Von der Gewässerpflege zur Gewässerentwicklung - WBW ...
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VON DER GEWÄSSERPFLEGE<br />
ZUR GEWÄSSERENTWICKLUNG<br />
14 JAHRE <strong>WBW</strong> FORTBILDUNGSGESELLSCHAFT<br />
FÜR GEWÄSSERENTWICKLUNG
Vorwort<br />
Mit dem Beschluss des Umweltministeriums Anfang <strong>der</strong> 1990er Jahre auf<br />
Landesebene Gewässernachbarschaften ein<strong>zur</strong>ichten, beginnt die Geschichte<br />
<strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH.<br />
Nach einer ersten Pilotveranstaltung im Jahre 1991, die mit großer Beteiligung<br />
und großem Interesse seitens <strong>der</strong> Kommunen aufgenommen wurde,<br />
beauftragte das Umweltministerium den Wasserwirtschaftsverband Baden-<br />
Württemberg e.V. (<strong>WBW</strong>) die Gewässernachbarschaften landesweit zu organisieren.<br />
Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, gründete <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> 1992<br />
eine Tochtergesellschaft, die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung<br />
mbH, die bis 1995 unter dem Namen „Gemeinnützige Gesellschaft<br />
für die Gewässerpflege mbH“ aktiv war.<br />
Dabei ist die Geschichte <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung<br />
mbH eng mit <strong>der</strong> des Fachdienstes Wasser <strong>der</strong> Landesanstalt<br />
für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) verknüpft. Durch gemeinsame<br />
Themenschwerpunkte und Zielvorstellungen ist eine partnerschaftliche<br />
Zusammenarbeit im Gewässerschutz von Baden-Württemberg entstanden.<br />
Mit einem gewissen Stolz kann auf die zahlreichen durchgeführten Veranstaltungen<br />
und Veröffentlichungen dieser beiden Partner verwiesen werden. Es ist nicht verwun<strong>der</strong>lich, dass<br />
die Idee <strong>zur</strong> Schulung <strong>der</strong> Gewässerunterhaltspflichtigen in Gewässernachbarschaften sowie die vielfältige<br />
Bearbeitung <strong>der</strong> Themen zunehmend Resonanz in an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n und im benachbarten Ausland<br />
findet.<br />
Die Veranstaltungen <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften sind eine <strong>der</strong> wichtigsten Plattformen für die fachgerechte<br />
Gewässerunterhaltung zwischen Verwaltung, Kommunen und Fachleuten in Baden-Württemberg. Schon<br />
früh wurde erkannt, dass beson<strong>der</strong>s die Schulung <strong>der</strong> Zielgruppe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den<br />
Betriebshöfen, welche die Gewässerunterhaltung durchführen, beson<strong>der</strong>s wichtig ist. Nur durch geschultes<br />
Personal, welches die Zusammenhänge zwischen Unterhaltung sowie Ökologie <strong>der</strong> Gewässer kennt, ist es<br />
möglich, die heutige Zielvorstellung im Gewässerschutz zu erfüllen. Beson<strong>der</strong>s die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Wasserrahmenrichtlinie<br />
können langfristig durch eine ökologisch ausgerichtete Gewässerunterhaltung erfüllt werden.<br />
Beson<strong>der</strong>s erfreulich ist, dass trotz zweier Verwaltungsreformen in Baden-Württemberg mit vielfältigen Än<strong>der</strong>ungen<br />
in <strong>der</strong> Personalstruktur die Gewässernachbarschaften weiterhin in <strong>der</strong> Wasserwirtschaftsverwaltung<br />
einen festen Bestandteil bilden. Daher gilt mein Dank beson<strong>der</strong>s den Regierungspräsidien, den Städte- und<br />
Landkreisen sowie den Kommunen, welche Betreuerinnen und Betreuer aus ihren Reihen <strong>zur</strong> Verfügung stellen.<br />
Die Präsentation des Jubiläumsbandes „<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung“ zeigt die breite<br />
Themenpalette <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft und <strong>der</strong> Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz<br />
(LUBW) im Zusammenspiel mit <strong>der</strong> Wasserwirtschaftsverwaltung von Baden-Württemberg. Mit diesem<br />
Jubiläumsband werden alle Veröffentlichungen <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung<br />
mbH und <strong>der</strong> Landesanstalt für Umwelt, Messung und Naturschutz zu den Themen Gewässerunterhaltung und<br />
Gewässerentwicklung auf einer CD bereitgestellt. Dieser Band stellt daher ein wertvolles und informatives<br />
Nachschlagewerk dar.<br />
Der Jubiläumsband wird anlässlich des 14. Betreuertages am 11. Oktober 2006 in Ludwigsburg präsentiert. Neben<br />
<strong>der</strong> Präsentation des Bandes stellen die Betreuerinnen und Betreuer <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften die<br />
Fortbildungsthemen <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften vor. Es wird berichtet, wie die Themen vermittelt und in die<br />
Praxis umgesetzt werden.<br />
In diesem Zusammenhang möchte ich mich recht herzlich bei den ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern<br />
<strong>der</strong> Gewässernachbarschaften bedanken. Ohne ihr großartiges Engagement und fundiertes Fachwissen<br />
wäre die Durchführung von flächendeckenden Gewässernachbarschaften in Baden-Württemberg nicht möglich.<br />
Dr.-Ing. Manfred Rost<br />
Präsident des Wasserwirtschaftsverbandes<br />
Baden-Württemberg e. V.
Inhalt<br />
1 Die Vorgeschichte ..........................................................................................1<br />
2 14 Jahre Fortbildungsgesellschaft.................................................................4<br />
Die Gewässernachbarschaften .................................................................................................................................5<br />
Der Erfahrungsaustausch „Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken“..............................................................6<br />
Gewässerpädagogik....................................................................................................................................................7<br />
Hochwasserpartnerschaften.......................................................................................................................................8<br />
Erfahrungsaustausch <strong>der</strong> Wasserbehörden in Baden-Württemberg ...................................................................8<br />
3 Die Gewässernachbarschaften.....................................................................9<br />
Organisation...................................................................................................................................................................9<br />
Das Gesamtkonzept „Naturnahe Unterhaltung von Fließgewässern“ und die ersten<br />
Fortbildungsthemen <strong>der</strong> Nachbarschaften............................................................................................................13<br />
Das didaktische Konzept ...........................................................................................................................................17<br />
Die Wassergesetznovelle von 1995 ..........................................................................................................................19<br />
Urbane Gewässer........................................................................................................................................................24<br />
Status Quo <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Gewässerentwicklung und -unterhaltung in Baden-<br />
Württemberg Ende <strong>der</strong> 1990er Jahre und Folgen für die Gewässernachbarschaften..................................26<br />
10-jähriges Bestehen <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften .........................................................................................28<br />
Die Europäischen Richtlinien FFH und WRRL...........................................................................................................30<br />
4 Der Erfahrungsaustausch für den Betrieb von<br />
Hochwasserrückhaltebecken .....................................................................33<br />
Erfahrungsaustausch für Betriebsbeauftragte und Betreiber von<br />
Hochwasserrückhaltebecken ...................................................................................................................................34<br />
Stauwärtertage und Stauwärtergrundkurs .............................................................................................................34<br />
5 Gewässerpädagogik ...................................................................................36<br />
Wan<strong>der</strong>ausstellung Fließgewässer für Schulklassen, Familien und ErzieherInnen ............................................39<br />
Artery – Menschen an den Fluss (für Kin<strong>der</strong> und Erwachsene): ..........................................................................39<br />
Angebot mit Volkshochschulen................................................................................................................................40<br />
Gewässerführerausbildung........................................................................................................................................41<br />
Pädagogische Themen bei den „Kleinen Betreuertagen“ <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften .......................41<br />
Sonstige Aktivitäten.....................................................................................................................................................42<br />
6 Hochwasserpartnerschaften........................................................................43
7 Erfahrungsaustausch „Wasserbehörden in Baden-Württemberg“ ...........46<br />
8 Künftige Aufgaben <strong>der</strong> Gewässerentwicklung..........................................48<br />
Der dreifache Rahmen ..............................................................................................................................................48<br />
Die Handlungsfel<strong>der</strong> ...................................................................................................................................................50<br />
Was wir brauchen .......................................................................................................................................................53<br />
9 Anhang..........................................................................................................54<br />
Fortbildungsthema Nr. 1 „Naturgemäße Bauweisen“ ..........................................................................................55<br />
Fortbildungsthema Nr. 2 „Praktische Gehölzpflege“ (1992 und Überarbeitung 2005) ...................................59<br />
Fortbildungsthema Nr. 3 „Arbeiten im Lebensraum Fließgewässer“..................................................................63<br />
Fortbildungsthema Nr. 4 „Was tun nach Hochwasser?“ ......................................................................................66<br />
Fortbildungsthema Nr. 5 „Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit“ .................................................................71<br />
Fortbildungsthema Nr. 6 „Gewässerunterhaltung in Ortslagen“ ........................................................................75<br />
Fortbildungsthema Nr. 7 „Unterhaltung und Pflege von Gräben“.....................................................................78<br />
Fortbildungsthema Nr. 8 „Totholz in Gewässern“...................................................................................................82<br />
Fortbildungsthema Nr. 9 „Gewässerunterhaltung in geschützten Gebieten“ .................................................84<br />
Fortbildungsthema Nr. 10 „Gewässeraufsicht“ ......................................................................................................86<br />
10 Literatur ..........................................................................................................89
1 Die Vorgeschichte<br />
Jede Geschichte hat ihre Vorgeschichte, so auch die Themen und Aktivitäten des Fachdienstes Wasser <strong>der</strong><br />
früheren Landesanstalt für Umweltschutz (heute LUBW) und <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung<br />
mbH. Die Keimzelle ist in den 1970er Jahren zu finden. In <strong>der</strong> Gesellschaft und in den Verwaltungen<br />
gab es zunehmendes Unbehagen über den Zustand und die Ausbaustandards bei zahlreichen<br />
Fließgewässern. 1 Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs nach dem Krieg und einer Fortschrittseuphorie<br />
waren zahlreiche Gewässer ausgebaut und begradigt worden<br />
und teils erheblich stofflich belastet. Wie heute auch, war dies <strong>der</strong><br />
Nie<strong>der</strong>schlag <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Gesellschaft und des Kenntnisstands<br />
von Wissenschaft und Technik.<br />
Der Paradigmenwechsel kündigte sich 1971 mit dem Landesentwicklungsplan<br />
an, in dem es hieß, „wasserbauliche Maßnahmen<br />
[sollen] einvernehmlich mit Natur und Landschaft gestaltet und<br />
durch Urbaneinflüsse geschädigte Gewässerstrecken in einen<br />
möglichst naturnahen Zustand <strong>zur</strong>ück versetzt werden“. Da die<br />
Umsetzung neuer Ansätze Zeit braucht, dauerte es bis 1980, bis mit<br />
einem Erlass des zuständigen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft,<br />
Umwelt und Forsten, dem so genannten Wasserbaumerkblatt,<br />
eine neue Epoche begann. Mit dem Merkblatt wurden<br />
mehrere Erlasse, die überflüssig wurden und teils das alte wasserbauliche<br />
Denken spiegelten, aufgehoben. 2 Bei einer Weiterbildungsveranstaltung<br />
<strong>der</strong> Wasserwirtschaftsverwaltung in Loßburg<br />
bei Freudenstadt geht H. Wolf mit dem bisherigen Wasserbau und<br />
dessen Fehleinschätzungen hart ins Gericht. Deutlich spürt man<br />
den damaligen Zeitgeist und die moralische Entrüstung über die<br />
Umweltsünden. 3 F. Bürkle, damaliger Leiter des Wasserwirtschaftsamts<br />
Besigheim, berichtet bei <strong>der</strong>selben Veranstaltung<br />
über die Entwicklung und Fehlentwicklung von ausgebauten Gewässern,<br />
von <strong>der</strong> zu lernen sei, wie man einen „naturverbundenen<br />
Das Wasserbaumerkblatt von 1980.<br />
Gewässerausbau“ bewerkstelligen könne. – Programmatischer Satz in <strong>der</strong> Einleitung des Wasserbaumerkblattes<br />
ist: „Gewässer sind wesentliche Bestandteile des Landschaftsbildes und Lebensraum für zahlreiche Tier- und<br />
Pflanzenarten. Eingriffe in natürliche Gewässer durch wasserbauliche Maßnahmen sind daher auf das unbedingt<br />
erfor<strong>der</strong>liche Maß zu beschränken und soweit wie möglich auszugleichen.“<br />
Zu Beginn <strong>der</strong> 1980erJahre wurden erste Forschungsaufträge vergeben, um die Anfor<strong>der</strong>ungen aus dem Wasserbaumerkblatt<br />
wissenschaftlich zu untermauern. <strong>Von</strong> großer Tragweite und großem Tiefgang waren die<br />
„Ökologischen Untersuchungen an <strong>der</strong> ausgebauten unteren Murr“, erste Vorher-Nachher-Langzeituntersuchungen<br />
(1977 bis 1987), von F. Bürkle initiiert, mit einem sehr starken biologisch-ökologischen Anteil<br />
(was sich bei weiteren Vorhaben nie<strong>der</strong>schlagen sollte). 4 Im Hohenlohischen an <strong>der</strong> Gronach und einigen ihrer<br />
Zuflüsse wurden verschieden ausgebaute und nicht ausgebaute kleine Fließgewässer miteinan<strong>der</strong> verglichen. 5<br />
1 Auch davor hatte es natürlich schon Stimmen gegeben, die auf eine naturgemäßeren Umgang mit den Gewässern drängten.<br />
Stellvertretend dafür sei Meszmer mit seiner Arbeit „Natur- und landschaftsnaher Bau von Fließgewässern“ aus dem Jahr<br />
1961 genannt. Mezsmer hatte einen stark pflanzensoziologisch und sozialhygienisch geprägten Denkansatz (Mezsmer, 1961).<br />
2 Schaal, Bürkle, 1993<br />
3 Wolf, 1980<br />
4 Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU), 1985 und 1991<br />
5 Konold, 1984<br />
Seite 1<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Das 1986 erschienene „Handbuch Wasserbau“ 6 verstand sich als Ergänzung zum Wasserbaumerkblatt, in dem<br />
an Hand von 37 Beispielen verschiedene Gewässerausbauten aus dem ganzen Land mitsamt ihrer Entwicklung<br />
dokumentiert und begutachtet wurden. Man spürt bei den Beurteilungen, dass Gewässerdynamik nur<br />
innerhalb eines kalkulierbaren Rahmens akzeptiert wurde. Die Ufersicherung,<br />
sei es mit Steinschüttungen, mit Gehölzen o<strong>der</strong> Heckenbuschlagen,<br />
und <strong>der</strong>en Funktionsfähigkeit standen stark im<br />
Vor<strong>der</strong>grund. Entsprechend waren „Wundhänge“ zu beseitigen,<br />
die Gehölze gut zu pflegen. Es wurde gewürdigt, wenn sich innerhalb<br />
von Betonprofilen etwas gewässertypische Vegetation breit<br />
gemacht hatte. Manche Ausbauten waren ausgesprochen zukunftsweisend,<br />
etwa <strong>der</strong> <strong>der</strong> Wutach bei Weizen, wo die Ufer mit<br />
verwitterungsunbeständigen Nagelfluhblöcken befestigt worden<br />
waren. 7<br />
Titelseite <strong>der</strong> ersten Broschüre <strong>der</strong> Bachpatenschaften<br />
(1985).<br />
Im Jahre 1985 war die Broschüre „Bachpatenschaften“ erschienen,<br />
herausgegeben vom Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft,<br />
Umwelt und Forsten, um „in <strong>der</strong> Bevölkerung das Umweltbewusstsein<br />
zu stärken und das Verständnis für eine zeitgemäße<br />
Gewässerpflege zu wecken“ 8 – auch hier zieht sich ein roter Faden<br />
bis in die Gegenwart, auch wenn er mittlerweile nur noch an ein<br />
paar Orten in Baden-Württemberg sichtbar ist. Ein sehr wichtiger<br />
Schritt war die För<strong>der</strong>ung von Bachpatenschaften insofern, als zum<br />
ersten Mal wasserwirtschaftliche und gewässerpflegerische Themen<br />
in die breite Öffentlichkeit getragen und damit auch Kontakt<br />
zu Naturschutz-Akteuren gesucht wurde.<br />
Ein weiterer Meilenstein war die vom damaligen Institut für Wasserbau<br />
und Kulturtechnik <strong>der</strong> Universität Karlsruhe bearbeitete Studie<br />
<strong>zur</strong> „Naturnahen Umgestaltung ausgebauter Fließgewässer“, 9 die<br />
insofern eine neue Qualität brachte, als die bisherige Unterhaltungspraxis kritisch unter die Lupe genommen<br />
wurde und mehrere Pilotprojekte <strong>zur</strong> Umgestaltung verschiedener Gewässertypen in Aussicht gestellt wurden.<br />
Hatte man bisher recht pragmatisch und mit einem Bündel von bekannten Techniken Gewässer so umgestaltet,<br />
dass die Sicherung des Gewässerbetts gewährleistet war, so standen nun auf typologischer Grundlage 10<br />
ökologische Verbesserungen im Vor<strong>der</strong>grund, um „...für eine Region typische Tier- und Pflanzengesellschaften<br />
an einem Fließgewässer...“ wie<strong>der</strong>herzustellen o<strong>der</strong> entstehen zu lassen. „Naturnahe Umgestaltungen sollen<br />
sich am Gewässertyp unter den naturräumlichen Gegebenheiten orientieren.“ Entsprechende Aktivitäten<br />
sollten in ein umfassendes Naturschutzkonzept eingebunden sein. Angesprochen wurden in <strong>der</strong> Studie einige<br />
Aspekte, die in den folgenden Jahren von großer Bedeutung werden sollten und die auch die Arbeit <strong>der</strong> LfU<br />
und <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft mitbestimmten, so beispielsweise die Leitbild-Orientierung, die Einbeziehung<br />
<strong>der</strong> Aue in Umgestaltungen, das Problem <strong>der</strong> Durchgängigkeit, die interdisziplinäre Herangehensweise<br />
und die Beteiligung <strong>der</strong> Öffentlichkeit. – Was die in <strong>der</strong> Studie vorgeschlagenen Gestaltungselemente angeht<br />
– u.a. Bau von Bermen, Anlegen von Tümpeln, Abflachen von Böschungen, Einbringen von Störsteinen, Böschungssicherung<br />
mit Stangenverbau – , so spiegelt das den Stand <strong>der</strong> damaligen Diskussion wi<strong>der</strong>, war jedoch<br />
teilweise weit weg von einer echten typologischen Betrachtungsweise. Diese wurde später jedoch<br />
konsequent angegangen. 11<br />
Einen umweltpolitischen Schub für die Gewässer löste das „Gesamtkonzept Naturschutz und Landschaftspflege“<br />
aus, das gemeinsam von den Ministern Vetter (UM) und Weiser (MLR) im Jahre 1989 herausgegeben wurde<br />
und in dem weit gehende programmatische Pflöcke für die Gewässer eingeschlagen werden, aber auch<br />
selbstbewusst auf bereits laufende Umgestaltungsmaßnahmen verwiesen wird.<br />
6 Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg, 1986<br />
7 Pabst, 1989; Hohmann, Konold, 1992<br />
8 Schaal, Bürkle, 1993: 216<br />
9 Kern, Nadolny, 1986<br />
10 Eine Schlüsselarbeit hierzu war die Studie von Otto, Brauckmann, 1993.<br />
11 Forschungsgruppe Fließgewässer, 1994, 1998; Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein, 2001<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 2
Als Meilenstein und auch ein Stück weit als inhaltliche<br />
Grundlage für die künftige Arbeit <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
ist das Kolloquium „Naturgemäße<br />
Gestaltung von Fließgewässern“ im Februar 1990 12 zu<br />
sehen. Dort wurde von B. Burkart erstmals das Regelwerk<br />
Wasserbau mit einzelnen Bausteinen vorgestellt.<br />
Darüber hinaus ging W. Hauck auf „Naturgemäße<br />
Bauweisen <strong>zur</strong> Ufersicherung“ ein, dem Einstiegsthema<br />
<strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft. In seinem abschließenden<br />
Beitrag unterstrich Minister Vetter, die<br />
Gewässer hätten für ihn erste politische Priorität, und<br />
er kündigte weitere Maßnahmen und Programme an.<br />
Damit war politisch und inhaltlich <strong>der</strong> Boden für die<br />
Einrichtung des Zentralen Fachdienstes „Wasserbau<br />
und Gewässerpflege (Gewässerentwicklung)“ gemäß<br />
Statut <strong>der</strong> LfU von 1990 als zentrale Know-how-Stelle<br />
sowie für die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft bereitet,<br />
die seit 1992 die landesweite Umsetzung im Rahmen<br />
eines Erfahrungsaustausches <strong>der</strong> Unterhaltungspflichtigen<br />
in Theorie und Praxis durchführt.<br />
Mit dem Gesamtkonzept Naturschutz und Landschaftspflege<br />
wurden die Leitlinien und Ziele <strong>der</strong> Naturschutzpolitik<br />
in Baden-Württemberg <strong>der</strong> 1990er Jahre gesetzt.<br />
12 Die Beiträge lagen kurze Zeit später als „Handbuch Wasserbau, H. 3“ gedruckt vor, einem Heft, das richtungsweisend war.<br />
Seite 3<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
2 14 Jahre Fortbildungsgesellschaft<br />
Anfang <strong>der</strong> 1990er Jahre beschloss das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Umweltministerium, die<br />
Einrichtung von Gewässernachbarschaften, bei denen die gesammelten Erfahrungen und wissenschaftlichen<br />
Erkenntnisse im Bereich <strong>der</strong> naturnahen Gewässerentwicklung und -pflege an die Gewässerunterhaltungspflichtigen<br />
<strong>der</strong> Städte, Kommunen und des Landes weitervermittelt werden sollte. Die Idee <strong>der</strong> Nachbarschaften<br />
stammte aus dem Modell <strong>der</strong> Kläranlagennachbarschaften, die im Land schon seit 1968 erfolgreich<br />
technisch-wissenschaftlich auf dem Bereich <strong>der</strong> Abwassertechnik tätig waren. 13 Im Frühling 1991 fand eine<br />
erste Testveranstaltung zum Thema „Naturgemäße Sanierung von Uferabbrüchen„ in Buchen im Odenwald<br />
statt. Aufgrund <strong>der</strong> außergewöhnlichen Hochwasserereignisse, die in den Jahren davor an vielen Gewässern<br />
zu erheblichen Seitenerosionen geführt hatten, waren die Gewässerunterhaltungspflichtigen gehalten, die<br />
Schäden zu beseitigen. Die Beseitigung von Uferabbrüchen war hoch aktuell und spielte dem entsprechend<br />
bei <strong>der</strong> damaligen Gewässerunterhaltung eine eminent wichtige Rolle. Infolge dessen genoss die Pilotveranstaltung<br />
eine hohe Teilnehmerresonanz und bekam sehr positive Rückmeldungen von den Teilnehmern,<br />
was die Richtigkeit des Konzeptes bestätigte. Es wurde erkannt, dass eine landesweite Koordination und eine<br />
zentrale Auswahl und Aufbereitung von Themen die Effektivität <strong>der</strong> Nachbarschaften erhöhen könnte. Daraufhin<br />
bekam <strong>der</strong> Wasserwirtschaftsverband Baden-Württemberg e.V. (<strong>WBW</strong>) den Auftrag vom Land, die Gewässernachbarschaften<br />
bzw. Gewässernachbarschaftstage landesweit zu organisieren, was in einer Vereinbarung<br />
festgelegt wurde. Für die Bewältigung dieser Aufgaben rief <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> im Sommer 1992 eine Tochtergesellschaft<br />
ins Leben, die „Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für die Gewässerpflege mbH“, die bis<br />
1997 den Namen behielt und seitdem unter dem Namen <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung<br />
mbH weiterhin aktiv ist.<br />
Geschäftsführer <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
seit ihrer Gründung 1992:<br />
Team <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft im Jahr 2005<br />
Wolfgang Hauck<br />
Petra Gritsch<br />
Jürgen Reich<br />
Armin Stelzer<br />
Thorsten Kowalke<br />
(09/1992 - 03/1997)<br />
(04/1997 - 08/1997)<br />
(09/1997- 04/2002)<br />
(05/2002 – 06/2006)<br />
(seit 07/2006)<br />
Teilnehmer <strong>der</strong> Gewässernachbarschaftstage<br />
waren und sind immer noch die Unterhaltungspflichtigen<br />
von Gewässern 1. Ordnung (in <strong>der</strong><br />
Zuständigkeit des Landes) und von Gewässern<br />
2. Ordnung (Zuständigkeit bei den Städten und<br />
Gemeinden) und damit primär die Mitarbeiter<br />
<strong>der</strong> jeweiligen Bauhöfe. So sind bis auf die<br />
privaten Gewässer alle Fließgewässer des Landes<br />
abgedeckt und einheitlichen Kriterien <strong>der</strong><br />
Unterhaltung und Pflege unterworfen.<br />
<strong>Von</strong> links nach rechts Marc Lyachenko (Techn. Mitarbeiter),<br />
Felicitas Faber (Sekretariat und Verwaltung), Birgit Beermann<br />
(Techn. Mitarbeiterin), Gabriele Müller (Sekretariat<br />
und Verwaltung) und Armin Stelzer (Geschäftsführer bis Juli<br />
2006).<br />
13 Sommer, 1995<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 4
Die Gewässernachbarschaften<br />
Die Ziele <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft waren von Anfang an praxis- und problemlösungsorientiert und gleichzeitig<br />
weit reichend und anspruchsvoll. Leitidee und Fahrplan für die Aktivitäten <strong>der</strong> Gesellschaft war das „Gesamtkonzept<br />
Naturnahe Unterhaltung von Fließgewässern“, das vom Umweltministerium Baden-Württemberg<br />
Ende <strong>der</strong> 1980er Jahre vorgelegt worden war. Grundlagen und Verfahren des naturnahen Wasserbaus stellten<br />
somit den wesentlichen Inhalt des Weiterbildungsangebotes <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft an die Unterhaltungspflichtigen<br />
dar. Sie sollte auch einen Bewusstseinswandel bei den Unterhaltungspflichtigen för<strong>der</strong>n sie<br />
wegführen von <strong>der</strong> bisher eher wasserbautechnisch geprägten Aufgabenerfüllung hin zu einem besseren Verständnis<br />
für naturbezogene Aspekte im Gewässerbereich. So sollten Grundlagen über die ökologischen Zusammenhänge<br />
zu einem neuen Umgang mit den Gewässern vermittelt werden. An<strong>der</strong>erseits sollte die Fortbildungsgesellschaft<br />
nicht primär eine Bildungsfunktion erfüllen, son<strong>der</strong>n eine Hilfestellung <strong>zur</strong> Selbsthilfe anbieten.<br />
In einem überschaubaren Kreis, <strong>der</strong> Gewässernachbarschaft, sollten die Unterhaltungspflichtigen die<br />
Möglichkeit bekommen, unbefangen und mit <strong>der</strong> Unterstützung von Fachleuten – den ehrenamtlichen Betreuern<br />
und von diesen eingeladenen Gästen und Referenten – über ihre Probleme, Unsicherheiten und Erfolge<br />
zu berichten und zu diskutieren, um auf diese Weise <strong>zur</strong> kritischen Beurteilung ihrer Arbeit befähigt zu<br />
werden. Der Erfahrungsaustausch unter den Unterhaltungspflichtigen sollte zudem die nachbarschaftlichen<br />
Beziehungen und die gegenseitige Unterstützung stärken. Insgesamt war es ein Anliegen des Landes, das<br />
Selbstvertrauen <strong>der</strong> Praktiker bei <strong>der</strong> Erfüllung ihrer Aufgaben zu stärken und den Schatz <strong>der</strong> Fließgewässer von<br />
nun an nur noch fachlich qualifizierten Arbeitskräften zu überlassen.<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
vor<br />
92<br />
F92 H92 F93 H93 F94 H94 F95 H95 F96 H96 F97 H97 F98 H98 F99 H99 F00 H00 F01 H01 F02 H02 F03 H03<br />
Naturgemäße Sanierung von Uferabbrüchen - Thema 1 Praktische Gehölzpflege - Thema 2<br />
Arbeiten im Lebensraum Fließgew ässer - Thema 3 Was tun nach Hochw asser - Thema 4<br />
Gew ässerrandstreifen - Thema 5 Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit - Thema 6<br />
Gew ässerunterhaltung in Ortslagen - Thema 7 Grabenunterhaltung - Thema 8<br />
Totholz - Thema 9 Unterhaltung in geschützten Gebieten - Thema 10<br />
Sonstige Themen, Erfahrungsaustausch - Thema 99<br />
Anzahl und Themen <strong>der</strong> Nachbarschaftstage bis 2003<br />
Mit <strong>der</strong> Zeit haben sich, entsprechend den gesellschaftlichen, politischen und gesetzlichen Verän<strong>der</strong>ungen,<br />
manche Ziele erweitert und an<strong>der</strong>e sind dazugekommen. Standen stark praxisorientierte Themen wie „Praktische<br />
Gehölzpflege“ o<strong>der</strong> „Naturgemäße Bauweisen“ auf <strong>der</strong> Tagesordnung <strong>der</strong> ersten Jahre, sind die Fortbildungsthemen,<br />
die sich mit ökologischen Grundlagen und naturschutzfachlichen Problemen, wie „Arbeiten im<br />
Lebensraum Fließgewässer“, „Totholz im Fließgewässer“ o<strong>der</strong> „Gewässerunterhaltung in geschützten Gebieten“,<br />
mit <strong>der</strong> Zeit dazugekommen. Die Ersteren bieten Lösungen und Antworten zu konkreten Problemen bei<br />
<strong>der</strong> alltäglichen Unterhaltung <strong>der</strong> Gewässer; die Letzteren för<strong>der</strong>n ein besseres Verständnis <strong>der</strong> ökologischen<br />
Verhältnisse und Prozesse in Fließgewässern und tragen auf diese Weise <strong>zur</strong> naturschutzfachlichen Bewusstseinsbildung<br />
<strong>der</strong> Unterhaltungspflichtigen und zu ihrer Qualifizierung bei. Sie lernen an solchen komplexen und<br />
wertvollen Lebensräumen, vernetzt zu denken und den Gesetzmäßigkeiten <strong>der</strong> Natur folgend zu arbeiten.<br />
Deswegen hat sich die Kombination und Abwechslung von theoretischen und praktischen Themen als Fortbildungsthemen<br />
bei den jährlichen stattfindenden Veranstaltungen bewährt.<br />
Seite 5<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Die Gewässernachbarschaften haben sich auch als geeignetes Instrument <strong>zur</strong> effektiven Übertragung von<br />
gesetzlichen Verän<strong>der</strong>ungen in die Praxis bewährt. So bildete beispielsweise nach <strong>der</strong> Novellierung des Wassergesetztes<br />
Baden-Württemberg im Jahr 1995 die Vermittlung einer praktischen Interpretation des neuen Gesetzes<br />
an den Unterhaltungspflichtigen den Schwerpunkt <strong>der</strong> Nachbarschaftstage. Im Rahmen <strong>der</strong> Novellierung<br />
entfiel damals u.a. die allgemeine Wie<strong>der</strong>herstellungspflicht <strong>der</strong> Gewässerufer nach Hochwasserschäden.<br />
Die Unterhaltungspflichtigen mussten von heute auf morgen lernen zu entscheiden, wann sie <strong>zur</strong><br />
Beseitigung <strong>der</strong> Hochwasserschäden verpflichtet waren und wann nicht. Das Fortbildungsthema im Jahr 1997<br />
„Was tun nach Hochwasser“ verfolgte deshalb das Ziel, den Unterhaltungspflichtigen ein sicheres Wissen über<br />
die rechtlichen Vorschriften zu vermitteln<br />
und ihnen Handlungsmöglichkeiten für<br />
Konflikte mit Eigentümern und sonstigen<br />
Interessenten aufzuzeigen. Auch im Jahr<br />
2004 wurden mit dem Thema „Gewässerschauen“<br />
Aspekte eines europäischen<br />
Rechts, <strong>der</strong> Europäischen Wasserrahmenrichtlinie<br />
(WRRL), betreffend die<br />
Unterhaltung <strong>der</strong> Gewässer, aufgegriffen<br />
und praxisgerecht weitergegeben.<br />
Zunehmend an Bedeutung hat in den<br />
letzten Jahren bei den Gewässernachbarschaftstagen<br />
<strong>der</strong> reine Erfahrungsaustausch<br />
gewonnen. Dies hängt sicherlich<br />
primär damit zusammen, dass sich<br />
im Lauf <strong>der</strong> Jahre viele Erfahrungen ansammeln,<br />
aber auch, dass die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
an die Gewässerunterhaltung<br />
In Rahmen einer Gewässerschau können unzugängliche Stellen an Gewässern<br />
o<strong>der</strong> unrechtmäßige Uferverbauungen, wie auf diesem Foto<br />
ersichtlich, entdeckt und geeignete Maßnahmen getroffen werden.<br />
Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
immer komplexer werden. Erfahrungen<br />
unter den Betreuern, also den Multiplikatoren,<br />
bei den Betreuertagen auszutauschen<br />
heißt, praktische Tipps weiter zu<br />
geben, aber auch sich abzusichern und<br />
didaktisch-pädagogische Erkenntnisse weiter zu tragen. Deshalb ist <strong>der</strong> Erfahrungsaustausch heute ein Schwerpunkt<br />
<strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> Gesellschaft, ergänzt durch konkrete Fragestellungen <strong>der</strong> Unterhaltungspflichtigen und<br />
durch Spezialthemen bei beson<strong>der</strong>er Nachfrage.<br />
Der Erfahrungsaustausch<br />
„Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken“<br />
In Baden-Württemberg sind die Hochwasserschutzverbände<br />
für den Betrieb<br />
von hun<strong>der</strong>ten von Hochwasserrückhaltebecken<br />
und sonstigen Stauanlagen für<br />
den Hochwasserschutz zuständig. Die<br />
Beratung und Betreuung dieser Verbände<br />
wurde nach <strong>der</strong> Auflösung <strong>der</strong> Ämter<br />
für Wasserwirtschaft und Bodenschutz<br />
durch das Son<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ungsgesetz<br />
(SoBEG) im Jahr 1995 an die unteren<br />
Verwaltungsbehörden <strong>der</strong> Städte und<br />
Kreise übertragen. Zur Unterstützung <strong>der</strong><br />
Kommunen bei <strong>der</strong> Bewältigung dieser<br />
neuen Aufgaben beauftragte das Land<br />
die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft mit<br />
<strong>der</strong> Organisation und Leitung eines Er-<br />
Besichtigung eines Schlauchwehrs in Waibstadt bei Sinsheim im Rahmen<br />
eines Erfahrungsaustausches „Betrieb von HRB“ in März 2004.<br />
Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 6
fahrungsaustauschs für Betreiber und Betriebsbeauftragte von Hochwasserrückhaltebecken. Mit diesem neuen<br />
Auftrag bekam die Fortbildungsgesellschaft eine neue Satzung und ihren aktuellen Namen <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
für Gewässerentwicklung mbH.<br />
Der Erfahrungsaustausch fand anfänglich zweimal jährlich, im Frühjahr und im Herbst, statt. Seit 1999 wird er<br />
einmal im Jahr durchgeführt. Die Berichte erscheinen in gedruckter Form in Heften, die jedem Interessierten <strong>zur</strong><br />
Verfügung stehen. Zwei Jahre nach <strong>der</strong> Gründung erweiterte sich das Konzept des Erfahrungsaustausches auf<br />
die Stauwärter <strong>der</strong> Hochwasserrückhaltebecken, welche die Verantwortung für den Betrieb <strong>der</strong> Rückhaltebecken<br />
vor Ort tragen. Seit 1999 wird für sie jährlich eine eigene Veranstaltung mit dem Charakter eines Erfahrungsaustausches<br />
und einer Fortbildungsveranstaltung organisiert – die so genannten Stauwärtertage.<br />
Hierfür wurde Baden-Württemberg in Anlehnung an die Gewässernachbarschaften in Nachbarschaftsbezirke<br />
eingeteilt, die von ehrenamtlichen Fachleuten betreut werden. Aus den Erfahrungen <strong>der</strong> Stauwärtertage kristallisierte<br />
sich im Laufe <strong>der</strong> Zeit das Bedürfnis heraus, eine zusätzliche Ausbildung für die Stauwärter anzubieten.<br />
Diese leitete die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft in Form eines Grundkurses in die Wege. Der Kurs läuft seit 2002<br />
und ist die erste zertifizierte Ausbildung im Land, die angehenden Stauwärtern und Stauwärtern, die bereits<br />
tätig sind, regelmäßig angeboten wird.<br />
Gewässerpädagogik<br />
Wan<strong>der</strong>ausstellung „Erlebnis Fließgewässer“ im Donaupark Tuttlingen, organisiert<br />
mit dem Naturschutzzentrum Karlsruhe im September 2003. Aufn.: C. Rettig.<br />
Um die Gesellschaft näher an die<br />
Gewässer heran zu führen und<br />
auch eine gesellschaftliche Unterstützung<br />
für die Maßnahmen <strong>der</strong><br />
Wasserwirtschaft zu bekommen, rief<br />
das baden-württembergische Ministerium<br />
für Umwelt und Verkehr<br />
1999 das Projekt „Mensch & Gewässer“<br />
ins Leben. Als ein Teil dieses<br />
Projektes übernahm die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
die Aufgabe,<br />
durch gewässerpädagogische<br />
Konzepte, die an verschiedene<br />
Zielgruppen <strong>der</strong> Gesellschaft gerichtet<br />
sind, die Bürger für die Gewässer<br />
zu sensibilisieren. Die erste<br />
Zielgruppe waren die Betreuer <strong>der</strong><br />
Gewässernachbarschaften, die<br />
sich in zwei „kleinen Betreuertagen“<br />
mit dem Thema „Mensch & Gewässer“<br />
und „Gewässerpädagogik“ beschäftigten. Als nächsten Schritt bereitete die Fortbildungsgesellschaft zusammen<br />
mit Naturschutzzentren, den ehemaligen Gewässerdirektionen und mehreren Verbänden, u.a. dem<br />
Volkshochschulverband, diverse Aktionen vor für Kin<strong>der</strong> und Erwachsene. So entstand 2003 die Wan<strong>der</strong>ausstellung<br />
„Erlebnisraum Fließgewässer“, <strong>der</strong>en Hauptzielgruppe Kin<strong>der</strong> und Familien sind und die in zahlreichen<br />
Naturschutzzentren und Schulen ausgestellt wurde und noch wird. Das bisher größte Projekt „Menschen<br />
an den Fluss“ startete 2004 und ist eingebunden in das EU-Kooperationsprojekt „Artery – Flusslandschaften <strong>der</strong><br />
Zukunft als Lebensa<strong>der</strong> <strong>der</strong> Region“. Es richtet sich sowohl an Kin<strong>der</strong> als auch an Erwachsene und organisiert<br />
Veranstaltungen am Flussufer in <strong>der</strong> Rhein-Neckar-Region zu Natur, Geschichte, Wirtschaft und Kultur.<br />
Als letzte Aktion im Bereich <strong>der</strong> Gewässerpädagogik hat die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft die Ausbildung zum<br />
Gewässerführer als Pilotprojekt gestartet. Diese Aktion versteht sich als Teil des Gesamtkonzeptes „Mensch &<br />
Gewässer“ des Landes und ist als Impuls gedacht, die Beziehung <strong>der</strong> Menschen zu den Gewässern im Erwachsenenbereich<br />
auszuweiten. Ziel ist es, dass ausgebildete und geprüfte Gewässerführer, die auf regionale und<br />
lokale Aspekte und Beson<strong>der</strong>heiten spezialisiert sind, dazu beitragen, die Identifizierung <strong>der</strong> Bürger mit den<br />
Gewässern ihrer Region bzw. einer bestimmten Gegend zu unterstützen sowie eine Kundenbindung an diese<br />
Region zu för<strong>der</strong>n.<br />
Seite 7<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Hochwasserpartnerschaften<br />
Ein weiteres Standbein <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft bilden die Hochwasserpartnerschaften. Im Auftrag<br />
des damaligen Ministeriums für Umwelt und Verkehr hat die Gesellschaft 2003 die Neugründung und Organisation<br />
<strong>der</strong> Hochwasserpartnerschaften in Baden-Württemberg übernommen. Hintergrundgedanke für diese<br />
neue Aufgabe ist, dass sich Hochwasserschäden am besten minimieren lassen, wenn innerhalb eines Einzugsgebiets<br />
alle Beteiligten über die Gefahrenpotentiale ausreichend informiert sind und gemeinsam eine Strategie<br />
zu Hochwasservorsorge und -schutz entwickeln. Im Rahmen <strong>der</strong> Hochwasserpartnerschaften werden<br />
Tagungen organisiert, an denen sich die Entscheidungsträger <strong>der</strong> Kommunen eines Einzugsgebietes treffen<br />
und gemeinsam ihre Meinungen<br />
über Themen zum<br />
vorsorgenden Hochwasserschutz<br />
austauschen und<br />
diskutieren.<br />
Mit Entscheidungsträgern<br />
sind die Bürgermeister, die<br />
Feuerwehr, die Gefahrenabwehr<br />
und <strong>der</strong> Katastrophenschutz<br />
gemeint. Erwünscht<br />
ist, dass dieser Personenkreis<br />
als Multiplikator<br />
in seinem jeweiligen Verantwortungsbereich<br />
fungiert<br />
und die Bürger über<br />
die Gefahren, und Vorsorgemaßnahmen<br />
in Sachen<br />
Hochwasser informiert, um<br />
<strong>zur</strong> Bewusstseinsbildung beizutragen.<br />
In den Hochwasserpartnerschaften wird das Risikopotential von Überschwemmungen<br />
innerhalb eines Einzugsgebietes analysiert und über entsprechende Vorsorgemaßnahmen<br />
diskutiert. Eine wichtige Grundlage für diese Arbeit bieten die Hochwassergefahrenkarten<br />
des Landes. Quelle: LUBW.<br />
Erfahrungsaustausch <strong>der</strong> Wasserbehörden in Baden-Württemberg<br />
Das neueste Standbein <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft stellt <strong>der</strong> „Erfahrungsaustausch <strong>der</strong> Wasserbehörden“<br />
dar. Der Erfahrungsaustausch wird durch die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft organisiert. Für die fachliche<br />
Ausarbeitung ist die Landesanstalt<br />
für Umwelt, Messung und Naturschutz<br />
(LUBW) zuständig. Es werden<br />
für jeden Regierungsbezirk pro Jahr<br />
zwei Veranstaltungen durchgeführt.<br />
Der Erfahrungsaustausch wird nach<br />
vorgehen<strong>der</strong> Abfrage bei den Regierungspräsidien<br />
sowie den Städteund<br />
Landkreisen bedarfsorientiert<br />
angeboten.<br />
Auftaktveranstaltung des Erfahrungsaustausches in Stuttgart am 13. Juni 2006.<br />
Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 8
3 Die Gewässernachbarschaften<br />
Organisation<br />
Die Details zu Organisation, Inhalten, Programmgestaltung,<br />
Öffentlichkeitsarbeit und<br />
Finanzierung <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft werden<br />
vom Beirat beschlossen, dessen Vorsitz<br />
beim Umweltministerium Baden-Württemberg<br />
liegt und <strong>der</strong> sich zu Beginn aus Vertretern des<br />
<strong>WBW</strong>, <strong>der</strong> oberen Wasser- und Naturschutzbehörden,<br />
unteren Verwaltungsbehörden, <strong>der</strong><br />
Hochschulen sowie einem Sprecher <strong>der</strong> Betreuer<br />
zusammensetzte. Diese Liste von Mitwirkenden<br />
zeugt von einer breit angelegten<br />
Zusammenarbeit, die von Beginn <strong>der</strong> Gesellschaft auf Wunsch des Umweltministeriums die Arbeit <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
bestimmte.<br />
Der Beirat erweiterte 1999 seine Kompetenz noch mehr, als sich die kommunalen Spitzenverbände <strong>zur</strong> Mitarbeit<br />
im Beirat entschlossen. Dies brachte positive Effekte für die Kommunen mit sich, da ihre Interessen bei <strong>der</strong><br />
Auswahl <strong>der</strong> Themenschwerpunkte stärker als bisher beachtet werden konnten. Verän<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> Vertretung<br />
<strong>der</strong> Verwaltung im Beirat brachten die Verwaltungsreformen in den Jahren 1995 (SoBEG) und 2005<br />
(VRG), die zu einer tiefgreifenden Umstrukturierung <strong>der</strong> Wasserwirtschaftsverwaltung innerhalb einer Dekade<br />
geführt haben. Die Besetzung des Beirats im Jahre<br />
2005 ist in <strong>der</strong> Abbildung links und in <strong>der</strong> Tabelle<br />
auf <strong>der</strong> nächsten Seite dargestellt.<br />
Die ehrenamtlichen Betreuer und Betreuerinnen<br />
sind die tragende Säule <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften.<br />
Sie sind zuständig für die Organisation,<br />
Gestaltung und Durchführung <strong>der</strong> Nachbarschaftstage,<br />
die einmal im Jahr stattfinden.<br />
Außerdem halten sie Kontakt zu den Sprechern<br />
<strong>der</strong> Nachbarschaften 14 und stehen für Fragen<br />
<strong>der</strong> Teilnehmer <strong>der</strong> Nachbarschaften <strong>zur</strong> Verfügung.<br />
Sie sind somit das Verbindungsglied zwischen<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft und den Praktikern <strong>der</strong><br />
Gewässerpflege und -entwicklung. Ihre inhaltliche<br />
Aufgabe ist, ganz allgemein gesprochen,<br />
praktische, handwerkliche, aber auch rechtliche<br />
und wissenschaftliche Erkenntnisse in die<br />
Umsetzung zu transportieren. Außerdem kümmern<br />
sie sich um die Öffentlichkeitsarbeit in ihrer<br />
Nachbarschaft, wobei es sich hier meistens um<br />
Pressearbeit handelt. Bei all diesen Aufgaben<br />
erhalten sie Unterstützung in Form von Fortbildungsunterlagen<br />
sowie Schrift- und Bildmateria-<br />
Organigramm <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften<br />
lien für die Pressearbeit, die von <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
ausgearbeitet werden. Speziell die Fortbildungsunterlagen<br />
werden seit 1994 von Experten in so genannten „Projektgruppen Fortbildungsunterlagen“<br />
erarbeitet, die sich aus Vertretern <strong>der</strong> LUBW, Beiratsmitglie<strong>der</strong>n und Dritten zusammensetzen, die aus verschiedenen<br />
Fachdisziplinen und <strong>der</strong> Praxis stammen und themenbezogen vom Beirat benannt werden.<br />
14 Die Sprecher <strong>der</strong> Nachbarschaften sind Vertreter <strong>der</strong> Unterhaltungspflichtigen in den Nachbarschaften.<br />
Seite 9<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Aktuelle Mitglie<strong>der</strong> des Beirats <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften (Stand August 2006)<br />
Heinz Daucher<br />
Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW)<br />
Dr. Margarete Dohmann<br />
Landratsamt Reutlingen<br />
Manfred Flittner<br />
Landratsamt Rastatt, Umweltamt<br />
Georg Förster Regierungspräsidium Freiburg, Abteilung 5<br />
Walter Hailer<br />
Besigheim, ehemals Regierungspräsidium Stuttgart<br />
Prof. Dr. Hans-Karl Hauffe<br />
Fachhochschule Nürtingen<br />
Karlheinz Kibele<br />
Landkreistag Baden-Württemberg<br />
Prof. Dr. Werner Konold<br />
Albert-Ludwigs-Universität, Institut für Landespflege<br />
Gerhard Müller<br />
Gemeindetag Baden-Württemberg<br />
Dr. Jürgen Schedler<br />
Regierungspräsidium Stuttgart<br />
Rainer Specht<br />
Städtetag Baden-Württemberg<br />
Hansjörg Strähle<br />
Umweltministerium Baden-Württemberg<br />
Bürgermeister Herbert Vollmer<br />
Bürgermeisteramt Nordrach<br />
Bernd Walser Regierungspräsidium Freiburg, Abteilung 5<br />
Prof. Dr.-Ing.habil Bernhard Westrich Universität Stuttgart, Institut für Wasserbau<br />
Einmal im Jahr treffen sich<br />
die Betreuer (im Übrigen bis<br />
2000 „Lehrer“ genannt) <strong>zur</strong><br />
zentralen Veranstaltung des<br />
Betreuertags. Ziel ist dabei,<br />
die Betreuer an neue und<br />
aktuelle Themen z. B. rechtlicher<br />
und fachlicher Natur<br />
heranzuführen, Erfahrungen<br />
Dritter aufzunehmen, vor<br />
allem aber die nächsten<br />
Fortbildungsthemen zu diskutieren,<br />
sich untereinan<strong>der</strong><br />
auszutauschen und sich<br />
näher kennen zu lernen. Betreuer im Jahr 2002 in Bad Herrenalb. Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
Die Vorträge bei den Betreuertagen<br />
decken ein breites Spektrum ab. Ganz bewusst nahm man neben den „klassischen“ Themen wie<br />
Gehölzpflege, Hydraulik, Durchgängigkeit, Hochwasserschutz und Gewässerentwicklungsplanung auch Fragen<br />
<strong>der</strong> Geschichte von Gewässern, <strong>der</strong> Ästhetik, ja sogar <strong>der</strong> Geisteswissenschaften, und damit normative<br />
Aspekte, auf, um einen ganzheitlichen Zugang zu den Gewässern zu vermitteln. Der Trend zu solchen Themen<br />
hat sich in den letzten Jahren verstärkt: ein Spiegelbild <strong>der</strong> überall zu beobachtenden erweiterten Betrachtung<br />
von Natur, Landschaft und Gewässern.<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Betreuertage bekam die pädagogisch-didaktische Fortbildung <strong>der</strong> Betreuer einen immer größeren<br />
Stellenwert, zum einen begründet in dem generellen Wunsch nach besserer Vermittlung von Inhalten,<br />
zum an<strong>der</strong>en sicherlich aber auch zu sehen als Reaktion auf die gesellschaftlichen Prozesse in Richtung vertiefter<br />
Kommunikation und <strong>der</strong> „Kundenorientierung“ <strong>der</strong> Fachleute. Dieser Teil <strong>der</strong> Weiterbildung besitzt eine sehr<br />
große Bedeutung, denn für die Leitung und Mo<strong>der</strong>ation <strong>der</strong> Gewässernachbarschaftage sind fundierte fachliche<br />
Kenntnisse alleine nicht ausreichend. Es sind darüber hinaus soziale und kommunikative Fähigkeiten und<br />
Kompetenzen wie Kontaktfreudigkeit, rhetorische Fähigkeiten, Kenntnisse <strong>der</strong> Methoden <strong>der</strong> Erwachsenenbildung<br />
und <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation, Kreativitätstechniken, <strong>der</strong> richtige Einsatz von Medien usw. erfor<strong>der</strong>lich. Zusätzlich<br />
erarbeitete eine Gruppe von Pädagogen ein Konzept für die Vermittlung <strong>der</strong> Inhalte <strong>der</strong> Fortbildungsthemen,<br />
<strong>der</strong> den Betreuern als Hilfe für die Ausarbeitung und Durchführung <strong>der</strong> Gewässernachbarschaftstage dient.<br />
Der Erfolg <strong>der</strong> Betreuertage in den ersten Jahren des Bestehens <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft führte dazu, dass<br />
1999 ein „kleiner Betreuertag“ organisiert wurde. Dieser diente dem intensiven Erfahrungsaustausch und <strong>der</strong><br />
Weiterbildung über aktuelle Themen und <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Fragen, die sich nicht als Fortbildungsthemen<br />
eignen, jedoch für die Arbeit in den Gewässernachbarschaften nützlich sind. Die Klärung <strong>der</strong> Beziehungen<br />
zwischen dem Mensch und dem Gewässer, die Gewässerpädagogik o<strong>der</strong> die Erläuterung wichtiger<br />
Aspekte <strong>der</strong> Europäischen Wasserrahmenrichtlinie sind beispielsweise Themen <strong>der</strong> kleinen Betreuertage gewesen.<br />
Diese Veranstaltungen hatten teils Workshop-Charakter und integrierten demzufolge interaktive Elemente,<br />
was den Austausch und die Diskussion unter den Betreuern auf einer fachlich hochwertigen und praxisnahen<br />
Ebene för<strong>der</strong>te. Die Betreuerinnen und Betreuer nehmen hier nicht nur wichtige fachliche Erkenntnisse für die<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 10
Nachbarschaftstage mit, son<strong>der</strong>n auch für ihren beruflichen Alltag. Auf diese Weise profitieren auf breiter Ebene<br />
auch das Land, die Kreise und die Kommunen von den Betreuertagen. Seit 1999 finden die großen und die<br />
kleinen Betreuertage jährlich im Wechsel statt.<br />
Durchführungsort, -zeitpunkt und Inhalt <strong>der</strong> Betreuertage und „Kleine Betreuertage“ zwischen 1993 und 2006:<br />
Jahr Ort Inhaltliche Schwerpunkte <strong>der</strong> Betreuertage<br />
1993 Oberharmersbach Ernennung <strong>der</strong> Betreuer; Verteilung erster Themenordner „Gehölzpflege“<br />
1994 Wäschenbeuren<br />
Vorstellung <strong>der</strong> drei ersten Fortbildungsthemen „Naturnahe Bauweisen“, „Gehölzpflege“ und<br />
„Lebensraum Fließgewässer“<br />
1995 Heiligenkreuztal Kosten und Belastbarkeit von naturnahen Bauweisen, Allgemeines zu Gewässerunterhaltung<br />
1996 Hüfingen<br />
Das neue Wassergesetz, Gewässerentwicklungsplanung, Gewässerunterhaltung im Konflikt <strong>der</strong><br />
Interessen<br />
1997 Mosbach/Odenwald Gewässerrandstreifen, reduzierte Gewässerunterhaltung und Vergabe <strong>der</strong> Unterhaltung an Dritte<br />
1998 Schwäbisch Hall Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit<br />
1999 Vaihingen/Enz Kleiner Betreuertag: Workshop zum Thema Mensch & Gewässer<br />
2000 Ulm Lebensraum und Erlebnisraum Gewässer<br />
2001 Todtmoos Kleiner Betreuertag: Gewässerpädagogik<br />
2002 Bad Herrenalb<br />
Jubiläumsveranstaltung <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft: Aktionstag am Rennbach mit einem<br />
Rückblick <strong>der</strong> bislang behandelten Themen<br />
2003 Denzlingen Kleiner Betreuertag: Kunst im/am Gewässer, Urbane Gewässer, verän<strong>der</strong>te Gewässer, WRRL<br />
2004 Friedrichshafen Aktionstag an <strong>der</strong> Rotach mit Themenschwerpunkt Wasserrahmenrichtlinie<br />
2005 Herrenberg<br />
2006 Ludwigsburg<br />
Kleiner Betreuertag: Erlensterben, neuer Fortbildungsordner Gehölzpflege und naturnahe Bauweisen<br />
in <strong>der</strong> Praxis<br />
Präsentation Jubiläumsband <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft; Vorstellung <strong>der</strong> Fortbildungsthemen<br />
durch die Betreuer <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften<br />
Seite 11<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Die Betreuer <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften von 1993 bis 2006<br />
Gewässernachbarschaft<br />
Freiburger Bucht<br />
Kaiserstuhl, Markgräflerl.<br />
LK Emmendingen<br />
LK Konstanz<br />
Ortenau/Schwarzwald<br />
Ortenau/Oberrhein<br />
LK Rottweil<br />
LK Tuttlingen<br />
Schwarzwald-Baar<br />
LK Waldshut<br />
Markgräflerl/Hochrhein<br />
Hochschwarzwald<br />
LK Calw<br />
Enzkreis<br />
LK Freudenstadt<br />
Oberrhein/Odenwald<br />
Kraichgau, Odenwald<br />
Neckar-Odenw. 1<br />
Neckar-Odenw. 2<br />
LK Karslruhe<br />
LK Rastatt<br />
LK Ludwigsburg<br />
Glems<br />
Rems 15<br />
Rems-Murr<br />
Schwäb. Gmünd/Heidenh.<br />
LK Aalen<br />
Kocher-Jagst-Sulm<br />
Schozach-Zaber-Lein 16<br />
LK Göppingen<br />
LK Esslingen<br />
LK Böblingen<br />
Main-Tauber<br />
Hohenlohe<br />
Schwäbisch Hall 1<br />
Schwäbisch Hall 2<br />
Ravensburg<br />
Bodenseekreis<br />
Sigmaringen<br />
LK Reutlingen<br />
LK Tübingen<br />
Zollernalb<br />
Alb-Donau-Kreis/Süd<br />
ADK/HDH<br />
LK Heidenheim 17<br />
Donau, Riss, Schussen<br />
Westernach, Rot Iller<br />
Hochrhein 18 (ab 1999)<br />
Betreuer<br />
1993 Klaus Steegmüller; 1994-95 Thomas Lindinger; seit 1996 Klaus Steegmüller<br />
1993-heute Joachim Striebel<br />
1993 Frömken; 1994-95 Klaus Steegmüller; 1996-2001 Petra Wehland; 2002-05 Stefan Martin, seit 2006<br />
Bernd Walser<br />
1993-94 Axel Volz; 1995-99 Franz Rosenberger; 2000-heute Hermann Ku<strong>der</strong><br />
1993-2005 Bernd Walser, seit 2006 Stefan Martin<br />
Seit 1995 Wendelin Maurath<br />
1995-97 Uwe Miritz; 1999-2005 Marlene Reichegger, seit 2005 Herbert Ulrich<br />
1993-94 Uwe Miritz; 1995-99 Willi Hensch, seit 2006 Marlene Reichegger<br />
1993-94 Manfred Däschner; 1995-2002 Dr. Gerhard Bronner; seit 2003 Michael Koch<br />
1993-96 Jürgen Reich; 1997-2001 Albert Ebner; seit 2002 Thorsten Kowalke<br />
1993-94 Armin von Roth; 1995-2005 Erich Linsin, seit 2006 Andreas Tröndle<br />
1993-97 Reinhold Jörger; 1998-2000 Michael Thater; 2001 Thorsten Kowalke; seit 2002 Hans Schweikert<br />
1993-2005 Siegfried Kappler, seit 2005 Peter Leib<br />
1993-99 Peter Haselmaier; seit 2000 Angelika Gross<br />
1993-2005 Axel Pälchen, heute Siegfried Kappler<br />
1993-heute Rainer Römer<br />
1993 Willi Klenk; 1995-heute Alexan<strong>der</strong> Hampe<br />
1993-heute Waldemar Ehrmann<br />
1994-95 Christian Thumfart; seit 1996 Dieter Rögner<br />
Seit 1995 Michael Reuschenbach<br />
1993-94 Günter Winkler; 1995-2005 Wolfgang Hennegriff, seit 2006 Herbert Peppel<br />
1993-97 Klaus-Dieter Schwarz; 1998-2002 Dieter Lillich<br />
1993 Stöckel; 1994-98 Walter Heuser; 1999-2002 Anton Schühle; seit 2003 Michael Kübler/Frau Lugibihl<br />
1993-94 Manfred Hopp; 1998 Paul Heinz Gutmayer<br />
1994-97 Almut Meyer; 1999-2002 Paul Heinz Gutmayer; seit 2003 Uta Lemberger<br />
1993-94 Dr. Ottmar Funk; seit 1995 Arnolf Hauber<br />
1993-94 Arnolf Hauber; 1995-heute Willi Gresser<br />
1993-94 Peter Laier; 1995-2000 Anke Albrecht, seit 2001 Frank Hütter<br />
1993 Glieninger; 1994 A. Ehrl-Nazaruk; 1994-95 Regine Rüdinger; seit 1996 Jakobine Biehl<br />
1993 Martin Lehmann; seit 1995 Gunnar Herbert<br />
1993-95 Roland Frick; seit 1996 Martin Lehmann<br />
1995-2005 Thomas Peissner, seit 2005 Mario Haas<br />
1993 Helmut Schwab; 1995 Werner Bäumler; 1996-1998 Peter Bissinger; 2000-2002 Helmut Schwab<br />
1994-2002 Helmut Schwab; seit 2003 Peter Laier<br />
1994 Thomas Riedel; seit 1995 Volker Elsässer<br />
1993, 1995-98 Thomas Riedel; 2000-heute Peter Engel<br />
1993-heute Dr. Heinz Strehle<br />
1994 Dr. Helmut Klepser; 1995-heute Josef Osterried<br />
1993-2005, Josef Pfen<strong>der</strong><br />
1993 Willi Bold; 1994 Herbert Weiwadel seit 1995 Willi Bold<br />
1993 Thomas Soldner; 1994 Elmar Lin<strong>der</strong>; 1995-2006 Thomas Soldner<br />
1993 Frau Semmler-Elpers; 1994 Erhard Hamann; 1995 Martin Lehmann; 1997-2005 Dr. Werner Ludwig,<br />
ab 2006 Simone Bass<br />
1993-heute Reinhold Beck<br />
1993-99 Martin Wiedenmann; seit 2000 Manfred Erhardt<br />
1993-94 Reinhold Beck; 1994 -1995 Dr. Ottmar Funk<br />
1993-94 Paul Rieck; seit 1995 Hans-Peter Hau<br />
1993 Dr. Helmut Klepser; seit 1994 Peter Eisele<br />
1999-2005 Jürgen Reich, ab 2006 Erich Linsin<br />
15 1999 wurde <strong>der</strong> Bezirk Rems im Bezirk Rems-Murr integriert.<br />
16 Bis 1995 war diese Nachbarschaft in zwei (Schozach-Sulm und Zaber-Lein) geteilt.<br />
17 Seit 1995 Zusammen mit Schwäbisch Gmünd<br />
18 Grenzüberschreitende Gewässernachbarschaft entstand 1999.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 12
Ursprünglich wurde Baden-Württemberg in<br />
insgesamt 47 Gewässernachbarschaftsbezirke<br />
nach Verwaltungsgrenzen, naturräumlichen<br />
und flusstypologischen Kriterien sowie nach<br />
Größe eingeteilt. In jedem Bezirk sollten sich<br />
ca. 25 Gewässerunterhaltungspflichtige befinden.<br />
Im Laufe <strong>der</strong> Jahre ist ein deutschschweizerischer<br />
Bezirk bei<strong>der</strong>seits des Hochrheins<br />
entstanden; zwei weitere sind aus organisatorischen<br />
Gründen zu einem verbunden<br />
worden, sodass es aktuell 47 Bezirke sind.<br />
Je<strong>der</strong> Betreuer und jede Betreuerin ist zuständig<br />
für einen Gewässernachbarschaftsbezirk,<br />
weshalb die gesamte Betreuergruppe im Idealfall<br />
aus 47 Personen besteht. Da die Betreuung<br />
viel Zeit und Energie in Anspruch nimmt<br />
und rein ehrenamtlich geleistet wird, kann es in<br />
Zeiten von hohem Arbeitsdruck und bei Verän<strong>der</strong>ungen<br />
o<strong>der</strong> Unsicherheiten in den Ämtern<br />
dazu kommen, dass Nachbarschaftstage<br />
nicht zustande kommen. Dank des enormen<br />
Engagements zahlreicher Bediensteter des<br />
Landes, <strong>der</strong> Landkreise und <strong>der</strong> Städte konnten<br />
jedoch bisher alle Nachbarschaften gut<br />
betreut werden.<br />
Im ersten Jahr <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
stammten alle Betreuer von den damaligen<br />
Ämtern für Wasserwirtschaft und Bodenschutz.<br />
Doch zunehmend engagierten sich in den<br />
Gewässernachbarschaften die Kreise, Städte<br />
Gewässernachbarschaftsbezirke in Baden-Württemberg. Stand<br />
August 2006.<br />
und Gemeinden immer mehr und schlugen eigene Betreuer vor. Durch die Einglie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gewässerdirektionen<br />
in die Regierungspräsidien und Landratsämter im Jahr 2005 sind viele Landesbedienstete zu den Landratsämtern<br />
gekommen, wodurch die Anzahl <strong>der</strong> Betreuer von Landeseinrichtungen stark geschrumpft ist.<br />
Heute kommt die Mehrheit <strong>der</strong> Betreuer aus den Landratsämtern <strong>der</strong> verschiedenen Kreise, ca. ein Drittel<br />
stammt aus Einrichtungen des Landes (Regierungspräsidien und Umweltministerium) und <strong>der</strong> Rest wird von den<br />
Kommunen und sogar von Firmen, wie z.B. <strong>der</strong> EnBW GmbH, für die Arbeit als Betreuer freigestellt.<br />
Das Gesamtkonzept „Naturnahe Unterhaltung von Fließgewässern“<br />
und die ersten Fortbildungsthemen <strong>der</strong> Nachbarschaften 19<br />
Wie bereits im Kapitel 1 kurz ausgeführt, war das Wasserbaumerkblatt im Jahre 1980 <strong>der</strong> erste Erlass in Baden-<br />
Württemberg, in dem festgelegt wurde, dass die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege bei den<br />
wasserbaulichen Maßnahmen an Fließgewässer berücksichtigt werden sollen. Es weist darauf hin, dass alle<br />
wasserbaulichen Arbeiten so vorzunehmen seien, dass die Lebensräume <strong>der</strong> Tier- und Pflanzenwelt gesichert<br />
werden können. Darüber hinaus seien die Bauweisen des naturgemäßen Wasserbaus anzuwenden und die<br />
Ufer naturnah zu gestalten.<br />
19 Auf eine detaillierte Beschreibung <strong>der</strong> Inhalte <strong>der</strong> Fortbildungsthemen <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften wird an dieser Stelle<br />
verzichtet. Im Anhang wird jedes Thema ausführlich erläutert, unter Einbeziehung von didaktischen Aspekten.<br />
Seite 13<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Gewässerausbau<br />
Handbuch Wasserbau H. 1 (1986)<br />
Dieses Heft ist das erste <strong>der</strong> Reihe Handbuch Wasserbau<br />
und erfüllt das Versprechen von 1980, das<br />
Wasserbaumerkblatt zusammen mit Beispielen aus<br />
<strong>der</strong> wasserbaulichen Praxis, mit denen die Anliegen<br />
des Merkblatts verdeutlicht werden können,<br />
zu veröffentlichen. Insgesamt werden 37 Beispiele<br />
von Gewässerstrecken präsentiert, die Gegenstand<br />
einer Umgestaltung gewesen sind. Die gibt<br />
einen Einblick in kurz- bis mittelfristige gewässermorphologische<br />
Prozesse und erfasst nahezu alle Gewässertypen<br />
in den Naturräumen des Landes.<br />
Die Ziele des Merkblattes bildeten eine wichtige Säule<br />
des Gesamtkonzeptes des Landes „Naturnahe Unterhaltung<br />
von Fließgewässern“, welches teilweise den<br />
inhaltlichen Rahmen für die Themen <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften<br />
darstellte (z.B. Gehölzpflege, naturgemäße<br />
Bauweisen). Das Konzept hatte schon lange<br />
Zeit in den Köpfen <strong>der</strong> Fachleute existiert und einen<br />
starken Nie<strong>der</strong>schlag in Umsetzungsprojekten (s.u.)<br />
gefunden, wurde aber erst im Jahre 1995 als konzentrierte<br />
Handlungsanleitung mit Leitfaden-Charakter für<br />
die Praxis in <strong>der</strong> Reihe „Handbuch Wasser 2“ veröffentlicht.<br />
Vorteil dieses Vorgehens war, dass aus <strong>der</strong> Erfahrung<br />
mit den Projekten beispielsweise <strong>der</strong> zuvor<br />
teilweise ausschweifende Erhebungs- und Planungsaufwand<br />
auf ein richtiges Maß zu Recht gestutzt werden<br />
konnte („In vielen Fällen mag <strong>der</strong> ‚Plan im Kopf’ genügen,...“) und auch die Planungssystematik schon<br />
ausgereift und erprobt war.<br />
Im Rahmen des Gesamtkonzeptes „Naturnahe Umgestaltung<br />
von Fließgewässern“ wurden über die Landesanstalt<br />
für Umweltschutz und die damaligen Ämter für Wasserwirtschaft<br />
und Bodenschutz Pilotprojekte in Angriff genommen,<br />
die als Vorbild für die unterhaltungspflichtigen Kommunen<br />
dienen sollten. Gleichzeitig sollten die Umgestaltungen<br />
wissenschaftlich untersucht werden, um Erkenntnisse für<br />
künftige Verfahren zu gewinnen. Insgesamt wurden 37 Pilotprojekte<br />
durchgeführt, die zusammen etwa 70 Kilometer<br />
Fließstrecke umfassten, räumlich und typologisch über das<br />
ganze Land verteilt. Ökologisch aufgewertet o<strong>der</strong> ganz<br />
umgestaltet wurden Gewässer I. und II. Ordnung unter<br />
Skizze einer Faschine aus dem Handbuch Wasserbau<br />
H. 5 „Naturgemäße Bauweisen“ von 1993.<br />
Naturgemäße Bauweisen<br />
Ufer- und Böschungssicherungen<br />
Handbuch Wasserbau, H. 5 (1993)<br />
Mit diesem Heft entstand eine aktualisierte, umfassende<br />
Grundlage für den naturnahen Wasserbau in <strong>der</strong> Praxis. Es<br />
wird eine große Fülle von ingenieurbiologischen Sicherungsmaßnahmen<br />
kurz und mit Hilfe zahlreicher Bil<strong>der</strong> und Skizzen<br />
beschrieben. Dies bot exzellente Entscheidungshilfen<br />
bei <strong>der</strong> Planung von Arbeiten am Gewässer.<br />
Das Heft glie<strong>der</strong>t sich in zwei Teile. Im ersten werden naturnahe<br />
Bäche – die Vorbil<strong>der</strong> – mit ihren vielen feinen Strukturen<br />
vorgestellt und den naturfernen Strukturen, die infolge<br />
menschlicher Eingriffe entstehen, gegenüber gestellt. Danach<br />
werden die Grundsätze des naturnahen Wasserbaus<br />
erläutert, ergänzt von einer kurzen Anleitung <strong>zur</strong> Auswahl<br />
von ingenieurbiologischen Bauweisen. Eine beson<strong>der</strong>e<br />
Aufmerksamkeit wird <strong>der</strong> Gehölzpflege geschenkt; sie wird<br />
in einem eigenen Kapitel ausführlich behandelt.<br />
Die Beschreibung von siebzehn verschiedenen Bauweisen<br />
füllt den zweiten Teil des Bandes. Manche Bauweisen sind<br />
einfach und kostengünstig durchführen (z.B. Weidenstecklinge),<br />
manche sind technisch anspruchsvoller und<br />
benötigen den Einsatz von Maschinen (z.B. Pfahlbuhnen).<br />
In einem Steckbrief wird jede einzelne Bauweise mit Text,<br />
Skizzen und Fotos genau beschrieben und hinsichtlich ihrer<br />
Vor- und Nachteile diskutiert.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 14
Verwendung ganz unterschiedlicher Verfahren, darunter bereits jahrzehntelang bekannte und erprobte ingenieurbiologische<br />
Bauweisen, aber auch neue Ansätze, wie etwa Gerinneaufweitungen, die Einbeziehung historischer<br />
Elemente o<strong>der</strong> einfach die Sukzession laufen zu lassen. Hier deutet sich die später dominanter<br />
werdende Strategie des „Lassen statt Machen“ schon an. Mit den Pilotprojekten konnten in kurzer Zeit viele<br />
neue Erkenntnisse gewonnen werden.<br />
Programm „Naturnahe Umgestaltung von Fließgewässern“<br />
Veröffentlichungen in Handbuch Wasserbau, H. 2 (Teil I & II) und Handbuch Wasser 2, H. 20 (Teil III)<br />
Teil I Leitfaden (1992) Teil II Dokumentation ausgeführter Projekte (1992)<br />
Damit präsentierte das Land den ersten umfassenden<br />
Wegweiser für die Planung und Ausführung<br />
von Projekten <strong>zur</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> naturnahen Gewässerentwicklung.<br />
Planungsinhalte und -abläufe<br />
im naturnahen Wasserbau unterscheiden sich wesentlich<br />
von denen <strong>der</strong> herkömmlichen Praxis im<br />
Wasserbau. Der wichtigste Unterschied ist die Zusammenarbeit<br />
von unterschiedlichen Disziplinen.<br />
Gerade die multidisziplinäre Betrachtungsweise in<br />
<strong>der</strong> Planung wird in diesem Leitfaden vermittelt<br />
und den Kommunen und sonstigen Interessierten<br />
als Empfehlungen <strong>zur</strong> Verfügung gestellt.<br />
Der Schwerpunkt wird auf die Beschreibung aller<br />
Phasen des Planungsablaufes gesetzt, von <strong>der</strong><br />
Vorklärung <strong>der</strong> Rahmenbedingungen und Ziele<br />
<strong>der</strong> Projekte mit allen Beteiligten über die Bestandsaufnahme<br />
im Einzugsgebiet, in <strong>der</strong> Aue und<br />
am Gewässer bis hin <strong>zur</strong> Ausführungsplanung. Eine<br />
Vielzahl von Beispielen aus <strong>der</strong> Praxis, unterstützt<br />
durch Pläne, Abbildungen und Skizzen, helfen dabei,<br />
diese für viele bisher unbekannte Art <strong>der</strong> Planung<br />
in einer verständlichen Art zu vermitteln.<br />
Das Umweltministerium Baden-Württemberg begann<br />
1986 das Pilotvorhaben „Naturnahe Umgestaltung ausgebauter<br />
Fließgewässer“. Dabei wurden unter Fe<strong>der</strong>führung<br />
<strong>der</strong> damaligen Wasserwirtschaftsverwaltung und<br />
unter Mitarbeit <strong>der</strong> Naturschutzverwaltung und auch örtlicher<br />
Naturschutzverbände 37 Gewässerstrecken an<br />
Gewässern II. Ordnung auf einer Länge von rd. 70 Km<br />
umgestaltet. Nach den Umgestaltungen wurden über die<br />
folgenden Jahre breit angelegte Untersuchungen durchgeführt,<br />
die neue Erkenntnisse über die Entwicklung <strong>der</strong><br />
Gewässer lieferten. Die Pilotprojekte sollten weitere Städte<br />
und Gemeinden ebenfalls <strong>zur</strong> naturnahen Umgestaltung<br />
ihrer ausgebauten Gewässer motivieren.<br />
Das Land veröffentlichte in diesem Heft die Erfahrungen<br />
bezüglich <strong>der</strong> Planung und Ausführung von 17<br />
Pilotprojekten. Jedes Projekt wird mittels eines Steckbriefs<br />
kurz beschrieben und in einer topographischen Karte<br />
lokalisiert. Dazu werden Details zu den Bestandsaufnahmen,<br />
Entwicklungszielen, <strong>zur</strong> Planung und Ausführung<br />
vermittelt. Je<strong>der</strong> Gewässerabschnitt ist fotographisch sehr<br />
gut dokumentiert, was die Planung und Umgestaltung<br />
anschaulich nachvollziehen lässt. Sehr wertvoll sind die<br />
vielen projektbezogenen Erfahrungen, die ebenfalls<br />
mitgeteilt werden.<br />
Teil III Dokumentation <strong>der</strong> Entwicklung ausgewählter Pilotvorhaben (1995)<br />
Aus den im Teil II beschriebenen Pilotprojekten wurden sechs Gewässer II. Ordnung für eine ökologische Begleitung<br />
nach <strong>der</strong> Umgestaltung ausgewählt. Dabei fanden Untersuchungen <strong>zur</strong> Morphologie, Hydrologie, Hydraulik und<br />
Gewässerentwicklung, zu den naturgemäßen Bauweisen, Bodenkäfern, Vögeln, zum Makrozoobenthos und <strong>zur</strong><br />
Fischfauna und Vegetation statt. Es werden zuerst die Methoden, die zum Monitoring verwendet wurden, beschrieben.<br />
Anschließend wird die Entwicklung <strong>der</strong> Gewässer Speltach, Kehrgraben, Siegentalbach, Kleines Sulzbächle,<br />
Wiesenbächle, Krähenbach, Enz und Murr mit Text und Bil<strong>der</strong>n dokumentiert.<br />
Eines <strong>der</strong> umfangreichsten und bekanntesten Projekte war in dieser Hinsicht die naturnahe Umgestaltung <strong>der</strong><br />
Enz in Pforzheim. Der Umbau <strong>der</strong> Enz auf 1800 m Länge im Stadtgebiet sollte beispielhaft sein und war ein äußerst<br />
publikumswirksamer Schwerpunkt <strong>der</strong> Landesgartenschau 1992. Die anspruchsvollen Baumaßnahmen<br />
wurden in den Jahren 1990 und 1991 umgesetzt. Hierbei wurden die Ufer <strong>der</strong> Enz mit verschiedenen ingenieurbiologischen<br />
Bauweisen gestaltet und gesichert. Die Enz in Pforzheim war damit ein großes, in dieser Form<br />
noch nie da gewesenes Freilandlabor, das sich in hervorragen<strong>der</strong> Weise für Dauerbeobachtungen und Erfolgskontrollen<br />
eignete. In den folgenden zehn Jahren wurden die Entwicklung <strong>der</strong> Bauweisen in wissenschaftlichen<br />
Untersuchungen erfasst und praxisbezogene Bemessungsgrundlagen im Bereich <strong>der</strong> Hydraulik,<br />
Hydrologie und Morphologie erarbeitet. Bei diesen Untersuchungen wirkte die Wasserwirtschaftsverwaltung mit<br />
Hochschulen und Fachbüros zusammen.<br />
Die Ergebnisse erschienen in den Reihen Handbuch Wasserbau (Hefte 1-5) und Handbuch Wasser 2, die das<br />
Umweltministerium und die Landesanstalt für Umweltschutz unter dem Dach des Gesamtkonzeptes heraus-<br />
Seite 15<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
achten. 20 In diesen Handbüchern wurde das Gesamtkonzept samt den Pilotprojekten vorgestellt, über die<br />
Methoden <strong>zur</strong> Unterstützung <strong>der</strong> naturnahen Gewässerentwicklung berichtet und ein Teil <strong>der</strong> Ergebnisse veröffentlicht.<br />
Die Enz in Pforzheim vor <strong>der</strong> Umgestaltung (Aufn.: LfU 1989). Naturnah umgestaltete Enz in Pforzheim (Aufn.: LfU 1994).<br />
Die Handbücher sollten den Kommunikationsfluss zwischen<br />
<strong>der</strong> Wasserwirtschaftsverwaltung und den unterhaltungspflichtigen<br />
Kommunen in Gang setzen und <strong>zur</strong> weiteren<br />
Umgestaltung ausgebauter Gewässer motivieren. Außerdem<br />
sollten sie dazu beitragen, die Fachwelt auf dem Laufenden<br />
zu halten. In diesem Kontext und <strong>zur</strong> Unterstützung<br />
dieser Ziele auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Unterhaltungspflichtigen organisierte<br />
die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft die ersten Gewässernachbarschaftstage<br />
im Jahr 1992 mit dem Fortbildungsschwerpunkt<br />
„Naturgemäße Bauweisen“. Der Hauptinhalt<br />
<strong>der</strong> Nachbarschaftstage lag in <strong>der</strong> Beschreibung<br />
solcher Bauweisen, <strong>der</strong>en Anwendungsmöglichkeiten und<br />
Grenzen sowie in praktischen Übungen am Gewässer.<br />
Weitere inhaltliche Grundlagen für die Nachbarschaftstage<br />
lieferten die bereits damals erschienenen Hefte <strong>der</strong> o. g. Reihen,<br />
vor allem:<br />
• Gewässerausbau, Handbuch Wasserbau, Heft 1<br />
(1986) (siehe auch Kasten Seite 14)<br />
• Naturgemäße Umgestaltung von Gewässern, Handbuch<br />
Wasserbau, Heft 2 (1992) (siehe auch Kasten<br />
Seite 15)<br />
• Naturgemäße Gestaltung von Gewässern, Handbuch<br />
Wasserbau, Heft 3 (1990)<br />
Handbuch Wasserbau: erste Reihe des Umweltministeriums<br />
zum naturnahen Wasserbau.<br />
• Bauweisen des naturnahen Wasserbaus: Umgestaltung<br />
<strong>der</strong> Enz in Pforzheim, Handbuch Wasser 2, Heft 2 (1991) (siehe auch Seite 56).<br />
Ebenso wichtig und hoch aktuell wie das Thema „Naturnahe Bauweisen“ war das 2. Fortbildungsthema „Praktische<br />
Gehölzpflege“, das für das Jahr 1993 gewählt wurde. Hierbei wurde die Bedeutung <strong>der</strong> Uferrandstreifen<br />
für Bäche und Flüsse hinsichtlich Ökologie, Uferschutz und Landschaftsbild hervorgehoben und es wurden<br />
Anlässe und Techniken <strong>der</strong> Gehölzpflege vorgestellt. Dazu wurden gesetzliche Vorschriften über Eigentumsverhältnisse<br />
und Zuständigkeiten erläutert und wurde auf die wichtigsten Unfallverhütungsvorschriften einge-<br />
20 Wichtige Handbücher und Leitfäden des UM/UVM und <strong>der</strong> LfU sowie sonstige beson<strong>der</strong>e Unterlagen, die als Grundlage für<br />
die Ausarbeitung <strong>der</strong> einzelnen Fortbildungsthemen von <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft herangezogen wurden, werden<br />
im Text in gelben Kästen vorgestellt.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 16
gangen. Die Beschäftigung mit diesen Themen erscheint heute selbstverständlich zu sein; damals hatten sie<br />
einen hohen Innovationswert und waren Ausdruck eines neuen Umgangs mit Gewässern.<br />
Der Inhalt dieses Fortbildungsthemas lehnte sich zum<br />
Teil an die Hefte <strong>der</strong> Reihe Handbuch Wasserbau an,<br />
insbeson<strong>der</strong>e an die Hefte Nr. 5 „Naturgemäße Bauweisen“<br />
und Nr. 6 „Gehölze an Fließgewässern“ (siehe<br />
Kasten auf Seite 14 und Fortbildungsthema „Praktische<br />
Gehölzpflege“ im Anhang).<br />
Darstellung des Wachstums eines auf den Stock gesetzten<br />
Baumstammes. Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
Das didaktische Konzept<br />
Das 3. Thema „Arbeiten im Lebensraum Fließgewässer“ knüpft an das vorherige „Praktische Gehölzpflege“ an,<br />
mit dem die Bedeutung <strong>der</strong> Ufervegetation für die Gewässer betont wurde. Diesmal sollte sich <strong>der</strong> Blick <strong>der</strong><br />
Unterhaltungspflichtigen auf das Wasser wenden und die darin lebenden Lebewesen entdecken. Sie sollten<br />
erfahren, dass die Wasserorganismen an ihren Lebensraum sehr spezifisch angepasst sind und Ansprüche haben,<br />
die für ihre Reproduktion und ihr Überleben erfüllt sein müssen. Darauf aufbauend sollten sie in Erfahrung<br />
bringen, welche Auswirkungen die Gewässerunterhaltung auf die Lebensbedingungen im Gewässer hat, und<br />
anschließend die passenden Methoden, Geräte und Pflegezeiträume kennen lernen, mit denen und in denen<br />
die Gewässerunterhaltung naturverträglicher verrichtet werden kann.<br />
Bevor das Fortbildungsthema beim jährlichen Lehrertag (später<br />
Betreuertag) präsentiert wurde und die Unterlagen für ihre Behandlung<br />
in den Gewässernachbarschaftstagen den Betreuern<br />
verteilt wurden, fanden üblicherweise im Herbst des vorherigen<br />
Jahres Pilotveranstaltungen statt. Bereits bei den Veranstaltungen<br />
zum Thema „Arbeiten im Lebensraum Fließgewässer“ wurde ein<br />
starker Rückgang <strong>der</strong> Teilnehmer im Vergleich zu den beiden vorangegangenen<br />
Fortbildungsthemen beobachtet. Mehrfach wurde<br />
von den Teilnehmern kritisiert, eine Notwendigkeit einer<br />
Teilnahme bei diesem Thema bestünde nicht. Auch von den Betreuern<br />
kamen Bedenken, ob das Thema in <strong>der</strong> kurzen Zeit eines<br />
Das Ökomobil.<br />
Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
Nachbarschaftstages zu behandeln und ob überhaupt ein Praxisbezug<br />
gegeben sei. Der Vortragsteil erwies sich als schwer vermittelbar<br />
und die vorgesehenen Lernziele konnten nur unvollständig<br />
vermittelt werden.<br />
Der erhoffte Erfolg stellte sich dennoch ein, weil die Teilnehmer intensiv in die inhaltlichen Diskussionen einbezogen<br />
wurden. Im praktischen Teil des Pilot-Nachbarschaftstages erwies sich das Ökomobil – wo die Teilnehmer<br />
die Tiere, die sie im Wasser gesucht und gesammelt hatten, unter dem Mikroskop anschauen konnten<br />
– als ein Höhepunkt <strong>der</strong> Veranstaltung.<br />
An den Mängeln dieser Pilotveranstaltungen zeigte sich, dass eine <strong>der</strong> größten Schwierigkeiten bei diesem<br />
Fortbildungsthema das Wecken von Interesse für ein auf den ersten Blick theoretisches und praxisfernes Thema<br />
war. So kam man zu <strong>der</strong> Erkenntnis, dass sowohl für die Erarbeitung und Gestaltung <strong>der</strong> Nachbarschaftstage<br />
als auch für die Einweisung <strong>der</strong> Betreuer in das Fortbildungsthema ein auf Erwachsene ausgerichtetes didaktisches<br />
Konzept notwendig war. Dieses wurde aus <strong>der</strong> Pädagogik <strong>der</strong> Erwachsenenbildung entwickelt und in<br />
den Merkblättern <strong>der</strong> Betreuer für die Vorbereitung und Durchführung <strong>der</strong> Nachbarschaftstage aufgenommen.<br />
Vom Grundsatz her handelt es sich um Methodenvorschläge, die darauf zielen, die Aufmerksamkeit <strong>der</strong><br />
Zuhörer bei <strong>der</strong> Vermittlung <strong>der</strong> Lernziele zu fangen und ihnen die Lernziele so zu präsentieren, dass sie sie verstehen<br />
und verinnerlichen. Bei <strong>der</strong> Konzeption war es sehr wichtig darauf zu achten, dass die Spezifika <strong>der</strong> Teilnehmer<br />
berücksichtigt wurden: Sie sind erwachsen, verfügen über berufliches Wissen und praktische<br />
Erfahrungen und sind es vor allem nicht mehr gewöhnt, Dozenten in geschlossenen Räumen zuzuhören!<br />
Seite 17<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Empfohlen wurde die Kombination<br />
von Vorträgen, Dialogen und Gruppenarbeit.<br />
Die Vortragsform darf nur<br />
über eine kurze Zeitspanne und nur<br />
dort angewendet werden, wo die<br />
Vermittlung von Sachverhalten, die<br />
für die Teilnehmer überwiegend neu<br />
sind, im Vor<strong>der</strong>grund steht. Beim<br />
Dialog sollen unter <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation<br />
des Betreuers die Lernziele durch<br />
Fragen und Antworten mit den Teilnehmern<br />
erarbeitet werden. In Gruppenarbeit<br />
werden die Teilnehmer<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, die Lernziele selber zu<br />
finden.<br />
Ebenfalls wird auf die große Bedeutung<br />
von Rollenspielen hingewiesen,<br />
bei denen die verschiedenen Interessen von den Teilnehmern personifiziert werden. Dies kann <strong>zur</strong> Festigung<br />
des Lernstoffes und auch gleichzeitig <strong>zur</strong> Auflockerung <strong>der</strong> Vortragsteile beitragen. Zur Umsetzung <strong>der</strong> Methoden<br />
in <strong>der</strong> Praxis sollten verschiedene Hilfsmittel herangezogen werden, u.a. Folien, Lichtbil<strong>der</strong>, Tafeln, Flipchart<br />
und schriftliche Unterlagen.<br />
Da für die Umsetzung vom erarbeiteten didaktischen Konzept im Endeffekt nur die Betreuer zuständig sind,<br />
mussten diese erstmals das Konzept kennen lernen und sich mit ihm vertraut machen. Dabei musste ihr unterschiedlicher<br />
Kenntnisstand berücksichtigt werden. Um dies zu erreichen, wurden insbeson<strong>der</strong>e beim zweiten<br />
Betreuertag im Herbst 1994 in Wäschenbeuren und auch in den darauf folgenden Jahren Fachbeiträge <strong>zur</strong><br />
Didaktik und Mo<strong>der</strong>ation angeboten, die die Betreuer in ihrer Arbeit bei den Gewässernachbarschaftstagen<br />
unterstützen sollten.<br />
Nachbarschaftstag im Landkreis Waldshut, 1996: Dialog im Rollenspiel<br />
(Aufn.: Hauck).<br />
Im Jahr 1994 wird die Projektgruppe Fortbildungsunterlagen durch<br />
den Beirat ins Leben gerufen. Ihre Aufgaben umfassen:<br />
• Die Fortbildungsinhalte und Lernziele des Pilottages bis <strong>zur</strong> Beschlussreife<br />
zu erarbeiten,<br />
• die Erarbeitung von Vorschlägen <strong>zur</strong> Ausgestaltung des Lehrertages<br />
• die Unterstützung <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft und des Pilozum<br />
Fortbildungsthema durchführt) bei <strong>der</strong> Vorbereitung des Pilottages<br />
und <strong>der</strong> Betreuertagung<br />
Die Projektgruppe unter Fe<strong>der</strong>führung <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
setzt sich aus Beiratsmitglie<strong>der</strong>n, Vertretern des Pilotamtes<br />
und <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft sowie nach Bedarf aus<br />
Dritten zusammen. Jedes Jahr wird <strong>der</strong> Aufbau vom Beirat entsprechend<br />
dem Inhalt des Fortbildungsthemas neu beschlossen.<br />
Sowohl die Fortbildungsinhalte als auch<br />
ein an jedes Fortbildungsthema angepasstes<br />
didaktisches Konzept wird seitdem<br />
in einem Fortbildungsordner<br />
zusammengestellt, <strong>der</strong> beim Betreuertag<br />
den Betreuern übergeben und erläutert<br />
wird. In den schriftlichen Unterlagen wird<br />
das an jedem Thema angepasste didaktische<br />
Konzept in Form einer didaktischen<br />
Treppe dargestellt. Hier werden<br />
die Lernziele kurz beschrieben, zeitlich<br />
geordnet und geeignete Methoden und<br />
Medien <strong>zur</strong> Vermittlung <strong>der</strong> Lerninhalte<br />
vorgeschlagen. Die Lehr- und Lehrerunterlagen<br />
sind zweispaltig aufgebaut und<br />
durch zwei Symbole gekennzeichnet,<br />
was ihre optische und inhaltliche Aufteilung<br />
vereinfacht.<br />
Mit Hilfe des gut durchdachten und an die Teilnehmer angepassten didaktischen Konzepts konnte das Thema<br />
„Arbeiten im Lebensraum Fließgewässer“ letztlich erfolgreich vermittelt werden. Bei den Teilnehmern stieß das<br />
Thema auf große Resonanz, nicht zuletzt, wie bereits erwähnt, wegen des Einsatzes des Ökomobils.<br />
Nachdem die ersten drei Fortbildungsthemen zwischen den Jahren 1992 und 1995 in insgesamt 121 Nachbarschaftstagen<br />
an 2776 Unterhaltungspflichtige vermittelt worden waren, war <strong>der</strong> Erfahrungsaustausch <strong>der</strong><br />
Schwerpunkt des Jahres 1996.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 18
Informationen für ihre Einarbeitung <strong>der</strong> Betreuer in das Thema<br />
(weitergehende Informationen)<br />
Handreichungen für die Teilnehmer <strong>der</strong> Nachbarschaftstage<br />
(Vortragsinhalt)<br />
Beispiel zum didaktischen Konzept für die Behandlung des 6. Fortbildungsthemas „Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit“.<br />
Die Wassergesetznovelle von 1995<br />
Zum 1.1.1996 trat in Baden-Württemberg die Wassergesetznovelle in Kraft. Zahlreiche ökologische Zielsetzungen<br />
erweiterten die wasserwirtschaftliche Linie, die die Wassergesetzgebung bisher charakterisiert hatte. Das<br />
Gesetz brachte so viele Verän<strong>der</strong>ungen in Richtung naturnahe Gewässerentwicklung mit sich, dass es sogar<br />
„das ökologische Wassergesetz“ genannt wurde. So wurde zum Beispiel festgelegt, dass den Belangen des<br />
Naturhaushaltes bei <strong>der</strong> Bewirtschaftung Rechnung getragen werden müssen. Zum ersten Mal wurde in einem<br />
Gesetz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass natürliche o<strong>der</strong> naturnahe Gewässer erhalten werden sollen<br />
und bei den an<strong>der</strong>en ein naturnaher Zustand anzustreben sei. Und zwar solle dies in großem Maßstab im Rahmen<br />
<strong>der</strong> Gewässerunterhaltung erfolgen, <strong>der</strong>en Umfang im Bezug auf die Gestaltung und Bewirtschaftung des<br />
Gewässerbettes und <strong>der</strong> Ufer deshalb erheblich erweitert wurde. 21 Obwohl die Bedeutung <strong>der</strong> Gewässer als<br />
Lebensräume stark hervorgehoben wurde, blieb doch die erste Priorität <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung, die Erhaltung<br />
eines ordnungsgemäßen Zustands für den Wasserabfluss, unangetastet.<br />
21 Schlenker, 1996; Poymann, 1997<br />
Seite 19<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Rechtsgrundlagen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung<br />
Teil I Überblick<br />
Handbuch Wasser 2, Heft 31 (1996)<br />
Der Leitfaden fasst die rechtlichen Grundlagen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung<br />
an öffentlichen Gewässern zusammen, die sich durch<br />
die Novellierung des Wassergesetzes von Baden-Württemberg im<br />
1996 verän<strong>der</strong>ten. Er sollte den Unterhaltungspflichtigen als Einführung<br />
in die neue Gesetzeslage dienen. Dafür werden die Neuregelungen<br />
ausführlich beschrieben, ihre Bedeutung für die Unterhaltung<br />
<strong>der</strong> Gewässer hervorgehoben und mit Skizzen und Bildmaterial<br />
anschaulich gemacht. Alle neuen und verän<strong>der</strong>ten<br />
Paragraphen sind aus dem Wassergesetz exzerpiert und in Kästen<br />
übersichtlich im Text integriert, sodass sich <strong>der</strong> Leitfaden zudem als<br />
rechtliches Nachschlagewerk sehr gut eignet.<br />
Ein Schwerpunkt des Heftes bildet die Schil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Eigentumsverhältnisse<br />
in und am Gewässer und <strong>der</strong>en Verän<strong>der</strong>ungen bei<br />
eigendynamischen Verän<strong>der</strong>ungen des Gewässerbettes.<br />
Ein zweiter Schwerpunkt ist die genaue Zuordnung <strong>der</strong> Verantwortlichkeiten<br />
bei <strong>der</strong> Unterhaltung <strong>der</strong> Gewässer und <strong>der</strong>en Anlagen<br />
und die Darstellung des Umfanges <strong>der</strong> Unterhaltungspflicht.<br />
Dabei wird u.a. auf die Abgrenzung <strong>der</strong> Unterhaltung zum Ausbau<br />
<strong>der</strong> Gewässer näher eingegangen.<br />
Eine weitere, für die Praxis <strong>der</strong> Unterhaltungspflichtigen bedeutende Verän<strong>der</strong>ung stellten die Neuregelungen<br />
hinsichtlich <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung des Gewässerzustands nach Hochwasserschäden dar. Bis 1996 hatten Anlieger<br />
ein Recht darauf, dass die von einem Hochwasser verursachten Schäden vom Unterhaltungspflichtigen zu<br />
beseitigen seien. Um die Eigenentwicklung <strong>der</strong> Gewässer zu för<strong>der</strong>n und damit auch die Entstehung von natürlichen<br />
Gewässerstrukturen zu unterstützen, legte das Wassergesetz nun fest, dass Hochwasserschäden grundsätzlich<br />
belassen werden und nur in begründeten Ausnahmefällen wie<strong>der</strong> rückgängig gemacht werden<br />
sollten. Diese Regelung spiegelte sich in den neuen För<strong>der</strong>richtlinien des Landes wi<strong>der</strong>. Hatte das Land die<br />
Sanierung von Hochwasserschäden früher pauschal bezuschusst, wurden solche Maßnahmen ab 1996 nur<br />
dann subventioniert, wenn sie in einem Vorhaben <strong>zur</strong> naturnahen Entwicklung o<strong>der</strong> Grun<strong>der</strong>werb von Gewässerrandstreifen<br />
integriert waren. 22 Sowohl die gesetzlichen Neuregelungen als auch die aktuellen För<strong>der</strong>richtlinien<br />
wurden von <strong>der</strong> damaligen<br />
LfU in einem Leitfaden herausgebracht<br />
(siehe Kasten).<br />
Es war damit zu rechnen, dass viele betroffene<br />
Anlieger nicht mit dem Flächenverlust<br />
infolge einer Verlagerung<br />
o<strong>der</strong> Vergrößerung des Gewässerbettes<br />
einverstanden sein würden und dass es<br />
zu Auseinan<strong>der</strong>setzungen mit den Unterhaltungspflichtigen<br />
kommen würde. Um<br />
Konflikte zu vermeiden und das Gesetz<br />
möglichst konfliktfrei in die Praxis umzusetzen,<br />
war es notwendig, die Unterhaltungspflichtigen<br />
gut darauf vorzubereiten.<br />
So war es beispielsweise wichtig,<br />
dass die Unterhaltungspflichtigen die<br />
Gründe, die <strong>zur</strong> Verän<strong>der</strong>ung des Gesetzes<br />
in Richtung mehr Naturschutz geführt<br />
hatten, akzeptieren. Weiter sollten sie mit<br />
den neuen Regelungen vertraut ge-<br />
Das Fortbildungsthema „Was tun nach Hochwasser“ hilft den Unterhaltungspflichtigen<br />
zu entscheiden, wie sie nach dem Eintreten von Hochwasserschäden<br />
(z.B. Uferabbrüche, wie auf dem Bild) vorgehen müssen.<br />
Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
22 Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU), 1996<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 20
macht werden und es sollte ihnen das nötige rechtliche Wissen vermittelt werden, damit sie den Anliegern die<br />
möglichen Alternativen für ihren Flächenverlust aufzeigen könnten. Diese Ziele bildeten den Kern des 4. Fortbildungsthemas<br />
„Was tun nach Hochwasser?“, das schwerpunktmäßig im Laufe des Jahres 1996 vorbereitet und<br />
im darauf folgenden Jahr in den Gewässernachbarschaften behandelt wurde.<br />
und das Prinzip des „Lassen statt Machen“ – auf die Unterhaltungspraxis auswirkte, zeigen die zahlreichen<br />
Fachbeiträge, die <strong>zur</strong> Information und Einarbeitung <strong>der</strong> Betreuer im dritten Betreuertag gehalten und in den<br />
Statusberichten 1995 und 1996 zusammengestellt wurden. Jürgen Schlenker, stellvertreten<strong>der</strong> Leiter des Referates<br />
51 beim RP Stuttgart, beschrieb mit einfachen Beispielen viele Aspekte <strong>der</strong> neuen Rechtslage. Er ging auch<br />
auf rechtliche Begriffe ein, die für Nicht-Juristen unbestimmt sein können, wie zum Beispiel „Rechnung tragen“.<br />
Ein weiterer Jurist, Thomas Reinhardt vom Umweltministerium, berichtete über die Pflichten und Duldungen <strong>der</strong><br />
Anlieger und Nutzer gegenüber <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung und stellte Fallbeispiele vor, wie in Streitfällen mit<br />
den Anliegern umgegangen werden könnte. Die neu definierte Abgrenzung zwischen Unterhaltung und Ausbau<br />
von Gewässern, mit ihren Ungenauigkeiten und möglichen Konfliktfel<strong>der</strong>n, wurde an Hand von Erfahrungen<br />
aus <strong>der</strong> Praxis von Roland Frick, damaliger Betreuer des Landkreises Esslingen, konkretisiert und<br />
durchsichtiger gemacht.<br />
Wie vielfältig und komplex sich die Wassergesetznovelle – insbeson<strong>der</strong>e die verän<strong>der</strong>te Eigentumsregelung<br />
An<strong>der</strong>e Vorträge widmeten sich dem Grundsatz „Lassen statt Machen“ bzw., wie es Bernhard Burkart, Leiter<br />
des damaligen Bereiches Offenburg <strong>der</strong> Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein, präziser ausdrückte,<br />
„Neue Wege in <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung“ (Statusbericht 1997/98). Der Ausdruck „Lassen statt Machen“<br />
wurde von vielen so verstanden, dass die Unterhaltung aller Gewässer pauschal stark eingeschränkt werden<br />
sollte, um die Naturnähe <strong>der</strong> Gewässer zu för<strong>der</strong>n. Dies kann aber zu unerwarteten Hochwasserschäden führen,<br />
da die unkontrolliert wachsende Ufervegetation unvorsehbare Auswirkungen auf die Abflussleistung des<br />
Gewässers haben kann. Burkart plädierte deshalb für die Suche und Erprobung von alternativen Strategien,<br />
die sowohl <strong>zur</strong> Kosteneinsparung als auch <strong>zur</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gewässerentwicklung und Bewahrung des Hochwasserschutzes<br />
führen können.<br />
Die neuen Aspekte <strong>der</strong> Novellierung waren unter den kritischen Augen <strong>der</strong> Anlieger und Nutzer so strittig, dass<br />
die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft eine öffentliche Diskussion organisierte, um die betroffenen Interessensgruppen<br />
zusammen zu bringen. Im Rahmen des 4. Betreuertags wurden Vertreter von Politik und Presse, des Gemeindetags,<br />
von Ingenieurbüros, <strong>der</strong> Landwirtschaft und des Naturschutzes eingeladen, damit sie ihre<br />
Meinung, Lob und Kritik äußern und sich <strong>der</strong> Diskussion stellen. Die Statements <strong>der</strong> Teilnehmer und die anschließende<br />
Podiumsdiskussion zeigten, wie unterschiedlich die Wassergesetznovelle bei den Betroffenen angekommen<br />
war und wie kritisch sie gesehen wurde. Die Gemeinden sahen ihre Unterhaltungslast immer größer<br />
werden, und dies bei zunehmend knapperen Haushaltsmitteln; <strong>der</strong> Vertreter des Landesbauernverbandes<br />
äußerte die Sorge <strong>der</strong> Landwirte, unter den neuen Regelungen weiter „bluten“ zu müssen. Der BUND und an<strong>der</strong>e<br />
Umweltverbände kritisierten dagegen,<br />
dass das Wassergesetz beim Schutz<br />
<strong>der</strong> Gewässerrandstreifen viel zu kurz<br />
gegriffen habe. – Mit welchem Fingerspitzengefühl<br />
dieses Thema behandelt<br />
werden sollte, konnten die Betreuer an<br />
dieser Diskussion gut erkennen und konnten<br />
dies entsprechend bei den Nachbarschaftstagen<br />
an die Teilnehmer weitergeben.<br />
Gewässerrandstreifen können Einträge abpuffern, hier an <strong>der</strong> Schneidheimer<br />
Sechta. Aufn.: W. Konold.<br />
Wie bereits erwähnt, wurde in <strong>der</strong> Wassergesetznovelle<br />
<strong>der</strong> Begriff Gewässerrandstreifen<br />
eingeführt und seine Ausweisung<br />
für alle Gewässer gesetzlich<br />
festgelegt. Gewässerrandstreifen besitzen<br />
eine Fülle von Funktionen, die sich<br />
sowohl auf das Gewässer als Lebensraum<br />
als auch auf die Wasserqualität<br />
(Pufferfunktion) und die Abflussleistung<br />
erstrecken. Auch wenn diese Streifen auf privatem Grund liegen, muss ihre Pflege im Rahmen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung<br />
gewährleistet sein. Das Wassergesetz verpflichtet die Träger <strong>der</strong> Unterhaltung, die Randstreifen zum<br />
Schutz <strong>der</strong> Gewässer auszuweisen und erfor<strong>der</strong>lichenfalls zu erwerben.<br />
Seite 21<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Um die Unterhaltungspflichtigen bei <strong>der</strong> Bewältigung dieser neuen Aufgaben zu unterstützen, wurde das 5.<br />
Fortbildungsthema „Gewässerrandstreifen“ auf <strong>der</strong> Grundlage eines Vortrags von Manfred Bauer (siehe Statusberichte<br />
1996 und 1997/98) entwickelt. Die For<strong>der</strong>ung, die Gewässerrandstreifen zu erwerben, ist danach im<br />
Prinzip eine gute Lösung, um Flächen aus <strong>der</strong> landwirtschaftlichen Nutzung dauerhaft herauszunehmen. Bei<br />
immer kleineren öffentlichen Budgets ist <strong>der</strong> Grun<strong>der</strong>werb jedoch oft nicht realisierbar, da zu den Grundstückskosten<br />
schwer kalkulierbare Vermessungskosten hinzukommen. Sozial- und agrarpolitisch ist <strong>der</strong> Grun<strong>der</strong>werb<br />
auch nicht immer eine optimale Lösung, da Landwirte und sonstige Anlieger aus <strong>der</strong> Gestaltung des ländlichen<br />
Raumes ausgeschlossen werden. Besser ist es, sie in die Pflege zu integrieren und ihnen eine Einkommensquelle<br />
zu schaffen. Deshalb sind Alternativen zu verfolgen, etwa in <strong>der</strong> Form, dass für die<br />
Gewässerrandstreifen Nutzungseinschränkungen o<strong>der</strong> die Umwandlung von Acker- in Grünland vereinbart<br />
werden. Erfahrungen zeigen, dass Landwirte oft bereit sind, die Pflege <strong>der</strong> Landschaft – wobei hier die Gewässerrandstreifen<br />
gemeint sind – zu übernehmen (siehe Vortrag von Peter Schach zum Thema Landschaftserhaltungsverbände,<br />
Statusbericht 1997/98 und Vortrag von Martin Seng zum Thema Maschinenring im<br />
Statusbericht 1997/98).<br />
Die Alternative, die schonende Bewirtschaftung des Gewässerrandstreifens den Landwirten zu überlassen,<br />
schließt an eine Tendenz an, die seit Mitte <strong>der</strong> 1990er Jahre in <strong>der</strong> Wasserwirtschaftsverwaltung verstärkt an<br />
Bedeutung gewann: Die Vergabe <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung an Dritte, die durch die Reduktion <strong>der</strong> personellen<br />
Ressourcen im öffentlichen Dienst ausgelöst wurde. Die Möglichkeiten, die den Gemeinden und Gewässerdirektionen<br />
in dieser Hinsicht <strong>zur</strong> Verfügung stehen, wurden beim Betreuertag im Jahr 1997 aufgezeigt. Dabei<br />
wurde unter Verweis auf entsprechende rechtliche Regelungen darauf hingewiesen, dass die Vergabe <strong>der</strong><br />
Unterhaltung die Aufsichtsbehörde nicht von ihren gesetzlichen Pflichten freimache. Die Leiter <strong>der</strong> Bereiche<br />
<strong>der</strong> GWDen Nördlicher Oberrhein und Südlicher Oberrhein/Hochrhein berichteten von ihren diesbezüglichen<br />
Erfahrungen an Gewässern I. Ordnung. Walter Heuser vom Tiefbauamt Stuttgart erzählte, wie sich Einsparungen<br />
in <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung und Gewässerpflege an Gewässern II. Ordnung auf die Unterhaltungspraxis<br />
einerseits auswirken und an<strong>der</strong>seits erreichen lassen. Wie die Landschaftspflege sich konkret darstellt, zeigten<br />
Referenten von <strong>der</strong> Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Stuttgart und vom Landschaftserhaltungsverband<br />
Emmendingen.<br />
Der Erfolg <strong>der</strong> Fortbildungsthemen „Was tun nach Hochwasser?“ und „Gewässerrandstreifen“ war sehr groß –<br />
1997 nahmen über 1000 Personen an den Nachbarschaftstagen teil. Die äußerst positive Resonanz lässt sich<br />
am Beispiel des Zitats eines Teilnehmers erkennen: Es ist schön, dass wir einmal im Jahr weg von unserer täglichen<br />
Arbeit kommen und sehen, was Sache bei <strong>der</strong> natürlichen Gewässerunterhaltung ist. Beson<strong>der</strong>s toll finde<br />
ich, dass man da aus erster Hand erfährt, was das Wassergesetz rechtlich hergibt, z.B. ob und wann wir Hochwasserschäden<br />
beheben müssen. Die Teilnahme am Nachbarschaftstag erspart uns durch die Hintergrundinformationen<br />
viel Arbeit, weil wir dann wissen, was wir tun müssen, aber auch, was wir lassen können (H. Karle,<br />
Leiter des Bauhofes <strong>der</strong> Gemeinde<br />
Dörzbach an <strong>der</strong> Jagst 23 ).<br />
1999 rückte ein für die Annäherung an<br />
naturnahe Verhältnisse im Gewässer<br />
unverzichtbares Thema in den Vor<strong>der</strong>grund:<br />
die Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit.<br />
1992/93 war <strong>der</strong> morphologische<br />
Zustand <strong>der</strong> Fließgewässer<br />
im Land durch die LfU zum ersten Mal<br />
erhoben und in eine Übersichtskarte<br />
dargestellt worden. Neben an<strong>der</strong>en<br />
Parametern wurde <strong>der</strong> Strukturfaktor<br />
„künstliche Wan<strong>der</strong>ungshin<strong>der</strong>nisse für<br />
Kleinlebewesen und Fische“ an den<br />
Gewässern erhoben und die Ergebnisse<br />
zeigten, dass rund die Hälfte <strong>der</strong> Gewässer<br />
II. Ordnung bezüglich ihrer Durch-<br />
Fisch-„Freitreppe“ statt Durchgängigkeit: eine alte, nicht funktionsfähige<br />
technische Lösung in <strong>der</strong> Aich bei Grötzingen. Aufn.: W. Konold.<br />
23 Schwab, 1999<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 22
gängigkeit als beeinträchtigt bis naturfern galten. 24<br />
Ausgelöst von dieser Kartierung und auf Grund des im Wassergesetz formulierten Ziels, den ökologischen Zustand<br />
<strong>der</strong> Gewässer zu verbessern, beauftragte die LfU 1996 Prof. Westrich von <strong>der</strong> Universität Stuttgart mit <strong>der</strong><br />
Erarbeitung einer Studie <strong>zur</strong> ökologischen Durchgängigkeit. 25 Diese Studie bildete die Grundlage für die wenige<br />
Jahre später veröffentlichten Leitfäden <strong>der</strong> Reihe Handbuch Wasser 2 „Rauhe Rampen in Fließgewässern“<br />
und „Anlagen <strong>zur</strong> Herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit von Fließgewässern“ (siehe Kasten auf Seite 24). Auch bundesweit<br />
gewann dieses Thema an Bedeutung, wie die Veröffentlichung des Deutschen Verbandes für Wasserwirtschaft<br />
und Kulturbau „Fischaufstiegsanlagen – Bemessung, Gestaltung, Funktionskontrolle“ (1996) zeigt. 26<br />
Die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft griff diese Problematik als 6. Fortbildungsthema auf und entwickelte einen für<br />
die Unterhaltungspflichtigen angepassten Fortbildungsordner mit dem Namen „Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit“.<br />
Durchgängigkeit für Tiere in Gewässern<br />
LUBW Leitfadenreihe „Oberirdische Gewässer, Gewässerökologie“<br />
Bereits 1987 wurden Untersuchungen <strong>zur</strong> ökologischen Durchgängigkeit von Pegelschwellen begonnen. Diese wurden<br />
ab 1990 im Zusammenhang mit Vorarbeiten zum Wasserkrafterlass auf Raue Rampen, Verbindungsgewässer<br />
und Mindestabflussregelungen erweitert. Hieraus entstand unter Beteiligung <strong>der</strong> Gewässerbiologen und Fischökologen<br />
sowie <strong>der</strong> Fischereiverwaltung des Landes Baden-Württemberg 1999 <strong>der</strong> LfU-Leitfaden „Rauhe Rampen in<br />
Fließgewässern“ (Heft 45). Dieses Heft wurde durch den LfU-Leitfaden „Anlagen <strong>zur</strong> Herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit<br />
in Fließgewässern – Raue Rampen und Verbindungsgewässer“ im Jahr 2000 durch die Verbindungsgewässer erweitert<br />
(Heft 63, siehe auch Kasten auf Seite 24).<br />
Im Jahr 2005 wurde <strong>der</strong> LfU-Leitfaden „Mindestabflüsse in Ausleitungsstrecken – Grundlagen, Ermittlung und Beispiele“<br />
(Heft 97) herausgegeben und zum Thema „Durchgängigkeit für Tiere in Fließgewässern“ wurde eine neue Leitfadenreihe<br />
begonnen:<br />
Teil 1 – Grundlagen<br />
Teil 2 – Umgehungsgewässer und fischpassierbare Querbauwerke<br />
Teil 3 – Hochwasserrückhaltebecken und Talsperren<br />
Teil 4 – Durchlässe, Verrohrungen sowie Anschluss Seitengewässer und Aue<br />
Teil 5 – Fischabstieg bei Querbauwerken<br />
Der LfU-Leitfaden Teil 1 (Heft 95) wurde Ende 2005 veröffentlicht. Teil 2 <strong>der</strong> Leitfadenreihe (Heft 101) wurde als Fortschreibung<br />
des Hefts 63 in 2006 durch die LUBW aktualisiert.<br />
Ein wichtiger Bestandteil <strong>der</strong> Leitfäden sind ausgeführte Beispiele in Baden-Württemberg. Diese Beispiele richten sich<br />
an Behörden und Planer und beinhalten wertvolle Informationen über die hydraulische Berechnung, die bautechnische<br />
Gestaltung sowie praktische Erfahrungen und Hinweise <strong>zur</strong> Bauausführung und zum Betrieb.<br />
Der Begriff „Durchgängigkeit“ umfasst die Vernetzung <strong>der</strong> Lebensräume im Gewässer und bezieht sich (a) auf<br />
den Längsverlauf, um Wan<strong>der</strong>ung und Drift zu ermöglichen, (b) auf das Querprofil und die Vernetzung von<br />
Gewässer, Wasserwechselzone und Aue und (c) auf die Durchgängigkeit in vertikaler Richtung, vom Wasserkörper<br />
im Lückensystem unter <strong>der</strong> Gewässersohle bis in den Grundwasserkörper. Alle Aspekte wurden beim<br />
Betreuertag angesprochen, um ein ganzheitliches Bild des Gewässers zu vermitteln. Die Fachbeiträge wurden<br />
anschließend im Statusbericht veröffentlicht und können dort nachgeschlagen werden.<br />
Beson<strong>der</strong>es Interesse an durchgängigen Gewässern haben vor allem auch die Angler. Beim Betreuertag des<br />
Jahres 1998 konnte diese Interessensgruppe direkt ihre Anliegen bezüglich <strong>der</strong> Gestaltung von durchgängigen<br />
Bauwerken vortragen, etwa wie mit kleinen ingenieurbiologischen Maßnahmen große Erfolge erreicht werden<br />
können. An<strong>der</strong>e Vorträge des Betreuertages, die sich mit <strong>der</strong> Problematik <strong>der</strong> Durchgängigkeit beschäftigten,<br />
widmeten sich den hydraulischen Bedingungen, die zu stabilen und morphologisch vielfältigen Gewässersohlen<br />
führen. Bemerkenswert war dabei <strong>der</strong> Beitrag von Martin Jäggi über Gewässeraufweitungen, die <strong>zur</strong> Vermin<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Sohlenerosion in schweizerischen Gewässern durchgeführt wurden. Jäggi stellte außerdem vor,<br />
wie sich eine solche Gewässeraufweitung auf die Wutach auswirken könnte, bezogen auf einer Strecke, an<br />
<strong>der</strong> <strong>der</strong> Fluss die Grenze zwischen Deutschland und <strong>der</strong> Schweiz bildet und auffallende Tiefenerosionsprobleme<br />
zeigt.<br />
24 Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU), 1995<br />
25 Institut für Wasserbau <strong>der</strong> Universität Stuttgart, 1996<br />
26 DVWK, 1996<br />
Seite 23<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Anlagen <strong>zur</strong> Herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit<br />
von Fließgewässern –<br />
Raue Rampen und Verbindungsgewässer<br />
Oberirdische Gewässer, Gewässerökologie 63. LfU<br />
(2000)<br />
Dieses Heft ist die Fortsetzung und Erweiterung des Heftes<br />
Nr. 45 <strong>der</strong> gleichen Reihe namens „Rauhe Rampen<br />
in Fließgewässern“ (1999). Es handelt sich um einen<br />
technisch ausgerichteten Leitfaden, in dem verschiedene<br />
Anlagentypen <strong>zur</strong> Herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit<br />
von Gewässern (Klassische Rampe, Steinrampe<br />
nach SCHAUBERGER, Riegelrampe, Muldenrampe und<br />
Teilrampe) sowie Verbindungsgewässer technisch beschrieben<br />
werden.<br />
Nach einer Einführung in die hydraulische Berechung<br />
von Rauen Rampen werden für jeden Rampentyp Bemessungsbeispiele<br />
und Konstruktionsempfehlungen<br />
gegeben. Für die Verbindungsgewässer werden ebenfalls<br />
die hydraulischen Grundlagen vermittelt und Empfehlungen<br />
<strong>zur</strong> Gestaltung des Einlaufbereiches, des<br />
Verbindungsgewässers und des Auslaufbereiches gemacht.<br />
Als Letztes wird eine breite Palette von ausgeführten<br />
Rampen und Verbindungsgewässern in Baden-<br />
Württemberg dokumentiert. Diese Beispiele richten sich<br />
an Behörden und Planer und beinhalten wertvolle Information<br />
über die bautechnische Gestaltung sowie<br />
praktische Erfahrungen und Hinweise <strong>zur</strong> Bauausführung.<br />
Fischaufstiegsanlagen – Bemessung,<br />
Gestaltung, Funktionskontrolle<br />
DVWK Merkblätter 232/1996<br />
Der vom DVWK eingesetzte Fachausschuss<br />
ermittelte durch eine interdisziplinäre<br />
Zusammenarbeit von Biologen und<br />
Ingenieuren den Stand <strong>der</strong> Technik im<br />
Jahr 1996 zum Bau und Betrieb von Fischaufstiegsanlagen.<br />
Zunächst werden die<br />
abiotischen Faktoren, die das Überleben<br />
<strong>der</strong> Gewässerfauna bedingen, das Wan<strong>der</strong>verhalten<br />
aquatischer Organismen<br />
und Ursachen für ihre Gefährdung erläutert.<br />
Darauf aufbauend wird auf die technischen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen von Fischaufstiegsanlagen<br />
eingegangen, die am Beispiel<br />
bestehenden Konstruktionen beleuchtet<br />
werden. Ergänzt wird das Ganze mit <strong>der</strong><br />
Beschreibung <strong>der</strong> Funktion, Gestaltung<br />
und hydraulischen Bemessung (inkl. Bemessungsbeispiele)<br />
von technischen<br />
Fischaufstiegsanlagen.<br />
Die Unterscheidung zwischen den Arbeiten, die im Rahmen <strong>der</strong> Unterhaltung durchgeführt werden können,<br />
von denen, die einer wasserrechtlichen Genehmigung bedürfen, wurde ebenfalls bei diesem Betreuertag<br />
angesprochen. Für die Gewässerunterhaltungspflichtigen stellt sich regelmäßig die Frage, ob Maßnahmen <strong>zur</strong><br />
naturnahen Gestaltung eines Gewässers genehmigungspflichtig sind o<strong>der</strong> im Rahmen <strong>der</strong> Unterhaltung ohne<br />
Weiteres umgesetzt werden können. Diese Frage taucht insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit<br />
auf, da man es mit mehr o<strong>der</strong> weniger großen bautechnischen Maßnahmen zu tun hat. Die Frage<br />
lässt sich für die Praxis nicht pauschal beantworten; es müssen also Einzelfallentscheidungen getroffen werden.<br />
Urbane Gewässer<br />
Viele Siedlungsgewässer sind durch Querbauwerke fragmentiert. Die Funktion des Hochwasserschutzes bzw.<br />
des schadlosen Abflusses von Hochwässern steht meist an erster Stelle. Daher ist die Mehrzahl <strong>der</strong> Gewässer –<br />
große wie kleine – in starre und groß dimensionierte Gerinne eingezwängt o<strong>der</strong> gar unter die Straßen verbannt<br />
worden. Die Gewässerunterhaltung reduzierte sich in den meisten Fällen auf die Offenhaltung des Abflussprofils.<br />
Spontan aufkommende Vegetation wurde als Gefahr gesehen und, außer in wenigen Ausnahmen, nicht<br />
geduldet.<br />
Mit zunehmenden Ansprüchen an die urbane Lebensqualität, einem erhöhten Umweltbewusstsein und steigendem<br />
Erholungsdruck ist in <strong>der</strong> Gesellschaft <strong>der</strong> Wunsch nach attraktiveren, aber auch schönen Freiräumen<br />
in Ortslagen gewachsen. Der Trend, seit den 1970er Jahren erkennbar, erweiterte sich auf die Gewässer und<br />
ihre Uferzonen, also Strukturen, die lange Zeit als Abflusskanäle abqualifiziert und auch vergessen waren. 27 Das<br />
Wassergesetz von 1995 bot den rechtlichen Rahmen für eine Aufwertung, indem es für Gewässer in Ortslagen<br />
einen Gewässerrandstreifen festlegte und ihre ökologische Verbesserung einfor<strong>der</strong>te.<br />
Gewässer in <strong>der</strong> Stadt sind ein wichtiger Bestandteil <strong>der</strong> urbanen Freiräume. Auch für Flora und Fauna können<br />
urbane Gewässer – ein akzeptabler struktureller und stofflicher Zustand vorausgesetzt – eine enorme Bedeu-<br />
27 DVWK, 2000<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 24
tung haben, da sie, vor allem bei hoher urbaner Dichte, <strong>der</strong> einzige nennenswerte Lebensraum für etliche<br />
Arten sein können und sich wie eine „Lebensa<strong>der</strong>“ quer durch Siedlungen und Verkehrsflächen ziehen.<br />
Die Verbesserung des ökologischen Zustandes <strong>der</strong> Gewässer innerhalb von Ortslagen ist um ein Vielfaches<br />
schwieriger zu bewerkstelligen als außerhalb. Innerhalb <strong>der</strong> Siedlungen stößt man auf zahlreiche Zwangspunkte<br />
in Form von Gebäuden, Verkehrswegen und Versorgungsleitungen, sodass es utopisch ist, naturnahe<br />
Gewässer herstellen zu wollen. Zudem muss die Hochwassersicherheit innerhalb von Ortslagen ausnahmslos<br />
gewährleistet sein, weshalb die Vegetationsentwicklung nur unter kontrollierten Bedingungen innerhalb des<br />
Abflussprofils zugelassen werden darf.<br />
Regenwassereinleitungen von Verkehrsflächen können eine Belastung <strong>der</strong> Gewässer mit Nähr- und Schadstoffen<br />
auslösen. Dies wie<strong>der</strong>um kann die Besiedlung mit Pflanzen und typischen aquatischen Tiergruppen einschränken<br />
und somit eine Renaturierung erschweren. 28 Trotz dieser Probleme, welche in schwer wiegenden<br />
Fällen sogar eine Freizeit-Nutzung infrage stellen könnten, ist eine Verbesserung <strong>der</strong> ökologischen Bedingungen<br />
in den urbanen Gewässern prinzipiell möglich und auch erwünscht.<br />
Lange Zeit dienten viele urbane Gewässer als Abwasserkanäle und als Kanalüberlauf, die <strong>zur</strong> Aufrechterhaltung<br />
<strong>der</strong> Abflusskapazität von Hin<strong>der</strong>nissen freigehalten werden mussten. Zunehmend ist ihre Funktion als Erholungsraum<br />
und damit ihr ökologischer Wert gewachsen. Die Erwartungen an die Gewässer in Siedlungsgebieten sind<br />
hoch und vielfältig, was ihre Unterhaltung sehr erschwert. Links: Feuerbach im Stuttgarter Raum (Aufn.: W. Konold);<br />
rechts: Gewerbebach im Raum Freiburg (Aufn.: O. Kaiser).<br />
Mit <strong>der</strong> bereits erwähnten Umgestaltung <strong>der</strong> Enz im Jahre 1990 in Pforzheim setzte das Land einen ersten großen<br />
Baustein in Richtung ökologische Aufwertung von urbanen Gewässern. Die Enz sollte als Beispiel für an<strong>der</strong>e<br />
Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg dienen. Ähnliche Vorhaben an städtischen Flüssen wurden im<br />
Anschluss daran, sicherlich nicht im Einzelfall mit <strong>der</strong> Enz begründet, mehrfach in Deutschland umgesetzt, beispielsweise<br />
an <strong>der</strong> Pleiße in Leipzig, am Stadtkanal in Potsdam o<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Isar in München. 29 – Zur Aufwertung<br />
urbaner Fließgewässer reichen oft kleine Eingriffe, die im Rahmen <strong>der</strong> ohnehin anstehenden Unterhaltung<br />
durchgeführt werden können.<br />
In innerstädtischen Bereichen spielt die Verkehrssicherheit eine ganz wichtige Rolle. Dies wird im Wassergesetz<br />
angesprochen und zielt speziell auf die Gewässerunterhaltung. Bäume sollen regelmäßig auf ihre Standsicherheit,<br />
auf Krankheiten und Schäden überprüft werden. Bei begründetem Verdacht auf Bruchgefahr müssen sie<br />
28 Gunkel, 1991<br />
29 Kaiser, 2005<br />
Seite 25<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
o<strong>der</strong> Teile davon entfernt werden. Insbeson<strong>der</strong>e die Pflege o<strong>der</strong> die Entfernung von alten Bäumen stoßen oft<br />
bei <strong>der</strong> Bevölkerung auf Unverständnis. Daher sind Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit unumgänglich.<br />
Wegen <strong>der</strong> Bedeutung und Komplexität <strong>der</strong> innerörtlichen Gewässerpflege wurde im Jahr 2000 das 7. Fortbildungsthema<br />
„Gewässerunterhaltung in Ortslagen“ für die Gewässernachbarschaften ausgearbeitet.<br />
Status Quo <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Gewässerentwicklung und -unterhaltung in<br />
Baden-Württemberg Ende <strong>der</strong> 1990er Jahre und Folgen für die<br />
Gewässernachbarschaften<br />
Ende <strong>der</strong> 1990er Jahre lagen sowohl die gesetzlichen Grundlagen als auch zahlreiche Leitfäden und Materialien<br />
vor, die die Umsetzung einer naturnahen Gewässerentwicklung in die Praxis erleichtern sollten. Um herauszufinden,<br />
inwiefern dies tatsächlich umgesetzt worden war, führten die damalige Landesanstalt für<br />
Umweltschutz und die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft im Jahre 1999 eine Umfrage bei den Unterhaltungspflichtigen<br />
durch. Insbeson<strong>der</strong>e sollten dabei folgende Fragen geklärt werden:<br />
Wie stellt sich die Gewässerunterhaltung in <strong>der</strong> Praxis im landesweiten Überblick dar?<br />
In welchem Umfang wurden Gewässerentwicklungspläne erstellt, Umgestaltungsmaßnahmen und sonstige<br />
Maßnahmen <strong>zur</strong> naturnahen Gewässerentwicklung vorgenommen?<br />
Welche Informationsquellen werden von den Unterhaltungspflichtigen genutzt und wie wird das Angebot<br />
<strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für die Gewässerentwicklung bewertet?<br />
Alle Unterhaltungspflichtigen <strong>der</strong> Gewässer I. Ordnung (Gewässerdirektionen) und II. Ordnung (Städte, Gemeinde<br />
und sonstige) erhielten hierzu im Herbst 1999 – nach Abstimmung mit dem Städte- und dem Gemeindetag<br />
– Fragebögen. Die Ergebnisse <strong>der</strong> anonymen Auswertung wurden im Statusbericht 1999/2000 von Dr.<br />
Gisela Splett von <strong>der</strong> LfU präsentiert. Sie zeigten, dass sich in den letzten Jahren einiges in Richtung naturnahe<br />
Gewässerentwicklung bewegt hatte. Es waren Gewässerentwicklungspläne gemacht und Planungen umgesetzt<br />
und Randstreifen erworben worden. Die Unterhaltungsintensität hatte sich in den zehn Jahren zwischen<br />
1989 und 1999 verringert. Das Weiterbildungsangebot <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft war unter den Unterhaltungspflichtigen<br />
hoch geschätzt und sie fühlten sich überwiegend gut informiert: eine Bestätigung <strong>der</strong> erfolgreichen<br />
Tätigkeiten <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft!<br />
Aus den Ergebnissen <strong>der</strong> Umfrage ergaben sich dennoch einige Themen, die noch aufzuarbeiten waren. Einige<br />
wurden direkt von den Befragten genannt, wie etwa weitere Informationen zu rechtlichen Sachverhalten<br />
und <strong>zur</strong> praktischen Durchführung von Maßnahmen <strong>zur</strong> naturnahen Entwicklung. An<strong>der</strong>e offene Fragen konnten<br />
aus den Fragebögen indirekt abgeleitet werden, beispielsweise die dringend nötige Aufklärung über die<br />
Unterhaltung <strong>der</strong> Gewässer von geringer wasserwirtschaftlicher Bedeutung außerhalb von Ortslagen. Es hatte<br />
sich nämlich gezeigt, dass die Gewässerunterhaltung in <strong>der</strong> freien Landschaft immer noch viel zu intensiv<br />
durchgeführt wurde.<br />
Obwohl etwa 80% <strong>der</strong> Gewässerstrecken außerhalb von Ortslagen liegen, zeigte die Befragung, dass nur an 8%<br />
<strong>der</strong> Gewässer auf eine Unterhaltung völlig verzichtet wurde. Als Grund wurde meistens die Offenhaltung des<br />
Abflussprofils genannt, die mit Mahd, Räumung und Gehölzpflege erreicht wurde. Laut Wassergesetz soll die<br />
Unterhaltung nur dort und dann stattfinden, wenn sie für das Wohl <strong>der</strong> Allgemeinheit, aus wirtschaftlichen, ökologischen<br />
o<strong>der</strong> aus Hochwassersicherheitsgründen notwendig ist. Dieser Anspruch und die tatsächliche Praxis<br />
klaffen also weit auseinan<strong>der</strong>. Ziel <strong>der</strong> wasserwirtschaftlichen Politik des Landes war und ist, die Unterhaltungsarbeiten<br />
für Gewässer und Gräben außerorts auf ein Minimum zu reduzieren, um die Eigendynamik zu för<strong>der</strong>n<br />
o<strong>der</strong> zu beschleunigen.<br />
Ein Großzahl Gewässer außerorts, die einer oftmals viel zu intensiven und unnötigen Unterhaltung ausgesetzt<br />
sind, waren – und sind es vielerorts immer noch – die Gräben. Diese kleinen künstlichen Gewässer, die in <strong>der</strong><br />
Regel <strong>zur</strong> Ent- o<strong>der</strong> Bewässerung von landwirtschaftlichen Flächen angelegt wurden, sind prägende Elemente<br />
einige unserer Landschaften und können, trotz ihrer ursprünglichen Funktion als Entwässerungseinrichtungen,<br />
wertvolle Lebensräume und vernetzende Strukturen sein, wenn sie nicht zu intensiv und mit schonenden Verfahren<br />
gepflegt werden. 30<br />
30 Lei<strong>der</strong>s, Röske, 1996; Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU), 1999<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 26
Die Vermittlung <strong>der</strong> Bedeutung einer naturverträglichen Grabenunterhaltung, <strong>der</strong> schonenden Unterhaltungsmethoden<br />
und <strong>der</strong> geeigneten Geräte waren die zentralen Punkte des 8. Fortbildungsthemas „Unterhaltung<br />
und Pflege von Gräben“ im Jahr 2001. Mit <strong>der</strong> Erarbeitung dieses Themas gemeinsam mit <strong>der</strong> Gemeinnützigen<br />
Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftseintwicklung mbH (GfG) begann eine konstruktive<br />
Zusammenarbeit <strong>der</strong> beiden Fortbildungsgesellschaften, die bis dato als einzige Gewässernachbarschaften<br />
in den Län<strong>der</strong>n Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz durchführten.<br />
IKoNE<br />
IKoNE (Integrierte Konzeption Neckar-<br />
Einzugsgebiet) ist ein 1999 vom Land geschaffener<br />
Handlungsrahmen für die Integration<br />
und Koordination von allen wasserwirtschaftlichen<br />
Planungen und Maßnahmen<br />
im Einzugsgebiet des Neckars. Ziele von IKo-<br />
NE sind die Verbesserung Hochwasserschutz<br />
und -vorsorge sowie des ökologischen Zustandes<br />
und Gewässergüte. Als Basis für die<br />
Erreichung <strong>der</strong> Ziele setzt IKoNE auf das partnerschaftliche<br />
Zusammenwirken aller Beteiligten,<br />
vom Land über die Kommunen bis<br />
zum einzelnen Bürger.<br />
Die Beteiligung eines breiten Spektrums von<br />
Interessierten Gruppen und Personen hat zu<br />
vorbildlichen Planungsprozessen und Projekten<br />
geführt. So sind Projekte mit multifunktionalen<br />
Zielen entstanden und ausgeführt<br />
worden, bei denen die natürliche Gewässerentwicklung<br />
mit dem Hochwasserschutz<br />
und <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Erlebbarkeit <strong>der</strong><br />
Gewässer abgestimmt werden konnten.<br />
Viele <strong>der</strong> Betreuer <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften<br />
wirkten in IKoNE, <strong>der</strong>en Geschäftsführung<br />
bei <strong>der</strong> Gewässerdirektion<br />
Neckar lag, mit. An<strong>der</strong>e hatten ihren Dienstsitz<br />
im Neckareinzugsgebiet und konnten<br />
ebenfalls von den durch IKoNE betreuten<br />
Projekten profitieren und sie für ihre Arbeit in den Nachbarschaftstagen einsetzen. Im Statusbericht 2001-2002 wurde<br />
z.B. über die Wie<strong>der</strong>herstellung eines Altarmes an <strong>der</strong> Lein (Gewässer I.O) berichtet.<br />
Die GfG wurde 1995 nach dem Vorbild <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft vom damaligen DVWK gegründet<br />
und übernahm zu Beginn ihrer Tätigkeit die Fortbildungsthemen „Gehölzpflege“ und „Arbeiten im Lebensraum<br />
Fließgewässer“, um möglichst schnell flächendeckend in Hessen und Rheinland-Pfalz Gewässernachbarschaften<br />
gründen zu können. Die guten Erfahrungen bei <strong>der</strong> Erarbeitung und Umsetzung dieses Fortbildungsthemas<br />
führten <strong>zur</strong> gemeinsamen Ausarbeitung weiterer Fortbildungsthemen.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> potentiellen Verklausungs- und Überschwemmungsgefahr, die im Gewässerbett liegende Aststücke,<br />
Äste o<strong>der</strong> sogar Baumstämme haben können, war es lange Zeit gang und gäbe, im Zuge <strong>der</strong> Unterhaltung<br />
jegliches Totholz im Gewässer sofort zu entfernen. Doch Totholz ist ein äußerst wichtiges Gestaltungselement<br />
für die Entstehung von gewässermorphologischen Strukturen. Das Ziel, die Gewässerstruktur zu verbessern,<br />
erfor<strong>der</strong>t daher das Belassen einer gewissen Menge an Totholz im Gewässerbett.<br />
Bei <strong>der</strong> Diskussion um Fließgewässerbewertung und -renaturierung wird oft versucht, den Ist-Zustand eines Gewässers<br />
mit seinem „Leitbild“, das heißt einem idealen Zustand, <strong>der</strong> eine natürliche Situation abbildet, o<strong>der</strong><br />
einem Zustand, <strong>der</strong> sich einstellen würde, wenn <strong>der</strong> Einfluss des Menschen schlagartig aufhören würde. Doch<br />
<strong>der</strong> Versuch scheitert oftmals schon an <strong>der</strong> Suche nach diesen Leitbil<strong>der</strong>n, weil sie einfach nicht mehr vorhanden<br />
sind. In den Fließgewässern, wie wir sie heute vorfinden, findet sich ungleich weniger Totholz als in natürli-<br />
Seite 27<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Totholz ist ein charakteristisches Merkmal von naturnahen Gewässern; hier<br />
<strong>der</strong> Otterbach im Naturschutzgebiet Otterbach-Bruchbach-Nie<strong>der</strong>ung.<br />
Aufn.: S. del Río.<br />
chen Gewässern. 31 In kleinen Gewässern bewirkt Totholz die Ausbildung von natürlichen Strukturelementen wie<br />
Kolke, Bänke o<strong>der</strong> Stufen, erhöht die morphologische Unregelmäßigkeit und unterstützt die Umformung <strong>der</strong><br />
laufbedingten Strukturen. Dies zeigten die Ergebnisse <strong>der</strong> ersten umfangreichen Untersuchung zum Totholz in<br />
Baden-Württemberg, die aus <strong>der</strong> Zusammenarbeit des Instituts für Wasserbau und Kulturtechnik <strong>der</strong> Universität<br />
Karlsruhe mit dem Institut für Landschaftsökologie und Naturschutz in Bühl Mitte <strong>der</strong> 1990er Jahre entstanden<br />
war. 32<br />
Für die aquatische Fauna bietet<br />
Totholz Nahrung und Unterschlupf und<br />
för<strong>der</strong>t damit die biologische Vielfalt.<br />
Viele Insekten sind direkt an Totholz<br />
gebunden und <strong>der</strong> Totholzmangel, wie<br />
wissenschaftliche Studien in Wäl<strong>der</strong>n<br />
gezeigt haben, kann <strong>zur</strong> Existenzbedrohung<br />
von vielen Arten führen. 33 Im<br />
Gewässer gibt es eine Reihe von Wirbellosenarten<br />
(vor allem Trichoptera<br />
und Diptera), die Totholz direkt als<br />
Habitat und Nahrungsquelle nutzen. 34<br />
Daneben profitieren beispielsweise die<br />
Fische von Totholz, weil es die Strömung<br />
diversifiziert und Strukturbildner<br />
ist, etwa in Form von Kies- und Sandbänken<br />
und Laubansammlungen.<br />
Viele Erkenntnisse aus wissenschaftlichen<br />
Untersuchungen flossen in den<br />
Fortbildungsunterlagen ein, die von<br />
<strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft und <strong>der</strong><br />
GfG für das 9. Thema „Totholz in Gewässern“<br />
im Jahre 2001 erarbeitet wurden. Die Fortbildungseinheit sollte den Unterhaltungspflichtigen die ökologische<br />
und gewässermorphologische Bedeutung von Totholz vermitteln und ihnen bei <strong>der</strong> Beantwortung <strong>der</strong><br />
Frage, wann im Gewässer Totholz entfernt und wann es belassen werden sollte, helfen. Außerdem sollten sie<br />
lernen zu beurteilen, welche Risiken Totholz im Fließgewässer mit sich bringt. Gleichzeitig sollten sie eine positive<br />
Einstellung zu Totholz bekommen und ermutigt werden, in ungefährlichen Situationen Holz im Gewässer liegen<br />
zu lassen und die Entwicklung zu beobachten.<br />
10-jähriges Bestehen <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften<br />
2002 feierte die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft ihren ersten runden Geburtstag. Nach einem Jahrzehnt Arbeit<br />
konnte sie stolz auf 354 Veranstaltungen, an denen insgesamt mehr als 7000 Beschäftigte <strong>der</strong> unterhaltungspflichtigen<br />
Kommunen teilgenommen hatten, <strong>zur</strong>ückblicken. Gefeiert wurde das Jubiläum im Rahmen des 10.<br />
Betreuertages im Oktober 2002 in Bad Herrenalb, an dem <strong>der</strong> Minister für Umwelt und Verkehr Baden-<br />
Württemberg Ulrich Müller, MdL, die Begrüßungsworte sprach und sich bei den Betreuern und Betreuerinnen für<br />
ihr großes Engagement bedankte. Mit einem gewissen Stolz konnte er darauf hinweisen, dass <strong>der</strong> Erfolg dieser<br />
innovativen Form <strong>der</strong> Weiterbildung und des Erfahrungsaustausches schon weitere Kreise gezogen hatte und<br />
über die Landesgrenzen gesprungen war, fest zu machen an <strong>der</strong> Einrichtung ähnlicher Institutionen: <strong>der</strong> GFG<br />
mbH in Hessen und Rheinland Pfalz, <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften in Nordrhein-Westfalen und Bayern sowie<br />
<strong>der</strong> Erfahrungsaustausche in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Sogar <strong>der</strong> Schweizerische Wasserwirtschaftsverband<br />
übernahm die Idee <strong>zur</strong> Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen auf dem Gebiet <strong>der</strong><br />
Gewässerentwicklung innerhalb <strong>der</strong> zahlreichen Unterverbände.<br />
Für die Veranstaltung wurde ein Aktionstag am frisch renaturierten Rennbach organisiert, an dem die über die<br />
Jahre erarbeiteten Fortbildungsthemen <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften an verschiedenen Stationen demonst-<br />
31 Hering, Reich, 1997<br />
32 Eckert et al., 1996<br />
33 Scherzinger, 1996<br />
34 Hering, Reich, 1997<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 28
iert wurden: zum Beispiel die Anwendung naturgemäßen Bauweisen <strong>zur</strong> Sicherung <strong>der</strong> Ufer in unterschiedlichen<br />
Varianten o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Einsatz von Totholz. Im Ökomobil <strong>der</strong> Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege<br />
Karlsruhe und im Bachpatenmobil <strong>der</strong> Stadt Freiburg konnten die kleinsten Gewässerbewohner unter<br />
dem Mikroskop betrachtet werden. Mit dem angenehmen Plätschern des Baches im Hintergrund konnte Lesungen<br />
von Hermann Hesses „Siddharta“<br />
gelauscht werden.<br />
Im Jahr darauf wurden die Betreuer geehrt,<br />
die die ganzen zehn Jahre die Fortbildungsgesellschaft<br />
mit ihrer ehrenamtlichen<br />
Arbeit nach außen repräsentiert<br />
hatten. Damals handelte es sich um<br />
14 Personen, mittlerweile ist 2005 die Zahl<br />
<strong>der</strong> „Zehner-Jubilare“ auf 21 gestiegen<br />
(siehe auch Liste <strong>der</strong> BetreuerInnen S.<br />
14). Der 10. Statusbericht wich wegen<br />
des beson<strong>der</strong>en Anlasses von seiner<br />
sonstigen Aufmachung ab und diente<br />
diesmal <strong>der</strong> Vorstellung beson<strong>der</strong>er Projekte,<br />
Planungen und Aktionen <strong>der</strong> vier<br />
Gewässerdirektionen und ihren insgesamt<br />
13 Bereiche. Den Statusbericht<br />
2001/2002 kann man daher als ein gut<br />
Einweihung des Rennbaches beim 10. Jubiläum <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
im Jahr 2002: Kin<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Movimento-Schule für Tanz und<br />
Bewegung aus Bad Herrenalb interpretieren den "Tanz <strong>der</strong> Wassernymphen“.<br />
Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
gelungenes Schaufenster <strong>der</strong> wasserwirtschaftlichen<br />
Praxis in Baden-Württemberg<br />
bezeichnen. Das Spektrum <strong>der</strong><br />
Beiträge ist bunt und stellt überwiegend<br />
Projekte <strong>zur</strong> Umgestaltung von Fließgewässern,<br />
Feuchtgebieten und Seeufern vor. Einige Beiträge<br />
blicken <strong>zur</strong>ück und zeigen die Erfolge langjährigen<br />
Einsatzes, z.B. zwölf Jahre Elzbachprogramm im<br />
Bereich Heidelberg. Beson<strong>der</strong>s innovativ zeigte sich<br />
<strong>der</strong> Bereich Waldshut, <strong>der</strong> ein Projekt an <strong>der</strong> Wutach<br />
vorstellte, an dem erstmalig Kunst – vom japanischen<br />
Künstler Koki Wanatabe – in die Renaturierung einbezogen<br />
worden war.<br />
Ein Renaturierungsprojekt an <strong>der</strong> Nagold im Pforzheim,<br />
das von einer Arbeitsgruppe <strong>der</strong> Lokalen<br />
Agenda 21, unterstützt von <strong>der</strong> Gewässerdirektion,<br />
entworfen worden war, wurde als Beispiel für eine<br />
erfolgreiche Bürgerbeteilung vom Bereich Freudenstadt<br />
präsentiert. Die breite Palette an Themen deckt<br />
sich mit den von den Gewässernachbarschaften<br />
verfolgten Ansprüchen: die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> naturnahen<br />
Gewässerentwicklung und die Stärkung <strong>der</strong><br />
Beziehung Mensch und Gewässer. Dies sind zwei<br />
Landartprojekt von Koki Wanatabe an <strong>der</strong> Wutach.<br />
Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
Stränge für ein Ziel. Während die Gewässerdirektionen mit ihren Projekten und Umsetzungen Vorbil<strong>der</strong> für<br />
künftige wasserwirtschaftlichen Maßnahmen schaffen, bildet die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft die Mitarbeiter<br />
<strong>der</strong> landeseigenen Bauhöfe und <strong>der</strong> Kommunen weiter, um sie in die Lage zu versetzen, ihre<br />
Unterhaltungspflicht fachgerecht und auf <strong>der</strong> Grundlage neuer Erkenntnisse umzusetzen.<br />
Seite 29<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Die Europäischen Richtlinien FFH und WRRL<br />
Natura 2000 in Baden-Württemberg<br />
Ministerium für Ländlicher Raum (MLR) & Landesanstalt für Umweltschutz<br />
(LfU), 2004<br />
Diese Broschüre widmet sich dem neuen europäischen Schutzgebietsnetz<br />
Natura 2000 und ihrer Umsetzung in Baden-<br />
Württemberg. Sie liefert allgemeine Informationen über die Hintergründe<br />
und Ziele von Natura 2000, geht aber auch auf rechtliche<br />
Details ein und liefert im Anhang die vollständigen Gesetzestexte,<br />
die Natura 2000 zu Grunde liegen. Daher ist diese Broschüre sowohl<br />
für Fachleute, die in <strong>der</strong> Planung und Nutzung <strong>der</strong> Natur tätig sind,<br />
als auch für die interessierte Öffentlichkeit von Interesse.<br />
Speziell für Baden-Württemberg folgt eine Beschreibung <strong>der</strong> die in<br />
Natura 2000 enthaltenen Lebensraumtypen. Diese werden anhand<br />
ihrer typischen Pflanzenarten und sonstigen beson<strong>der</strong>en Merkmale<br />
charakterisiert und es wird ihre Verbreitung aufgezeigt. Daneben<br />
werden die Tier- und Pflanzenarten von europäischer Bedeutung<br />
beschreiben und fotographisch dokumentiert.<br />
Landschaftsraumes o<strong>der</strong> mit dem Schutz des Brachvogels vereinbar;<br />
<strong>der</strong> Schutz von historischen Kulturlandschaftselementen wie<br />
Wiesenwässerungsanlagen kann <strong>zur</strong> Herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit<br />
im Wi<strong>der</strong>spruch stehen; die für eine geschlossene Grasnarbe<br />
notwendige regelmäßige Mahd eines Dammes kann mit<br />
dem Erhalt des Lebensraum von Orchideen wegen <strong>der</strong> Zeitpunkte<br />
<strong>der</strong> Mahd konfligieren.<br />
Neben dieser generellen Problematik war die flächenhafte Festlegung<br />
des europäischen Schutzgebietssystems Natura 2000 in<br />
Baden-Württemberg Auslöser für die Auswahl des 10. Fortbildungsthemas<br />
„Gewässerunterhaltung in geschützten Gebieten“,<br />
das wie<strong>der</strong>um mit <strong>der</strong> GfG erarbeitet wurde. Grundlage für das<br />
Netzwerk Natura 2000 sind zwei europäische Richtlinien (Vogelschutz-<br />
und FFH-Richtlinie 35 ), <strong>der</strong>en Ziel die Erhaltung <strong>der</strong> biologischen<br />
Vielfalt und die Sicherung des Naturerbes für kommende<br />
Generationen in Europa ist. Baden-Württemberg, das die europäische<br />
Regelung Ende 2005 in das Landesnaturschutzgesetz integrierte,<br />
trägt mit 48 Lebensraumtypen, 52 Tier- und Pflanzenarten, 65<br />
brütenden Vogelarten sowie weiteren rastenden Vögeln zu diesem<br />
Schutzgebietssystem bei. Diese Lebensräume, Tier- und Pflanzenarten<br />
haben aus europäischer Sicht eine wichtige Bedeutung und<br />
Baden-Württemberg ist verantwortlich dafür, sie über das Schutzgebietssystem<br />
Natura 2000 in ihrem Bestand zu erhalten. Für diese<br />
Einer <strong>der</strong> Schwerpunkte <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft ist es, den Unterhaltungspflichtigen die Grundlagen<br />
und Methoden für die Unterstützung <strong>der</strong> naturnahen Gewässerentwicklung zu vermitteln. Die bisher behandelten<br />
Themen verdeutlichen dies: Naturnahe Bauweisen, Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit, Gewässerrandstreifen,<br />
Unterhaltung und Pflege von Gräben usw. Doch manche dieser Ziele sind gelegentlich mit an<strong>der</strong>en<br />
Belangen des Naturschutzes nicht<br />
kompatibel, was die Auswahl <strong>der</strong> geeigneten<br />
Unterhaltungsmethode erschweren<br />
kann. Insbeson<strong>der</strong>e treten diese<br />
Ausnahmen in Gebieten auf, die für den<br />
Erhalt bestimmter Tier- und Pflanzenarten<br />
und beson<strong>der</strong>en Lebensräumen unter<br />
Schutz gestellt wurden. Diese können unterschiedlichen<br />
Schutzgebietskategorien<br />
zugeordnet werden (Naturschutzgebiete,<br />
Naturdenkmale, Landschaftsschutzgebiete,<br />
geschützte Biotope, Natura 2000-Gebiete…),<br />
die alle eigenen Vorschriften<br />
unterliegen und demnach unterschiedliche<br />
Auswirkungen auf die Gewässerpflege<br />
und -unterhaltung haben können.<br />
Unverträglichkeiten können unterschiedlicher<br />
Art sein. Zum Beispiel ist die Etablierung<br />
eines breiten, naturnahen Ufergehölzstreifens<br />
nicht mit dem Erhalt eines offenen<br />
Bachbegleitende Erlen-Eschenwäl<strong>der</strong> sind<br />
prioritäre Lebensräume im Sinne <strong>der</strong> FFH-<br />
Richtlinie. Aufn.: S. del Río.<br />
Gebiete muss die Naturschutzverwaltung in enger Abstimmung mit den jeweils zuständigen unterhaltungspflichtigen<br />
Gemeinden Pflegepläne erstellen und dabei natürlich die Gewässerpflege einbeziehen. Daher war<br />
es ein expliziter Wunsch <strong>der</strong> damaligen Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg und <strong>der</strong> Fachbe-<br />
35 Vogelschutzrichtlinie 79/409/EWG und Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie 92/43/EWG.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 30
hörden in Hessen und Rheinland-Pfalz, die Gewässerpflege in geschützten Gebieten in den Gewässernachbarschaften<br />
näher zu beleuchten und dabei die neuen Regelungen <strong>der</strong> FFH-Richtlinie einfließen zu lassen.<br />
Beim diesem Fortbildungsthema lagen die Schwerpunkte auf die Aufklärung <strong>der</strong> Unterhaltungspflichtigen über<br />
die Vielfalt an Schutzgebietskategorien und mögliche Zielkonflikte mit <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung. Darüber<br />
hinaus wurde ein Handlungsrahmen für den speziellen Fall <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung in geschützten Gebieten<br />
aufgezeigt, <strong>der</strong> die Unterhaltungspflichtigen bei diesen Aufgaben behilflich sein soll. Trotz unterschiedlicher<br />
gesetzlicher Regelungen in den drei Bundeslän<strong>der</strong>n gelang es, einheitliche Fortbildungsunterlagen für die Unterhaltspflichtigen<br />
in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz zu erarbeiten.<br />
Im Januar 2004 trat die Novellierung des Wassergesetzes von Baden-Württemberg in Kraft. Anlass für die Än<strong>der</strong>ung<br />
war die Anpassung <strong>der</strong> europäischen Wasserrahmenrichtlinie 36 (WRRL) auf Län<strong>der</strong>ebene und die Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
des Hochwasserschutzrechtes. Gleichzeitig trat die Verwaltungsreform (Verwaltungsstruktur-Reformgesetz,<br />
VRG) in Kraft, mit <strong>der</strong> die früheren Gewässerdirektionen aufgelöst und ihre Aufgaben auf die Landratsämter<br />
und Stadtkreise sowie auf die Regierungspräsidien übertragen wurden.<br />
Mit den Gesetzesän<strong>der</strong>ungen gingen viele Zuständigkeiten und Pflichten auf die Kommunen über. Unter an<strong>der</strong>em<br />
hatte das Wassergesetz von 2004 die Pflicht <strong>zur</strong> Durchführung von regelmäßigen Gewässerschauen bei<br />
den Kommunen festgelegt, die nun 91% <strong>der</strong> baden-württembergischen Gewässer – alle Gewässer II. Ordnung<br />
– unterhalten sollten. Doch hatten die<br />
gesetzlichen und verwaltungstechnischen<br />
Umstellungen dazu geführt,<br />
dass die Zuständigkeiten teilweise nicht<br />
mehr bekannt waren bzw. sich die<br />
Zuständigen ihrer Aufgaben nicht mehr<br />
bewusst waren. In diesem Kontext<br />
machte sich die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
mit dem 11. Fortbildungsthema<br />
„Gewässeraufsicht“ daran, die<br />
Kommunen an ihre Pflicht <strong>zur</strong> Durchführung<br />
von Gewässerschauen zu<br />
erinnern und dabei die Ziele <strong>der</strong> Gewässeraufsicht<br />
wie<strong>der</strong>zubeleben und<br />
in sinnvoller Weise zu aktualisieren.<br />
Gewässerschauen sind ein nützliches<br />
Instrument, um nachteilige Verän<strong>der</strong>ungen<br />
an und im Gewässer frühzeitig<br />
Gewässerschauen können auch als Anlass genutzt werden, die Öffentlichkeit<br />
über den Zustand <strong>der</strong> Gewässer zu informieren und geplante Maßnahmen<br />
vorzustellen. Pilotveranstaltung zum Fortbildungsthema Gewässeraufsicht<br />
in Öhringen (2002). Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
festzustellen und die im Rahmen <strong>der</strong><br />
Unterhaltungslast erfor<strong>der</strong>lichen Maßnahmen<br />
rechtzeitig anzuordnen und<br />
durchzuführen. Auch wenn die Gewässerschauen<br />
eine Pflichtaufgabe<br />
sind, die beispielsweise das Verhängen<br />
von Bußgel<strong>der</strong>n nach sich ziehen kann, bieten sie auch die Chance, Probleme am Gewässer, Ufer und an<br />
Dämmen im Rahmen von Begehungen zu besprechen und formlos zu lösen. Das Zusammentreffen von Vertretern<br />
<strong>der</strong> Unteren Fachbehörde und von Personen aus den betroffenen Dienststellen und an<strong>der</strong>en involvierten<br />
Einrichtungen machen dies möglich.<br />
Gewässerschauen bieten darüber hinaus eine gute Gelegenheit für die Öffentlichkeitsarbeit und Selbstdarstellung<br />
<strong>der</strong> Kommunen. Die Bürger einer Kommune können positive Rückmeldungen hinsichtlich einer erfreulichen<br />
Entwicklung ihrer Gewässer bekommen und Visionen für die Zukunft ihrer Gewässer erfahren. Durch die<br />
Einbeziehung <strong>der</strong> Bürger in die kommunalen Entscheidungsprozesse kann eine höhere Akzeptanz für Maßnahmen<br />
am Gewässer erreicht werden.<br />
Ein weiteres Anliegen <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft ist es, die Gewässerschauen als gewässerpädagogisches<br />
Instrument zu einzusetzen, um die Bevölkerung emotional näher an die Flüsse und Bäche zu führen – um<br />
die Beziehung Mensch/Gewässer zu stärken. So können die Bürger durch gezielte Aktivitäten die Bedeutung<br />
<strong>der</strong> Gewässer für den Naturhaushalt und für die Landschaft kennen und ihre Schönheit schätzen lernen. Die<br />
36 Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG.<br />
Seite 31<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Pilotveranstaltung in <strong>der</strong> Stadt Öhringen im Jahr 2002 kann als Beispiel genommen werden, wie erfolgreich die<br />
Einbeziehung <strong>der</strong> örtlichen Bevölkerung in eine Gewässerschau sein kann.<br />
Das Thema Wasserrahmenrichtlinie tauchte in den Jahren 2003 und 2004 mehrfach bei den Betreuertagen<br />
auf. So erläuterte Verena Friske von <strong>der</strong> LfU den Betreuern und Betreuerinnen beim „kleinen Betreuertag“ 2003<br />
in Denzlingen, welche Neuerungen die Richtlinie für die Wasserwirtschaft mit sich bringt. 37 Thematisiert wurde<br />
unter an<strong>der</strong>em die neue Aufteilung <strong>der</strong> Bearbeitungsgebiete nach Einzugsgebieten, die verstärke ökologische<br />
Ausrichtung <strong>der</strong> WRRL vor allem bei <strong>der</strong> Bewertung des Zustandes <strong>der</strong> Gewässer sowie die wichtige Vorschrift<br />
<strong>zur</strong> aktiven Beteiligung <strong>der</strong> interessierten Öffentlichkeit bei <strong>der</strong> Erstellung <strong>der</strong> Bewirtschaftungspläne.<br />
Im Rahmen eines Aktionstages im Jahr 2004, <strong>der</strong> in Friedrichshafen beim Betreuertag von <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
organisiert wurde, wurde die WRRL für alle Betreuer und Betreuerinnen anschaulich transparent<br />
gemacht. Drei Referenten<br />
(Verena Friske, Bernd Eversmann<br />
und Hans Güde) 38 erläuterten in<br />
einem Vortragsteil, mit welcher<br />
Methodik die von <strong>der</strong> WRRL geför<strong>der</strong>te<br />
Bestandesaufnahme am<br />
Beispiel des Bearbeitungsgebiets<br />
Alpenrhein/Bodensee durchgeführt<br />
worden war, welche Ergebnisse<br />
bereits vorlagen und<br />
welche Planungsschritte für die<br />
Zukunft in Aussicht standen. Danach<br />
konnten entlang <strong>der</strong> Rotach<br />
und am Bodenseeufer Stationen<br />
besucht werden, die die<br />
Themen und Ziele <strong>der</strong> europäischen<br />
WRRL anhand von Informationstafeln,<br />
Karten und Präsentationen<br />
<strong>der</strong> früheren LfU<br />
und Gewässerdirektionen veranschaulichten.<br />
Zudem konnten vor<br />
Ort verschiedene Gewässerentwicklungsmaßnahmen<br />
– wie eine<br />
Fischaufstiegsanlage <strong>zur</strong> Verbesserung<br />
<strong>der</strong> ökologischen Durchgängigkeit<br />
o<strong>der</strong> die Renaturierung<br />
des Bodenseeufers an<br />
<strong>der</strong> Mündung <strong>der</strong> Rotach – besichtigt<br />
werden. Auch technische<br />
Themen wurden an diesem Tag<br />
angesprochen, beispielsweise<br />
die Ermittlung von Bemessungsabflüssen<br />
als Grundlage für wasserbauliche<br />
Maßnahmen, die am<br />
Pegel Rotach behandelt und demonstriert<br />
wurde.<br />
Eines <strong>der</strong> zahlreichen Poster <strong>der</strong> LUBW (damals LfU) zum Thema Wasserrahmenrichtlinie,<br />
die an <strong>der</strong> Rotach gezeigt wurden. Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
37 Friske, 2003<br />
38 Fachbeiträge im Statusbericht 2003/2004 veröffentlicht.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 32
4 Der Erfahrungsaustausch „Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken“<br />
Im Zuge des Son<strong>der</strong>behörden-Einglie<strong>der</strong>ungsgesetzes (So-<br />
BeG) vom 12. Dezember 1994 wurde die Wasserwirtschaftsverwaltung<br />
zum 1. Juli 1995 grundlegend verän<strong>der</strong>t. Ein<br />
großer Teil <strong>der</strong> Aufgaben und Verantwortlichkeiten <strong>der</strong> Ämter<br />
für Wasserwirtschaft und Bodenschutz wurde in die Unteren<br />
Verwaltungsbehörden – Landratsämter und Bürgermeisterämter<br />
<strong>der</strong> Stadtkreise – eingeglie<strong>der</strong>t. Unter an<strong>der</strong>em<br />
übernahmen die Unteren Verwaltungsbehörden die Zuständigkeit<br />
<strong>der</strong> Betreuung und Beratung <strong>der</strong> Hochwasserrückhaltebecken,<br />
<strong>der</strong>en Betrieb durch Wasser- und Bodenverbände<br />
sowie von Körperschaftsverbänden, wie z.B. Hochwasserschutzverbände,<br />
erfolgt.<br />
Die neue Verantwortung <strong>der</strong> Betriebsleitung umfasste zahlreiche<br />
neue Tätigkeiten, u.a. die technische Beratung, die<br />
Überwachung <strong>der</strong> Unterhaltung und des Betriebes und die<br />
fachliche Vorgesetztenfunktion für die Stauwärter. Es blieben jedoch offene Fragen bezüglich <strong>der</strong> Verteilung<br />
<strong>der</strong> Zuständigkeiten zwischen den neu geschaffenen Gewässerdirektionen (die technische Fachbehörde) und<br />
den Regierungspräsidien (die Rechts- und<br />
Fachaufsichtsbehörde).<br />
Für die Bewältigung <strong>der</strong> neuen Aufgaben<br />
beschloss das Land, die Unteren Verwaltungsbehörden<br />
durch die Einrichtung eines Erfahrungsaustausches<br />
zu unterstützen. In jährlich<br />
zwei Veranstaltungen sollten Fragen und Probleme<br />
zum Betrieb von überörtlichen Hochwasserrückhaltebecken<br />
und über Zuständigkeitskonflikte<br />
mit den an<strong>der</strong>en beteiligten<br />
Behörden erörtert und Lösungen gefunden<br />
werden. Die Organisation und Durchführung<br />
des Erfahrungsaustausches sollte die <strong>WBW</strong><br />
Fortbildungsgesellschaft übernehmen. Im Februar<br />
1997 wurde eine entsprechende Vereinbarung<br />
zwischen dem Land und <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
getroffen.<br />
Nach zwei Jahren erweiterte sich die Zielgruppe,<br />
die durch den Erfahrungsaustausch<br />
angesprochen werden sollte, auf die Stauwärter.<br />
Die Stauwärter – obwohl die Hauptverantwortung<br />
des Betriebes <strong>der</strong> Hochwasserrückhaltebecken<br />
bei den Betreibern und<br />
Betriebsbeauftragten liegt – sind die vor Ort<br />
zuständigen Personen, die sich um das sichere<br />
Funktionieren <strong>der</strong> Stauanlagen kümmern. Ab 2000 weitete sich das Konzept noch weiter und richtete sich an<br />
alle Betreiber, Betriebsbeauftragte und Stauwärter im Land.<br />
Ähnlich wie bei den Gewässernachbarschaften sind Vertreter <strong>der</strong> staatlichen und kommunalen Behörden, <strong>der</strong><br />
Wissenschaft und <strong>der</strong> Betreiber <strong>der</strong> Stauanlagen Mitglie<strong>der</strong> im Beirat.<br />
Seite 33<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Erfahrungsaustausch für Betriebsbeauftragte und Betreiber von Hochwasserrückhaltebecken<br />
Für den Erfahrungsaustausch wurde eine Projektgruppe installiert, die die Themen des Erfahrungsaustausches<br />
und <strong>der</strong> Fortbildungsveranstaltungen vorbereitet. Ihre erste Aufgabe war es, etwas Klarheit in <strong>der</strong> Dschungel<br />
von Aufgaben und Zuständigkeiten zu bringen, die bei <strong>der</strong> Konzeption, <strong>der</strong> Planung, bei Bau und Betrieb von<br />
Rückhaltebecken fällig sind. Dem entsprechend wurden die Zuständigkeiten und Entscheidungsabläufe zwischen<br />
Betreibern, Betriebsbeauftragten, Stauwärtern, Gewässerdirektionen, unteren Verwaltungsbehörden,<br />
den Regierungspräsidien und Dritten detailliert beschrieben. Diese Ausarbeitung (siehe Bild unten) bildete und<br />
bildet nach wie vor die Basis für die Themen, die im Erfahrungsaustausch behandelt werden. Die bisher behandelten<br />
Themen können den folgenden Themenblöcken zugeordnet werden:<br />
Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Aufgabenaufteilung<br />
Rechtsgrundlagen: Haftung und Verkehrssicherungspflicht <strong>der</strong> Betreiber von Stauanlagen,<br />
Arbeitsschutz<br />
Hochwasservorsorge und -information<br />
Hochwassermelde- und Hochwasseralarmpläne<br />
Sicherheit, Sanierung und Unterhaltung <strong>der</strong> Stauanlagen<br />
Maßnahmen im Einzugsgebiet <strong>zur</strong> Verringerung von Sedimenteintrag<br />
Vermeidung von Konflikten mit an<strong>der</strong>en Nutzungen<br />
Steuerungsmechanismen und -<br />
techniken: Einsatzmöglichkeiten<br />
bei den verschiedenen Beckensystemen<br />
und -typen.<br />
Die Fachbeiträge <strong>der</strong> Erfahrungsaustausche<br />
werden jeweils in einem<br />
Berichtsband pro Veranstaltung veröffentlicht.<br />
Diese können über die<br />
Homepage <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
www.wbw-fortbildung.de<br />
bestellt werden. Die Vielfalt <strong>der</strong> Themen<br />
macht die Berichte zu einem<br />
wertvollen Nachschlagewerk.<br />
Im Jahre 2002 feierte die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
das fünfjährige<br />
Jubiläum des Erfahrungsaustausches<br />
und brachte einen Sammelband mit<br />
den zehn ersten Berichtsbän<strong>der</strong>n heraus.<br />
Zuständigkeitsbeziehungen im Rahmen von Konzeption, Planung, Bau und<br />
Betrieb von Rückhaltebecken zwischen den Beteiligten. Quelle: Son<strong>der</strong>druck<br />
im Nachgang 12. Erfahrungsaustausch, Bösinger (2006).<br />
Stauwärtertage und Stauwärtergrundkurs<br />
Die komplexe Aufgabe des Stauwärters lässt sich mit folgendem Satz umschreiben: „Der Stauwärter überwacht<br />
das Hochwasserrückhaltebecken und stellt sicher, dass die Anlage je<strong>der</strong>zeit betriebsbereit ist“. Aus dieser<br />
Formulierung lässt sich leicht ableiten, dass diese Aufgabe über eine Vielzahl an Wartungs- und<br />
Pflegearbeiten hinaus geht und durch die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten beeinflusst wird. Zur Erledigung<br />
<strong>der</strong> Aufgaben ist spezielles Wissen erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Um den Stauwärtern bei <strong>der</strong> Bewältigung dieser Aufgaben die nötigen Grundkenntnisse an die Hand zu geben,<br />
sah es <strong>der</strong> Beirat Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg<br />
für dringend geboten an, eine Ausbildung für Stauwärter anzubieten.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 34
Hierzu wurden 1999, ähnlich wie bei <strong>der</strong> Organisation <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften für den Erfahrungsaustausch<br />
für Stauwärter das Land in Nachbarschaftsbezirke eingeteilt(siehe Bild auf dieser Seite), die regionalen<br />
Stauwärternachbarschaftstage, die von ehrenamtlichen Betreuern geleitet werden. An den einmal jährlich<br />
stattfindenden Stauwärtertagen, die von den Betreuern organisiert werden, steht <strong>der</strong> Erfahrungsaustausch im<br />
Vor<strong>der</strong>grund, um den Stauwärtern ein Forum für Probleme beim Betrieb <strong>der</strong> Becken zu ermöglichen. Hierbei<br />
werden auch Themen behandelt, die von den Teilnehmern für wichtig gehalten werden o<strong>der</strong> die beson<strong>der</strong>s<br />
relevant für ihre Weiterbildung sind, wie z.B. <strong>der</strong><br />
Arbeitschutz.<br />
Darüber hinaus, wurde 2002 ein Grundkurs für<br />
Stauwärter von <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
ins Leben gerufen. Durch den dreitägigen Grundkurs<br />
soll <strong>der</strong> Stauwärter in die Lage versetzt werden,<br />
aus den vielfältigen Aufgabenstellungen<br />
und möglichen Vorgehensweisen diejenigen erkennen<br />
zu können, die bei den eigenen örtlichen<br />
Gegebenheiten anzuwenden sind. Als Grundlage<br />
für die Schulungen dienen einheitliche Ausbildungsunterlagen.<br />
Diese sind auch als Hilfestellung<br />
zu verstehen, um dem Stauwärter bei seiner täglichen<br />
Arbeit ein Nachschlagewerk an die Hand zu<br />
geben, in dem die wesentlichen Themenfel<strong>der</strong><br />
eingängig beschrieben und durch Übungsaufgaben<br />
praxisnah vermittelt werden.<br />
Mit dem Grundkurs soll somit ein Grundstein gelegt<br />
werden, um die oftmals nebenberuflich tätigen<br />
Stauwärter so zu qualifizieren, dass sie ihrer<br />
hohen Verantwortung gerecht werden, die ihnen<br />
beim Betrieb <strong>der</strong> Hochwasserrückhaltebecken<br />
auferlegt ist. So hat im Frühjahr 2006 bereits <strong>der</strong><br />
achte Grundkurs für Stauwärter stattgefunden,<br />
den damit bereits über 160 Stauwärter absolviert<br />
haben.<br />
Nachbarschaftsbezirke für den Erfahrungsaustausch für Stauwärter.<br />
Stand August 2006.<br />
Seite 35<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
5 Gewässerpädagogik<br />
Zwischen den 1970er Jahren und <strong>der</strong> Jahrtausendwende waren deutliche<br />
Verbesserungen bei <strong>der</strong> biologischen Qualität <strong>der</strong> Fließgewässer in<br />
Baden-Württemberg erreicht worden. Die morphologischen Kartierungen<br />
<strong>der</strong> 1990er Jahren zeigten jedoch, dass noch viel zu tun war. 1994<br />
veröffentlichte das Land die erste Übersichtskartierung des morphologischen<br />
Zustandes <strong>der</strong> Fließgewässer in Baden-Württemberg. Die Ergebnisse<br />
wurden am zweiten Betreuertag <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften vom<br />
damaligen Umweltminister Harald B. Schäfer vorgestellt. Es zeigte sich,<br />
dass fast die Hälfte <strong>der</strong> Gewässer als naturfern eingestuft werden musste<br />
und lediglich 20% einen naturnahen Zustand besaßen. Die Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Strukturgüte rückte stark in den Vor<strong>der</strong>grund <strong>der</strong> Wasserwirtschaftspolitik<br />
und löste große Anstrengungen <strong>zur</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung von naturnahen,<br />
strukturreichen Gewässern in <strong>der</strong> Landschaft aus.<br />
Man hatte gleichzeitig erkannt, dass für die weitere und umfassende<br />
Verbesserung des Zustandes <strong>der</strong> Gewässer die Unterstützung <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
wichtig sein würde. Nur mit <strong>der</strong> Akzeptanz und Unterstützung <strong>der</strong><br />
Bürger würden die notwendigen Maßnahmen für die Gewässerentwicklung<br />
Erfolg haben. Die Maßnahmen müssten von <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
verstanden und ihre Notwendigkeit über Kopf, Herz und Bauch erkannt werden, 39 wofür eine enge Beziehung<br />
zwischen Mensch und Gewässer Voraussetzung war. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite spürte man, dass sich die<br />
Menschen zunehmend wie<strong>der</strong> den sauberer werdenden Gewässern näherten, um sie zu erleben und zu begreifen.<br />
Wer sich davor mit den Gewässern beschäftigte, tat dies zuallererst mit dem Kopf alleine. Die Gewässer<br />
hatte man als Teil <strong>der</strong> Natur wahrgenommen, jedoch primär als Lebensraum für Flora und Fauna – Natur-<br />
Lebensräume, die vor den Menschen geschützt werden sollten.<br />
Mehrere Gründe hatten dazu geführt, dass diese Beziehung in eine Krise geraten war. Die Verschmutzung und<br />
<strong>der</strong> Ausbau vieler Gewässer in gerade Gerinne seit <strong>der</strong> Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts waren zum Großteil Ursache<br />
für die Entfremdung <strong>der</strong> Menschen zu den<br />
Gewässern. Vielerorts war es soweit gekommen,<br />
dass die Gewässer verdolt und somit<br />
„aus den Augen, aus dem Sinn“ geraten<br />
waren. Das Fehlen von natürlichen Vorbil<strong>der</strong>n<br />
verhin<strong>der</strong>te insbeson<strong>der</strong>e in den urbanen<br />
Gebieten, dass sich irgendeine Art von<br />
Beziehung aufbauen o<strong>der</strong> dass sich gar<br />
eine Sehnsucht nach <strong>der</strong> Natur von Gewässern<br />
entwickeln konnte. Heringer 40 geht<br />
noch weiter, wenn er sagt, die auf Videos<br />
entstandenen virtuellen Welten würden<br />
oftmals die realen Landschaften nachrangig<br />
machen o<strong>der</strong> gar ersetzen.<br />
Um die positiven Ansätze aufzugreifen und<br />
auch Akzeptanz für das eigene Tun zu erreichen,<br />
initiierten das Umweltministerium und<br />
die Landesanstalt für Umweltschutz das<br />
Gewässer können ein Erlebnisraum nicht nur für Kin<strong>der</strong> sein, hier an<br />
<strong>der</strong> Zwiefalter Ach. Aufn.: W. Konold.<br />
Forum Mensch & Gewässer, das am 15. September 1999 in Waiblingen stattfand. Es handelte sich um ein ungewöhnliches<br />
Treffen von „Wasserleuten“ aus den unterschiedlichsten Sparten und mit den unterschiedlichsten<br />
Erfahrungen. Es sollten Ideen, Visionen kreiert und Aktionen angedacht werden, um die verschiedenen<br />
gesellschaftlichen Gruppen zum Lernen und Handeln zu bewegen.<br />
39 Dorka et al., 2005<br />
40 Heringer, 2001<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 36
Das Forum war <strong>der</strong> Startschuss für weitere Veranstaltungen und Aktivitäten zum Thema Mensch & Gewässer,<br />
die vom Land koordiniert und mitfinanziert wurden und bei <strong>der</strong> auf Wunsch des Umweltministeriums die <strong>WBW</strong><br />
Fortbildungsgesellschaft eine dominante Rolle spielte und noch weiter spielt.<br />
Bachpaten<br />
In Bachpatenschaften übernehmen freiwillige Jugendliche und Erwachsene die Betreuung von mehr o<strong>der</strong> weniger<br />
langen Gewässerstrecken, die in <strong>der</strong> Unterhaltungslast <strong>der</strong> Gemeinden stehen, mit dem Ziel, ihre ökologische Verbesserung<br />
zu erreichen. In Baden-Württemberg gibt es Bachpaten seit 1984 und ihre Zahl wird auf zwei- bis drei hun<strong>der</strong>t<br />
geschätzt. Mögliche Aktivitäten einer Bachpatenschaft sind das Beobachten<br />
des Zustands des Gewässers und ihrer<br />
Organismen, das Pflegen und Lenken <strong>der</strong><br />
Vegetationsentwicklung o<strong>der</strong> die<br />
Neophytenbekämpfung. Dafür bieten ihnen<br />
die Gewässerunterhaltungspflichtigen<br />
– in <strong>der</strong> Regel die Gemeinden –<br />
Fortbildungen <strong>zur</strong> naturgemäßen Gewässerentwicklung<br />
und <strong>zur</strong> Biologie und<br />
Lebensweise <strong>der</strong> schützenswerten Tiere<br />
und Pflanzen. Durch ihren Idealismus, ihr<br />
Engagement und ihre Ausdauer sind sie<br />
Vorbil<strong>der</strong> dafür, wie eine naturverträgliche<br />
Unterhaltung mit wenigen Mitteln<br />
durchgeführt werden kann und ein Beispiel,<br />
wie Gewässerpädagogik mit allen<br />
Altersklassen verwirklicht werden kann.<br />
Letztlich wirken die Bachpaten als Multiplikatoren<br />
sowohl für die naturnahe Gewässerunterhaltung<br />
als auch für Methoden<br />
<strong>der</strong> Gewässerpädagogik.<br />
Junge Bachpaten in Freiburg auf <strong>der</strong> Suche nach Kleinlebewesen, um die<br />
ökologische Qualität des Baches zu ermitteln. Aufn.: H. Heuer<br />
So wurde das Thema zum Leitmotiv des ersten kleinen Betreuertages im Jahr 1999, <strong>der</strong> in Vaihingen/Enz in Form<br />
eines Workshops stattfand, bei dem neue Visualisierungstechniken eingeübt wurden. Die Betreuerinnen und<br />
Betreuer beschäftigten sich mit den Fragen, wie, warum und von wem Gewässer geschätzt werden, welche<br />
Gewässereigenschaften von <strong>der</strong> Bevölkerung als „schön“ o<strong>der</strong> als „schädlich“ empfunden werden und welche<br />
Nutzen Gewässer für die Bevölkerung haben konnten. In einem Brainstorming kamen viele Ideen zu Tage,<br />
wie man die Menschen für naturnahe Gewässer gewinnen und insbeson<strong>der</strong>e wie die Begeisterung von Kin<strong>der</strong>n<br />
für Gewässer geweckt werden könnte.<br />
Zu den wichtigsten Erkenntnissen des Workshops zählte die gemeinsame Überzeugung, dass unsere Mitmenschen<br />
für die Gewässer und ihre Lebewelt begeistert werden können. Dies kann auf verschiedenen Wegen<br />
geschehen, beispielsweise über die Steigerung des Wohlbefindens, über ästhetische Aspekte, Erlebnisse und<br />
Erholung am Gewässer und an<strong>der</strong>es mehr. Als potentielle Zielgruppen identifizierte man fast alle Altersgruppen,<br />
wobei Kin<strong>der</strong> und Jugendliche – so die Überzeugung <strong>der</strong> Betreuer – als erste angesprochen werden sollten,<br />
weil eine nachhaltige Wirkung auf Werthaltungen erreicht werden könne. Was verschiedene<br />
Berufsgruppen angeht, so seien beson<strong>der</strong>s diejenigen anzusprechen, die häufig mit Gewässern umgehen, sei<br />
es nutzend o<strong>der</strong> schützend.<br />
Im Auftrag <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz erarbeitete die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
zusammen mit <strong>der</strong> GFG ein Strategiepapier „Gewässerentwicklung“, in <strong>der</strong> die Ergebnisse dieses<br />
Betreuer-Workshops zusammengefasst wurden. Verwendung fanden die Ideen in <strong>der</strong> Studie Mensch & Gewässer,<br />
die im Auftrag des Ministeriums für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg vom Autorenteam Dorka,<br />
Kapfer, Konold und Schott erstellt wurde. 41<br />
In dieser disziplinenübergreifenden Studie wird das komplexe Beziehungsgefüge zwischen den Menschen und<br />
den Gewässern beschrieben und interpretiert. Dabei werden historische, technische, künstlerische und emotionale<br />
Aspekte angesprochen, das Ganze mit dem Ziel, Vorschläge für die Weiterbildung, die Öffentlichkeitsarbeit<br />
und das künftige Handeln <strong>der</strong>er zu machen, die Verantwortung für die Gewässer tragen.<br />
41 Dorka et al., 2000<br />
Seite 37<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Anlieger<br />
Bauhöfler<br />
Jugendliche<br />
Bauern<br />
Welche Gruppen<br />
sollten wir<br />
begeistern?<br />
Kin<strong>der</strong><br />
(und Eltern)<br />
„Nutzer“<br />
Zugänge<br />
schaffen<br />
Gewässergüte<br />
anzeigen<br />
Kunst<br />
Öffentlichkeits-,<br />
insbeson<strong>der</strong>e<br />
Pressearbeit<br />
Ökomobil<br />
Mit welchen Aktionen<br />
können<br />
wir Mitbürger<br />
begeistern?<br />
Gemeinschaftliche<br />
Tätigkeiten am<br />
Gewässer<br />
Vorträge<br />
Bacherlebnistage,<br />
Aktionen<br />
Mit Sympathieträgern<br />
arbeiten,<br />
z.B. Eisvogel<br />
Spiel<br />
Ergebnisse des Betreuertages 1999 <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften zum Thema „Mensch und Gewässer“, aus Dorka et al.<br />
(2000).<br />
Das Forum von Waiblingen, <strong>der</strong> Workshop in Vaihingen/Enz und die Studie „Mensch & Gewässer“ fanden ihre<br />
Fortsetzung im Projekt „Gewässerpädagogik“, bei dem die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft bei diesem bundesweit<br />
einmaligen Vorhaben eine führende Rolle übernahm. Grundsätzlich war <strong>der</strong> Bedarf nach Fortbildungsangeboten<br />
und weiterführenden pädagogischen Konzepten, mit denen die Gesellschaft für Gewässer,<br />
insbeson<strong>der</strong>e naturnahe Gewässern begeistert werden könnte, deutlich geworden. Eine solche Aufgabe<br />
überstieg dennoch die Möglichkeiten <strong>der</strong> Betreuer und <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft. Da man jedoch sicher<br />
war, mit dieser Idee auf dem richtigen Weg zu sein, wurde beschlossen, das Projekt Gewässerpädagogik mit<br />
kleineren Aktionen zu beginnen. Etliche erfolgreiche Aktivitäten und positive<br />
Rückmeldungen führten schließlich dazu, dass sich das Projekt im<br />
Laufe <strong>der</strong> Jahre neben den Gewässernachbarschaften, dem Erfahrungsaustausch<br />
für den Betreib von Hochwasserrückhaltebecken und den<br />
Hochwasserpartnerschaften zu einem eigenständigen Standbein <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
entwickelte.<br />
Ziel des Projekts waren zu Beginn folgende Aspekte:<br />
die Erhöhung <strong>der</strong> Akzeptanz von Gewässerentwicklungsmaßnahmen<br />
bei <strong>der</strong> Bevölkerung,<br />
bei Nichtfachleuten die Einsicht für eine naturnahe Gewässerentwicklung<br />
zu steigern,<br />
Fortbildungen für mehrere Zielgruppen in <strong>der</strong> Gesellschaft anzubieten,<br />
damit verbunden<br />
• die Erstellung von zielgruppenspezifischen gewässerpädagogischen<br />
Materialien und<br />
• die Schaffung eines Fortbildungsnetzwerks.<br />
Als Zielgruppen sah man Kin<strong>der</strong>, Jugendliche und Erwachsene in Kin<strong>der</strong>gärten,<br />
Grundschulen, den Haupt- und weiterführenden Schulen, in Hochschulen,<br />
Volkshochschulen, die Entscheidungsträger und Gemein<strong>der</strong>äte<br />
Die Wahrnehmung <strong>der</strong> Gewässer<br />
wird durch Spielen enorm erhöht.<br />
Aufn.: W. Konold.<br />
in den Kommunen, die Mitarbeiter <strong>der</strong> Wasserwirtschafts- und Naturschutzverwaltung sowie interessierte Bürger.<br />
Die vollständige Erarbeitung zielgruppenorientierter Fortbildungsunterlagen war aus ökonomischen Gründen<br />
nicht realisierbar. Deswegen wurden Einzelmaßnahmen in Angriff genommen, um dennoch schnell und<br />
öffentlichkeitswirksam Erfolge vorweisen zu können. Die höchste Priorität wurde auf die Zielgruppe <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />
gelegt, mit <strong>der</strong> neben einem unmittelbar pädagogischen Erfolg und einer hoffentlich nachhaltigen Wirkung<br />
ein Schneeball-Effekt auf die Eltern und Erzieher erwartet wurde.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 38
Das Zielgruppenspektrum ist mittlerweile auf Erwachsene erweitert worden. So ist man beispielsweise beteiligt<br />
am EU-Projekt „Artery“ (siehe weiter unten), wo die Teilprojekte eine jeweils unterschiedliche Trägerschaft haben<br />
und von diesen auch umgesetzt werden. Da alle Entscheidungen über die Gewässerpädagogik vom<br />
Beirat für die „Gewässernachbarschaften“ getroffen werden, sind die Aktivitäten bei<strong>der</strong> Schwerpunkte gut<br />
abgestimmt und oft ineinan<strong>der</strong> verflochten. So besitzen einige Themen, die bei den kleinen Betreuertagen <strong>der</strong><br />
Gewässernachbarschaften behandelt werden, einen gewässerpädagogischen Akzent: Nach <strong>der</strong> ersten, o.g.<br />
Veranstaltung „Mensch & Gewässer“ folgten 2001 „Gewässerpädagogik“ und 2003 ein kleiner Betreuertag,<br />
bei dem unter an<strong>der</strong>em die Themen „Kunst im und am Gewässer“ und „urbane Gewässer“ Platz fanden.<br />
Es gab und gibt weitere Aktivitäten, die unter die Überschrift „Gewässerpädagogik“ zu stellen sind. Sie seien Im<br />
Folgenden erläutert.<br />
Wan<strong>der</strong>ausstellung Fließgewässer für Schulklassen, Familien und<br />
ErzieherInnen<br />
Mit <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>ausstellung, die ganz am Anfang <strong>der</strong> Aktivitäten stand,<br />
sollte versucht werden, den Zielgruppen die Bedeutung und Notwendigkeit<br />
einer naturnahen Gewässerentwicklung auf spielerische Weise<br />
zu vermitteln. Die Ausstellung besteht daher aus verschiedenen Objekten,<br />
mit denen Kin<strong>der</strong> und ihre Begleitpersonen interaktiv zum Nachfragen<br />
und Nachdenken angeregt werden. Themen sind etwa die<br />
Bedeutung <strong>der</strong> Gewässergüte für die Bewohner des Wassers, die<br />
Durchgängigkeit von Fließgewässern, die Auswirkungen <strong>der</strong> Laufverkürzung<br />
auf die Fließgeschwindigkeit und die Hochwasserbildung und<br />
die Folgen eines Hochwassers in einer versiegelten urbanen Landschaft<br />
im Vergleich zu einer weit gehend natürlichen Auenlandschaft. 42 Die<br />
Wan<strong>der</strong>ausstellung wurde seit ihrer Eröffnung im Frühjahr 2003 in zahlreichen<br />
Naturschutzzentren (u.a. Karlsruhe-Rappenwört, Ruhestein, Bad<br />
Wurzach und Südschwarzwald)<br />
gezeigt. Erfreulich ist, dass zunehmend Kommunen und Schulen Interesse<br />
an <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>ausstellung finden. So wurde sie bereits in Bopfingen<br />
und Bühl gezeigt.<br />
Artery – Menschen an den Fluss<br />
(für Kin<strong>der</strong> und Erwachsene)<br />
Anfang des Jahres 2004 konnte das Projekt „Menschen an den Fluss“<br />
begonnen werden. Es ist ein Teil des umfangreiches EU-Projekt namens<br />
„Artery“, das die ökonomisch und ökologisch nachhaltige Entwicklung<br />
von Flusslandschaften in Europa zum Ziel hat. Finanziert wird das Projekt<br />
„Menschen an den Fluss“ <strong>zur</strong> Hälfte aus Interreg IIIB-Mitteln (artery)<br />
sowie vom Rechtsnachfolger <strong>der</strong> Gewässerdirektion Nördlicher Oberrhein,<br />
dem Regierungspräsidium Karlsruhe und <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
zu je 25 Prozent. Die Projektkoordination hat <strong>der</strong><br />
Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim übernommen, die<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft führt das Projekt durch. „Menschen an<br />
den Fluss“ ist einer von drei Teilen von „Artery“ und verfolgt eine Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit durch<br />
gezielte Bildungsangebote und Aktionen für Kin<strong>der</strong> und Erwachsene.<br />
Parallel zum Pilotprojekt am Neckar laufen Aktionen und Untersuchungen<br />
in an<strong>der</strong>en Flusslandschaften Europas, so am Neckar und an <strong>der</strong><br />
Ruhr, an <strong>der</strong> Mersey (GB) und am IJssell (NL). Die Aktionsangebote und Materialien, die im Pilotprojekt erarbeitet<br />
werden, werden so gestaltet, dass sie in an<strong>der</strong>en Regionen Europas ebenfalls verwendbar sind. Dazu ha-<br />
42 Lyachenko, 2003<br />
Seite 39<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
en bisher zwei Workshops zum Erfahrungsaustausch stattgefunden. Ein Guidebook (EU) bzw. ein Leitfaden<br />
„Wege zum Fluss“ mit <strong>der</strong> Beschreibung von Strategien <strong>zur</strong> Bewusstseinsbildung und Verankerung von von<br />
Fluss-Wissen wird bis zum Projektende entstehen. Unter Einsatz verschiedener „Module“ bietet das Projekt einer<br />
breiten Bevölkerung in <strong>der</strong> Region zwischen Heidelberg und Mannheim die Möglichkeit, die verschiedenen<br />
Facetten „Ihres Flusses“ wie<strong>der</strong>zuentdecken. Grundlegend setzt das Projekt „Menschen an den Fluss“ auf ein<br />
emotionales Lernen mit erlebnis- und handlungsorientierten Methoden. Hierfür wurde eigens die „Flusspädagogin“<br />
Birgit Beermann bei <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft eingestellt. Zur Verankerung des Projektes in <strong>der</strong><br />
Region wurde ein regionales„Neckar-Netzwerk mit unterschiedlichen Akteuren aus Umweltverbänden, Fachbehörden,<br />
Institutionen, Kommunen und fachkundigen Einzelpersonen gegründet. Mit Unterstützung dieser<br />
Neckar-Spezialisten war es möglich die Aktionstage „Schulen an den Fluss“ sowie Volkshochschulprogramme<br />
mit dem Themenschwerpunkt Neckar anzubieten. Die Aktionstage „Schulen an den Fluss“ boten Grundschulklassen<br />
zwischen Heidelberg und Neckar jeweils ein Programm mit Veranstaltungen zum Lebensraum Neckar,<br />
Naturschutz und <strong>zur</strong> Kultur am Fluss. Bei den jährlich stattfindenden Aktionstagen „Schulen an den Fluss“ waren<br />
rund 60 Schulklassen am Neckar unterwegs. Mit Aktionen wie „Der Neckar lebt – auf <strong>der</strong> Suche nach Kleinstlebewesen<br />
im Neckar“ o<strong>der</strong> „Land-Art: die Natur mit an<strong>der</strong>en Augen sehen“ bekamen die Kleinen die Möglichkeit,<br />
sich in Wasserforscher zu verwandeln und ihre künstlerischen Fähigkeiten mit Naturmaterialien direkt am<br />
Fluss zu entfalten. Dabei erfuhren sie allerlei Interessantes über die Flüsse, ihre tierischen Bewohner und ihre<br />
Geschichte.<br />
Der Neckar als Vorbild für eine nachhaltige Beziehung zwischen Mensch & Gewässer<br />
Der gesamte Neckarlauf und <strong>der</strong> größte Teil seines Einzugsgebietes gehören exklusiv dem Land Baden-Württemberg.<br />
Der Neckar verbindet badische und württembergische Regionen miteinan<strong>der</strong> und hat Anteil an allen vier Regierungsbezirken.<br />
Lange Zeit in Vergessenheit geraten und von Aktionen an Rhein und Donau überschattet, ist <strong>zur</strong> Jahrtausendwende<br />
nun <strong>der</strong> Neckar zu einem Schwerpunkt <strong>der</strong> Umwelt-, Hochwasserschutz- und Wasserbaupolitik des Landes<br />
geworden.<br />
Zum Ikon wurde <strong>der</strong> Neckar im Großprojekt des Landes IKoNE, das ein flussgebietsbezogenes<br />
und gremienübergreifendes Handeln anstrebt. Der Verband Region Stuttgart<br />
schuf darüber hinaus das Projekt „Lebensraum Neckarpark“, um ein ausgewogenes<br />
Miteinan<strong>der</strong> von Wirtschaft und Umwelt zu erreichen. BUND und NABU starteten die Aktion<br />
„Lebendiger Neckar“ <strong>zur</strong> ökologischen und biologischen Verbesserung des Zustandes des<br />
Flusses und seiner Talaue. Auch die Volkshochschulen griffen den Neckar als Bildungsthema<br />
auf. Unter dem Rahmenthema „Der Neckar und seine Flusslandschaft als Lebensa<strong>der</strong> und<br />
Lebensraum: Portrait und Biographie eines Flusses“ erarbeiteten sie ein Projekt, um möglichst<br />
viele Menschen für den Neckar zu interessieren und zu aktivieren. 43 Daran hat auch die<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft Anteil. Unterstützt vom Land, initiierte sie neue Aktionen und beteiligte sich mit Volkshochschulen,<br />
Nachbarschaftsverbänden und an<strong>der</strong>en Einrichtungen an Vorhaben <strong>zur</strong> Stärkung des Bewusstseins für<br />
gesunde Gewässer im Einzugsgebiet des Neckars.<br />
Angebot mit Volkshochschulen<br />
In Kooperation mit den Volkshochschulen Heidelberg und Mannheim wurde mit Unterstützung des Neckar-<br />
Netzwerks die Reihe „Menschen an den Fluss“ für die Volkshochschulen Heidelberg (Sommersemester 2005,<br />
2006) und Mannheim (Sommersemester 2005) gestartet. Das Angebot richtete sich an Erwachsene, Familien<br />
und Kin<strong>der</strong> und umfasste eine große Vielfalt von Themen: stadtgeschichtliche Führungen, z.B. um die Funktionsweise<br />
von Wasserkraftanlagen am Neckar kennen zu lernen, geologische Wan<strong>der</strong>ungen im Neckartal,<br />
Kanutouren auf <strong>der</strong> Jagst o<strong>der</strong> Vorlesungen und Exkursionen, um die artenreiche Fauna des unteren Neckars<br />
zu erkunden.<br />
43 Degenhardt, 2001<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 40
Gewässerführerausbildung<br />
Die Ausbildung von Gewässerführern ist ein Projekt <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft, das sich noch in <strong>der</strong> Probephase<br />
befindet. Der Begriff Gewässerführer wurde seit 2001 von Volkshochschulen verwendet, die sich frühzeitig<br />
für die Verbesserung <strong>der</strong> Beziehung zwischen Mensch und Gewässer engagierten und diese Beziehung in<br />
ihren Programmen thematisierten. <strong>Von</strong> Anfang an wurden die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft und die Betreuer<br />
<strong>der</strong> Gewässernachbarschaften als Referenten mit ins Boot genommen. Die Gewässerführerkurse lösten eine<br />
unerwartet große Nachfrage aus, wodurch das Problem entstand, dass die Anzahl <strong>der</strong> Anbieter und damit die<br />
Qualität <strong>der</strong> Ausbildung außer Kontrolle geraten könnten. Das damalige Ministerium für Umwelt und Verkehr<br />
erkannte frühzeitig diese Gefahr und veranlasste die Fortbildungsgesellschaft, ein Konzept und die Materialien<br />
für eine fachlich fundierte Gewässerführerausbildung zu erarbeiten. Sie sollte für alle Regionen verwendbar<br />
sein und einen Qualitätsstandard sichern. Die Unterlagen wurden von <strong>der</strong> eigens dafür zusammengestellten<br />
„Projektgruppe Gewässerführerausbildung“ erarbeitet, eine Gruppe von Fachleuten aus den Umwelt- und<br />
Wasserwirtschaftsbehörden, Universitäten und <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft selbst.<br />
Ziel <strong>der</strong> Ausbildung ist, neben <strong>der</strong> Vermittlung von interdisziplinären Kenntnissen über Gewässer die Begeisterung<br />
für Wasser und Gewässer zu wecken. Die Auszubildenden sollen ihre eigene Begeisterung auf die Teilnehmer<br />
von Führungen übertragen. Darüber hinaus sollen Gewässerführer Multiplikatoren sein und dazu<br />
beitragen, die Bevölkerung an die Gewässer heranzuführen und <strong>der</strong>en Identifizierung mit den Gewässern zu<br />
för<strong>der</strong>n 44 . Die Schulungen haben bislang in mehreren Städten in Baden-Württemberg stattgefunden, zuletzt in<br />
Freiburg.<br />
Pädagogische Themen bei den „Kleinen Betreuertagen“ <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften<br />
Auch den Betreuerinnen und Betreuern <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften werden gewässerpädagogische und<br />
an<strong>der</strong>e Themen mit Bezug zum Menschen angeboten. Das Angebot wird prinzipiell im Rahmen <strong>der</strong> „kleinen<br />
Betreuertage“ gemacht und dient <strong>der</strong> Weiterbildung <strong>der</strong> Betreuer und För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Reflexion und Diskussionskultur<br />
zu brisanten Fragen o<strong>der</strong> Problemen, die in <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> nachhaltigen Gewässerentwicklung auftauchen.<br />
Die größte Veranstaltung im Bereich <strong>der</strong> Gewässerpädagogik fand 2000 im Rahmen des ersten „kleinen Betreuertages“<br />
in Ulm statt, <strong>der</strong> den gleichnamigen Titel „Gewässerpädagogik“ trug. Neben <strong>der</strong> Gewässerpädagogik<br />
wurden die Bürgerbeteiligung und die ästhetische Gestaltung von urbanen Gewässern<br />
angesprochen. Die Beiträge dazu wurden im Statusbericht 2000/2001 veröffentlicht und zeigen den Stand<br />
dieser drei Themenschwerpunkte in Deutschland. Mehrere Vorträge handelten über Renaturierungsprojekte<br />
von urbanen Gewässern – von <strong>der</strong> Pegnitz in Nürnberg, des Krähenbachs in Möhringen – und schil<strong>der</strong>ten einige<br />
Möglichkeiten, wie die Interessen <strong>der</strong> Bevölkerung mit den ökologischen Zielsetzungen in Einklang gebracht<br />
werden können. Überraschend und innovativ waren die Beispiele über die Integration von Gewässern in <strong>der</strong><br />
Stadt, die Herbert Dreiseitl vorstellte. Was die Agenda 21-Büros sind und mit welchen Projekten sie auch Fragen<br />
<strong>der</strong> Gewässerentwicklung behandeln, wurde von Gerd Oelsner von <strong>der</strong> LfU erläutert; und aus dem Neckar-<br />
Raum wurden die gewässerpädagogischen Programme für Erwachsene und Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> Volkshochschulen und<br />
des Nachbarschaftsverbandes Heidelberg-Neckar vorgestellt: Insgesamt ein sehr anspruchsvolles und umfassendes<br />
Programm!<br />
Der Kleine Betreuertag 2003 stand unter dem Motto „Urbane Gewässer, verän<strong>der</strong>te Gewässer, Wasserrahmenrichtlinie“.<br />
Hier trat <strong>der</strong> Mensch beim Vortrag von Oliver Kaiser wie<strong>der</strong> in den Vor<strong>der</strong>grund, <strong>der</strong> das Bürgerprojekt<br />
StadtGewässer in Freiburg vorstellte. Im Rahmen einer Studie an <strong>der</strong> Universität Freiburg, in <strong>der</strong> die Entwicklungspotenziale<br />
<strong>der</strong> Freiburger Bächle und Kanäle untersucht wurden, wurde eine innovative Bürgerbeteiligung<br />
angespornt und mo<strong>der</strong>iert, in <strong>der</strong> Freiburger Bürger und Fachbehörden gemeinsam umsetzungsorientierte<br />
Konzepte für zwei urbane Gewässer erarbeiteten.<br />
44 Skriptum für Gewässerführer/innen <strong>der</strong> Gewässerausbildung in Freiburg<br />
Seite 41<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Als Entwicklungsziele stand nicht die<br />
Naturnähe, wie es bei <strong>der</strong> Gewässerrenaturierung<br />
üblich ist, son<strong>der</strong>n standen<br />
vielmehr die Bedürfnisse <strong>der</strong> Menschen<br />
an die städtischen Gewässer im Vor<strong>der</strong>grund:<br />
eine gute Erlebbarkeit, Zugänglichkeit,<br />
Attraktivität und städtebauliche<br />
Integration. 45<br />
Ein Jahr später, im September 2004, wurde<br />
<strong>der</strong> 12. Betreuertag mit einem Aktionstag<br />
am Gewässer gefeiert. Der erste<br />
Aktionstag hatte zwei Jahre davor <strong>zur</strong><br />
Feier des zehnjährigen Jubiläums <strong>der</strong><br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft stattgefunden<br />
und war ein großer Erfolg gewesen.<br />
2004 fanden sich wie<strong>der</strong> weit über<br />
100 Teilnehmer aus Kommunen, <strong>der</strong><br />
Fachverwaltung und den Hochschulen<br />
an <strong>der</strong> Rotach in Friedrichshafen ein.<br />
Schulklassen und Eltern mit Kin<strong>der</strong>n besuchten<br />
die Stationen, die am Fluss und<br />
Kin<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Schreienesch-Grundschule in Friedrichshafen hören Wassermusik<br />
an <strong>der</strong> Rotach beim 12. Betreuertag 2004 in Friedrichshafen.<br />
Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
am Bodenseeufer aufgebaut waren. Die Flusspädagogin <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft konnte den Kin<strong>der</strong>n<br />
auf spielerische Weise die Eigenarten <strong>der</strong> Fließgewässer und die Zukunftsvisionen für die Gewässer vermitteln<br />
und ihre Begeisterung für naturnahe Gewässer mit allen Sinnen wecken. So bestand eine Aufgabe darin,<br />
nach einer Einführung und Sensibilisierung des Hörsinns über naturpädagogische Spiele mit Stangen und Trichtern<br />
die „Musik des Wassers“ – Plätschern, Rauschen, Zischen… – hörbar zu machen. 46<br />
Sonstige Aktivitäten<br />
Eine weitere gewässerpädagogische Aktivität versucht, die Akzeptanz von Umgestaltungsprojekten am Neckar<br />
bei <strong>der</strong> Bevölkerung zu erhöhen. Mit Erlebnisangeboten und einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit werden<br />
Maßnahmen <strong>zur</strong> Uferaufweitung und Verbesserung <strong>der</strong> Zugänglichkeit und Erlebbarkeit pädagogisch begleitet.<br />
Genannt seien <strong>der</strong> Aktionstag „Lebendiger Neckar“ – eine Flussentdeckungsralley für Familien – und <strong>der</strong><br />
Kin<strong>der</strong>-Umwelt-Kongress <strong>der</strong> Stadt Heidelberg, <strong>der</strong> in Oktober 2004 stattfand und an <strong>der</strong> die Flusspädagogin<br />
<strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft eine aktive Rolle spielte.<br />
45 Kaiser, 2003<br />
46 Beermann, 2005<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 42
6 Hochwasserpartnerschaften<br />
Nach den gewaltigen Hochwasserereignissen im Jahr 2002 im Elbe- und<br />
Donaueinzugsgebiet rückte <strong>der</strong> Hochwasserschutz einmal mehr ins Blickfeld<br />
<strong>der</strong> Politik, und zwar nicht nur in den betroffenen Bundeslän<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n<br />
überall in Deutschland. In Baden-Württemberg verdoppelten sich in den<br />
darauf folgenden Jahren trotz <strong>der</strong> generellen finanziellen Engpässe die<br />
Ausgaben für den Hochwasserschutz. Die Hochwasserschutzstrategie des<br />
Landes baut, neben dem technischen Hochwasserschutz, auf das Flächenmanagement<br />
und die Hochwasservorsorge. Im April 2003 wurde die Leitlinie<br />
„Hochwassergefahr und Strategien <strong>zur</strong> Schadensminimierung in Baden-<br />
Württemberg“ gemeinsam vom damaligen Ministerium für Umwelt und<br />
Verkehr, dem Wirtschaftsministerium und dem Innenministerium veröffentlicht.<br />
Es wurde die Notwendigkeit unterstrichen, Hochwassergefahrenkarten<br />
zu erarbeiten, welche für alle Gewässerstrecken mit einem<br />
Einzugsgebiet größer als 10 km 2 die Bedrohung durch Hochwasser darstellen.<br />
Aufbauend auf diesen Gefahrenkarten sollen im Rahmen <strong>der</strong> Flächenvorsorge<br />
raumordnerische Festlegungen von Vorrang- und<br />
Vorbehaltsgebieten gesichert werden. Die neuesten Än<strong>der</strong>ungen im Wassergesetz ergänzen diese Regelungen.<br />
Danach sind Siedlungserweiterungen<br />
im Überschwemmungsbereich<br />
außer in Ausnahmefällen<br />
untersagt.<br />
Diese Regelungen können jedoch<br />
nicht <strong>zur</strong> erwünschten Reduzierung<br />
<strong>der</strong> Hochwasserschäden<br />
führen, wenn bei den Entscheidungsträgern<br />
kein ausreichendes<br />
Bewusstsein für die Hochwasservorsorge<br />
vorhanden ist. Die Erfahrungen<br />
haben mehrfach gezeigt,<br />
dass Hochwassergefahren schon<br />
bald nach einem Hochwasserereignis<br />
verdrängt werden. Dies<br />
führt oft zu planerischen und baulichen<br />
Fehlentscheidungen, die<br />
bei kommenden Hochwässern zu<br />
Schäden führen, die bei einer<br />
effektiven Vorsorge vermeidbar<br />
gewesen wären. Deshalb ist die<br />
nachhaltige Bewusstseinsbildung<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft, vor allem <strong>der</strong><br />
Entscheidungsträger, einer <strong>der</strong><br />
wichtigsten Bausteine <strong>der</strong> Hochwasservorsorge.<br />
Die Hochwasserpartnerschaften<br />
Hochwasserschutzstrategie des Landes. Quelle: Broschüre „Hochwasservorsorge„<br />
vom MUV Baden-Württemberg, 2003.<br />
entstanden daher 2003 mit dem<br />
Ziel, die Öffentlichkeit und insbeson<strong>der</strong>e<br />
die Entscheidungsträger<br />
über die mögliche räumliche<br />
Ausbreitung von Hochwasserereignissen<br />
zu informieren, um ein<br />
Bewusstsein zuschaffen und Informationen<br />
in Sachen Hochwasserschutz<br />
zu verbreiten. Die <strong>WBW</strong><br />
Seite 43<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Fortbildungsgesellschaft übernahm dabei die Aufgabe <strong>der</strong> Vorbereitung, Organisation und Koordination eines<br />
Erfahrungsaustausches zum Thema vorsorgen<strong>der</strong> Hochwasserschutz.<br />
Angesprochen werden sollen die Kommunen,<br />
insbeson<strong>der</strong>e die Bürgermeister, aber auch die<br />
Unteren Wasserbehörden, die Unteren Behörden<br />
<strong>der</strong> Gefahrenabwehr und des Katastrophenschutzes,<br />
die technischen Fachbehörden<br />
(ehemalige Gewässerdirektionen, seit 2005 in<br />
die LRÄ und RPen eingeglie<strong>der</strong>t), die Verbände<br />
und, unter bestimmten Voraussetzungen,<br />
z.B. bei beson<strong>der</strong>em Gefahrenpotential, Industrie-<br />
und Gewerbebetriebe eines Einzugsgebietes.<br />
Die Bürgerinnen und Bürger wurden<br />
durch die Hochwasserpartnerschaften indirekt<br />
über die Behörden <strong>der</strong> Kommunen erreicht.<br />
Dafür stellt die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
den Kommunen Materialien <strong>zur</strong> Verfügung.<br />
Der Beirat für diesen Erfahrungsaustausch setzt<br />
sich aus Vertretern zusammen, die sich schon<br />
<strong>zur</strong> Ausarbeitung <strong>der</strong> Leitlinie „Hochwasserschutz-Strategie“<br />
zusammengefunden haben<br />
(siehe Organigramm). Die Hochwasserpartnerschaften<br />
sind Zuständigkeitsgebiete, die sich<br />
entsprechend den Vorgaben <strong>der</strong> Europäischen<br />
Wasserrahmenrichtlinie an Flusseinzugsgebieten<br />
und nicht, wie im Falle <strong>der</strong> Organigramm <strong>der</strong> Hochwasserpartnerschaften<br />
Gewässernachbarschaften<br />
und <strong>der</strong> Stauwärternachbarschaften,<br />
an administrativen Grenzen orientieren.<br />
Die für Deutschland abgegrenzten Flussgebiete<br />
wurden für das Land Baden-Württemberg weiter<br />
unterteilt.<br />
Für jede Partnerschaft ist ein Mo<strong>der</strong>ator zuständig.<br />
In <strong>der</strong> Regel handelt es sich um einen Vertreter aus<br />
den Kommunen, Landratsämtern, Regionalverbänden<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Wasserwirtschaftsverwaltung.<br />
Seine Funktion ist, im Gegensatz zum Betreuer <strong>der</strong><br />
Gewässernachbarschaften und <strong>der</strong> Stauwärternachbarschaften,<br />
nicht die eines Lehrers o<strong>der</strong><br />
Fachreferenten: Der Mo<strong>der</strong>ator ist für die Organisation<br />
des Veranstaltungsortes und Terminabstimmung<br />
verantwortlich und steht als zentraler<br />
Ansprechpartner für alle Teilnehmer <strong>der</strong> Hochwasserpartnerschaften<br />
<strong>zur</strong> Verfügung.<br />
Die regelmäßigen Veranstaltungen sind als Kombination<br />
von Erfahrungsaustausch und Lehrveranstaltungen<br />
gedacht. Sie sind jedoch auch ein<br />
Forum für die an einem Flusslauf liegenden Kommunen,<br />
die mit Hilfe des Mo<strong>der</strong>ators ein Netzwerk<br />
aufbauen sollen, in dem die Belange je<strong>der</strong> Gemeinde<br />
diskutiert und Lösungen für die Hochwasserprobleme<br />
innerhalb <strong>der</strong> Hochwasserpartnerschaft<br />
erarbeitet werden können.<br />
Bereits existierende Hochwasserpartnerschaften, Stand August<br />
2006.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 44
In den jährlich stattfindenden Veranstaltungen<br />
sollen die verschiedensten<br />
zwei bis drei Themenschwerpunkte,<br />
je nach Bedarf,<br />
behandelt werden. Dafür können<br />
von <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
und ggf. auf Anfrage <strong>der</strong><br />
Mo<strong>der</strong>atoren qualifizierte Referenten<br />
für spezifische Themen ausgewählt<br />
und eingeladen werden.<br />
Eine Auswahl <strong>der</strong> Themenblöcke, die<br />
für die kommenden Jahre vorgesehen<br />
ist:<br />
Hochwasseraktionspläne<br />
Alarm- und Einsatzpläne für Gefahrenabwehr<br />
und Katastrophenschutz<br />
Deich- und Dammverlegung<br />
Erläuterung <strong>der</strong> Gefahrenkarten<br />
und Interpretation <strong>der</strong> Gefährdungen<br />
Nachhaltige Bewusstseinsbildung bei Bürgern, Industrie und Gewerbe<br />
Hochwassersichere Öllagerung<br />
Lagerung und Umgang mit sonstigen wassergefährdenden Stoffen<br />
in <strong>der</strong> Industrie<br />
Hochwasserangepasste Nutzung und bewusstes Bauen, Objektschutz<br />
Verhaltenvorsorge<br />
Gefahren durch Oberflächenwasser und Hangwasser aufzeigen<br />
Bauleitplanung in hochwassergefährdeten Gebieten<br />
Umgang mit Hochwasservorhersagen<br />
Risiko durch Versicherungen<br />
Neckarhochwasser bei Bad Wimpfen 1993. Quelle: Broschüre „Integrierende<br />
Konzeption Neckar-Einzugsgebiet (IKONE)“ vom MUV Baden-Württemberg, o.J.<br />
Seit <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong> ersten Hochwasserpartnerschaft im November<br />
2003 in Wangen im Allgäu durch den damaligen Minister für<br />
Umwelt und Verkehr in Baden-Württemberg, Herrn Ulrich Müller,<br />
konnten mittlerweile elf weitere Hochwasserpartnerschaften gegründet<br />
und somit über 650 Städte und Gemeinden sowie darüber<br />
hinaus zahlreiche Fachbehörden und Institutionen zu diesem Erfahrungsaustausch<br />
eingeladen werden. Auch entlang <strong>der</strong> großen<br />
Flüsse in Baden-Württemberg wurden Hochwasserpartnerschaften<br />
gegründet und somit speziell die dort vorhandenen Problematiken<br />
aufgegriffen.<br />
Für das Jahr 2006 ist es angedacht, den Schwerpunkt bei Neugründungen<br />
weiterer Hochwasserpartnerschaften auf das Neckareinzugsgebiet<br />
zu legen. Die Themen <strong>der</strong> Hochwasserpartnerschaften<br />
ergeben sich aus den jeweiligen Regionen sowie aus <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />
mit den EU-Projekten SAFER und NOAH. Neben Informa-<br />
Faltblatt <strong>der</strong> Hochwasserpartnerschaften<br />
tionen zu den Hochwassergefahrenkarten und Aspekten <strong>der</strong> Bauleitplanung, welche sich aus den Neuerungen<br />
im Wasser- und Wasserhaushaltsgesetzes ergeben, wird <strong>der</strong>zeit in den Hochwasserpartnerschaften<br />
schwerpunktmäßig über das Thema Gefahrenabwehrmanagement informiert und hierbei konkrete Unterstützung<br />
bei <strong>der</strong> Erstellung kommunaler Hochwasseralarm- und Einsatzpläne geboten.<br />
Das große Interesse <strong>der</strong> Kommunen an den Hochwasserpartnerschaften zeigt deutlich den Bedarf an Informationen<br />
zum Thema Hochwasservorsorge und unterstreicht die Notwendigkeit <strong>zur</strong> Durchführung eines solchen<br />
Erfahrungsaustausches.<br />
Seite 45<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
7 Erfahrungsaustausch <strong>der</strong> Wasserbehörden in Baden-<br />
Württemberg<br />
Mit den Än<strong>der</strong>ungen des Wasserhaushaltsgesetzes (2002) und des Wassergesetzes für Baden-Württemberg<br />
(2004), wurden die Vorgaben <strong>der</strong> EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in nationales Recht umgesetzt. Hieraus<br />
ergibt sich für die Wasserwirtschaftsverwaltung in Baden-Württemberg eine Vielzahl an neuen Aufgaben.<br />
Beson<strong>der</strong>s die Erstellung des Monitoringprogramms<br />
sowie <strong>der</strong> Bewirtschaftungspläne<br />
innerhalb <strong>der</strong><br />
WRRL verlangt ein gemeinschaftliches<br />
Zusammenarbeiten <strong>der</strong> Wasserbehörden.<br />
Die Regierungspräsidien<br />
in Baden-Württemberg sind<br />
die verantwortlichen Flussgebietsbehörden<br />
für die einzelnen Bearbeitungsgebiete.<br />
Für die örtliche<br />
Umsetzung <strong>der</strong> WRRL in den Wasserkörpern<br />
unterstützen die unteren<br />
Verwaltungsbehörden die Flussgebietsbehörden.<br />
Erfahrungsaustausch in Tübingen am 27. Juli 2006.<br />
Das neue Thema <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
für Gewässerentwicklung<br />
mbH und <strong>der</strong><br />
Landesanstalt für Umwelt, Messungen<br />
und Naturschutz (LUBW) „Erfahrungsaustausch<br />
<strong>der</strong> Wasserbehörden<br />
(EWB)“ hat zum Ziel, den fachlichen<br />
Dialog zwischen den Regierungspräsidien, den<br />
unteren Verwaltungsbehörden und dem<br />
Fachdienst <strong>der</strong> LUBW zu för<strong>der</strong>n. Durch frühzeitige<br />
Information und Einbindung <strong>der</strong> zuständigen<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über<br />
anstehende Aufgaben soll die WRRL zielgerichtet<br />
und effektiv umgesetzt werden.<br />
Durch mo<strong>der</strong>ne Mo<strong>der</strong>ationstechnik, kurze<br />
Impulsreferate, Information an Schautafeln<br />
sowie Diskussionsrunden sollen die aktuellen<br />
Themen <strong>der</strong> WRRL bedarfsgerecht vermittelt<br />
werden. Des Weiteren bietet <strong>der</strong> Erfahrungsaustausch<br />
den zeitlichen Rahmen für einen<br />
intensiven fachlichen Dialog unter den Wasserbehörden<br />
und dem Fachdienst <strong>der</strong> LUBW.<br />
Die WRRL ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Für<br />
die Erstellung <strong>der</strong> Bewirtschaftungspläne bis<br />
Ende 2009 ist eine enge Zusammenarbeit und<br />
fachlicher Dialog <strong>der</strong> Wasserbehörden und <strong>der</strong><br />
Landesanstalt für Umwelt, Messungen und<br />
Organigramm Erfahrungsaustausch Wasserbehörden<br />
Naturschutz (LUBW) in Baden-Württemberg<br />
notwendig. Neben dem Themenfeld Umsetzung<br />
<strong>der</strong> WRRL ist zukünftig geplant, im Erfahrungsaustausch die Themen Hochwasserschutz sowie Gewässerentwicklung<br />
zu behandeln.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 46
Die <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft ist für die Organisation<br />
und die LUBW für die Fachkonzeption<br />
des Erfahrungsaustausches zuständig. Sie werden<br />
durch den Beirat <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften<br />
in Baden-Württemberg bei <strong>der</strong> Durchführung und<br />
<strong>der</strong> Themenauswahl beraten.<br />
Der Erfahrungsaustausch wird für den jeweiligen<br />
Regierungsbezirk angeboten. Er soll in Ergänzung<br />
zu den Dienstbesprechungen <strong>der</strong> Regierungspräsidien<br />
sowie des Umweltministeriums (UM) und<br />
den jährlichen Fortbildungsveranstaltungen <strong>der</strong><br />
UM - Fachreferate stattfinden. Für das Jahr 2006<br />
ist zu den Themen WRRL/Fließgewässerbewertung<br />
und För<strong>der</strong>ungsinstrumente (z.B. EEG) für jeden<br />
Regierungsbezirk jeweils eine Veranstaltung geplant.<br />
Der Erfahrungsaustausch <strong>der</strong> Wasserbehörden in Baden-<br />
Württemberg wird in den vier Regierungsbezirken durchgeführt.<br />
Seite 47<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
8 Künftige Aufgaben <strong>der</strong> Gewässerentwicklung<br />
Die Arbeit <strong>der</strong> LfU (heute LUBW) und <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft dokumentiert eindrucksvoll ein Engagement<br />
für Gewässer und für diejenigen, die für die Gewässer verantwortlich sind, das bundesweit und darüber<br />
hinaus Seinesgleichen sucht. Nahezu idealtypisch wurden Erfahrungen aus <strong>der</strong> Praxis, neue Erkenntnisse<br />
aus <strong>der</strong> Wissenschaft und neue rechtliche Rahmenbedingungen von <strong>der</strong> Fachverwaltung aufgegriffen und<br />
miteinan<strong>der</strong> verknüpft und zu gut lesbaren Leitfäden für die Fachpraxis verarbeitet. Für die Aufgaben <strong>der</strong> <strong>WBW</strong><br />
Fortbildungsgesellschaft wurden Themen ausgewählt und didaktisch-pädagogisch so aufbereitet und vermittelt,<br />
dass die zuständigen Praktiker in den Städten und Gemeinden, also bei den Gewässerunterhaltungspflichtigen,<br />
in die Lage versetzt wurden, eigenverantwortlich und auf hohem fachlichen Standard mit den<br />
Gewässern umzugehen.<br />
Manche <strong>der</strong> behandelten Themen werden Daueraufgaben sein, an<strong>der</strong>e, nicht min<strong>der</strong> wichtige werden hinzukommen.<br />
Manche Themen eignen sich exklusiv für die Beratungsarbeit <strong>der</strong> Fortbildungsgesellschaft, an<strong>der</strong>e<br />
benötigen die breite Kompetenz und den langen Atem einer selbstbewussten, in je<strong>der</strong> Hinsicht offenen wasserwirtschaftlichen<br />
Fachverwaltung. Im Folgenden werden die Rahmenbedingungen und die wichtigsten<br />
Handlungsfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> künftigen wasserwirtschaftlichen Praxis vorgestellt.<br />
Der dreifache Rahmen<br />
Die Wasserwirtschaft <strong>der</strong> kommenden Jahre und Jahrzehnte wird sich innerhalb eines Rahmens bewegen, <strong>der</strong><br />
sich zusammensetzt aus (a) dem Nachhaltigkeitsparadigma, (b) den Vorgaben <strong>der</strong> Wasserrahmenrichtlinie<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union und (c) <strong>der</strong> Anpassung an den Klimawandel. Des Nachhaltigkeitskonzepts bedienen<br />
sich mittlerweile die verschiedenen Ebenen <strong>der</strong> Politik, wenn auch oft noch rein verbal, wobei je nach Blickwinkel<br />
<strong>der</strong>er, die diesbezügliche Gedanken vortragen, die<br />
Schwerpunktsetzung auf eine <strong>der</strong> drei Säulen <strong>der</strong> Nachhaltigkeit<br />
verschieden ausfällt. Eine zunehmend größere Rolle spielen<br />
– gestützt auf die soziokulturelle Säule – Fragen <strong>der</strong> Beteiligung<br />
<strong>der</strong> Öffentlichkeit bei <strong>der</strong> Umsetzung von rechtlichen und planerischen<br />
Instrumenten. Während das Nachhaltigkeitskonzept<br />
einen rein normativen Charakter hat, ist die Wasserrahmenrichtlinie<br />
ein Gesetz, das seinen Nie<strong>der</strong>schlag in <strong>der</strong> Bundesund<br />
Län<strong>der</strong>gesetzgebung gefunden hat und das in seiner Auslegung<br />
<strong>der</strong> Rechtssprechung bedarf. Die allenthalben spürbare<br />
Unsicherheit im Umgang mit Begriffen und Inhalten <strong>der</strong> Richtlinie<br />
spiegelt die noch wenig umfangreiche Rechtssprechung<br />
wi<strong>der</strong>. Hinzu kommen ungenaue Übersetzungen aus dem Englischen,<br />
die mit <strong>der</strong> bislang gebräuchlichen deutschen Fachterminologie<br />
nicht im Einklang stehen. Das Ziel <strong>der</strong><br />
Wasserrahmenrichtlinie ist das Erreichen eines „guten ökologischen<br />
Zustandes“ <strong>der</strong> Oberflächengewässer, eines „guten<br />
Zustandes“ des Grundwassers, das Verbot <strong>der</strong> Verschlechterung<br />
eines einmal erreichten guten Zustandes sowie die aktive<br />
Beteiligung <strong>der</strong> Öffentlichkeit bei <strong>der</strong> Planung und Umsetzung<br />
<strong>der</strong> Vorgaben <strong>der</strong> WRRL. 47 Für künstliche und stark verän<strong>der</strong>te<br />
Gewässer sind ein „guter chemischer Zustand“ und das „gute<br />
ökologische Potential“ zu erreichen. Die Bewertung <strong>der</strong> Ökologie<br />
stützt sich hierbei auf die Komponenten (1) Biotik, hier die<br />
Flora (Algen bis Makrophyten), das Makrozoobenthos und die<br />
Fischfauna, (2) Hydrologie und Hydromorphologie, darunter<br />
Abflussparameter und Gewässerstrukturmerkmale (mit dem<br />
wichtigen Indikator Durchgängigkeit), sowie (3) <strong>der</strong> chemisch-<br />
Die Quelle, <strong>der</strong> Prototyp des grundwasserabhängigen<br />
Ökosystems. Aufn.: W. Konold<br />
47 Hier kommt in <strong>der</strong> WRRL das Konzept <strong>der</strong> nachhaltigen Entwicklung bzw. <strong>der</strong> „Geist von Rio“ zum Vorschein.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 48
physikalische Zustand. Die biologischen Komponenten sind, obwohl am aufwändigsten zu erheben, bei <strong>der</strong><br />
Bewertung <strong>der</strong> Gewässer dominant, da man davon ausgeht, dass Organismen und Lebensgemeinschaften<br />
integrierend am besten den Zustand eines Gewässers wie<strong>der</strong>geben.<br />
Mittelbar über die Oberflächengewässer und die Grundwasserkörper will die Wasserrahmenrichtlinie auch die<br />
„(grund)wasserabhängigen Landökosysteme“ schützen, und zwar weit gehend unabhängig davon, ob sie auf<br />
natürliche Weise o<strong>der</strong> infolge menschlicher Eingriffe entstanden sind. Diese For<strong>der</strong>ung ist deshalb von beson<strong>der</strong>em<br />
Gewicht, als sie implizit die Kommunikation und die Vernetzung von Lebensräumen über das Medium<br />
Wasser zum Ausdruck bringt. Interpretiert man die For<strong>der</strong>ung tiefer gehend, so wird <strong>der</strong> hohe Stellenwert <strong>der</strong><br />
Auen als komplexen, Grund- und Oberflächenwasser-geprägten Systemen und <strong>der</strong>en Schutzwürdigkeit überdeutlich.<br />
Potenziale seien, so die WRRL, über so genannte Bewirtschaftungspläne zu ermitteln, in die Maßnahmen aufzunehmen<br />
sind, die zu einem guten Zustand bzw. Potential führen und die den Vorgaben aus den Gewässerentwicklungsplänen/Gewässerentwicklungskonzepten<br />
entsprechen können. – Die Wasserrahmenrichtlinie gibt<br />
also einen klaren Rahmen vor, <strong>der</strong> für das konkrete Handeln <strong>der</strong> Wasserwirtschaft insofern vorteilhaft zu sein<br />
scheint, als die Aufgaben für einen längeren Zeitraum festgelegt und damit kalkulierbar sind.<br />
Ganz an<strong>der</strong>s ist <strong>der</strong> Charakter dessen, was unter die Überschrift Klimawandel und Anpassung an diesen Wandel<br />
zu subsumieren ist. Hier geht es um dynamische Prozesse, um den Umgang mit Unsicherheiten, um räumlich<br />
noch zu wenig auflösende Prognosen. Der Klimawandel kann sich sogar <strong>der</strong>gestalt auswirken, dass die Vorgaben<br />
und Ziele <strong>der</strong> WRRL obsolet werden und über neue Leitbil<strong>der</strong>, respektive Referenzen bei <strong>der</strong> Gewässerentwicklung<br />
diskutiert werden muss. Eine wichtige Aufgabe <strong>der</strong> nächsten Jahre wird sein, auf verschiedenen<br />
Maßstabsebenen Klimatrends für die Wasserwirtschaft zu interpretieren, Risiken abzuschätzen, Risikomanagement<br />
zu betreiben und angemessen zu reagieren. Es werden sich Verän<strong>der</strong>ungen beim Auftreten von Starknie<strong>der</strong>schlägen<br />
(Jahreszeit, Umfang, Intensität) mit entsprechenden Folgen auf die Abflussbildung, die<br />
Abflüsse und die Abflusscharakteristika (Fülle, Scheitelhöhe, Abflusskurve) ergeben, verbunden mit den entsprechenden<br />
hydraulischen Prozessen und Auswirkungen auf den Geschiebehaushalt, auf Erosion und Sedimentation.<br />
Die Auswirkungen <strong>der</strong> Klimaverän<strong>der</strong>ungen auf die Wasserwirtschaft werden seit 1998 in einem<br />
Kooperationsvorhaben „KLIWA“ <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> Baden-Württemberg und Bayern sowie des Deutschen Wetterdienstes<br />
untersucht. Erste Ergebnisse prognostizieren einen Anstieg <strong>der</strong> mittleren Hochwasserereignisse zwischen<br />
15 und 25 %.<br />
Darüber hinaus werden sich Abflussregimes verschieben und die Unterschiede zwischen Hoch- und Niedrigwasserabflüssen<br />
werden größer werden. Die Zeiten mit Niedrigwasserabflüssen werden länger sein, was zu<br />
schwierigen Stresssituationen <strong>der</strong> aquatischen Lebewelt führen wird. Stillgewässer werden größeren Wasserspiegelschwankungen<br />
ausgesetzt sein; die Wassererneuerungszeiten werden länger sein, was sich wie<strong>der</strong>um<br />
auf den Stoffhaushalt auswirkt. Die Kommunikation zwischen Grundwasserkörper und Oberflächengewässer<br />
einerseits und (grund)wasserabhängigen Landökosystemen an<strong>der</strong>erseits wird über längere Zeit des Jahres<br />
weniger stark ausgeprägt sein. – Nur angedeutet an Hand von Stichworten sei, worauf sich das „angemessene<br />
Reagieren“ beziehen kann: Verletzlichkeit <strong>der</strong> verschiedenen Gewässertypen unter Einbeziehung <strong>der</strong> Einzugsgebietscharakteristika<br />
abschätzen, Harmonisierung <strong>der</strong> Abflussbildung anstreben, dabei die Landschaftsspeicher,<br />
insbeson<strong>der</strong>e die Auen (passive Retention) aktivieren und die Grundwasserneubildung optimieren, <strong>zur</strong><br />
Vorsorge regelmäßige Gewässerschauen durchführen („wie<strong>der</strong> näher dran sein“), aktive Gewässerpflege und<br />
-unterhaltung und Gehölzpflege betreiben, nicht zuletzt unter dem Aspekt <strong>der</strong> Ufersicherung, in Ortslagen<br />
ausreichende Abflusskapazitäten schaffen unter starker Berücksichtigung <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> ökologischen<br />
Funktionen.<br />
Man sieht, dass die Wasserrahmenrichtlinie wie auch <strong>der</strong> Klimawandel enge Verbindungen <strong>zur</strong> land- und forstwirtschaftlichen<br />
Nutzung haben, weil es um Anpassungen dieser Nutzungen an einen sich än<strong>der</strong>nden Rahmen<br />
geht. Es ist also dringend notwendig, hier in einen intensiven Diskurs einzutreten.<br />
Nochmals: Mit <strong>der</strong> WRRL und dem Klimawandel treffen ein Instrument und ein Prozess aufeinan<strong>der</strong>, die aller<br />
Voraussicht nach nicht <strong>zur</strong> Deckung zu bringen sind. Das Instrument muss erfor<strong>der</strong>lichenfalls an den Prozess<br />
angepasst werden.<br />
Seite 49<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Die Handlungsfel<strong>der</strong><br />
Wasserwirtschaft, Landschaftswasserhaushalt und Naturschutz i.w.S.<br />
Die Wasserrahmenrichtlinie besitzt explizit – „guter ökologischer Zustand“, „ökologisches Potenzial“, Bewertung<br />
primär nach biologischen Merkmalen – <strong>der</strong> Klimawandel in seiner Auslegung – Verän<strong>der</strong>ung des Landschaftswasserhaushalts<br />
mit Wirkung auf die (grund)wasserabhängigen Landökosysteme – eine direkte Beziehung zum<br />
Naturschutz, damit auch <strong>zur</strong> Flora-Fauna-Habitatrichtlinie und <strong>zur</strong> Vogelschutzrichtlinie und den Län<strong>der</strong>naturschutzgesetzen.<br />
Es werden also Fachgebiete und Fachkulturen zusammengebracht, die bisher nicht immer<br />
harmonierten. Die nunmehr gemeinsamen Aufgaben und Ziele sind als große Chance zu sehen, wo sich beide<br />
Seiten auch profilieren können. Die von Seiten des Naturschutzes hier und dort vor dem Hintergrund <strong>der</strong> WRRL<br />
schon geäußerten Erwartungen können von <strong>der</strong> Wasserwirtschaft aktiv und konstruktiv aufgegriffen werden: 48<br />
Verbesserung des Naturhaushaltes in aquatischen und semiaquatischen Lebensräumen, För<strong>der</strong>ung von Renaturierungsbemühungen,<br />
Wie<strong>der</strong>herstellung naturnaher Verhältnisse in Feuchtgebieten, Verbesserung <strong>der</strong> Retention<br />
und an<strong>der</strong>es mehr. Der ausschließlich auf den Status quo bezogene Bewertungsansatz <strong>der</strong> WRRL engt<br />
allerdings die Spielräume ein, da auch ursprünglich technisch induzierte Verän<strong>der</strong>ungen des Wasserhaushalts,<br />
etwa ein hoher Grundwasserstand infolge <strong>der</strong> Stauregulierung eines Flusses, dem Verschlechterungsverbot<br />
unterworfen sind.<br />
Attraktive gemeinsame Aufgabenfel<strong>der</strong> sind:<br />
Umsetzung <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach einem guten ökologischen Zustand <strong>der</strong> Gewässer,<br />
Erarbeitung wasserwirtschaftlicher Konzepte <strong>zur</strong> Stabilisierung von Lebensräumen mit hoher Feuchtestufe,<br />
Regenerierung von Mooren, auch zum Zweck <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Retention o<strong>der</strong> zumindest <strong>der</strong> Abflusspufferung<br />
und zum Zweck <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Senkenfunktion für Nährstoffe;<br />
den Quellenschatz des Landes endlich heben, Quellen mehrdeutig zum Thema machen und das Ehrenamt<br />
aktivieren;<br />
gezielte Wie<strong>der</strong>ansiedlung und För<strong>der</strong>ung des Bibers als effektiven „Wasserwirtschaftler <strong>der</strong> Natur“, dort,<br />
wo eine verstärkte Retention sinnvoll o<strong>der</strong> vonnöten ist,<br />
Kontrolle o<strong>der</strong> gar Beseitigung von Neobiota, wo eine gemeinsame Betroffenheit gegeben ist.<br />
Auen stehen unter <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />
Obhut <strong>der</strong> Wasserrahmenrichtlinie<br />
und des Naturschutzes<br />
und sind im Zusammenhang mit<br />
<strong>der</strong> Klimaverän<strong>der</strong>ung funktional<br />
und gleichzeitig naturschutzfachlich<br />
bedeutsamer denn je. Diese<br />
hoch komplexen und jeweils individuellen<br />
Gebilde bringen neben<br />
<strong>der</strong> Hochwasserretention höchste<br />
Effekte für die wassergebundenen<br />
und grundwasserabhängigen<br />
Lebensräume, und<br />
zwar unter bruchloser Einbeziehung<br />
von stark verän<strong>der</strong>ten und<br />
künstlichen Elementen – um die<br />
Begrifflichkeiten <strong>der</strong> Wasserrahmenrichtlinie<br />
nochmals aufzu-<br />
Die Hegauer Aach: Fluss und Aue sind in einem guten Zustand. Aufn.: W. Konold<br />
greifen. Das Leitbild muss nicht,<br />
kann auch meist nicht mehr ein irgendwie rekonstruierter naturnaher, also in <strong>der</strong> Vergangenheit referenzierter<br />
Zustand sein. Prioritär ist die Re-Etablierung <strong>der</strong> Funktionen<br />
Hydro- und Morphodynamik,<br />
Optimierung <strong>der</strong> Senken- und <strong>der</strong> Retentionsfunktion,<br />
Optimierung <strong>der</strong> Grundwasserneubildung,<br />
Minimierung <strong>der</strong> Mineralisation organischer Substanz in Nie<strong>der</strong>mooren<br />
48 Dazu etwa Ma<strong>der</strong>, 2002; Hasch, Jessel, 2004.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 50
Der Revitalisierung <strong>der</strong> Auen ist also höchste Priorität ein<strong>zur</strong>äumen. Auch hier kann die Wasserwirtschaft die<br />
Ansprüche integrierendes Vorbild sein und die an<strong>der</strong>en Fachdisziplinen mitziehen.<br />
Die stehenden Gewässer, natürliche wie künstliche, spielten in <strong>der</strong> Wasserwirtschaft in <strong>der</strong> Vergangenheit bis<br />
auf die rein stoffliche Seite oft eine eher untergeordnete Rolle und wurden den Limnologen, dem Naturschutz,<br />
<strong>der</strong> Fischerei, <strong>der</strong> Naherholung und dem Tourismus überlassen. Doch sind sie im Kontext <strong>der</strong> WRRL und auch<br />
des Klimawandels von erheblichem wasserwirtschaftlichen Wert im Hinblick auf ihre Senken-, Retentions- und<br />
Pufferfunktion; wobei hier den künstlichen Gewässern – speziell den bestehenden, aber auch den ehemaligen<br />
Weihern – eine beson<strong>der</strong>s große Bedeutung zukommt. Hier müssen Potenziale abgeschätzt und Planungen<br />
gemacht werden. Darüber hinaus sind alle stehenden Gewässer (grund)wassergebundene Landökosysteme,<br />
in denen schon von <strong>der</strong> rechtlichen Seite her die Interessen von Wasserwirtschaft und Naturschutz zusammenlaufen.<br />
Wasserwirtschaft und Landwirtschaft<br />
Die Belastung <strong>der</strong> Gewässer aus diffusen Quellen ist gerade auch in vielen Regionen Baden-Württembergs<br />
nach wie vor ein drängendes Problem,<br />
das nicht auf die lange Bank geschoben<br />
werden darf. Die größte Bedeutung<br />
hat hierbei die Belastung mit Nitrat und<br />
Pflanzenschutzmitteln durch Auswaschung<br />
und Oberbodenabtrag (Erosion)<br />
und Phosphat durch Erosion, allesamt<br />
aus <strong>der</strong> Landwirtschaft stammend. Da<br />
bis auf die Beschaffung dieser Stoffe<br />
keine direkten Kosten entstehen und die<br />
Beseitigung <strong>der</strong> Umweltschäden externalisiert<br />
werden, spielt diese Tatsache<br />
betriebswirtschaftlich meist eine untergeordnete<br />
Rolle. Die landwirtschaftliche<br />
Beratung ist zu intensivieren. Das heißt,<br />
dass <strong>zur</strong> Behebung dieses Problems von<br />
Das Ausbringen von Gülle auf Schnee kann zu erheblichen Belastungen<br />
des Grundwassers und <strong>der</strong> Oberflächengewässer führen. Aufn.: W. Konold<br />
Seiten <strong>der</strong> Wasserwirtschaft eine noch<br />
engere Kooperation mit <strong>der</strong> Landwirtschaftsverwaltung<br />
eingegangen werden<br />
muss, um zusätzlich zu rechtlichen<br />
Instrumenten über Beratung, bei <strong>der</strong> auch ökonomische Aspekte einbezogen sind, zu einer nachhaltig umweltgerechten<br />
Landnutzung zu kommen. 49 Die Regelung des Cross Compliance <strong>der</strong> Gemeinsamen Agrarpolitik<br />
<strong>der</strong> EU, wonach Zahlungen für landwirtschaftliche Flächen mit ökologischen Leistungen verbunden sein<br />
müssen, kann hierbei hilfreich sein. Weitere flankierende Maßnahmen sind die konsequente Ausweisung von<br />
Gewässerrandstreifen und die Anlage von breiten, als Puffer wirksamen Gehölzsäumen.<br />
Gewässerstruktur, Längsdurchgängigkeit<br />
Diesbezüglich ist <strong>der</strong> Zustand <strong>der</strong> Gewässer in Deutschland und auch in Baden-Württemberg stark defizitär und<br />
es wird prognostiziert, dass die Auflagen <strong>der</strong> WRRL zum Erreichen eines guten ökologischen Zustandes, <strong>der</strong> sich<br />
vor allem mit <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Gewässerstruktur erreichen lässt, bis 2015 bei Weitem nicht erfüllt sein werden.<br />
Daher wird die Wie<strong>der</strong>herstellung, wo typologisch vertretbar, und die Herstellung (bei künstlichen Gewässern)<br />
einer guten Gewässerstruktur und <strong>der</strong> Durchgängigkeit eine <strong>der</strong> Daueraufgaben <strong>der</strong> Wasserwirtschaft<br />
sein. Wo möglich, sollten die Effekte über die Gewässerunterhaltung erzielt werden, um den Verfahrens- und<br />
Kostenaufwand zu minimieren. Nach einem Flächenerwerb in <strong>der</strong> Aue können Gewässerabschnitte auch sich<br />
selber überlassen bleiben. Die Kenntnisse über dadurch induzierte Verän<strong>der</strong>ungen des Geschiebehaushalts<br />
sind allerdings noch gering. – Ganz wichtig ist bei dieser Aufgabe, immer wasserbauhistorische und denkmalpflegerische<br />
Aspekte zu berücksichtigen und in Planungen einzubeziehen.<br />
49 Dazu zum Beispiel Schlecker, 2004<br />
Seite 51<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Historische Wasserbauten und -funktionen<br />
Wie bereits angedeutet, sind zahlreiche unserer Gewässer Kulturlandschaftsgewässer, teilweise schon vor langer<br />
Zeit und seit langer Zeit vom Menschen<br />
für seine Zwecke umgestaltet und<br />
umgebaut („stark verän<strong>der</strong>te Gewässer“).<br />
Etliche wurden neu gebaut, so<br />
etwa Flutkanäle und Triebwerkskanäle<br />
(„künstliche Gewässer“). Es hat sich also<br />
in <strong>der</strong> Gestalt von Gewässern ein historisches<br />
Erbe angesammelt, 50 das es aus<br />
technikhistorischer und denkmalpflegerischer,<br />
aber auch ästhetischer Sicht zu<br />
bewahren gilt. Es gibt noch sehr große<br />
Lücken bei <strong>der</strong> Erhebung und Bewertung<br />
dieser historischen Wasserbauten 51<br />
und Vieles wurde im Zuge einer naturnahen<br />
Umgestaltung zerstört. Aufgabe<br />
wird es sein, zumindest im Falle von Eingriffen<br />
in Gewässer eine Bewertung <strong>der</strong><br />
historischen Substanz vorzunehmen, um<br />
diese in Planungen einzubeziehen. Die<br />
Pflege und Unterhaltung dieser Substanz erfor<strong>der</strong>t ein beson<strong>der</strong>es Fingerspitzengefühl, das es noch zu erlernen<br />
gilt.<br />
Ohne Zweifel besteht hier ein Wi<strong>der</strong>spruch zwischen den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> WRRL – das ökologische Potenzial<br />
maximal zu entfalten – und den Ansprüchen <strong>der</strong> Denkmal- und Heimatpflege. Hier müssen, auch auf politischer<br />
Ebene, noch intensive Diskussionen geführt werden.<br />
Urbane Gewässer<br />
Technische Wasserbauten können das Stadtbild erheblich aufwerten,<br />
hier ein Streichwehr im Kocher in Schwäbisch Hall. Aufn.: W. Konold<br />
Die Fließgewässer in unseren Städten<br />
und Gemeinden wurden lange Zeit baulich,<br />
stofflich und gestalterisch sehr<br />
schlecht behandelt. Sie bedürfen in<br />
Zukunft viel größerer Aufmerksamkeit,<br />
da sie nicht nur Lebensraum für aquatische<br />
Organismen sind, Oberflächenwasser<br />
und Hochwasser aufnehmen<br />
und <strong>der</strong> Energiegewinnung dienen,<br />
son<strong>der</strong>n weil sie weitere wichtige Funktionen<br />
besitzen, nämlich soziale, kulturelle,<br />
pädagogische und denkmalpflegerische,<br />
ja künstlerische. Diese<br />
treten hier und dort in den letzten Jahren<br />
verstärkt in den Vor<strong>der</strong>grund, nachdem<br />
sich <strong>der</strong> biologische und<br />
Kanal in Colmar. Aufn.: W. Konold<br />
chemische Gewässerzustand nach jahrzehntelangen,<br />
kostspieligen Investitionen<br />
erheblich verbessert hat, und es zeigt sich, dass die Öffentlichkeit davon fasziniert ist – woraus sich ganz<br />
allgemein neue Anfor<strong>der</strong>ungen an die urbanen Gewässer ergeben. 52 „Gewässer sind Katalysatoren <strong>der</strong> Stadtentwicklung“,<br />
so J.T. Tourbier (2005) anlässlich einer Tagung über Wasser in <strong>der</strong> Stadt.<br />
Die Wie<strong>der</strong>entdeckung und städtebauliche Einbindung <strong>der</strong> urbanen Gewässer ist eine große und wichtige<br />
Aufgabe künftiger wasserwirtschaftlicher Arbeit, 53 immer in Verbindung mit Experten an<strong>der</strong>er Fachgebiete und<br />
50 Dazu zum Beispiel Konold, 2005<br />
51 Dazu Thiem, 2006<br />
52 Dazu Kaiser, 2005<br />
53 Ein guter Anfang war ein Projekt in Bad Säckingen; Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein, 2000<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 52
Beteiligung <strong>der</strong> Öffentlichkeit. Innerhalb <strong>der</strong> Siedlungen muss man mit Restriktionen leben, zum Beispiel was<br />
Dynamik und Lebensraumqualität angeht. Diese Gewässer bedürfen einer spezifischen Pflege und Unterhaltung.<br />
Zu achten ist auf eine stilvolle Gestaltung, bei <strong>der</strong> Ökologie und Ästhetik zusammenpassen.<br />
Mensch und Gewässer<br />
Wie bei den urbanen Gewässern bereits angesprochen, ist die Beziehung vieler Menschen eine an<strong>der</strong>e, innigere<br />
geworden, seit es aus hygienischer und chemischer Sicht möglich ist, sich Gewässern weit gehend gefahrlos<br />
anzunähern, sie zu betreten und sie im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen. Gewässer sind <strong>der</strong><br />
Inbegriff von Natur; Wasser ist von einer außergewöhnlichen Eigenart – beweglich, von sich aus zerrinnend und<br />
unfassbar, in verschiedene Aggregatzustände<br />
wechselnd, in beliebige Gefäße passend,<br />
Lebensmittel, Lebensraum .... Es spielt bei <strong>der</strong><br />
Wahrnehmung von Umwelt, Natur, Landschaft<br />
eine herausragende Rolle, nicht zuletzt<br />
bei Kin<strong>der</strong>n und nicht zuletzt auch wegen des<br />
symbolischen und spirituellen Gehaltes von<br />
Wasser und Gewässern. Dabei ist es unerheblich,<br />
ob die Gewässer natürlichen o<strong>der</strong> künstlichen<br />
Ursprungs sind. – Die Wasserwirtschaft<br />
kann in <strong>der</strong> von Emotion und Sinnlichkeit geprägten<br />
Beziehung Mensch/Gewässer die<br />
Rolle des „Anwalts“ und „Beschützers“ des<br />
großartigsten Stoffes, den die Natur zu bieten<br />
hat, und des kostbarsten Lebensmittels, das<br />
dem Menschen <strong>zur</strong> Verfügung steht, übernehmen<br />
und soll dies in geeigneter Form in die<br />
Wasserzauber. Aufn.: W. Konold<br />
Öffentlichkeit tragen. 54<br />
Partizipation, Öffentlichkeitsarbeit<br />
Sehr viele Planungen und Entscheidungsprozesse werden künftig nur mit Beteiligung <strong>der</strong> Öffentlichkeit bzw.<br />
interessierter Bürgerinnen und Bürger ablaufen. Die WRRL schreibt dies zwingend vor. Anfänge <strong>zur</strong> Umsetzung<br />
sind gemacht; Erfahrungen sind gesammelt, aber oft noch nicht übertragbar. Zur alltäglichen Praxis ist es noch<br />
ein langer Weg. Es ist davon auszugehen, dass eine gut funktionierende Partizipation den Wunsch nach Mitsprache<br />
vergrößern wird, auch bei Vorhaben, bei denen eine Beteiligung nicht vorgeschrieben ist. Die „Bürgergesellschaft“<br />
wird sich also weiterentwickeln. Darauf muss sich die Wasserwirtschaft einstellen und für sich<br />
selber Wege und Methoden finden, wie man die eigenen fachlichen Anfor<strong>der</strong>ungen mit den Wünschen <strong>der</strong><br />
Öffentlichkeit zusammenbringt. Man benötigt hierzu viel mehr Verfahrenswissen und Steuerungsinstrumente<br />
(„Governance“) als bisher. Dazu gehört auch eine ausgewogene und gute Öffentlichkeitsarbeit. – Speziell auf<br />
diesem Gebiet ist <strong>der</strong> Fortbildungsbedarf beson<strong>der</strong>s groß.<br />
Was wir brauchen<br />
Die angesprochenen Zukunftsaufgaben lassen sich nicht en passant und von irgendjemand erledigen. Sie sind<br />
nur von einer geistig flexiblen, lernfähigen, mobilen und wasserwirtschaftlich kompetenten Verwaltung zu bewältigen.<br />
Es bedarf eines gut abgestimmten Zusammenspiels und eines didaktisch optimierten Transfers von<br />
<strong>der</strong> Praxis <strong>zur</strong> Wissenschaft und umgekehrt sowie eines Zusammenspiels zwischen den Fachverwaltungen auf<br />
den verschiedenen Ebenen, <strong>der</strong> freier agierenden Fortbildungsgesellschaft und Freiberuflern. Es gilt auch,<br />
nach Jahren wechseln<strong>der</strong> Zielvorgaben den richtigen Weg zwischen „lassen“ und „machen“ zu finden, am<br />
Gewässer präsent zu sein sowie vorsorglich und behutsam zu handeln.<br />
Was wir brauchen ist eine aktive und gestaltende Wasserwirtschaft, die wie seither auch zukünftig bereit ist, mit<br />
an<strong>der</strong>en Fachdisziplinen zu kooperieren.<br />
54 Dorka et al., 2005<br />
Seite 53<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
9 Anhang<br />
Fortbildungsthema Nr. 1 „Naturgemäße Bauweisen“................................................................................55<br />
Fortbildungsthema Nr. 2 „Praktische Gehölzpflege“..................................................................................59<br />
Fortbildungsthema Nr. 3 „Lebensraum Fließgewässer“ .............................................................................63<br />
Fortbildungsthema Nr. 4 „Was tun nach Hochwasser?“ ...........................................................................66<br />
Fortbildungsthema Nr. 5 „Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit“....................................................71<br />
Fortbildungsthema Nr. 6 „Gewässerunterhaltung in Ortslagen“............................................................75<br />
Fortbildungsthema Nr. 7 „Unterhaltung und Pflege von Gräben“........................................................78<br />
Fortbildungsthema Nr. 8 „Totholz in Gewässern“ .........................................................................................82<br />
Fortbildungsthema Nr. 9 „Gewässerunterhaltung in geschützten Gebieten“ ..................................84<br />
Fortbildungsthema Nr. 10 „Gewässeraufsicht“.............................................................................................86<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 54
Fortbildungsthema Nr. 1 „Naturgemäße Bauweisen“<br />
Für das erste Fortbildungsthema „Naturgemäße Bauweisen“ wurde kein Fortbildungsordner hergestellt, da<br />
bereits zahlreiche Unterlagen in Form von Handbüchern <strong>der</strong> LfU und des baden-württembergischen Umweltministeriums<br />
vorlagen. Für die Organisation und Durchführung <strong>der</strong> Nachbarschaftstage zu diesem Thema wird<br />
deshalb empfohlen, sich auf die folgende Literatur zu stützen:<br />
• Bauweisen des naturnahen Wasserbaus – Umgestaltung <strong>der</strong> Enz in Pforzheim. Handbuch Wasserbau 2, Heft<br />
2 (1991) 55<br />
• Naturnahe Umgestaltung von Fließgewässern. Handbuch Wasserbau, Heft 2 (1992) 56<br />
• Naturgemäße Bauweisen – Ufer- und Böschungssicherungen. Handbuch Wasserbau, Heft 5 (1993) 57<br />
• Gesamtkonzept Naturnahe Unterhaltung von Fließgewässern. Handbuch Wasserbau 2, Heft 19 (1995)<br />
• Naturnahe Unterhaltung von Fließgewässern – Teil III: Dokumentation <strong>der</strong> Entwicklung ausgewählter Pilotvorhaben.<br />
Handbuch Wasserbau 2, Heft 20 (1995) 58<br />
• Naturnahe Bauweisen im Wasserbau – Dokumentation und Bewertung am Pilotprojekt Enz/Pforzheim.<br />
Handbuch Wasserbau 2, Heft 20 (1996).<br />
Auf die Verwendung von naturgemäßen Bauweisen für die Sicherung <strong>der</strong> Ufer, Böschungen und Gewässersohlen<br />
wurde bereits im 1980 erlassenen Wasserbaumerkblatt hingewiesen. Der Begriff „naturgemäße Bauweisen“<br />
drückt aus, dass die notwendigen technischen und ingenieurbiologischen Sicherungsmaßnahmen so weit wie<br />
möglich am naturgegebenen Gewässervorbild zu orientieren sind 59 . Damit sind Baustrukturen gemeint, die<br />
unter Verwendung von lebendigen o<strong>der</strong> toten Pflanzenmaterialen sowie Natursteinen verschiedener Größen<br />
realisiert werden. Als Beispiele können Röhricht- und Hochstaudenwalzen, Weidenfaschinen und -spreitlagen,<br />
Flechtzäune, Raubäume usw. genannt werden. Auf Beton, bituminöse Stoffen, Kunststoffen sowie Stahl und<br />
Eisen soll dabei verzichtet werden, wobei die Benutzung von Drahtgeflechten in Kombination mit Lebendbauten<br />
üblich ist.<br />
Weidenspreitlage unmittelbar nach ihrem Einbau (links) und ein Jahr später (rechts)<br />
Das Ziel dieses ersten Fortbildungsthemas war es, den Unterhaltungspflichtigen Kenntnisse über traditionelle<br />
ingenieurbiologische o<strong>der</strong> naturverträgliche Bauweisen im Wasserbau zu vermitteln o<strong>der</strong> ggf. aufzufrischen,<br />
damit diese im Rahmen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung als Ersatz zu den bisher üblichen „harten“ Wasserbaumaßnahmen<br />
Gebrauch finden. Um dies <strong>zur</strong> erreichen, wurde den Unterhaltungspflichtigen vermittelt, in welchen<br />
Fällen Sanierungen an Uferabbrüchen erfor<strong>der</strong>lich und welches die Vorteile und Grenzen von<br />
55 Zusammenfassung auf Seite 56<br />
56 Zusammenfassung auf Seite 15<br />
57 Zusammenfassung auf Seite 14<br />
58 Zusammenfassung auf Seite 15<br />
59 Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg, 1993<br />
Seite 55<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
naturgemäßen Bauweisen sind. In praktischen Übungen sollte das Erlernte umgesetzt und vor Ort an naturnah<br />
sanierten Demonstrationsgewässern beobachtet werden.<br />
Die Sanierung von Uferabbrüchen, die in den ersten Jahren <strong>der</strong> Nachbarschaftstage eine wesentliche Rolle<br />
spielte, wurde mit <strong>der</strong> Zeit durch das „lassen statt machen“ ersetzt. Die Methoden <strong>zur</strong> Sicherung und Sanierung<br />
von Ufern verloren so an Bedeutung, während das Ziel, dem Gewässer mehr Platz für seine Eigenentwicklung<br />
zu geben, in den Vor<strong>der</strong>grund rückte. Naturnahe Wasserbaumethoden finden weiterhin einen großen Anwendungsbereich<br />
dort, wo dem Gewässer nur wenig Raum <strong>zur</strong> Verfügung steht, z.B. in urbanen Gebieten<br />
o<strong>der</strong> in unmittelbarer Nähe zu Straßen, Bahnlinien usw. und <strong>zur</strong> Initiierung <strong>der</strong> Eigenentwicklung <strong>der</strong> Gewässer.<br />
Hier besitzen die naturnahen Wasserbaumethoden große Vorteile im Hinblick auf die ökologische und landschaftsästhetische<br />
Aufwertung und die Gewässerbett- und Ufersicherung.<br />
Bauweisen des naturnahen Wasserbaus<br />
Umgestaltung <strong>der</strong> Enz in Pforzheim<br />
Handbuch Wasser 2, Heft 2 (1991)<br />
Anlässlich <strong>der</strong> Landesgartenschau im Jahr 1992<br />
und mit <strong>der</strong> breiten Unterstützung des Landes<br />
fand an einem 1800 m langen Abschnitt <strong>der</strong> Enz<br />
im Stadtgebiet von Pforzheim eine innovative naturnahe<br />
Umgestaltung statt. Dieses in dieser Größenordnung<br />
bisher einmalige Vorhaben wurde<br />
vom Land als Pilotprojekt unterstützt und sollte als<br />
Untersuchungsobjekt und Vorbild für künftige Umgestaltungen<br />
dienen.<br />
Das Heft enthält eine Zusammenfassung aller Arbeitsphasen,<br />
welche für diese Umgestaltung<br />
erfor<strong>der</strong>lich waren: die Voruntersuchungen im Labor, die Entwurfsplanung, die Ausführungsplanung und die Wahl<br />
<strong>der</strong> naturnahen Bauweisen. Der Schwerpunkt liegt bei den Arbeitsblättern <strong>der</strong> Planung, die sehr genaue quantitative<br />
und qualitative Angaben zu Zweck und Wirkung sowie <strong>zur</strong> jeweiligen Ausführungsplanung, Materialbedarfsübersicht<br />
und Ausführungsanleitung von folgenden zehn Bauweisen beinhalten: Röhrichtwalze und Röhrichtpflanzung,<br />
Faschinenwalze mit/ohne Spreitlagen und/o<strong>der</strong> Gehölzbepflanzung, Rollierung auf Raupackwerk, Steinwurf<br />
mit/ohne Weidenstecklingen, Grasflächen Grasoden.<br />
Die ausführliche Information wird durch ein detailliertes Leistungsverzeichnis mit Angaben zu den Kosten <strong>der</strong> einzelnen<br />
Positionen aller beschriebenen Maßnahmen ergänzt. Alles in Allem bietet diese Veröffentlichung eine wertvolle<br />
Hilfe für unterhaltungspflichtige Kommunen und für Ingenieurbüros, die in dieses Arbeitsgebiet einsteigen wollen.<br />
Grundsätzlich muss vor <strong>der</strong> Umsetzung von Maßnahmen im Wasserbau überprüft werden, ob überhaupt eine<br />
bauliche Sicherung nötig ist. In einem weiteren Schritt muss entschieden werden, ob naturgemäße Bauweisen<br />
verwendet und wenn ja, welche eingesetzt werden sollen. Dies setzt eine kritische Reflexionsfähigkeit auf Seiten<br />
<strong>der</strong> für die Gewässer Verantwortlichen voraus und erfor<strong>der</strong>t, dass sie einige Kenntnisse über Pflanzen und<br />
über die Bauweisen besitzen. Deshalb waren folgende Punkte Inhalt <strong>der</strong> Nachbarschaftstage:<br />
1. Grundlagen <strong>der</strong> naturnahen Gewässerentwicklung<br />
„Naturgemäße Bauweisen“ war das erste Fortbildungsthema, das in den Nachbarschaftstagen in Angriff genommen<br />
wurde. Unter den Teilnehmern, Gewässerunterhaltungspflichtige aus verschiedenen beruflichen Richtungen,<br />
war in aller Regel die Idee, die hinter dem Begriff „naturnahe Gewässerentwicklung“ steckt, wenig<br />
bekannt. Am Anfang <strong>der</strong> Veranstaltungen wurden deshalb den Teilnehmern zunächst Gewässer präsentiert,<br />
die als Vorbil<strong>der</strong> dienen können. Außerdem wurden sie aufgefor<strong>der</strong>t, sich selbst nach solchen naturnahen<br />
Gewässern in ihrem Wirkungsbereich umzuschauen. Die Teilnehmer sollten sich damit mit naturnahen Strukturen<br />
vertraut machen und dabei beispielsweise die Erkenntnis gewinnen, dass Ufererosion zu den natürlichen<br />
Prozessen am Gewässer gehört und nicht in allen Fällen ein Sanierungsfall ist.<br />
In den Veranstaltungen sollte ausdrücklich betont werden, dass die Ausführung von Sicherungsmaßnahmen<br />
nicht immer – sei es aus ökologischen, sei es aus ökonomischen Gründen – nötig sei. An<strong>der</strong>seits sollten die Teilnehmer<br />
auch erfahren, dass naturnahe Gewässer als Vorbild dienen und dass die Orientierung an natürlichen<br />
Bett- und Uferformen die Wahl <strong>der</strong> geeigneten Bauweise, falls eine solche umgesetzt werden müsste, stark<br />
erleichtern kann.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 56
2. Naturgemäße Bauweisen<br />
Die wesentlichen Vorteile von ingenieurbiologischen Bauweisen, auch Lebendbauten genannt, liegen in ihren<br />
ökologischen Funktionen und <strong>der</strong> landschaftsästhetischen<br />
Wirkung. 60<br />
Nicht zu unterschätzen ist, dass die meisten<br />
dieser Bauweisen im Vergleich zu<br />
harten Sicherungen deutlich kostengünstiger<br />
sind, da für ihren Bau in <strong>der</strong><br />
Regel ein geringer o<strong>der</strong> gar kein Maschineneinsatz<br />
notwendig ist. In Zeiten<br />
zunehmend leerer Kassen wiegt so ein<br />
Vorteil schwer; er war mit ein Grund,<br />
warum diese Bauweisen ab den 1990er<br />
Jahren vom Land geför<strong>der</strong>t wurden.<br />
Naturgemäße Bauweisen, insbeson<strong>der</strong>e<br />
ingenieurbiologische Methoden, haben<br />
aber auch Nachteile gegenüber den<br />
Bauten mit toten Materialien. Ihre Planung<br />
und ihr Einbau setzen ein breites<br />
Wissen voraus, das vegetationskundliche<br />
Zusammenhänge mit technischem Verstand<br />
vereinigt. Viele ingenieurbiologischen<br />
Bauweisen besitzen beispielsweise<br />
in <strong>der</strong> Anfangsphase eine eher geringe<br />
Schutzwirkung und müssen mit toten<br />
Baustoffen kombiniert werden. Außerdem sind Pflanzen lebende Organismen, die für ihre Entwicklung in Abhängigkeit<br />
von Standort und Behandlung Zeit benötigen. Der Wachstumserfolg und die zukünftige Schutzwirkung<br />
hängen von zahlreichen Faktoren ab, unter an<strong>der</strong>em von <strong>der</strong> hydraulischen Beanspruchung, von <strong>der</strong><br />
verwendeten Pflanzenart und ihrer Herkunft o<strong>der</strong> vom Zeitpunkt des Einbaus.<br />
3. Auswahl naturgemäßer Bauweisen<br />
Verschiedene Möglichkeiten, Raubäume einzusetzen. Aus Handbuch<br />
Wasserbau, H. 5 (LfU, 1993)<br />
Die Auswahl <strong>der</strong> Bauweisen muss auf die Gewässereigenschaften abgestimmt werden, vor allem auf die physikalische<br />
Beanspruchung (Stärke und Dauer des Strömungsangriffs, Abrieb bei Geschiebetransport), die Überflutungshäufigkeit<br />
und die Frosteinwirkung.<br />
Der Rohstoff bei den naturgemäßen Bauweisen sind Pflanzen. Diese besitzen je nach Art und Alter unterschiedliche<br />
technische Eigenschaften, wie etwa die Fähigkeiten, den Boden zu durchwurzeln, den Bodenwasserhaushalt<br />
zu regeln und Elastizität und Biegefestigkeit zu zeigen. Da sie Lebewesen sind, haben sie auch<br />
biologische Eigenschaften, die sie für den einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Standort, für bestimmte Lichtverhältnisse und<br />
spezifische Wasserschwankungen geeignet machen. Die Kombination <strong>der</strong> technischen mit den biologischen<br />
Eigenschaften bestimmt, für welche Bauweise und wo sie eingesetzt werden können. Es gibt eine Vielzahl von<br />
Bauweisen, die jeweils unterschiedliche Ziele verfolgen (Böschungs- o<strong>der</strong> Ufersicherung, Lenkung des Stromstrichs,<br />
För<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Sedimentation, Herstellung eines Fischunterstands) und verschiedene Belastungsgrenzen<br />
besitzen. So eignen sich Weidenfaschinen und Senkfaschinen sowohl <strong>zur</strong> Sicherung des Böschungsfußes als<br />
auch <strong>zur</strong> Sicherung von durchgehenden flachen Uferböschungen. Bei steilen Böschungen gewährleisten jedoch<br />
eine Uferkrainerwand o<strong>der</strong> eine Uferpfahlwand einen höheren Schutzgrad; sie besitzen jedoch ökologische<br />
Nachteile. Eine <strong>der</strong> ältesten Bauweisen sind die so genannten Raubäume, die als sehr günstige<br />
Sofortmaßnahme nach Hochwasser eingesetzt werden, um frisch angerissene o<strong>der</strong> angebrochene Ufer vor<br />
weiterer Erosion zu sichern.<br />
Weitere wichtige Bedingungen, die bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Bauweise in Betracht gezogen werden müssen, sind<br />
<strong>der</strong> zeitliche Aufwand und die Sach- und Personalkosten, die für den Einbau und die spätere Pflege benötigt<br />
werden. Da <strong>der</strong> Einsatz von Maschinen bei naturgemäßen Bauweisen recht begrenzt ist, nimmt <strong>der</strong> Arbeitsaufwand<br />
gegenüber dem Materialaufwand deutlich zu.<br />
60 Lange, Lecher, 1986<br />
Seite 57<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
4. Ausführung <strong>der</strong> Baumaßnahmen und Pflegearbeiten<br />
Wie und wann die Maßnahmen geplant und umgesetzt werden, ist einer <strong>der</strong> Schwerpunkte dieses Fortbildungsthemas.<br />
Der Zeitpunkt <strong>der</strong> Ausführung ist – weil mit Pflanzen gearbeitet wird – entscheidend für den Erfolg<br />
<strong>der</strong> Maßnahme. Ebenso wichtig für den Erfolg <strong>der</strong> Bewurzelung und des Austriebs <strong>der</strong> Pflanzen sind <strong>der</strong><br />
Zeitpunkt <strong>der</strong> Gewinnung <strong>der</strong> Pflanzen o<strong>der</strong> Pflanzenteile, z.B. von Weidenstecklingen, und die Lagerungsbedingungen.<br />
Bei den Nachbarschaftstagen wurde<br />
deshalb großer Wert auf die Planung und Vorbereitung<br />
dieser Arbeitsschritte gelegt. Beson<strong>der</strong>s wichtig<br />
ist während <strong>der</strong> Entwicklungsphase die Pflege <strong>der</strong><br />
eingebrachten Pflanzen. In dieser Zeit kann durch<br />
gezielte Pflegearbeiten das Wachstum bestimmter<br />
Pflanzenarten unterstützt werden; auch können<br />
Ausfälle ersetzt und mögliche Fehler bei <strong>der</strong> Wahl<br />
<strong>der</strong> Bauweise o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Ausführung erkannt und<br />
erfor<strong>der</strong>lichenfalls korrigiert werden.<br />
Herstellung von Faschinen. Aus Handbuch Wasserbau, H. 5<br />
(LfU, 1993).<br />
5. Praktischer Teil<br />
Neben einigen theoretischen Grundlagen sollten<br />
Anschauung und praktische Aktivitäten vor Ort einen<br />
größeren Teil <strong>der</strong> Veranstaltungen beanspruchen.<br />
Für den praktischen Teil wird daher empfohlen,<br />
mindestens einen Teil des Nachmittags einzuplanen, um den Teilnehmern zu zeigen, wie die wichtigsten<br />
ingenieurbiologischen Bauweisen in <strong>der</strong> Praxis umgesetzt werden, und sie auf diese Weise zum selbständigen<br />
Arbeiten zu motivieren.<br />
Bei den ersten Nachbarschaftstagen wurden die relativ einfachen und weniger zeitaufwändigen naturnahen<br />
Bauweisen behandelt; dies mit dem Hintergrund, das Thema – sofern bei den Teilnehmern Interesse bestünde –<br />
in den nächsten Jahren weiter zu vertiefen.<br />
In den Statusberichten <strong>der</strong> <strong>WBW</strong>- Fortbildungsgesellschaft sind zahlreiche Erfahrungsberichte über Veranstaltungen<br />
zu finden, in die es sich lohnt hinein zu schauen. Hier kann man unter an<strong>der</strong>em nachlesen, wie die<br />
Teilnehmer unter Anleitung des Betreuers mit einfachen, naturgemäßen Methoden Uferabbrüche saniert und<br />
Ufer vor <strong>der</strong> voranschreitenden Erosion gesichert haben.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 58
Fortbildungsthema Nr. 2 „Praktische Gehölzpflege“ (1992 und<br />
Überarbeitung 2005)<br />
Projektgruppe (Mitwirkende), 1992<br />
Frau Blum, Klaus Hämmerle,<br />
Eugen Kühn, Martin Lehmann,<br />
Gerhard Schäuble, Herr Tamm<br />
und Bernd Walser<br />
Helmut Schwab<br />
Wolfgang Hauk und<br />
Gabriele Müller<br />
Dr. Margarete Dohmann<br />
Reinhold Alt, Manfred Bauer<br />
Heinz Daucher und<br />
Dr. Bernhard Fischer<br />
Heinz Reinöhl<br />
Dr. Helmut Klepser<br />
Prof. Dr. Friedrich Weller<br />
Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz Offenburg<br />
Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz Künzelsau<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für die Gewässerpflege mbH<br />
Umweltministerium Baden-Württemberg<br />
Landesanstalt für Umweltschutz, Außenstelle Stuttgart<br />
Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Stuttgart<br />
Regierungspräsidium Tübingen<br />
Fachhochschule Nürtingen<br />
Projektgruppe (Mitwirkende), 2005<br />
Verena Friske<br />
Dr. Elsa Nickel<br />
Hans-Peter Barz<br />
Klaus Hämmerle<br />
Dr. Thomas Herdt<br />
Gerhard Bönecke<br />
Joachim Striebel<br />
Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />
Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Karlsruhe<br />
Grünflachenamt Heilbronn<br />
Regierungspräsidium Freiburg<br />
Sachverständigenbüro Dr. Thomas Herdt<br />
Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg<br />
Regierungspräsidium Freiburg<br />
Gehölzpflegearbeiten können sehr aufwändig und risikoreich sein.<br />
Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
Gehölzbestände entlang von Fließgewässern müssen nicht immer gepflegt werden. Pflegearbeiten im Uferrandstreifen<br />
sind ein starker Eingriff in einen komplexen Lebensraum. Dennoch ist die Pflege <strong>der</strong> Ufergehölze<br />
ein wichtiger Bestandteil <strong>der</strong> naturgemäßen und mo<strong>der</strong>nen Gewässerunterhaltung. Auch um die Verkehrssicherheit<br />
zu gewährleisten, müssen Gehölze an Ufern gepflegt, manchmal entfernt werden. Im Rahmen <strong>der</strong><br />
Gehölzpflege bietet sich eine Vielzahl von Möglichkeiten, die naturnahe Entwicklung <strong>der</strong> Ufer zu unterstützen.<br />
Der gesunkene wirtschaftliche Nutzen <strong>der</strong> Ufergehölze,<br />
die Verlagerung <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung<br />
in die Pflicht <strong>der</strong> öffentlichen Hand,<br />
einhergehend mit gestiegenem Umweltbewusstsein<br />
und mangeln<strong>der</strong> Kenntnis <strong>der</strong> Zusammenhänge,<br />
haben häufig zu einförmigen<br />
und überalterten Gehölzbeständen geführt. Mit<br />
gut durchdachter Pflege können solche monotonen<br />
Bestände ökologisch und landschaftlich<br />
wertvoller gestaltet werden. Insbeson<strong>der</strong>e gilt<br />
dies für schmale Ufersäume, die aus Platzgründen,<br />
z.B. wegen <strong>der</strong> Nähe zu einer Straße,<br />
geringe Möglichkeiten <strong>zur</strong> naturnahen<br />
Entwicklung haben und deshalb sehr instabile<br />
Systeme sind. In diesem Fall kann Pflege <strong>zur</strong><br />
Stärkung und Stabilisierung <strong>der</strong> Bestände beitragen.<br />
Für die Pflege <strong>der</strong> Ufergehölze sind Konzepte<br />
und Visionen nötig, die auf die Funktion und den ökologischen Wert <strong>der</strong> Uferrandstreifen achten. Je<strong>der</strong> Eingriff<br />
muss fachlich gerechtfertigt sein. Die Argumente können verschiedener Art sein: um die Hochwassersicherheit<br />
Seite 59<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
zu gewährleisten, die anliegenden Flächen zu sichern, eine gewisse landschaftsästhetische Wirkung zu erzielen<br />
o<strong>der</strong> den Lebensraum Fließgewässer ökologisch<br />
aufzuwerten.<br />
Die verschiedenen Interessen und Verantwortlichkeiten<br />
an Gewässern führen oftmals dazu,<br />
dass die Gehölzpflege Gegenstand heftiger<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzungen zwischen Anliegern<br />
und Bürgern und den Unterhaltungspflichtigen<br />
wird. Das Fällen von älteren Bäumen o<strong>der</strong> das<br />
„Auf den Stock setzen“ wird nicht akzeptiert,<br />
ja man sieht darin Anschläge gegen die Natur<br />
(siehe Abbildung). Um solchen Situationen aus<br />
dem Weg zu gehen, kommt es nicht selten<br />
vor, dass notwendige Pflegearbeiten liegen<br />
Kritische Presseberichte über Gehölzpflegearbeiten.<br />
bleiben. Dann können alte Bäume eine Gefahr<br />
für die Verkehrssicherheit werden und Baumstämme im Gewässerbett das Überschwemmungsrisiko erhöhen.<br />
Die wichtigste Zielsetzung des Fortbildungsthemas „Praktische Gehölzpflege“ ist es, die Teilnehmer in die Lage<br />
zu versetzen, Gehölzpflege im Eigenverantwortung umsetzen zu können. Teilaspekte sind:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Wecken bzw. Stärken des Bewusstseins für naturnahe Ufergehölzsäume bei den Teilnehmern,<br />
Beschreibung <strong>der</strong> wichtigsten Aspekte, die zu einer naturnahen Gehölzentwicklung führen,<br />
Beschreibung <strong>der</strong> in Baden-Württemberg einheimischen Ufergehölze und ihre Eigenschaften,<br />
Vermittlung des nötigen Wissens über Formen und Techniken <strong>der</strong> Gehölzpflege,<br />
Beschreibung und Abgrenzung <strong>der</strong> Pflichten und Zuständigkeiten entsprechend <strong>der</strong> Gesetzeslage,<br />
Informieren über Verhaltensregeln <strong>zur</strong> Umfallvermeidung bei <strong>der</strong> Benutzung <strong>der</strong> Werkzeuge.<br />
Gehölze an Fließgewässern<br />
Handbuch Wasserbau H. 6<br />
Dies war das erste Handbuch über die in Baden-Württemberg<br />
einheimischen Ufergehölze<br />
und ihre Eignung für die naturnahe Entwicklung<br />
von Gewässern. Der Inhalt glie<strong>der</strong>t sich in drei<br />
große Teile:<br />
Beschreibung <strong>der</strong> potentiellen natürlichen<br />
Pflanzengesellschaften an Gewässern, in<br />
Auen und Nie<strong>der</strong>mooren;<br />
Tabellarische und steckbriefartige Gehölzbeschreibung<br />
sowie Bestimmungshilfe für<br />
die Laubgehölze, speziell für die Weidenarten.<br />
Das Verbreitungsareal je<strong>der</strong> Art wird<br />
tabellarisch und in Karten dargestellt (siehe<br />
Bild rechts).<br />
Grundlagen <strong>zur</strong> Entwicklung einer naturnahen<br />
Ufervegetation, belegt mit gelungenen<br />
und nicht gelungenen Praxisbeispielen.<br />
Die erste Auflage <strong>der</strong> Fortbildungseinheit „Gehölzpflege“ wurde in den ersten Jahren <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
mit wenigen Mitteln, in sehr kurzer Zeit und mit wenig Personal zusammengestellt. In Laufe <strong>der</strong> Zeit<br />
wurde die Notwendigkeit erkannt, die inhaltlich etwas veralteten Fortbildungsunterlagen zu aktualisieren und<br />
professioneller zu gestalten. Mit <strong>der</strong> Zeit waren die Erfolge <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften schon spürbar geworden:<br />
Die Unterhaltungspflichtigen wussten mittlerweile mehr über den ökologischen Wert <strong>der</strong> Gewässer.<br />
Die Fortbildungseinheit musste also den neuen Bedürfnissen und dem Kenntnisstand angepasst werden. Im<br />
Jahr 2005 erarbeitete eine neue Projektgruppe „Gehölzpflege“ die aktualisierte Auflage <strong>der</strong> Fortbildungseinheit.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 60
Im Folgenden wird <strong>der</strong> Inhalt dieser neuen Fortbildungseinheit vorgestellt:<br />
1. Funktionen und Gestaltung von gehölzbestandenen Gewässerrandstreifen<br />
Im ersten Teil <strong>der</strong> Fortbildung werden ökologische und landschaftliche Grundlagen behandelt. Die Funktionen<br />
von naturnahen gehölzbestandenen Gewässerrandstreifen als Lebensraum, zum Ufer- und Wasserschutz, für<br />
das Landschaftsbild, die Hydraulik und Gewässermorphologie und für das Kleinklima werden mit Bil<strong>der</strong>n anschaulich<br />
erklärt. Anschließend wird auf die Eigenschaften von naturnahen Gewässerrandstreifen eingegangen,<br />
so beispielsweise auf die Altersstruktur. Das Thema Neophyten wird ebenfalls angesprochen.<br />
2. Gehölzarten<br />
Ein Teil <strong>der</strong> Fortbildungsunterlagen widmet sich <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> Gehölzarten, die an den Gewässern<br />
wachsen. Damit steht den Teilnehmern eine Handreichung <strong>zur</strong> Verfügung, die es ihnen ermöglichen soll,<br />
standortgerechtes und gebietseigenes Pflanzenmaterial bei den Unterhaltungsarbeiten zu verwenden. Zwanzig<br />
Baum- und Straucharten werden mit Informationen <strong>zur</strong> Verbreitung im Land, zu den Standortsansprüchen,<br />
Ausbreitungsmöglichkeiten im Bestand und <strong>zur</strong> Verwendung und Pflege beschrieben. Fotos <strong>der</strong> Blätter, Früchte<br />
und Blüten ermöglichen die Identifizierung <strong>der</strong> Pflanzen. Es werden auch Hinweise zum Umgang mit Hybrid-<br />
Pappeln und zum Erlensterben durch Phytophthora gegeben.<br />
Leitbild <strong>der</strong> Struktur eines natürlichen Uferrandstreifens in <strong>der</strong> Landschaft. Aus Handbuch Wasserbau, H.5 (LfU, 1993)<br />
3. Pflege und Entwicklung von Ufergehölzen<br />
Die wichtigsten Anlässe für Pflegeeingriffe werden aufgelistet und es werden allgemeine Handlungsanweisungen<br />
für die Durchführung von Pflegemaßnahmen vorgeschlagen. Hierzu zählen die regelmäßige<br />
Erfassung des Ist-Zustandes des Gehölzbestandes, die Formulierung <strong>der</strong> Pflegeziele und die Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> Auswirkungen <strong>der</strong> Pflegemaßnahmen auf das Landschaftsbild. Auf die Bewirtschaftung und gängige Pflegemodalitäten<br />
(z.B. Stockhieb, Kopfweidenpflege) wird näher eingegangen. Schließlich wird das Thema Pflanzung<br />
(Vorüberlegungen, rechtliche Vorgaben, Erlangung von gebietseigenes Material) behandelt.<br />
4. Gesetzliche Regelungen <strong>zur</strong> Gehölzpflege, Arbeitsschutz und Unfallverhütung<br />
Es gibt verschiedene Regelungen und Vorschriften, die bei <strong>der</strong> Gehölzpflege den Unterhaltungspflichtigen<br />
bekannt sein müssen. Zu den wichtigsten zählen die Kenntnis <strong>der</strong> Pflichten und Zuständigkeiten <strong>der</strong> Unterhaltungspflichtigen<br />
und die Fragen <strong>der</strong> Eigentumsverhältnisse am Gewässer. Hierzu wurden die wichtigsten Gesetzestexte<br />
in den Unterlagen zusammengefasst.<br />
Seite 61<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Der letzte Teil <strong>der</strong> Fortbildung wendet sich dem Thema Arbeitsschutz zu,<br />
das lei<strong>der</strong> bei manchen Unterhaltungspflichtigen nicht genügend ernst<br />
genommen wird; doch drohen bei Verstößen gegen die Unfallverhütungsvorschriften<br />
– die Gesetzeskraft haben – Bußgel<strong>der</strong>, Strafverfahren<br />
o<strong>der</strong> fristlose Kündigungen. In diesem Kapitel werden daher die wichtigsten<br />
Regeln zum Unfallschutz erläutert und mit den gesetzlichen Vorgaben<br />
zu Ausrüstung, Handhabung von Werkzeugen und Geräten<br />
sowie Sicherung <strong>der</strong> Arbeitsstellen sinnvoll ergänzt.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 62
Fortbildungsthema Nr. 3 „Arbeiten im Lebensraum Fließgewässer“<br />
Projektgruppe<br />
Dr. Axel Alf<br />
Manfred Bauer<br />
Henry Czoske<br />
Heinz Daucher<br />
Roland Frick<br />
Wolfgang Hauck<br />
Martin Lehmann<br />
Heinz Reinöhl<br />
Helmut Schwab<br />
Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />
Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />
Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz, Kirchheim/T.<br />
Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />
Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz, Kirchheim/T.<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für die Gewässerpflege mbH<br />
Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz, Kirchheim/T.<br />
Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege, Stuttgart<br />
Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz, Künzelsau<br />
Bei diesem Thema sollten die Teilnehmer <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften erfahren, dass die aquatischen Organismen<br />
bestimmte Ansprüche an ihren Lebensraum haben und dass sie bei Verän<strong>der</strong>ung bestimmter abiotischer<br />
Faktoren (Strömung, Substrat, Licht, Temperatur und Stoffeintrag) nicht überleben können. Es sollte<br />
außerdem vor diesem Hintergrund gezeigt werden, welche Auswirkungen die Gewässerunterhaltung auf die<br />
Lebensbedingungen im Gewässer hat. Darauf aufbauend, schloss sich die Fragestellung an, wie die Gewässerunterhaltung<br />
naturverträglich praktiziert werden kann, <strong>der</strong>gestalt, dass z.B. entsprechende Verfahren und<br />
Geräte zum geeigneten Zeitpunkt eingesetzt werden.<br />
Durch die Vermittlung von Wissen über Gewässerorganismen, ihre Habitatansprüche und Anpassungsstrategien<br />
sollte den Teilnehmern bewusst gemacht werden, was für eine Bedeutung die Gewässer als Lebensraum<br />
für eine Vielzahl ganz verschiedenartiger Organismen haben.<br />
Der Inhalt <strong>der</strong> Nachbarschaftstage soll in drei Themenblöcke aufgeglie<strong>der</strong>t werden:<br />
1. Ohne Wasser kein Leben<br />
Der Einstieg in das Thema sollte dazu dienen, über die Betrachtung globaler Zusammenhänge die elementare<br />
Bedeutung des Wassers zu vermitteln. Schwerpunkte sollten dabei die dominante Funktion des Wassers für<br />
das Leben schlechthin und die Fließgewässer als Lebensa<strong>der</strong>n und letztlich alles verbindende dynamische<br />
Strukturen in <strong>der</strong> Landschaft sein.<br />
2. Entwicklung von Fließgewässern und Anpassung <strong>der</strong> Wasserorganismen<br />
STOFFEINTRAG und LICHT beeinflussen als<br />
äußerer Faktoren den Gewässerlebensraum.<br />
Die STRÖMUNG (schnell- und langsam fließende<br />
Bereiche, hinter- und nebeneinan<strong>der</strong>) nimmt als<br />
„innere Antriebskraft“ im Wechselspiel mit dem<br />
SUBSTRAT (Besiedlungsfläche, Nährboden,<br />
Rückzugsbereich) eine herausragende Rolle ein.<br />
<br />
Je nach STRÖMUNG, SUBSTRAT, LICHT,<br />
TEMPERATUR und STOFEINTRAG finden sich<br />
verschiedene Tiere innerhalb eines Gewässerabschnittes.<br />
Übersichtlich und anschaulich werden die wichtigsten<br />
Sachverhalte <strong>zur</strong> Gewässerökologie für Personen mit<br />
eher geringen ökologischen Kenntnissen aufbereitet<br />
und präsentiert. Dabei geht es in groben Zügen um die<br />
Vielfalt <strong>der</strong> Gewässer in <strong>der</strong> Längsglie<strong>der</strong>ung – vom<br />
Quellbach über die kleinen Mittelgebirgsbäche bis zu<br />
den Flüssen – mit ihren charakteristischen abiotischen<br />
Merkmalen und den jeweils typischen Lebewesen. Für<br />
diesen Teil wurde von <strong>der</strong> Projektgruppe eine thematisch<br />
breite Diasammlung mit Nahaufnahmen von<br />
Wirbellosen, Fischen und Gewässern mit ihren typischen<br />
Strukturen zusammengestellt. Den Betreuern<br />
Seite 63<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
wird außerdem empfohlen – als didaktischer Hinweis –, mit Stecktafeln zu arbeiten, um damit spezifische Unterschiede<br />
zwischen den Gewässertypen kennzeichnen und für die Teilnehmer sichtbar machen zu können.<br />
Auszug aus den Fortbildungsunterlagen: Beschreibung <strong>der</strong> Kleinstrukturen und ihre Besiedlung in einem Mittelgebirgsbach.<br />
3. Auswirkungen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung auf den Lebensraum<br />
Im dritten Teil wird <strong>der</strong> Bezug zwischen Struktur und Lebewelt einerseits und <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung an<strong>der</strong>erseits<br />
hergestellt. Das wichtigste sollte dabei sein, den Teilnehmern bewusst zu machen, dass durch die Gewässerunterhaltung<br />
die abiotischen Bedingungen und damit <strong>der</strong> Lebensraum und die Lebensgemeinschaft<br />
beeinflusst und verän<strong>der</strong>t werden. Deshalb liegt in diesem Themenblock <strong>der</strong> Schwerpunkt bei <strong>der</strong> Erläuterung<br />
<strong>der</strong> Grundsätze einer naturverträglichen Gewässerunterhaltung, verbunden mit den entsprechenden Unterhaltungsmethoden.<br />
Das anfänglich unter den Betreuern kontrovers diskutierte und als<br />
mit fehlendem Praxisbezug bezeichnete Fortbildungsthema „Arbeiten<br />
im Lebensraum Fließgewässer“ ist bei den Unterhaltungspflichtigen,<br />
die an den Veranstaltungen teilgenommen haben,<br />
auf sehr große Resonanz, so die Erfahrung von mehreren Betreuern.<br />
Die Teilnehmer, die an den Nachbarschaftstagen mitmachten,<br />
taten das mit Begeisterung. Sie diskutierten rege mit,<br />
untersuchten die im Gewässer gefundenen Wasserorganismen,<br />
bestimmten die Wasserqualität, indem sie Benthosorganismen<br />
unter dem Mikroskop betrachteten, und lernten ganz praktische<br />
Dinge über solche Unterhaltungsmethoden, die den Eingriff in das<br />
Teilnehmer untersuchen das Wasser unter<br />
Leben im Gewässer möglichst gering halten.<br />
dem Mikroskop. Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
Wenigen war es bis dahin bewusst, wie viel und wie verschiedenartiges<br />
Leben sich im Wasser befindet und welche fatalen Auswirkungen<br />
die Unterhaltung verursachen kann. Die Begeisterung und <strong>der</strong> große Lerneffekt bestätigten die Wahl<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 64
des Fortbildungsthemas. Im Laufe <strong>der</strong> Jahre ist die Fortbildungseinheit „Arbeiten im Lebensraum Fließgewässer“<br />
in allen Nachbarschaften behandelt worden und konnte so einer Vielzahl von Unterhaltungspflichtigen näher<br />
gebracht werden.<br />
Fragen an die Teilnehmer<br />
Information für die Betreuer<br />
Wie wirkt sich das<br />
Krauten auf das Gewässer<br />
aus?<br />
In den meisten Fällen führt das Entkrauten<br />
<strong>zur</strong> Vergleichmäßigung und Beschleunigung <strong>der</strong><br />
Strömung und zum schlagartigen Verlust von<br />
Wohn- und Nahrungssubstrat für Wasserorganismen.<br />
Beutetiere verlieren ihre Deckung, und das<br />
Laichsubstrat von Krautlaichern (karpfenartige<br />
Fische) und Wirbellosen wird entfernt.<br />
Durch das Aufwirbeln von Sediment kann eine<br />
Sauerstoffzehrung auftreten.<br />
Welche Folgen hat<br />
dieses für die Lebensgemeinschaft<br />
im<br />
Gewässer?<br />
Durch das Krauten werden Wasserpflanzenbestände<br />
und viele <strong>der</strong> darin lebenden Tiere<br />
beseitigt. Es kommt zu gravierenden Verän<strong>der</strong>ungen<br />
in <strong>der</strong> Besiedlung mit Organismen.<br />
Bei regelmäßiger Wie<strong>der</strong>holung tritt eine<br />
zunehmende Verarmung bis auf wenige weit<br />
verbreitete Arten ein.<br />
Nur bei Bedarf krauten, nicht etwa turnusmäßig!<br />
Eine Beschattung durch Ufergehölze verhin<strong>der</strong>t übermäßigen Krautwuchs<br />
Ziel- und methodenorientiert:<br />
Wie kann dieser Eingriff<br />
verhin<strong>der</strong>t bzw.<br />
minimiert werden?<br />
Zeittafel <strong>der</strong> Gewässerpflege<br />
beachten<br />
Abschnittsweise und/o<strong>der</strong><br />
halbseitiges Krauten<br />
Krautschneisen anlegen<br />
Vegetation etwa 10 cm über<br />
Grund abschneiden<br />
Beispiel aus den Fortbildungsunterlagen: Auswirkungen des Krautens auf die Lebensgemeinschaften und Informationen <strong>zur</strong><br />
Minimierung des Eingriffes.<br />
Seite 65<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Fortbildungsthema Nr. 4 „Was tun nach Hochwasser?“<br />
Projektgruppe<br />
Reinhold Alt<br />
Heinz Daucher<br />
Reinhold Jörger<br />
Erich Linsin<br />
Thomas Riedel<br />
Anton Willburger<br />
Klemens Ficht<br />
Jürgen Reich<br />
Peter Poymann<br />
Wolfgang Hauck<br />
Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />
Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />
Gewässerdirektion Rhein – Bereich Offenburg<br />
Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein, Bereich Waldshut<br />
Gewässerdirektion Neckar<br />
Gewässerdirektion Donau – Bereich Ravensburg<br />
Landratsamt Waldshut<br />
Landratsamt Waldshut<br />
Ministerium für Umwelt und Verkehr<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für die Gewässerpflege mbH<br />
Vor dem Jahr 1996 hatten die Gewässeranlieger ein Recht darauf, dass die durch Hochwasser eingetretenen<br />
Schäden an ihren Grundstücken vom Unterhaltungspflichtigen beseitigt werden. Die Sanierung von Uferabbrüchen<br />
und an<strong>der</strong>en Hochwasserschäden war deshalb ein Muss. In <strong>der</strong> Novelle des badenwürttembergischen<br />
Wassergesetzes, das am 1.1.1996 in Kraft trat, kam es zu einem Paradigmenwechsel und es<br />
wurde auf diese Vorschrift verzichtet, ja es wird seitdem im Gesetz sogar die Eigenentwicklung <strong>der</strong> Gewässer,<br />
beispielsweise von Uferabbrüchen initiiert, positiv beurteilt und die Möglichkeit eröffnet, diese gegen Entschädigung<br />
zu belassen.<br />
Ziel des Fortbildungsthemas „Was tun nach Hochwasser?“, das im Jahr 1997 zum ersten Mal auf dem Programm<br />
<strong>der</strong> Nachbarschaftstage stand, war es deshalb, den Unterhaltungspflichtigen die neuen Bestimmungen<br />
des novellierten Wassergesetztes hinsichtlich <strong>der</strong> Eigentumsverhältnisse am Gewässer und des<br />
Umfangs <strong>der</strong> Unterhaltungspflicht näher zu bringen und sie in die Lage zu versetzen, die rechtlichen Vorgaben<br />
im Arbeitsalltag anwenden zu können. Um dies zu erreichen, wurden Lernteilziele für die Fortbildungsunterlagen<br />
festgelegt:<br />
1. Eigentumsverhältnisse am Gewässer kennen<br />
lernen.<br />
2. Rechtliche Begrifflichkeiten definieren<br />
und erläutern; die neuen Festlegungen<br />
<strong>der</strong> Wassergesetznovelle vorstellen, die<br />
die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Eigendynamik <strong>der</strong> Gewässer<br />
(Wie<strong>der</strong>herstellung bzw. Belassen<br />
von Gewässerbettverlagerungen) und<br />
die Erweiterung <strong>der</strong> Unterhaltungspflicht<br />
auf die ökologische Aufwertung <strong>der</strong> Gewässer<br />
betreffen.<br />
3. Die Fähigkeit <strong>der</strong> Teilnehmer <strong>zur</strong> Einschätzung<br />
<strong>der</strong> Notwendigkeit von Unterhaltungsmaßnahmen<br />
an Hand von Fallbeispielen<br />
trainieren und för<strong>der</strong>n.<br />
Inhaltliche Grundlagen für das Fortbildungsthema<br />
sind das Heft 31 <strong>der</strong> Reihe Handbuch<br />
Uferabbruch, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Vergangenheit mit Raubäumen saniert<br />
wurde. Aufn.: Riedel.<br />
Wasser 2, „Rechtsgrundlagen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung, Teil 1 Überblick“ (1996) <strong>der</strong> Landesanstalt für Umweltschutz<br />
61 , <strong>der</strong> Statusbericht 1995 <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft sowie <strong>der</strong> Beitrag „Das ökologische Wassergesetz“<br />
von Peter Poymann, <strong>der</strong> im Statusbericht 1996 erschien und in dem die neuen und die verän<strong>der</strong>ten<br />
Paragraphen <strong>der</strong> Wassergesetznovelle ausführlich präsentiert und auf ihre praktische Umsetzung bei <strong>der</strong> Unterhaltung<br />
kommentiert werden.<br />
61 Siehe auch Zusammenfassung auf <strong>der</strong> Seite 20<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 66
Im Folgenden werden die wesentlichen Aspekte des Fortbildungsthemas vorgestellt, und zwar in <strong>der</strong> gleichen<br />
Reihenfolge, wie dies für den Verlauf <strong>der</strong> Nachbarschaftstage empfohlen wurde.<br />
1. Eigentumsverhältnisse am Gewässer<br />
Die Unterhaltungspflicht für Fließgewässer liegt, je nach wasserwirtschaftlicher Bedeutung und Eigentum des<br />
Gewässers, beim Bund (Bundeswasserstraßen), beim Land (Gewässer 1. Ordnung), bei den Kommunen (Gewässer<br />
2. Ordnung) o<strong>der</strong> letztlich, wenn es sich um keine öffentlichen Gewässer handelt, beim privaten Eigentümer.<br />
Die Nachbarschaften richten sich an die unterhaltungspflichtigen Kommunen und die Mitarbeiter <strong>der</strong><br />
Bauhöfe des Landes und <strong>der</strong> Kommunen. Deshalb wird im Fortbildungsthema auf die rechtlichen Bestimmungen<br />
an öffentlichen Gewässern – und nicht an privaten – eingegangen. Bei den technischen Anlagen in, über<br />
und an Gewässern (z.B. Brücken, Wege Leitungen o<strong>der</strong> Ufermauern, die zu privaten Zwecken errichtet und<br />
wasserwirtschaftlich genehmigt wurden) sieht es an<strong>der</strong>s aus, da die Unterhaltungspflicht nicht nur von den<br />
Eigentumsverhältnissen bestimmt wird, son<strong>der</strong>n ganz wesentlich von <strong>der</strong> Frage, ob sie als Bestandteil des Gewässers<br />
o<strong>der</strong> als eigenständige Anlagen einzuordnen sind.<br />
Eigentumsregelung und Grenze <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung. Aus Handbuch Wasser 2 Heft 31, LfU (1996).<br />
Am öffentlichen Gewässer erstreckt sich die Gewässerunterhaltung auf das Gewässerbett, das in <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Hand liegt, und die Ufer, die bereits den Anliegern gehören können. Uferlinie, Mittelwasserstand und<br />
Böschungsoberkante bestimmen die Grenzen für die Unterhaltungspflicht. Ihre Festlegung am Gewässer ist<br />
nicht immer einfach, weil sie durch kleinräumige topographische Gegebenheiten an jedem Gewässer eine<br />
unterschiedliche Lage und Form haben und sie durch die Eigendynamik <strong>der</strong> Gewässer einem Wandel unterliegen.<br />
Daher werden die Teilnehmer zunächst mit <strong>der</strong> Eigentumszonierung am Gewässer vertraut gemacht.<br />
Darauf aufbauend werden ihnen die neuen Regelungen des WG im Bezug auf Verlagerungen des Gewässerbettes<br />
– Überflutung, Verlandung o<strong>der</strong> Verlassen des alten Bettes – und die sich daraus ergebenden Auswirkungen<br />
auf die Eigentumsverhältnisse erklärt.<br />
2. Rechtliche Begrifflichkeiten und Neuigkeiten <strong>der</strong> Wassergesetznovelle von 1.1.1996 für die Unterhaltung<br />
Gesetze beinhalten fachliche Begriffe und Definitionen, die für Nicht-Juristen oft schwer verständlich sind. Die<br />
Wassergesetznovelle ist hier nicht an<strong>der</strong>s und eine „Übersetzung“ <strong>der</strong> Paragraphen in eine für den Laien verständliche<br />
Sprache ist eine notwendige Hilfe für die Personen, die sich mit den Auflagen des Gesetzes in ihrer<br />
täglichen Arbeit auseinan<strong>der</strong>setzen müssen. Beispielsweise heißt es im Gesetz, dass <strong>der</strong> „Träger <strong>der</strong> Unterhaltung“<br />
<strong>zur</strong> Gewässerunterhaltung „verpflichtet“ sei. Doch wer ist <strong>der</strong> „Träger <strong>der</strong> Unterhaltung“ und was ist mit<br />
Seite 67<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
„verpflichtet“ gemeint? Hat ein Anlieger Rechtsanspruch auf die Pflege und Unterhaltung <strong>der</strong> Ufergehölzbestände<br />
auf seinem Grundstück? Wer ist in diesem Fall <strong>zur</strong> Unterhaltung verpflichtet? 62 O<strong>der</strong>: Ist <strong>der</strong> Träger<br />
<strong>der</strong> Unterhaltung auch verpflichtet, alle umgefallenen Bäume aus dem Gewässerbett zu räumen? 63 Antworten<br />
auf diese Fragen bringen den Teilnehmern Klarheit über ihre Aufgaben, Pflichten und Grenzen, die im Wassergesetz<br />
definiert sind, und helfen ihnen, gegenüber Dritten sicher aufzutreten und ihre Arbeit verantwortungsvoll<br />
zu machen.<br />
Die für die Praxis behandelten Themenfel<strong>der</strong> waren:<br />
2.1 Räumen nach dem Hochwasser:<br />
Geschiebeablagerungen und sonstige<br />
Störungen in einem unverbauten und in<br />
einem naturnahen Gewässerabschnitt<br />
sowie innerhalb <strong>der</strong> Ortslagen.<br />
2.2 Naturnahe Gestaltung:<br />
- Neue Bestimmungen im WG <strong>zur</strong> Umgestaltung<br />
eines Gewässers in naturfernem<br />
Zustand im Rahmen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung<br />
- Gehölzanpflanzungen <strong>zur</strong> Ufersicherung<br />
und <strong>zur</strong> naturnahen Gestaltung.<br />
2.3 Dynamische Entwicklung <strong>der</strong> Gewässer:<br />
Geschiebeablagerungen in Ortslagen (Schwäbisch Hall) Quelle:<br />
- Entscheidungshilfe, wann diese belassen <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
o<strong>der</strong> sogar geför<strong>der</strong>t werden kann,<br />
- Sicherheit von öffentlichen Wasserversorgungsanlagen,<br />
- Wie<strong>der</strong>herstellung des früheren Zustandes in <strong>der</strong> Ortslage.<br />
2.4 Unterhaltung von Anlagen am Gewässer<br />
- Wie<strong>der</strong>herstellungspflicht <strong>der</strong> Schäden, die sich<br />
aus dem Bestehen <strong>der</strong> Anlagen ergeben<br />
- Abgrenzung <strong>der</strong> Unterhaltungsarbeiten an<br />
den Anlagen im, am o<strong>der</strong> über dem Gewässer<br />
Uferabbruch unterhalb eines Rohrdurchlasses, <strong>der</strong> für eine<br />
genehmigte private Gewässerkreuzung gebaut wurde.<br />
Wer hat die Pflicht <strong>zur</strong> Sanierung <strong>der</strong> Schäden? Aufn.: Alt.<br />
62 Nein, die Unterhaltungslast ist tatsächlich eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die jedoch keinen Rechtsanspruch Dritter<br />
gegen den Träger <strong>der</strong> Unterhaltungslast begründet, so <strong>der</strong> §46 des Wassergesetztes.<br />
63 Nein, nicht immer. Aufgabe <strong>der</strong> Unterhaltung ist es, einen ordnungsgemäßen Zustand für den Wasserabfluss zu gewährleisten,<br />
deshalb sollten umgefallene Bäume im Gewässerbett in ausgebauten Gewässern o<strong>der</strong> im Siedlungsbereich entfernt<br />
werden, wenn dies zum Schutz <strong>der</strong> Allgemeinheit notwendig ist. Im Außenbereich kann Totholz im Gewässer die eigendynamische<br />
Entwicklung för<strong>der</strong>n. Deshalb können, wenn das Belassen nicht zu einer nicht beabsichtigten Härte führt und wenn<br />
dies für die Erreichung eines guten Zustandes notwendig ist, Hin<strong>der</strong>nisse im Gewässerbett belassen werden (WG §47).<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 68
2.5 Gehölzpflege und Behin<strong>der</strong>ungen für den Hochwasserabfluss<br />
Wer ist für die Gehölzpflege verantwortlich und wann sollen umgefallene Bäume entfernt werden? Die Antwort ist nicht<br />
immer gleich und hängt von <strong>der</strong> Lage <strong>der</strong> Bäume, dem Wohl <strong>der</strong> Allgemeinheit und von <strong>der</strong> gegebenen und notwendigen<br />
Abflussleistung ab. Aufn.: B. Walser.<br />
3. Fallbeispiele <strong>zur</strong> Bearbeitung in Gruppenarbeit<br />
In <strong>der</strong> Regel findet <strong>der</strong> praktische Teil <strong>der</strong> Nachbarschaftstage im Gelände statt, wo die Teilnehmer an einem<br />
Gewässerabschnitt selber bauen, beobachten und urteilen können. In dieser Fortbildungseinheit ging<br />
es im praktischen Teil jedoch hauptsächlich darum, einen sicheren Umgang mit den rechtlichen Grundlagen<br />
zu bekommen und Problemlösungen für konkrete, alltägliche Fälle zu finden. Die Lösung von Fallbeispielen<br />
in Gruppenarbeit eignet sich dafür sehr gut und deshalb findet <strong>der</strong> praktische Teil <strong>der</strong> Fortbildung<br />
ausnahmsweise im Saal statt.<br />
Entscheidungshilfe bei Hochwasserschaden aus den Fortbildungsunterlagen: Soll <strong>der</strong> Ausgangszustand wie<strong>der</strong>hergestellt<br />
o<strong>der</strong> kann eine eigendynamische Entwicklung zugelassen werden?<br />
Seite 69<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Die ausgewählten Fallbeispiele können den folgenden drei Sachthemen zugeordnet werden:<br />
Unterhaltung in naturnahen und unverbauten Gewässerabschnitten<br />
Unterhaltung in Ausbaustrecken (an Längs- und Querbauwerken)<br />
Unterhaltung von Anlagen in, über o<strong>der</strong> an Gewässern.<br />
In Gruppen von vier bis fünf Personen sollten die Teilnehmer Probleme, die in den Beispielen beschrieben werden,<br />
beurteilen und begründete Lösungen dazu vorschlagen. Dafür standen ihnen die Teilnehmerunterlagen<br />
und das Poster „Grundzüge naturverträglicher Gewässerunterhaltung“ <strong>zur</strong> Verfügung.<br />
4. Die Erfolgskontrolle: Diskussion <strong>der</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> Gruppenarbeit<br />
Jede Arbeitsgruppe stellte ihre Ergebnisse vor, um sie dann mit dem Betreuer <strong>der</strong> Nachbarschaft und den an<strong>der</strong>en<br />
Teilnehmern zu besprechen, Unsicherheiten zu beseitigen und Lücken zu schließen. Hierzu wurden von<br />
den Betreuern mo<strong>der</strong>ierte Rollenspiele arrangiert, um die unterschiedlichen Interessenlagen <strong>der</strong> für die Gewässer<br />
Zuständigen zu verdeutlichen. – Dies markiert gleichzeitig die Einführung eines neuen didaktischen Handwerkszeugs.<br />
– Zu jedem Fallbeispiel gibt es Musterlösungen, welche die Teilnehmer mitnehmen und die sie bei<br />
künftigen Entscheidungen als kleines Nachschlagewerk benutzen können. Im Folgenden wird ein Fallbeispiel<br />
präsentiert. Die Musterlösungen sind in den blauen Kästen dargestellt.<br />
Fallbeispiel für das Fortbildungsthema „Was tun nach Hochwasser?“<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 70
Fortbildungsthema Nr. 5 „Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit“<br />
Projektgruppe<br />
Heinz Daucher<br />
Peter Haselmaier<br />
Winfried Haug<br />
Siegfried Kappler<br />
Wilfried Rühle<br />
Hermann Wiegner<br />
Jürgen Reich<br />
Externe Beratung:<br />
Holger Steenhoff<br />
Wolfgang Pankow<br />
Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />
Stadt Nagold, Tiefbauamt<br />
Landratsamt Calw<br />
Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />
Gewässerdirektion Nördlicher Oberrhein, Bereich Freudenstadt<br />
Städtischer Fischereiaufseher, Amt für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur Bruchsal<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH<br />
Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein (rechtliche Beratung)<br />
Dipl.-Biologe, Dogern (ökologische Beratung)<br />
Gewässer sind Biotope, die aus unterschiedlichen Teillebensräumen bestehen, unter an<strong>der</strong>em aus dem freien<br />
Wasserkörper, <strong>der</strong> Gewässersohle und <strong>der</strong> Wechselwasserzone. Für Fische und Kleinlebewesen ist es wichtig,<br />
dass diese Lebensräume einen ihren Ansprüchen genügenden guten Zustand aufweisen, wie bereits im Fortbildungsthema<br />
„Lebensraum Fließgewässer“ ausführlich erläutert wurde. Im freien Wasserkörper muss darüber<br />
hinaus die Längsdurchgängigkeit gewährleistet sein, damit Fische einen geeigneten Laichplatz erreichen können.<br />
Es reicht aber nicht, dass die Teillebensräume einfach vorhanden sind, son<strong>der</strong>n sie müssen untereinan<strong>der</strong><br />
und mit angrenzenden Lebensräumen verknüpft sein. Viele aquatische Tierarten sind auf mehrere, unterschiedlich<br />
strukturierte Lebensräume aufgewiesen, so etliche Benthosorganismen, die mit ihrem Lebensstadium<br />
auch den Lebensraum wechseln. Als Larve bewohnen viele das Lückensystem <strong>der</strong> Gewässersohle, das daher<br />
als „Kin<strong>der</strong>stube“ bezeichnet<br />
wird und Schutz vor<br />
<strong>der</strong> Strömung und Räubern<br />
bietet.<br />
Die Durchgängigkeit zwischen<br />
den Teilbiotopen in<br />
Flüssen und Bächen ist<br />
deshalb eine Grundvoraussetzung<br />
für die Existenz<br />
von vielen Lebewesen im<br />
Gewässer und von daher<br />
eine wichtige Bedingung<br />
für das Vorhandensein<br />
von gesunden und ökologisch<br />
funktionsfähigen<br />
Gewässern. Hauptziel des<br />
Themas „Wie<strong>der</strong>herstellung<br />
<strong>der</strong> Durchgängigkeit“<br />
war es, die<br />
Teilnehmer mit den Lebensbedingungen<br />
und<br />
Vernetzungsbeziehungen zwischen den Lebensräumen eines Gewässers und seiner Aue.<br />
Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
Ansprüchen verschiedener<br />
Tierarten vertraut zu<br />
machen, um damit zu zeigen, warum die Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Durchgängigkeit ein so zentrales Thema <strong>der</strong><br />
naturnahen Gewässerunterhaltung ist. In einer zweiten, mehr praktischen Phase sollten die Teilnehmer erfahren,<br />
wie verschiedene Bauwerke durchgängig gestaltet werden können und ob dies im Rahmen <strong>der</strong> Unterhaltung<br />
gemacht werden kann o<strong>der</strong> ob dafür ein wasserrechtliches Verfahren notwendig ist.<br />
Die Fortbildungseinheit ist in einen theoretischen Teil – Einführung und Vermittlung <strong>der</strong> Grundlagen in Form von<br />
Vorträgen – und einen praktischen Teil geglie<strong>der</strong>t, bei dem die Gestaltung von Durchgängigkeitsbauwerken<br />
an einem Gewässer in <strong>der</strong> Natur geübt wird. Der Inhalt <strong>der</strong> drei ersten Themenblöcke wird im Folgenden zusammengefasst:<br />
Seite 71<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
1. Ökologische Grundlagen<br />
Die ökologischen Grundlagen <strong>der</strong> Fließgewässer wurden bereits im Fortbildungsthema Nr. 3 „Arbeiten im Lebensraum<br />
Fließgewässer“ detailliert erläutert, sodass nach einer kurzen Wie<strong>der</strong>holung einiger wichtiger Aspekte<br />
für weitere Informationen auf die damaligen Unterlagen verwiesen wird. Empfohlen wird in jüngerer Zeit <strong>der</strong><br />
2005 erschienene Leitfaden <strong>der</strong> LfU „Durchgängigkeit für Tiere in Fließgewässern“ (Reihe Oberirdische Gewässer,<br />
Gewässerökologie 95, 2005), <strong>der</strong> die Grundlagen <strong>der</strong> früheren Leitfäden zusammenfasst und mit einem<br />
Kapitel „Defizite, Kontrolle und Bewertung <strong>der</strong> Durchgängigkeit von Wan<strong>der</strong>hilfen“ sinnvoll ergänzt wird. Ebenso<br />
können die Anfor<strong>der</strong>ungen von wichtigen Fischindikatorarten an die Durchgängigkeit in einem neu verfassten<br />
Kapitel nachgeschlagen werden.<br />
Dort wird beschrieben, in welchem Ausmaß die Lebewesen, die unterschiedlich veranlagt sind, was Wan<strong>der</strong>ungsnotwendigkeit<br />
und -vermögen sowie Ausbreitungstüchtigkeit angeht, auf die Durchgängigkeit zwischen<br />
den Lebensräumen angewiesen sind. Hierzu werden die Mobilität im Längsverlauf des Gewässers (Drift, aktives<br />
Wan<strong>der</strong>n im Wasser und in <strong>der</strong> Luft, passive Verschleppung), quer zum Gewässer und die vertikalen Ausbreitungsmechanismen<br />
beschrieben (vom Wasser ins Lückensystem <strong>der</strong> Sohle o<strong>der</strong> vom Lebensraum Wasser in<br />
den Lebensraum Luft). Schließlich wird auf die Bedeutung hingewiesen, die natürlich wechselnde Wasserstände,<br />
Fließgeschwindigkeiten und Strömungsmuster sowie ein natürliches Sohlenmaterial für die Existenzfähigkeit<br />
und das Überleben vieler Gewässerlebewesen haben, und, wie diese Bedingungen durch den Ausbau von<br />
Gewässern zerstört werden können.<br />
Für alle diese Vernetzungsbeziehungen sind beispielhaft Tierarten genannt und abgebildet. Für den Fall, dass<br />
die Betreuer an einem bestimmten Aspekt weiteres Interesse haben und sich in die Thematik weiter vertiefen<br />
wollen, sind im Anhang wissenschaftliche Beiträge beigefügt.<br />
Speziell für dieses Kapitel wurde von <strong>der</strong> <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft ein 30-minütiger Video-Film produziert,<br />
<strong>der</strong> auf Wunsch für die Nachbarschaftstage ausgeliehen werden kann. Hier werden den Unterhaltungspflichtigen<br />
hauptsächlich wan<strong>der</strong>nde Fische vorgestellt, die spezifische Ansprüche an die Durchgängigkeit haben.<br />
2. Sohlenerosion und Sohlenstabilisierung<br />
Prinzip<br />
Erhöhung des<br />
Sohlwi<strong>der</strong>stands<br />
Reduzierung des<br />
Fließgefälles<br />
Verringerung <strong>der</strong><br />
Schleppkraft<br />
Variante<br />
Sohlbefestigung<br />
Geschiebezugabe<br />
Sohlbauwerke<br />
Verlängerung des<br />
Fließwegs<br />
Profilaufweitung<br />
Methoden <strong>zur</strong> Stabilisierung von Gewässersohlen.<br />
Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
Wertung<br />
Massive<br />
Sohlsicherung<br />
dynamisch<br />
Bauwerke,<br />
klassische<br />
Maßnahmen<br />
Sanfter,<br />
natürlicher,<br />
dynamischer<br />
Sanfter,<br />
natürlicher,<br />
dynamischer<br />
Viele <strong>der</strong> vom Menschen verän<strong>der</strong>ten<br />
Gewässer zeigen eine<br />
instabile Sohle, die oft von Tiefenerosion<br />
gekennzeichnet ist.<br />
Durch Laufverkürzung und Einzwängung<br />
<strong>der</strong> Gewässer in ein<br />
festes Profil und das Fehlen einer<br />
Überflutungsaue wird das Gefälle<br />
erhöht, was wie<strong>der</strong>um die<br />
Erosionskräfte im Gewässerbett<br />
verstärkt. Neben den Erosionserscheinungen<br />
an <strong>der</strong> Sohle treten<br />
Folgeschäden an Ufern und<br />
Bauwerken in Gewässernähe<br />
auf; die Sohlenerosion und die<br />
damit verbundene Absenkung<br />
des Wasserspiegels lässt außerdem<br />
den Grundwasserspiegel<br />
absinken.<br />
An zahlreichen Gewässern sind<br />
Maßnahmen <strong>zur</strong> Verhin<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> weiteren Sohlenerosion dringend<br />
notwendig. Bisherige Methoden<br />
<strong>zur</strong> Stabilisierung <strong>der</strong> Gewässersohle (in <strong>der</strong> Regel mit Sohlpflasterung und dem Einbau von Abstürzen)<br />
wirken sich sehr nachteilig auf das Ökosystem aus, da sie Lebensräume zerstören und das Gewässer in unverbundene<br />
Teile fragmentieren. Doch gibt es, um die direkte Beanspruchung <strong>der</strong> Sohle zu reduzieren, naturverträgliche<br />
Alternativbauweisen. Eine große Bedeutung haben durchgängige Sohlrampen, die für Fische und<br />
Kleinlebewesen passierbar sind. Auch an<strong>der</strong>e Verfahren, welche die Sohle stabilisieren, sind ökologisch ver-<br />
-<br />
+ -<br />
+<br />
-<br />
+<br />
+<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 72
tretbar und können effektiv eingesetzt werden. Die Beschreibung dieser Maßnahmen in Verbindung mit den<br />
ausgelösten Wirkungen bildet den Schwerpunkt dieses Kapitels.<br />
3. Bau von durchgängigen Bauwerken<br />
Beispiel aus den Fortbildungsunterlagen: Bauwerke und durchgängige Alternativen<br />
Im 1996 novellierten Wassergesetz heißt es, dass „die naturnahe Gestaltung und Bewirtschaftung des Gewässerbetts<br />
und <strong>der</strong> Ufer“ ein Teil <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung sein soll. Wo aber liegt die Grenze zwischen kleinen<br />
Umbaumaßnahmen, die im Rahmen <strong>der</strong> Unterhaltung durchgeführt werden können, und größeren Maßnahmen,<br />
die einer wasserrechtlichen Zulassung bedürfen? Um diese Frage beantworten zu können, müssen zunächst<br />
an<strong>der</strong>e Aspekte erst geklärt werden, zum Beispiel ob beim Umbau die Ufer in größerem Umfang<br />
umgestaltet werden müssen und inwiefern <strong>der</strong> Wasserabfluss nachträglich nach <strong>der</strong> Umsetzung beeinflusst<br />
wird. In den Fortbildungsunterlagen werden wichtige Begriffe definiert und es wird ein Ablaufschema vorgestellt,<br />
mit dem dieser Entscheidungsprozess ermöglicht wird.<br />
Seite 73<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Nach Klärung des rechtlichen Rahmens werden Gestaltungsmöglichkeiten für unterschiedliche Formen von<br />
Rampen, für durchgängige Verdolungen und für Furten dargestellt. An Hand von umgesetzten Beispielen werden<br />
die ökologischen Verbesserungen, die durch den Bau von Durchgängigkeitsbauwerken erzielt werden,<br />
sowie rechtliche und technische Fragen anschaulich erklärt.<br />
Raue Rampen eignen sich beson<strong>der</strong>s gut für die Sanierung <strong>der</strong> Wehre und Absturzbauwerke, die ohnehin sanierungsbedürftig<br />
sind. In <strong>der</strong> Fortbildungseinheit wird zwischen den gesetzten Rampen und den geschütteten<br />
Rampen unterschieden. Im Rahmen <strong>der</strong> Unterhaltung – insbeson<strong>der</strong>e an kleineren Gewässern – kommen geschüttete<br />
Rampen zum Einsatz, da ihre Bauausführung einfach ist und ihre Unterhaltung weniger Probleme<br />
bereitet.<br />
Verdolungen sind sowohl innerhalb als auch außerhalb von Ortslagen zu finden. In Wäl<strong>der</strong>n stellen sie oft sogar<br />
das wichtigste Hin<strong>der</strong>nis im Längskontinuum <strong>der</strong> Gewässer dar. 64 Sie können jedoch auf unterschiedliche Art<br />
und Weise durchgängig gestaltet werden, an erster Stelle durch die Schaffung einer natürlichen Sohle, sei es<br />
auf direktem o<strong>der</strong> indirektem Wege (Initiierung von Geschiebeablagerungen). Der einfachste Weg dies zu<br />
erreichen ist <strong>der</strong> Einbau von flachen Querriegeln o<strong>der</strong> einer Baustahlmatte. Daneben eignet sich auch hier <strong>der</strong><br />
Einbau einer rauen Rampe innerhalb <strong>der</strong> Verdolungsstrecke.<br />
Furten sind oft eine günstige und einfache Alternative zu Verdolungen und Überfahrten. Es handelt sich dabei<br />
um unbefestigte Wege, die mit Schottermaterial quer durch ein Gewässer angelegt werden und befahren<br />
werden können. In <strong>der</strong> Regel sind sie vom Wasser überströmt, sodass sie mit bloßem Auge oft gar nicht sichtbar<br />
und auch für die aquatische Fauna passierbar sind.<br />
64 Rin<strong>der</strong>spacher, 2004<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 74
Fortbildungsthema Nr. 6 „Gewässerunterhaltung in Ortslagen“<br />
Projektgruppe<br />
Manfred Bauer<br />
Ulrich Burst<br />
Peter Geitz<br />
Thomas Kusche<br />
Dieter Lillich<br />
Josef Pfen<strong>der</strong><br />
Josef Woitzik<br />
Jürgen Reich<br />
Landesanstalt für Umweltschutz<br />
Eigenbetriebe <strong>der</strong> Stadt Ulm<br />
Planungsbüro Geitz<br />
Planungsbüro Geitz<br />
Stadt Esslingen/Neckar<br />
Gewässerdirektion Donau/Bodensee, Bereich Riedlingen<br />
Gewässerdirektion Donau/Bodensee, Bereich Riedlingen<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH<br />
Externe Beratung und Unterstützung:<br />
Walter Heuser<br />
Jürgen Schlenker<br />
Bernd Walser<br />
Stadt Stuttgart<br />
Regierungspräsidium Stuttgart<br />
Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein, Bereich Offenburg<br />
Die Unterhaltung von Fließgewässern im Siedlungsbereich unterscheidet sich stark von <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung<br />
in <strong>der</strong> freien Landschaft: Grund warum ein Fortbildungsthema eigens dafür entwickelt wurde. Das<br />
Zusammenkommen von speziellen Tatbeständen, nämlich die beengten Verhältnisse, die Notwendigkeit, das<br />
Hochwasserrisiko zu minimieren, und die soziokulturelle Bedeutung haben <strong>zur</strong> Folge, dass urbane Gewässer<br />
einer speziellen Betrachtung und Pflege bedürfen. Bäume und an<strong>der</strong>e Gehölze besitzen in den Städten in <strong>der</strong><br />
Wahrnehmung <strong>der</strong> Bevölkerung einen höheren Stellenwert als in <strong>der</strong> freien Landschaft und je<strong>der</strong> Eingriff kann<br />
auf Unverständnis stoßen und zu Spannungen mit den Unterhaltungspflichtigen führen. Vermieden werden<br />
können solche Situationen nur mit einer frühzeitigen Öffentlichkeitsarbeit, die so zu einem wichtigen Teil <strong>der</strong><br />
Unterhaltungsarbeit wird. Nicht weniger wichtig ist die Verbesserung <strong>der</strong> ökologischen Verhältnisse in den Gewässern,<br />
ein Ziel, das im Rahmen <strong>der</strong> Unterhaltung, wenn auch nur in kleinen Schritten, realisiert werden kann<br />
und soll.<br />
Links: Betonierter, naturferner und unzugänglicher Bach innerhalb einer Ortschaft. Rechts: Zugängliches urbanes Gewässer,<br />
das kurz nach seiner Renaturierung bereits naturnahe Strukturen und eine spontane Vegetationsentwicklung aufweist.<br />
Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
Die Schwierigkeit besteht bei <strong>der</strong> Unterhaltung von Siedlungsgewässern darin, die jeweiligen Rahmenbedingungen<br />
richtig abzuschätzen und optimierte Kompromisslösungen zu finden. Genau das wird mit dem Fortbildungsthema<br />
angestrebt. Die Unterhaltungspflichtigen sollen die Randbedingungen urbaner Gewässer kennen<br />
lernen und sie fallspezifisch abwägen lernen, um angepasste Unterhaltungsziele zu formulieren. Darauf auf-<br />
Seite 75<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
auend sollen sie geeignete Unterhaltungsmethoden auswählen und anwenden können. Um dies zu erreichen,<br />
wurde ein didaktisches Konzept entwickelt, das im Folgenden erläutert wird.<br />
Beim Nachbarschaftstag werden die Teilnehmer mit konkreten Fällen konfrontiert, die in einer bestimmten<br />
Ortschaft aktuell sind. Lösungen für Probleme zu finden, sind für Erwachsene Hauptmotiv des Lernens 65 und<br />
daher eine gute Methode, die Teilnehmer zu aktivieren. Es soll zunächst gemeinsam von den Teilnehmern die<br />
für die Nachbarschaft brisante<br />
Thematik gefunden und dann<br />
eingegrenzt werden. Anschließend<br />
sollen die Rahmenbedingungen<br />
in Form von Referaten<br />
identifiziert und erläutert<br />
werden. Vor diesem Hintergrund<br />
sollen an Fallbeispielen<br />
ein Entwicklungsziel und die<br />
Prioritäten für die Unterhaltung<br />
abgeleitet werden. Hierfür sind<br />
in den Unterlagen Informationen<br />
zu folgenden Themen enthalten:<br />
Historische Betrachtung<br />
Passive und aktive Naherholung<br />
und Freizeitnutzung<br />
Erlebnisraum Gewässer,<br />
Ortsbild<br />
Denkmalschutz<br />
Hochwasserschutz<br />
Gewässerökologie<br />
Nutzungsdruck auf die<br />
Gewässer<br />
Im theoretischen Teil soll die<br />
Erläuterung <strong>der</strong> gesetzlichen<br />
Vorgaben viel Zeit eingeräumt<br />
werden, damit die Teilnehmer<br />
ihre Pflichten und Rechte kennen<br />
lernen. Ausführlich soll<br />
über die Verkehrssicherungspflicht<br />
gesprochen werden,<br />
da dies die Wahrnehmung <strong>der</strong><br />
Unterhaltung stark beeinflusst.<br />
Dem theoretischen Teil folgt<br />
eine Übung, bei <strong>der</strong> die Teilnehmer Fälle lösen sollen. Dafür sind Dias mit acht verschiedenen Fällen in den<br />
Unterlagen vorhanden. Die Übung soll diskursiv verlaufen, sodass viele Erfahrungen und Problemlösungsansätze<br />
<strong>zur</strong> Sprache kommen. Ein zweiter Übungsteil findet an einem o<strong>der</strong> mehreren Gewässern im Gelände statt und<br />
besteht darin, dass die Teilnehmer spezielle Unterhaltungsaufgaben o<strong>der</strong> Umgestaltungsmaßnahmen in Ortslagen<br />
besichtigen und in <strong>der</strong> Gruppe diskutieren. Aufbauend auf den theoretischen Grundlagen, die sie im<br />
Laufe des Tages vermittelt bekommen haben, können die Teilnehmer an einem konkreten Beispiel rechtliche<br />
Unklarheiten klären und den Entscheidungsprozess diskutieren. – Das Fortbildungsthema eignet sich beson<strong>der</strong>s<br />
65 Currle, 2000<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 76
für Gemeinden, in denen bei Unterhaltungsarbeiten schon Akzeptanzproblemen entstanden o<strong>der</strong> zu erwarten<br />
sind.<br />
Auszug aus den Fortbildungsunterlagen zum Thema „Rechtlichen Grundlagen“ bei <strong>der</strong><br />
Gewässerunterhaltung in Ortslagen.<br />
Seite 77<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Fortbildungsthema Nr. 7 „Unterhaltung und Pflege von Gräben“<br />
Projektgruppe<br />
Manfred Bauer<br />
Cornelia Brausam-Schmidt<br />
Werner Herget<br />
Dr. Hans Helmut Klepser<br />
Dr. Thomas Paulus<br />
Thomas Soldner<br />
Bernd Walser<br />
Jürgen Reich<br />
Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />
Stadt Tübingen<br />
Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung<br />
(GFG) mbH<br />
Regierungspräsidium Tübingen<br />
Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung<br />
(GFG) mbH<br />
Betreuer Gewässernachbarschaft Landkreis Tübingen<br />
Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein, Bereich Offenburg<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH<br />
Externe Beratung und Unterstützung:<br />
Dr. Margarete Dohmann<br />
Landratsamt Reutlingen<br />
Gräben sind Kleingewässer, die für die Be- o<strong>der</strong> Entwässerung angelegt wurden. Beson<strong>der</strong>s ab <strong>der</strong> Mitte des<br />
19. Jahrhun<strong>der</strong>ts entstanden große Be- und Entwässerungssysteme in Baden-Württemberg. Aber auch in jüngerer<br />
Zeit sind Gräben <strong>zur</strong> Oberflächenentwässerung entlang von Straßen und Wegen entstanden. 66 Um ihre<br />
Funktionsfähigkeit zu erhalten, bedürfen sie einer Pflege und Unterhaltung, das heißt, sie müssen geräumt werden.<br />
67 Je<strong>der</strong> Eingriff hat jedoch zwangsläufig negative Auswirkungen auf das Ökosystem. Deshalb soll „so viel<br />
wie nötig und so wenig wie<br />
möglich“ unterhalten werden.<br />
68<br />
Links: Geräumter Graben: Entnahme des Sohlsubstrats, <strong>der</strong> Fauna und <strong>der</strong> Vegetation.<br />
Rechts: Ökologisch wertvoller Graben. Aufwertung durch Aufweitung; Aufn. T. Paulus<br />
Trotz ihres anthropogenen<br />
Ursprunges können Gräben<br />
Lebensraum-Qualitäten wie<br />
naturnahe Gewässer besitzen<br />
und insbeson<strong>der</strong>e in<br />
intensiv genutzten Landschaften<br />
wichtige Funktionen<br />
übernehmen. Unterhaltungsmaßnahmen<br />
wirken<br />
sich auf Gewässerlebensgemeinschaften<br />
aus, sei es<br />
infolge <strong>der</strong> direkten Entnahme<br />
von Pflanzen und<br />
Tieren, sei es durch Verän<strong>der</strong>ung<br />
o<strong>der</strong> Vernichtung<br />
<strong>der</strong> Habitate. Am gravierendsten<br />
sind Maßnahmen,<br />
die in die Gewässersohle<br />
eingreifen. 69 Intensive Unterhaltung<br />
führt <strong>zur</strong> Dezimierung<br />
von Populationen<br />
und Lebensräumen. In selten<br />
unterhaltenen Grabenabschnitten können dagegen seltene o<strong>der</strong> gar gefährdete Tier- und Pflanzenarten<br />
dauerhaft überleben.<br />
66 Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU), 1999<br />
67 Herget, Reich, 2001<br />
68 Prospekt „Grabenpflege im Ammertal bei Tübingen“, <strong>der</strong> Stadtverwaltung Tübingen (Tiefbauamt), 1999.<br />
69 DVWK, 1992<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 78
In den heute an natürlichen Kleingewässern verarmten Landschaften sind Gräben oft die einzigen Biotope für<br />
die wassergebundene Fauna und Flora. Eine große Bedeutung besitzen Gräben insbeson<strong>der</strong>e als Überwinterungsquartiere<br />
für Amphibien, wie z.B. die Grasfrösche (Rana temporaria), die sich vor den ersten Frösten in<br />
den weichen Bodenschlamm eingraben. Die Grabenvegetation bietet im Winter einen Schutz für Insekten und<br />
Spinnen und dient mehreren Vogelarten als Nahrungsquelle. Im Frühjahr und Sommer wird sie ebenfalls von<br />
Vögeln, aber auch von blütenbesuchenden Insekten genutzt. Für den Menschen sind staudengesäumte, bunte<br />
Gräben ästhetisch reizvoll.<br />
Das Ziel <strong>der</strong> Fortbildungseinheit ist, den<br />
Teilnehmern zu zeigen, dass Unterhaltungsmaßnahmen<br />
auch ökologisch<br />
verträglich sein können. Die Teilnehmer<br />
sollten die Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> Gräben<br />
als Lebensraum und die gesetzlichen<br />
Rahmenbedingungen, die die Unterhaltung<br />
beeinflussen, kennen lernen. Darüber<br />
hinaus sollten sie lernen, einen<br />
Grabenunterhaltungs- o<strong>der</strong> -pflegeplan<br />
zu entwickeln, in dem auch die ökologischen<br />
Funktionen <strong>der</strong> Gräben Berücksichtigung<br />
finden, konkret, dass sie in die<br />
Lage versetzt werden, Technik, Geräte<br />
und Zeitpunkt <strong>der</strong> Pflegeeingriffe entsprechend<br />
zu wählen und die Kosten<br />
abzuschätzen.<br />
Auf Grund <strong>der</strong> guten und umfangreichen Literatur, die zu Gestaltung und Pflege von Gräben vorhanden ist,<br />
wurde auf eine eigene textliche Aufarbeitung verzichtet. Für die Grundlagen wird auf das Heft 55 „Gestaltung<br />
und Pflege von Gräben“ <strong>der</strong> Reihe Oberirdische Gewässer, Gewässerökologie <strong>der</strong> LfU sowie auf den Beitrag<br />
von Werner Herget und Jürgen Reich im Statusbericht 2000/2001 verwiesen. Weiterführende und vertiefende<br />
Literatur wurde in einem Literaturverzeichnis im Fortbildungsordner zusammengestellt.<br />
Für die Gestaltung des Nachbarschaftstages ist ein didaktisches Konzept auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Methoden<br />
<strong>der</strong> Erwachsenenbildung entwickelt<br />
worden. Zu Beginn <strong>der</strong> Veranstaltung<br />
sollten sich die Teilnehmer zu Gruppen<br />
zusammentun und gemeinsam Fragen<br />
rund um den Begriff Graben beantworten,<br />
wie z.B. „Was ist ein Graben und<br />
welche Funktionen hat er?“ Die Abgrenzung<br />
von Graben zu kleinen natürlichen<br />
Bächen ist mitunter recht schwierig und<br />
dennoch unentbehrlich für die Unterhaltungspflichtigen,<br />
da natürliche und<br />
künstliche Gewässer vom Gesetz unterschiedlich<br />
behandelt werden und die<br />
Folgen für die Unterhaltung fundamental<br />
sind. 70 Das gemeinsame Beantworten<br />
von Fragen in Gruppen eignet sich gut<br />
Frosch inmitten seiner Eiablage in einem Graben.<br />
Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
Auszug aus den Fortbildungsunterlagen: Räumung und anschließende,<br />
natürliche Sukzession.<br />
dafür, das Interesse <strong>der</strong> Teilnehmer für das Thema zu wecken. Mit den Antworten kann sich <strong>der</strong> Betreuer einen<br />
Eindruck über den Stand des Wissens verschaffen, <strong>der</strong> dann den weiteren Verlauf des Nachbarschaftstages<br />
bestimmt.<br />
Zur Veranschaulichung von typischen Situationen und Problemen sind Folien und Dias in den Unterlagen enthalten.<br />
als auch an<strong>der</strong>e geeignete Medien herangezogen werden. Um den Vortragsteil am späteren Vormittag<br />
abwechslungsreich zu gestalten, konnte ein eigens hergestellter kurzer Film über Unterhaltungsarbeiten an<br />
Gräben gezeigt werden. Die vermittelten Sachverhalte sollten in einem Übungsteil wie<strong>der</strong>holt und gefestigt<br />
70 Herget, Reich, 2001<br />
Seite 79<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
werden. Hierzu konnten Beispiele (siehe unten stehendes Bild) aus den in den Unterlagen vorhandenen Folien<br />
ausgewählt werden.<br />
Übungsbeispiel 4: Grabensystem Ammertal bei Tübingen<br />
In <strong>der</strong> offenen Landschaft des Ammertals<br />
finden sich nur vereinzelt Gehölze<br />
an den Gräben (Foto: M. Bauer)<br />
Einseitige Mahd mit Balkenmäher und<br />
Mähkorb. Gemäht werden Sohle und vor<strong>der</strong>e<br />
Böschung bis <strong>zur</strong> Oberkante – <strong>der</strong><br />
Rest bleibt stehen (Foto: M. Bauer)<br />
Schmaler Graben nach <strong>der</strong> Mahd. Links im<br />
Bild ein landwirtschaftlicher Weg; rechts<br />
hat sich ein Schilfbestand entwickelt<br />
(§24a-Biotop) (Foto: M. Bauer)<br />
Durch die Bearbeitung <strong>der</strong> landwirtschaftlichen<br />
Fläche bis an die Böschungsoberkante<br />
wurde <strong>der</strong> Graben<br />
nach und nach verfüllt und ist nur noch<br />
rudimentär vorhanden (Foto: M. Bauer)<br />
Schonende Räumung mit dem Bagger.<br />
Erfolgt nicht routinemäßig, son<strong>der</strong>n nur<br />
bei Bedarf. Entwässerungsfunktion wird<br />
durch einen möglichst geringen Eingriff<br />
wie<strong>der</strong> hergestellt (Foto: M. Bauer)<br />
Aufweitung/Sedimentationsbecken <strong>zur</strong><br />
punktuellen Sedimententnahme. Durch<br />
Verringerung <strong>der</strong> Fließgeschwindigkeit<br />
setzt sich mitgeführtes Sediment hier ab<br />
(Foto: M. Bauer)<br />
Was ist an diesem Graben charakteristisch?<br />
Was ist zu erkennen? Welches sind die kritischen Punkte?<br />
Was kann man hier verbessern?<br />
Übungsbeispiel aus den Fortbildungsunterlagen<br />
Der Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmern wurde als sehr wichtig angesehen, um die Teilnehmer<br />
über die Diskussion emotional stärker ans Thema zu binden, da theoretische Inhalte auf diese Art und Weise<br />
besser haften bleiben. Der gemeinsam zu erstellende Pflegeplan war ebenfalls Teil des didaktischen Konzepts,<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 80
weil hier <strong>der</strong> ganze Prozess von <strong>der</strong> Ermittlung <strong>der</strong> Rahmenbedingungen über die Entscheidung <strong>der</strong> geeigneten<br />
Methoden bis hin <strong>zur</strong> Abschätzung <strong>der</strong> voraussichtlichen Kosten durchlaufen werden muss. Zur Visualisierung<br />
wurden Flipcharts empfohlen, um die Teilnehmer <strong>zur</strong> aktiven Mitarbeit zu bewegen und die gemeinsam<br />
erarbeiteten Ergebnisse je<strong>der</strong>zeit parat zu haben.<br />
Der Nachmittagseinheit ist als Exkursion konzipiert, bei <strong>der</strong> Grabenunterhaltungen besichtigt werden sollten.<br />
Hierzu sollten, wenn möglich, Kontakte zu den örtlichen Maschinenringen aufgenommen, um die Maschinen<br />
an Ort und Stelle von erfahrenen Leuten vorgeführt zu bekommen.<br />
Einsatzmöglichkeiten verschiedener Unterhaltungsgeräte und ökonomische und ökologische Bewertung ihres Einsatzes<br />
Seite 81<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Fortbildungsthema Nr. 8 „Totholz in Gewässern“<br />
Projektgruppe<br />
Herbert Diehl<br />
Marc Gerhard<br />
Josef Groß<br />
Dr. Thomas Paulus<br />
Prof. Dr. Michael Reich<br />
Jürgen Reich<br />
Michael Reuschenbach<br />
Dr. Jürgen Scherle<br />
Dr. Klaus Träbing<br />
Regierungspräsidium Gießen, Abt. Staatliches Umweltamt Marburg<br />
Universität Hannover, Institut für Landschaftspflege und Naturschutz<br />
Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfall<br />
und Boden, Koblenz<br />
Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung<br />
(GFG) mbH<br />
Universität Hannover, Institut für Landschaftspflege und Naturschutz<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH<br />
Gewässerdirektion Nördlicher Oberrhein, Karlsruhe<br />
Gewässerdirektion Nördlicher Oberrhein, Karlsruhe<br />
Universität Karlsruhe, Institut für Wasserwirtschaft und Kulturbau<br />
Totholz birgt große Chancen für die Fließgewässer, aber auch Gefahren für die Hochwassersicherheit. Unter<br />
natürlichen Bedingungen spielt das Totholz in Gewässern eine große Rolle: als feines Reisig, Äste, Stämme und<br />
ganze Bäume. Totholz ist Lebensraum und Nahrung für etliche Elemente <strong>der</strong> Fauna und Wuchsort für die Gewässerflora<br />
sowie Strukturbildner und hydraulisch wirksames Element. Da das Ziel <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung<br />
die För<strong>der</strong>ung und <strong>der</strong> Erhalt von naturnahen ökologischen Verhältnissen ist, ist das Belassen von Totholz, soweit<br />
es keine Gefahr für den Menschen darstellt, erwünscht. Für die Unterhaltungspflichtigen stellen die beiden<br />
gegenläufigen Anfor<strong>der</strong>ungen – zum einen das Belassen von Totholz und zum an<strong>der</strong>en das Sicherstellen des<br />
gefahrlosen Abflusses – oft ein Problem dar, das nicht einfach zu lösen ist. Um in je<strong>der</strong> Situation die richtige<br />
Entscheidung zu treffen, muss Wissen über die technischen und den ökologischen Zusammenhänge vorhanden<br />
sein.<br />
Darüber hinaus muss das Liegenlassen von Holz die Akzeptanz <strong>der</strong> Bevölkerung finden. Manche Bürger sehen<br />
darin eine erhöhte Überschwemmungsgefahr infolge Rückstau, was in bestimmten Situationen auch nicht von<br />
<strong>der</strong> Hand zu weisen ist. Doch gibt es viele gute Gründe pro Totholz: Gute Pressearbeit und positive Presseberichte<br />
können Bedenken zerstreuen und Vorurteile abbauen.<br />
Für die Fortbildung machte die Projektgruppe neben dem üblichen Ordner eine Broschüre, in <strong>der</strong> die wichtigsten<br />
Sachverhalte für die Gewässerunterhaltung im Zusammenhang mit Totholz für die Län<strong>der</strong> Baden-<br />
Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz vermittelt werden. Die Broschüre lehnt sich an das didaktische Konzept<br />
des Fortbildungsthemas an und ist für die Betreuer und Betreuerinnen <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften die<br />
Basis für die Durchführung <strong>der</strong> Nachbarschaftstage. Außerdem richtet sich die Broschüre auch an ein breiteres<br />
Publikum, von den Teilnehmern <strong>der</strong> Veranstaltungen bis zu Anliegern von Gewässern, Fischern, Mühlen- und<br />
Kraftwerksbetreibern und letztendlich auch an alle, die sich um die naturverträgliche Entwicklung <strong>der</strong> Gewässer<br />
kümmern.<br />
Ziel <strong>der</strong> Fortbildungseinheit ist es, den Teilnehmern die ökologische Funktion und den Nutzen von Totholz in<br />
Gewässern zu vermitteln und auch auf Risiken, die damit verbunden sind, hinzuweisen. Sie sollen befähigt werden,<br />
Vor- und Nachteile des Belassens von Totholz im Einzelfall abzuwägen und entsprechende Entscheidungen<br />
zu treffen. Das Erlernte soll an Übungsbeispielen im Saal und in einer Nachmittagsexkursion geübt und<br />
gefestigt werden.<br />
1. Ökologische Bedeutung von Totholz im Gewässer<br />
Zunächst wird beschrieben, was Totholz ist, in welchen Erscheinungsformen es im Gewässer auftritt und welche<br />
natürlichen und menschlich bedingten Ursachen zu seiner Entstehung führen. Totholz ist kein stabiles Element<br />
im Gewässer, son<strong>der</strong>n kann bei Hochwasser von <strong>der</strong> Aue ins Gewässer gelangen. Es kann eine Zeitlang im<br />
Gewässerbett verankert bleiben und dann eines Tages seine Position im Bachbett verän<strong>der</strong>n. Diese Vorgänge<br />
werden unter dem Begriff <strong>der</strong> Totholzdynamik zusammengefasst und erklärt. Die Bedeutung von Totholz als<br />
Nahrungsquelle und als dynamisches Strukturelement, das immer wie<strong>der</strong> neue Lebensräume im Gewässerbett<br />
schafft, wird anschließend behandelt.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 82
2. Bedeutung von Totholz für die Gewässerstruktur<br />
Welche morphologischen Wirkungen löst liegendes Totholz im Gewässer aus? Prinzipiell kann man sie in vier<br />
große Gruppen fassen:<br />
Erhöhung <strong>der</strong> Strömungs- und Strukturdiversität,<br />
<br />
<br />
<br />
För<strong>der</strong>ung des Sedimentrückhalts,<br />
Erhöhung <strong>der</strong> Stabilität des Gewässerbettes gegen Tiefenerosion,<br />
Abflussverzögerung, früheres Ausufern und daher Beitrag zum dezentralen Hochwasserschutz.<br />
Aber Totholz ist nicht gleich Totholz. Während geschlossene, dichte Ansammlungen von Holz wie ein Damm<br />
wirken und dann sowohl den Abfluss als auch den Geschiebetransport grundlegend beeinflussen, haben Einzelstämme<br />
im Gewässerbett oft nur eine temporäre Wirkung auf die Bettmorphologie und wirken sich so gut<br />
wie nicht auf den Abfluss. Um was für einen Totholztyp es sich handelt und welche Auswirkungen er unter bestimmten<br />
Bedingungen hat, wird hier schwerpunktmäßig thematisiert.<br />
3. Gefährdung durch Totholz und Schutzkonzepte<br />
Wird Totholz im Gewässer vorgefunden, muss entschieden werden, ob es entfernt wird o<strong>der</strong> belassen werden<br />
kann. Neben den bereits behandelten<br />
positiven Effekten können Gefahren für<br />
Menschen und Sachgüter entstehen.<br />
Solche Gefahren müssen von den Unterhaltungspflichtigen<br />
eingeschätzt und wo<br />
immer möglich vermieden werden! Hierzu<br />
gehören die Lage <strong>der</strong> Stämme im<br />
Gewässer, ihre Größe und Stabilität,<br />
Rückstaueffekte, Vorlandüberflutung,<br />
Kolkbildungen und Ufererosion. Wo dürfen<br />
Prozesse stattfinden, wo nicht? Bei<br />
den Nachbarschaftstagen werden Entscheidungsprozesse<br />
und Handlungsoptionen<br />
diskutiert und geübt. Es werden<br />
Schutzmaßnahmen für verschiedene Gefahrensituationen<br />
vorgeschlagen. Diese ne Übergangsstrecke definiert, an <strong>der</strong> Totholz bei <strong>der</strong> Gewässer-<br />
Übergangsstrecke: Im Anschluss an eine totholzreiche Strecke wird ei-<br />
reichen von <strong>der</strong> Einrichtung von Übergangsstrecken<br />
(siehe Bild auf dieser Seiunterhaltung<br />
überwacht und sein Gefahrenpotential immer wie<strong>der</strong><br />
abgeschätzt wird. Dagegen ist dies in <strong>der</strong> totholzreichen Strecke wasseraufwärts<br />
davon nicht nötig. Abb. H.Worth.<br />
te) über den Bau von Treibholzfängern<br />
zum Schutz vor Totholzverklausungen bis<br />
hin <strong>zur</strong> Fixierung von Totholz mit unterschiedlichen Methoden, um eine Verlagerung zu verhin<strong>der</strong>n.<br />
Seite 83<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Fortbildungsthema Nr. 9 „Gewässerunterhaltung in geschützten<br />
Gebieten“<br />
Projektgruppe<br />
Harald Ebner<br />
Verena Friske<br />
Karl-Heinz Göbel<br />
Herbert Kiewitz<br />
Rainer Magenreuter<br />
Hans Mattner<br />
Dr. Thomas Paulus<br />
Jürgen Reich<br />
Ute Schnei<strong>der</strong>-Ritter<br />
Hubert Wiedemann<br />
Hartmut Winkler<br />
Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Stuttgart<br />
Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg<br />
Hessisches Dienstleistungszentrum für Landwirtschaft, Gartenbau und Naturschutz, Standort<br />
Wetzlar<br />
Landesamt für Wasserwirtschaft (LfW) Rheinland-Pfalz, Mainz<br />
Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg<br />
Gewässerdirektion Neckar Bereich Ellwangen<br />
Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung<br />
(GFG) mbH<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH<br />
Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein Bereich Offenburg<br />
Landratsamt Schwäbisch Hall<br />
Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, Koblenz<br />
Die naturnahe Gewässerunterhaltung und -entwicklung ist ein wichtiges Ziel des Naturschutzes. Doch kann in<br />
manchen Fällen <strong>der</strong> Erhalt von bedrohten Lebensräumen, Tier- o<strong>der</strong> Pflanzenarten vorrangig sein und dies<br />
kann <strong>der</strong> naturnahe Gewässerentwicklung wi<strong>der</strong>sprechen. Solche Fälle können vor allem in geschützten Gebieten<br />
auftreten, in denen Schutzverordnungen und Pflege- und Entwicklungspläne einen bestimmten Rahmen<br />
vorgeben. Es bedarf in jedem Fall eines Abgleichs mit diesen Plänen, um etwaige Unverträglichkeiten<br />
heraus zu finden. So ist zum Beispiel die Etablierung eines naturnahen Uferwaldes in einem Gebiet, das als Offenland<br />
geschützt ist, nicht erlaubt und <strong>der</strong> Unterhaltungspflichtiger muss dafür sorgen, dass es zu keinen geschlossenen<br />
Ufersaum kommt. Das Naturschutzziel kann aber auch die naturnahe Gewässerentwicklung<br />
einbeziehen, so dass es zu keinen Konflikten mit einer naturverträglichen Gewässerunterhaltung kommen muss<br />
(Beispiel Köpferbach im NSG Köpfertal).<br />
Wenn die Ziele des Naturschutzes des jeweiligen Schutzgebietes bekannt sind, lassen sich diese meist problemlos<br />
in die Gewässerunterhaltung integrieren. Für die Unterhaltungspflichtigen ist es in erster Linie wichtig zu wissen,<br />
ob die zu pflegenden Gewässer in einem o<strong>der</strong> mehren Schutzgebieten liegen, um welche<br />
Schutzkategorie es sich dabei handelt und welche Schutzziele festgelegt wurden. Mit diesen Informationen<br />
wird es dann möglich, Konflikte zu erkennen und Lösungen zu suchen.<br />
Für die Fortbildungseinheit wurde für die Län<strong>der</strong> Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz ein einfacher<br />
Entscheidungs- und Handlungsrahmen erarbeitet und mit elf realen Fällen veranschaulicht.<br />
Die „Gewässerunterhaltung in geschützten Gebieten“ wurde als „kleines Thema“ konzipiert und eignet sich<br />
insbeson<strong>der</strong>e für die Ergänzung eines allgemeinen Erfahrungsaustausches <strong>der</strong> Gewässernachbarschaften, in<br />
denen es Schutzgebiete gibt und <strong>der</strong>en Schutzziele ein Konfliktpotenzial mit denen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung<br />
bergen.<br />
Die Fortbildungsunterlagen enthalten:<br />
1. Für die Gewässerunterhaltung wichtige Schutzgebietskategorien und ihre Auswirkungen auf die Gewässerunterhaltung<br />
Allgemeine Verbote in Schutzgebieten gibt es nicht; folglich können keine pauschalen Auswirkungen auf die<br />
Gewässerunterhaltung abgeleitet werden. Deshalb wurden die für die Unterhaltung <strong>der</strong> Gewässer wichtigen<br />
Schutzgebietskategorien behandelt. Dies sind Naturschutzgebiete (§23 BNatSchG), Naturdenkmale (§28<br />
BNatSchG), geschützte Biotope (§30 BNatSchG) und Natura 2000-Gebiete (§§32-37 BNatSchG). Ergänzt werden<br />
die Ausführungen um die Spezifika <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>naturschutzgesetze<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 84
2. Sonstige Regelungen mit Einfluss auf die Gewässerunterhaltung<br />
Auch in Gebieten, die unter keinen Schutzstatuts fallen, müssen die allgemeinen naturschutz- und artenschutzrechtlichen<br />
Bestimmungen eingehalten werden, etwa zum Schutz von Pflanzen und Tieren (z.B. Schonzeiten <strong>zur</strong><br />
Sicherung <strong>der</strong> Fortpflanzung bedrohter Arten). Auch Festlegungen in <strong>der</strong> Landschafts- und Bauleitplanung,<br />
beispielsweise in Bebauungsplänen, können Vorgaben enthalten, die die Gewässerunterhaltung beeinflussen.<br />
Im Wasserrecht werden Wasser- und Überschwemmungsschutzgebiete festgelegt, <strong>der</strong>en Schutzziele im Einzelfall<br />
zu Konflikten mit den Zielen <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung führen können.<br />
3. Vorgangsweise und Ansprechpartner<br />
Wie geht man vor, wenn die<br />
zu unterhaltende Gewässerstrecke<br />
in einem Schutzgebiet<br />
liegt? Worüber muss man sich<br />
informieren? Muss man jemanden<br />
über die geplanten<br />
Unterhaltungsarbeiten unterrichten?<br />
Diese Fragen werden<br />
praxisnah beantwortet und es<br />
wird ein Ablaufschema für<br />
den Entscheidungsprozess<br />
vorgeschlagen, an dessen<br />
Ende eine konfliktfreie, mit<br />
den Zielen des Schutzgebietes<br />
verträgliche Unterhaltung<br />
steht.<br />
Steckbrief für die Übungen zum Thema „Unterhaltung in geschützten Gebieten“<br />
Seite 85<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
Fortbildungsthema Nr. 10 „Gewässeraufsicht“<br />
Projektgruppe<br />
Waldemar Ehrmann<br />
Horst Geiger<br />
Walter Hailer<br />
Frank Hütter<br />
Marc Lyachenko<br />
Jürgen Reich<br />
Wolfgang Schilling<br />
Helmut Schwab<br />
Iris Steger<br />
Armin Stelzer<br />
Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis<br />
Große Kreisstadt Öhringen<br />
Besigheim<br />
Landratsamt Heilbronn<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH<br />
Umweltministerium Baden-Württemberg<br />
Landratsamt Heilbronn<br />
Landratsamt Hohenlohekreis<br />
Umweltministerium Baden-Württemberg<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH<br />
Kommunen tragen die meiste Verantwortung<br />
bei <strong>der</strong> Gewässerunterhaltung im Land<br />
Die Kommunen sind als Träger <strong>der</strong> Unterhaltungslast für die<br />
Organisation und Durchführung von Gewässerschauen an den<br />
Gewässern II. Ordnung zuständig. Sie müssen dabei die Gewässer<br />
einschließlich <strong>der</strong> Ufer, Vorlän<strong>der</strong>, Dämme und Anlagen<br />
sowie <strong>der</strong> Überschwemmungsgebiete nach vorheriger Unterrichtung<br />
<strong>der</strong> Wasserbehörde regelmäßig besichtigen. Für die<br />
Gewässer I. Ordnung und für die Bundeswasserstraßen besteht<br />
ebenfalls die Pflicht <strong>zur</strong> Durchführung von Gewässerschauen,<br />
doch liegt hier die Zuständigkeit beim Land und beim Bund.<br />
Die Gewässerschauen haben die Aufgabe, nachteilige Verän<strong>der</strong>ungen<br />
an und im Gewässer frühzeitig zu erkennen, um daraufhin<br />
die notwendigen Maßnahmen im Rahmen <strong>der</strong><br />
Unterhaltungsarbeiten anordnen o<strong>der</strong> durchführen zu können.<br />
Es können potentielle Beeinträchtigungen frühzeitig erkannt<br />
werden, was Konflikte und Kosten bei den Gemeinden sparen<br />
kann.<br />
Eine unerwünschte Verlagerung des Gewässerbetts, instabile<br />
Gehölzbestände, die eine Gefahr für die Verkehrssicherheit<br />
darstellen, bauliche Anlagen, die negative Auswirkungen auf<br />
die Struktur und Hydraulik des Gewässers haben und den Hochwasserschutz<br />
gefährden, Ablagerungen in Überschwemmungsgebieten o<strong>der</strong> versteckte Abwassereinleitungen<br />
sind Beispiele für Zustände am Gewässer, die unerwünscht sind und bei einer Gewässerschau erkannt werden<br />
können.<br />
Ursache für Missstände kann eine ungeeignete<br />
Gewässerunterhaltung sein, oft ist aber<br />
nicht die Gemeinde als Träger <strong>der</strong> Unterhaltungslast<br />
dafür verantwortlich, son<strong>der</strong>n es<br />
sind Dritte, z.B. Eigentümer von Anlagen,<br />
Anlieger o<strong>der</strong> Unbekannte, wie es bei <strong>der</strong><br />
Ablagerung von Müll im Gewässerrandstreifen<br />
<strong>der</strong> Fall sein kann. Für die Beseitigung<br />
von Mängeln an Gewässern müssen die<br />
Gemeinden aufkommen, sodass es in ihrem<br />
Interesse ist, diese frühzeitig zu erkennen.<br />
Gewässerschauen bieten außerdem eine<br />
Chance, die Entwicklungsmöglichkeiten <strong>der</strong><br />
Gewässer auf dem Expertenwissen <strong>der</strong> an<br />
<strong>der</strong> Schau Beteiligten aufzubauen. Im Gewässerentwicklungsplan<br />
werden für jedes<br />
Gewässer Ziele und Maßnahmen für die zu-<br />
Unzulässige Bauten im Gewässerrandstreifen. Aufn.: M. Dohmann.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 86
künftige Entwicklung formuliert, die laut Gesetz darauf abzielen soll, bis zum Jahr 2015 einen „guten ökologischen<br />
Zustand“ zu erreichen. Im Rahmen <strong>der</strong> Gewässerschau<br />
können diese Ziele vor Ort überprüft und ggf. angepasst<br />
werden. Liegt noch kein Plan vor, können bei <strong>der</strong><br />
Gewässerschau Ideen und Ziele gesammelt werden.<br />
Mit dem Fortbildungsthema „Gewässerschauen/-<br />
Gewässeraufsicht“ sollen den Unterhaltungspflichtigen<br />
die gesetzlich auferlegte Pflicht <strong>der</strong> Gewässerschau praxisnah<br />
erläutert und das Spektrum <strong>der</strong> Möglichkeiten aufgezeigt<br />
werden, die sich den Gemeinden durch die<br />
Gewässerschau bietet, etwa für die Öffentlichkeitsarbeit<br />
und die Werbung für naturnahe Gewässer.<br />
Der Lehrstoff soll wie folgt vermittelt werden:<br />
1. Rechtliche Grundlagen<br />
2. Organisation von Gewässerschauen<br />
3. Umfang <strong>der</strong> Gewässerschau<br />
4. Praktischer Teil: Begehung eines Gewässerabschnittes<br />
mit einem Beispielprotokoll<br />
1. Rechtliche Grundlagen<br />
Zeitungsartikel über die Gewässerschau als Öffentlichkeitsarbeit<br />
einer Gemeinde<br />
Hier werden die <strong>zur</strong>zeit gültigen Zuständigkeiten an den Gewässern geklärt, basierend auf dem Wassergesetz<br />
und dem Wasserhaushaltsgesetz<br />
bezüglich Gewässerschauen<br />
und Gewässeraufsicht.<br />
Unter an<strong>der</strong>em gehören<br />
dazu die Erläuterung<br />
bei<strong>der</strong> Begriffe und <strong>der</strong> damit<br />
verbundenen Aufgaben<br />
sowie Haftungsfragen und<br />
mögliche Interaktionen mit<br />
an<strong>der</strong>en Kontrollen am Gewässer.<br />
2. Organisation von Gewässerschauen<br />
Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Zuständigkeiten am Gewässer aufgrund <strong>der</strong> Gesetzesnovellierungen<br />
Es soll u.a. geklärt werden, wie oft Gewässerschauen stattfinden sollen und wer daran teilnehmen muss und<br />
sonst noch teilnehmen kann. Bezüglich <strong>der</strong> Durchführung selbst werden den Unterhaltungspflichtigen Informationen<br />
gegeben, damit sie das Instrument <strong>der</strong> Gewässerschauen<br />
nutzen können, um am Gewässer<br />
entdeckte Mängel zu beseitigen – zum Beispiel durch<br />
Vor-Ort-Vereinbarungen mit allen Betroffenen. Auf<br />
die Karten und sonstigen Unterlagen, die auf eine<br />
Gewässerschau, soll sie erfolgreich sein, mitgenommen<br />
werden sollen, wird ebenfalls eingegangen.<br />
Schließlich werden Beispiele gebracht, wie Gewässerschauen<br />
als Mittel <strong>der</strong> Öffentlichkeitsarbeit <strong>der</strong><br />
Gemeinden eingesetzt werden können.<br />
3. Umfang von Gewässerschauen<br />
Un<strong>zur</strong>eichende Gehölzpflege kann zu Mängeln bei <strong>der</strong><br />
Verkehrssicherheit führen. Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Gewässerschau müssen u.a. die Aspekte<br />
betrachtet werden, die die Gewässerentwicklung<br />
maßgeblich beeinflussen, wie etwa <strong>der</strong><br />
Gehölzbestand, die Durchgängigkeit, die Sohlen-<br />
Seite 87<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft
erosion und die Gewässerstrukturgüte. Sind Mängel erkennbar, eignet sich die Gewässerschau sehr gut, Verbesserungsmaßnahmen<br />
unter den teilnehmenden Fachleuten und den Vertretern <strong>der</strong> Unteren Verwaltungsbehörde<br />
zu diskutieren und ggf. Flächen für das Ökokonto 71 vorzuschlagen.<br />
Es gibt aber auch Mängelzustände, die weitere Probleme nach sich ziehen, z.B. auf den Wasserabfluss, die<br />
Hochwassersicherheit, die Verkehrssicherheit, die Gewässergüte o<strong>der</strong> das Landschaftsbild. Um die wichtigsten<br />
und häufigsten dieser Situationen zu verdeutlichen, sind zwölf Fallbeispiele aus <strong>der</strong> Praxis in Steckbriefform erarbeitet<br />
worden, in denen die Mängel und die Konfliktpotentiale beschrieben und Lösungsstrategien auf Basis<br />
<strong>der</strong> aktuellen Gesetzgebung aufgezeigt werden.<br />
4. Praktischer Teil<br />
Zur Festigung des Lehrstoffes bietet es sich<br />
an, dass die Teilnehmer einen Gewässerabschnitt<br />
begehen und dabei in Gruppenarbeit<br />
ein exemplarisches Protokoll anfertigen.<br />
Für eine solche Probebegehung sind<br />
den Fortbildungsunterlagen Muster beigefügt,<br />
beispielsweise über die Erhebung <strong>der</strong><br />
Mängel o<strong>der</strong> über die Beseitigung eines<br />
Mangels. Nach <strong>der</strong> Übung sollte eine zweite<br />
Begehung mit dem Betreuer o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Betreuerin stattfinden, um die Ergebnisse <strong>der</strong><br />
Gruppenarbeit zu kommentieren und ggf. zu<br />
ergänzen.<br />
Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen einer Gewässerschau.<br />
Quelle: <strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft.<br />
71 Das Ökokonto ist ein Vorsorgeinstrument <strong>der</strong> Gemeinden, mit dem sie Flächen o<strong>der</strong> Maßnahmen für den Ausgleich von<br />
Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft, die z.B. im Zuge von Bauvorhaben stattfinden, auswählen können.<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> Gewässerpflege <strong>zur</strong> Gewässerentwicklung Seite 88
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Seite 91<br />
<strong>WBW</strong> Fortbildungsgesellschaft