofils zugelassen werden darf.<br />

Regenwassereinleitungen von Verkehrsflächen können eine Belastung <strong>der</strong> Gewässer mit Nähr- und Schadstoffen<br />

auslösen. Dies wie<strong>der</strong>um kann die Besiedlung mit Pflanzen und typischen aquatischen Tiergruppen einschränken<br />

und somit eine Renaturierung erschweren. 28 Trotz dieser Probleme, welche in schwer wiegenden<br />

Fällen sogar eine Freizeit-Nutzung infrage stellen könnten, ist eine Verbesserung <strong>der</strong> ökologischen Bedingungen<br />

in den urbanen Gewässern prinzipiell möglich und auch erwünscht.<br />

Lange Zeit dienten viele urbane Gewässer als Abwasserkanäle und als Kanalüberlauf, die <strong>zur</strong> Aufrechterhaltung<br />

<strong>der</strong> Abflusskapazität von Hin<strong>der</strong>nissen freigehalten werden mussten. Zunehmend ist ihre Funktion als Erholungsraum<br />

und damit ihr ökologischer Wert gewachsen. Die Erwartungen an die Gewässer in Siedlungsgebieten sind<br />

hoch und vielfältig, was ihre Unterhaltung sehr erschwert. Links: Feuerbach im Stuttgarter Raum (Aufn.: W. Konold);<br />

rechts: Gewerbebach im Raum Freiburg (Aufn.: O. Kaiser).<br />

Mit <strong>der</strong> bereits erwähnten Umgestaltung <strong>der</strong> Enz im Jahre 1990 in Pforzheim setzte das Land einen ersten großen<br />

Baustein in Richtung ökologische Aufwertung von urbanen Gewässern. Die Enz sollte als Beispiel für an<strong>der</strong>e<br />

Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg dienen. Ähnliche Vorhaben an städtischen Flüssen wurden im<br />

Anschluss daran, sicherlich nicht im Einzelfall mit <strong>der</strong> Enz begründet, mehrfach in Deutschland umgesetzt, beispielsweise<br />

an <strong>der</strong> Pleiße in Leipzig, am Stadtkanal in Potsdam o<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Isar in München. 29 – Zur Aufwertung<br />

urbaner Fließgewässer reichen oft kleine Eingriffe, die im Rahmen <strong>der</strong> ohnehin anstehenden Unterhaltung<br />

durchgeführt werden können.<br />

In innerstädtischen Bereichen spielt die Verkehrssicherheit eine ganz wichtige Rolle. Dies wird im Wassergesetz<br />

angesprochen und zielt speziell auf die Gewässerunterhaltung. Bäume sollen regelmäßig auf ihre Standsicherheit,<br />

auf Krankheiten und Schäden überprüft werden. Bei begründetem Verdacht auf Bruchgefahr müssen sie<br />

28 Gunkel, 1991<br />

29 Kaiser, 2005<br />

Seite 25<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


o<strong>der</strong> Teile davon entfernt werden. Insbeson<strong>der</strong>e die Pflege o<strong>der</strong> die Entfernung von alten Bäumen stoßen oft<br />

bei <strong>der</strong> Bevölkerung auf Unverständnis. Daher sind Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit unumgänglich.<br />

Wegen <strong>der</strong> Bedeutung und Komplexität <strong>der</strong> innerörtlichen Gewässerpflege wurde im Jahr 2000 das 7. Fortbildungsthema<br />

„Gewässerunterhaltung in Ortslagen“ für die Gewässernachbarschaften ausgearbeitet.<br />

Status Quo <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Gewässerentwicklung und -unterhaltung in<br />

Baden-Württemberg Ende <strong>der</strong> 1990er Jahre und Folgen für die<br />

Gewässernachbarschaften<br />

Ende <strong>der</strong> 1990er Jahre lagen sowohl die gesetzlichen Grundlagen als auch zahlreiche Leitfäden und Materialien<br />

vor, die die Umsetzung einer naturnahen Gewässerentwicklung in die Praxis erleichtern sollten. Um herauszufinden,<br />

inwiefern dies tatsächlich umgesetzt worden war, führten die damalige Landesanstalt für<br />

Umweltschutz und die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft im Jahre 1999 eine Umfrage bei den Unterhaltungspflichtigen<br />

durch. Insbeson<strong>der</strong>e sollten dabei folgende Fragen geklärt werden:<br />

Wie stellt sich die Gewässerunterhaltung in <strong>der</strong> Praxis im landesweiten Überblick dar?<br />

In welchem Umfang wurden Gewässerentwicklungspläne erstellt, Umgestaltungsmaßnahmen und sonstige<br />

Maßnahmen <strong>zur</strong> naturnahen Gewässerentwicklung vorgenommen?<br />

Welche Informationsquellen werden von den Unterhaltungspflichtigen genutzt und wie wird das Angebot<br />

<strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für die Gewässerentwicklung bewertet?<br />

Alle Unterhaltungspflichtigen <strong>der</strong> Gewässer I. Ordnung (Gewässerdirektionen) und II. Ordnung (Städte, Gemeinde<br />

und sonstige) erhielten hierzu im Herbst 1999 – nach Abstimmung mit dem Städte- und dem Gemeindetag<br />

– Fragebögen. Die Ergebnisse <strong>der</strong> anonymen Auswertung wurden im Statusbericht 1999/2000 von Dr.<br />

Gisela Splett von <strong>der</strong> LfU präsentiert. Sie zeigten, dass sich in den letzten Jahren einiges in Richtung naturnahe<br />

Gewässerentwicklung bewegt hatte. Es waren Gewässerentwicklungspläne gemacht und Planungen umgesetzt<br />

und Randstreifen erworben worden. Die Unterhaltungsintensität hatte sich in den zehn Jahren zwischen<br />

1989 und 1999 verringert. Das Weiterbildungsangebot <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft war unter den Unterhaltungspflichtigen<br />

hoch geschätzt und sie fühlten sich überwiegend gut informiert: eine Bestätigung <strong>der</strong> erfolgreichen<br />

Tätigkeiten <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft!<br />

Aus den Ergebnissen <strong>der</strong> Umfrage ergaben sich dennoch einige Themen, die noch aufzuarbeiten waren. Einige<br />

wurden direkt von den Befragten genannt, wie etwa weitere Informationen zu rechtlichen Sachverhalten<br />

und <strong>zur</strong> praktischen Durchführung von Maßnahmen <strong>zur</strong> naturnahen Entwicklung. An<strong>der</strong>e offene Fragen konnten<br />

aus den Fragebögen indirekt abgeleitet werden, beispielsweise die dringend nötige Aufklärung über die<br />

Unterhaltung <strong>der</strong> Gewässer von geringer wasserwirtschaftlicher Bedeutung außerhalb von Ortslagen. Es hatte<br />

sich nämlich gezeigt, dass die Gewässerunterhaltung in <strong>der</strong> freien Landschaft immer noch viel zu intensiv<br />

durchgeführt wurde.<br />

Obwohl etwa 80% <strong>der</strong> Gewässerstrecken außerhalb von Ortslagen liegen, zeigte die Befragung, dass nur an 8%<br />

<strong>der</strong> Gewässer auf eine Unterhaltung völlig verzichtet wurde. Als Grund wurde meistens die Offenhaltung des<br />

Abflussprofils genannt, die mit Mahd, Räumung und Gehölzpflege erreicht wurde. Laut Wassergesetz soll die<br />

Unterhaltung nur dort und dann stattfinden, wenn sie für das Wohl <strong>der</strong> Allgemeinheit, aus wirtschaftlichen, ökologischen<br />

o<strong>der</strong> aus Hochwassersicherheitsgründen notwendig ist. Dieser Anspruch und die tatsächliche Praxis<br />

klaffen also weit auseinan<strong>der</strong>. Ziel <strong>der</strong> wasserwirtschaftlichen Politik des Landes war und ist, die Unterhaltungsarbeiten<br />

für Gewässer und Gräben außerorts auf ein Minimum zu reduzieren, um die Eigendynamik zu för<strong>der</strong>n<br />

o<strong>der</strong> zu beschleunigen.<br />

Ein Großzahl Gewässer außerorts, die einer oftmals viel zu intensiven und unnötigen Unterhaltung ausgesetzt<br />

sind, waren – und sind es vielerorts immer noch – die Gräben. Diese kleinen künstlichen Gewässer, die in <strong>der</strong><br />

Regel <strong>zur</strong> Ent- o<strong>der</strong> Bewässerung von landwirtschaftlichen Flächen angelegt wurden, sind prägende Elemente<br />

einige unserer Landschaften und können, trotz ihrer ursprünglichen Funktion als Entwässerungseinrichtungen,<br />

wertvolle Lebensräume und vernetzende Strukturen sein, wenn sie nicht zu intensiv und mit schonenden Verfahren<br />

gepflegt werden. 30<br />

30 Lei<strong>der</strong>s, Röske, 1996; Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU), 1999<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 26


Die Vermittlung <strong>der</strong> Bedeutung einer naturverträglichen Grabenunterhaltung, <strong>der</strong> schonenden Unterhaltungsmethoden<br />

und <strong>der</strong> geeigneten Geräte waren die zentralen Punkte des 8. Fortbildungsthemas „Unterhaltung<br />

und Pflege von Gräben“ im Jahr 2001. Mit <strong>der</strong> Erarbeitung dieses Themas gemeinsam mit <strong>der</strong> Gemeinnützigen<br />

Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftseintwicklung mbH (GfG) begann eine konstruktive<br />

Zusammenarbeit <strong>der</strong> beiden Fortbildungsgesellschaften, die bis dato als einzige Gewässernachbarschaften<br />

in den Län<strong>der</strong>n Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz durchführten.<br />

IKoNE<br />

IKoNE (Integrierte Konzeption Neckar-<br />

Einzugsgebiet) ist ein 1999 vom Land geschaffener<br />

Handlungsrahmen für die Integration<br />

und Koordination von allen wasserwirtschaftlichen<br />

Planungen und Maßnahmen<br />

im Einzugsgebiet des Neckars. Ziele von IKo-<br />

NE sind die Verbesserung Hochwasserschutz<br />

und -vorsorge sowie des ökologischen Zustandes<br />

und Gewässergüte. Als Basis für die<br />

Erreichung <strong>der</strong> Ziele setzt IKoNE auf das partnerschaftliche<br />

Zusammenwirken aller Beteiligten,<br />

vom Land über die Kommunen bis<br />

zum einzelnen Bürger.<br />

Die Beteiligung eines breiten Spektrums von<br />

Interessierten Gruppen und Personen hat zu<br />

vorbildlichen Planungsprozessen und Projekten<br />

geführt. So sind Projekte mit multifunktionalen<br />

Zielen entstanden und ausgeführt<br />

worden, bei denen die natürliche Gewässerentwicklung<br />

mit dem Hochwasserschutz<br />

und <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Erlebbarkeit <strong>der</strong><br />

Gewässer abgestimmt werden konnten.<br />

Viele <strong>der</strong> Betreuer <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften<br />

wirkten in IKoNE, <strong>der</strong>en Geschäftsführung<br />

bei <strong>der</strong> Gewässerdirektion<br />

Neckar lag, mit. An<strong>der</strong>e hatten ihren Dienstsitz<br />

im Neckareinzugsgebiet und konnten<br />

ebenfalls von den durch IKoNE betreuten<br />

Projekten profitieren und sie für ihre Arbeit in den Nachbarschaftstagen einsetzen. Im Statusbericht 2001-2002 wurde<br />

z.B. über die Wie<strong>der</strong>herstellung eines Altarmes an <strong>der</strong> Lein (Gewässer I.O) berichtet.<br />

Die GfG wurde 1995 nach dem Vorbild <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft vom damaligen DVWK gegründet<br />

und übernahm zu Beginn ihrer Tätigkeit die Fortbildungsthemen „Gehölzpflege“ und „Arbeiten im Lebensraum<br />

Fließgewässer“, um möglichst schnell flächendeckend in Hessen und Rheinland-Pfalz Gewässernachbarschaften<br />

gründen zu können. Die guten Erfahrungen bei <strong>der</strong> Erarbeitung und Umsetzung dieses Fortbildungsthemas<br />

führten <strong>zur</strong> gemeinsamen Ausarbeitung weiterer Fortbildungsthemen.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> potentiellen Verklausungs- und Überschwemmungsgefahr, die im Gewässerbett liegende Aststücke,<br />

Äste o<strong>der</strong> sogar Baumstämme haben können, war es lange Zeit gang und gäbe, im Zuge <strong>der</strong> Unterhaltung<br />

jegliches Totholz im Gewässer sofort zu entfernen. Doch Totholz ist ein äußerst wichtiges Gestaltungselement<br />

für die Entstehung von gewässermorphologischen Strukturen. Das Ziel, die Gewässerstruktur zu verbessern,<br />

erfor<strong>der</strong>t daher das Belassen einer gewissen Menge an Totholz im Gewässerbett.<br />

Bei <strong>der</strong> Diskussion um Fließgewässerbewertung und -renaturierung wird oft versucht, den Ist-Zustand eines Gewässers<br />

mit seinem „Leitbild“, das heißt einem idealen Zustand, <strong>der</strong> eine natürliche Situation abbildet, o<strong>der</strong><br />

einem Zustand, <strong>der</strong> sich einstellen würde, wenn <strong>der</strong> Einfluss des Menschen schlagartig aufhören würde. Doch<br />

<strong>der</strong> Versuch scheitert oftmals schon an <strong>der</strong> Suche nach diesen Leitbil<strong>der</strong>n, weil sie einfach nicht mehr vorhanden<br />

sind. In den Fließgewässern, wie wir sie heute vorfinden, findet sich ungleich weniger Totholz als in natürli-<br />

Seite 27<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Totholz ist ein charakteristisches Merkmal von naturnahen Gewässern; hier<br />

<strong>der</strong> Otterbach im Naturschutzgebiet Otterbach-Bruchbach-Nie<strong>der</strong>ung.<br />

Aufn.: S. del Río.<br />

chen Gewässern. 31 In kleinen Gewässern bewirkt Totholz die Ausbildung von natürlichen Strukturelementen wie<br />

Kolke, Bänke o<strong>der</strong> Stufen, erhöht die morphologische Unregelmäßigkeit und unterstützt die Umformung <strong>der</strong><br />

laufbedingten Strukturen. Dies zeigten die Ergebnisse <strong>der</strong> ersten umfangreichen Untersuchung zum Totholz in<br />

Baden-Württemberg, die aus <strong>der</strong> Zusammenarbeit des Instituts für Wasserbau und Kulturtechnik <strong>der</strong> Universität<br />

Karlsruhe mit dem Institut für Landschaftsökologie und Naturschutz in Bühl Mitte <strong>der</strong> 1990er Jahre entstanden<br />

war. 32<br />

Für die aquatische Fauna bietet<br />

Totholz Nahrung und Unterschlupf und<br />

för<strong>der</strong>t damit die biologische Vielfalt.<br />

Viele Insekten sind direkt an Totholz<br />

gebunden und <strong>der</strong> Totholzmangel, wie<br />

wissenschaftliche Studien in Wäl<strong>der</strong>n<br />

gezeigt haben, kann <strong>zur</strong> Existenzbedrohung<br />

von vielen Arten führen. 33 Im<br />

Gewässer gibt es eine Reihe von Wirbellosenarten<br />

(vor allem Trichoptera<br />

und Diptera), die Totholz direkt als<br />

Habitat und Nahrungsquelle nutzen. 34<br />

Daneben profitieren beispielsweise die<br />

Fische von Totholz, weil es die Strömung<br />

diversifiziert und Strukturbildner<br />

ist, etwa in Form von Kies- und Sandbänken<br />

und Laubansammlungen.<br />

Viele Erkenntnisse aus wissenschaftlichen<br />

Untersuchungen flossen in den<br />

Fortbildungsunterlagen ein, die von<br />

<strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft und <strong>der</strong><br />

GfG für das 9. Thema „Totholz in Gewässern“<br />

im Jahre 2001 erarbeitet wurden. Die Fortbildungseinheit sollte den Unterhaltungspflichtigen die ökologische<br />

und gewässermorphologische Bedeutung von Totholz vermitteln und ihnen bei <strong>der</strong> Beantwortung <strong>der</strong><br />

Frage, wann im Gewässer Totholz entfernt und wann es belassen werden sollte, helfen. Außerdem sollten sie<br />

lernen zu beurteilen, welche Risiken Totholz im Fließgewässer mit sich bringt. Gleichzeitig sollten sie eine positive<br />

Einstellung zu Totholz bekommen und ermutigt werden, in ungefährlichen Situationen Holz im Gewässer liegen<br />

zu lassen und die Entwicklung zu beobachten.<br />

10-jähriges Bestehen <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften<br />

2002 feierte die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft ihren ersten runden Geburtstag. Nach einem Jahrzehnt Arbeit<br />

konnte sie stolz auf 354 Veranstaltungen, an denen insgesamt mehr als 7000 Beschäftigte <strong>der</strong> unterhaltungspflichtigen<br />

Kommunen teilgenommen hatten, <strong>zur</strong>ückblicken. Gefeiert wurde das Jubiläum im Rahmen des 10.<br />

Betreuertages im Oktober 2002 in Bad Herrenalb, an dem <strong>der</strong> Minister für Umwelt und Verkehr Baden-<br />

Württemberg Ulrich Müller, MdL, die Begrüßungsworte sprach und sich bei den Betreuern und Betreuerinnen für<br />

ihr großes Engagement bedankte. Mit einem gewissen Stolz konnte er darauf hinweisen, dass <strong>der</strong> Erfolg dieser<br />

innovativen Form <strong>der</strong> Weiterbildung und des Erfahrungsaustausches schon weitere Kreise gezogen hatte und<br />

über die Landesgrenzen gesprungen war, fest zu machen an <strong>der</strong> Einrichtung ähnlicher Institutionen: <strong>der</strong> GFG<br />

mbH in Hessen und Rheinland Pfalz, <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften in Nordrhein-Westfalen und Bayern sowie<br />

<strong>der</strong> Erfahrungsaustausche in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Sogar <strong>der</strong> Schweizerische Wasserwirtschaftsverband<br />

übernahm die Idee <strong>zur</strong> Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen auf dem Gebiet <strong>der</strong><br />

Gewässerentwicklung innerhalb <strong>der</strong> zahlreichen Unterverbände.<br />

Für die Veranstaltung wurde ein Aktionstag am frisch renaturierten Rennbach organisiert, an dem die über die<br />

Jahre erarbeiteten Fortbildungsthemen <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften an verschiedenen Stationen demonst-<br />

31 Hering, Reich, 1997<br />

32 Eckert et al., 1996<br />

33 Scherzinger, 1996<br />

34 Hering, Reich, 1997<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 28


iert wurden: zum Beispiel die Anwendung naturgemäßen Bauweisen <strong>zur</strong> Sicherung <strong>der</strong> Ufer in unterschiedlichen<br />

Varianten o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Einsatz von Totholz. Im Ökomobil <strong>der</strong> Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege<br />

Karlsruhe und im Bachpatenmobil <strong>der</strong> Stadt Freiburg konnten die kleinsten Gewässerbewohner unter<br />

dem Mikroskop betrachtet werden. Mit dem angenehmen Plätschern des Baches im Hintergrund konnte Lesungen<br />

von Hermann Hesses „Siddharta“<br />

gelauscht werden.<br />

Im Jahr darauf wurden die Betreuer geehrt,<br />

die die ganzen zehn Jahre die Fortbildungsgesellschaft<br />

mit ihrer ehrenamtlichen<br />

Arbeit nach außen repräsentiert<br />

hatten. Damals handelte es sich um<br />

14 Personen, mittlerweile ist 2005 die Zahl<br />

<strong>der</strong> „Zehner-Jubilare“ auf 21 gestiegen<br />

(siehe auch Liste <strong>der</strong> BetreuerInnen S.<br />

14). Der 10. Statusbericht wich wegen<br />

des beson<strong>der</strong>en Anlasses von seiner<br />

sonstigen Aufmachung ab und diente<br />

diesmal <strong>der</strong> Vorstellung beson<strong>der</strong>er Projekte,<br />

Planungen und Aktionen <strong>der</strong> vier<br />

Gewässerdirektionen und ihren insgesamt<br />

13 Bereiche. Den Statusbericht<br />

2001/2002 kann man daher als ein gut<br />

Einweihung des Rennbaches beim 10. Jubiläum <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

im Jahr 2002: Kin<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Movimento-Schule für Tanz und<br />

Bewegung aus Bad Herrenalb interpretieren den "Tanz <strong>der</strong> Wassernymphen“.<br />

Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

gelungenes Schaufenster <strong>der</strong> wasserwirtschaftlichen<br />

Praxis in Baden-Württemberg<br />

bezeichnen. Das Spektrum <strong>der</strong><br />

Beiträge ist bunt und stellt überwiegend<br />

Projekte <strong>zur</strong> Umgestaltung von Fließgewässern,<br />

Feuchtgebieten und Seeufern vor. Einige Beiträge<br />

blicken <strong>zur</strong>ück und zeigen die Erfolge langjährigen<br />

Einsatzes, z.B. zwölf Jahre Elzbachprogramm im<br />

Bereich Heidelberg. Beson<strong>der</strong>s innovativ zeigte sich<br />

<strong>der</strong> Bereich Waldshut, <strong>der</strong> ein Projekt an <strong>der</strong> Wutach<br />

vorstellte, an dem erstmalig Kunst – vom japanischen<br />

Künstler Koki Wanatabe – in die Renaturierung einbezogen<br />

worden war.<br />

Ein Renaturierungsprojekt an <strong>der</strong> Nagold im Pforzheim,<br />

das von einer Arbeitsgruppe <strong>der</strong> Lokalen<br />

Agenda 21, unterstützt von <strong>der</strong> Gewässerdirektion,<br />

entworfen worden war, wurde als Beispiel für eine<br />

erfolgreiche Bürgerbeteilung vom Bereich Freudenstadt<br />

präsentiert. Die breite Palette an Themen deckt<br />

sich mit den von den Gewässernachbarschaften<br />

verfolgten Ansprüchen: die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> naturnahen<br />

Gewässerentwicklung und die Stärkung <strong>der</strong><br />

Beziehung Mensch und Gewässer. Dies sind zwei<br />

Landartprojekt von Koki Wanatabe an <strong>der</strong> Wutach.<br />

Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

Stränge für ein Ziel. Während die Gewässerdirektionen mit ihren Projekten und Umsetzungen Vorbil<strong>der</strong> für<br />

künftige wasserwirtschaftlichen Maßnahmen schaffen, bildet die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft die Mitarbeiter<br />

<strong>der</strong> landeseigenen Bauhöfe und <strong>der</strong> Kommunen weiter, um sie in die Lage zu versetzen, ihre<br />

Unterhaltungspflicht fachgerecht und auf <strong>der</strong> Grundlage neuer Erkenntnisse umzusetzen.<br />

Seite 29<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Die Europäischen Richtlinien FFH und WRRL<br />

Natura 2000 in Baden-Württemberg<br />

Ministerium für Ländlicher Raum (MLR) & Landesanstalt für Umweltschutz<br />

(LfU), 2004<br />

Diese Broschüre widmet sich dem neuen europäischen Schutzgebietsnetz<br />

Natura 2000 und ihrer Umsetzung in Baden-<br />

Württemberg. Sie liefert allgemeine Informationen über die Hintergründe<br />

und Ziele von Natura 2000, geht aber auch auf rechtliche<br />

Details ein und liefert im Anhang die vollständigen Gesetzestexte,<br />

die Natura 2000 zu Grunde liegen. Daher ist diese Broschüre sowohl<br />

für Fachleute, die in <strong>der</strong> Planung und Nutzung <strong>der</strong> Natur tätig sind,<br />

als auch für die interessierte Öffentlichkeit von Interesse.<br />

Speziell für Baden-Württemberg folgt eine Beschreibung <strong>der</strong> die in<br />

Natura 2000 enthaltenen Lebensraumtypen. Diese werden anhand<br />

ihrer typischen Pflanzenarten und sonstigen beson<strong>der</strong>en Merkmale<br />

charakterisiert und es wird ihre Verbreitung aufgezeigt. Daneben<br />

werden die Tier- und Pflanzenarten von europäischer Bedeutung<br />

beschreiben und fotographisch dokumentiert.<br />

Landschaftsraumes o<strong>der</strong> mit dem Schutz des Brachvogels vereinbar;<br />

<strong>der</strong> Schutz von historischen Kulturlandschaftselementen wie<br />

Wiesenwässerungsanlagen kann <strong>zur</strong> Herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit<br />

im Wi<strong>der</strong>spruch stehen; die für eine geschlossene Grasnarbe<br />

notwendige regelmäßige Mahd eines Dammes kann mit<br />

dem Erhalt des Lebensraum von Orchideen wegen <strong>der</strong> Zeitpunkte<br />

<strong>der</strong> Mahd konfligieren.<br />

Neben dieser generellen Problematik war die flächenhafte Festlegung<br />

des europäischen Schutzgebietssystems Natura 2000 in<br />

Baden-Württemberg Auslöser für die Auswahl des 10. Fortbildungsthemas<br />

„Gewässerunterhaltung in geschützten Gebieten“,<br />

das wie<strong>der</strong>um mit <strong>der</strong> GfG erarbeitet wurde. Grundlage für das<br />

Netzwerk Natura 2000 sind zwei europäische Richtlinien (Vogelschutz-<br />

und FFH-Richtlinie 35 ), <strong>der</strong>en Ziel die Erhaltung <strong>der</strong> biologischen<br />

Vielfalt und die Sicherung des Naturerbes für kommende<br />

Generationen in Europa ist. Baden-Württemberg, das die europäische<br />

Regelung Ende 2005 in das Landesnaturschutzgesetz integrierte,<br />

trägt mit 48 Lebensraumtypen, 52 Tier- und Pflanzenarten, 65<br />

brütenden Vogelarten sowie weiteren rastenden Vögeln zu diesem<br />

Schutzgebietssystem bei. Diese Lebensräume, Tier- und Pflanzenarten<br />

haben aus europäischer Sicht eine wichtige Bedeutung und<br />

Baden-Württemberg ist verantwortlich dafür, sie über das Schutzgebietssystem<br />

Natura 2000 in ihrem Bestand zu erhalten. Für diese<br />

Einer <strong>der</strong> Schwerpunkte <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft ist es, den Unterhaltungspflichtigen die Grundlagen<br />

und Methoden für die Unterstützung <strong>der</strong> naturnahen Gewässerentwicklung zu vermitteln. Die bisher behandelten<br />

Themen verdeutlichen dies: Naturnahe Bauweisen, Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit, Gewässerrandstreifen,<br />

Unterhaltung und Pflege von Gräben usw. Doch manche dieser Ziele sind gelegentlich mit an<strong>der</strong>en<br />

Belangen des Naturschutzes nicht<br />

kompatibel, was die Auswahl <strong>der</strong> geeigneten<br />

Unterhaltungsmethode erschweren<br />

kann. Insbeson<strong>der</strong>e treten diese<br />

Ausnahmen in Gebieten auf, die für den<br />

Erhalt bestimmter Tier- und Pflanzenarten<br />

und beson<strong>der</strong>en Lebensräumen unter<br />

Schutz gestellt wurden. Diese können unterschiedlichen<br />

Schutzgebietskategorien<br />

zugeordnet werden (Naturschutzgebiete,<br />

Naturdenkmale, Landschaftsschutzgebiete,<br />

geschützte Biotope, Natura 2000-Gebiete…),<br />

die alle eigenen Vorschriften<br />

unterliegen und demnach unterschiedliche<br />

Auswirkungen auf die Gewässerpflege<br />

und -unterhaltung haben können.<br />

Unverträglichkeiten können unterschiedlicher<br />

Art sein. Zum Beispiel ist die Etablierung<br />

eines breiten, naturnahen Ufergehölzstreifens<br />

nicht mit dem Erhalt eines offenen<br />

Bachbegleitende Erlen-Eschenwäl<strong>der</strong> sind<br />

prioritäre Lebensräume im Sinne <strong>der</strong> FFH-<br />

Richtlinie. Aufn.: S. del Río.<br />

Gebiete muss die Naturschutzverwaltung in enger Abstimmung mit den jeweils zuständigen unterhaltungspflichtigen<br />

Gemeinden Pflegepläne erstellen und dabei natürlich die Gewässerpflege einbeziehen. Daher war<br />

es ein expliziter Wunsch <strong>der</strong> damaligen Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg und <strong>der</strong> Fachbe-<br />

35 Vogelschutzrichtlinie 79/409/EWG und Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie 92/43/EWG.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 30


hörden in Hessen und Rheinland-Pfalz, die Gewässerpflege in geschützten Gebieten in den Gewässernachbarschaften<br />

näher zu beleuchten und dabei die neuen Regelungen <strong>der</strong> FFH-Richtlinie einfließen zu lassen.<br />

Beim diesem Fortbildungsthema lagen die Schwerpunkte auf die Aufklärung <strong>der</strong> Unterhaltungspflichtigen über<br />

die Vielfalt an Schutzgebietskategorien und mögliche Zielkonflikte mit <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung. Darüber<br />

hinaus wurde ein Handlungsrahmen für den speziellen Fall <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung in geschützten Gebieten<br />

aufgezeigt, <strong>der</strong> die Unterhaltungspflichtigen bei diesen Aufgaben behilflich sein soll. Trotz unterschiedlicher<br />

gesetzlicher Regelungen in den drei Bundeslän<strong>der</strong>n gelang es, einheitliche Fortbildungsunterlagen für die Unterhaltspflichtigen<br />

in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz zu erarbeiten.<br />

Im Januar 2004 trat die Novellierung des Wassergesetzes von Baden-Württemberg in Kraft. Anlass für die Än<strong>der</strong>ung<br />

war die Anpassung <strong>der</strong> europäischen Wasserrahmenrichtlinie 36 (WRRL) auf Län<strong>der</strong>ebene und die Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

des Hochwasserschutzrechtes. Gleichzeitig trat die Verwaltungsreform (Verwaltungsstruktur-Reformgesetz,<br />

VRG) in Kraft, mit <strong>der</strong> die früheren Gewässerdirektionen aufgelöst und ihre Aufgaben auf die Landratsämter<br />

und Stadtkreise sowie auf die Regierungspräsidien übertragen wurden.<br />

Mit den Gesetzesän<strong>der</strong>ungen gingen viele Zuständigkeiten und Pflichten auf die Kommunen über. Unter an<strong>der</strong>em<br />

hatte das Wassergesetz von 2004 die Pflicht <strong>zur</strong> Durchführung von regelmäßigen Gewässerschauen bei<br />

den Kommunen festgelegt, die nun 91% <strong>der</strong> baden-württembergischen Gewässer – alle Gewässer II. Ordnung<br />

– unterhalten sollten. Doch hatten die<br />

gesetzlichen und verwaltungstechnischen<br />

Umstellungen dazu geführt,<br />

dass die Zuständigkeiten teilweise nicht<br />

mehr bekannt waren bzw. sich die<br />

Zuständigen ihrer Aufgaben nicht mehr<br />

bewusst waren. In diesem Kontext<br />

machte sich die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

mit dem 11. Fortbildungsthema<br />

„Gewässeraufsicht“ daran, die<br />

Kommunen an ihre Pflicht <strong>zur</strong> Durchführung<br />

von Gewässerschauen zu<br />

erinnern und dabei die Ziele <strong>der</strong> Gewässeraufsicht<br />

wie<strong>der</strong>zubeleben und<br />

in sinnvoller Weise zu aktualisieren.<br />

Gewässerschauen sind ein nützliches<br />

Instrument, um nachteilige Verän<strong>der</strong>ungen<br />

an und im Gewässer frühzeitig<br />

Gewässerschauen können auch als Anlass genutzt werden, die Öffentlichkeit<br />

über den Zustand <strong>der</strong> Gewässer zu informieren und geplante Maßnahmen<br />

vorzustellen. Pilotveranstaltung zum Fortbildungsthema Gewässeraufsicht<br />

in Öhringen (2002). Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

festzustellen und die im Rahmen <strong>der</strong><br />

Unterhaltungslast erfor<strong>der</strong>lichen Maßnahmen<br />

rechtzeitig anzuordnen und<br />

durchzuführen. Auch wenn die Gewässerschauen<br />

eine Pflichtaufgabe<br />

sind, die beispielsweise das Verhängen<br />

von Bußgel<strong>der</strong>n nach sich ziehen kann, bieten sie auch die Chance, Probleme am Gewässer, Ufer und an<br />

Dämmen im Rahmen von Begehungen zu besprechen und formlos zu lösen. Das Zusammentreffen von Vertretern<br />

<strong>der</strong> Unteren Fachbehörde und von Personen aus den betroffenen Dienststellen und an<strong>der</strong>en involvierten<br />

Einrichtungen machen dies möglich.<br />

Gewässerschauen bieten darüber hinaus eine gute Gelegenheit für die Öffentlichkeitsarbeit und Selbstdarstellung<br />

<strong>der</strong> Kommunen. Die Bürger einer Kommune können positive Rückmeldungen hinsichtlich einer erfreulichen<br />

Entwicklung ihrer Gewässer bekommen und Visionen für die Zukunft ihrer Gewässer erfahren. Durch die<br />

Einbeziehung <strong>der</strong> Bürger in die kommunalen Entscheidungsprozesse kann eine höhere Akzeptanz für Maßnahmen<br />

am Gewässer erreicht werden.<br />

Ein weiteres Anliegen <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft ist es, die Gewässerschauen als gewässerpädagogisches<br />

Instrument zu einzusetzen, um die Bevölkerung emotional näher an die Flüsse und Bäche zu führen – um<br />

die Beziehung Mensch/Gewässer zu stärken. So können die Bürger durch gezielte Aktivitäten die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Gewässer für den Naturhaushalt und für die Landschaft kennen und ihre Schönheit schätzen lernen. Die<br />

36 Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG.<br />

Seite 31<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Pilotveranstaltung in <strong>der</strong> Stadt Öhringen im Jahr 2002 kann als Beispiel genommen werden, wie erfolgreich die<br />

Einbeziehung <strong>der</strong> örtlichen Bevölkerung in eine Gewässerschau sein kann.<br />

Das Thema Wasserrahmenrichtlinie tauchte in den Jahren 2003 und 2004 mehrfach bei den Betreuertagen<br />

auf. So erläuterte Verena Friske von <strong>der</strong> LfU den Betreuern und Betreuerinnen beim „kleinen Betreuertag“ 2003<br />

in Denzlingen, welche Neuerungen die Richtlinie für die Wasserwirtschaft mit sich bringt. 37 Thematisiert wurde<br />

unter an<strong>der</strong>em die neue Aufteilung <strong>der</strong> Bearbeitungsgebiete nach Einzugsgebieten, die verstärke ökologische<br />

Ausrichtung <strong>der</strong> WRRL vor allem bei <strong>der</strong> Bewertung des Zustandes <strong>der</strong> Gewässer sowie die wichtige Vorschrift<br />

<strong>zur</strong> aktiven Beteiligung <strong>der</strong> interessierten Öffentlichkeit bei <strong>der</strong> Erstellung <strong>der</strong> Bewirtschaftungspläne.<br />

Im Rahmen eines Aktionstages im Jahr 2004, <strong>der</strong> in Friedrichshafen beim Betreuertag von <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

organisiert wurde, wurde die WRRL für alle Betreuer und Betreuerinnen anschaulich transparent<br />

gemacht. Drei Referenten<br />

(Verena Friske, Bernd Eversmann<br />

und Hans Güde) 38 erläuterten in<br />

einem Vortragsteil, mit welcher<br />

Methodik die von <strong>der</strong> WRRL geför<strong>der</strong>te<br />

Bestandesaufnahme am<br />

Beispiel des Bearbeitungsgebiets<br />

Alpenrhein/Bodensee durchgeführt<br />

worden war, welche Ergebnisse<br />

bereits vorlagen und<br />

welche Planungsschritte für die<br />

Zukunft in Aussicht standen. Danach<br />

konnten entlang <strong>der</strong> Rotach<br />

und am Bodenseeufer Stationen<br />

besucht werden, die die<br />

Themen und Ziele <strong>der</strong> europäischen<br />

WRRL anhand von Informationstafeln,<br />

Karten und Präsentationen<br />

<strong>der</strong> früheren LfU<br />

und Gewässerdirektionen veranschaulichten.<br />

Zudem konnten vor<br />

Ort verschiedene Gewässerentwicklungsmaßnahmen<br />

– wie eine<br />

Fischaufstiegsanlage <strong>zur</strong> Verbesserung<br />

<strong>der</strong> ökologischen Durchgängigkeit<br />

o<strong>der</strong> die Renaturierung<br />

des Bodenseeufers an<br />

<strong>der</strong> Mündung <strong>der</strong> Rotach – besichtigt<br />

werden. Auch technische<br />

Themen wurden an diesem Tag<br />

angesprochen, beispielsweise<br />

die Ermittlung von Bemessungsabflüssen<br />

als Grundlage für wasserbauliche<br />

Maßnahmen, die am<br />

Pegel Rotach behandelt und demonstriert<br />

wurde.<br />

Eines <strong>der</strong> zahlreichen Poster <strong>der</strong> LUBW (damals LfU) zum Thema Wasserrahmenrichtlinie,<br />

die an <strong>der</strong> Rotach gezeigt wurden. Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

37 Friske, 2003<br />

38 Fachbeiträge im Statusbericht 2003/2004 veröffentlicht.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 32


4 Der Erfahrungsaustausch „Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken“<br />

Im Zuge des Son<strong>der</strong>behörden-Einglie<strong>der</strong>ungsgesetzes (So-<br />

BeG) vom 12. Dezember 1994 wurde die Wasserwirtschaftsverwaltung<br />

zum 1. Juli 1995 grundlegend verän<strong>der</strong>t. Ein<br />

großer Teil <strong>der</strong> Aufgaben und Verantwortlichkeiten <strong>der</strong> Ämter<br />

für Wasserwirtschaft und Bodenschutz wurde in die Unteren<br />

Verwaltungsbehörden – Landratsämter und Bürgermeisterämter<br />

<strong>der</strong> Stadtkreise – eingeglie<strong>der</strong>t. Unter an<strong>der</strong>em<br />

übernahmen die Unteren Verwaltungsbehörden die Zuständigkeit<br />

<strong>der</strong> Betreuung und Beratung <strong>der</strong> Hochwasserrückhaltebecken,<br />

<strong>der</strong>en Betrieb durch Wasser- und Bodenverbände<br />

sowie von Körperschaftsverbänden, wie z.B. Hochwasserschutzverbände,<br />

erfolgt.<br />

Die neue Verantwortung <strong>der</strong> Betriebsleitung umfasste zahlreiche<br />

neue Tätigkeiten, u.a. die technische Beratung, die<br />

Überwachung <strong>der</strong> Unterhaltung und des Betriebes und die<br />

fachliche Vorgesetztenfunktion für die Stauwärter. Es blieben jedoch offene Fragen bezüglich <strong>der</strong> Verteilung<br />

<strong>der</strong> Zuständigkeiten zwischen den neu geschaffenen Gewässerdirektionen (die technische Fachbehörde) und<br />

den Regierungspräsidien (die Rechts- und<br />

Fachaufsichtsbehörde).<br />

Für die Bewältigung <strong>der</strong> neuen Aufgaben<br />

beschloss das Land, die Unteren Verwaltungsbehörden<br />

durch die Einrichtung eines Erfahrungsaustausches<br />

zu unterstützen. In jährlich<br />

zwei Veranstaltungen sollten Fragen und Probleme<br />

zum Betrieb von überörtlichen Hochwasserrückhaltebecken<br />

und über Zuständigkeitskonflikte<br />

mit den an<strong>der</strong>en beteiligten<br />

Behörden erörtert und Lösungen gefunden<br />

werden. Die Organisation und Durchführung<br />

des Erfahrungsaustausches sollte die <strong>WBW</strong><br />

Fortbildungsgesellschaft übernehmen. Im Februar<br />

1997 wurde eine entsprechende Vereinbarung<br />

zwischen dem Land und <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

getroffen.<br />

Nach zwei Jahren erweiterte sich die Zielgruppe,<br />

die durch den Erfahrungsaustausch<br />

angesprochen werden sollte, auf die Stauwärter.<br />

Die Stauwärter – obwohl die Hauptverantwortung<br />

des Betriebes <strong>der</strong> Hochwasserrückhaltebecken<br />

bei den Betreibern und<br />

Betriebsbeauftragten liegt – sind die vor Ort<br />

zuständigen Personen, die sich um das sichere<br />

Funktionieren <strong>der</strong> Stauanlagen kümmern. Ab 2000 weitete sich das Konzept noch weiter und richtete sich an<br />

alle Betreiber, Betriebsbeauftragte und Stauwärter im Land.<br />

Ähnlich wie bei den Gewässernachbarschaften sind Vertreter <strong>der</strong> staatlichen und kommunalen Behörden, <strong>der</strong><br />

Wissenschaft und <strong>der</strong> Betreiber <strong>der</strong> Stauanlagen Mitglie<strong>der</strong> im Beirat.<br />

Seite 33<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Erfahrungsaustausch für Betriebsbeauftragte und Betreiber von Hochwasserrückhaltebecken<br />

Für den Erfahrungsaustausch wurde eine Projektgruppe installiert, die die Themen des Erfahrungsaustausches<br />

und <strong>der</strong> Fortbildungsveranstaltungen vorbereitet. Ihre erste Aufgabe war es, etwas Klarheit in <strong>der</strong> Dschungel<br />

von Aufgaben und Zuständigkeiten zu bringen, die bei <strong>der</strong> Konzeption, <strong>der</strong> Planung, bei Bau und Betrieb von<br />

Rückhaltebecken fällig sind. Dem entsprechend wurden die Zuständigkeiten und Entscheidungsabläufe zwischen<br />

Betreibern, Betriebsbeauftragten, Stauwärtern, Gewässerdirektionen, unteren Verwaltungsbehörden,<br />

den Regierungspräsidien und Dritten detailliert beschrieben. Diese Ausarbeitung (siehe Bild unten) bildete und<br />

bildet nach wie vor die Basis für die Themen, die im Erfahrungsaustausch behandelt werden. Die bisher behandelten<br />

Themen können den folgenden Themenblöcken zugeordnet werden:<br />

Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Aufgabenaufteilung<br />

Rechtsgrundlagen: Haftung und Verkehrssicherungspflicht <strong>der</strong> Betreiber von Stauanlagen,<br />

Arbeitsschutz<br />

Hochwasservorsorge und -information<br />

Hochwassermelde- und Hochwasseralarmpläne<br />

Sicherheit, Sanierung und Unterhaltung <strong>der</strong> Stauanlagen<br />

Maßnahmen im Einzugsgebiet <strong>zur</strong> Verringerung von Sedimenteintrag<br />

Vermeidung von Konflikten mit an<strong>der</strong>en Nutzungen<br />

Steuerungsmechanismen und -<br />

techniken: Einsatzmöglichkeiten<br />

bei den verschiedenen Beckensystemen<br />

und -typen.<br />

Die Fachbeiträge <strong>der</strong> Erfahrungsaustausche<br />

werden jeweils in einem<br />

Berichtsband pro Veranstaltung veröffentlicht.<br />

Diese können über die<br />

Homepage <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

www.wbw-fortbildung.de<br />

bestellt werden. Die Vielfalt <strong>der</strong> Themen<br />

macht die Berichte zu einem<br />

wertvollen Nachschlagewerk.<br />

Im Jahre 2002 feierte die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

das fünfjährige<br />

Jubiläum des Erfahrungsaustausches<br />

und brachte einen Sammelband mit<br />

den zehn ersten Berichtsbän<strong>der</strong>n heraus.<br />

Zuständigkeitsbeziehungen im Rahmen von Konzeption, Planung, Bau und<br />

Betrieb von Rückhaltebecken zwischen den Beteiligten. Quelle: Son<strong>der</strong>druck<br />

im Nachgang 12. Erfahrungsaustausch, Bösinger (2006).<br />

Stauwärtertage und Stauwärtergrundkurs<br />

Die komplexe Aufgabe des Stauwärters lässt sich mit folgendem Satz umschreiben: „Der Stauwärter überwacht<br />

das Hochwasserrückhaltebecken und stellt sicher, dass die Anlage je<strong>der</strong>zeit betriebsbereit ist“. Aus dieser<br />

Formulierung lässt sich leicht ableiten, dass diese Aufgabe über eine Vielzahl an Wartungs- und<br />

Pflegearbeiten hinaus geht und durch die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten beeinflusst wird. Zur Erledigung<br />

<strong>der</strong> Aufgaben ist spezielles Wissen erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Um den Stauwärtern bei <strong>der</strong> Bewältigung dieser Aufgaben die nötigen Grundkenntnisse an die Hand zu geben,<br />

sah es <strong>der</strong> Beirat Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg<br />

für dringend geboten an, eine Ausbildung für Stauwärter anzubieten.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 34


Hierzu wurden 1999, ähnlich wie bei <strong>der</strong> Organisation <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften für den Erfahrungsaustausch<br />

für Stauwärter das Land in Nachbarschaftsbezirke eingeteilt(siehe Bild auf dieser Seite), die regionalen<br />

Stauwärternachbarschaftstage, die von ehrenamtlichen Betreuern geleitet werden. An den einmal jährlich<br />

stattfindenden Stauwärtertagen, die von den Betreuern organisiert werden, steht <strong>der</strong> Erfahrungsaustausch im<br />

Vor<strong>der</strong>grund, um den Stauwärtern ein Forum für Probleme beim Betrieb <strong>der</strong> Becken zu ermöglichen. Hierbei<br />

werden auch Themen behandelt, die von den Teilnehmern für wichtig gehalten werden o<strong>der</strong> die beson<strong>der</strong>s<br />

relevant für ihre Weiterbildung sind, wie z.B. <strong>der</strong><br />

Arbeitschutz.<br />

Darüber hinaus, wurde 2002 ein Grundkurs für<br />

Stauwärter von <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

ins Leben gerufen. Durch den dreitägigen Grundkurs<br />

soll <strong>der</strong> Stauwärter in die Lage versetzt werden,<br />

aus den vielfältigen Aufgabenstellungen<br />

und möglichen Vorgehensweisen diejenigen erkennen<br />

zu können, die bei den eigenen örtlichen<br />

Gegebenheiten anzuwenden sind. Als Grundlage<br />

für die Schulungen dienen einheitliche Ausbildungsunterlagen.<br />

Diese sind auch als Hilfestellung<br />

zu verstehen, um dem Stauwärter bei seiner täglichen<br />

Arbeit ein Nachschlagewerk an die Hand zu<br />

geben, in dem die wesentlichen Themenfel<strong>der</strong><br />

eingängig beschrieben und durch Übungsaufgaben<br />

praxisnah vermittelt werden.<br />

Mit dem Grundkurs soll somit ein Grundstein gelegt<br />

werden, um die oftmals nebenberuflich tätigen<br />

Stauwärter so zu qualifizieren, dass sie ihrer<br />

hohen Verantwortung gerecht werden, die ihnen<br />

beim Betrieb <strong>der</strong> Hochwasserrückhaltebecken<br />

auferlegt ist. So hat im Frühjahr 2006 bereits <strong>der</strong><br />

achte Grundkurs für Stauwärter stattgefunden,<br />

den damit bereits über 160 Stauwärter absolviert<br />

haben.<br />

Nachbarschaftsbezirke für den Erfahrungsaustausch für Stauwärter.<br />

Stand August 2006.<br />

Seite 35<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


5 Gewässerpädagogik<br />

Zwischen den 1970er Jahren und <strong>der</strong> Jahrtausendwende waren deutliche<br />

Verbesserungen bei <strong>der</strong> biologischen Qualität <strong>der</strong> Fließgewässer in<br />

Baden-Württemberg erreicht worden. Die morphologischen Kartierungen<br />

<strong>der</strong> 1990er Jahren zeigten jedoch, dass noch viel zu tun war. 1994<br />

veröffentlichte das Land die erste Übersichtskartierung des morphologischen<br />

Zustandes <strong>der</strong> Fließgewässer in Baden-Württemberg. Die Ergebnisse<br />

wurden am zweiten Betreuertag <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften vom<br />

damaligen Umweltminister Harald B. Schäfer vorgestellt. Es zeigte sich,<br />

dass fast die Hälfte <strong>der</strong> Gewässer als naturfern eingestuft werden musste<br />

und lediglich 20% einen naturnahen Zustand besaßen. Die Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Strukturgüte rückte stark in den Vor<strong>der</strong>grund <strong>der</strong> Wasserwirtschaftspolitik<br />

und löste große Anstrengungen <strong>zur</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung von naturnahen,<br />

strukturreichen Gewässern in <strong>der</strong> Landschaft aus.<br />

Man hatte gleichzeitig erkannt, dass für die weitere und umfassende<br />

Verbesserung des Zustandes <strong>der</strong> Gewässer die Unterstützung <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

wichtig sein würde. Nur mit <strong>der</strong> Akzeptanz und Unterstützung <strong>der</strong><br />

Bürger würden die notwendigen Maßnahmen für die Gewässerentwicklung<br />

Erfolg haben. Die Maßnahmen müssten von <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

verstanden und ihre Notwendigkeit über Kopf, Herz und Bauch erkannt werden, 39 wofür eine enge Beziehung<br />

zwischen Mensch und Gewässer Voraussetzung war. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite spürte man, dass sich die<br />

Menschen zunehmend wie<strong>der</strong> den sauberer werdenden Gewässern näherten, um sie zu erleben und zu begreifen.<br />

Wer sich davor mit den Gewässern beschäftigte, tat dies zuallererst mit dem Kopf alleine. Die Gewässer<br />

hatte man als Teil <strong>der</strong> Natur wahrgenommen, jedoch primär als Lebensraum für Flora und Fauna – Natur-<br />

Lebensräume, die vor den Menschen geschützt werden sollten.<br />

Mehrere Gründe hatten dazu geführt, dass diese Beziehung in eine Krise geraten war. Die Verschmutzung und<br />

<strong>der</strong> Ausbau vieler Gewässer in gerade Gerinne seit <strong>der</strong> Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts waren zum Großteil Ursache<br />

für die Entfremdung <strong>der</strong> Menschen zu den<br />

Gewässern. Vielerorts war es soweit gekommen,<br />

dass die Gewässer verdolt und somit<br />

„aus den Augen, aus dem Sinn“ geraten<br />

waren. Das Fehlen von natürlichen Vorbil<strong>der</strong>n<br />

verhin<strong>der</strong>te insbeson<strong>der</strong>e in den urbanen<br />

Gebieten, dass sich irgendeine Art von<br />

Beziehung aufbauen o<strong>der</strong> dass sich gar<br />

eine Sehnsucht nach <strong>der</strong> Natur von Gewässern<br />

entwickeln konnte. Heringer 40 geht<br />

noch weiter, wenn er sagt, die auf Videos<br />

entstandenen virtuellen Welten würden<br />

oftmals die realen Landschaften nachrangig<br />

machen o<strong>der</strong> gar ersetzen.<br />

Um die positiven Ansätze aufzugreifen und<br />

auch Akzeptanz für das eigene Tun zu erreichen,<br />

initiierten das Umweltministerium und<br />

die Landesanstalt für Umweltschutz das<br />

Gewässer können ein Erlebnisraum nicht nur für Kin<strong>der</strong> sein, hier an<br />

<strong>der</strong> Zwiefalter Ach. Aufn.: W. Konold.<br />

Forum Mensch & Gewässer, das am 15. September 1999 in Waiblingen stattfand. Es handelte sich um ein ungewöhnliches<br />

Treffen von „Wasserleuten“ aus den unterschiedlichsten Sparten und mit den unterschiedlichsten<br />

Erfahrungen. Es sollten Ideen, Visionen kreiert und Aktionen angedacht werden, um die verschiedenen<br />

gesellschaftlichen Gruppen zum Lernen und Handeln zu bewegen.<br />

39 Dorka et al., 2005<br />

40 Heringer, 2001<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 36


Das Forum war <strong>der</strong> Startschuss für weitere Veranstaltungen und Aktivitäten zum Thema Mensch & Gewässer,<br />

die vom Land koordiniert und mitfinanziert wurden und bei <strong>der</strong> auf Wunsch des Umweltministeriums die <strong>WBW</strong><br />

Fortbildungsgesellschaft eine dominante Rolle spielte und noch weiter spielt.<br />

Bachpaten<br />

In Bachpatenschaften übernehmen freiwillige Jugendliche und Erwachsene die Betreuung von mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

langen Gewässerstrecken, die in <strong>der</strong> Unterhaltungslast <strong>der</strong> Gemeinden stehen, mit dem Ziel, ihre ökologische Verbesserung<br />

zu erreichen. In Baden-Württemberg gibt es Bachpaten seit 1984 und ihre Zahl wird auf zwei- bis drei hun<strong>der</strong>t<br />

geschätzt. Mögliche Aktivitäten einer Bachpatenschaft sind das Beobachten<br />

des Zustands des Gewässers und ihrer<br />

Organismen, das Pflegen und Lenken <strong>der</strong><br />

Vegetationsentwicklung o<strong>der</strong> die<br />

Neophytenbekämpfung. Dafür bieten ihnen<br />

die Gewässerunterhaltungspflichtigen<br />

– in <strong>der</strong> Regel die Gemeinden –<br />

Fortbildungen <strong>zur</strong> naturgemäßen Gewässerentwicklung<br />

und <strong>zur</strong> Biologie und<br />

Lebensweise <strong>der</strong> schützenswerten Tiere<br />

und Pflanzen. Durch ihren Idealismus, ihr<br />

Engagement und ihre Ausdauer sind sie<br />

Vorbil<strong>der</strong> dafür, wie eine naturverträgliche<br />

Unterhaltung mit wenigen Mitteln<br />

durchgeführt werden kann und ein Beispiel,<br />

wie Gewässerpädagogik mit allen<br />

Altersklassen verwirklicht werden kann.<br />

Letztlich wirken die Bachpaten als Multiplikatoren<br />

sowohl für die naturnahe Gewässerunterhaltung<br />

als auch für Methoden<br />

<strong>der</strong> Gewässerpädagogik.<br />

Junge Bachpaten in Freiburg auf <strong>der</strong> Suche nach Kleinlebewesen, um die<br />

ökologische Qualität des Baches zu ermitteln. Aufn.: H. Heuer<br />

So wurde das Thema zum Leitmotiv des ersten kleinen Betreuertages im Jahr 1999, <strong>der</strong> in Vaihingen/Enz in Form<br />

eines Workshops stattfand, bei dem neue Visualisierungstechniken eingeübt wurden. Die Betreuerinnen und<br />

Betreuer beschäftigten sich mit den Fragen, wie, warum und von wem Gewässer geschätzt werden, welche<br />

Gewässereigenschaften von <strong>der</strong> Bevölkerung als „schön“ o<strong>der</strong> als „schädlich“ empfunden werden und welche<br />

Nutzen Gewässer für die Bevölkerung haben konnten. In einem Brainstorming kamen viele Ideen zu Tage,<br />

wie man die Menschen für naturnahe Gewässer gewinnen und insbeson<strong>der</strong>e wie die Begeisterung von Kin<strong>der</strong>n<br />

für Gewässer geweckt werden könnte.<br />

Zu den wichtigsten Erkenntnissen des Workshops zählte die gemeinsame Überzeugung, dass unsere Mitmenschen<br />

für die Gewässer und ihre Lebewelt begeistert werden können. Dies kann auf verschiedenen Wegen<br />

geschehen, beispielsweise über die Steigerung des Wohlbefindens, über ästhetische Aspekte, Erlebnisse und<br />

Erholung am Gewässer und an<strong>der</strong>es mehr. Als potentielle Zielgruppen identifizierte man fast alle Altersgruppen,<br />

wobei Kin<strong>der</strong> und Jugendliche – so die Überzeugung <strong>der</strong> Betreuer – als erste angesprochen werden sollten,<br />

weil eine nachhaltige Wirkung auf Werthaltungen erreicht werden könne. Was verschiedene<br />

Berufsgruppen angeht, so seien beson<strong>der</strong>s diejenigen anzusprechen, die häufig mit Gewässern umgehen, sei<br />

es nutzend o<strong>der</strong> schützend.<br />

Im Auftrag <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz erarbeitete die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

zusammen mit <strong>der</strong> GFG ein Strategiepapier „Gewässerentwicklung“, in <strong>der</strong> die Ergebnisse dieses<br />

Betreuer-Workshops zusammengefasst wurden. Verwendung fanden die Ideen in <strong>der</strong> Studie Mensch & Gewässer,<br />

die im Auftrag des Ministeriums für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg vom Autorenteam Dorka,<br />

Kapfer, Konold und Schott erstellt wurde. 41<br />

In dieser disziplinenübergreifenden Studie wird das komplexe Beziehungsgefüge zwischen den Menschen und<br />

den Gewässern beschrieben und interpretiert. Dabei werden historische, technische, künstlerische und emotionale<br />

Aspekte angesprochen, das Ganze mit dem Ziel, Vorschläge für die Weiterbildung, die Öffentlichkeitsarbeit<br />

und das künftige Handeln <strong>der</strong>er zu machen, die Verantwortung für die Gewässer tragen.<br />

41 Dorka et al., 2000<br />

Seite 37<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Anlieger<br />

Bauhöfler<br />

Jugendliche<br />

Bauern<br />

Welche Gruppen<br />

sollten wir<br />

begeistern?<br />

Kin<strong>der</strong><br />

(und Eltern)<br />

„Nutzer“<br />

Zugänge<br />

schaffen<br />

Gewässergüte<br />

anzeigen<br />

Kunst<br />

Öffentlichkeits-,<br />

insbeson<strong>der</strong>e<br />

Pressearbeit<br />

Ökomobil<br />

Mit welchen Aktionen<br />

können<br />

wir Mitbürger<br />

begeistern?<br />

Gemeinschaftliche<br />

Tätigkeiten am<br />

Gewässer<br />

Vorträge<br />

Bacherlebnistage,<br />

Aktionen<br />

Mit Sympathieträgern<br />

arbeiten,<br />

z.B. Eisvogel<br />

Spiel<br />

Ergebnisse des Betreuertages 1999 <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften zum Thema „Mensch und Gewässer“, aus Dorka et al.<br />

(2000).<br />

Das Forum von Waiblingen, <strong>der</strong> Workshop in Vaihingen/Enz und die Studie „Mensch & Gewässer“ fanden ihre<br />

Fortsetzung im Projekt „Gewässerpädagogik“, bei dem die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft bei diesem bundesweit<br />

einmaligen Vorhaben eine führende Rolle übernahm. Grundsätzlich war <strong>der</strong> Bedarf nach Fortbildungsangeboten<br />

und weiterführenden pädagogischen Konzepten, mit denen die Gesellschaft für Gewässer,<br />

insbeson<strong>der</strong>e naturnahe Gewässern begeistert werden könnte, deutlich geworden. Eine solche Aufgabe<br />

überstieg dennoch die Möglichkeiten <strong>der</strong> Betreuer und <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft. Da man jedoch sicher<br />

war, mit dieser Idee auf dem richtigen Weg zu sein, wurde beschlossen, das Projekt Gewässerpädagogik mit<br />

kleineren Aktionen zu beginnen. Etliche erfolgreiche Aktivitäten und positive<br />

Rückmeldungen führten schließlich dazu, dass sich das Projekt im<br />

Laufe <strong>der</strong> Jahre neben den Gewässernachbarschaften, dem Erfahrungsaustausch<br />

für den Betreib von Hochwasserrückhaltebecken und den<br />

Hochwasserpartnerschaften zu einem eigenständigen Standbein <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

entwickelte.<br />

Ziel des Projekts waren zu Beginn folgende Aspekte:<br />

die Erhöhung <strong>der</strong> Akzeptanz von Gewässerentwicklungsmaßnahmen<br />

bei <strong>der</strong> Bevölkerung,<br />

bei Nichtfachleuten die Einsicht für eine naturnahe Gewässerentwicklung<br />

zu steigern,<br />

Fortbildungen für mehrere Zielgruppen in <strong>der</strong> Gesellschaft anzubieten,<br />

damit verbunden<br />

• die Erstellung von zielgruppenspezifischen gewässerpädagogischen<br />

Materialien und<br />

• die Schaffung eines Fortbildungsnetzwerks.<br />

Als Zielgruppen sah man Kin<strong>der</strong>, Jugendliche und Erwachsene in Kin<strong>der</strong>gärten,<br />

Grundschulen, den Haupt- und weiterführenden Schulen, in Hochschulen,<br />

Volkshochschulen, die Entscheidungsträger und Gemein<strong>der</strong>äte<br />

Die Wahrnehmung <strong>der</strong> Gewässer<br />

wird durch Spielen enorm erhöht.<br />

Aufn.: W. Konold.<br />

in den Kommunen, die Mitarbeiter <strong>der</strong> Wasserwirtschafts- und Naturschutzverwaltung sowie interessierte Bürger.<br />

Die vollständige Erarbeitung zielgruppenorientierter Fortbildungsunterlagen war aus ökonomischen Gründen<br />

nicht realisierbar. Deswegen wurden Einzelmaßnahmen in Angriff genommen, um dennoch schnell und<br />

öffentlichkeitswirksam Erfolge vorweisen zu können. Die höchste Priorität wurde auf die Zielgruppe <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />

gelegt, mit <strong>der</strong> neben einem unmittelbar pädagogischen Erfolg und einer hoffentlich nachhaltigen Wirkung<br />

ein Schneeball-Effekt auf die Eltern und Erzieher erwartet wurde.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 38


Das Zielgruppenspektrum ist mittlerweile auf Erwachsene erweitert worden. So ist man beispielsweise beteiligt<br />

am EU-Projekt „Artery“ (siehe weiter unten), wo die Teilprojekte eine jeweils unterschiedliche Trägerschaft haben<br />

und von diesen auch umgesetzt werden. Da alle Entscheidungen über die Gewässerpädagogik vom<br />

Beirat für die „Gewässernachbarschaften“ getroffen werden, sind die Aktivitäten bei<strong>der</strong> Schwerpunkte gut<br />

abgestimmt und oft ineinan<strong>der</strong> verflochten. So besitzen einige Themen, die bei den kleinen Betreuertagen <strong>der</strong><br />

Gewässernachbarschaften behandelt werden, einen gewässerpädagogischen Akzent: Nach <strong>der</strong> ersten, o.g.<br />

Veranstaltung „Mensch & Gewässer“ folgten 2001 „Gewässerpädagogik“ und 2003 ein kleiner Betreuertag,<br />

bei dem unter an<strong>der</strong>em die Themen „Kunst im und am Gewässer“ und „urbane Gewässer“ Platz fanden.<br />

Es gab und gibt weitere Aktivitäten, die unter die Überschrift „Gewässerpädagogik“ zu stellen sind. Sie seien Im<br />

Folgenden erläutert.<br />

Wan<strong>der</strong>ausstellung Fließgewässer für Schulklassen, Familien und<br />

ErzieherInnen<br />

Mit <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>ausstellung, die ganz am Anfang <strong>der</strong> Aktivitäten stand,<br />

sollte versucht werden, den Zielgruppen die Bedeutung und Notwendigkeit<br />

einer naturnahen Gewässerentwicklung auf spielerische Weise<br />

zu vermitteln. Die Ausstellung besteht daher aus verschiedenen Objekten,<br />

mit denen Kin<strong>der</strong> und ihre Begleitpersonen interaktiv zum Nachfragen<br />

und Nachdenken angeregt werden. Themen sind etwa die<br />

Bedeutung <strong>der</strong> Gewässergüte für die Bewohner des Wassers, die<br />

Durchgängigkeit von Fließgewässern, die Auswirkungen <strong>der</strong> Laufverkürzung<br />

auf die Fließgeschwindigkeit und die Hochwasserbildung und<br />

die Folgen eines Hochwassers in einer versiegelten urbanen Landschaft<br />

im Vergleich zu einer weit gehend natürlichen Auenlandschaft. 42 Die<br />

Wan<strong>der</strong>ausstellung wurde seit ihrer Eröffnung im Frühjahr 2003 in zahlreichen<br />

Naturschutzzentren (u.a. Karlsruhe-Rappenwört, Ruhestein, Bad<br />

Wurzach und Südschwarzwald)<br />

gezeigt. Erfreulich ist, dass zunehmend Kommunen und Schulen Interesse<br />

an <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>ausstellung finden. So wurde sie bereits in Bopfingen<br />

und Bühl gezeigt.<br />

Artery – Menschen an den Fluss<br />

(für Kin<strong>der</strong> und Erwachsene)<br />

Anfang des Jahres 2004 konnte das Projekt „Menschen an den Fluss“<br />

begonnen werden. Es ist ein Teil des umfangreiches EU-Projekt namens<br />

„Artery“, das die ökonomisch und ökologisch nachhaltige Entwicklung<br />

von Flusslandschaften in Europa zum Ziel hat. Finanziert wird das Projekt<br />

„Menschen an den Fluss“ <strong>zur</strong> Hälfte aus Interreg IIIB-Mitteln (artery)<br />

sowie vom Rechtsnachfolger <strong>der</strong> Gewässerdirektion Nördlicher Oberrhein,<br />

dem Regierungspräsidium Karlsruhe und <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

zu je 25 Prozent. Die Projektkoordination hat <strong>der</strong><br />

Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim übernommen, die<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft führt das Projekt durch. „Menschen an<br />

den Fluss“ ist einer von drei Teilen von „Artery“ und verfolgt eine Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit durch<br />

gezielte Bildungsangebote und Aktionen für Kin<strong>der</strong> und Erwachsene.<br />

Parallel zum Pilotprojekt am Neckar laufen Aktionen und Untersuchungen<br />

in an<strong>der</strong>en Flusslandschaften Europas, so am Neckar und an <strong>der</strong><br />

Ruhr, an <strong>der</strong> Mersey (GB) und am IJssell (NL). Die Aktionsangebote und Materialien, die im Pilotprojekt erarbeitet<br />

werden, werden so gestaltet, dass sie in an<strong>der</strong>en Regionen Europas ebenfalls verwendbar sind. Dazu ha-<br />

42 Lyachenko, 2003<br />

Seite 39<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


en bisher zwei Workshops zum Erfahrungsaustausch stattgefunden. Ein Guidebook (EU) bzw. ein Leitfaden<br />

„Wege zum Fluss“ mit <strong>der</strong> Beschreibung von Strategien <strong>zur</strong> Bewusstseinsbildung und Verankerung von von<br />

Fluss-Wissen wird bis zum Projektende entstehen. Unter Einsatz verschiedener „Module“ bietet das Projekt einer<br />

breiten Bevölkerung in <strong>der</strong> Region zwischen Heidelberg und Mannheim die Möglichkeit, die verschiedenen<br />

Facetten „Ihres Flusses“ wie<strong>der</strong>zuentdecken. Grundlegend setzt das Projekt „Menschen an den Fluss“ auf ein<br />

emotionales Lernen mit erlebnis- und handlungsorientierten Methoden. Hierfür wurde eigens die „Flusspädagogin“<br />

Birgit Beermann bei <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft eingestellt. Zur Verankerung des Projektes in <strong>der</strong><br />

Region wurde ein regionales„Neckar-Netzwerk mit unterschiedlichen Akteuren aus Umweltverbänden, Fachbehörden,<br />

Institutionen, Kommunen und fachkundigen Einzelpersonen gegründet. Mit Unterstützung dieser<br />

Neckar-Spezialisten war es möglich die Aktionstage „Schulen an den Fluss“ sowie Volkshochschulprogramme<br />

mit dem Themenschwerpunkt Neckar anzubieten. Die Aktionstage „Schulen an den Fluss“ boten Grundschulklassen<br />

zwischen Heidelberg und Neckar jeweils ein Programm mit Veranstaltungen zum Lebensraum Neckar,<br />

Naturschutz und <strong>zur</strong> Kultur am Fluss. Bei den jährlich stattfindenden Aktionstagen „Schulen an den Fluss“ waren<br />

rund 60 Schulklassen am Neckar unterwegs. Mit Aktionen wie „Der Neckar lebt – auf <strong>der</strong> Suche nach Kleinstlebewesen<br />

im Neckar“ o<strong>der</strong> „Land-Art: die Natur mit an<strong>der</strong>en Augen sehen“ bekamen die Kleinen die Möglichkeit,<br />

sich in Wasserforscher zu verwandeln und ihre künstlerischen Fähigkeiten mit Naturmaterialien direkt am<br />

Fluss zu entfalten. Dabei erfuhren sie allerlei Interessantes über die Flüsse, ihre tierischen Bewohner und ihre<br />

Geschichte.<br />

Der Neckar als Vorbild für eine nachhaltige Beziehung zwischen Mensch & Gewässer<br />

Der gesamte Neckarlauf und <strong>der</strong> größte Teil seines Einzugsgebietes gehören exklusiv dem Land Baden-Württemberg.<br />

Der Neckar verbindet badische und württembergische Regionen miteinan<strong>der</strong> und hat Anteil an allen vier Regierungsbezirken.<br />

Lange Zeit in Vergessenheit geraten und von Aktionen an Rhein und Donau überschattet, ist <strong>zur</strong> Jahrtausendwende<br />

nun <strong>der</strong> Neckar zu einem Schwerpunkt <strong>der</strong> Umwelt-, Hochwasserschutz- und Wasserbaupolitik des Landes<br />

geworden.<br />

Zum Ikon wurde <strong>der</strong> Neckar im Großprojekt des Landes IKoNE, das ein flussgebietsbezogenes<br />

und gremienübergreifendes Handeln anstrebt. Der Verband Region Stuttgart<br />

schuf darüber hinaus das Projekt „Lebensraum Neckarpark“, um ein ausgewogenes<br />

Miteinan<strong>der</strong> von Wirtschaft und Umwelt zu erreichen. BUND und NABU starteten die Aktion<br />

„Lebendiger Neckar“ <strong>zur</strong> ökologischen und biologischen Verbesserung des Zustandes des<br />

Flusses und seiner Talaue. Auch die Volkshochschulen griffen den Neckar als Bildungsthema<br />

auf. Unter dem Rahmenthema „Der Neckar und seine Flusslandschaft als Lebensa<strong>der</strong> und<br />

Lebensraum: Portrait und Biographie eines Flusses“ erarbeiteten sie ein Projekt, um möglichst<br />

viele Menschen für den Neckar zu interessieren und zu aktivieren. 43 Daran hat auch die<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft Anteil. Unterstützt vom Land, initiierte sie neue Aktionen und beteiligte sich mit Volkshochschulen,<br />

Nachbarschaftsverbänden und an<strong>der</strong>en Einrichtungen an Vorhaben <strong>zur</strong> Stärkung des Bewusstseins für<br />

gesunde Gewässer im Einzugsgebiet des Neckars.<br />

Angebot mit Volkshochschulen<br />

In Kooperation mit den Volkshochschulen Heidelberg und Mannheim wurde mit Unterstützung des Neckar-<br />

Netzwerks die Reihe „Menschen an den Fluss“ für die Volkshochschulen Heidelberg (Sommersemester 2005,<br />

2006) und Mannheim (Sommersemester 2005) gestartet. Das Angebot richtete sich an Erwachsene, Familien<br />

und Kin<strong>der</strong> und umfasste eine große Vielfalt von Themen: stadtgeschichtliche Führungen, z.B. um die Funktionsweise<br />

von Wasserkraftanlagen am Neckar kennen zu lernen, geologische Wan<strong>der</strong>ungen im Neckartal,<br />

Kanutouren auf <strong>der</strong> Jagst o<strong>der</strong> Vorlesungen und Exkursionen, um die artenreiche Fauna des unteren Neckars<br />

zu erkunden.<br />

43 Degenhardt, 2001<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 40


Gewässerführerausbildung<br />

Die Ausbildung von Gewässerführern ist ein Projekt <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft, das sich noch in <strong>der</strong> Probephase<br />

befindet. Der Begriff Gewässerführer wurde seit 2001 von Volkshochschulen verwendet, die sich frühzeitig<br />

für die Verbesserung <strong>der</strong> Beziehung zwischen Mensch und Gewässer engagierten und diese Beziehung in<br />

ihren Programmen thematisierten. <strong>Von</strong> Anfang an wurden die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft und die Betreuer<br />

<strong>der</strong> Gewässernachbarschaften als Referenten mit ins Boot genommen. Die Gewässerführerkurse lösten eine<br />

unerwartet große Nachfrage aus, wodurch das Problem entstand, dass die Anzahl <strong>der</strong> Anbieter und damit die<br />

Qualität <strong>der</strong> Ausbildung außer Kontrolle geraten könnten. Das damalige Ministerium für Umwelt und Verkehr<br />

erkannte frühzeitig diese Gefahr und veranlasste die Fortbildungsgesellschaft, ein Konzept und die Materialien<br />

für eine fachlich fundierte Gewässerführerausbildung zu erarbeiten. Sie sollte für alle Regionen verwendbar<br />

sein und einen Qualitätsstandard sichern. Die Unterlagen wurden von <strong>der</strong> eigens dafür zusammengestellten<br />

„Projektgruppe Gewässerführerausbildung“ erarbeitet, eine Gruppe von Fachleuten aus den Umwelt- und<br />

Wasserwirtschaftsbehörden, Universitäten und <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft selbst.<br />

Ziel <strong>der</strong> Ausbildung ist, neben <strong>der</strong> Vermittlung von interdisziplinären Kenntnissen über Gewässer die Begeisterung<br />

für Wasser und Gewässer zu wecken. Die Auszubildenden sollen ihre eigene Begeisterung auf die Teilnehmer<br />

von Führungen übertragen. Darüber hinaus sollen Gewässerführer Multiplikatoren sein und dazu<br />

beitragen, die Bevölkerung an die Gewässer heranzuführen und <strong>der</strong>en Identifizierung mit den Gewässern zu<br />

för<strong>der</strong>n 44 . Die Schulungen haben bislang in mehreren Städten in Baden-Württemberg stattgefunden, zuletzt in<br />

Freiburg.<br />

Pädagogische Themen bei den „Kleinen Betreuertagen“ <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften<br />

Auch den Betreuerinnen und Betreuern <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften werden gewässerpädagogische und<br />

an<strong>der</strong>e Themen mit Bezug zum Menschen angeboten. Das Angebot wird prinzipiell im Rahmen <strong>der</strong> „kleinen<br />

Betreuertage“ gemacht und dient <strong>der</strong> Weiterbildung <strong>der</strong> Betreuer und För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Reflexion und Diskussionskultur<br />

zu brisanten Fragen o<strong>der</strong> Problemen, die in <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> nachhaltigen Gewässerentwicklung auftauchen.<br />

Die größte Veranstaltung im Bereich <strong>der</strong> Gewässerpädagogik fand 2000 im Rahmen des ersten „kleinen Betreuertages“<br />

in Ulm statt, <strong>der</strong> den gleichnamigen Titel „Gewässerpädagogik“ trug. Neben <strong>der</strong> Gewässerpädagogik<br />

wurden die Bürgerbeteiligung und die ästhetische Gestaltung von urbanen Gewässern<br />

angesprochen. Die Beiträge dazu wurden im Statusbericht 2000/2001 veröffentlicht und zeigen den Stand<br />

dieser drei Themenschwerpunkte in Deutschland. Mehrere Vorträge handelten über Renaturierungsprojekte<br />

von urbanen Gewässern – von <strong>der</strong> Pegnitz in Nürnberg, des Krähenbachs in Möhringen – und schil<strong>der</strong>ten einige<br />

Möglichkeiten, wie die Interessen <strong>der</strong> Bevölkerung mit den ökologischen Zielsetzungen in Einklang gebracht<br />

werden können. Überraschend und innovativ waren die Beispiele über die Integration von Gewässern in <strong>der</strong><br />

Stadt, die Herbert Dreiseitl vorstellte. Was die Agenda 21-Büros sind und mit welchen Projekten sie auch Fragen<br />

<strong>der</strong> Gewässerentwicklung behandeln, wurde von Gerd Oelsner von <strong>der</strong> LfU erläutert; und aus dem Neckar-<br />

Raum wurden die gewässerpädagogischen Programme für Erwachsene und Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> Volkshochschulen und<br />

des Nachbarschaftsverbandes Heidelberg-Neckar vorgestellt: Insgesamt ein sehr anspruchsvolles und umfassendes<br />

Programm!<br />

Der Kleine Betreuertag 2003 stand unter dem Motto „Urbane Gewässer, verän<strong>der</strong>te Gewässer, Wasserrahmenrichtlinie“.<br />

Hier trat <strong>der</strong> Mensch beim Vortrag von Oliver Kaiser wie<strong>der</strong> in den Vor<strong>der</strong>grund, <strong>der</strong> das Bürgerprojekt<br />

StadtGewässer in Freiburg vorstellte. Im Rahmen einer Studie an <strong>der</strong> Universität Freiburg, in <strong>der</strong> die Entwicklungspotenziale<br />

<strong>der</strong> Freiburger Bächle und Kanäle untersucht wurden, wurde eine innovative Bürgerbeteiligung<br />

angespornt und mo<strong>der</strong>iert, in <strong>der</strong> Freiburger Bürger und Fachbehörden gemeinsam umsetzungsorientierte<br />

Konzepte für zwei urbane Gewässer erarbeiteten.<br />

44 Skriptum für Gewässerführer/innen <strong>der</strong> Gewässerausbildung in Freiburg<br />

Seite 41<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Als Entwicklungsziele stand nicht die<br />

Naturnähe, wie es bei <strong>der</strong> Gewässerrenaturierung<br />

üblich ist, son<strong>der</strong>n standen<br />

vielmehr die Bedürfnisse <strong>der</strong> Menschen<br />

an die städtischen Gewässer im Vor<strong>der</strong>grund:<br />

eine gute Erlebbarkeit, Zugänglichkeit,<br />

Attraktivität und städtebauliche<br />

Integration. 45<br />

Ein Jahr später, im September 2004, wurde<br />

<strong>der</strong> 12. Betreuertag mit einem Aktionstag<br />

am Gewässer gefeiert. Der erste<br />

Aktionstag hatte zwei Jahre davor <strong>zur</strong><br />

Feier des zehnjährigen Jubiläums <strong>der</strong><br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft stattgefunden<br />

und war ein großer Erfolg gewesen.<br />

2004 fanden sich wie<strong>der</strong> weit über<br />

100 Teilnehmer aus Kommunen, <strong>der</strong><br />

Fachverwaltung und den Hochschulen<br />

an <strong>der</strong> Rotach in Friedrichshafen ein.<br />

Schulklassen und Eltern mit Kin<strong>der</strong>n besuchten<br />

die Stationen, die am Fluss und<br />

Kin<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Schreienesch-Grundschule in Friedrichshafen hören Wassermusik<br />

an <strong>der</strong> Rotach beim 12. Betreuertag 2004 in Friedrichshafen.<br />

Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

am Bodenseeufer aufgebaut waren. Die Flusspädagogin <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft konnte den Kin<strong>der</strong>n<br />

auf spielerische Weise die Eigenarten <strong>der</strong> Fließgewässer und die Zukunftsvisionen für die Gewässer vermitteln<br />

und ihre Begeisterung für naturnahe Gewässer mit allen Sinnen wecken. So bestand eine Aufgabe darin,<br />

nach einer Einführung und Sensibilisierung des Hörsinns über naturpädagogische Spiele mit Stangen und Trichtern<br />

die „Musik des Wassers“ – Plätschern, Rauschen, Zischen… – hörbar zu machen. 46<br />

Sonstige Aktivitäten<br />

Eine weitere gewässerpädagogische Aktivität versucht, die Akzeptanz von Umgestaltungsprojekten am Neckar<br />

bei <strong>der</strong> Bevölkerung zu erhöhen. Mit Erlebnisangeboten und einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit werden<br />

Maßnahmen <strong>zur</strong> Uferaufweitung und Verbesserung <strong>der</strong> Zugänglichkeit und Erlebbarkeit pädagogisch begleitet.<br />

Genannt seien <strong>der</strong> Aktionstag „Lebendiger Neckar“ – eine Flussentdeckungsralley für Familien – und <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong>-Umwelt-Kongress <strong>der</strong> Stadt Heidelberg, <strong>der</strong> in Oktober 2004 stattfand und an <strong>der</strong> die Flusspädagogin<br />

<strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft eine aktive Rolle spielte.<br />

45 Kaiser, 2003<br />

46 Beermann, 2005<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 42


6 Hochwasserpartnerschaften<br />

Nach den gewaltigen Hochwasserereignissen im Jahr 2002 im Elbe- und<br />

Donaueinzugsgebiet rückte <strong>der</strong> Hochwasserschutz einmal mehr ins Blickfeld<br />

<strong>der</strong> Politik, und zwar nicht nur in den betroffenen Bundeslän<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n<br />

überall in Deutschland. In Baden-Württemberg verdoppelten sich in den<br />

darauf folgenden Jahren trotz <strong>der</strong> generellen finanziellen Engpässe die<br />

Ausgaben für den Hochwasserschutz. Die Hochwasserschutzstrategie des<br />

Landes baut, neben dem technischen Hochwasserschutz, auf das Flächenmanagement<br />

und die Hochwasservorsorge. Im April 2003 wurde die Leitlinie<br />

„Hochwassergefahr und Strategien <strong>zur</strong> Schadensminimierung in Baden-<br />

Württemberg“ gemeinsam vom damaligen Ministerium für Umwelt und<br />

Verkehr, dem Wirtschaftsministerium und dem Innenministerium veröffentlicht.<br />

Es wurde die Notwendigkeit unterstrichen, Hochwassergefahrenkarten<br />

zu erarbeiten, welche für alle Gewässerstrecken mit einem<br />

Einzugsgebiet größer als 10 km 2 die Bedrohung durch Hochwasser darstellen.<br />

Aufbauend auf diesen Gefahrenkarten sollen im Rahmen <strong>der</strong> Flächenvorsorge<br />

raumordnerische Festlegungen von Vorrang- und<br />

Vorbehaltsgebieten gesichert werden. Die neuesten Än<strong>der</strong>ungen im Wassergesetz ergänzen diese Regelungen.<br />

Danach sind Siedlungserweiterungen<br />

im Überschwemmungsbereich<br />

außer in Ausnahmefällen<br />

untersagt.<br />

Diese Regelungen können jedoch<br />

nicht <strong>zur</strong> erwünschten Reduzierung<br />

<strong>der</strong> Hochwasserschäden<br />

führen, wenn bei den Entscheidungsträgern<br />

kein ausreichendes<br />

Bewusstsein für die Hochwasservorsorge<br />

vorhanden ist. Die Erfahrungen<br />

haben mehrfach gezeigt,<br />

dass Hochwassergefahren schon<br />

bald nach einem Hochwasserereignis<br />

verdrängt werden. Dies<br />

führt oft zu planerischen und baulichen<br />

Fehlentscheidungen, die<br />

bei kommenden Hochwässern zu<br />

Schäden führen, die bei einer<br />

effektiven Vorsorge vermeidbar<br />

gewesen wären. Deshalb ist die<br />

nachhaltige Bewusstseinsbildung<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft, vor allem <strong>der</strong><br />

Entscheidungsträger, einer <strong>der</strong><br />

wichtigsten Bausteine <strong>der</strong> Hochwasservorsorge.<br />

Die Hochwasserpartnerschaften<br />

Hochwasserschutzstrategie des Landes. Quelle: Broschüre „Hochwasservorsorge„<br />

vom MUV Baden-Württemberg, 2003.<br />

entstanden daher 2003 mit dem<br />

Ziel, die Öffentlichkeit und insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Entscheidungsträger<br />

über die mögliche räumliche<br />

Ausbreitung von Hochwasserereignissen<br />

zu informieren, um ein<br />

Bewusstsein zuschaffen und Informationen<br />

in Sachen Hochwasserschutz<br />

zu verbreiten. Die <strong>WBW</strong><br />

Seite 43<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Fortbildungsgesellschaft übernahm dabei die Aufgabe <strong>der</strong> Vorbereitung, Organisation und Koordination eines<br />

Erfahrungsaustausches zum Thema vorsorgen<strong>der</strong> Hochwasserschutz.<br />

Angesprochen werden sollen die Kommunen,<br />

insbeson<strong>der</strong>e die Bürgermeister, aber auch die<br />

Unteren Wasserbehörden, die Unteren Behörden<br />

<strong>der</strong> Gefahrenabwehr und des Katastrophenschutzes,<br />

die technischen Fachbehörden<br />

(ehemalige Gewässerdirektionen, seit 2005 in<br />

die LRÄ und RPen eingeglie<strong>der</strong>t), die Verbände<br />

und, unter bestimmten Voraussetzungen,<br />

z.B. bei beson<strong>der</strong>em Gefahrenpotential, Industrie-<br />

und Gewerbebetriebe eines Einzugsgebietes.<br />

Die Bürgerinnen und Bürger wurden<br />

durch die Hochwasserpartnerschaften indirekt<br />

über die Behörden <strong>der</strong> Kommunen erreicht.<br />

Dafür stellt die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

den Kommunen Materialien <strong>zur</strong> Verfügung.<br />

Der Beirat für diesen Erfahrungsaustausch setzt<br />

sich aus Vertretern zusammen, die sich schon<br />

<strong>zur</strong> Ausarbeitung <strong>der</strong> Leitlinie „Hochwasserschutz-Strategie“<br />

zusammengefunden haben<br />

(siehe Organigramm). Die Hochwasserpartnerschaften<br />

sind Zuständigkeitsgebiete, die sich<br />

entsprechend den Vorgaben <strong>der</strong> Europäischen<br />

Wasserrahmenrichtlinie an Flusseinzugsgebieten<br />

und nicht, wie im Falle <strong>der</strong> Organigramm <strong>der</strong> Hochwasserpartnerschaften<br />

Gewässernachbarschaften<br />

und <strong>der</strong> Stauwärternachbarschaften,<br />

an administrativen Grenzen orientieren.<br />

Die für Deutschland abgegrenzten Flussgebiete<br />

wurden für das Land Baden-Württemberg weiter<br />

unterteilt.<br />

Für jede Partnerschaft ist ein Mo<strong>der</strong>ator zuständig.<br />

In <strong>der</strong> Regel handelt es sich um einen Vertreter aus<br />

den Kommunen, Landratsämtern, Regionalverbänden<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Wasserwirtschaftsverwaltung.<br />

Seine Funktion ist, im Gegensatz zum Betreuer <strong>der</strong><br />

Gewässernachbarschaften und <strong>der</strong> Stauwärternachbarschaften,<br />

nicht die eines Lehrers o<strong>der</strong><br />

Fachreferenten: Der Mo<strong>der</strong>ator ist für die Organisation<br />

des Veranstaltungsortes und Terminabstimmung<br />

verantwortlich und steht als zentraler<br />

Ansprechpartner für alle Teilnehmer <strong>der</strong> Hochwasserpartnerschaften<br />

<strong>zur</strong> Verfügung.<br />

Die regelmäßigen Veranstaltungen sind als Kombination<br />

von Erfahrungsaustausch und Lehrveranstaltungen<br />

gedacht. Sie sind jedoch auch ein<br />

Forum für die an einem Flusslauf liegenden Kommunen,<br />

die mit Hilfe des Mo<strong>der</strong>ators ein Netzwerk<br />

aufbauen sollen, in dem die Belange je<strong>der</strong> Gemeinde<br />

diskutiert und Lösungen für die Hochwasserprobleme<br />

innerhalb <strong>der</strong> Hochwasserpartnerschaft<br />

erarbeitet werden können.<br />

Bereits existierende Hochwasserpartnerschaften, Stand August<br />

2006.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 44


In den jährlich stattfindenden Veranstaltungen<br />

sollen die verschiedensten<br />

zwei bis drei Themenschwerpunkte,<br />

je nach Bedarf,<br />

behandelt werden. Dafür können<br />

von <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

und ggf. auf Anfrage <strong>der</strong><br />

Mo<strong>der</strong>atoren qualifizierte Referenten<br />

für spezifische Themen ausgewählt<br />

und eingeladen werden.<br />

Eine Auswahl <strong>der</strong> Themenblöcke, die<br />

für die kommenden Jahre vorgesehen<br />

ist:<br />

Hochwasseraktionspläne<br />

Alarm- und Einsatzpläne für Gefahrenabwehr<br />

und Katastrophenschutz<br />

Deich- und Dammverlegung<br />

Erläuterung <strong>der</strong> Gefahrenkarten<br />

und Interpretation <strong>der</strong> Gefährdungen<br />

Nachhaltige Bewusstseinsbildung bei Bürgern, Industrie und Gewerbe<br />

Hochwassersichere Öllagerung<br />

Lagerung und Umgang mit sonstigen wassergefährdenden Stoffen<br />

in <strong>der</strong> Industrie<br />

Hochwasserangepasste Nutzung und bewusstes Bauen, Objektschutz<br />

Verhaltenvorsorge<br />

Gefahren durch Oberflächenwasser und Hangwasser aufzeigen<br />

Bauleitplanung in hochwassergefährdeten Gebieten<br />

Umgang mit Hochwasservorhersagen<br />

Risiko durch Versicherungen<br />

Neckarhochwasser bei Bad Wimpfen 1993. Quelle: Broschüre „Integrierende<br />

Konzeption Neckar-Einzugsgebiet (IKONE)“ vom MUV Baden-Württemberg, o.J.<br />

Seit <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong> ersten Hochwasserpartnerschaft im November<br />

2003 in Wangen im Allgäu durch den damaligen Minister für<br />

Umwelt und Verkehr in Baden-Württemberg, Herrn Ulrich Müller,<br />

konnten mittlerweile elf weitere Hochwasserpartnerschaften gegründet<br />

und somit über 650 Städte und Gemeinden sowie darüber<br />

hinaus zahlreiche Fachbehörden und Institutionen zu diesem Erfahrungsaustausch<br />

eingeladen werden. Auch entlang <strong>der</strong> großen<br />

Flüsse in Baden-Württemberg wurden Hochwasserpartnerschaften<br />

gegründet und somit speziell die dort vorhandenen Problematiken<br />

aufgegriffen.<br />

Für das Jahr 2006 ist es angedacht, den Schwerpunkt bei Neugründungen<br />

weiterer Hochwasserpartnerschaften auf das Neckareinzugsgebiet<br />

zu legen. Die Themen <strong>der</strong> Hochwasserpartnerschaften<br />

ergeben sich aus den jeweiligen Regionen sowie aus <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

mit den EU-Projekten SAFER und NOAH. Neben Informa-<br />

Faltblatt <strong>der</strong> Hochwasserpartnerschaften<br />

tionen zu den Hochwassergefahrenkarten und Aspekten <strong>der</strong> Bauleitplanung, welche sich aus den Neuerungen<br />

im Wasser- und Wasserhaushaltsgesetzes ergeben, wird <strong>der</strong>zeit in den Hochwasserpartnerschaften<br />

schwerpunktmäßig über das Thema Gefahrenabwehrmanagement informiert und hierbei konkrete Unterstützung<br />

bei <strong>der</strong> Erstellung kommunaler Hochwasseralarm- und Einsatzpläne geboten.<br />

Das große Interesse <strong>der</strong> Kommunen an den Hochwasserpartnerschaften zeigt deutlich den Bedarf an Informationen<br />

zum Thema Hochwasservorsorge und unterstreicht die Notwendigkeit <strong>zur</strong> Durchführung eines solchen<br />

Erfahrungsaustausches.<br />

Seite 45<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


7 Erfahrungsaustausch <strong>der</strong> Wasserbehörden in Baden-<br />

Württemberg<br />

Mit den Än<strong>der</strong>ungen des Wasserhaushaltsgesetzes (2002) und des Wassergesetzes für Baden-Württemberg<br />

(2004), wurden die Vorgaben <strong>der</strong> EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in nationales Recht umgesetzt. Hieraus<br />

ergibt sich für die Wasserwirtschaftsverwaltung in Baden-Württemberg eine Vielzahl an neuen Aufgaben.<br />

Beson<strong>der</strong>s die Erstellung des Monitoringprogramms<br />

sowie <strong>der</strong> Bewirtschaftungspläne<br />

innerhalb <strong>der</strong><br />

WRRL verlangt ein gemeinschaftliches<br />

Zusammenarbeiten <strong>der</strong> Wasserbehörden.<br />

Die Regierungspräsidien<br />

in Baden-Württemberg sind<br />

die verantwortlichen Flussgebietsbehörden<br />

für die einzelnen Bearbeitungsgebiete.<br />

Für die örtliche<br />

Umsetzung <strong>der</strong> WRRL in den Wasserkörpern<br />

unterstützen die unteren<br />

Verwaltungsbehörden die Flussgebietsbehörden.<br />

Erfahrungsaustausch in Tübingen am 27. Juli 2006.<br />

Das neue Thema <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

für Gewässerentwicklung<br />

mbH und <strong>der</strong><br />

Landesanstalt für Umwelt, Messungen<br />

und Naturschutz (LUBW) „Erfahrungsaustausch<br />

<strong>der</strong> Wasserbehörden<br />

(EWB)“ hat zum Ziel, den fachlichen<br />

Dialog zwischen den Regierungspräsidien, den<br />

unteren Verwaltungsbehörden und dem<br />

Fachdienst <strong>der</strong> LUBW zu för<strong>der</strong>n. Durch frühzeitige<br />

Information und Einbindung <strong>der</strong> zuständigen<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über<br />

anstehende Aufgaben soll die WRRL zielgerichtet<br />

und effektiv umgesetzt werden.<br />

Durch mo<strong>der</strong>ne Mo<strong>der</strong>ationstechnik, kurze<br />

Impulsreferate, Information an Schautafeln<br />

sowie Diskussionsrunden sollen die aktuellen<br />

Themen <strong>der</strong> WRRL bedarfsgerecht vermittelt<br />

werden. Des Weiteren bietet <strong>der</strong> Erfahrungsaustausch<br />

den zeitlichen Rahmen für einen<br />

intensiven fachlichen Dialog unter den Wasserbehörden<br />

und dem Fachdienst <strong>der</strong> LUBW.<br />

Die WRRL ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Für<br />

die Erstellung <strong>der</strong> Bewirtschaftungspläne bis<br />

Ende 2009 ist eine enge Zusammenarbeit und<br />

fachlicher Dialog <strong>der</strong> Wasserbehörden und <strong>der</strong><br />

Landesanstalt für Umwelt, Messungen und<br />

Organigramm Erfahrungsaustausch Wasserbehörden<br />

Naturschutz (LUBW) in Baden-Württemberg<br />

notwendig. Neben dem Themenfeld Umsetzung<br />

<strong>der</strong> WRRL ist zukünftig geplant, im Erfahrungsaustausch die Themen Hochwasserschutz sowie Gewässerentwicklung<br />

zu behandeln.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 46


Die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft ist für die Organisation<br />

und die LUBW für die Fachkonzeption<br />

des Erfahrungsaustausches zuständig. Sie werden<br />

durch den Beirat <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften<br />

in Baden-Württemberg bei <strong>der</strong> Durchführung und<br />

<strong>der</strong> Themenauswahl beraten.<br />

Der Erfahrungsaustausch wird für den jeweiligen<br />

Regierungsbezirk angeboten. Er soll in Ergänzung<br />

zu den Dienstbesprechungen <strong>der</strong> Regierungspräsidien<br />

sowie des Umweltministeriums (UM) und<br />

den jährlichen Fortbildungsveranstaltungen <strong>der</strong><br />

UM - Fachreferate stattfinden. Für das Jahr 2006<br />

ist zu den Themen WRRL/Fließgewässerbewertung<br />

und För<strong>der</strong>ungsinstrumente (z.B. EEG) für jeden<br />

Regierungsbezirk jeweils eine Veranstaltung geplant.<br />

Der Erfahrungsaustausch <strong>der</strong> Wasserbehörden in Baden-<br />

Württemberg wird in den vier Regierungsbezirken durchgeführt.<br />

Seite 47<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


8 Künftige Aufgaben <strong>der</strong> Gewässerentwicklung<br />

Die Arbeit <strong>der</strong> LfU (heute LUBW) und <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft dokumentiert eindrucksvoll ein Engagement<br />

für Gewässer und für diejenigen, die für die Gewässer verantwortlich sind, das bundesweit und darüber<br />

hinaus Seinesgleichen sucht. Nahezu idealtypisch wurden Erfahrungen aus <strong>der</strong> Praxis, neue Erkenntnisse<br />

aus <strong>der</strong> Wissenschaft und neue rechtliche Rahmenbedingungen von <strong>der</strong> Fachverwaltung aufgegriffen und<br />

miteinan<strong>der</strong> verknüpft und zu gut lesbaren Leitfäden für die Fachpraxis verarbeitet. Für die Aufgaben <strong>der</strong> <strong>WBW</strong><br />

Fortbildungsgesellschaft wurden Themen ausgewählt und didaktisch-pädagogisch so aufbereitet und vermittelt,<br />

dass die zuständigen Praktiker in den Städten und Gemeinden, also bei den Gewässerunterhaltungspflichtigen,<br />

in die Lage versetzt wurden, eigenverantwortlich und auf hohem fachlichen Standard mit den<br />

Gewässern umzugehen.<br />

Manche <strong>der</strong> behandelten Themen werden Daueraufgaben sein, an<strong>der</strong>e, nicht min<strong>der</strong> wichtige werden hinzukommen.<br />

Manche Themen eignen sich exklusiv für die Beratungsarbeit <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft, an<strong>der</strong>e<br />

benötigen die breite Kompetenz und den langen Atem einer selbstbewussten, in je<strong>der</strong> Hinsicht offenen wasserwirtschaftlichen<br />

Fachverwaltung. Im Folgenden werden die Rahmenbedingungen und die wichtigsten<br />

Handlungsfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> künftigen wasserwirtschaftlichen Praxis vorgestellt.<br />

Der dreifache Rahmen<br />

Die Wasserwirtschaft <strong>der</strong> kommenden Jahre und Jahrzehnte wird sich innerhalb eines Rahmens bewegen, <strong>der</strong><br />

sich zusammensetzt aus (a) dem Nachhaltigkeitsparadigma, (b) den Vorgaben <strong>der</strong> Wasserrahmenrichtlinie<br />

<strong>der</strong> Europäischen Union und (c) <strong>der</strong> Anpassung an den Klimawandel. Des Nachhaltigkeitskonzepts bedienen<br />

sich mittlerweile die verschiedenen Ebenen <strong>der</strong> Politik, wenn auch oft noch rein verbal, wobei je nach Blickwinkel<br />

<strong>der</strong>er, die diesbezügliche Gedanken vortragen, die<br />

Schwerpunktsetzung auf eine <strong>der</strong> drei Säulen <strong>der</strong> Nachhaltigkeit<br />

verschieden ausfällt. Eine zunehmend größere Rolle spielen<br />

– gestützt auf die soziokulturelle Säule – Fragen <strong>der</strong> Beteiligung<br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit bei <strong>der</strong> Umsetzung von rechtlichen und planerischen<br />

Instrumenten. Während das Nachhaltigkeitskonzept<br />

einen rein normativen Charakter hat, ist die Wasserrahmenrichtlinie<br />

ein Gesetz, das seinen Nie<strong>der</strong>schlag in <strong>der</strong> Bundesund<br />

Län<strong>der</strong>gesetzgebung gefunden hat und das in seiner Auslegung<br />

<strong>der</strong> Rechtssprechung bedarf. Die allenthalben spürbare<br />

Unsicherheit im Umgang mit Begriffen und Inhalten <strong>der</strong> Richtlinie<br />

spiegelt die noch wenig umfangreiche Rechtssprechung<br />

wi<strong>der</strong>. Hinzu kommen ungenaue Übersetzungen aus dem Englischen,<br />

die mit <strong>der</strong> bislang gebräuchlichen deutschen Fachterminologie<br />

nicht im Einklang stehen. Das Ziel <strong>der</strong><br />

Wasserrahmenrichtlinie ist das Erreichen eines „guten ökologischen<br />

Zustandes“ <strong>der</strong> Oberflächengewässer, eines „guten<br />

Zustandes“ des Grundwassers, das Verbot <strong>der</strong> Verschlechterung<br />

eines einmal erreichten guten Zustandes sowie die aktive<br />

Beteiligung <strong>der</strong> Öffentlichkeit bei <strong>der</strong> Planung und Umsetzung<br />

<strong>der</strong> Vorgaben <strong>der</strong> WRRL. 47 Für künstliche und stark verän<strong>der</strong>te<br />

Gewässer sind ein „guter chemischer Zustand“ und das „gute<br />

ökologische Potential“ zu erreichen. Die Bewertung <strong>der</strong> Ökologie<br />

stützt sich hierbei auf die Komponenten (1) Biotik, hier die<br />

Flora (Algen bis Makrophyten), das Makrozoobenthos und die<br />

Fischfauna, (2) Hydrologie und Hydromorphologie, darunter<br />

Abflussparameter und Gewässerstrukturmerkmale (mit dem<br />

wichtigen Indikator Durchgängigkeit), sowie (3) <strong>der</strong> chemisch-<br />

Die Quelle, <strong>der</strong> Prototyp des grundwasserabhängigen<br />

Ökosystems. Aufn.: W. Konold<br />

47 Hier kommt in <strong>der</strong> WRRL das Konzept <strong>der</strong> nachhaltigen Entwicklung bzw. <strong>der</strong> „Geist von Rio“ zum Vorschein.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 48


physikalische Zustand. Die biologischen Komponenten sind, obwohl am aufwändigsten zu erheben, bei <strong>der</strong><br />

Bewertung <strong>der</strong> Gewässer dominant, da man davon ausgeht, dass Organismen und Lebensgemeinschaften<br />

integrierend am besten den Zustand eines Gewässers wie<strong>der</strong>geben.<br />

Mittelbar über die Oberflächengewässer und die Grundwasserkörper will die Wasserrahmenrichtlinie auch die<br />

„(grund)wasserabhängigen Landökosysteme“ schützen, und zwar weit gehend unabhängig davon, ob sie auf<br />

natürliche Weise o<strong>der</strong> infolge menschlicher Eingriffe entstanden sind. Diese For<strong>der</strong>ung ist deshalb von beson<strong>der</strong>em<br />

Gewicht, als sie implizit die Kommunikation und die Vernetzung von Lebensräumen über das Medium<br />

Wasser zum Ausdruck bringt. Interpretiert man die For<strong>der</strong>ung tiefer gehend, so wird <strong>der</strong> hohe Stellenwert <strong>der</strong><br />

Auen als komplexen, Grund- und Oberflächenwasser-geprägten Systemen und <strong>der</strong>en Schutzwürdigkeit überdeutlich.<br />

Potenziale seien, so die WRRL, über so genannte Bewirtschaftungspläne zu ermitteln, in die Maßnahmen aufzunehmen<br />

sind, die zu einem guten Zustand bzw. Potential führen und die den Vorgaben aus den Gewässerentwicklungsplänen/Gewässerentwicklungskonzepten<br />

entsprechen können. – Die Wasserrahmenrichtlinie gibt<br />

also einen klaren Rahmen vor, <strong>der</strong> für das konkrete Handeln <strong>der</strong> Wasserwirtschaft insofern vorteilhaft zu sein<br />

scheint, als die Aufgaben für einen längeren Zeitraum festgelegt und damit kalkulierbar sind.<br />

Ganz an<strong>der</strong>s ist <strong>der</strong> Charakter dessen, was unter die Überschrift Klimawandel und Anpassung an diesen Wandel<br />

zu subsumieren ist. Hier geht es um dynamische Prozesse, um den Umgang mit Unsicherheiten, um räumlich<br />

noch zu wenig auflösende Prognosen. Der Klimawandel kann sich sogar <strong>der</strong>gestalt auswirken, dass die Vorgaben<br />

und Ziele <strong>der</strong> WRRL obsolet werden und über neue Leitbil<strong>der</strong>, respektive Referenzen bei <strong>der</strong> Gewässerentwicklung<br />

diskutiert werden muss. Eine wichtige Aufgabe <strong>der</strong> nächsten Jahre wird sein, auf verschiedenen<br />

Maßstabsebenen Klimatrends für die Wasserwirtschaft zu interpretieren, Risiken abzuschätzen, Risikomanagement<br />

zu betreiben und angemessen zu reagieren. Es werden sich Verän<strong>der</strong>ungen beim Auftreten von Starknie<strong>der</strong>schlägen<br />

(Jahreszeit, Umfang, Intensität) mit entsprechenden Folgen auf die Abflussbildung, die<br />

Abflüsse und die Abflusscharakteristika (Fülle, Scheitelhöhe, Abflusskurve) ergeben, verbunden mit den entsprechenden<br />

hydraulischen Prozessen und Auswirkungen auf den Geschiebehaushalt, auf Erosion und Sedimentation.<br />

Die Auswirkungen <strong>der</strong> Klimaverän<strong>der</strong>ungen auf die Wasserwirtschaft werden seit 1998 in einem<br />

Kooperationsvorhaben „KLIWA“ <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> Baden-Württemberg und Bayern sowie des Deutschen Wetterdienstes<br />

untersucht. Erste Ergebnisse prognostizieren einen Anstieg <strong>der</strong> mittleren Hochwasserereignisse zwischen<br />

15 und 25 %.<br />

Darüber hinaus werden sich Abflussregimes verschieben und die Unterschiede zwischen Hoch- und Niedrigwasserabflüssen<br />

werden größer werden. Die Zeiten mit Niedrigwasserabflüssen werden länger sein, was zu<br />

schwierigen Stresssituationen <strong>der</strong> aquatischen Lebewelt führen wird. Stillgewässer werden größeren Wasserspiegelschwankungen<br />

ausgesetzt sein; die Wassererneuerungszeiten werden länger sein, was sich wie<strong>der</strong>um<br />

auf den Stoffhaushalt auswirkt. Die Kommunikation zwischen Grundwasserkörper und Oberflächengewässer<br />

einerseits und (grund)wasserabhängigen Landökosystemen an<strong>der</strong>erseits wird über längere Zeit des Jahres<br />

weniger stark ausgeprägt sein. – Nur angedeutet an Hand von Stichworten sei, worauf sich das „angemessene<br />

Reagieren“ beziehen kann: Verletzlichkeit <strong>der</strong> verschiedenen Gewässertypen unter Einbeziehung <strong>der</strong> Einzugsgebietscharakteristika<br />

abschätzen, Harmonisierung <strong>der</strong> Abflussbildung anstreben, dabei die Landschaftsspeicher,<br />

insbeson<strong>der</strong>e die Auen (passive Retention) aktivieren und die Grundwasserneubildung optimieren, <strong>zur</strong><br />

Vorsorge regelmäßige Gewässerschauen durchführen („wie<strong>der</strong> näher dran sein“), aktive Gewässerpflege und<br />

-unterhaltung und Gehölzpflege betreiben, nicht zuletzt unter dem Aspekt <strong>der</strong> Ufersicherung, in Ortslagen<br />

ausreichende Abflusskapazitäten schaffen unter starker Berücksichtigung <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> ökologischen<br />

Funktionen.<br />

Man sieht, dass die Wasserrahmenrichtlinie wie auch <strong>der</strong> Klimawandel enge Verbindungen <strong>zur</strong> land- und forstwirtschaftlichen<br />

Nutzung haben, weil es um Anpassungen dieser Nutzungen an einen sich än<strong>der</strong>nden Rahmen<br />

geht. Es ist also dringend notwendig, hier in einen intensiven Diskurs einzutreten.<br />

Nochmals: Mit <strong>der</strong> WRRL und dem Klimawandel treffen ein Instrument und ein Prozess aufeinan<strong>der</strong>, die aller<br />

Voraussicht nach nicht <strong>zur</strong> Deckung zu bringen sind. Das Instrument muss erfor<strong>der</strong>lichenfalls an den Prozess<br />

angepasst werden.<br />

Seite 49<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Die Handlungsfel<strong>der</strong><br />

Wasserwirtschaft, Landschaftswasserhaushalt und Naturschutz i.w.S.<br />

Die Wasserrahmenrichtlinie besitzt explizit – „guter ökologischer Zustand“, „ökologisches Potenzial“, Bewertung<br />

primär nach biologischen Merkmalen – <strong>der</strong> Klimawandel in seiner Auslegung – Verän<strong>der</strong>ung des Landschaftswasserhaushalts<br />

mit Wirkung auf die (grund)wasserabhängigen Landökosysteme – eine direkte Beziehung zum<br />

Naturschutz, damit auch <strong>zur</strong> Flora-Fauna-Habitatrichtlinie und <strong>zur</strong> Vogelschutzrichtlinie und den Län<strong>der</strong>naturschutzgesetzen.<br />

Es werden also Fachgebiete und Fachkulturen zusammengebracht, die bisher nicht immer<br />

harmonierten. Die nunmehr gemeinsamen Aufgaben und Ziele sind als große Chance zu sehen, wo sich beide<br />

Seiten auch profilieren können. Die von Seiten des Naturschutzes hier und dort vor dem Hintergrund <strong>der</strong> WRRL<br />

schon geäußerten Erwartungen können von <strong>der</strong> Wasserwirtschaft aktiv und konstruktiv aufgegriffen werden: 48<br />

Verbesserung des Naturhaushaltes in aquatischen und semiaquatischen Lebensräumen, För<strong>der</strong>ung von Renaturierungsbemühungen,<br />

Wie<strong>der</strong>herstellung naturnaher Verhältnisse in Feuchtgebieten, Verbesserung <strong>der</strong> Retention<br />

und an<strong>der</strong>es mehr. Der ausschließlich auf den Status quo bezogene Bewertungsansatz <strong>der</strong> WRRL engt<br />

allerdings die Spielräume ein, da auch ursprünglich technisch induzierte Verän<strong>der</strong>ungen des Wasserhaushalts,<br />

etwa ein hoher Grundwasserstand infolge <strong>der</strong> Stauregulierung eines Flusses, dem Verschlechterungsverbot<br />

unterworfen sind.<br />

Attraktive gemeinsame Aufgabenfel<strong>der</strong> sind:<br />

Umsetzung <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach einem guten ökologischen Zustand <strong>der</strong> Gewässer,<br />

Erarbeitung wasserwirtschaftlicher Konzepte <strong>zur</strong> Stabilisierung von Lebensräumen mit hoher Feuchtestufe,<br />

Regenerierung von Mooren, auch zum Zweck <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Retention o<strong>der</strong> zumindest <strong>der</strong> Abflusspufferung<br />

und zum Zweck <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Senkenfunktion für Nährstoffe;<br />

den Quellenschatz des Landes endlich heben, Quellen mehrdeutig zum Thema machen und das Ehrenamt<br />

aktivieren;<br />

gezielte Wie<strong>der</strong>ansiedlung und För<strong>der</strong>ung des Bibers als effektiven „Wasserwirtschaftler <strong>der</strong> Natur“, dort,<br />

wo eine verstärkte Retention sinnvoll o<strong>der</strong> vonnöten ist,<br />

Kontrolle o<strong>der</strong> gar Beseitigung von Neobiota, wo eine gemeinsame Betroffenheit gegeben ist.<br />

Auen stehen unter <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />

Obhut <strong>der</strong> Wasserrahmenrichtlinie<br />

und des Naturschutzes<br />

und sind im Zusammenhang mit<br />

<strong>der</strong> Klimaverän<strong>der</strong>ung funktional<br />

und gleichzeitig naturschutzfachlich<br />

bedeutsamer denn je. Diese<br />

hoch komplexen und jeweils individuellen<br />

Gebilde bringen neben<br />

<strong>der</strong> Hochwasserretention höchste<br />

Effekte für die wassergebundenen<br />

und grundwasserabhängigen<br />

Lebensräume, und<br />

zwar unter bruchloser Einbeziehung<br />

von stark verän<strong>der</strong>ten und<br />

künstlichen Elementen – um die<br />

Begrifflichkeiten <strong>der</strong> Wasserrahmenrichtlinie<br />

nochmals aufzu-<br />

Die Hegauer Aach: Fluss und Aue sind in einem guten Zustand. Aufn.: W. Konold<br />

greifen. Das Leitbild muss nicht,<br />

kann auch meist nicht mehr ein irgendwie rekonstruierter naturnaher, also in <strong>der</strong> Vergangenheit referenzierter<br />

Zustand sein. Prioritär ist die Re-Etablierung <strong>der</strong> Funktionen<br />

Hydro- und Morphodynamik,<br />

Optimierung <strong>der</strong> Senken- und <strong>der</strong> Retentionsfunktion,<br />

Optimierung <strong>der</strong> Grundwasserneubildung,<br />

Minimierung <strong>der</strong> Mineralisation organischer Substanz in Nie<strong>der</strong>mooren<br />

48 Dazu etwa Ma<strong>der</strong>, 2002; Hasch, Jessel, 2004.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 50


Der Revitalisierung <strong>der</strong> Auen ist also höchste Priorität ein<strong>zur</strong>äumen. Auch hier kann die Wasserwirtschaft die<br />

Ansprüche integrierendes Vorbild sein und die an<strong>der</strong>en Fachdisziplinen mitziehen.<br />

Die stehenden Gewässer, natürliche wie künstliche, spielten in <strong>der</strong> Wasserwirtschaft in <strong>der</strong> Vergangenheit bis<br />

auf die rein stoffliche Seite oft eine eher untergeordnete Rolle und wurden den Limnologen, dem Naturschutz,<br />

<strong>der</strong> Fischerei, <strong>der</strong> Naherholung und dem Tourismus überlassen. Doch sind sie im Kontext <strong>der</strong> WRRL und auch<br />

des Klimawandels von erheblichem wasserwirtschaftlichen Wert im Hinblick auf ihre Senken-, Retentions- und<br />

Pufferfunktion; wobei hier den künstlichen Gewässern – speziell den bestehenden, aber auch den ehemaligen<br />

Weihern – eine beson<strong>der</strong>s große Bedeutung zukommt. Hier müssen Potenziale abgeschätzt und Planungen<br />

gemacht werden. Darüber hinaus sind alle stehenden Gewässer (grund)wassergebundene Landökosysteme,<br />

in denen schon von <strong>der</strong> rechtlichen Seite her die Interessen von Wasserwirtschaft und Naturschutz zusammenlaufen.<br />

Wasserwirtschaft und Landwirtschaft<br />

Die Belastung <strong>der</strong> Gewässer aus diffusen Quellen ist gerade auch in vielen Regionen Baden-Württembergs<br />

nach wie vor ein drängendes Problem,<br />

das nicht auf die lange Bank geschoben<br />

werden darf. Die größte Bedeutung<br />

hat hierbei die Belastung mit Nitrat und<br />

Pflanzenschutzmitteln durch Auswaschung<br />

und Oberbodenabtrag (Erosion)<br />

und Phosphat durch Erosion, allesamt<br />

aus <strong>der</strong> Landwirtschaft stammend. Da<br />

bis auf die Beschaffung dieser Stoffe<br />

keine direkten Kosten entstehen und die<br />

Beseitigung <strong>der</strong> Umweltschäden externalisiert<br />

werden, spielt diese Tatsache<br />

betriebswirtschaftlich meist eine untergeordnete<br />

Rolle. Die landwirtschaftliche<br />

Beratung ist zu intensivieren. Das heißt,<br />

dass <strong>zur</strong> Behebung dieses Problems von<br />

Das Ausbringen von Gülle auf Schnee kann zu erheblichen Belastungen<br />

des Grundwassers und <strong>der</strong> Oberflächengewässer führen. Aufn.: W. Konold<br />

Seiten <strong>der</strong> Wasserwirtschaft eine noch<br />

engere Kooperation mit <strong>der</strong> Landwirtschaftsverwaltung<br />

eingegangen werden<br />

muss, um zusätzlich zu rechtlichen<br />

Instrumenten über Beratung, bei <strong>der</strong> auch ökonomische Aspekte einbezogen sind, zu einer nachhaltig umweltgerechten<br />

Landnutzung zu kommen. 49 Die Regelung des Cross Compliance <strong>der</strong> Gemeinsamen Agrarpolitik<br />

<strong>der</strong> EU, wonach Zahlungen für landwirtschaftliche Flächen mit ökologischen Leistungen verbunden sein<br />

müssen, kann hierbei hilfreich sein. Weitere flankierende Maßnahmen sind die konsequente Ausweisung von<br />

Gewässerrandstreifen und die Anlage von breiten, als Puffer wirksamen Gehölzsäumen.<br />

Gewässerstruktur, Längsdurchgängigkeit<br />

Diesbezüglich ist <strong>der</strong> Zustand <strong>der</strong> Gewässer in Deutschland und auch in Baden-Württemberg stark defizitär und<br />

es wird prognostiziert, dass die Auflagen <strong>der</strong> WRRL zum Erreichen eines guten ökologischen Zustandes, <strong>der</strong> sich<br />

vor allem mit <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Gewässerstruktur erreichen lässt, bis 2015 bei Weitem nicht erfüllt sein werden.<br />

Daher wird die Wie<strong>der</strong>herstellung, wo typologisch vertretbar, und die Herstellung (bei künstlichen Gewässern)<br />

einer guten Gewässerstruktur und <strong>der</strong> Durchgängigkeit eine <strong>der</strong> Daueraufgaben <strong>der</strong> Wasserwirtschaft<br />

sein. Wo möglich, sollten die Effekte über die Gewässerunterhaltung erzielt werden, um den Verfahrens- und<br />

Kostenaufwand zu minimieren. Nach einem Flächenerwerb in <strong>der</strong> Aue können Gewässerabschnitte auch sich<br />

selber überlassen bleiben. Die Kenntnisse über dadurch induzierte Verän<strong>der</strong>ungen des Geschiebehaushalts<br />

sind allerdings noch gering. – Ganz wichtig ist bei dieser Aufgabe, immer wasserbauhistorische und denkmalpflegerische<br />

Aspekte zu berücksichtigen und in Planungen einzubeziehen.<br />

49 Dazu zum Beispiel Schlecker, 2004<br />

Seite 51<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Historische Wasserbauten und -funktionen<br />

Wie bereits angedeutet, sind zahlreiche unserer Gewässer Kulturlandschaftsgewässer, teilweise schon vor langer<br />

Zeit und seit langer Zeit vom Menschen<br />

für seine Zwecke umgestaltet und<br />

umgebaut („stark verän<strong>der</strong>te Gewässer“).<br />

Etliche wurden neu gebaut, so<br />

etwa Flutkanäle und Triebwerkskanäle<br />

(„künstliche Gewässer“). Es hat sich also<br />

in <strong>der</strong> Gestalt von Gewässern ein historisches<br />

Erbe angesammelt, 50 das es aus<br />

technikhistorischer und denkmalpflegerischer,<br />

aber auch ästhetischer Sicht zu<br />

bewahren gilt. Es gibt noch sehr große<br />

Lücken bei <strong>der</strong> Erhebung und Bewertung<br />

dieser historischen Wasserbauten 51<br />

und Vieles wurde im Zuge einer naturnahen<br />

Umgestaltung zerstört. Aufgabe<br />

wird es sein, zumindest im Falle von Eingriffen<br />

in Gewässer eine Bewertung <strong>der</strong><br />

historischen Substanz vorzunehmen, um<br />

diese in Planungen einzubeziehen. Die<br />

Pflege und Unterhaltung dieser Substanz erfor<strong>der</strong>t ein beson<strong>der</strong>es Fingerspitzengefühl, das es noch zu erlernen<br />

gilt.<br />

Ohne Zweifel besteht hier ein Wi<strong>der</strong>spruch zwischen den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> WRRL – das ökologische Potenzial<br />

maximal zu entfalten – und den Ansprüchen <strong>der</strong> Denkmal- und Heimatpflege. Hier müssen, auch auf politischer<br />

Ebene, noch intensive Diskussionen geführt werden.<br />

Urbane Gewässer<br />

Technische Wasserbauten können das Stadtbild erheblich aufwerten,<br />

hier ein Streichwehr im Kocher in Schwäbisch Hall. Aufn.: W. Konold<br />

Die Fließgewässer in unseren Städten<br />

und Gemeinden wurden lange Zeit baulich,<br />

stofflich und gestalterisch sehr<br />

schlecht behandelt. Sie bedürfen in<br />

Zukunft viel größerer Aufmerksamkeit,<br />

da sie nicht nur Lebensraum für aquatische<br />

Organismen sind, Oberflächenwasser<br />

und Hochwasser aufnehmen<br />

und <strong>der</strong> Energiegewinnung dienen,<br />

son<strong>der</strong>n weil sie weitere wichtige Funktionen<br />

besitzen, nämlich soziale, kulturelle,<br />

pädagogische und denkmalpflegerische,<br />

ja künstlerische. Diese<br />

treten hier und dort in den letzten Jahren<br />

verstärkt in den Vor<strong>der</strong>grund, nachdem<br />

sich <strong>der</strong> biologische und<br />

Kanal in Colmar. Aufn.: W. Konold<br />

chemische Gewässerzustand nach jahrzehntelangen,<br />

kostspieligen Investitionen<br />

erheblich verbessert hat, und es zeigt sich, dass die Öffentlichkeit davon fasziniert ist – woraus sich ganz<br />

allgemein neue Anfor<strong>der</strong>ungen an die urbanen Gewässer ergeben. 52 „Gewässer sind Katalysatoren <strong>der</strong> Stadtentwicklung“,<br />

so J.T. Tourbier (2005) anlässlich einer Tagung über Wasser in <strong>der</strong> Stadt.<br />

Die Wie<strong>der</strong>entdeckung und städtebauliche Einbindung <strong>der</strong> urbanen Gewässer ist eine große und wichtige<br />

Aufgabe künftiger wasserwirtschaftlicher Arbeit, 53 immer in Verbindung mit Experten an<strong>der</strong>er Fachgebiete und<br />

50 Dazu zum Beispiel Konold, 2005<br />

51 Dazu Thiem, 2006<br />

52 Dazu Kaiser, 2005<br />

53 Ein guter Anfang war ein Projekt in Bad Säckingen; Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein, 2000<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 52


Beteiligung <strong>der</strong> Öffentlichkeit. Innerhalb <strong>der</strong> Siedlungen muss man mit Restriktionen leben, zum Beispiel was<br />

Dynamik und Lebensraumqualität angeht. Diese Gewässer bedürfen einer spezifischen Pflege und Unterhaltung.<br />

Zu achten ist auf eine stilvolle Gestaltung, bei <strong>der</strong> Ökologie und Ästhetik zusammenpassen.<br />

Mensch und Gewässer<br />

Wie bei den urbanen Gewässern bereits angesprochen, ist die Beziehung vieler Menschen eine an<strong>der</strong>e, innigere<br />

geworden, seit es aus hygienischer und chemischer Sicht möglich ist, sich Gewässern weit gehend gefahrlos<br />

anzunähern, sie zu betreten und sie im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen. Gewässer sind <strong>der</strong><br />

Inbegriff von Natur; Wasser ist von einer außergewöhnlichen Eigenart – beweglich, von sich aus zerrinnend und<br />

unfassbar, in verschiedene Aggregatzustände<br />

wechselnd, in beliebige Gefäße passend,<br />

Lebensmittel, Lebensraum .... Es spielt bei <strong>der</strong><br />

Wahrnehmung von Umwelt, Natur, Landschaft<br />

eine herausragende Rolle, nicht zuletzt<br />

bei Kin<strong>der</strong>n und nicht zuletzt auch wegen des<br />

symbolischen und spirituellen Gehaltes von<br />

Wasser und Gewässern. Dabei ist es unerheblich,<br />

ob die Gewässer natürlichen o<strong>der</strong> künstlichen<br />

Ursprungs sind. – Die Wasserwirtschaft<br />

kann in <strong>der</strong> von Emotion und Sinnlichkeit geprägten<br />

Beziehung Mensch/Gewässer die<br />

Rolle des „Anwalts“ und „Beschützers“ des<br />

großartigsten Stoffes, den die Natur zu bieten<br />

hat, und des kostbarsten Lebensmittels, das<br />

dem Menschen <strong>zur</strong> Verfügung steht, übernehmen<br />

und soll dies in geeigneter Form in die<br />

Wasserzauber. Aufn.: W. Konold<br />

Öffentlichkeit tragen. 54<br />

Partizipation, Öffentlichkeitsarbeit<br />

Sehr viele Planungen und Entscheidungsprozesse werden künftig nur mit Beteiligung <strong>der</strong> Öffentlichkeit bzw.<br />

interessierter Bürgerinnen und Bürger ablaufen. Die WRRL schreibt dies zwingend vor. Anfänge <strong>zur</strong> Umsetzung<br />

sind gemacht; Erfahrungen sind gesammelt, aber oft noch nicht übertragbar. Zur alltäglichen Praxis ist es noch<br />

ein langer Weg. Es ist davon auszugehen, dass eine gut funktionierende Partizipation den Wunsch nach Mitsprache<br />

vergrößern wird, auch bei Vorhaben, bei denen eine Beteiligung nicht vorgeschrieben ist. Die „Bürgergesellschaft“<br />

wird sich also weiterentwickeln. Darauf muss sich die Wasserwirtschaft einstellen und für sich<br />

selber Wege und Methoden finden, wie man die eigenen fachlichen Anfor<strong>der</strong>ungen mit den Wünschen <strong>der</strong><br />

Öffentlichkeit zusammenbringt. Man benötigt hierzu viel mehr Verfahrenswissen und Steuerungsinstrumente<br />

(„Governance“) als bisher. Dazu gehört auch eine ausgewogene und gute Öffentlichkeitsarbeit. – Speziell auf<br />

diesem Gebiet ist <strong>der</strong> Fortbildungsbedarf beson<strong>der</strong>s groß.<br />

Was wir brauchen<br />

Die angesprochenen Zukunftsaufgaben lassen sich nicht en passant und von irgendjemand erledigen. Sie sind<br />

nur von einer geistig flexiblen, lernfähigen, mobilen und wasserwirtschaftlich kompetenten Verwaltung zu bewältigen.<br />

Es bedarf eines gut abgestimmten Zusammenspiels und eines didaktisch optimierten Transfers von<br />

<strong>der</strong> Praxis <strong>zur</strong> Wissenschaft und umgekehrt sowie eines Zusammenspiels zwischen den Fachverwaltungen auf<br />

den verschiedenen Ebenen, <strong>der</strong> freier agierenden Fortbildungsgesellschaft und Freiberuflern. Es gilt auch,<br />

nach Jahren wechseln<strong>der</strong> Zielvorgaben den richtigen Weg zwischen „lassen“ und „machen“ zu finden, am<br />

Gewässer präsent zu sein sowie vorsorglich und behutsam zu handeln.<br />

Was wir brauchen ist eine aktive und gestaltende Wasserwirtschaft, die wie seither auch zukünftig bereit ist, mit<br />

an<strong>der</strong>en Fachdisziplinen zu kooperieren.<br />

54 Dorka et al., 2005<br />

Seite 53<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


9 Anhang<br />

Fortbildungsthema Nr. 1 „Naturgemäße Bauweisen“................................................................................55<br />

Fortbildungsthema Nr. 2 „Praktische Gehölzpflege“..................................................................................59<br />

Fortbildungsthema Nr. 3 „Lebensraum Fließgewässer“ .............................................................................63<br />

Fortbildungsthema Nr. 4 „Was tun nach Hochwasser?“ ...........................................................................66<br />

Fortbildungsthema Nr. 5 „Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit“....................................................71<br />

Fortbildungsthema Nr. 6 „Gewässerunterhaltung in Ortslagen“............................................................75<br />

Fortbildungsthema Nr. 7 „Unterhaltung und Pflege von Gräben“........................................................78<br />

Fortbildungsthema Nr. 8 „Totholz in Gewässern“ .........................................................................................82<br />

Fortbildungsthema Nr. 9 „Gewässerunterhaltung in geschützten Gebieten“ ..................................84<br />

Fortbildungsthema Nr. 10 „Gewässeraufsicht“.............................................................................................86<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 54


Fortbildungsthema Nr. 1 „Naturgemäße Bauweisen“<br />

Für das erste Fortbildungsthema „Naturgemäße Bauweisen“ wurde kein Fortbildungsordner hergestellt, da<br />

bereits zahlreiche Unterlagen in Form von Handbüchern <strong>der</strong> LfU und des baden-württembergischen Umweltministeriums<br />

vorlagen. Für die Organisation und Durchführung <strong>der</strong> Nachbarschaftstage zu diesem Thema wird<br />

deshalb empfohlen, sich auf die folgende Literatur zu stützen:<br />

• Bauweisen des naturnahen Wasserbaus – Umgestaltung <strong>der</strong> Enz in Pforzheim. Handbuch Wasserbau 2, Heft<br />

2 (1991) 55<br />

• Naturnahe Umgestaltung von Fließgewässern. Handbuch Wasserbau, Heft 2 (1992) 56<br />

• Naturgemäße Bauweisen – Ufer- und Böschungssicherungen. Handbuch Wasserbau, Heft 5 (1993) 57<br />

• Gesamtkonzept Naturnahe Unterhaltung von Fließgewässern. Handbuch Wasserbau 2, Heft 19 (1995)<br />

• Naturnahe Unterhaltung von Fließgewässern – Teil III: Dokumentation <strong>der</strong> Entwicklung ausgewählter Pilotvorhaben.<br />

Handbuch Wasserbau 2, Heft 20 (1995) 58<br />

• Naturnahe Bauweisen im Wasserbau – Dokumentation und Bewertung am Pilotprojekt Enz/Pforzheim.<br />

Handbuch Wasserbau 2, Heft 20 (1996).<br />

Auf die Verwendung von naturgemäßen Bauweisen für die Sicherung <strong>der</strong> Ufer, Böschungen und Gewässersohlen<br />

wurde bereits im 1980 erlassenen Wasserbaumerkblatt hingewiesen. Der Begriff „naturgemäße Bauweisen“<br />

drückt aus, dass die notwendigen technischen und ingenieurbiologischen Sicherungsmaßnahmen so weit wie<br />

möglich am naturgegebenen Gewässervorbild zu orientieren sind 59 . Damit sind Baustrukturen gemeint, die<br />

unter Verwendung von lebendigen o<strong>der</strong> toten Pflanzenmaterialen sowie Natursteinen verschiedener Größen<br />

realisiert werden. Als Beispiele können Röhricht- und Hochstaudenwalzen, Weidenfaschinen und -spreitlagen,<br />

Flechtzäune, Raubäume usw. genannt werden. Auf Beton, bituminöse Stoffen, Kunststoffen sowie Stahl und<br />

Eisen soll dabei verzichtet werden, wobei die Benutzung von Drahtgeflechten in Kombination mit Lebendbauten<br />

üblich ist.<br />

Weidenspreitlage unmittelbar nach ihrem Einbau (links) und ein Jahr später (rechts)<br />

Das Ziel dieses ersten Fortbildungsthemas war es, den Unterhaltungspflichtigen Kenntnisse über traditionelle<br />

ingenieurbiologische o<strong>der</strong> naturverträgliche Bauweisen im Wasserbau zu vermitteln o<strong>der</strong> ggf. aufzufrischen,<br />

damit diese im Rahmen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung als Ersatz zu den bisher üblichen „harten“ Wasserbaumaßnahmen<br />

Gebrauch finden. Um dies <strong>zur</strong> erreichen, wurde den Unterhaltungspflichtigen vermittelt, in welchen<br />

Fällen Sanierungen an Uferabbrüchen erfor<strong>der</strong>lich und welches die Vorteile und Grenzen von<br />

55 Zusammenfassung auf Seite 56<br />

56 Zusammenfassung auf Seite 15<br />

57 Zusammenfassung auf Seite 14<br />

58 Zusammenfassung auf Seite 15<br />

59 Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg, 1993<br />

Seite 55<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


naturgemäßen Bauweisen sind. In praktischen Übungen sollte das Erlernte umgesetzt und vor Ort an naturnah<br />

sanierten Demonstrationsgewässern beobachtet werden.<br />

Die Sanierung von Uferabbrüchen, die in den ersten Jahren <strong>der</strong> Nachbarschaftstage eine wesentliche Rolle<br />

spielte, wurde mit <strong>der</strong> Zeit durch das „lassen statt machen“ ersetzt. Die Methoden <strong>zur</strong> Sicherung und Sanierung<br />

von Ufern verloren so an Bedeutung, während das Ziel, dem Gewässer mehr Platz für seine Eigenentwicklung<br />

zu geben, in den Vor<strong>der</strong>grund rückte. Naturnahe Wasserbaumethoden finden weiterhin einen großen Anwendungsbereich<br />

dort, wo dem Gewässer nur wenig Raum <strong>zur</strong> Verfügung steht, z.B. in urbanen Gebieten<br />

o<strong>der</strong> in unmittelbarer Nähe zu Straßen, Bahnlinien usw. und <strong>zur</strong> Initiierung <strong>der</strong> Eigenentwicklung <strong>der</strong> Gewässer.<br />

Hier besitzen die naturnahen Wasserbaumethoden große Vorteile im Hinblick auf die ökologische und landschaftsästhetische<br />

Aufwertung und die Gewässerbett- und Ufersicherung.<br />

Bauweisen des naturnahen Wasserbaus<br />

Umgestaltung <strong>der</strong> Enz in Pforzheim<br />

Handbuch Wasser 2, Heft 2 (1991)<br />

Anlässlich <strong>der</strong> Landesgartenschau im Jahr 1992<br />

und mit <strong>der</strong> breiten Unterstützung des Landes<br />

fand an einem 1800 m langen Abschnitt <strong>der</strong> Enz<br />

im Stadtgebiet von Pforzheim eine innovative naturnahe<br />

Umgestaltung statt. Dieses in dieser Größenordnung<br />

bisher einmalige Vorhaben wurde<br />

vom Land als Pilotprojekt unterstützt und sollte als<br />

Untersuchungsobjekt und Vorbild für künftige Umgestaltungen<br />

dienen.<br />

Das Heft enthält eine Zusammenfassung aller Arbeitsphasen,<br />

welche für diese Umgestaltung<br />

erfor<strong>der</strong>lich waren: die Voruntersuchungen im Labor, die Entwurfsplanung, die Ausführungsplanung und die Wahl<br />

<strong>der</strong> naturnahen Bauweisen. Der Schwerpunkt liegt bei den Arbeitsblättern <strong>der</strong> Planung, die sehr genaue quantitative<br />

und qualitative Angaben zu Zweck und Wirkung sowie <strong>zur</strong> jeweiligen Ausführungsplanung, Materialbedarfsübersicht<br />

und Ausführungsanleitung von folgenden zehn Bauweisen beinhalten: Röhrichtwalze und Röhrichtpflanzung,<br />

Faschinenwalze mit/ohne Spreitlagen und/o<strong>der</strong> Gehölzbepflanzung, Rollierung auf Raupackwerk, Steinwurf<br />

mit/ohne Weidenstecklingen, Grasflächen Grasoden.<br />

Die ausführliche Information wird durch ein detailliertes Leistungsverzeichnis mit Angaben zu den Kosten <strong>der</strong> einzelnen<br />

Positionen aller beschriebenen Maßnahmen ergänzt. Alles in Allem bietet diese Veröffentlichung eine wertvolle<br />

Hilfe für unterhaltungspflichtige Kommunen und für Ingenieurbüros, die in dieses Arbeitsgebiet einsteigen wollen.<br />

Grundsätzlich muss vor <strong>der</strong> Umsetzung von Maßnahmen im Wasserbau überprüft werden, ob überhaupt eine<br />

bauliche Sicherung nötig ist. In einem weiteren Schritt muss entschieden werden, ob naturgemäße Bauweisen<br />

verwendet und wenn ja, welche eingesetzt werden sollen. Dies setzt eine kritische Reflexionsfähigkeit auf Seiten<br />

<strong>der</strong> für die Gewässer Verantwortlichen voraus und erfor<strong>der</strong>t, dass sie einige Kenntnisse über Pflanzen und<br />

über die Bauweisen besitzen. Deshalb waren folgende Punkte Inhalt <strong>der</strong> Nachbarschaftstage:<br />

1. Grundlagen <strong>der</strong> naturnahen Gewässerentwicklung<br />

„Naturgemäße Bauweisen“ war das erste Fortbildungsthema, das in den Nachbarschaftstagen in Angriff genommen<br />

wurde. Unter den Teilnehmern, Gewässerunterhaltungspflichtige aus verschiedenen beruflichen Richtungen,<br />

war in aller Regel die Idee, die hinter dem Begriff „naturnahe Gewässerentwicklung“ steckt, wenig<br />

bekannt. Am Anfang <strong>der</strong> Veranstaltungen wurden deshalb den Teilnehmern zunächst Gewässer präsentiert,<br />

die als Vorbil<strong>der</strong> dienen können. Außerdem wurden sie aufgefor<strong>der</strong>t, sich selbst nach solchen naturnahen<br />

Gewässern in ihrem Wirkungsbereich umzuschauen. Die Teilnehmer sollten sich damit mit naturnahen Strukturen<br />

vertraut machen und dabei beispielsweise die Erkenntnis gewinnen, dass Ufererosion zu den natürlichen<br />

Prozessen am Gewässer gehört und nicht in allen Fällen ein Sanierungsfall ist.<br />

In den Veranstaltungen sollte ausdrücklich betont werden, dass die Ausführung von Sicherungsmaßnahmen<br />

nicht immer – sei es aus ökologischen, sei es aus ökonomischen Gründen – nötig sei. An<strong>der</strong>seits sollten die Teilnehmer<br />

auch erfahren, dass naturnahe Gewässer als Vorbild dienen und dass die Orientierung an natürlichen<br />

Bett- und Uferformen die Wahl <strong>der</strong> geeigneten Bauweise, falls eine solche umgesetzt werden müsste, stark<br />

erleichtern kann.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 56


2. Naturgemäße Bauweisen<br />

Die wesentlichen Vorteile von ingenieurbiologischen Bauweisen, auch Lebendbauten genannt, liegen in ihren<br />

ökologischen Funktionen und <strong>der</strong> landschaftsästhetischen<br />

Wirkung. 60<br />

Nicht zu unterschätzen ist, dass die meisten<br />

dieser Bauweisen im Vergleich zu<br />

harten Sicherungen deutlich kostengünstiger<br />

sind, da für ihren Bau in <strong>der</strong><br />

Regel ein geringer o<strong>der</strong> gar kein Maschineneinsatz<br />

notwendig ist. In Zeiten<br />

zunehmend leerer Kassen wiegt so ein<br />

Vorteil schwer; er war mit ein Grund,<br />

warum diese Bauweisen ab den 1990er<br />

Jahren vom Land geför<strong>der</strong>t wurden.<br />

Naturgemäße Bauweisen, insbeson<strong>der</strong>e<br />

ingenieurbiologische Methoden, haben<br />

aber auch Nachteile gegenüber den<br />

Bauten mit toten Materialien. Ihre Planung<br />

und ihr Einbau setzen ein breites<br />

Wissen voraus, das vegetationskundliche<br />

Zusammenhänge mit technischem Verstand<br />

vereinigt. Viele ingenieurbiologischen<br />

Bauweisen besitzen beispielsweise<br />

in <strong>der</strong> Anfangsphase eine eher geringe<br />

Schutzwirkung und müssen mit toten<br />

Baustoffen kombiniert werden. Außerdem sind Pflanzen lebende Organismen, die für ihre Entwicklung in Abhängigkeit<br />

von Standort und Behandlung Zeit benötigen. Der Wachstumserfolg und die zukünftige Schutzwirkung<br />

hängen von zahlreichen Faktoren ab, unter an<strong>der</strong>em von <strong>der</strong> hydraulischen Beanspruchung, von <strong>der</strong><br />

verwendeten Pflanzenart und ihrer Herkunft o<strong>der</strong> vom Zeitpunkt des Einbaus.<br />

3. Auswahl naturgemäßer Bauweisen<br />

Verschiedene Möglichkeiten, Raubäume einzusetzen. Aus Handbuch<br />

Wasserbau, H. 5 (LfU, 1993)<br />

Die Auswahl <strong>der</strong> Bauweisen muss auf die Gewässereigenschaften abgestimmt werden, vor allem auf die physikalische<br />

Beanspruchung (Stärke und Dauer des Strömungsangriffs, Abrieb bei Geschiebetransport), die Überflutungshäufigkeit<br />

und die Frosteinwirkung.<br />

Der Rohstoff bei den naturgemäßen Bauweisen sind Pflanzen. Diese besitzen je nach Art und Alter unterschiedliche<br />

technische Eigenschaften, wie etwa die Fähigkeiten, den Boden zu durchwurzeln, den Bodenwasserhaushalt<br />

zu regeln und Elastizität und Biegefestigkeit zu zeigen. Da sie Lebewesen sind, haben sie auch<br />

biologische Eigenschaften, die sie für den einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Standort, für bestimmte Lichtverhältnisse und<br />

spezifische Wasserschwankungen geeignet machen. Die Kombination <strong>der</strong> technischen mit den biologischen<br />

Eigenschaften bestimmt, für welche Bauweise und wo sie eingesetzt werden können. Es gibt eine Vielzahl von<br />

Bauweisen, die jeweils unterschiedliche Ziele verfolgen (Böschungs- o<strong>der</strong> Ufersicherung, Lenkung des Stromstrichs,<br />

För<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Sedimentation, Herstellung eines Fischunterstands) und verschiedene Belastungsgrenzen<br />

besitzen. So eignen sich Weidenfaschinen und Senkfaschinen sowohl <strong>zur</strong> Sicherung des Böschungsfußes als<br />

auch <strong>zur</strong> Sicherung von durchgehenden flachen Uferböschungen. Bei steilen Böschungen gewährleisten jedoch<br />

eine Uferkrainerwand o<strong>der</strong> eine Uferpfahlwand einen höheren Schutzgrad; sie besitzen jedoch ökologische<br />

Nachteile. Eine <strong>der</strong> ältesten Bauweisen sind die so genannten Raubäume, die als sehr günstige<br />

Sofortmaßnahme nach Hochwasser eingesetzt werden, um frisch angerissene o<strong>der</strong> angebrochene Ufer vor<br />

weiterer Erosion zu sichern.<br />

Weitere wichtige Bedingungen, die bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Bauweise in Betracht gezogen werden müssen, sind<br />

<strong>der</strong> zeitliche Aufwand und die Sach- und Personalkosten, die für den Einbau und die spätere Pflege benötigt<br />

werden. Da <strong>der</strong> Einsatz von Maschinen bei naturgemäßen Bauweisen recht begrenzt ist, nimmt <strong>der</strong> Arbeitsaufwand<br />

gegenüber dem Materialaufwand deutlich zu.<br />

60 Lange, Lecher, 1986<br />

Seite 57<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


4. Ausführung <strong>der</strong> Baumaßnahmen und Pflegearbeiten<br />

Wie und wann die Maßnahmen geplant und umgesetzt werden, ist einer <strong>der</strong> Schwerpunkte dieses Fortbildungsthemas.<br />

Der Zeitpunkt <strong>der</strong> Ausführung ist – weil mit Pflanzen gearbeitet wird – entscheidend für den Erfolg<br />

<strong>der</strong> Maßnahme. Ebenso wichtig für den Erfolg <strong>der</strong> Bewurzelung und des Austriebs <strong>der</strong> Pflanzen sind <strong>der</strong><br />

Zeitpunkt <strong>der</strong> Gewinnung <strong>der</strong> Pflanzen o<strong>der</strong> Pflanzenteile, z.B. von Weidenstecklingen, und die Lagerungsbedingungen.<br />

Bei den Nachbarschaftstagen wurde<br />

deshalb großer Wert auf die Planung und Vorbereitung<br />

dieser Arbeitsschritte gelegt. Beson<strong>der</strong>s wichtig<br />

ist während <strong>der</strong> Entwicklungsphase die Pflege <strong>der</strong><br />

eingebrachten Pflanzen. In dieser Zeit kann durch<br />

gezielte Pflegearbeiten das Wachstum bestimmter<br />

Pflanzenarten unterstützt werden; auch können<br />

Ausfälle ersetzt und mögliche Fehler bei <strong>der</strong> Wahl<br />

<strong>der</strong> Bauweise o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Ausführung erkannt und<br />

erfor<strong>der</strong>lichenfalls korrigiert werden.<br />

Herstellung von Faschinen. Aus Handbuch Wasserbau, H. 5<br />

(LfU, 1993).<br />

5. Praktischer Teil<br />

Neben einigen theoretischen Grundlagen sollten<br />

Anschauung und praktische Aktivitäten vor Ort einen<br />

größeren Teil <strong>der</strong> Veranstaltungen beanspruchen.<br />

Für den praktischen Teil wird daher empfohlen,<br />

mindestens einen Teil des Nachmittags einzuplanen, um den Teilnehmern zu zeigen, wie die wichtigsten<br />

ingenieurbiologischen Bauweisen in <strong>der</strong> Praxis umgesetzt werden, und sie auf diese Weise zum selbständigen<br />

Arbeiten zu motivieren.<br />

Bei den ersten Nachbarschaftstagen wurden die relativ einfachen und weniger zeitaufwändigen naturnahen<br />

Bauweisen behandelt; dies mit dem Hintergrund, das Thema – sofern bei den Teilnehmern Interesse bestünde –<br />

in den nächsten Jahren weiter zu vertiefen.<br />

In den Statusberichten <strong>der</strong> <strong>WBW</strong>- Fortbildungsgesellschaft sind zahlreiche Erfahrungsberichte über Veranstaltungen<br />

zu finden, in die es sich lohnt hinein zu schauen. Hier kann man unter an<strong>der</strong>em nachlesen, wie die<br />

Teilnehmer unter Anleitung des Betreuers mit einfachen, naturgemäßen Methoden Uferabbrüche saniert und<br />

Ufer vor <strong>der</strong> voranschreitenden Erosion gesichert haben.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 58


Fortbildungsthema Nr. 2 „Praktische Gehölzpflege“ (1992 und<br />

Überarbeitung 2005)<br />

Projektgruppe (Mitwirkende), 1992<br />

Frau Blum, Klaus Hämmerle,<br />

Eugen Kühn, Martin Lehmann,<br />

Gerhard Schäuble, Herr Tamm<br />

und Bernd Walser<br />

Helmut Schwab<br />

Wolfgang Hauk und<br />

Gabriele Müller<br />

Dr. Margarete Dohmann<br />

Reinhold Alt, Manfred Bauer<br />

Heinz Daucher und<br />

Dr. Bernhard Fischer<br />

Heinz Reinöhl<br />

Dr. Helmut Klepser<br />

Prof. Dr. Friedrich Weller<br />

Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz Offenburg<br />

Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz Künzelsau<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für die Gewässerpflege mbH<br />

Umweltministerium Baden-Württemberg<br />

Landesanstalt für Umweltschutz, Außenstelle Stuttgart<br />

Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Stuttgart<br />

Regierungspräsidium Tübingen<br />

Fachhochschule Nürtingen<br />

Projektgruppe (Mitwirkende), 2005<br />

Verena Friske<br />

Dr. Elsa Nickel<br />

Hans-Peter Barz<br />

Klaus Hämmerle<br />

Dr. Thomas Herdt<br />

Gerhard Bönecke<br />

Joachim Striebel<br />

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />

Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Karlsruhe<br />

Grünflachenamt Heilbronn<br />

Regierungspräsidium Freiburg<br />

Sachverständigenbüro Dr. Thomas Herdt<br />

Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg<br />

Regierungspräsidium Freiburg<br />

Gehölzpflegearbeiten können sehr aufwändig und risikoreich sein.<br />

Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

Gehölzbestände entlang von Fließgewässern müssen nicht immer gepflegt werden. Pflegearbeiten im Uferrandstreifen<br />

sind ein starker Eingriff in einen komplexen Lebensraum. Dennoch ist die Pflege <strong>der</strong> Ufergehölze<br />

ein wichtiger Bestandteil <strong>der</strong> naturgemäßen und mo<strong>der</strong>nen Gewässerunterhaltung. Auch um die Verkehrssicherheit<br />

zu gewährleisten, müssen Gehölze an Ufern gepflegt, manchmal entfernt werden. Im Rahmen <strong>der</strong><br />

Gehölzpflege bietet sich eine Vielzahl von Möglichkeiten, die naturnahe Entwicklung <strong>der</strong> Ufer zu unterstützen.<br />

Der gesunkene wirtschaftliche Nutzen <strong>der</strong> Ufergehölze,<br />

die Verlagerung <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung<br />

in die Pflicht <strong>der</strong> öffentlichen Hand,<br />

einhergehend mit gestiegenem Umweltbewusstsein<br />

und mangeln<strong>der</strong> Kenntnis <strong>der</strong> Zusammenhänge,<br />

haben häufig zu einförmigen<br />

und überalterten Gehölzbeständen geführt. Mit<br />

gut durchdachter Pflege können solche monotonen<br />

Bestände ökologisch und landschaftlich<br />

wertvoller gestaltet werden. Insbeson<strong>der</strong>e gilt<br />

dies für schmale Ufersäume, die aus Platzgründen,<br />

z.B. wegen <strong>der</strong> Nähe zu einer Straße,<br />

geringe Möglichkeiten <strong>zur</strong> naturnahen<br />

Entwicklung haben und deshalb sehr instabile<br />

Systeme sind. In diesem Fall kann Pflege <strong>zur</strong><br />

Stärkung und Stabilisierung <strong>der</strong> Bestände beitragen.<br />

Für die Pflege <strong>der</strong> Ufergehölze sind Konzepte<br />

und Visionen nötig, die auf die Funktion und den ökologischen Wert <strong>der</strong> Uferrandstreifen achten. Je<strong>der</strong> Eingriff<br />

muss fachlich gerechtfertigt sein. Die Argumente können verschiedener Art sein: um die Hochwassersicherheit<br />

Seite 59<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


zu gewährleisten, die anliegenden Flächen zu sichern, eine gewisse landschaftsästhetische Wirkung zu erzielen<br />

o<strong>der</strong> den Lebensraum Fließgewässer ökologisch<br />

aufzuwerten.<br />

Die verschiedenen Interessen und Verantwortlichkeiten<br />

an Gewässern führen oftmals dazu,<br />

dass die Gehölzpflege Gegenstand heftiger<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen zwischen Anliegern<br />

und Bürgern und den Unterhaltungspflichtigen<br />

wird. Das Fällen von älteren Bäumen o<strong>der</strong> das<br />

„Auf den Stock setzen“ wird nicht akzeptiert,<br />

ja man sieht darin Anschläge gegen die Natur<br />

(siehe Abbildung). Um solchen Situationen aus<br />

dem Weg zu gehen, kommt es nicht selten<br />

vor, dass notwendige Pflegearbeiten liegen<br />

Kritische Presseberichte über Gehölzpflegearbeiten.<br />

bleiben. Dann können alte Bäume eine Gefahr<br />

für die Verkehrssicherheit werden und Baumstämme im Gewässerbett das Überschwemmungsrisiko erhöhen.<br />

Die wichtigste Zielsetzung des Fortbildungsthemas „Praktische Gehölzpflege“ ist es, die Teilnehmer in die Lage<br />

zu versetzen, Gehölzpflege im Eigenverantwortung umsetzen zu können. Teilaspekte sind:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Wecken bzw. Stärken des Bewusstseins für naturnahe Ufergehölzsäume bei den Teilnehmern,<br />

Beschreibung <strong>der</strong> wichtigsten Aspekte, die zu einer naturnahen Gehölzentwicklung führen,<br />

Beschreibung <strong>der</strong> in Baden-Württemberg einheimischen Ufergehölze und ihre Eigenschaften,<br />

Vermittlung des nötigen Wissens über Formen und Techniken <strong>der</strong> Gehölzpflege,<br />

Beschreibung und Abgrenzung <strong>der</strong> Pflichten und Zuständigkeiten entsprechend <strong>der</strong> Gesetzeslage,<br />

Informieren über Verhaltensregeln <strong>zur</strong> Umfallvermeidung bei <strong>der</strong> Benutzung <strong>der</strong> Werkzeuge.<br />

Gehölze an Fließgewässern<br />

Handbuch Wasserbau H. 6<br />

Dies war das erste Handbuch über die in Baden-Württemberg<br />

einheimischen Ufergehölze<br />

und ihre Eignung für die naturnahe Entwicklung<br />

von Gewässern. Der Inhalt glie<strong>der</strong>t sich in drei<br />

große Teile:<br />

Beschreibung <strong>der</strong> potentiellen natürlichen<br />

Pflanzengesellschaften an Gewässern, in<br />

Auen und Nie<strong>der</strong>mooren;<br />

Tabellarische und steckbriefartige Gehölzbeschreibung<br />

sowie Bestimmungshilfe für<br />

die Laubgehölze, speziell für die Weidenarten.<br />

Das Verbreitungsareal je<strong>der</strong> Art wird<br />

tabellarisch und in Karten dargestellt (siehe<br />

Bild rechts).<br />

Grundlagen <strong>zur</strong> Entwicklung einer naturnahen<br />

Ufervegetation, belegt mit gelungenen<br />

und nicht gelungenen Praxisbeispielen.<br />

Die erste Auflage <strong>der</strong> Fortbildungseinheit „Gehölzpflege“ wurde in den ersten Jahren <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

mit wenigen Mitteln, in sehr kurzer Zeit und mit wenig Personal zusammengestellt. In Laufe <strong>der</strong> Zeit<br />

wurde die Notwendigkeit erkannt, die inhaltlich etwas veralteten Fortbildungsunterlagen zu aktualisieren und<br />

professioneller zu gestalten. Mit <strong>der</strong> Zeit waren die Erfolge <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften schon spürbar geworden:<br />

Die Unterhaltungspflichtigen wussten mittlerweile mehr über den ökologischen Wert <strong>der</strong> Gewässer.<br />

Die Fortbildungseinheit musste also den neuen Bedürfnissen und dem Kenntnisstand angepasst werden. Im<br />

Jahr 2005 erarbeitete eine neue Projektgruppe „Gehölzpflege“ die aktualisierte Auflage <strong>der</strong> Fortbildungseinheit.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 60


Im Folgenden wird <strong>der</strong> Inhalt dieser neuen Fortbildungseinheit vorgestellt:<br />

1. Funktionen und Gestaltung von gehölzbestandenen Gewässerrandstreifen<br />

Im ersten Teil <strong>der</strong> Fortbildung werden ökologische und landschaftliche Grundlagen behandelt. Die Funktionen<br />

von naturnahen gehölzbestandenen Gewässerrandstreifen als Lebensraum, zum Ufer- und Wasserschutz, für<br />

das Landschaftsbild, die Hydraulik und Gewässermorphologie und für das Kleinklima werden mit Bil<strong>der</strong>n anschaulich<br />

erklärt. Anschließend wird auf die Eigenschaften von naturnahen Gewässerrandstreifen eingegangen,<br />

so beispielsweise auf die Altersstruktur. Das Thema Neophyten wird ebenfalls angesprochen.<br />

2. Gehölzarten<br />

Ein Teil <strong>der</strong> Fortbildungsunterlagen widmet sich <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> Gehölzarten, die an den Gewässern<br />

wachsen. Damit steht den Teilnehmern eine Handreichung <strong>zur</strong> Verfügung, die es ihnen ermöglichen soll,<br />

standortgerechtes und gebietseigenes Pflanzenmaterial bei den Unterhaltungsarbeiten zu verwenden. Zwanzig<br />

Baum- und Straucharten werden mit Informationen <strong>zur</strong> Verbreitung im Land, zu den Standortsansprüchen,<br />

Ausbreitungsmöglichkeiten im Bestand und <strong>zur</strong> Verwendung und Pflege beschrieben. Fotos <strong>der</strong> Blätter, Früchte<br />

und Blüten ermöglichen die Identifizierung <strong>der</strong> Pflanzen. Es werden auch Hinweise zum Umgang mit Hybrid-<br />

Pappeln und zum Erlensterben durch Phytophthora gegeben.<br />

Leitbild <strong>der</strong> Struktur eines natürlichen Uferrandstreifens in <strong>der</strong> Landschaft. Aus Handbuch Wasserbau, H.5 (LfU, 1993)<br />

3. Pflege und Entwicklung von Ufergehölzen<br />

Die wichtigsten Anlässe für Pflegeeingriffe werden aufgelistet und es werden allgemeine Handlungsanweisungen<br />

für die Durchführung von Pflegemaßnahmen vorgeschlagen. Hierzu zählen die regelmäßige<br />

Erfassung des Ist-Zustandes des Gehölzbestandes, die Formulierung <strong>der</strong> Pflegeziele und die Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> Auswirkungen <strong>der</strong> Pflegemaßnahmen auf das Landschaftsbild. Auf die Bewirtschaftung und gängige Pflegemodalitäten<br />

(z.B. Stockhieb, Kopfweidenpflege) wird näher eingegangen. Schließlich wird das Thema Pflanzung<br />

(Vorüberlegungen, rechtliche Vorgaben, Erlangung von gebietseigenes Material) behandelt.<br />

4. Gesetzliche Regelungen <strong>zur</strong> Gehölzpflege, Arbeitsschutz und Unfallverhütung<br />

Es gibt verschiedene Regelungen und Vorschriften, die bei <strong>der</strong> Gehölzpflege den Unterhaltungspflichtigen<br />

bekannt sein müssen. Zu den wichtigsten zählen die Kenntnis <strong>der</strong> Pflichten und Zuständigkeiten <strong>der</strong> Unterhaltungspflichtigen<br />

und die Fragen <strong>der</strong> Eigentumsverhältnisse am Gewässer. Hierzu wurden die wichtigsten Gesetzestexte<br />

in den Unterlagen zusammengefasst.<br />

Seite 61<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Der letzte Teil <strong>der</strong> Fortbildung wendet sich dem Thema Arbeitsschutz zu,<br />

das lei<strong>der</strong> bei manchen Unterhaltungspflichtigen nicht genügend ernst<br />

genommen wird; doch drohen bei Verstößen gegen die Unfallverhütungsvorschriften<br />

– die Gesetzeskraft haben – Bußgel<strong>der</strong>, Strafverfahren<br />

o<strong>der</strong> fristlose Kündigungen. In diesem Kapitel werden daher die wichtigsten<br />

Regeln zum Unfallschutz erläutert und mit den gesetzlichen Vorgaben<br />

zu Ausrüstung, Handhabung von Werkzeugen und Geräten<br />

sowie Sicherung <strong>der</strong> Arbeitsstellen sinnvoll ergänzt.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 62


Fortbildungsthema Nr. 3 „Arbeiten im Lebensraum Fließgewässer“<br />

Projektgruppe<br />

Dr. Axel Alf<br />

Manfred Bauer<br />

Henry Czoske<br />

Heinz Daucher<br />

Roland Frick<br />

Wolfgang Hauck<br />

Martin Lehmann<br />

Heinz Reinöhl<br />

Helmut Schwab<br />

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />

Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz, Kirchheim/T.<br />

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />

Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz, Kirchheim/T.<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für die Gewässerpflege mbH<br />

Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz, Kirchheim/T.<br />

Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege, Stuttgart<br />

Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz, Künzelsau<br />

Bei diesem Thema sollten die Teilnehmer <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften erfahren, dass die aquatischen Organismen<br />

bestimmte Ansprüche an ihren Lebensraum haben und dass sie bei Verän<strong>der</strong>ung bestimmter abiotischer<br />

Faktoren (Strömung, Substrat, Licht, Temperatur und Stoffeintrag) nicht überleben können. Es sollte<br />

außerdem vor diesem Hintergrund gezeigt werden, welche Auswirkungen die Gewässerunterhaltung auf die<br />

Lebensbedingungen im Gewässer hat. Darauf aufbauend, schloss sich die Fragestellung an, wie die Gewässerunterhaltung<br />

naturverträglich praktiziert werden kann, <strong>der</strong>gestalt, dass z.B. entsprechende Verfahren und<br />

Geräte zum geeigneten Zeitpunkt eingesetzt werden.<br />

Durch die Vermittlung von Wissen über Gewässerorganismen, ihre Habitatansprüche und Anpassungsstrategien<br />

sollte den Teilnehmern bewusst gemacht werden, was für eine Bedeutung die Gewässer als Lebensraum<br />

für eine Vielzahl ganz verschiedenartiger Organismen haben.<br />

Der Inhalt <strong>der</strong> Nachbarschaftstage soll in drei Themenblöcke aufgeglie<strong>der</strong>t werden:<br />

1. Ohne Wasser kein Leben<br />

Der Einstieg in das Thema sollte dazu dienen, über die Betrachtung globaler Zusammenhänge die elementare<br />

Bedeutung des Wassers zu vermitteln. Schwerpunkte sollten dabei die dominante Funktion des Wassers für<br />

das Leben schlechthin und die Fließgewässer als Lebensa<strong>der</strong>n und letztlich alles verbindende dynamische<br />

Strukturen in <strong>der</strong> Landschaft sein.<br />

2. Entwicklung von Fließgewässern und Anpassung <strong>der</strong> Wasserorganismen<br />

STOFFEINTRAG und LICHT beeinflussen als<br />

äußerer Faktoren den Gewässerlebensraum.<br />

Die STRÖMUNG (schnell- und langsam fließende<br />

Bereiche, hinter- und nebeneinan<strong>der</strong>) nimmt als<br />

„innere Antriebskraft“ im Wechselspiel mit dem<br />

SUBSTRAT (Besiedlungsfläche, Nährboden,<br />

Rückzugsbereich) eine herausragende Rolle ein.<br />

<br />

Je nach STRÖMUNG, SUBSTRAT, LICHT,<br />

TEMPERATUR und STOFEINTRAG finden sich<br />

verschiedene Tiere innerhalb eines Gewässerabschnittes.<br />

Übersichtlich und anschaulich werden die wichtigsten<br />

Sachverhalte <strong>zur</strong> Gewässerökologie für Personen mit<br />

eher geringen ökologischen Kenntnissen aufbereitet<br />

und präsentiert. Dabei geht es in groben Zügen um die<br />

Vielfalt <strong>der</strong> Gewässer in <strong>der</strong> Längsglie<strong>der</strong>ung – vom<br />

Quellbach über die kleinen Mittelgebirgsbäche bis zu<br />

den Flüssen – mit ihren charakteristischen abiotischen<br />

Merkmalen und den jeweils typischen Lebewesen. Für<br />

diesen Teil wurde von <strong>der</strong> Projektgruppe eine thematisch<br />

breite Diasammlung mit Nahaufnahmen von<br />

Wirbellosen, Fischen und Gewässern mit ihren typischen<br />

Strukturen zusammengestellt. Den Betreuern<br />

Seite 63<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


wird außerdem empfohlen – als didaktischer Hinweis –, mit Stecktafeln zu arbeiten, um damit spezifische Unterschiede<br />

zwischen den Gewässertypen kennzeichnen und für die Teilnehmer sichtbar machen zu können.<br />

Auszug aus den Fortbildungsunterlagen: Beschreibung <strong>der</strong> Kleinstrukturen und ihre Besiedlung in einem Mittelgebirgsbach.<br />

3. Auswirkungen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung auf den Lebensraum<br />

Im dritten Teil wird <strong>der</strong> Bezug zwischen Struktur und Lebewelt einerseits und <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung an<strong>der</strong>erseits<br />

hergestellt. Das wichtigste sollte dabei sein, den Teilnehmern bewusst zu machen, dass durch die Gewässerunterhaltung<br />

die abiotischen Bedingungen und damit <strong>der</strong> Lebensraum und die Lebensgemeinschaft<br />

beeinflusst und verän<strong>der</strong>t werden. Deshalb liegt in diesem Themenblock <strong>der</strong> Schwerpunkt bei <strong>der</strong> Erläuterung<br />

<strong>der</strong> Grundsätze einer naturverträglichen Gewässerunterhaltung, verbunden mit den entsprechenden Unterhaltungsmethoden.<br />

Das anfänglich unter den Betreuern kontrovers diskutierte und als<br />

mit fehlendem Praxisbezug bezeichnete Fortbildungsthema „Arbeiten<br />

im Lebensraum Fließgewässer“ ist bei den Unterhaltungspflichtigen,<br />

die an den Veranstaltungen teilgenommen haben,<br />

auf sehr große Resonanz, so die Erfahrung von mehreren Betreuern.<br />

Die Teilnehmer, die an den Nachbarschaftstagen mitmachten,<br />

taten das mit Begeisterung. Sie diskutierten rege mit,<br />

untersuchten die im Gewässer gefundenen Wasserorganismen,<br />

bestimmten die Wasserqualität, indem sie Benthosorganismen<br />

unter dem Mikroskop betrachteten, und lernten ganz praktische<br />

Dinge über solche Unterhaltungsmethoden, die den Eingriff in das<br />

Teilnehmer untersuchen das Wasser unter<br />

Leben im Gewässer möglichst gering halten.<br />

dem Mikroskop. Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

Wenigen war es bis dahin bewusst, wie viel und wie verschiedenartiges<br />

Leben sich im Wasser befindet und welche fatalen Auswirkungen<br />

die Unterhaltung verursachen kann. Die Begeisterung und <strong>der</strong> große Lerneffekt bestätigten die Wahl<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 64


des Fortbildungsthemas. Im Laufe <strong>der</strong> Jahre ist die Fortbildungseinheit „Arbeiten im Lebensraum Fließgewässer“<br />

in allen Nachbarschaften behandelt worden und konnte so einer Vielzahl von Unterhaltungspflichtigen näher<br />

gebracht werden.<br />

Fragen an die Teilnehmer<br />

Information für die Betreuer<br />

Wie wirkt sich das<br />

Krauten auf das Gewässer<br />

aus?<br />

In den meisten Fällen führt das Entkrauten<br />

<strong>zur</strong> Vergleichmäßigung und Beschleunigung <strong>der</strong><br />

Strömung und zum schlagartigen Verlust von<br />

Wohn- und Nahrungssubstrat für Wasserorganismen.<br />

Beutetiere verlieren ihre Deckung, und das<br />

Laichsubstrat von Krautlaichern (karpfenartige<br />

Fische) und Wirbellosen wird entfernt.<br />

Durch das Aufwirbeln von Sediment kann eine<br />

Sauerstoffzehrung auftreten.<br />

Welche Folgen hat<br />

dieses für die Lebensgemeinschaft<br />

im<br />

Gewässer?<br />

Durch das Krauten werden Wasserpflanzenbestände<br />

und viele <strong>der</strong> darin lebenden Tiere<br />

beseitigt. Es kommt zu gravierenden Verän<strong>der</strong>ungen<br />

in <strong>der</strong> Besiedlung mit Organismen.<br />

Bei regelmäßiger Wie<strong>der</strong>holung tritt eine<br />

zunehmende Verarmung bis auf wenige weit<br />

verbreitete Arten ein.<br />

Nur bei Bedarf krauten, nicht etwa turnusmäßig!<br />

Eine Beschattung durch Ufergehölze verhin<strong>der</strong>t übermäßigen Krautwuchs<br />

Ziel- und methodenorientiert:<br />

Wie kann dieser Eingriff<br />

verhin<strong>der</strong>t bzw.<br />

minimiert werden?<br />

Zeittafel <strong>der</strong> Gewässerpflege<br />

beachten<br />

Abschnittsweise und/o<strong>der</strong><br />

halbseitiges Krauten<br />

Krautschneisen anlegen<br />

Vegetation etwa 10 cm über<br />

Grund abschneiden<br />

Beispiel aus den Fortbildungsunterlagen: Auswirkungen des Krautens auf die Lebensgemeinschaften und Informationen <strong>zur</strong><br />

Minimierung des Eingriffes.<br />

Seite 65<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Fortbildungsthema Nr. 4 „Was tun nach Hochwasser?“<br />

Projektgruppe<br />

Reinhold Alt<br />

Heinz Daucher<br />

Reinhold Jörger<br />

Erich Linsin<br />

Thomas Riedel<br />

Anton Willburger<br />

Klemens Ficht<br />

Jürgen Reich<br />

Peter Poymann<br />

Wolfgang Hauck<br />

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />

Gewässerdirektion Rhein – Bereich Offenburg<br />

Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein, Bereich Waldshut<br />

Gewässerdirektion Neckar<br />

Gewässerdirektion Donau – Bereich Ravensburg<br />

Landratsamt Waldshut<br />

Landratsamt Waldshut<br />

Ministerium für Umwelt und Verkehr<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für die Gewässerpflege mbH<br />

Vor dem Jahr 1996 hatten die Gewässeranlieger ein Recht darauf, dass die durch Hochwasser eingetretenen<br />

Schäden an ihren Grundstücken vom Unterhaltungspflichtigen beseitigt werden. Die Sanierung von Uferabbrüchen<br />

und an<strong>der</strong>en Hochwasserschäden war deshalb ein Muss. In <strong>der</strong> Novelle des badenwürttembergischen<br />

Wassergesetzes, das am 1.1.1996 in Kraft trat, kam es zu einem Paradigmenwechsel und es<br />

wurde auf diese Vorschrift verzichtet, ja es wird seitdem im Gesetz sogar die Eigenentwicklung <strong>der</strong> Gewässer,<br />

beispielsweise von Uferabbrüchen initiiert, positiv beurteilt und die Möglichkeit eröffnet, diese gegen Entschädigung<br />

zu belassen.<br />

Ziel des Fortbildungsthemas „Was tun nach Hochwasser?“, das im Jahr 1997 zum ersten Mal auf dem Programm<br />

<strong>der</strong> Nachbarschaftstage stand, war es deshalb, den Unterhaltungspflichtigen die neuen Bestimmungen<br />

des novellierten Wassergesetztes hinsichtlich <strong>der</strong> Eigentumsverhältnisse am Gewässer und des<br />

Umfangs <strong>der</strong> Unterhaltungspflicht näher zu bringen und sie in die Lage zu versetzen, die rechtlichen Vorgaben<br />

im Arbeitsalltag anwenden zu können. Um dies zu erreichen, wurden Lernteilziele für die Fortbildungsunterlagen<br />

festgelegt:<br />

1. Eigentumsverhältnisse am Gewässer kennen<br />

lernen.<br />

2. Rechtliche Begrifflichkeiten definieren<br />

und erläutern; die neuen Festlegungen<br />

<strong>der</strong> Wassergesetznovelle vorstellen, die<br />

die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Eigendynamik <strong>der</strong> Gewässer<br />

(Wie<strong>der</strong>herstellung bzw. Belassen<br />

von Gewässerbettverlagerungen) und<br />

die Erweiterung <strong>der</strong> Unterhaltungspflicht<br />

auf die ökologische Aufwertung <strong>der</strong> Gewässer<br />

betreffen.<br />

3. Die Fähigkeit <strong>der</strong> Teilnehmer <strong>zur</strong> Einschätzung<br />

<strong>der</strong> Notwendigkeit von Unterhaltungsmaßnahmen<br />

an Hand von Fallbeispielen<br />

trainieren und för<strong>der</strong>n.<br />

Inhaltliche Grundlagen für das Fortbildungsthema<br />

sind das Heft 31 <strong>der</strong> Reihe Handbuch<br />

Uferabbruch, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Vergangenheit mit Raubäumen saniert<br />

wurde. Aufn.: Riedel.<br />

Wasser 2, „Rechtsgrundlagen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung, Teil 1 Überblick“ (1996) <strong>der</strong> Landesanstalt für Umweltschutz<br />

61 , <strong>der</strong> Statusbericht 1995 <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft sowie <strong>der</strong> Beitrag „Das ökologische Wassergesetz“<br />

von Peter Poymann, <strong>der</strong> im Statusbericht 1996 erschien und in dem die neuen und die verän<strong>der</strong>ten<br />

Paragraphen <strong>der</strong> Wassergesetznovelle ausführlich präsentiert und auf ihre praktische Umsetzung bei <strong>der</strong> Unterhaltung<br />

kommentiert werden.<br />

61 Siehe auch Zusammenfassung auf <strong>der</strong> Seite 20<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 66


Im Folgenden werden die wesentlichen Aspekte des Fortbildungsthemas vorgestellt, und zwar in <strong>der</strong> gleichen<br />

Reihenfolge, wie dies für den Verlauf <strong>der</strong> Nachbarschaftstage empfohlen wurde.<br />

1. Eigentumsverhältnisse am Gewässer<br />

Die Unterhaltungspflicht für Fließgewässer liegt, je nach wasserwirtschaftlicher Bedeutung und Eigentum des<br />

Gewässers, beim Bund (Bundeswasserstraßen), beim Land (Gewässer 1. Ordnung), bei den Kommunen (Gewässer<br />

2. Ordnung) o<strong>der</strong> letztlich, wenn es sich um keine öffentlichen Gewässer handelt, beim privaten Eigentümer.<br />

Die Nachbarschaften richten sich an die unterhaltungspflichtigen Kommunen und die Mitarbeiter <strong>der</strong><br />

Bauhöfe des Landes und <strong>der</strong> Kommunen. Deshalb wird im Fortbildungsthema auf die rechtlichen Bestimmungen<br />

an öffentlichen Gewässern – und nicht an privaten – eingegangen. Bei den technischen Anlagen in, über<br />

und an Gewässern (z.B. Brücken, Wege Leitungen o<strong>der</strong> Ufermauern, die zu privaten Zwecken errichtet und<br />

wasserwirtschaftlich genehmigt wurden) sieht es an<strong>der</strong>s aus, da die Unterhaltungspflicht nicht nur von den<br />

Eigentumsverhältnissen bestimmt wird, son<strong>der</strong>n ganz wesentlich von <strong>der</strong> Frage, ob sie als Bestandteil des Gewässers<br />

o<strong>der</strong> als eigenständige Anlagen einzuordnen sind.<br />

Eigentumsregelung und Grenze <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung. Aus Handbuch Wasser 2 Heft 31, LfU (1996).<br />

Am öffentlichen Gewässer erstreckt sich die Gewässerunterhaltung auf das Gewässerbett, das in <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Hand liegt, und die Ufer, die bereits den Anliegern gehören können. Uferlinie, Mittelwasserstand und<br />

Böschungsoberkante bestimmen die Grenzen für die Unterhaltungspflicht. Ihre Festlegung am Gewässer ist<br />

nicht immer einfach, weil sie durch kleinräumige topographische Gegebenheiten an jedem Gewässer eine<br />

unterschiedliche Lage und Form haben und sie durch die Eigendynamik <strong>der</strong> Gewässer einem Wandel unterliegen.<br />

Daher werden die Teilnehmer zunächst mit <strong>der</strong> Eigentumszonierung am Gewässer vertraut gemacht.<br />

Darauf aufbauend werden ihnen die neuen Regelungen des WG im Bezug auf Verlagerungen des Gewässerbettes<br />

– Überflutung, Verlandung o<strong>der</strong> Verlassen des alten Bettes – und die sich daraus ergebenden Auswirkungen<br />

auf die Eigentumsverhältnisse erklärt.<br />

2. Rechtliche Begrifflichkeiten und Neuigkeiten <strong>der</strong> Wassergesetznovelle von 1.1.1996 für die Unterhaltung<br />

Gesetze beinhalten fachliche Begriffe und Definitionen, die für Nicht-Juristen oft schwer verständlich sind. Die<br />

Wassergesetznovelle ist hier nicht an<strong>der</strong>s und eine „Übersetzung“ <strong>der</strong> Paragraphen in eine für den Laien verständliche<br />

Sprache ist eine notwendige Hilfe für die Personen, die sich mit den Auflagen des Gesetzes in ihrer<br />

täglichen Arbeit auseinan<strong>der</strong>setzen müssen. Beispielsweise heißt es im Gesetz, dass <strong>der</strong> „Träger <strong>der</strong> Unterhaltung“<br />

<strong>zur</strong> Gewässerunterhaltung „verpflichtet“ sei. Doch wer ist <strong>der</strong> „Träger <strong>der</strong> Unterhaltung“ und was ist mit<br />

Seite 67<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


„verpflichtet“ gemeint? Hat ein Anlieger Rechtsanspruch auf die Pflege und Unterhaltung <strong>der</strong> Ufergehölzbestände<br />

auf seinem Grundstück? Wer ist in diesem Fall <strong>zur</strong> Unterhaltung verpflichtet? 62 O<strong>der</strong>: Ist <strong>der</strong> Träger<br />

<strong>der</strong> Unterhaltung auch verpflichtet, alle umgefallenen Bäume aus dem Gewässerbett zu räumen? 63 Antworten<br />

auf diese Fragen bringen den Teilnehmern Klarheit über ihre Aufgaben, Pflichten und Grenzen, die im Wassergesetz<br />

definiert sind, und helfen ihnen, gegenüber Dritten sicher aufzutreten und ihre Arbeit verantwortungsvoll<br />

zu machen.<br />

Die für die Praxis behandelten Themenfel<strong>der</strong> waren:<br />

2.1 Räumen nach dem Hochwasser:<br />

Geschiebeablagerungen und sonstige<br />

Störungen in einem unverbauten und in<br />

einem naturnahen Gewässerabschnitt<br />

sowie innerhalb <strong>der</strong> Ortslagen.<br />

2.2 Naturnahe Gestaltung:<br />

- Neue Bestimmungen im WG <strong>zur</strong> Umgestaltung<br />

eines Gewässers in naturfernem<br />

Zustand im Rahmen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung<br />

- Gehölzanpflanzungen <strong>zur</strong> Ufersicherung<br />

und <strong>zur</strong> naturnahen Gestaltung.<br />

2.3 Dynamische Entwicklung <strong>der</strong> Gewässer:<br />

Geschiebeablagerungen in Ortslagen (Schwäbisch Hall) Quelle:<br />

- Entscheidungshilfe, wann diese belassen <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

o<strong>der</strong> sogar geför<strong>der</strong>t werden kann,<br />

- Sicherheit von öffentlichen Wasserversorgungsanlagen,<br />

- Wie<strong>der</strong>herstellung des früheren Zustandes in <strong>der</strong> Ortslage.<br />

2.4 Unterhaltung von Anlagen am Gewässer<br />

- Wie<strong>der</strong>herstellungspflicht <strong>der</strong> Schäden, die sich<br />

aus dem Bestehen <strong>der</strong> Anlagen ergeben<br />

- Abgrenzung <strong>der</strong> Unterhaltungsarbeiten an<br />

den Anlagen im, am o<strong>der</strong> über dem Gewässer<br />

Uferabbruch unterhalb eines Rohrdurchlasses, <strong>der</strong> für eine<br />

genehmigte private Gewässerkreuzung gebaut wurde.<br />

Wer hat die Pflicht <strong>zur</strong> Sanierung <strong>der</strong> Schäden? Aufn.: Alt.<br />

62 Nein, die Unterhaltungslast ist tatsächlich eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die jedoch keinen Rechtsanspruch Dritter<br />

gegen den Träger <strong>der</strong> Unterhaltungslast begründet, so <strong>der</strong> §46 des Wassergesetztes.<br />

63 Nein, nicht immer. Aufgabe <strong>der</strong> Unterhaltung ist es, einen ordnungsgemäßen Zustand für den Wasserabfluss zu gewährleisten,<br />

deshalb sollten umgefallene Bäume im Gewässerbett in ausgebauten Gewässern o<strong>der</strong> im Siedlungsbereich entfernt<br />

werden, wenn dies zum Schutz <strong>der</strong> Allgemeinheit notwendig ist. Im Außenbereich kann Totholz im Gewässer die eigendynamische<br />

Entwicklung för<strong>der</strong>n. Deshalb können, wenn das Belassen nicht zu einer nicht beabsichtigten Härte führt und wenn<br />

dies für die Erreichung eines guten Zustandes notwendig ist, Hin<strong>der</strong>nisse im Gewässerbett belassen werden (WG §47).<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 68


2.5 Gehölzpflege und Behin<strong>der</strong>ungen für den Hochwasserabfluss<br />

Wer ist für die Gehölzpflege verantwortlich und wann sollen umgefallene Bäume entfernt werden? Die Antwort ist nicht<br />

immer gleich und hängt von <strong>der</strong> Lage <strong>der</strong> Bäume, dem Wohl <strong>der</strong> Allgemeinheit und von <strong>der</strong> gegebenen und notwendigen<br />

Abflussleistung ab. Aufn.: B. Walser.<br />

3. Fallbeispiele <strong>zur</strong> Bearbeitung in Gruppenarbeit<br />

In <strong>der</strong> Regel findet <strong>der</strong> praktische Teil <strong>der</strong> Nachbarschaftstage im Gelände statt, wo die Teilnehmer an einem<br />

Gewässerabschnitt selber bauen, beobachten und urteilen können. In dieser Fortbildungseinheit ging<br />

es im praktischen Teil jedoch hauptsächlich darum, einen sicheren Umgang mit den rechtlichen Grundlagen<br />

zu bekommen und Problemlösungen für konkrete, alltägliche Fälle zu finden. Die Lösung von Fallbeispielen<br />

in Gruppenarbeit eignet sich dafür sehr gut und deshalb findet <strong>der</strong> praktische Teil <strong>der</strong> Fortbildung<br />

ausnahmsweise im Saal statt.<br />

Entscheidungshilfe bei Hochwasserschaden aus den Fortbildungsunterlagen: Soll <strong>der</strong> Ausgangszustand wie<strong>der</strong>hergestellt<br />

o<strong>der</strong> kann eine eigendynamische Entwicklung zugelassen werden?<br />

Seite 69<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Die ausgewählten Fallbeispiele können den folgenden drei Sachthemen zugeordnet werden:<br />

Unterhaltung in naturnahen und unverbauten Gewässerabschnitten<br />

Unterhaltung in Ausbaustrecken (an Längs- und Querbauwerken)<br />

Unterhaltung von Anlagen in, über o<strong>der</strong> an Gewässern.<br />

In Gruppen von vier bis fünf Personen sollten die Teilnehmer Probleme, die in den Beispielen beschrieben werden,<br />

beurteilen und begründete Lösungen dazu vorschlagen. Dafür standen ihnen die Teilnehmerunterlagen<br />

und das Poster „Grundzüge naturverträglicher Gewässerunterhaltung“ <strong>zur</strong> Verfügung.<br />

4. Die Erfolgskontrolle: Diskussion <strong>der</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> Gruppenarbeit<br />

Jede Arbeitsgruppe stellte ihre Ergebnisse vor, um sie dann mit dem Betreuer <strong>der</strong> Nachbarschaft und den an<strong>der</strong>en<br />

Teilnehmern zu besprechen, Unsicherheiten zu beseitigen und Lücken zu schließen. Hierzu wurden von<br />

den Betreuern mo<strong>der</strong>ierte Rollenspiele arrangiert, um die unterschiedlichen Interessenlagen <strong>der</strong> für die Gewässer<br />

Zuständigen zu verdeutlichen. – Dies markiert gleichzeitig die Einführung eines neuen didaktischen Handwerkszeugs.<br />

– Zu jedem Fallbeispiel gibt es Musterlösungen, welche die Teilnehmer mitnehmen und die sie bei<br />

künftigen Entscheidungen als kleines Nachschlagewerk benutzen können. Im Folgenden wird ein Fallbeispiel<br />

präsentiert. Die Musterlösungen sind in den blauen Kästen dargestellt.<br />

Fallbeispiel für das Fortbildungsthema „Was tun nach Hochwasser?“<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 70


Fortbildungsthema Nr. 5 „Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit“<br />

Projektgruppe<br />

Heinz Daucher<br />

Peter Haselmaier<br />

Winfried Haug<br />

Siegfried Kappler<br />

Wilfried Rühle<br />

Hermann Wiegner<br />

Jürgen Reich<br />

Externe Beratung:<br />

Holger Steenhoff<br />

Wolfgang Pankow<br />

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />

Stadt Nagold, Tiefbauamt<br />

Landratsamt Calw<br />

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />

Gewässerdirektion Nördlicher Oberrhein, Bereich Freudenstadt<br />

Städtischer Fischereiaufseher, Amt für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur Bruchsal<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH<br />

Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein (rechtliche Beratung)<br />

Dipl.-Biologe, Dogern (ökologische Beratung)<br />

Gewässer sind Biotope, die aus unterschiedlichen Teillebensräumen bestehen, unter an<strong>der</strong>em aus dem freien<br />

Wasserkörper, <strong>der</strong> Gewässersohle und <strong>der</strong> Wechselwasserzone. Für Fische und Kleinlebewesen ist es wichtig,<br />

dass diese Lebensräume einen ihren Ansprüchen genügenden guten Zustand aufweisen, wie bereits im Fortbildungsthema<br />

„Lebensraum Fließgewässer“ ausführlich erläutert wurde. Im freien Wasserkörper muss darüber<br />

hinaus die Längsdurchgängigkeit gewährleistet sein, damit Fische einen geeigneten Laichplatz erreichen können.<br />

Es reicht aber nicht, dass die Teillebensräume einfach vorhanden sind, son<strong>der</strong>n sie müssen untereinan<strong>der</strong><br />

und mit angrenzenden Lebensräumen verknüpft sein. Viele aquatische Tierarten sind auf mehrere, unterschiedlich<br />

strukturierte Lebensräume aufgewiesen, so etliche Benthosorganismen, die mit ihrem Lebensstadium<br />

auch den Lebensraum wechseln. Als Larve bewohnen viele das Lückensystem <strong>der</strong> Gewässersohle, das daher<br />

als „Kin<strong>der</strong>stube“ bezeichnet<br />

wird und Schutz vor<br />

<strong>der</strong> Strömung und Räubern<br />

bietet.<br />

Die Durchgängigkeit zwischen<br />

den Teilbiotopen in<br />

Flüssen und Bächen ist<br />

deshalb eine Grundvoraussetzung<br />

für die Existenz<br />

von vielen Lebewesen im<br />

Gewässer und von daher<br />

eine wichtige Bedingung<br />

für das Vorhandensein<br />

von gesunden und ökologisch<br />

funktionsfähigen<br />

Gewässern. Hauptziel des<br />

Themas „Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

<strong>der</strong> Durchgängigkeit“<br />

war es, die<br />

Teilnehmer mit den Lebensbedingungen<br />

und<br />

Vernetzungsbeziehungen zwischen den Lebensräumen eines Gewässers und seiner Aue.<br />

Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

Ansprüchen verschiedener<br />

Tierarten vertraut zu<br />

machen, um damit zu zeigen, warum die Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit ein so zentrales Thema <strong>der</strong><br />

naturnahen Gewässerunterhaltung ist. In einer zweiten, mehr praktischen Phase sollten die Teilnehmer erfahren,<br />

wie verschiedene Bauwerke durchgängig gestaltet werden können und ob dies im Rahmen <strong>der</strong> Unterhaltung<br />

gemacht werden kann o<strong>der</strong> ob dafür ein wasserrechtliches Verfahren notwendig ist.<br />

Die Fortbildungseinheit ist in einen theoretischen Teil – Einführung und Vermittlung <strong>der</strong> Grundlagen in Form von<br />

Vorträgen – und einen praktischen Teil geglie<strong>der</strong>t, bei dem die Gestaltung von Durchgängigkeitsbauwerken<br />

an einem Gewässer in <strong>der</strong> Natur geübt wird. Der Inhalt <strong>der</strong> drei ersten Themenblöcke wird im Folgenden zusammengefasst:<br />

Seite 71<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


1. Ökologische Grundlagen<br />

Die ökologischen Grundlagen <strong>der</strong> Fließgewässer wurden bereits im Fortbildungsthema Nr. 3 „Arbeiten im Lebensraum<br />

Fließgewässer“ detailliert erläutert, sodass nach einer kurzen Wie<strong>der</strong>holung einiger wichtiger Aspekte<br />

für weitere Informationen auf die damaligen Unterlagen verwiesen wird. Empfohlen wird in jüngerer Zeit <strong>der</strong><br />

2005 erschienene Leitfaden <strong>der</strong> LfU „Durchgängigkeit für Tiere in Fließgewässern“ (Reihe Oberirdische Gewässer,<br />

Gewässerökologie 95, 2005), <strong>der</strong> die Grundlagen <strong>der</strong> früheren Leitfäden zusammenfasst und mit einem<br />

Kapitel „Defizite, Kontrolle und Bewertung <strong>der</strong> Durchgängigkeit von Wan<strong>der</strong>hilfen“ sinnvoll ergänzt wird. Ebenso<br />

können die Anfor<strong>der</strong>ungen von wichtigen Fischindikatorarten an die Durchgängigkeit in einem neu verfassten<br />

Kapitel nachgeschlagen werden.<br />

Dort wird beschrieben, in welchem Ausmaß die Lebewesen, die unterschiedlich veranlagt sind, was Wan<strong>der</strong>ungsnotwendigkeit<br />

und -vermögen sowie Ausbreitungstüchtigkeit angeht, auf die Durchgängigkeit zwischen<br />

den Lebensräumen angewiesen sind. Hierzu werden die Mobilität im Längsverlauf des Gewässers (Drift, aktives<br />

Wan<strong>der</strong>n im Wasser und in <strong>der</strong> Luft, passive Verschleppung), quer zum Gewässer und die vertikalen Ausbreitungsmechanismen<br />

beschrieben (vom Wasser ins Lückensystem <strong>der</strong> Sohle o<strong>der</strong> vom Lebensraum Wasser in<br />

den Lebensraum Luft). Schließlich wird auf die Bedeutung hingewiesen, die natürlich wechselnde Wasserstände,<br />

Fließgeschwindigkeiten und Strömungsmuster sowie ein natürliches Sohlenmaterial für die Existenzfähigkeit<br />

und das Überleben vieler Gewässerlebewesen haben, und, wie diese Bedingungen durch den Ausbau von<br />

Gewässern zerstört werden können.<br />

Für alle diese Vernetzungsbeziehungen sind beispielhaft Tierarten genannt und abgebildet. Für den Fall, dass<br />

die Betreuer an einem bestimmten Aspekt weiteres Interesse haben und sich in die Thematik weiter vertiefen<br />

wollen, sind im Anhang wissenschaftliche Beiträge beigefügt.<br />

Speziell für dieses Kapitel wurde von <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft ein 30-minütiger Video-Film produziert,<br />

<strong>der</strong> auf Wunsch für die Nachbarschaftstage ausgeliehen werden kann. Hier werden den Unterhaltungspflichtigen<br />

hauptsächlich wan<strong>der</strong>nde Fische vorgestellt, die spezifische Ansprüche an die Durchgängigkeit haben.<br />

2. Sohlenerosion und Sohlenstabilisierung<br />

Prinzip<br />

Erhöhung des<br />

Sohlwi<strong>der</strong>stands<br />

Reduzierung des<br />

Fließgefälles<br />

Verringerung <strong>der</strong><br />

Schleppkraft<br />

Variante<br />

Sohlbefestigung<br />

Geschiebezugabe<br />

Sohlbauwerke<br />

Verlängerung des<br />

Fließwegs<br />

Profilaufweitung<br />

Methoden <strong>zur</strong> Stabilisierung von Gewässersohlen.<br />

Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

Wertung<br />

Massive<br />

Sohlsicherung<br />

dynamisch<br />

Bauwerke,<br />

klassische<br />

Maßnahmen<br />

Sanfter,<br />

natürlicher,<br />

dynamischer<br />

Sanfter,<br />

natürlicher,<br />

dynamischer<br />

Viele <strong>der</strong> vom Menschen verän<strong>der</strong>ten<br />

Gewässer zeigen eine<br />

instabile Sohle, die oft von Tiefenerosion<br />

gekennzeichnet ist.<br />

Durch Laufverkürzung und Einzwängung<br />

<strong>der</strong> Gewässer in ein<br />

festes Profil und das Fehlen einer<br />

Überflutungsaue wird das Gefälle<br />

erhöht, was wie<strong>der</strong>um die<br />

Erosionskräfte im Gewässerbett<br />

verstärkt. Neben den Erosionserscheinungen<br />

an <strong>der</strong> Sohle treten<br />

Folgeschäden an Ufern und<br />

Bauwerken in Gewässernähe<br />

auf; die Sohlenerosion und die<br />

damit verbundene Absenkung<br />

des Wasserspiegels lässt außerdem<br />

den Grundwasserspiegel<br />

absinken.<br />

An zahlreichen Gewässern sind<br />

Maßnahmen <strong>zur</strong> Verhin<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> weiteren Sohlenerosion dringend<br />

notwendig. Bisherige Methoden<br />

<strong>zur</strong> Stabilisierung <strong>der</strong> Gewässersohle (in <strong>der</strong> Regel mit Sohlpflasterung und dem Einbau von Abstürzen)<br />

wirken sich sehr nachteilig auf das Ökosystem aus, da sie Lebensräume zerstören und das Gewässer in unverbundene<br />

Teile fragmentieren. Doch gibt es, um die direkte Beanspruchung <strong>der</strong> Sohle zu reduzieren, naturverträgliche<br />

Alternativbauweisen. Eine große Bedeutung haben durchgängige Sohlrampen, die für Fische und<br />

Kleinlebewesen passierbar sind. Auch an<strong>der</strong>e Verfahren, welche die Sohle stabilisieren, sind ökologisch ver-<br />

-<br />

+ -<br />

+<br />

-<br />

+<br />

+<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 72


tretbar und können effektiv eingesetzt werden. Die Beschreibung dieser Maßnahmen in Verbindung mit den<br />

ausgelösten Wirkungen bildet den Schwerpunkt dieses Kapitels.<br />

3. Bau von durchgängigen Bauwerken<br />

Beispiel aus den Fortbildungsunterlagen: Bauwerke und durchgängige Alternativen<br />

Im 1996 novellierten Wassergesetz heißt es, dass „die naturnahe Gestaltung und Bewirtschaftung des Gewässerbetts<br />

und <strong>der</strong> Ufer“ ein Teil <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung sein soll. Wo aber liegt die Grenze zwischen kleinen<br />

Umbaumaßnahmen, die im Rahmen <strong>der</strong> Unterhaltung durchgeführt werden können, und größeren Maßnahmen,<br />

die einer wasserrechtlichen Zulassung bedürfen? Um diese Frage beantworten zu können, müssen zunächst<br />

an<strong>der</strong>e Aspekte erst geklärt werden, zum Beispiel ob beim Umbau die Ufer in größerem Umfang<br />

umgestaltet werden müssen und inwiefern <strong>der</strong> Wasserabfluss nachträglich nach <strong>der</strong> Umsetzung beeinflusst<br />

wird. In den Fortbildungsunterlagen werden wichtige Begriffe definiert und es wird ein Ablaufschema vorgestellt,<br />

mit dem dieser Entscheidungsprozess ermöglicht wird.<br />

Seite 73<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Nach Klärung des rechtlichen Rahmens werden Gestaltungsmöglichkeiten für unterschiedliche Formen von<br />

Rampen, für durchgängige Verdolungen und für Furten dargestellt. An Hand von umgesetzten Beispielen werden<br />

die ökologischen Verbesserungen, die durch den Bau von Durchgängigkeitsbauwerken erzielt werden,<br />

sowie rechtliche und technische Fragen anschaulich erklärt.<br />

Raue Rampen eignen sich beson<strong>der</strong>s gut für die Sanierung <strong>der</strong> Wehre und Absturzbauwerke, die ohnehin sanierungsbedürftig<br />

sind. In <strong>der</strong> Fortbildungseinheit wird zwischen den gesetzten Rampen und den geschütteten<br />

Rampen unterschieden. Im Rahmen <strong>der</strong> Unterhaltung – insbeson<strong>der</strong>e an kleineren Gewässern – kommen geschüttete<br />

Rampen zum Einsatz, da ihre Bauausführung einfach ist und ihre Unterhaltung weniger Probleme<br />

bereitet.<br />

Verdolungen sind sowohl innerhalb als auch außerhalb von Ortslagen zu finden. In Wäl<strong>der</strong>n stellen sie oft sogar<br />

das wichtigste Hin<strong>der</strong>nis im Längskontinuum <strong>der</strong> Gewässer dar. 64 Sie können jedoch auf unterschiedliche Art<br />

und Weise durchgängig gestaltet werden, an erster Stelle durch die Schaffung einer natürlichen Sohle, sei es<br />

auf direktem o<strong>der</strong> indirektem Wege (Initiierung von Geschiebeablagerungen). Der einfachste Weg dies zu<br />

erreichen ist <strong>der</strong> Einbau von flachen Querriegeln o<strong>der</strong> einer Baustahlmatte. Daneben eignet sich auch hier <strong>der</strong><br />

Einbau einer rauen Rampe innerhalb <strong>der</strong> Verdolungsstrecke.<br />

Furten sind oft eine günstige und einfache Alternative zu Verdolungen und Überfahrten. Es handelt sich dabei<br />

um unbefestigte Wege, die mit Schottermaterial quer durch ein Gewässer angelegt werden und befahren<br />

werden können. In <strong>der</strong> Regel sind sie vom Wasser überströmt, sodass sie mit bloßem Auge oft gar nicht sichtbar<br />

und auch für die aquatische Fauna passierbar sind.<br />

64 Rin<strong>der</strong>spacher, 2004<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 74


Fortbildungsthema Nr. 6 „Gewässerunterhaltung in Ortslagen“<br />

Projektgruppe<br />

Manfred Bauer<br />

Ulrich Burst<br />

Peter Geitz<br />

Thomas Kusche<br />

Dieter Lillich<br />

Josef Pfen<strong>der</strong><br />

Josef Woitzik<br />

Jürgen Reich<br />

Landesanstalt für Umweltschutz<br />

Eigenbetriebe <strong>der</strong> Stadt Ulm<br />

Planungsbüro Geitz<br />

Planungsbüro Geitz<br />

Stadt Esslingen/Neckar<br />

Gewässerdirektion Donau/Bodensee, Bereich Riedlingen<br />

Gewässerdirektion Donau/Bodensee, Bereich Riedlingen<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH<br />

Externe Beratung und Unterstützung:<br />

Walter Heuser<br />

Jürgen Schlenker<br />

Bernd Walser<br />

Stadt Stuttgart<br />

Regierungspräsidium Stuttgart<br />

Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein, Bereich Offenburg<br />

Die Unterhaltung von Fließgewässern im Siedlungsbereich unterscheidet sich stark von <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung<br />

in <strong>der</strong> freien Landschaft: Grund warum ein Fortbildungsthema eigens dafür entwickelt wurde. Das<br />

Zusammenkommen von speziellen Tatbeständen, nämlich die beengten Verhältnisse, die Notwendigkeit, das<br />

Hochwasserrisiko zu minimieren, und die soziokulturelle Bedeutung haben <strong>zur</strong> Folge, dass urbane Gewässer<br />

einer speziellen Betrachtung und Pflege bedürfen. Bäume und an<strong>der</strong>e Gehölze besitzen in den Städten in <strong>der</strong><br />

Wahrnehmung <strong>der</strong> Bevölkerung einen höheren Stellenwert als in <strong>der</strong> freien Landschaft und je<strong>der</strong> Eingriff kann<br />

auf Unverständnis stoßen und zu Spannungen mit den Unterhaltungspflichtigen führen. Vermieden werden<br />

können solche Situationen nur mit einer frühzeitigen Öffentlichkeitsarbeit, die so zu einem wichtigen Teil <strong>der</strong><br />

Unterhaltungsarbeit wird. Nicht weniger wichtig ist die Verbesserung <strong>der</strong> ökologischen Verhältnisse in den Gewässern,<br />

ein Ziel, das im Rahmen <strong>der</strong> Unterhaltung, wenn auch nur in kleinen Schritten, realisiert werden kann<br />

und soll.<br />

Links: Betonierter, naturferner und unzugänglicher Bach innerhalb einer Ortschaft. Rechts: Zugängliches urbanes Gewässer,<br />

das kurz nach seiner Renaturierung bereits naturnahe Strukturen und eine spontane Vegetationsentwicklung aufweist.<br />

Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

Die Schwierigkeit besteht bei <strong>der</strong> Unterhaltung von Siedlungsgewässern darin, die jeweiligen Rahmenbedingungen<br />

richtig abzuschätzen und optimierte Kompromisslösungen zu finden. Genau das wird mit dem Fortbildungsthema<br />

angestrebt. Die Unterhaltungspflichtigen sollen die Randbedingungen urbaner Gewässer kennen<br />

lernen und sie fallspezifisch abwägen lernen, um angepasste Unterhaltungsziele zu formulieren. Darauf auf-<br />

Seite 75<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


auend sollen sie geeignete Unterhaltungsmethoden auswählen und anwenden können. Um dies zu erreichen,<br />

wurde ein didaktisches Konzept entwickelt, das im Folgenden erläutert wird.<br />

Beim Nachbarschaftstag werden die Teilnehmer mit konkreten Fällen konfrontiert, die in einer bestimmten<br />

Ortschaft aktuell sind. Lösungen für Probleme zu finden, sind für Erwachsene Hauptmotiv des Lernens 65 und<br />

daher eine gute Methode, die Teilnehmer zu aktivieren. Es soll zunächst gemeinsam von den Teilnehmern die<br />

für die Nachbarschaft brisante<br />

Thematik gefunden und dann<br />

eingegrenzt werden. Anschließend<br />

sollen die Rahmenbedingungen<br />

in Form von Referaten<br />

identifiziert und erläutert<br />

werden. Vor diesem Hintergrund<br />

sollen an Fallbeispielen<br />

ein Entwicklungsziel und die<br />

Prioritäten für die Unterhaltung<br />

abgeleitet werden. Hierfür sind<br />

in den Unterlagen Informationen<br />

zu folgenden Themen enthalten:<br />

Historische Betrachtung<br />

Passive und aktive Naherholung<br />

und Freizeitnutzung<br />

Erlebnisraum Gewässer,<br />

Ortsbild<br />

Denkmalschutz<br />

Hochwasserschutz<br />

Gewässerökologie<br />

Nutzungsdruck auf die<br />

Gewässer<br />

Im theoretischen Teil soll die<br />

Erläuterung <strong>der</strong> gesetzlichen<br />

Vorgaben viel Zeit eingeräumt<br />

werden, damit die Teilnehmer<br />

ihre Pflichten und Rechte kennen<br />

lernen. Ausführlich soll<br />

über die Verkehrssicherungspflicht<br />

gesprochen werden,<br />

da dies die Wahrnehmung <strong>der</strong><br />

Unterhaltung stark beeinflusst.<br />

Dem theoretischen Teil folgt<br />

eine Übung, bei <strong>der</strong> die Teilnehmer Fälle lösen sollen. Dafür sind Dias mit acht verschiedenen Fällen in den<br />

Unterlagen vorhanden. Die Übung soll diskursiv verlaufen, sodass viele Erfahrungen und Problemlösungsansätze<br />

<strong>zur</strong> Sprache kommen. Ein zweiter Übungsteil findet an einem o<strong>der</strong> mehreren Gewässern im Gelände statt und<br />

besteht darin, dass die Teilnehmer spezielle Unterhaltungsaufgaben o<strong>der</strong> Umgestaltungsmaßnahmen in Ortslagen<br />

besichtigen und in <strong>der</strong> Gruppe diskutieren. Aufbauend auf den theoretischen Grundlagen, die sie im<br />

Laufe des Tages vermittelt bekommen haben, können die Teilnehmer an einem konkreten Beispiel rechtliche<br />

Unklarheiten klären und den Entscheidungsprozess diskutieren. – Das Fortbildungsthema eignet sich beson<strong>der</strong>s<br />

65 Currle, 2000<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 76


für Gemeinden, in denen bei Unterhaltungsarbeiten schon Akzeptanzproblemen entstanden o<strong>der</strong> zu erwarten<br />

sind.<br />

Auszug aus den Fortbildungsunterlagen zum Thema „Rechtlichen Grundlagen“ bei <strong>der</strong><br />

Gewässerunterhaltung in Ortslagen.<br />

Seite 77<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Fortbildungsthema Nr. 7 „Unterhaltung und Pflege von Gräben“<br />

Projektgruppe<br />

Manfred Bauer<br />

Cornelia Brausam-Schmidt<br />

Werner Herget<br />

Dr. Hans Helmut Klepser<br />

Dr. Thomas Paulus<br />

Thomas Soldner<br />

Bernd Walser<br />

Jürgen Reich<br />

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />

Stadt Tübingen<br />

Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung<br />

(GFG) mbH<br />

Regierungspräsidium Tübingen<br />

Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung<br />

(GFG) mbH<br />

Betreuer Gewässernachbarschaft Landkreis Tübingen<br />

Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein, Bereich Offenburg<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH<br />

Externe Beratung und Unterstützung:<br />

Dr. Margarete Dohmann<br />

Landratsamt Reutlingen<br />

Gräben sind Kleingewässer, die für die Be- o<strong>der</strong> Entwässerung angelegt wurden. Beson<strong>der</strong>s ab <strong>der</strong> Mitte des<br />

19. Jahrhun<strong>der</strong>ts entstanden große Be- und Entwässerungssysteme in Baden-Württemberg. Aber auch in jüngerer<br />

Zeit sind Gräben <strong>zur</strong> Oberflächenentwässerung entlang von Straßen und Wegen entstanden. 66 Um ihre<br />

Funktionsfähigkeit zu erhalten, bedürfen sie einer Pflege und Unterhaltung, das heißt, sie müssen geräumt werden.<br />

67 Je<strong>der</strong> Eingriff hat jedoch zwangsläufig negative Auswirkungen auf das Ökosystem. Deshalb soll „so viel<br />

wie nötig und so wenig wie<br />

möglich“ unterhalten werden.<br />

68<br />

Links: Geräumter Graben: Entnahme des Sohlsubstrats, <strong>der</strong> Fauna und <strong>der</strong> Vegetation.<br />

Rechts: Ökologisch wertvoller Graben. Aufwertung durch Aufweitung; Aufn. T. Paulus<br />

Trotz ihres anthropogenen<br />

Ursprunges können Gräben<br />

Lebensraum-Qualitäten wie<br />

naturnahe Gewässer besitzen<br />

und insbeson<strong>der</strong>e in<br />

intensiv genutzten Landschaften<br />

wichtige Funktionen<br />

übernehmen. Unterhaltungsmaßnahmen<br />

wirken<br />

sich auf Gewässerlebensgemeinschaften<br />

aus, sei es<br />

infolge <strong>der</strong> direkten Entnahme<br />

von Pflanzen und<br />

Tieren, sei es durch Verän<strong>der</strong>ung<br />

o<strong>der</strong> Vernichtung<br />

<strong>der</strong> Habitate. Am gravierendsten<br />

sind Maßnahmen,<br />

die in die Gewässersohle<br />

eingreifen. 69 Intensive Unterhaltung<br />

führt <strong>zur</strong> Dezimierung<br />

von Populationen<br />

und Lebensräumen. In selten<br />

unterhaltenen Grabenabschnitten können dagegen seltene o<strong>der</strong> gar gefährdete Tier- und Pflanzenarten<br />

dauerhaft überleben.<br />

66 Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU), 1999<br />

67 Herget, Reich, 2001<br />

68 Prospekt „Grabenpflege im Ammertal bei Tübingen“, <strong>der</strong> Stadtverwaltung Tübingen (Tiefbauamt), 1999.<br />

69 DVWK, 1992<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 78


In den heute an natürlichen Kleingewässern verarmten Landschaften sind Gräben oft die einzigen Biotope für<br />

die wassergebundene Fauna und Flora. Eine große Bedeutung besitzen Gräben insbeson<strong>der</strong>e als Überwinterungsquartiere<br />

für Amphibien, wie z.B. die Grasfrösche (Rana temporaria), die sich vor den ersten Frösten in<br />

den weichen Bodenschlamm eingraben. Die Grabenvegetation bietet im Winter einen Schutz für Insekten und<br />

Spinnen und dient mehreren Vogelarten als Nahrungsquelle. Im Frühjahr und Sommer wird sie ebenfalls von<br />

Vögeln, aber auch von blütenbesuchenden Insekten genutzt. Für den Menschen sind staudengesäumte, bunte<br />

Gräben ästhetisch reizvoll.<br />

Das Ziel <strong>der</strong> Fortbildungseinheit ist, den<br />

Teilnehmern zu zeigen, dass Unterhaltungsmaßnahmen<br />

auch ökologisch<br />

verträglich sein können. Die Teilnehmer<br />

sollten die Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> Gräben<br />

als Lebensraum und die gesetzlichen<br />

Rahmenbedingungen, die die Unterhaltung<br />

beeinflussen, kennen lernen. Darüber<br />

hinaus sollten sie lernen, einen<br />

Grabenunterhaltungs- o<strong>der</strong> -pflegeplan<br />

zu entwickeln, in dem auch die ökologischen<br />

Funktionen <strong>der</strong> Gräben Berücksichtigung<br />

finden, konkret, dass sie in die<br />

Lage versetzt werden, Technik, Geräte<br />

und Zeitpunkt <strong>der</strong> Pflegeeingriffe entsprechend<br />

zu wählen und die Kosten<br />

abzuschätzen.<br />

Auf Grund <strong>der</strong> guten und umfangreichen Literatur, die zu Gestaltung und Pflege von Gräben vorhanden ist,<br />

wurde auf eine eigene textliche Aufarbeitung verzichtet. Für die Grundlagen wird auf das Heft 55 „Gestaltung<br />

und Pflege von Gräben“ <strong>der</strong> Reihe Oberirdische Gewässer, Gewässerökologie <strong>der</strong> LfU sowie auf den Beitrag<br />

von Werner Herget und Jürgen Reich im Statusbericht 2000/2001 verwiesen. Weiterführende und vertiefende<br />

Literatur wurde in einem Literaturverzeichnis im Fortbildungsordner zusammengestellt.<br />

Für die Gestaltung des Nachbarschaftstages ist ein didaktisches Konzept auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Methoden<br />

<strong>der</strong> Erwachsenenbildung entwickelt<br />

worden. Zu Beginn <strong>der</strong> Veranstaltung<br />

sollten sich die Teilnehmer zu Gruppen<br />

zusammentun und gemeinsam Fragen<br />

rund um den Begriff Graben beantworten,<br />

wie z.B. „Was ist ein Graben und<br />

welche Funktionen hat er?“ Die Abgrenzung<br />

von Graben zu kleinen natürlichen<br />

Bächen ist mitunter recht schwierig und<br />

dennoch unentbehrlich für die Unterhaltungspflichtigen,<br />

da natürliche und<br />

künstliche Gewässer vom Gesetz unterschiedlich<br />

behandelt werden und die<br />

Folgen für die Unterhaltung fundamental<br />

sind. 70 Das gemeinsame Beantworten<br />

von Fragen in Gruppen eignet sich gut<br />

Frosch inmitten seiner Eiablage in einem Graben.<br />

Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

Auszug aus den Fortbildungsunterlagen: Räumung und anschließende,<br />

natürliche Sukzession.<br />

dafür, das Interesse <strong>der</strong> Teilnehmer für das Thema zu wecken. Mit den Antworten kann sich <strong>der</strong> Betreuer einen<br />

Eindruck über den Stand des Wissens verschaffen, <strong>der</strong> dann den weiteren Verlauf des Nachbarschaftstages<br />

bestimmt.<br />

Zur Veranschaulichung von typischen Situationen und Problemen sind Folien und Dias in den Unterlagen enthalten.<br />

als auch an<strong>der</strong>e geeignete Medien herangezogen werden. Um den Vortragsteil am späteren Vormittag<br />

abwechslungsreich zu gestalten, konnte ein eigens hergestellter kurzer Film über Unterhaltungsarbeiten an<br />

Gräben gezeigt werden. Die vermittelten Sachverhalte sollten in einem Übungsteil wie<strong>der</strong>holt und gefestigt<br />

70 Herget, Reich, 2001<br />

Seite 79<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


werden. Hierzu konnten Beispiele (siehe unten stehendes Bild) aus den in den Unterlagen vorhandenen Folien<br />

ausgewählt werden.<br />

Übungsbeispiel 4: Grabensystem Ammertal bei Tübingen<br />

In <strong>der</strong> offenen Landschaft des Ammertals<br />

finden sich nur vereinzelt Gehölze<br />

an den Gräben (Foto: M. Bauer)<br />

Einseitige Mahd mit Balkenmäher und<br />

Mähkorb. Gemäht werden Sohle und vor<strong>der</strong>e<br />

Böschung bis <strong>zur</strong> Oberkante – <strong>der</strong><br />

Rest bleibt stehen (Foto: M. Bauer)<br />

Schmaler Graben nach <strong>der</strong> Mahd. Links im<br />

Bild ein landwirtschaftlicher Weg; rechts<br />

hat sich ein Schilfbestand entwickelt<br />

(§24a-Biotop) (Foto: M. Bauer)<br />

Durch die Bearbeitung <strong>der</strong> landwirtschaftlichen<br />

Fläche bis an die Böschungsoberkante<br />

wurde <strong>der</strong> Graben<br />

nach und nach verfüllt und ist nur noch<br />

rudimentär vorhanden (Foto: M. Bauer)<br />

Schonende Räumung mit dem Bagger.<br />

Erfolgt nicht routinemäßig, son<strong>der</strong>n nur<br />

bei Bedarf. Entwässerungsfunktion wird<br />

durch einen möglichst geringen Eingriff<br />

wie<strong>der</strong> hergestellt (Foto: M. Bauer)<br />

Aufweitung/Sedimentationsbecken <strong>zur</strong><br />

punktuellen Sedimententnahme. Durch<br />

Verringerung <strong>der</strong> Fließgeschwindigkeit<br />

setzt sich mitgeführtes Sediment hier ab<br />

(Foto: M. Bauer)<br />

Was ist an diesem Graben charakteristisch?<br />

Was ist zu erkennen? Welches sind die kritischen Punkte?<br />

Was kann man hier verbessern?<br />

Übungsbeispiel aus den Fortbildungsunterlagen<br />

Der Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmern wurde als sehr wichtig angesehen, um die Teilnehmer<br />

über die Diskussion emotional stärker ans Thema zu binden, da theoretische Inhalte auf diese Art und Weise<br />

besser haften bleiben. Der gemeinsam zu erstellende Pflegeplan war ebenfalls Teil des didaktischen Konzepts,<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 80


weil hier <strong>der</strong> ganze Prozess von <strong>der</strong> Ermittlung <strong>der</strong> Rahmenbedingungen über die Entscheidung <strong>der</strong> geeigneten<br />

Methoden bis hin <strong>zur</strong> Abschätzung <strong>der</strong> voraussichtlichen Kosten durchlaufen werden muss. Zur Visualisierung<br />

wurden Flipcharts empfohlen, um die Teilnehmer <strong>zur</strong> aktiven Mitarbeit zu bewegen und die gemeinsam<br />

erarbeiteten Ergebnisse je<strong>der</strong>zeit parat zu haben.<br />

Der Nachmittagseinheit ist als Exkursion konzipiert, bei <strong>der</strong> Grabenunterhaltungen besichtigt werden sollten.<br />

Hierzu sollten, wenn möglich, Kontakte zu den örtlichen Maschinenringen aufgenommen, um die Maschinen<br />

an Ort und Stelle von erfahrenen Leuten vorgeführt zu bekommen.<br />

Einsatzmöglichkeiten verschiedener Unterhaltungsgeräte und ökonomische und ökologische Bewertung ihres Einsatzes<br />

Seite 81<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Fortbildungsthema Nr. 8 „Totholz in Gewässern“<br />

Projektgruppe<br />

Herbert Diehl<br />

Marc Gerhard<br />

Josef Groß<br />

Dr. Thomas Paulus<br />

Prof. Dr. Michael Reich<br />

Jürgen Reich<br />

Michael Reuschenbach<br />

Dr. Jürgen Scherle<br />

Dr. Klaus Träbing<br />

Regierungspräsidium Gießen, Abt. Staatliches Umweltamt Marburg<br />

Universität Hannover, Institut für Landschaftspflege und Naturschutz<br />

Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfall<br />

und Boden, Koblenz<br />

Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung<br />

(GFG) mbH<br />

Universität Hannover, Institut für Landschaftspflege und Naturschutz<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH<br />

Gewässerdirektion Nördlicher Oberrhein, Karlsruhe<br />

Gewässerdirektion Nördlicher Oberrhein, Karlsruhe<br />

Universität Karlsruhe, Institut für Wasserwirtschaft und Kulturbau<br />

Totholz birgt große Chancen für die Fließgewässer, aber auch Gefahren für die Hochwassersicherheit. Unter<br />

natürlichen Bedingungen spielt das Totholz in Gewässern eine große Rolle: als feines Reisig, Äste, Stämme und<br />

ganze Bäume. Totholz ist Lebensraum und Nahrung für etliche Elemente <strong>der</strong> Fauna und Wuchsort für die Gewässerflora<br />

sowie Strukturbildner und hydraulisch wirksames Element. Da das Ziel <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung<br />

die För<strong>der</strong>ung und <strong>der</strong> Erhalt von naturnahen ökologischen Verhältnissen ist, ist das Belassen von Totholz, soweit<br />

es keine Gefahr für den Menschen darstellt, erwünscht. Für die Unterhaltungspflichtigen stellen die beiden<br />

gegenläufigen Anfor<strong>der</strong>ungen – zum einen das Belassen von Totholz und zum an<strong>der</strong>en das Sicherstellen des<br />

gefahrlosen Abflusses – oft ein Problem dar, das nicht einfach zu lösen ist. Um in je<strong>der</strong> Situation die richtige<br />

Entscheidung zu treffen, muss Wissen über die technischen und den ökologischen Zusammenhänge vorhanden<br />

sein.<br />

Darüber hinaus muss das Liegenlassen von Holz die Akzeptanz <strong>der</strong> Bevölkerung finden. Manche Bürger sehen<br />

darin eine erhöhte Überschwemmungsgefahr infolge Rückstau, was in bestimmten Situationen auch nicht von<br />

<strong>der</strong> Hand zu weisen ist. Doch gibt es viele gute Gründe pro Totholz: Gute Pressearbeit und positive Presseberichte<br />

können Bedenken zerstreuen und Vorurteile abbauen.<br />

Für die Fortbildung machte die Projektgruppe neben dem üblichen Ordner eine Broschüre, in <strong>der</strong> die wichtigsten<br />

Sachverhalte für die Gewässerunterhaltung im Zusammenhang mit Totholz für die Län<strong>der</strong> Baden-<br />

Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz vermittelt werden. Die Broschüre lehnt sich an das didaktische Konzept<br />

des Fortbildungsthemas an und ist für die Betreuer und Betreuerinnen <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften die<br />

Basis für die Durchführung <strong>der</strong> Nachbarschaftstage. Außerdem richtet sich die Broschüre auch an ein breiteres<br />

Publikum, von den Teilnehmern <strong>der</strong> Veranstaltungen bis zu Anliegern von Gewässern, Fischern, Mühlen- und<br />

Kraftwerksbetreibern und letztendlich auch an alle, die sich um die naturverträgliche Entwicklung <strong>der</strong> Gewässer<br />

kümmern.<br />

Ziel <strong>der</strong> Fortbildungseinheit ist es, den Teilnehmern die ökologische Funktion und den Nutzen von Totholz in<br />

Gewässern zu vermitteln und auch auf Risiken, die damit verbunden sind, hinzuweisen. Sie sollen befähigt werden,<br />

Vor- und Nachteile des Belassens von Totholz im Einzelfall abzuwägen und entsprechende Entscheidungen<br />

zu treffen. Das Erlernte soll an Übungsbeispielen im Saal und in einer Nachmittagsexkursion geübt und<br />

gefestigt werden.<br />

1. Ökologische Bedeutung von Totholz im Gewässer<br />

Zunächst wird beschrieben, was Totholz ist, in welchen Erscheinungsformen es im Gewässer auftritt und welche<br />

natürlichen und menschlich bedingten Ursachen zu seiner Entstehung führen. Totholz ist kein stabiles Element<br />

im Gewässer, son<strong>der</strong>n kann bei Hochwasser von <strong>der</strong> Aue ins Gewässer gelangen. Es kann eine Zeitlang im<br />

Gewässerbett verankert bleiben und dann eines Tages seine Position im Bachbett verän<strong>der</strong>n. Diese Vorgänge<br />

werden unter dem Begriff <strong>der</strong> Totholzdynamik zusammengefasst und erklärt. Die Bedeutung von Totholz als<br />

Nahrungsquelle und als dynamisches Strukturelement, das immer wie<strong>der</strong> neue Lebensräume im Gewässerbett<br />

schafft, wird anschließend behandelt.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 82


2. Bedeutung von Totholz für die Gewässerstruktur<br />

Welche morphologischen Wirkungen löst liegendes Totholz im Gewässer aus? Prinzipiell kann man sie in vier<br />

große Gruppen fassen:<br />

Erhöhung <strong>der</strong> Strömungs- und Strukturdiversität,<br />

<br />

<br />

<br />

För<strong>der</strong>ung des Sedimentrückhalts,<br />

Erhöhung <strong>der</strong> Stabilität des Gewässerbettes gegen Tiefenerosion,<br />

Abflussverzögerung, früheres Ausufern und daher Beitrag zum dezentralen Hochwasserschutz.<br />

Aber Totholz ist nicht gleich Totholz. Während geschlossene, dichte Ansammlungen von Holz wie ein Damm<br />

wirken und dann sowohl den Abfluss als auch den Geschiebetransport grundlegend beeinflussen, haben Einzelstämme<br />

im Gewässerbett oft nur eine temporäre Wirkung auf die Bettmorphologie und wirken sich so gut<br />

wie nicht auf den Abfluss. Um was für einen Totholztyp es sich handelt und welche Auswirkungen er unter bestimmten<br />

Bedingungen hat, wird hier schwerpunktmäßig thematisiert.<br />

3. Gefährdung durch Totholz und Schutzkonzepte<br />

Wird Totholz im Gewässer vorgefunden, muss entschieden werden, ob es entfernt wird o<strong>der</strong> belassen werden<br />

kann. Neben den bereits behandelten<br />

positiven Effekten können Gefahren für<br />

Menschen und Sachgüter entstehen.<br />

Solche Gefahren müssen von den Unterhaltungspflichtigen<br />

eingeschätzt und wo<br />

immer möglich vermieden werden! Hierzu<br />

gehören die Lage <strong>der</strong> Stämme im<br />

Gewässer, ihre Größe und Stabilität,<br />

Rückstaueffekte, Vorlandüberflutung,<br />

Kolkbildungen und Ufererosion. Wo dürfen<br />

Prozesse stattfinden, wo nicht? Bei<br />

den Nachbarschaftstagen werden Entscheidungsprozesse<br />

und Handlungsoptionen<br />

diskutiert und geübt. Es werden<br />

Schutzmaßnahmen für verschiedene Gefahrensituationen<br />

vorgeschlagen. Diese ne Übergangsstrecke definiert, an <strong>der</strong> Totholz bei <strong>der</strong> Gewässer-<br />

Übergangsstrecke: Im Anschluss an eine totholzreiche Strecke wird ei-<br />

reichen von <strong>der</strong> Einrichtung von Übergangsstrecken<br />

(siehe Bild auf dieser Seiunterhaltung<br />

überwacht und sein Gefahrenpotential immer wie<strong>der</strong><br />

abgeschätzt wird. Dagegen ist dies in <strong>der</strong> totholzreichen Strecke wasseraufwärts<br />

davon nicht nötig. Abb. H.Worth.<br />

te) über den Bau von Treibholzfängern<br />

zum Schutz vor Totholzverklausungen bis<br />

hin <strong>zur</strong> Fixierung von Totholz mit unterschiedlichen Methoden, um eine Verlagerung zu verhin<strong>der</strong>n.<br />

Seite 83<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Fortbildungsthema Nr. 9 „Gewässerunterhaltung in geschützten<br />

Gebieten“<br />

Projektgruppe<br />

Harald Ebner<br />

Verena Friske<br />

Karl-Heinz Göbel<br />

Herbert Kiewitz<br />

Rainer Magenreuter<br />

Hans Mattner<br />

Dr. Thomas Paulus<br />

Jürgen Reich<br />

Ute Schnei<strong>der</strong>-Ritter<br />

Hubert Wiedemann<br />

Hartmut Winkler<br />

Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Stuttgart<br />

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />

Hessisches Dienstleistungszentrum für Landwirtschaft, Gartenbau und Naturschutz, Standort<br />

Wetzlar<br />

Landesamt für Wasserwirtschaft (LfW) Rheinland-Pfalz, Mainz<br />

Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg<br />

Gewässerdirektion Neckar Bereich Ellwangen<br />

Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung<br />

(GFG) mbH<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH<br />

Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein Bereich Offenburg<br />

Landratsamt Schwäbisch Hall<br />

Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, Koblenz<br />

Die naturnahe Gewässerunterhaltung und -entwicklung ist ein wichtiges Ziel des Naturschutzes. Doch kann in<br />

manchen Fällen <strong>der</strong> Erhalt von bedrohten Lebensräumen, Tier- o<strong>der</strong> Pflanzenarten vorrangig sein und dies<br />

kann <strong>der</strong> naturnahe Gewässerentwicklung wi<strong>der</strong>sprechen. Solche Fälle können vor allem in geschützten Gebieten<br />

auftreten, in denen Schutzverordnungen und Pflege- und Entwicklungspläne einen bestimmten Rahmen<br />

vorgeben. Es bedarf in jedem Fall eines Abgleichs mit diesen Plänen, um etwaige Unverträglichkeiten<br />

heraus zu finden. So ist zum Beispiel die Etablierung eines naturnahen Uferwaldes in einem Gebiet, das als Offenland<br />

geschützt ist, nicht erlaubt und <strong>der</strong> Unterhaltungspflichtiger muss dafür sorgen, dass es zu keinen geschlossenen<br />

Ufersaum kommt. Das Naturschutzziel kann aber auch die naturnahe Gewässerentwicklung<br />

einbeziehen, so dass es zu keinen Konflikten mit einer naturverträglichen Gewässerunterhaltung kommen muss<br />

(Beispiel Köpferbach im NSG Köpfertal).<br />

Wenn die Ziele des Naturschutzes des jeweiligen Schutzgebietes bekannt sind, lassen sich diese meist problemlos<br />

in die Gewässerunterhaltung integrieren. Für die Unterhaltungspflichtigen ist es in erster Linie wichtig zu wissen,<br />

ob die zu pflegenden Gewässer in einem o<strong>der</strong> mehren Schutzgebieten liegen, um welche<br />

Schutzkategorie es sich dabei handelt und welche Schutzziele festgelegt wurden. Mit diesen Informationen<br />

wird es dann möglich, Konflikte zu erkennen und Lösungen zu suchen.<br />

Für die Fortbildungseinheit wurde für die Län<strong>der</strong> Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz ein einfacher<br />

Entscheidungs- und Handlungsrahmen erarbeitet und mit elf realen Fällen veranschaulicht.<br />

Die „Gewässerunterhaltung in geschützten Gebieten“ wurde als „kleines Thema“ konzipiert und eignet sich<br />

insbeson<strong>der</strong>e für die Ergänzung eines allgemeinen Erfahrungsaustausches <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften, in<br />

denen es Schutzgebiete gibt und <strong>der</strong>en Schutzziele ein Konfliktpotenzial mit denen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung<br />

bergen.<br />

Die Fortbildungsunterlagen enthalten:<br />

1. Für die Gewässerunterhaltung wichtige Schutzgebietskategorien und ihre Auswirkungen auf die Gewässerunterhaltung<br />

Allgemeine Verbote in Schutzgebieten gibt es nicht; folglich können keine pauschalen Auswirkungen auf die<br />

Gewässerunterhaltung abgeleitet werden. Deshalb wurden die für die Unterhaltung <strong>der</strong> Gewässer wichtigen<br />

Schutzgebietskategorien behandelt. Dies sind Naturschutzgebiete (§23 BNatSchG), Naturdenkmale (§28<br />

BNatSchG), geschützte Biotope (§30 BNatSchG) und Natura 2000-Gebiete (§§32-37 BNatSchG). Ergänzt werden<br />

die Ausführungen um die Spezifika <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>naturschutzgesetze<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 84


2. Sonstige Regelungen mit Einfluss auf die Gewässerunterhaltung<br />

Auch in Gebieten, die unter keinen Schutzstatuts fallen, müssen die allgemeinen naturschutz- und artenschutzrechtlichen<br />

Bestimmungen eingehalten werden, etwa zum Schutz von Pflanzen und Tieren (z.B. Schonzeiten <strong>zur</strong><br />

Sicherung <strong>der</strong> Fortpflanzung bedrohter Arten). Auch Festlegungen in <strong>der</strong> Landschafts- und Bauleitplanung,<br />

beispielsweise in Bebauungsplänen, können Vorgaben enthalten, die die Gewässerunterhaltung beeinflussen.<br />

Im Wasserrecht werden Wasser- und Überschwemmungsschutzgebiete festgelegt, <strong>der</strong>en Schutzziele im Einzelfall<br />

zu Konflikten mit den Zielen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung führen können.<br />

3. Vorgangsweise und Ansprechpartner<br />

Wie geht man vor, wenn die<br />

zu unterhaltende Gewässerstrecke<br />

in einem Schutzgebiet<br />

liegt? Worüber muss man sich<br />

informieren? Muss man jemanden<br />

über die geplanten<br />

Unterhaltungsarbeiten unterrichten?<br />

Diese Fragen werden<br />

praxisnah beantwortet und es<br />

wird ein Ablaufschema für<br />

den Entscheidungsprozess<br />

vorgeschlagen, an dessen<br />

Ende eine konfliktfreie, mit<br />

den Zielen des Schutzgebietes<br />

verträgliche Unterhaltung<br />

steht.<br />

Steckbrief für die Übungen zum Thema „Unterhaltung in geschützten Gebieten“<br />

Seite 85<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


Fortbildungsthema Nr. 10 „Gewässeraufsicht“<br />

Projektgruppe<br />

Waldemar Ehrmann<br />

Horst Geiger<br />

Walter Hailer<br />

Frank Hütter<br />

Marc Lyachenko<br />

Jürgen Reich<br />

Wolfgang Schilling<br />

Helmut Schwab<br />

Iris Steger<br />

Armin Stelzer<br />

Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis<br />

Große Kreisstadt Öhringen<br />

Besigheim<br />

Landratsamt Heilbronn<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH<br />

Umweltministerium Baden-Württemberg<br />

Landratsamt Heilbronn<br />

Landratsamt Hohenlohekreis<br />

Umweltministerium Baden-Württemberg<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH<br />

Kommunen tragen die meiste Verantwortung<br />

bei <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung im Land<br />

Die Kommunen sind als Träger <strong>der</strong> Unterhaltungslast für die<br />

Organisation und Durchführung von Gewässerschauen an den<br />

Gewässern II. Ordnung zuständig. Sie müssen dabei die Gewässer<br />

einschließlich <strong>der</strong> Ufer, Vorlän<strong>der</strong>, Dämme und Anlagen<br />

sowie <strong>der</strong> Überschwemmungsgebiete nach vorheriger Unterrichtung<br />

<strong>der</strong> Wasserbehörde regelmäßig besichtigen. Für die<br />

Gewässer I. Ordnung und für die Bundeswasserstraßen besteht<br />

ebenfalls die Pflicht <strong>zur</strong> Durchführung von Gewässerschauen,<br />

doch liegt hier die Zuständigkeit beim Land und beim Bund.<br />

Die Gewässerschauen haben die Aufgabe, nachteilige Verän<strong>der</strong>ungen<br />

an und im Gewässer frühzeitig zu erkennen, um daraufhin<br />

die notwendigen Maßnahmen im Rahmen <strong>der</strong><br />

Unterhaltungsarbeiten anordnen o<strong>der</strong> durchführen zu können.<br />

Es können potentielle Beeinträchtigungen frühzeitig erkannt<br />

werden, was Konflikte und Kosten bei den Gemeinden sparen<br />

kann.<br />

Eine unerwünschte Verlagerung des Gewässerbetts, instabile<br />

Gehölzbestände, die eine Gefahr für die Verkehrssicherheit<br />

darstellen, bauliche Anlagen, die negative Auswirkungen auf<br />

die Struktur und Hydraulik des Gewässers haben und den Hochwasserschutz<br />

gefährden, Ablagerungen in Überschwemmungsgebieten o<strong>der</strong> versteckte Abwassereinleitungen<br />

sind Beispiele für Zustände am Gewässer, die unerwünscht sind und bei einer Gewässerschau erkannt werden<br />

können.<br />

Ursache für Missstände kann eine ungeeignete<br />

Gewässerunterhaltung sein, oft ist aber<br />

nicht die Gemeinde als Träger <strong>der</strong> Unterhaltungslast<br />

dafür verantwortlich, son<strong>der</strong>n es<br />

sind Dritte, z.B. Eigentümer von Anlagen,<br />

Anlieger o<strong>der</strong> Unbekannte, wie es bei <strong>der</strong><br />

Ablagerung von Müll im Gewässerrandstreifen<br />

<strong>der</strong> Fall sein kann. Für die Beseitigung<br />

von Mängeln an Gewässern müssen die<br />

Gemeinden aufkommen, sodass es in ihrem<br />

Interesse ist, diese frühzeitig zu erkennen.<br />

Gewässerschauen bieten außerdem eine<br />

Chance, die Entwicklungsmöglichkeiten <strong>der</strong><br />

Gewässer auf dem Expertenwissen <strong>der</strong> an<br />

<strong>der</strong> Schau Beteiligten aufzubauen. Im Gewässerentwicklungsplan<br />

werden für jedes<br />

Gewässer Ziele und Maßnahmen für die zu-<br />

Unzulässige Bauten im Gewässerrandstreifen. Aufn.: M. Dohmann.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 86


künftige Entwicklung formuliert, die laut Gesetz darauf abzielen soll, bis zum Jahr 2015 einen „guten ökologischen<br />

Zustand“ zu erreichen. Im Rahmen <strong>der</strong> Gewässerschau<br />

können diese Ziele vor Ort überprüft und ggf. angepasst<br />

werden. Liegt noch kein Plan vor, können bei <strong>der</strong><br />

Gewässerschau Ideen und Ziele gesammelt werden.<br />

Mit dem Fortbildungsthema „Gewässerschauen/-<br />

Gewässeraufsicht“ sollen den Unterhaltungspflichtigen<br />

die gesetzlich auferlegte Pflicht <strong>der</strong> Gewässerschau praxisnah<br />

erläutert und das Spektrum <strong>der</strong> Möglichkeiten aufgezeigt<br />

werden, die sich den Gemeinden durch die<br />

Gewässerschau bietet, etwa für die Öffentlichkeitsarbeit<br />

und die Werbung für naturnahe Gewässer.<br />

Der Lehrstoff soll wie folgt vermittelt werden:<br />

1. Rechtliche Grundlagen<br />

2. Organisation von Gewässerschauen<br />

3. Umfang <strong>der</strong> Gewässerschau<br />

4. Praktischer Teil: Begehung eines Gewässerabschnittes<br />

mit einem Beispielprotokoll<br />

1. Rechtliche Grundlagen<br />

Zeitungsartikel über die Gewässerschau als Öffentlichkeitsarbeit<br />

einer Gemeinde<br />

Hier werden die <strong>zur</strong>zeit gültigen Zuständigkeiten an den Gewässern geklärt, basierend auf dem Wassergesetz<br />

und dem Wasserhaushaltsgesetz<br />

bezüglich Gewässerschauen<br />

und Gewässeraufsicht.<br />

Unter an<strong>der</strong>em gehören<br />

dazu die Erläuterung<br />

bei<strong>der</strong> Begriffe und <strong>der</strong> damit<br />

verbundenen Aufgaben<br />

sowie Haftungsfragen und<br />

mögliche Interaktionen mit<br />

an<strong>der</strong>en Kontrollen am Gewässer.<br />

2. Organisation von Gewässerschauen<br />

Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Zuständigkeiten am Gewässer aufgrund <strong>der</strong> Gesetzesnovellierungen<br />

Es soll u.a. geklärt werden, wie oft Gewässerschauen stattfinden sollen und wer daran teilnehmen muss und<br />

sonst noch teilnehmen kann. Bezüglich <strong>der</strong> Durchführung selbst werden den Unterhaltungspflichtigen Informationen<br />

gegeben, damit sie das Instrument <strong>der</strong> Gewässerschauen<br />

nutzen können, um am Gewässer<br />

entdeckte Mängel zu beseitigen – zum Beispiel durch<br />

Vor-Ort-Vereinbarungen mit allen Betroffenen. Auf<br />

die Karten und sonstigen Unterlagen, die auf eine<br />

Gewässerschau, soll sie erfolgreich sein, mitgenommen<br />

werden sollen, wird ebenfalls eingegangen.<br />

Schließlich werden Beispiele gebracht, wie Gewässerschauen<br />

als Mittel <strong>der</strong> Öffentlichkeitsarbeit <strong>der</strong><br />

Gemeinden eingesetzt werden können.<br />

3. Umfang von Gewässerschauen<br />

Un<strong>zur</strong>eichende Gehölzpflege kann zu Mängeln bei <strong>der</strong><br />

Verkehrssicherheit führen. Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Gewässerschau müssen u.a. die Aspekte<br />

betrachtet werden, die die Gewässerentwicklung<br />

maßgeblich beeinflussen, wie etwa <strong>der</strong><br />

Gehölzbestand, die Durchgängigkeit, die Sohlen-<br />

Seite 87<br />

<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


erosion und die Gewässerstrukturgüte. Sind Mängel erkennbar, eignet sich die Gewässerschau sehr gut, Verbesserungsmaßnahmen<br />

unter den teilnehmenden Fachleuten und den Vertretern <strong>der</strong> Unteren Verwaltungsbehörde<br />

zu diskutieren und ggf. Flächen für das Ökokonto 71 vorzuschlagen.<br />

Es gibt aber auch Mängelzustände, die weitere Probleme nach sich ziehen, z.B. auf den Wasserabfluss, die<br />

Hochwassersicherheit, die Verkehrssicherheit, die Gewässergüte o<strong>der</strong> das Landschaftsbild. Um die wichtigsten<br />

und häufigsten dieser Situationen zu verdeutlichen, sind zwölf Fallbeispiele aus <strong>der</strong> Praxis in Steckbriefform erarbeitet<br />

worden, in denen die Mängel und die Konfliktpotentiale beschrieben und Lösungsstrategien auf Basis<br />

<strong>der</strong> aktuellen Gesetzgebung aufgezeigt werden.<br />

4. Praktischer Teil<br />

Zur Festigung des Lehrstoffes bietet es sich<br />

an, dass die Teilnehmer einen Gewässerabschnitt<br />

begehen und dabei in Gruppenarbeit<br />

ein exemplarisches Protokoll anfertigen.<br />

Für eine solche Probebegehung sind<br />

den Fortbildungsunterlagen Muster beigefügt,<br />

beispielsweise über die Erhebung <strong>der</strong><br />

Mängel o<strong>der</strong> über die Beseitigung eines<br />

Mangels. Nach <strong>der</strong> Übung sollte eine zweite<br />

Begehung mit dem Betreuer o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Betreuerin stattfinden, um die Ergebnisse <strong>der</strong><br />

Gruppenarbeit zu kommentieren und ggf. zu<br />

ergänzen.<br />

Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen einer Gewässerschau.<br />

Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />

71 Das Ökokonto ist ein Vorsorgeinstrument <strong>der</strong> Gemeinden, mit dem sie Flächen o<strong>der</strong> Maßnahmen für den Ausgleich von<br />

Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft, die z.B. im Zuge von Bauvorhaben stattfinden, auswählen können.<br />

<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 88


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<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft


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Seite 91<br />

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