TITELTHEMA - Hartmann
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zukommen ist. Man erkannte die „Virulenz<br />
der Bakterien“, d. h. die Infektionsund<br />
Vermehrungskraft der Mikroben in<br />
der Wunde. Paul Leopold Friedrich,<br />
Chirurg in Greifswald, beschäftigte sich<br />
mit diesem Problem und teilte im Jahre<br />
1898 das Ergebnis seiner Versuche mit:<br />
„Wenn man eine Wunde mit Erdkeimen<br />
infiziert und sie innerhalb von 6 Stunden<br />
in toto ausschneidet, bleibt die<br />
Infektion aus, d. h., die Wunde heilt<br />
primär“.<br />
Damit wurde der Begriff der Auskeimungszeit<br />
oder der Inkubationszeit<br />
geschaffen, mit dem die Frist für die<br />
Anpassung der Keime an die Wundverhältnisse<br />
bis zu ihrer Vermehrung<br />
beschrieben ist. Die Regel der Friedrich´schen<br />
Wundausschneidung gilt<br />
noch heute für jeden Chirurgen.<br />
In die Periode großer Fortschritte,<br />
aber auch großer Unsicherheit in der<br />
Wundbehandlung fiel dann die Entdeckung<br />
der Sulfonamide durch Gerhard<br />
Domagk (1932) und wenige Jahre<br />
später die Einführung des Penicillins<br />
durch Alexander Fleming.<br />
Nach jahrzehntelanger Erfahrung ist<br />
heute jedoch festzustellen, daß mit<br />
dem Einsatz von Antibiotika die Problematik<br />
der Verhütung und Bekämpfung<br />
von Wundinfektionen nicht grundsätzlich<br />
gelöst werden konnte. Vielmehr<br />
führte die oft unkritische Antibiotika-<br />
Gabe durch Selektion zur Entwicklung<br />
antibiotikaresistenter Bakterienstämme,<br />
die insbesondere im Krankenhausbereich<br />
als besonders virulente Hospitalismuskeime<br />
neue Probleme aufwerfen.<br />
Gefordert wird heute eine strenge Indikationsstellung<br />
beim Einsatz von Antibiotika,<br />
die natürlich gleichzeitig mit<br />
einer disziplinierten Beachtung der<br />
aseptischen Regeln und einem subtilen<br />
Wundmanagement einhergehen muß.<br />
DAS INFEKTIONSGESCHEHEN<br />
Die bereits von Celsus beschriebenen<br />
Anzeichen der Wundinfektion wie<br />
Rubor, Tumor, Calor und Dolor dienen<br />
immer noch als Entscheidungshilfen für<br />
die Erkennung. Sie sind Ausdruck des<br />
Abwehrkampfes des humoralen und<br />
zellvermittelten Immunsystems gegen<br />
die eingedrungenen Mikroorganismen,<br />
der einem Wettlauf zwischen der Antikörperproduktion<br />
und der Keimvermehrung<br />
gleicht.<br />
Die Wunde schmerzt, ist entzündet<br />
und näßt. Manchmal ist sie mit Eiter belegt.<br />
Infektionen mit Pseudomonas ae-<br />
BAU UND MERKMALE VON BAKTERIEN<br />
Bakterien sind immer einzellige<br />
Mikroorganismen, wobei das Zellinnere<br />
nur eine geringe Differenzierung<br />
aufweist. Es besteht aus einem<br />
„Kernäquivalent“ mit genetischem<br />
Material sowie dem Zytoplasma mit<br />
Ribosomen, verschiedenen Enzymen<br />
und Plasmiden als Träger von<br />
Resistenzfaktoren. Der äußeren Zellwand<br />
kann eine Kapsel in unterschiedlicher<br />
Zusammensetzung angelagert<br />
sein, die die Bakterien gegebenenfalls<br />
vor Austrocknung oder<br />
vor Freßzellen schützt.<br />
Viele Bakterien bilden giftige Substanzen,<br />
Toxine. Basis für die Toxinbildung<br />
können sowohl das Exotoxin<br />
aus dem Zytoplasma als auch das<br />
Endotoxin aus der Zellwand sein.<br />
Das Exotoxin wird dabei von den<br />
ruginosa sind oft an der blaugrünen<br />
Farbe und am typisch aromatischen<br />
Geruch erkennbar. Wunde und Wundumgebung<br />
weisen eine Schwellung<br />
auf. Allgemeine Symptome sind Fieber<br />
und Schüttelfrost, Leukozytose sowie<br />
eine Schwellung der regionären<br />
Lymphknoten, wobei insbesondere Fieber<br />
einer sorgfältigen Abklärung bedarf.<br />
Auszuschließen sind eventuelle<br />
andere Ursachen wie z. B. Harnwegsinfektionen,<br />
Lungenentzündung, Medikamentenreaktionen<br />
usw.. Umgekehrt<br />
kann bei einer Infektion der tiefen Gewebsschichten<br />
Fieber auftreten, bevor<br />
<strong>TITELTHEMA</strong><br />
Bakterien laufend aus dem Zellinneren<br />
abgesondert, z. B. bei Diphtherie-<br />
oder Gasödemerregern. Endotoxin<br />
wird erst bei Zellauflösung mit<br />
dem Zerfall der Zellwand frei. Wirkungen<br />
am Menschen sind Fieber,<br />
entzündliche Gefäßveränderungen,<br />
Aktivierung des Immunsystems usw..<br />
Benötigen Bakterien zum Leben<br />
Sauerstoff, werden sie als obligat<br />
aerobe Bakterien klassifiziert, brauchen<br />
sie ein sauerstofffreies Milieu,<br />
als Anaerobier. Sie sind fakultativ aerob<br />
bzw. anaerob, wenn sie in beiden<br />
Milieus existieren können.<br />
Die Differenzierung erfolgt nach<br />
bestimmten Färbemethoden, so z. B.<br />
die Färbung nach Gram zur Unterscheidung<br />
in grampositive und<br />
gramnegative Bakterien.<br />
noch die Wunde irgendwelche Anzeichen<br />
der Infektion zeigt.<br />
Das Infektionsgeschehen ist zumeist<br />
lokal begrenzt und führt zu unterschiedlich<br />
schweren Wundheilungsstörungen.<br />
Jede Wundinfektion kann<br />
sich aber auch systemisch ausbreiten.<br />
Bakteriämien bis hin zur generalisierten<br />
Sepsis sind jedoch selten. Bei entsprechend<br />
anfälligen Personen, insbesondere<br />
bei Patienten mit Lymphödemen,<br />
kann die Wundinfektion jedoch Ausgangspunkt<br />
eines Erysipels sein, das<br />
sich in einer lokalen Überwärmung und<br />
Rötung der Haut sowie in Allgemein-<br />
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