Rote Liste der gefährdeten Arten der Schweiz: Grosspilze - Bafu - CH
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5 > Interpretation und Diskussion <strong>der</strong> <strong>Rote</strong>n <strong>Liste</strong> 57<br />
Qualitätsän<strong>der</strong>ungen finden aber auch im Wald statt. Durch die Luftverschmutzung<br />
gelangen Stickstoffverbindungen in Waldböden und führen dort zu einer unkontrollierten<br />
und ungewollten Düngung. Auf Stickstoffdepositionen reagieren insbeson<strong>der</strong>e<br />
Mykorrhizapilze sehr empfindlich. Hierzu gibt es Feldbeobachtungen (Boujon 1997)<br />
wie experimentelle Beweise (Peter et al. 2001) aus <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>.<br />
Viele Pilzarten bauen Totholz ab. Als liegendes Totholz gelten Stämme, Stammstücke,<br />
Äste und an<strong>der</strong>e Holzteile, die sich am Boden befinden. Zum stehenden Totholz zählen<br />
tote Bäume und tote Äste an lebenden Bäumen. Obwohl die Waldfläche sich in den<br />
letzten 100 Jahren nicht verringert hat, son<strong>der</strong>n im Gegenteil etwas zugenommen hat,<br />
ist <strong>der</strong> Totholzanteil im Wald in vielen Teilen <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> gering (Bütler et al. 2005).<br />
Insbeson<strong>der</strong>e fehlt grobes Totholz von Laubbäumen im Vergleich zu naturnahen<br />
Bedingungen als Folge jahrzehntelanger intensiver forstlicher Nutzung. Unter den<br />
gefährdeten <strong>Arten</strong> finden sich somit mehrere holzbewohnende Pilze von liegenden<br />
Laubholzstämmen wie beispielsweise <strong>der</strong> Igel-Stachelbart (Hericium erinaceum).<br />
Zahlreiche Pilzarten sind an alte Waldbestände gebunden und zumindest für gewisse<br />
Pilzgruppen wie die Schleierlinge (Cortinarius spp.) zeigt sich eine grössere <strong>Arten</strong>vielfalt<br />
erst in forstwirtschaftlich überalterten Beständen (Senn-Irlet et al. 2003). Aus<br />
ökologischer Perspektive fehlen Altbestände in <strong>Schweiz</strong>er Wäl<strong>der</strong>n weitgehend und<br />
nehmen, ausser in den Alpen, nur einen verschwindend geringen Anteil <strong>der</strong> Waldfläche<br />
(Bütler et al. 2005) ein. Im Mittelland ist das Fehlen von Beständen älter als 100 Jahre<br />
beson<strong>der</strong>s gering und hat entsprechend kleine Populationen von an solche Bestände<br />
gebundenen Pilzen zu Folge.<br />
In einer stark fragmentierten Landschaft können sich Pilzsporen nicht so schnell etablieren<br />
wie in grösseren Landschaftseinheiten. Obwohl Pilzsporen <strong>der</strong> meisten <strong>Grosspilze</strong><br />
windverbreitet sind und somit Fernflug möglich ist, zeigen sowohl räumliche Analysen<br />
zum <strong>Arten</strong>reichtum (Küffer & Senn-Irlet 2005) wie zahlreiche molekulargenetische<br />
Populationsstudien, dass <strong>der</strong> Genaustausch auf kleinem Raum stattfindet.<br />
Für eine erfolgreiche Etablierung einer Spore ist somit die Anwesenheit <strong>der</strong> Art in<br />
näherer Umgebung von grossem Vorteil. Fragmentierte, kleine Wäldchen finden sich<br />
insbeson<strong>der</strong>e im Mittelland.<br />
Moore weisen eine sehr spezielle Pilzflora auf. In Hochmoorvegetation findet sich<br />
insbeson<strong>der</strong>e eine artenarme aber hochspezialisierte Gruppe von Lamellenpilzen.<br />
Bereits durch die insgesamt geringe potentielle Populationsgrösse und zusätzlich durch<br />
offensichtliche Verluste an Standorten in den letzten 50 Jahren o<strong>der</strong> bis heute andauernden<br />
Standortsverän<strong>der</strong>ungen (Austrocknung, Eutrophierung) sind einige <strong>Arten</strong><br />
verschwunden o<strong>der</strong> stark bedroht.<br />
Als weitere Gefährdungsursache insbeson<strong>der</strong>e für Speisepilze wurde lange Zeit das<br />
intensive Pflücken und damit das Entfernen <strong>der</strong> Pilzfruchtkörper vermutet. Langjährige,<br />
intensive Untersuchungen im Pilzreservat La Chanéaz/FR zeigen aber, dass selbst<br />
nach 29 Jahren kein statistisch signifikanter Einfluss des Pflückens auf die <strong>Arten</strong>vielfalt<br />
und die Fruchtkörpermenge in diesem stabilen, ungestörten Wald nachgewiesen<br />
werden kann (Egli et al. 2006).<br />
Fehlendes Totholz<br />
Altholz<br />
Fragmentierte Landschaft<br />
Moore<br />
Pflücken