TITELTHEMA - Hartmann
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Bei Patienten mit Decubitusrisiko<br />
oder einem bestehenden Decubitus<br />
bestimmen wir routinemäßig die Ernährungsparameter<br />
und leiten eine hochkalorische<br />
Ernährung mit 2000 bis 2500<br />
Cal. ein. Meistens verwenden wir dazu<br />
flüssige, vollbilanzierte Supplementnahrung<br />
mit einer Zusammensetzung<br />
von 33% Proteinen, 10% Lipiden und<br />
57% Kohlenhydraten. Zusätzlich erhalten<br />
alle Patienten ein Polyvitaminpräparat,<br />
eine Zinktherapie bei Zinkmangel<br />
und anabole Hormone, wenn keine<br />
Kontraindikationen bestehen. Ein guter<br />
Ernährungs- und Allgemeinzustand<br />
stellt eine conditio sine qua non für die<br />
Heilung chronischer Ulcera dar.<br />
FORSCHUNGSZIELE: IDENTIFIKATION<br />
UND BEEINFLUSSUNG VON STÖRFAKTOREN<br />
DER WUNDHEILUNG<br />
Zur Fibrinpersistenz: Da in chronischen<br />
Ulcera uniform Fibrinbeläge gefunden<br />
werden (Falanga et al. 1987,<br />
Witkowski and Parish 1982) und die<br />
fibrinolytische Aktivität tief ist (Seiler et<br />
al. 1980), haben wir versucht, durch<br />
lokale Anwendung von Plasmin und<br />
Heparin eine Fibrinolyse zu bewirken.<br />
Eine Verbesserung der Heilungstendenz<br />
konnten wir aber nicht feststellen.<br />
Hingegen kann die Fibrinpersistenz<br />
mittels systemisch verabreichten anabolen<br />
Hormonen, z. B. Stanazolon, laut<br />
Literaturhinweisen verbessert werden<br />
(Falanga et al. 1991). Wir verabreichen<br />
deshalb allen Patienten mit chronischen<br />
Decubitalulcera Stanazolon. Der<br />
anabole Effekt auf den Proteinstoffwechsel<br />
und die Verbesserung der<br />
lokalen fibrinolytischen Clearance<br />
scheint die Heilung positiv zu beeinflussen.<br />
Die verzögerte oder fehlende Epithelialisierung<br />
stellt wohl das entscheidendste<br />
Merkmal des impaired wound<br />
healings dar. Die Fähigkeit zur Migration<br />
der Epithelzelle ermöglicht erst die<br />
Epithelialisation und damit die Wundheilung.<br />
Wir vermuten daher eine Störung<br />
der Migrationsfähigkeit.<br />
Um diese Hypothese zu prüfen, untersuchten<br />
wir die Migrationsfähigkeit<br />
von Epithelzellen aus Explantaten von<br />
chronischen Decubitalulcera (Seiler et<br />
al. 1989). Dabei zeigten Epithelzellen<br />
vom unmittelbaren Ulcusrande eine<br />
fehlende Migration, jedoch eine normale<br />
bis eher gesteigerte Proliferation.<br />
Diese Befunde könnten die verzögerte<br />
oder fehlende Epithelialisation und die<br />
AUSWACHSRATEN VON EPITHELZELLEN<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
Hyperproliferation der Epithelzellen im<br />
Ulcusrand chronischer Ulcera erklären.<br />
Warum ist die Migration gestört? Auf<br />
der Suche nach Substanzen, welche<br />
die Migration der Keratinozyten regeln,<br />
interessierten wir uns für die Wachstumsfaktoren<br />
oder Zytokine.<br />
Ein TGF-beta 1-Mangel könnte vieles<br />
erklären. Transforming Growth Factor<br />
beta 1 (TGF-beta 1) verbessert beim<br />
impaired wound healing im Tiermodell<br />
die Heilung (Beck et al. 1991, Cox et al.<br />
1992) und hemmt die Proliferation der<br />
Epidermiszellen, aber stimuliert deren<br />
Migrationspotential (Hebda 1988, Sarret<br />
et al. 1992). Mit der Technik der in<br />
situ Hybridisierung versuchten wir daher,<br />
im Wundrande von chronischen Ulcera<br />
die mRNA von TGF-beta 1, 2 und<br />
3 zu bestimmen (Schmid et al. 1993).<br />
Weder in normaler Kontrollhaut, noch<br />
im chronischen Ulcus ließen sich positive<br />
Signale finden.<br />
Die Interpretation dieser Befunde<br />
war zunächst schwierig, erwarteten wir<br />
doch ein gleiches Zytokinmuster im Ulcus<br />
wie in der Kontrollhaut. Doch dann<br />
wurde klar, daß ein chronisch nicht heilendes<br />
Ulcus nicht mit normaler Haut<br />
verglichen werden darf, sondern eher<br />
mit einer akuten Läsion. An Débridement-Material<br />
akuter Verbrennungsläsionen<br />
wiederholten wir die Suche<br />
nach der mRNA TGF-beta und fanden<br />
eine kräftige Expression der mRNA<br />
Kultur-Tage<br />
FORSCHUNG<br />
Epithelzellen aus dem Ulcusrand weisen eine Auswachsrate von lediglich<br />
2-7% auf; 5 cm vom Ulcusrand beträgt sie ca. 50% und ist immer noch stark<br />
beeinträchtigt. Die gesunde Kontrollhaut hat dagegen eine Auswachsrate<br />
standardmäßig von ca. 80% (Seiler et al. 1989).<br />
TGF-beta 1, des funktionell aktiven<br />
TGF-beta 1. Ein TGF-beta 1-Mangel<br />
könnte die defekte Migrationsfähigkeit<br />
der Epithelzellen erklären. Ebenso wäre<br />
es denkbar, daß ein TGF-beta 1-Mangel<br />
zur Hyperproliferation der wundrandnahen<br />
Epithelzellen führt. Die gestörte<br />
Wundheilung scheint sich somit<br />
durch den Mangel an TGF-beta 1 von<br />
der normalen Wundheilung signifikant<br />
zu unterscheiden.<br />
Erst klinische Studien werden aber<br />
zeigen, ob die lokale Applikation von<br />
TGF-beta das impaired wound healing<br />
in eine normale Wundheilung zu konvertieren<br />
vermag.<br />
Die Gestaltung des Wundverbandes<br />
sollte sich nach den Kenntnissen der<br />
Pathophysiologie des impaired wound<br />
healings richten. Solange wir aber noch<br />
viel zuwenig Kenntnisse darüber besitzen,<br />
besteht die Gefahr einer unwissenschaftlichen<br />
Polypragmasie, und<br />
eine solche sollten wir nach Möglichkeiten<br />
vermeiden.<br />
PD Dr. med. Walter O. Seiler<br />
Leitender Arzt<br />
Kantonsspital Basel<br />
Geriatrische Universitätsklinik<br />
CH-4031 Basel<br />
Literatur beim Verlag<br />
Gesunde Haut<br />
5cm-Zone<br />
Ulcusrand<br />
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HARTMANN WundForum 2 / 94 17