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Jahrgang <strong>24</strong> / <strong>Nr</strong>. <strong>26</strong> 27. Juni 2005<br />
Coca-Cola-Girls und Frauentausch<br />
Aids in Kenia<br />
Isiolo, Kenia – In einer schäbigen Truckerkneipe<br />
in der nordkenianischen<br />
Stadt Isiolo, am Rand der Kaisut-<br />
Wüste, hängen Prostituierte im Schulmädchenalter<br />
herum. Hier machen<br />
Fernfahrer auf dem Weg nach Addis<br />
Abeba, Mogadischu oder Nairobi Station.<br />
Sex mit einem der Mädchen kostet<br />
sie nicht mehr als eine Cola. Kneipen<br />
wie diese gibt es viele in Isiolo.<br />
Eigentlich ist Kindern der Aufenthalt in<br />
solchen Kaschemmen verboten, doch<br />
die Zwölfjährige, die sich Ursula nennt,<br />
stört der Anschlag 'Adults Only! – Zutritt<br />
nur für Erwachsene!' nicht. "Hier in<br />
Isiolo nennen wir Mädchen wie sie Coca-Cola-Girls,<br />
denn für eine Cola kann<br />
man Sex mit ihnen haben", lacht Saafo<br />
Gedi, einer der Stammkunden der Bar.<br />
Khadija Rama kann über solche Bemerkungen<br />
nicht lachen. Mit dem von<br />
ihr gegründeten Hilfsprojekt 'Pepo la<br />
Tumaini Jangwani – Ein Wind der<br />
Hoffnung in der Wüste' will sie Mädchen<br />
wie Ursula vor der Ansteckung<br />
mit HIV/Aids schützen. "Die Coca-<br />
Cola-Girls sind in der Regel zwischen<br />
acht und 13 Jahre alt. Mädchen zwischen<br />
14 und 16, sie sich ihre Dienste<br />
mit ein Paar Turnschuhen bezahlen<br />
lassen, heißen in Isiolo 'Nikes'", berichtet<br />
Rama im Gespräch mit <strong>IPS</strong>. S. 15<br />
Sozialfonds für arme Länder …2<br />
Globale Beschäftigungskrise bedroht Sicherheit …3<br />
Energieressourcen im geopolitischen Machtkampf …6<br />
Nahost von EU-Wertegemeinschaft weit entfernt …8<br />
Indien erneuert Verbot von jodfreiem Salz …11<br />
Malaysia nimmt Kampf gegen Aids auf …12<br />
'Volvic' und UNICEF starten Trinkwasserinitiative …14<br />
Coca-Cola-Girls und Frauentausch – Aids in Kenia …15<br />
Swasiland auf der Suche nach Energiequellen …17<br />
Küchenkräuter für den Weltmarkt …18<br />
Uruguay - Zwischen Armut und Softwareexporten …20<br />
Guatemaltekinnen Opfer brutaler Morde …22<br />
Rückschläge im Kampf gegen Drogenbarone …23<br />
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Sozialfonds für arme Länder<br />
Von Thalif Deen<br />
Doha, im Juni (<strong>IPS</strong>) – Der erdgasreiche Golfstaat Katar hat einen neuen Fonds aufgelegt, der armen<br />
Ländern bei der Bewältigung ihrer drängendsten Probleme helfen soll. Als Startkapital sicherte<br />
Scheich Hamad bin Khalifa Al-Thani 20 Millionen US-Dollar zu.<br />
"Ich hoffe, dass Länder des Nordens und des Südens in den Fonds einzahlen werden", so der Staatschef<br />
zum Abschluss des G-77-Gipfeltreffens vom 15. bis 16. Juni in Doha. Die G-77 ist mit 132 Mitgliedern<br />
der größte Zusammenschluss der Entwicklungsländer. China und Indien stellten dem neuen 'South<br />
Fund for Development' bereits zwei Millionen Dollar in Aussicht.<br />
In einem Kommentar hat die 'Gulf Times' den Vorstoß des Staatsoberhauptes als "Kickstart für einen<br />
Entwicklungsprozess in armen Ländern" bezeichnet, "die in entscheidenden Bereichen wie Gesundheitsversorgung,<br />
Bildung und Infrastruktur hinterherhinken".<br />
Al Thani kündigte ebenso an, dass sein Land bis 2006 seine Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent seines<br />
Bruttonationaleinkommens aufstocken wird. Bemerkenswert ist, dass der in den 60er Jahren von den<br />
Vereinten Nationen festgesetzte Prozentsatz allein für die 22 reichsten Staaten gilt. Als Entwicklungsland<br />
fällt Katar nicht in diese Kategorie.<br />
"Wir begrüßen zwar den in den letzten Jahren verbesserten Kapitalfluss in die Entwicklungsländer,<br />
doch da sich diese Hilfe auf niedrigster Stufe bewegt, konnten viele nicht profitieren", so der Staatschef.<br />
Bangladeschs Außenminister Morshed Khan erinnerte in diesem Zusammenhang an die jüngste Entscheidung<br />
der Europäischen Union, ihre öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) bis 2010 zu verdoppeln,<br />
um das 0,7-Ziel bis spätestens 2015 zu erreichen. Umgesetzt wurde dieses Ziel bisher nur von Dänemark,<br />
Luxemburg, Norwegen, den Niederlanden und Schweden.<br />
"Wir hoffen, dass die restlichen Geber ihre Anstrengungen verdoppeln werden und ihr vor 3,5 Jahrzehnten<br />
gegebenes Versprechen endlich einlösen", so Khan vor rund 5.000 Delegierten und Journalisten<br />
in Doha. Seiner Ansicht nach sollten die ODA-Zuflüsse bis 2010 von derzeit um die 60 Milliarden auf<br />
100 Milliarden Dollar ansteigen.<br />
Wie Abdulrahman Hamad Al-Attiyah, Generalsekretär des Golfkooperationsrats (GCC) betonte, haben<br />
die Mitgliedsländer Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und Verreinigte Arabische Emirate im<br />
Bereich der Entwicklungshilfe längst eine 'stille' Führungsrolle übernommen. Ihre direkten Beiträge und<br />
Gelder aus GCC-Entwicklungsfonds hätten zusammengenommen die 0,7-Prozent-Marke überschritten.<br />
Die G-77 hat ihr Gipfeltreffen mit der Herausgabe eines Doha-Aktionsplans und einer 14-seitigen Erklärung<br />
beschlossen, in der die Bedeutung der Nord-Süd- und der Süd-Süd-Zusammenarbeit unterstrichen<br />
sowie die Gefahren des internationalen Wirtschaftssystem für die armen Länder angesprochen<br />
werden. !<br />
Nützlicher Link:<br />
http://www.g77.org<br />
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- 2 -<br />
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Globale Beschäftigungskrise bedroht Sicherheit<br />
Von José Rampal<br />
Genf, im Juni (<strong>IPS</strong>) – Mehr als eine Milliarde Menschen sind arbeitslos oder<br />
gelten als "arbeitende Arme", und fast die Hälfte der Welterwerbsbevölkerung<br />
lebt von weniger als zwei US-Dollar pro Tag. Abhilfe ist nicht in Sicht.<br />
Im Gegenteil: Die Weltwirtschaft ist mit einer Beschäftigungskrise konfrontiert, die<br />
eine wachsende Bedrohung der internationalen Sicherheit darstellt und dringend<br />
auf die Tagesordnung muss. Daraufhin hat jetzt die 1919 – am Ende des Ersten<br />
Weltkriegs – gegründete Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hingewiesen.<br />
Kennzeichnend für die globale Beschäftigungskrise ist, dass einerseits die Weltwirtschaft<br />
in Billionen-Dollar-Schritten wächst, aber andererseits die Zahl dringend<br />
benötigter Arbeitsplätze zu einem Rinnsal verkümmert ist.<br />
Den Gegensatz zwischen einem gesunden weltweiten Wachstum von fünf Prozent<br />
und einer enttäuschenden Beschäftigungsentwicklung von nur 1,7 Prozent für<br />
das Jahr 2004 belegen die ILO-Daten. Der in Genf ansässigen Fachorganisation<br />
der Vereinten Nationen (UN) zufolge wuchs die Weltwirtschaft vergangenes Jahr<br />
um fast vier Billionen US-Dollar, während die globale Arbeitslosigkeit nur um<br />
500.000 verringert wurde.<br />
Das Drohpotential dieser besorgniserregenden Entwicklung wird bislang nur noch<br />
von wenigen wahrgenommen. Zu ihnen zählt der ILO-Generaldirektor Juan Somavia.<br />
"Die weltweite Beschäftigungskrise ist das vordringlichste Thema unserer Zeit",<br />
so Somavia vor mehr als 3.000 Teilnehmern von Regierungs-, Arbeitnehmer- und<br />
Arbeitgebervertretern der 93. Internationalen Arbeitskonferenz in Genf. "Angesichts<br />
solch einer Entwicklung ist die Glaubwürdigkeit von Demokratie und freier Marktwirtschaft<br />
in Gefahr. . . . Wir dürfen die Warnsignale nicht übersehen."<br />
Somavia mahnte verstärkte Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft zur<br />
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den Industrie- und Entwicklungsländern an. Dazu<br />
gehört auch eine stärkere Kohärenz der Arbeit verschiedener internationaler Organisationen<br />
wie ILO, Weltwährungsfonds (IWF) und Welthandelsorganisation<br />
(WTO), die am gemeinsamen Ziel der Schaffung menschenwürdiger Arbeit ausgerichtet<br />
sein muss.<br />
Somavia betonte die wachsende weltweite Sorge über das Ungleichgewicht zwischen<br />
Globalisierung, Wachstum und Beschäftigung. "Wir müssen die Entkopplung<br />
zwischen Wirtschaftswachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen überwinden,<br />
Arbeit wieder aufwerten und eine richtige Investitionspolitik anstreben", so Somavia,<br />
"Beschäftigung und menschenwürdige Arbeit müssen in der internationalen Entwicklungsdiskussion<br />
an vorderster Stelle stehen". Dies beruht auf der Tatsache,<br />
dass Arbeit im Mittelpunkt der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Belange<br />
der Menschen steht. Und der Weltfriede kann auf die Dauer nur auf sozialer Gerechtigkeit<br />
aufgebaut werden. Diese grundlegende Verfassungsaussage der Internationalen<br />
Arbeitsorganisation und die Förderung der Agenda für menschenwürdige<br />
Arbeit ist ein wichtiger Teil des ILO-Programms. !!!<br />
- 3 -<br />
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Somavia könnte bislang mit einer wachsenden Unterstützung der Agenda für<br />
menschenwürdige Arbeit rechnen: während des Außerordentlichen Gipfels der Afrikanischen<br />
Union zu Beschäftigung und Armutsbekämpfung im letzten September,<br />
auf dem Europäischen Regionaltreffen in Budapest im Februar diesen Jahres sowie<br />
während des Treffens der lateinamerikanischen Regierungschefs.<br />
Hinzu kommt der 2004 vorgelegte Bericht der Weltkommission zur sozialen Dimension<br />
der Globalisierung, der die weltweite Diskussion für eine faire Globalisierung<br />
angeregt hat und in einer Resolution der Generalversammlung der Vereinten<br />
Nationen angenommen wurde.<br />
Im Rahmen seiner Programme hält ILO folgende miteinander verknüpfte Maßnahmen<br />
für notwendig, um menschenwürdige Arbeit zu einem globalen Ziel zu machen:<br />
- Die Dreigliedrigkeit neu beleben durch Stärkung von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden<br />
und Arbeits- und Sozialministerien.<br />
- Menschenwürdige Arbeit für alle zu einem Leitprinzip nationaler wie regionaler<br />
wirtschaftlicher, sozialer und umweltpolitischer Entwicklungsstrategien erheben.<br />
- Menschenwürdige Arbeit und Beschäftigung in den Mittelpunkt der Entwicklungspolitik<br />
rücken, indem Wachstum, Investment und Arbeitsplätze zum zentralen Anliegen<br />
internationaler Zusammenarbeit erhoben werden.<br />
Die Agenda für menschenwürdige Arbeit ist ein Schlüssel zur Erreichung der<br />
Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs). Finanz-, Handels-, Investitions- und makroökonomische<br />
Politiken müssen konvergieren, damit menschenwürdige Arbeit<br />
nicht nur ein hoffnungsvolles Projekt, sondern Richtwert politischer Entscheidungen<br />
wird. Die ILO könne hier eine Führungsrolle übernehmen, so Somavia auf der dreiwöchigen<br />
Internationalen Arbeitskonferenz, der Legislative der 178 ILO-<br />
Mitgliedsstaaten, die am 16. Juni zu Ende ging. "Wenn wir den Willen haben, diese<br />
Rolle zu übernehmen, kann es gelingen."<br />
Schwerpunkte der diesjährigen Konferenz waren neben der Schaffung von Beschäftigung<br />
auch die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, die Abschaffung der<br />
Zwangsarbeit, die Verbesserung des Arbeitsschutzes und die Flexibilisierung bestehender<br />
Arbeitszeitregelungen.<br />
Im Einzelnen wurde Folgendes beschlossen:<br />
Menschenwürdige Beschäftigung: Der von der Arbeitskonferenz verabschiedete<br />
Haushalt 2006-2007 der ILO in Höhe von 594 Millionen Dollar sieht eine Konzentration<br />
auf Maßnahmen zur Schaffung von menschenwürdigen Arbeitsplätzen vor. So<br />
sollen durch maßgeschneiderte Länderprogramme die zentralen Ziele der ILO –<br />
Einhaltung der Arbeits- und Sozialstandards, bessere Beschäftigungschancen für<br />
Frauen und Männer, soziale Sicherheitssysteme und der Dialog zwischen den Sozialpartnern<br />
– vorangebracht werden. Ebenfalls vorgesehen sind Initiativen zur Förderung<br />
der sozialen Verantwortung von Unternehmen (corporate social responsibility)<br />
und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Sonderwirtschaftszonen und<br />
im informellen Sektor. !!!<br />
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Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit: Angesichts eines neuen Rekordstands<br />
der Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen insbesondere in Entwicklungsländern<br />
sprach sich der zuständige Fachausschuss für einen Aktionsplan aus, der Ausbildung<br />
und die Rechte von jugendlichen Arbeitnehmern und technische Hilfe in den<br />
Mittelpunkt stellen soll. Der Ausschuss empfahl der ILO außerdem, im Jugendbeschäftigungsnetzwerk<br />
der UN eine führende Rolle einzunehmen.<br />
Abschaffung der Zwangsarbeit: Die Delegierten unterstützten den Aufruf des ILO-<br />
Generaldirektors zur Schaffung einer Globalen Allianz gegen Zwangsarbeit, um die<br />
mehr als zwölf Millionen Zwangsarbeiter auf der Welt aus ihrer Lage zu befreien.<br />
Der Normenanwendungsausschuss der ILO hielt überdies ein spezielles Treffen zur<br />
Frage der Zwangsarbeit in Birma (Myanmar) ab. Eine Verbesserung der Situation in<br />
dem asiatischen Land sei nicht zu erkennen. Der Ausschuss empfahl daher der ILO<br />
und ihren Mitgliedsstaaten, ihre bisherige abwartende Haltung aufzugeben und ihre<br />
Beziehungen mit dem Land, darunter auch Direktinvestitionen, zu überdenken. 25<br />
weitere Fälle wurden untersucht, in denen Staaten die grundlegenden Arbeitnehmerrechte<br />
– Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, Diskriminierungsverbot und<br />
Vereinigungsfreiheit – nicht ausreichend schützten.<br />
Verbesserung des Arbeitsschutzes: Der Fachausschuss sprach sich für die Ausarbeitung<br />
einer neuen Konvention und einer Empfehlung über Arbeitsschutz und<br />
Gesundheit am Arbeitsplatz aus. Damit soll unter anderem erreicht werden, dass<br />
dem präventiven Arbeitsschutz in der Politik der Mitgliedsstaaten ein höherer Stellenwert<br />
eingeräumt wird, beispielsweise in Form von nationalen Sicherheits- und<br />
Gesundheitsprogrammen.<br />
Flexibilisierung der Arbeitszeit: Die Delegierten unterstrichen die Bedeutung der<br />
bestehenden ILO-Arbeitszeitnormen, die Arbeitnehmer vor Ausbeutung schützen<br />
und einen fairen Standortwettbewerb gewährleisten sollen. Auf der Arbeitskonferenz<br />
wurde jedoch deutlich, dass zugleich mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten<br />
möglich sein muss. Der ILO-Verwaltungsrat wurde aufgefordert, entsprechende<br />
Maßnahmen zu entwickeln.<br />
Die geplante Verabschiedung einer Konvention über die Arbeitsbedingungen in<br />
der Fischereiwirtschaft kam mangels eines ausreichenden Quorums für die Abstimmung<br />
nicht zustande. Das Thema soll auf die Tagesordnung der Arbeitskonferenz<br />
2007 gesetzt werden. !<br />
Nützlicher Link:<br />
http://www.ilo.org<br />
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Energieressourcen im geopolitischen Machtkampf<br />
Von M. B. Naqvi<br />
Karatschi, im Juni (<strong>IPS</strong>) – Indien und Pakistan sind entschlossen,<br />
sich am Verteilungskampf um die Erdöl- und Erdgasressourcen im<br />
Iran und in den zentralasiatischen Republiken zu beteiligen. Dabei<br />
kommen die beiden südasiatischen Staaten den USA in die Quere.<br />
Die Supermacht, die die Energievorkommen in Nah- und Mittelost mit<br />
Ausnahme des Iran weitgehend kontrolliert, zeigt ein großes Interesse an<br />
den zentralasiatischen Energievorkommen. Erst kürzlich gab sie Grünes<br />
Licht für den Bau einer neuen Pipeline, die Erdöl aus dem Kaukasus direkt<br />
nach Europa transportieren soll. Zwei russisch kontrollierte Erdölund<br />
Erdgasleitungen sind bereits vorhanden. Eine führt von Sibirien nach<br />
Europa, eine zweite von den Erdölfeldern Aserbaidschans am Kaspischen<br />
Meer durch das Schwarze Meer bis zum Bosporus in die Türkei,<br />
Das aufstrebende Indien mit seiner rasant wachsenden Wirtschaft ist<br />
an Erdgaslieferungen aus dem Iran interessiert. Eine durch Pakistan führende<br />
Überlandleitung soll die Versorgung sichern. Teheran hatte den<br />
Vorschlag gemacht, und beide Länder waren davon angetan, zumal Pakistan<br />
mit lukrativen Transfergebühren rechnen kann.<br />
Weder Indien noch Pakistan, die gute Beziehungen zu den USA unterhalten,<br />
hatten anfangs damit gerechnet, dass die Bush-Regierung das<br />
Energieprojekt mit dem Iran, den sie zu den 'Schurkenstaaten' rechnet,<br />
ablehnt. Doch im März nahm US-Außenministerin Condoleeza Rice kein<br />
Blatt vor den Bund und kanzelte Pakistan ab. "Dieses Projekt ist keine<br />
gute Idee", erklärte sie.<br />
Bislang scheint Indien sich nicht vom Missfallen der USA beeindrucken<br />
zu lassen. Seine boomende Wirtschaft ist auf eine sichere Energieversorgung<br />
angewiesen. In Pakistan jedoch kühlte die Begeisterung für das<br />
Projekt merklich ab. Deshalb reiste Indiens Erdölminister Manishankar<br />
Aiyar Anfang Juni nach Islamabad und überzeugte die pakistanische Regierung<br />
vom Nutzen des indisch-iranischen Deals. Im nächsten Jahr soll<br />
der Bau der 2.600 Kilometer langen Erdgasleitung beginnen. Indien denkt<br />
bereits an zwei weitere, durch Pakistan führende Pipelines.<br />
Brisantes Pipeline-Projekt<br />
Ob die beiden Länder ungeachtet der US-amerikanischen Einwände<br />
tatsächlich an dem Projekt festhalten, scheint nach Ansicht von Beobachtern<br />
noch nicht sicher. Die USA umwerben Indien und wollen, nicht zuletzt<br />
im Hinblick auf den Wirtschaftsgiganten China, seinen Aufstieg zum<br />
Global Player unterstützen. Auf gute Beziehungen zu Pakistan, den unentbehrlichen<br />
Stützpunkt in ihrem 'Krieg gegen Terrorismus' und im<br />
Kampf gegen El-Kaida, können die USA auch nicht verzichten. !!!<br />
- 6 -<br />
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Andererseits hängt Pakistan mit Zuwachsraten des Bruttosozialproduktes<br />
von sieben bis acht Prozent am Tropf der USA. Es braucht die USamerikanische<br />
Unterstützung, um seine Auslandsschulden abzutragen.<br />
Derzeit sind noch weitere Pipelines, die durch Pakistan führen sollen,<br />
im Gespräch. Eine Leitung soll Erdöl vom Emirat Sharjah aus durch den<br />
Persischen Golf transportieren. Eine zweite, durch Afghanistan führende<br />
Pipeline soll Turkmenistan mit Pakistans neuem Hafen Gawadar verbinden.<br />
Eine Reihe US-amerikanischer Erdölkonzerne hat sich zu diesem<br />
UNOCAL-Projekt zusammengetan. Hier geht es um den Transport der<br />
reichen Energievorkommen Turkmenistans, Kasachstans, Kirgisiens und<br />
Usbekistans. Das Konsortium soll nicht nur den Bau der Pipeline übernehmen,<br />
sondern anschließend auch das Verteilernetz kontrollieren.<br />
Russland ist an UNOCAL nicht beteiligt.<br />
Washington bekundet großes Interesse an dem gigantischen Projekt,<br />
denn mit ihm würden die USA auch den größten Teil der Erdgas- und<br />
Erdölvorkommen Zentralasiens kontrollieren können. Doch angesichts<br />
der fortgesetzten Unruhen in Afghanistan bleibt abzuwarten, ob und<br />
wann es sich realisieren lässt.<br />
China und Russland mischen mit<br />
An diesem geopolitischen Verteilungskampf sind auch Russland und<br />
China beteiligt. Moskau und Peking setzen die Regierungen von Kasachstan,<br />
Kirgisien und Usbekistan unter Druck und bemühen sich, sie<br />
auf ihre Seite zu ziehen, um die eigene Energieversorgung zu sichern.<br />
Bislang jedoch scheinen der Rivale USA die Nase vorn zu haben.<br />
Unterdessen bemüht sich China um gute Beziehungen zu Indien, Pakistan,<br />
Sri Lanka, Nepal und Burma. Peking möchte in Südasien seine<br />
diplomatischen Erfolge fortsetzen, die es in Südostasien erzielt hat.<br />
Vorerst aber wirft das wegen des umstrittenen iranischen Atomprogramms<br />
gespannte Verhältnis zwischen Washington und Teheran lange<br />
Schatten auf alle drei Pipeline-Projekte. Am Ende könnte Diplomatie und<br />
viel Geld den geostrategischen Machtkampf der drei Giganten entscheiden.<br />
Vor allem die USA haben bewiesen, wie hervorragend sie sich auf<br />
die Kunst verstehen, mit Hilfe reichlich investierter Dollars zum Ziel zu<br />
kommen. !<br />
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Nahost von EU-Wertegemeinschaft weit entfernt<br />
Von Ramesh Jaura<br />
Berlin, im Juni (<strong>IPS</strong>) – Aus Sicht der USA und Europas hat sich der Nahe und Mittlere Osten<br />
zu einer strategischen Schlüsselregion und einem Gefahrenherd für die globale Sicherheit<br />
entwickelt. Somit wird die Region nicht nur als wichtiger Ölexporteur, sondern auch als<br />
Brutstätte des weltweiten Terrorismus und Extremismus wahrgenommen.<br />
Als Ursache wird neben dem Jahrzehnte alten Israel-Palästina-Konflikt insbesondere ein beträchtliches<br />
Modernisierungsdefizit genannt. Zudem verweist der dritte Arabische Bericht über die<br />
menschliche Entwicklung – 'Arab Human Development Report 2004' –auf repressive Machthaber,<br />
Unterentwicklung vor allem im Bildungsbereich, Diskriminierung der Frau, eine hohe Arbeitslosigkeit<br />
unter jungen Männern und einem sich verschärfenden politischen Islamismus hin.<br />
Europa und die USA sehen eine dringende Notwendigkeit, die Region zu stabilisieren. In jüngerer<br />
Zeit mehren sich deshalb Initiativen, die zu einer Modernisierung und Demokratisierung des<br />
Nahen und Mittleren Ostens beitragen sollen, etwa die 1995 ins Leben gerufene Europa-<br />
Mittelmeer-Partnerschaft, als Barcelona-Prozess bekannt, oder die 'Middle East Partnership Initiative'<br />
der US-amerikanischen Regierung.<br />
Die auf dem G8-Gipfel im Juni 2004 auf Anregung Washingtons verabschiedete 'Broader Middle<br />
East and North Africa Initiative' kann als Versuch gewertet werden, bisherige Bemühungen zu<br />
bündeln und weiterzuentwickeln.<br />
Auffallend sind auch die nach der militärischen Intervention in Gang gesetzten Demokratisierungsbemühungen<br />
des Irak. Darüber hinaus mehren sich Anzeichen für demokratische Fortschritte<br />
in der Region – von den Wahlen in Palästina, etlichen Golfstaaten und ansatzweise in Saudi-<br />
Arabien über die Demonstrationen im Libanon bis hin zur taktischen Akzeptanz von Gegenkandidaten<br />
bei den ägyptischen Präsidentschaftswahlen oder der Stärkung von Frauenrechten in Marokko.<br />
Die Initiativen von EU und USA stoßen jedoch sowohl bei den Regierungen als auch in den Zivilgesellschaften<br />
der Region auf Skepsis. Denn sie wurden ohne Konsultationen mit den betroffenen<br />
Ländern entwickelt. Manche betrachtet sie als "imperialistische Einmischung" in die inneren Angelegenheiten<br />
der arabischen Staaten.<br />
Vertreter der Zivilgesellschaft befürchten eine 'doppelte Agenda', die beispielsweise jenen Regierungen<br />
freie Hand lässt, die ihre Beziehungen zu Israel verbessern, die USA im Kampf gegen den<br />
Terrorismus unterstützen oder den Zugang zu den Ölvorkommen gewährleisten. Auch die Furcht<br />
vor einer Machtübernahme durch 'Islamisten' lässt westliche Regierungen vor einer konsequenten<br />
Haltung zurückschrecken. Deutliche Unzulänglichkeiten zeigen sich zudem, wenn es darum geht,<br />
den Absichtserklärungen konkrete Aktionen folgen zu lassen.<br />
Das sind Gründe, warum die arabische Welt noch weit davon entfernt ist, mit Europa und USA<br />
eine Wertegemeinschaft zu bilden. Auch die Meinungseintracht zwischen Europa und USA täuscht.<br />
Eine Fachveranstaltung der Stiftung Entwicklung und Frieden (SEF) im Berliner Rathaus verdeutlichte,<br />
dass ein vertiefter Dialog nicht nur zwischen Europa und USA einerseits und arabischen<br />
Ländern andererseits, sondern auch unter den transatlantischen Partnern notwendig ist. !!!<br />
- 8 -<br />
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Die Veranstaltung fand in Kooperation mit dem 'American Institute for Contemporary German<br />
Studies' (AICGS) im Rahmen des Berliner Sommerdialogs der 1986 auf Initiative von Willy Brandt<br />
gegründeten überparteilichen Stiftung statt. Teilnehmer waren zahlreiche Vertreter insbesondere<br />
arabischer Botschaften, Repräsentanten der deutschen Bundesregierung und Regionalexperten.<br />
Thema war die 'Sicherheit durch Demokratisierung im Nahen und Mittleren Osten – Erfolg versprechende<br />
Strategie oder nur westliche Propaganda'.<br />
Die offizielle Washingtoner Position legte Charles King Mallory von der Nahost-Abteilung des US-<br />
Außenministeriums dar. Er sprach von einer strategischen Neuausrichtung der US-Politik im Nahen<br />
und Mittleren Osten nach dem 11. September 2001. Die bisherige Konzentration auf Stabilität<br />
sei ein Fehler und Reformen nicht förderlich gewesen. "Die heutige Demokratisierungsstrategie der<br />
USA wird sowohl ideologisch als auch realpolitisch begründet", betonte Mallory. "Es gibt einen<br />
fruchtbaren Boden im Nahen und Mittleren Osten für maßvollen Druck und Unterstützung von außen."<br />
Kooperation mit islamischen Gruppen<br />
In der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft vor Ort müsse auch über eine Kooperation mit islamischen<br />
Gruppen nachgedacht werden. "Diese müssen aber der Gewalt abschwören, Minderheiten-<br />
und Frauenrechte achten und Israel anerkennen", so Mallory. Zum europäischamerikanischen<br />
Verhältnis sagte er: "Ein neuer transatlantischer Konsens ist auf jeden Fall wünschenswert,<br />
ob er aber erreichbar ist, ist eine schwierige und offene Frage." Mallory plädierte eindringlich<br />
für eine enge transatlantische Kooperation, zumal "die Zusammenarbeit mit der EU in den<br />
letzten Jahren in der Realität wesentlich besser war, als die Öffentlichkeit dies wahrgenommen<br />
hat".<br />
Aus europäischer Sicht unterstrich Christian Leffler, Direktor für den Mittleren Osten und den<br />
südlichen Mittelmeerraum bei der Europäischen Kommission, dass westliche Modelle niemandem<br />
aufgezwungen werden können. "Was die EU aber in der Zusammenarbeit mit dem Nahen und Mittleren<br />
Osten anstrebt, ist 'joint ownership', nicht 'local ownership'. Denn wenn wir uns selbst in den<br />
Kooperationsansätzen nicht wiedererkennen, warum sollten wir sie dann unterstützen"<br />
Leffler betonte die große Bedeutung der Nachbarregion für Europa: "Dies ist das Mexiko Europas",<br />
sagte er mit Blick auf die demografische Entwicklung und die Gefahr von Instabilität in zahlreichen<br />
arabischen Staaten. Daher müssten Fortschritte in der Zusammenarbeit zwischen der EU<br />
und der Region im Bereich der Wirtschaft und des Handels unbedingt von politischen Fortschritten<br />
begleitet werden.<br />
"Es gibt keinen Gegensatz zwischen Stabilität und Wandel. Ohne Wandel kann es vielmehr dauerhaft<br />
keine Stabilität geben", so Leffler weiter. Zur transatlantischen Kooperation im Nahen und<br />
Mittleren Osten konstatierte er: "Wenn zwei Elefanten miteinander tanzen, ist das Ergebnis nicht<br />
unbedingt günstig. Sie sollten lieber darauf achten, sich im gleichen Schritt zu bewegen." Die Strategien<br />
der USA und der EU in der Region seien zwar unterschiedlich, aber komplementär und daher<br />
zu koordinieren.<br />
Koordinationsprobleme<br />
Die Koordinierung erweist sich aber als ein schwieriges Unterfangen. Oft erzielen die diplomatisch<br />
vorgetragenen Positionen deutscher sowie anderer europäische Politiker und hoher Beamte<br />
in Begegnungen mit Vertretern der US-Administration nicht die erwünschte Wirkung. "Es kommt<br />
sogar vor, dass wir uns auf gewisse Formulierungen einigen, um im Nachhinein festzustellen, dass<br />
diese für beide Seiten nicht dasselbe bedeuten", erzählt ein europäischer Diplomat. !!!<br />
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Auch Nader Fergany, Hauptautor des Arab Human Development Reports, unterstreicht die Begriffsunterschiedlichkeit:<br />
"Für uns bedeutet Sicherheit Sicherheit vor Staatsterrorismus, wie ihn sowohl<br />
die israelischen Besatzer als auch arabische Regierungen ausüben." Außerdem hemmt die<br />
israelische Besetzung Palästinas und US-Präsenz in Irak weiterhin die menschliche Entwicklung<br />
und Freiheit.<br />
Die Herausforderung liegt offenbar darin, trotz unterschiedlicher Begrifflichkeit für Sicherheitsbedürfnisse<br />
der Araber einerseits und der Europäer und US-Amerikaner andererseits Verständnis zu<br />
entwickeln. Dies gilt auch für den Begriff Demokratie. Gewiss hat es wenig mit Demokratieverständnis<br />
zu tun, wenn US-Diplomaten oder andere angereiste Vertreter der Bush-Administration in<br />
Kairo den Amtrücktritt des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak verlangen und zugleich ihren<br />
Gesprächspartnern einen Nachfolger ihrer Wahl nennen.<br />
Jochen Hippler von der Universität Duisburg-Essen schildert die problematische Verbindung zwischen<br />
Sicherheit und Demokratisierung. Demokratie kann sich als Instrument zugunsten innerer<br />
Stabilität eines Landes und Sicherheit für seine Nachbarn erweisen. Andererseits kann, wie im jetzigen<br />
Irak, Stabilisierung der Sicherheitslage in einem Land eine wichtige Voraussetzung für Demokratisierung<br />
erweisen.<br />
Doch um welche Art von Demokratie geht es Demokratie im Sinne der Teilhabe der Bevölkerung<br />
in Entscheidungsprozessen wie die 'Good Governance'-Prinzipien des Bundesentwicklungsministeriums<br />
es vorsehen Demokratie nach Westminster-Zuschnitt oder eine präsidiale Demokratie<br />
wie in Frankreich oder den USA<br />
Demokratie und Machtverteilung<br />
Unabhängig davon, für welche demokratische Form die Entscheidung fällt, ist es – wie Hippler<br />
sich ausdruckt – "blauäugig" außer Acht zu lassen, dass es bei der Demokratisierung um Machtverteilung<br />
geht und schwerste Eingriffe in die bestehenden Machtstrukturen bedeutet. Machtmonopol<br />
der politischen Elite fördert Demokratie nicht. In der Regel ist die mittlere Sicht die treibende<br />
Kraft hinter Demokratiebestrebungen. Diese müssen dann ärmere Schichten der Gesellschaft, die<br />
ihre ganze Kraft auf das Überleben konzentrieren, erreichen.<br />
Entwicklungszusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten – eine Region, die einige der reichsten<br />
Staaten und der unterentwickelten Länder der Welt beherbergt – dürfte vor diesem Hintergrund<br />
eine bedeutende Rolle spielen. Trotz der engagierten Stellungnahme von Matthias Weiter vom<br />
Bundesentwicklungsministerium wurde dieser Aspekt jedoch nur am Rande berücksichtigt. Und die<br />
Frage der Umsetzung des allgemein erkannten Prinzips der Kohärenz aller Politikbereiche blieb<br />
ganz unbeantwortet. Die Anhänger der Schule des 'pragmatischen Realismus' vertraten sogar die<br />
Ansicht, dass Politik die Kunst des Machbaren sei.<br />
"Regierungen sind nicht Weltverbesserer", erklärte ein Diplomat aus praktischer Erfahrung. Damit<br />
bestätigte er die These der Veranstalter: Demokratisierung ist nur dann auf Dauer erfolgreich,<br />
wenn sie von innen heraus mitgetragen wird. Offen bleibt, ob von außen initiierte 'Demokratisierungsversuche'<br />
der Region tatsächlich mehr Stabilität und dauerhafte Sicherheit bringen würden,<br />
wie dies westliche Politiker und Wissenschaftler gerne postulieren. Oder wären angesichts starker<br />
ethnischer, religiöser und sozioökonomischer Zerklüftungen – zum Teil ein Erbe des Kolonialismus<br />
– sowie archaischer Gesellschaftsstrukturen und islamistischer Strömungen in der Gesellschaft<br />
Staatszerfall und neue Gewalt das Ergebnis !<br />
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Indien erneuert Verbot von jodfreiem Salz<br />
Von Ranjit Devraj<br />
Neu Delhi, im Juni (<strong>IPS</strong>) – Die indische Regierung hat Salz ohne Jodzusatz erneut verboten.<br />
Anlass ist die Vermutung, dass der Anstieg von Jodmangelerkrankungen (IDD) bei Kindern auf<br />
die Aufhebung des Verbots vor sechs Jahren zurückzuführen ist.<br />
"Wir geben den Salzherstellern zwei Monate Zeit, um nur noch jodhaltiges Salz zu produzieren", erklärt<br />
der indische Gesundheitsminister Anbumani Ramadoss.<br />
Mit der jüngsten Entscheidung vollzieht Indien eine Kehrtwende in der öffentlichen Gesundheitspolitik,<br />
die jahrelang von der ultrahinduistischen 'Bharatiya Janata Party' (BJP) beeinflusst wurde. Im Mai 2004<br />
wurde die BJP abgewählt. Mitverantwortlich war der Eindruck, sie kümmere sich vornehmlich um die Interessen<br />
der Unternehmer und Eliten des Landes. Zurzeit regiert die Kongresspartei unter Manmohan<br />
Singh, die BJP ist stärkste Oppositionspartei.<br />
Jod ist notwendig, um das Schilddrüsenhormon Thyroxin zu produzieren, ein Wachstumshormon, das<br />
den Stoffwechsel ankurbelt und die Lebenserwartung erhöht. Ein Mangel an Thyroxin im fötalen oder<br />
frühkindlichen Alter behindert die geistige Entwicklung, führt zu einem niedrigen Intelligenzquotienten und<br />
kann im schlimmsten Fall Kretinismus zur Folge haben.<br />
Indien ist weltweit Vorreiter bei der universellen Salzjodierung. Bereits in den 50er Jahren führte das<br />
südasiatische Land Untersuchungen in den Grenzgebieten des Himalaja in Indien, Nepal und Bangladesch<br />
durch, die zeigten, dass das Vorkommen von geistigen Behinderungen in Zusammenhang mit jodarmen<br />
Böden stand. Schnell wurde erkannt, dass Mangelerscheinungen durch eine Prise Jod im Speisesalz<br />
leicht zu beheben sind und somit Millionen Menschen vor IDD bewahrt werden können. Doch obwohl<br />
Jodmangel leicht beseitigt werden kann, gibt es in 40 Prozent der indischen Haushalte kein Jodsalz. "Das<br />
ist genau der Teil der Bevölkerung, der unter der Armutsgrenze lebt, mangelernährt ist und sich das teuere<br />
Jodsalz nicht leisten kann", sagt der Hormonexperte N. Kochupillai.<br />
Kochupillai und seine Kollegen von der endokrinologischen Abteilung des Indischen Instituts für Medizinische<br />
Wissenschaften (AIIMS) stellten sich bereits vor sechs Jahren energisch gegen eine Aufhebung<br />
des Verbots von jodfreiem Salz - ohne Erfolg. Heute zeigt sich, dass die Warnungen der Wissenschaftler<br />
berechtigt waren. Untersuchungen von AIIMS, eines der angesehensten Institute in Indien, belegen, dass<br />
Schulkinder, die zu Hause ausschließlich normales Salz bekommen, einen niedrigeren IQ haben.<br />
Diese Entwicklung bestätigt auch eine Studie des 'Government Medical College' (GMC) in Südindien,<br />
die herausfand, dass in der Stadt Baroda im westlichen Bundesstaat Gujarat, der zu den führenden Salzherstellern<br />
Indiens gehört, der Verbrauch von jodhaltigem Salz in der Bevölkerung am niedrigsten ist. Nur<br />
rund 13,5 Prozent der Anwohner des Distrikts Vadodara benutzen Jodsalz, wodurch IDD in diesem Gebiet<br />
weit verbreitet ist. Mindestens sieben Prozent der Bevölkerung sind von leichten bis schweren Folgeerkrankungen<br />
betroffen.<br />
1998 wurde die universelle Salzjodierung von mehr als 170 Staaten als notwendige Präventionsmaßnahme<br />
anerkannt. Zahlreiche Regierungen stellen in ihrem Haushalt Gelder für die Eliminierung von IDD<br />
bereit. Nach Angaben des Weltkinderhilfswerks (UNICEF) hat ein Großteil der Bevölkerung in mehr als<br />
87 Ländern oder 68 Prozent der Weltbevölkerung Zugang zu Jodsalz. !<br />
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Malaysia nimmt Kampf gegen Aids auf<br />
Von Baradan Kuppusamy<br />
Kuala Lumpur, im Juni (<strong>IPS</strong>) – Im Kampf gegen HIV/Aids setzt Malaysias Regierungschef Abdullah<br />
Badawi mehr auf handfeste Prävention als auf islamische Moralgebote. Alarmiert durch die<br />
Warnungen einheimischer Mediziner und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor einer epidemischen<br />
Ausbreitung der Immunschwächekrankheit hat er ein staatlich finanziertes Programm<br />
angekündigt. Es sieht die Versorgung von Drogenkonsumenten mit Einwegspritzen und Kondomen<br />
vor. Geistliche aller Religionen sind empört.<br />
Im Oktober werden Drogenabhängige die ersten 130.000 Einwegspritzen erhalten. Die sexuell Aktiven<br />
unter ihnen erhalten zudem kostenlos Kondome. "Das Programm kostet umgerechnet 39,5 Millionen Dollar",<br />
sagte Gesundheitsminister Chua Soi Lek. "In fünf Jahren sehen wir hoffentlich Erfolge. Wenn wir gar<br />
nichts tun, sind 300.000 Malaysier in Gefahr."<br />
Abdullahs Amtsvorgänger Mahathir Mohamad und seine Regierung hatten Jahrzehnte lang geleugnet,<br />
dass es in Malaysia ein Aidsproblem gibt und alle fachkundigen Ratschläge zur Vorbeugung und Eindämmung<br />
der Krankheit in den Wind geschlagen. Kondome und Einwegspritzen wurden als unmoralisch<br />
abgelehnt. In der Hauptstadt Kuala Lumpur wurde sogar eine Privatinitiative gestoppt, Spritzen und Gratis-Kondome<br />
im heruntergekommenen Stadtviertel Chow Kit, einem Brennpunkt der Drogenszene, zu<br />
verteilen.<br />
Medizin vor Moral<br />
Die 25 Millionen Malaysier sind zu 60 Prozent Muslime. Der Islam ist Staatsreligion. Der Regierungschef,<br />
der für gewöhnlich Wert auf einen versöhnlichen Umgang mit der islamischen Geistlichkeit legt,<br />
wartete deren mögliche Intervention erst gar nicht ab und folgte dem Rat des Gesundheitsministeriums,<br />
das ihm alarmierende Statistiken auf den Tisch gelegt hatte.<br />
"Unsere Zahlen und die Erfolge, die orthodox-islamische Staaten wie Iran und Indonesien mit ihren<br />
Programmen zur Aidsbekämpfung erzielt haben, konnten die Regierung überzeugen", berichtete ein leitender<br />
Beamter aus dem Gesundheitsministerium im Gespräch mit <strong>IPS</strong>." Über 20 Jahre lang haben wir<br />
das Problem geleugnet. So kann es nicht weitergehen", erklärte er.<br />
In Malaysia ist die Zahl bekannter HIV-Infektionen von 3.000 im Jahr 1993 auf über 64.000 (2004) angestiegen.<br />
Nach den Erfahrungen medizinisch versierter UN-Mitarbeiter ist die Dunkelziffer groß und die<br />
tatsächliche Zahl der Infizierten fünf Mal höher. In Malaysia wären somit 300.000 Menschen mit dem HI-<br />
Virus infiziert. Eine kürzlich in <strong>26</strong> malaysischen Drogenzentren durchgeführte Untersuchung hatte ergeben,<br />
dass sich 65 Prozent der 3<strong>26</strong> Befragten Drogen spritzen. 77 Prozent der Befragten bezeichneten<br />
sich als sexuell aktiv, doch nur 19 Prozent benutzen Kondome.<br />
Anderen aktuellen Zahlen zufolge reichen 75 Prozent der 600.000 malaysischen Drogenabhängigen die<br />
Injektionsspritzen untereinander weiter. Auch von geschütztem Sex halten die meisten nichts. Experten<br />
befürchten deshalb, die längst überfällige Anti-Aids-Initiative der malaysischen Regierung werde die epidemische<br />
Ausbreitung der Krankheit nicht mehr verhindern können. Auch von der Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO) kam kürzlich eine Warnung. Mit seinen 15.000 so genannten Aids-Waisen müsse Malaysia<br />
der Gefahr einer drohenden Epidemie mit entschiedenen Maßnahmen begegnen, erklärte WHO-<br />
Sprecher Hans Tieru. !!!<br />
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Aktivisten kritisieren die bisher in Malaysia unternommenen Versuche, HIV/Aids einzudämmen, als a-<br />
mateurhaft. So müssen sich heiratswillige Paare in drei Bundesstaaten vor der Hochzeit einem HIV-Test<br />
unterziehen. Experten halten solche Maßnahmen für wirkungslos, da sie die Drogenszene nicht mit einbezieht.<br />
"Wir wollen den Stier bei den Hörnern packen. Viele andere Länder, auch islamische, haben mit ähnlichen<br />
Programmen beachtliche Erfolge im Kampf gegen den HI-Virus erzielt", erklärte Gesundheitsminister<br />
Chua.<br />
Geistliche verlangen Verbannung statt Vorbeugung<br />
Proteste kommen von islamischen, christlichen und buddhistischen Geistlichen. Sie kritisieren das Projekt,<br />
weil die kostenlose Ausgabe von Spritzen und Kondomen ihrer Meinung nach Sex und Drogenmissbrauch<br />
Vorschub leistet.<br />
Der islamische Führer Harusaani Zakaria, dessen Meinung auch in Regierungskreisen etwas gilt, erklärte<br />
kürzlich: "Man sollte HIV-Infizierte auf eine einsame Insel verfrachten, damit sie die Gesellschaft<br />
nicht anstecken können." So wie er denken viele islamische Geistliche, Regierungsvertreter und Menschen<br />
auf der Straße. Mahfuz Omar, ein führender Sprecher der islamischen Oppositionspartei PAS,<br />
sieht in der Prostitution die Wurzel des Übels, die es zu bekämpfen gilt. "Deshalb sollte die Regierung alle<br />
Massagesalons, Karaoke-Bars und Begleitagenturen verbieten", forderte er.<br />
Nach Ansicht der Ärztin Adeeba Kamarulzaman, die in der 'Malaysischen Arbeitsgruppe für Prävention'<br />
mitarbeitet, hängt der Erfolg der staatlichen Initiative von einer möglichst umfassenden Beteiligung ausgebildeter<br />
Gemeindearbeiter ab und von dem verfügbaren Budget ab. "Mit der Ausgabe von Spritzen ist<br />
es nicht getan. Wir müssen uns um die Betroffenen kümmern und ihnen Informationen, Beratung und<br />
Therapiemöglichkeiten anbieten."<br />
Die Vorsitzende des malaysischen Aids-Beirates, Marina Mahathir, die voll hinter dem Programm steht,<br />
fordert von der Regierung zusätzlich eine umfassende Aufklärungskampagne. In ihrer wöchentlich in einer<br />
einheimischen Tageszeitung erscheinenden Kolumne kritisierte die Tochter des früheren Regierungschefs:<br />
"Während andere Länder ihren Kenntnisstand über einen effizienten Umgang mit HIV verbessert<br />
haben, sind wir zurückgefallen."<br />
"Es kommt vor allem auf die politische Führungskraft an, wenn der Kampf gegen HIV/Aids erfolgreich<br />
sein soll", schrieb die prominente malaysische Aktivistin und verwies auf Uganda. Dort ist es gelungen,<br />
die HIV-Infektionsrate bei Erwachsenen von 16 auf sechs Prozent zu senken.<br />
Selbst die iranische Führung habe ein Programm zugelassen, das Drogenabhängige mit Spritzen versorge<br />
und an Gefängnisinsassen Kondome verteile, betonte Mahathir. "Hinter diesem Erfolg stehen der<br />
politische Wille und die Unterstützung durch die Religionsführer." "Malaysia hat die Wahl: Entweder begnügen<br />
wir uns weiterhin mit Oberflächlichkeiten oder wir gehen entschlossen vor. Sollten wir aber eines<br />
Tages aufwachen und vor einer schweren Epidemie stehen, dann werden wir dies zu verantworten haben",<br />
schrieb die Aktivistin. !<br />
Nützliche Links:<br />
http://www.intelihealth.com<br />
http://www.medicine.com<br />
http://www.asean-disease-surveillance.net<br />
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'Volvic' und UNICEF starten Trinkwasserinitiative<br />
Bonn, im Juni (<strong>IPS</strong>) – Gemeinsam mit dem Weltkinderhilfswerk<br />
(UNICEF) hat der Mineralwasserhersteller 'Volvic'<br />
eine Trinkwasserkampagne für Äthiopien gestartet.<br />
Die Aktion läuft bis August und garantiert, dass jeder in<br />
Deutschland gekaufte Liter 'Volvic naturelle' in Äthiopien<br />
die Gewinnung von zehn Litern sicheren Trinkwassers<br />
gewährleistet.<br />
'1 Liter für 10 Liter' ist die Aktion überschrieben. Ihr erstes<br />
Ziel ist die Errichtung und dauerhafte Wartung von 25 Brunnenanlagen<br />
und die Förderung von 900 Millionen Liter<br />
Trinkwasser über einen Zeitraum von zehn Jahren. Hilfe bedeutet<br />
dies für 12.500 Menschen. Sie sollen nach dem Prinzip<br />
der Hilfe zur Selbsthilfe in das Projekt eingebunden und<br />
im Bau und Wartung von Brunnenanlagen geschult werden.<br />
In Äthiopien leiden vor allem Frauen und Kinder unter akutem<br />
Wassermangel. In einigen entlegenen Gebieten des<br />
nordostafrikanischen Landes stehen pro Kopf lediglich drei<br />
bis sechs Liter Wasser am Tag zur Verfügung, in Deutschland<br />
liegt der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch hingegen bei 130<br />
Litern.<br />
Zudem sind die Wasserstellen in Äthiopien schwer erreichbar.<br />
Viele Siedlungen sind so weit von den Wasserstellen<br />
entfernt, dass Trinkwasser in stundenlangen Märschen<br />
in der Regel von Frauen oder Kindern transportiert werden<br />
müssen, worunter nicht zuletzt der Schulbesuch und die Alphabetisierung<br />
leiden. Auch ist das äthiopische Wasser in<br />
höchstem Maße unsicher. Verschmutzte Stellen sind die Ursache<br />
von 75 Prozent aller Krankheiten in den betroffenen<br />
Gebieten.<br />
Volvic wird in Deutschland von der Danone Waters<br />
Deutschland GmbH vermarktet, einem Unternehmen, das zu<br />
100 Prozent zur französischen Danone Gruppe gehört. Die<br />
Gesellschaft hat ihren Sitz in Mainz-Kastel und beschäftigt<br />
etwa 80 Mitarbeiter. Volvic ist 2003 mit einem Anteil von<br />
31,5 Prozent Marktführer im Bereich der stillen Mineralwasser<br />
und belegt im Gesamtwassermarkt Platz zwei. !<br />
Nützlicher Link:<br />
http://wasser-ist-leben.volvic.de<br />
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Coca-Cola-Girls und Frauentausch – Aids in Kenia<br />
Von Darren Taylor<br />
Isiolo, Kenia, im Juni (<strong>IPS</strong>) – In einer schäbigen Truckerkneipe in der nordkenianischen<br />
Stadt Isiolo, am Rand der Kaisut-Wüste, hängen Prostituierte im Schulmädchenalter<br />
herum. Hier machen Fernfahrer auf dem Weg nach Addis Abeba, Mogadischu<br />
oder Nairobi Station. Sex mit einem der Mädchen kostet sie nicht mehr als eine<br />
Cola.<br />
Kneipen wie diese gibt es viele in Isiolo. Eigentlich ist Kindern der Aufenthalt in solchen<br />
Kaschemmen verboten, doch die Zwölfjährige, die sich Ursula nennt, stört der Anschlag 'Adults<br />
Only! – Zutritt nur für Erwachsene!' nicht. "Hier in Isiolo nennen wir Mädchen wie sie<br />
Coca-Cola-Girls, denn für eine Cola kann man Sex mit ihnen haben", lacht Saafo Gedi, einer<br />
der Stammkunden der Bar.<br />
Khadija Rama kann über solche Bemerkungen nicht lachen. Mit dem von ihr gegründeten<br />
Hilfsprojekt 'Pepo la Tumaini Jangwani – Ein Wind der Hoffnung in der Wüste' will sie Mädchen<br />
wie Ursula vor der Ansteckung mit HIV/Aids schützen.<br />
"Die Coca-Cola-Girls sind in der Regel zwischen acht und 13 Jahre alt. Mädchen zwischen<br />
14 und 16, sie sich ihre Dienste mit ein Paar Turnschuhen bezahlen lassen, heißen in Isiolo<br />
'Nikes'", berichtet Rama im Gespräch mit <strong>IPS</strong>.<br />
Wer wie sie hier im Norden Kenias als Aids-Aktivist auftritt, hat einen schweren Stand. Hier<br />
leben fast ausschließlich Muslime der Ethnien der Borana, Meru, Turkana und Somali. Die<br />
meisten Einheimischen leugnen die Gefahr einer Infektion mit der Immunschwächekrankheit<br />
Aids. Der Islam, so glauben sie, bewahrt Gläubige vor Unmoral und damit vor der tödlichen<br />
Epidemie.<br />
"Dabei sind unsere Friedhöfe voll mit den Gräbern von Aids-Toten, alle Muslime. Und unsere<br />
Bars sind voller junger Prostituierter, allesamt muslimische Mädchen", sagt die Mitarbeiterin<br />
an Ramas Tumaini-Projekt, Christine Osedo. "Hier sagt man: Muslime bekommen kein<br />
Aids. Muslime sind keine Prostituierte."<br />
Nach Angaben des UN-Aids-Programms sind 6,7 Prozent der 31,5 Millionen Kenianer mit<br />
HIV infiziert. Um das große, von Dürre geplagte Grenzgebiet im Norden des Landes hat sich<br />
die Regierung in der fernen Hauptstadt Nairobi lange Zeit kaum gekümmert.<br />
Aufklärung und Schutz für verstoßene Frauen<br />
Ramas Hilfsorganisation Tumaini tut, was sie kann. Sie versorgt HIV-Patienten im fortgeschrittenen<br />
Stadium mit antiretroviralen Medikamenten, berät HIV-Infizierte und unterhält eine<br />
Schule für Aids-Waisen. Hilfsorganisationen schätzen, dass in Kenia rund 200.000 Menschen<br />
die lebensverlängernden Antiretroviralen benötigen.<br />
Vor allem aber bietet sie HIV-positiven Frauen eine Unterkunft, die, wie die Turkana-Witwe<br />
Anna Longori, von ihrer Familie verstoßen wurden. "Als ich krank wurde, beschimpfte mich<br />
meine Familie, weil ich Schande über sie gebracht hätte und jagte mich davon. Jetzt ist Tumaini<br />
meine Familie", berichtet sie <strong>IPS</strong>. !!!<br />
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Auch Aziza Ngaruthi ist vor ein paar Monaten zu Tumaini gestoßen. In ihrem Dorf im Bezirk<br />
Meru hatte sie erlebet, wie ihre jüngere Schwester an Aids erkrankte. "Die Leute in meiner<br />
Gemeinde hassten sie dafür, sie hassten sogar ihre Kinder", sagte sie. Jetzt lässt sie<br />
sich von Tumaini ausbilden. "Ich will anderen beibringen, nicht zu hassen."<br />
Die Hilfsorganisation Tumaini hat erfahren müssen, dass der Kampf gegen Hass und Vorurteile<br />
immer schwieriger wird. "Für die Männer hier sind Frauen Menschen dritter Klasse,<br />
besonders wenn es um Sex und Sexualität geht", klagt Rama. "Wir passen nicht in ihr Konzept.<br />
Frauen sollten ihrer Meinung nach unterwürfig sein."<br />
Männer halten zusammen und tauschen die Frauen<br />
Bei den Borana und anderen Ethnien der Gegend nicht ungewöhnlich, dass Männer ihre<br />
Frauen mit anderen teilen. "Nichts als ein Vorwand für Promiskuität", verurteilt Rama den<br />
Frauentausch ('Jaal'), der der Verbreitung von HIV/Aids noch Vorschub leistet.<br />
Ibrahim Abdullahi verteidigt den Frauentausch als traditionelles Kulturgut. "Khadija ist eine<br />
dumme Frau, die unsere Sitten nicht respektiert", schimpft der Angehörige des Volkes der<br />
Borana. "Mit Jaal stärken wir den Zusammenhalt der Männer und damit unser Volk. Wir werden<br />
gegen diese Frau kämpfen, die unser Volk zerstören will", drohte er.<br />
Dass Rama sich vor handfesten Auseinandersetzungen nicht fürchtete, beweisen ihre mit<br />
Narben übersäten Arme und Hände. Dennoch ist sie entschlossen, weiter gegen Aids und<br />
Frauendiskriminierung zu kämpfen.<br />
Man hält sie jedoch nicht nur für eine Verräterin der einheimischen Kultur sondern auch<br />
der Religion. "Khadija ist keine gute Muslimin. Kondome haben im Islam nichts zu suchen.<br />
Sie verleiten die Leute nur zur Unmoral", ereifert sich der Somali Abdiker Mohammed.<br />
Ein Imam hilft<br />
Dennoch haben Rama und ihre Organisation in dem einheimischen Imam Rashid Haroun<br />
einen Mitstreiter gefunden. In seinen Predigten warnt der muslimische Geistliche vor riskantem<br />
Sex. Er verurteilt auch den Missbrauch von Frauen und die soziale Ausgrenzung von<br />
HIV/Aids-Patienten.<br />
"Inzwischen sehe ich, dass hier in Isiolo immer mehr Menschen in HIV/Aids eine echte Gefahr<br />
sehen. Sie haben erkannt, dass Aids keine westliche, christliche Krankheit ist, sondern<br />
eine Krankheit, die die gesamte Menschheit bedroht", sagte er.<br />
Dennoch ist für Rama der Kampf gegen Vorurteile und Scheinheiligkeit noch längst nicht<br />
gewonnen. "Er wird lange dauern", betont sie und fügt hinzu: "Heute Abend wollen wir wieder<br />
einmal in den Kneipen für Kondome werben. Viele Männer werden uns auslachen. Doch<br />
wenn wir auch nur einen Mann dazu bringen, in Zukunft Kondome zu benutzen, hat sich unsere<br />
Mühe gelohnt." !<br />
Nützlicher Link:<br />
http:www.aerzte-ohne-grenzen.de<br />
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Swasiland auf der Suche nach Energiequellen<br />
Von James Hall<br />
Mbabane, im Juni (<strong>IPS</strong>) – Swasiland gerät massiv unter Druck bei der Suche nach eigenen Energiequellen.<br />
Sorgen macht vor allem die überstarke Abhängigkeit von Südafrika, wo das Königreich<br />
derzeit 80 Prozent der benötigten Energie einkauft – eine Versorgung, die auf absehbare<br />
Zeit sicher ist, wachsenden Bedarf aber nicht decken kann.<br />
Damit sind nicht zuletzt die swasiländischen Pläne gefährdet, der Armut durch einen Industrialisierungsschub<br />
entgegenzutreten. Eng mit dem südafrikanischen Nachbarn ist Swasiland auch deshalb verbunden,<br />
weil der Kapstaat 60 Prozent aller swasiländischen Güter aufkauft.<br />
Auch wenn der südafrikanische Energiegigant 'Escom' die Erfüllung seines Versorgungsvertrags mit<br />
Swasiland zugesagt hat, so fürchtet die swasiländische Energiebehörde doch, dass ihr ab 2007 der Zugang<br />
zu höheren Importen verstellt sein wird. Südafrika braucht für seine eigenen wachsenden Industrien<br />
in den nächsten Jahren reichlich Energie. "Ab 2007 müssen wir mit dem auskommen, was wir schon jetzt<br />
bekommen", sagte dazu Henry Shongwe, Leiter der Abteilung Energie im Ministerium für Bergbau und<br />
Energie.<br />
Schwarzes Gold<br />
In dieser Situation könnte Kohle wichtig werden. Zurzeit exportiert Swasiland die gesamte geförderte<br />
Steinkohle – den besonders hochwertigen Anthrazit – nach Südafrika. Nicht genutzt aber werden minderwertige<br />
Kohlesorten, die sich bestens für die Energiegewinnung eignen.<br />
Nach Schätzungen des Ministeriums für Bergbau und Energie könnten Kohlekraftwerke in fünf bis sieben<br />
Jahren ans Netz gehen. Kritiker, die auf die ökologischen Gefahren der Kohleverbrennung hinweisen,<br />
hören von swasiländischen Experten, neue Energiequellen seien für Swasiland keine Frage des Luxus,<br />
sondern der bitteren Notwendigkeit. "Wir brauchen mehr Energie zum Überleben", so Charles Mavuso,<br />
einer der Vertragspartner der swasiländischen Energiebehörde.<br />
Noch in den Kinderschuhen steckt in Swasiland die Nutzung der Wasserkraft. Gemeinsam mit Südafrika<br />
baut das Königreich am Maguga-Damm, der den Komati nahe der Grenze zu Südafrika staut. Tatsächlich<br />
wird dort auch bereits Energie produziert, aber so wenig, dass sie nur zu Spitzenlastzeiten eingespeist<br />
wird. Dasselbe gilt für das Wasserkraftwerk Ezulwini nahe der swasiländischen Hauptstadt<br />
Mbabane. Hier wird noch weniger Energie generiert.<br />
Im Gegensatz zu Swasiland verfügt Mosambik mit dem Cahora-Bassa-Damm in der nordöstlichen Provinz<br />
Tete im Grenzgebiet zu Sambia und Simbabwe über den fünftgrößten Damm der Welt und den<br />
zweitgrößten auf dem afrikanischen Kontinent. Hier wird die gesamte Energie für die Hauptstadt Maputo<br />
erzeugt. Gebaut wurde der Damm gegen Ende der Kolonialzeit im Jahre 1975 und gehört zum größten<br />
Teil noch heute dem ehemaligen Kolonialherren Portugal. Gegenwärtig jedoch laufen Verhandlungen ü-<br />
ber eine Übernahme durch Mosambik. !<br />
Nützliche Links:<br />
http://www.hrw.org/english/docs/2005/06/09/egypt11096.htm<br />
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Küchenkräuter für den Weltmarkt<br />
Von Raúl Pierri<br />
Montevideo, im Juni (<strong>IPS</strong>) – Elbe 'Beba' Luberto lässt sich nicht unterkriegen. Vor 18 Jahren, als<br />
in ihrer Heimatstadt Tapia, 80 Kilometer von Uruguays Hauptstadt Montevideo entfernt, die Zuckerfabriken<br />
dicht machten und viele Männer ihre Arbeit verloren, gründete die fünffache Großmutter<br />
zusammen mit einigen anderen Frauen eine landwirtschaftliche Kooperative. Sie wollten<br />
ihr eigenes Geld verdienen und bauten auf den ehemaligen Zuckerrübenfeldern der Umgebung<br />
Bio-Gewürze und -Kräuter sowie Obst an. Jetzt soll das internationale Frauennetzwerk WINNER<br />
den Erzeugnissen der Genossenschaft den Weltmarkt erschließen.<br />
Luberto, die sich zuvor nur um ihre große Familie und den Haushalt gekümmert hatte, wurde ebenso<br />
wie ihre Mitstreiterinnen zu einer erfolgreichen Geschäftsfrau. Ihre landwirtschaftliche Genossenschaft<br />
Calmañana in der Südprovinz Canelones besteht inzwischen aus 25 Frauen. Mit ihrem Bio-Anbau leisten<br />
sie in Uruguay Pionierarbeit. Unter dem Markennamen 'CampoClaro' verkaufen sie über die Supermärkte<br />
der Umgebung Kräuter, Gewürze und Trockenobst und exportieren ihre Produkte auch nach<br />
Italien und Spanien.<br />
"Wir müssen für unsere Familien ein zweites Einkommen verdienen und uns dazu um Haus und Kinder<br />
kümmern", berichtete Luberto im Gespräch mit <strong>IPS</strong>. "Das ist ein schweres Stück Arbeit, doch wir<br />
Frauen, die hier im Hinterland allein auf uns gestellt waren, sind daran gewachsen."<br />
Ihre Kooperative setzt jetzt auf Expansion und auf die Unterstützung des internationalen Projektes<br />
WINNER (Women into the New Network for Entrepreneurial Reinforcement). Dieses Netzwerk hilft Unternehmerinnen,<br />
ihre Produkte und Dienste auf allen Ebenen effizienter zu vermarkten. Es wurde 1999<br />
vom UN-Entwicklungsfonds für Frauen (UNIFEM), dem UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) und Devnet,<br />
einem internationalen Netzwerk für Mikro-, klein- und mittelständische Unternehmen, gegründet.<br />
Italiens staatliche Entwicklungshilfe-Agentur 'Cooperazione Italiana' finanziert das Projekt, an dem sich<br />
auch Frauenorganisationen und Stiftungen beteiligen.<br />
Fit für den Wettbewerb<br />
WINNER macht seine Mitglieder fit für den Wettbewerb. Das Netzwerk bietet in konventionellen und<br />
Internet-Kursen Fortbildungsmöglichkeiten im elektronischen Handel, in Management und Wirtschaftsführung,<br />
in der Präsentation auf Handelsmessen und in genderbezogenen Fragen.<br />
In Montevideo wurde kürzlich im Rahmen einer Feierstunde und in Anwesenheit von Uruguays Industrie-<br />
und Energieminister Jorge Lepra und des für Uruguay zuständigen UNDP-Vertreters Pablo<br />
Mandeville eine neue Expansionsphase eingeläutet. In mehreren lateinamerikanischen Ländern sollen<br />
nach Angaben von Uruguays Projektkoordinatorin María de los Angeles Torres weitere WINNER-<br />
Büros eingerichtet werden.<br />
WINNER hatte vor sechs Jahren als Pilotprojekt in Albanien, Ecuador, Nepal, den Philippinen und<br />
Rumänien begonnen. Heute ist das Netzwerk praktisch in allen Regionen der Welt vertreten. 7.000 Unternehmen<br />
und 4.000 Geschäftsideen sind bei ihm registriert. Etwa zwölf weltweit eingerichtete Zentralen<br />
vermitteln den Zugang zu Informations- und Kommunikations-Technologien. Die Produktpalette der<br />
angeschlossenen Unternehmen ist vielfältig. Kleidung, Haushaltswaren, Spielzeug, Körperpflegemittel,<br />
Heilkräuter, Möbel, Schmuck und Kerzen gehören dazu sowie zahlreiche Beratungs- und Fortbildungsangebote.<br />
!!!<br />
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Auswege aus der Isolation<br />
Seit kurzem verfügt das Netzwerk mit dem Internet-Portal 'Electronic Market Space' über eine interaktive<br />
Plattform. Sie bietet vor allem Unternehmerinnen aus Entwicklungsländern die Möglichkeit, sich<br />
untereinander auszutauschen.<br />
"Frauen, die mit einem eigenen Kleinunternehmen einen Ausweg aus ihren wirtschaftlichen Problemen<br />
suchen, fühlen sich häufig allein gelassen. Besonders ihnen soll die Interaktion im Netzwerk Hilfestellung<br />
geben", erläuterte Torres. "Wir bilden sie aus und zeigen ihnen, wie sie über Landesgrenzen<br />
hinweg, beispielsweise im Internet, aktiv werden können."<br />
Genau diese Hilfe brauchen Frauen wie Luberto. "Wir Landfrauen waren zur Zusammenarbeit entschlossen,<br />
weil wir unser isoliertes Leben ändern wollten. Wir wollten unsere Vorstellungen und Pläne<br />
aber auch anderen Frauen vermitteln."<br />
Millenniumsziele im Blick<br />
"Die Gründung eines eigenen Unternehmens gibt Frauen eine Möglichkeit, Arbeitslosigkeit, geschlechtsspezifische<br />
Diskriminierung, Armut und Ungleichheit zu bekämpfen. Mit ihrem Beispiel können<br />
sie viele andere Frauen inspirieren und zu sozialen und kulturellen Veränderungen beitragen", betonte<br />
UNDP-Sprecher Mandeville in Montevideo.<br />
Wie auch andere Redner lobte er den Beitrag, den Initiativen wie WINNER leisten, damit sich die für<br />
2015 anvisierten so genannten Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) erreichen lassen. Die MDGs, die<br />
auf dem New Yorker UN-Millenniumsgipfel im Jahr 2000 formuliert wurden, sehen bis 2015 die Halbierung<br />
von Armut und Hunger vor, die Reduktion der Kindersterblichkeit, den Rückgang der Müttersterblichkeit,<br />
Grundschulbildung für alle, Gleichberechtigung unter anderem im Bildungssystem, Erfolge im<br />
Kampf gegen Killerkrankheiten wie HIV/Aids, die Sicherung ökologischer Nachhaltigkeit und den Aufbau<br />
einer globalen Entwicklungspartnerschaft zwischen den Ländern des Nordens und Südens.<br />
Erste Kontakte zu WINNER hatten die Frauen der Calmañana-Kooperative über das Netzwerk<br />
REPEM geknüpft. Das Bildungswerk für Frauen schreibt in acht lateinamerikanischen Ländern Wettbewerbe<br />
für Unternehmerinnen aus. Weil Calmañana dabei eine Auszeichnung gewann, konnte Luberto<br />
in die venezolanische Hauptstadt Caracas reisen. Hier traf sie die übrigen Preisträgerinnen und erfuhr,<br />
dass diese mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten wie die Frauen aus Tapia. "Der Erfahrungsaustausch<br />
mit Frauen aus anderen Ländern tat gut. Mir wurde klar, dass Frauen, die wie wir in<br />
abgeschiedenen Regionen leben, weltweit mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben", berichtete<br />
Luberto.<br />
"Alles, was sich über dieses Netzwerk erreichen lässt, ist überaus wichtig für Geschäftsfrauen, die in<br />
entlegenen Gebieten und in kleinen Städten häufig ganz auf sich allein gestellt sind", betonte die<br />
REPEM-Sprecherin Iliana Pereira Sarti gegenüber <strong>IPS</strong>.<br />
"Diese Frauen brauchen viel Kraft, denn man erwartet von ihnen, dass sie auch ihre traditionelle Familienrolle<br />
erfüllen", betonte Pereira Sarti. "Wenn ihr Unternehmen erfolgreich sein soll, sind sie auch<br />
auf Außenkontakte angewiesen. Für sie ist es besonders wichtig, solche nützlichen Beziehungen knüpfen<br />
zu können." !<br />
Nützlicher Link:<br />
http://www.winner-tips.org<br />
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Uruguay - Zwischen Armut und Softwareexporten<br />
Von Diana Cariboni<br />
Montevideo, im Juni (<strong>IPS</strong>) – Uruguay ist ein Land der Extreme.<br />
Relativ große Armut kontrastiert mit der Tatsache, dass Uruguay<br />
mittlerweile zum führenden Softwareexporteur ganz Lateinamerikas<br />
aufgestiegen ist. Angesichts dieser Entwicklung<br />
warnen Experten vor einer Polarisierung wie in den USA, wo<br />
wenige gut ausgebildete und hochbezahlte Kräften einer großen<br />
Masse schlecht verdienender und schlecht ausgebildeter<br />
Kräfte gegenüberstehen.<br />
"In Uruguay finden wir einige besonders konkurrenzfähige und<br />
kreative Unternehmungen, die allerdings nicht in der Lage sind, eine<br />
große Wende herbeizuführen", sagt Lucía Pittaluga, Wirtschaftswissenschaftlerin<br />
an der Universität der Republik in der u-<br />
ruguayischen Hauptstadt Montevideo. Dennoch ist sie der Auffassung,<br />
dass der wissensbasierte, Hightech-Bereich bei entsprechender<br />
Förderung durch die Politik ein großes Potenzial entfalten<br />
könnte.<br />
"Wir sehen in Uruguay eine Gruppe von Forschern, die wissenschaftliche<br />
und technologische Spitzenarbeit abliefern, insgesamt<br />
aber schwach bleiben", heißt es auch in dem dritten Länderbericht<br />
über menschliche Entwicklung, den das UN-<br />
Entwicklungsprogramm (UNDP) kürzlich vorgelegt hat. Bis heute<br />
sei die Landwirtschaft die treibende wirtschaftliche Kraft, auch<br />
wenn die vom UNDP befragten Unternehmen in den Branchen<br />
Computerdienstleistungen und Software, Bio- und Umwelttechnologie,<br />
Ingenieurswesen und Pharmazeutika mittlerweile 40 Prozent<br />
der Exporte bestimmen.<br />
Der seit März amtierende uruguayische Staatspräsident Tabaré<br />
Vázquez hat den neuen Bericht zum Anlass genommen, Beraterausschüsse<br />
für Forschung und Technologie respektive Informationstechnologie<br />
einzurichten. Bereits kurz nach ihrem Antritt hat die<br />
neue Regierung der Breiten Front ein nationales Programm aufgelegt,<br />
das Marginalisierung und Armut, unter der vier Prozent der<br />
Bevölkerung von 3,2 Millionen Menschen leiden, entgegenwirken<br />
soll.<br />
Krise mit Folgen<br />
In den Jahren 1999 bis 2002 durchlebte Uruguay eine schwere<br />
Finanz- und Wirtschaftkrise, die das südamerikanische Land vom<br />
zweiten Platz unter den lateinamerikanisch-karibischen Staaten in<br />
Sachen Pro-Kopf-Einkommen auf dem UNDP-Index für menschliche<br />
Entwicklung auf den fünften Rang nach Argentinien, Barbados,<br />
Chile und Costa Rica verwies. !!!<br />
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Während der 70er und 80er Jahre beurteilte das UNDP den<br />
Stand der menschlichen Entwicklung in Uruguay gemessen am internationalen<br />
Standard als mittelprächtig, in den 90er Jahren sogar<br />
als hoch. Auf dem UNDP-Index rangierte der Staat in den letzten<br />
zehn Jahren des letzten Jahrhunderts stets zwischen Platz 37 und<br />
40, fiel 2002 aber auf den 46. Rang. Beurteilt wurden dabei und<br />
auch in der Länderstudie Lebenserwartung, Schulbildung, Alphabetisierung<br />
und Pro-Kopf-Einkommen.<br />
Nach dem jetzt vorgelegten UNDP-Bericht über die Jahre 1991<br />
bis 2002 ist die Lebenserwartung von 72,8 auf 75,2 Jahre gestiegen.<br />
Uruguay hält in dieser Hinsicht den vierten Platz unter den 14<br />
Staaten aus der Region, für die entsprechende Daten vorliegen.<br />
Die Säuglingssterblichkeit allerdings ist leicht gestiegen, von 13,6<br />
Todesfällen je 1.000 Lebendgeburten im Jahre 1991 auf 15. Vor<br />
1991 hatte diese Rate indes bei 21,1 gelegen.<br />
Besser sieht es im Bereich Bildung und Alphabetisierung in Uruguay<br />
aus, das schon Mitte des letzten Jahrhunderts Grundschulbildung<br />
für alle einführen konnte. Offenbar hat die Krise auf dem<br />
Arbeitsmarkt im Untersuchungszeitrum viele junge Menschen zur<br />
Fortsetzung des Schulbesuchs auf einer weiterführenden Bildungseinrichtung<br />
animiert.<br />
Gemessen am Einkommen lag Uruguay 2002 an siebter Stelle in<br />
der Region mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung<br />
von 7.834 US-Dollar, ein Wert, den auch Brasilien erreicht. Allerdings<br />
ist das tatsächliche durchschnittliche Einkommen pro<br />
Haushalt zwischen 1999 und 2004 um 30 Prozent zurückgegangen.<br />
Offiziellen Angaben zufolge gelten 31,6 Prozent der uruguayischen<br />
Bevölkerung und 56 Prozent der unter Fünfjährigen als arm.<br />
MDGs erreichbar<br />
Dennoch gehört Uruguay nach Einschätzung von Organisationen<br />
wie dem UNDP und der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika<br />
und die Karibik (CEPAL) zu den Staaten, die in der Lage sind,<br />
die 2000 bei den Vereinten Nationen verabschiedeten Millenniumsziele<br />
(MDGs) umzusetzen.<br />
Die MDGs sehen bis 2015 die Halbierung von Armut und Hunger<br />
vor, die Reduktion der Kindersterblichkeit, den Rückgang der Müttersterblichkeit,<br />
Grundschulbildung für alle, Gleichberechtigung unter<br />
anderem im Bildungssystem, Erfolge im Kampf gegen Killerkrankheiten<br />
wie HIV/Aids, die Sicherung ökologischer Nachhaltigkeit<br />
und den Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft zwischen<br />
den Ländern des Nordens und Südens. !<br />
Nützlicher Link:<br />
http://www.undp.org.uy<br />
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Guatemaltekinnen Opfer brutaler Morde<br />
Adrián Reyes<br />
Mexiko-Stadt, im Juni (<strong>IPS</strong>) – "Tod den Hündinnen, ich komme wieder", diese Botschaft hat der<br />
Mörder einer der 1.700 Guatemaltekinnen hinterlassen, die in den letzten fünf Jahren gewaltsam<br />
ums Leben kamen. Gewalt gegen Frauen ist zwar in vielen lateinamerikanischen Ländern ein<br />
Thema, doch nirgendwo in der Region ist der Hass gegen Frauen so manifest wie in dem zentralamerikanischen<br />
Land.<br />
Die grausamen Verstümmelungen, die den Opfern in vielen Fällen zugefügt wurden, haben Experten<br />
veranlasst, Parallelen zu den mehr als 350 Frauenmorden zu ziehen, die seit 1993 in der nordmexikanischen<br />
Stadt Ciudad Juárez begangen wurden. Doch nach Ansicht der Abgeordneten Alba Maldonado<br />
von der Nationalen Revolutionären Einheit Guatemalas (URNG) spricht die Brutalität der allein im letzten<br />
Jahr begangenen 527 Frauenmorde eine andere Sprache.<br />
Die Bestialität der Morde erinnerten an die Verbrechen des guatemaltekischen Bürgerkriegs von 1960<br />
bis 1996, betont die Abgeordnete. Auch damals seien viele Frauen im Zuge des Anti-Guerilla-Kampfes<br />
verstümmelt worden. So habe man Schwangeren die Bäuche aufgeschlitzt und Föten an Bäumen aufgehängt.<br />
Bürgerrechtsorganisationen wie das unabhängige Netzwerk Keine Gewalt gegen Frauen dokumentieren<br />
seit einigen Jahren eine Vielzahl von Fällen, die einen grenzenlosen Frauenhass belegen: Mädchen<br />
und Frauen wurde die Kehle durchgeschnitten, Fingernägel ausgerissen oder Schriftzüge wie "Rache",<br />
"Eine Hündin Weniger" oder "Das ist die Strafe, Hündin", in den Körper eingeritzt.<br />
Keine Hilfe vom Staat<br />
Wie Hilda Morales, eine Mitarbeiterin des Netzwerks, betont, erlebt Guatemala derzeit eine Kultur der<br />
Gewalt, die vor allem die Familien am Rande der Gesellschaft treffe. "Doch der Ruf nach einem Ende<br />
der Brutalität wird von der Regierung nicht gehört." Morales zufolge verhalten sich die Angehörigen der<br />
meisten Opfer aus Angst oder Hoffnungslosigkeit still.<br />
Die Gefangenenhilfsorganisation Amnesty International hat die Regierung von Staatspräsident Oscar<br />
Berger aufgefordert, die Frauenmorde zu untersuchen, ein effektives Vermisstensuchsystem aufzubauen,<br />
die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen, Präventivprogramme durchzuführen und die nationale<br />
Rechtsprechung an die internationalen Normen zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen anzupassen.<br />
Für die Abgeordnete Maldonado sind die Morde Ausdruck einer unterlassenen Vergangenheitsbewältigung.<br />
Nach Kriegsende seien zwar Tausende Kämpfer demobilisiert worden, Programme zu deren<br />
Wiedereingliederung in das zivile Leben aber habe es nicht gegeben, so die Politikerin. Auch die auf<br />
zwei Millionen geschätzten und aus der Zeit des Bürgerkriegs stammenden Kleinwaffen spielten einen<br />
wesentlichen Faktor für die hohe Verbrechensrate.<br />
Ende Juni wird in Guatemala ein Treffen guatemaltekischer, mexikanischer und spanischer Abgeordneter<br />
stattfinden, das den Aufbau eines gemeinsamen interparlamentarischen Netzes gegen Frauenmorde<br />
vorantreiben soll. Es sei höchste Zeit, so Maldonado, dass Staat und Gesellschaft angemessen<br />
auf die Frauenmorde reagierten. !<br />
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Rückschläge im Kampf gegen Drogenbarone<br />
Von Adrián Reyes<br />
Mexiko-Stadt, im Juni (<strong>IPS</strong>) - "Ich habe vor niemandem Angst<br />
und bin keinem etwas schuldig." Mit diesen Worten trat Alejandro<br />
Domínguez sein Amt als Polizeichef in Nuevo Laredo<br />
an der Grenze zwischen Mexiko und den USA an. Keine sechs<br />
Stunden später war er tot. Domíguez starb im Kugelgewitter<br />
aus automatischen Waffen, die unverkennbare Handschrift<br />
von Killern aus der Drogenszene.<br />
Die mexikanische Öffentlichkeit reagierte geschockt auf diesen<br />
erneuten Machtbeweis der Drogenkartelle, die in den letzten sechs<br />
Monaten für den Tod von fast 600 Menschen verantwortlich gemacht<br />
werden. Allein in Nuevo Laredo, eine etwa 500.000 Einwohner<br />
zählende Staat im Bundesstaat Tamaulipas gegenüber Laredo<br />
im US-Staat Texas gelegen, wurden in diesem Jahr 62 Menschen<br />
ermordet.<br />
Die eingesetzten Waffen, die meisten von Typ R-15 und AK-47,<br />
und die Art und Weise, wie die Verbrechen durchgeführt werden,<br />
lassen auf Täter aus Drogenkreisen schließen. In Angst und<br />
Schrecken versetzen sie nicht nur Nuevo Laredo, sondern auch<br />
Grenzstädte wie Culiacán, Mexicali und das für ihre Frauenmorde<br />
berüchtigte Ciudad Juárez.<br />
Fox startet Offensive<br />
Staatspräsident Vicente Fox hat auf die eskalierende Gewalt mit<br />
der Ankündigung einer Offensive gegen das organisierte Verbrechen<br />
reagiert. Soldaten und Mitarbeiter der Bundespolizei sollen in<br />
den acht Städten mit den höchsten Verbrechensraten für zusätzliche<br />
Sicherheit sorgen. Zudem haben die mexikanischen Behörden<br />
die USA ersucht, gegen den Waffenschmuggel vorzugehen, der<br />
die Arsenale der Drogenkartelle füllt.<br />
"Die Drogenbosse werden diese Schlacht nicht gewinnen", sagte<br />
der seit 2000 amtierende Staatschef, in dessen Amtszeit 46.040<br />
Personen wegen diverser Drogendelikte festgenommen wurden -<br />
15 Bosse, 70 Personen aus der zweiten Reihe, 256 Auftragsmörder<br />
und der Rest Drogenhändler.<br />
Ihr Tummelplatz ist die Grenzregion zu den USA, dem mit 14 Millionen<br />
Konsumenten größten Drogenmarkt der Welt, der zu über<br />
70 Prozent über die Grenze zu Mexiko versorgt wird. Nach Angaben<br />
der US-amerikanischen Drogenkontrollbehörde (DEA) operieren<br />
in Mexiko etwa 30 Schmugglerringe, die sich besonders heftig<br />
zu bekriegen scheinen, seit einige ihrer Anführer hinter Schloss<br />
und Riegel gebracht wurden. !!!<br />
- 23 -<br />
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"Wir brauchen eine gut koordinierte Operation und langfristige<br />
Strategien mit Wirkung über Amtszeit der gegenwärtigen Regierung<br />
hinaus", sagte Elena Morera von der nicht-staatlichen Gruppe<br />
'México Unido contra la Delincuencia'. Sie sieht die Gewalt längst<br />
außer Kontrolle und den Staat auf verlorenem Posten. Von den<br />
USA erwartet sie Unterstützung, nicht Forderungen. Im Januar und<br />
Mai hatte die US-amerikanische Botschaft Mexiko für den rasanten<br />
Anstieg der Gewaltverbrechen gerade in der Grenzregion massiv<br />
kritisiert und den Sicherheitskräften Versagen vorgeworden.<br />
Gefährliches Machtspiel<br />
Eingeschaltet in die Diskussion hat sich auch der Vorsitzende<br />
der mexikanischen Bischofskonferenz, Bischof Martín Rábago.<br />
Auch er fordert ein entschiedenes Vorgehen gegen die Drogenkartelle.<br />
Den Mord an Domínguez deutet er als Hinweis darauf, dass<br />
die Banden für sich das Recht in Anspruch nehmen, über die Besetzung<br />
hoher Polizeiämter zu entscheiden. "Wir akzeptieren nur,<br />
wen wir selbst ausgesucht haben", laute die Botschaft.<br />
Als Herausforderung an die Staatsgewalt sieht auch José Luis<br />
Santiago Vasconcelos, stellvertretender Generalstaatsanwalt und<br />
Chef des Sonderbüros für den Kampf gegen das organisierte<br />
Verbrechen, den Mord. Kolumbianische Verhältnisse aber kann er<br />
in Mexiko noch nicht erkennen. In Kolumbien, dem führenden Kokainproduzenten<br />
Lateinamerikas, spielen Drogenkartelle eine entscheidende<br />
Rolle in dem dort seit rund 40 Jahren tobenden Bürgerkrieg.<br />
Nach Einschätzung der mexikanischen Generalstaatsanwaltschaft<br />
hat im Dezember 2004 der Mord an Arturo Guzmán Loera<br />
im Hochsicherheitsgefängnis von La Palma in Zentralmexiko den<br />
Anstoß zum gegenwärtigen Krieg der Drogenbosse gegeben.<br />
Guzmán Loera war der Bruder von Joaquín 'El Chapo' Guzmán,<br />
Chef des Sinaloa-Kartells, dem 20 Tage nach der Amtsübernahme<br />
durch Fox die Flucht aus einem anderen Gefängnis gelungen ist.<br />
Die Polizei in Tamaulipas dagegen sieht die Initialzündung in der<br />
Verhaftung von Osiel Cárdenas, Chef des Golf-Kartells, im Jahre<br />
2003 und den Versuchen des Sinaloa-Kartells dessen Geschäfte<br />
und Schmuggelrouten zu übernehmen. Einräumen müssen die<br />
Behörden, dass das Golf-Kartell seine Stärke nicht zuletzt übergelaufenen<br />
Deserteuren verdankt, die zu einem Elitebataillon gehörten,<br />
das in Tamaulipas gegen die Drogenkriminalität vorgehen sollte.<br />
!<br />
Nützlicher Link:<br />
http://www.mexicounido.org<br />
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Redaktionsschluss: <strong>24</strong>. Juni 2005<br />
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