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Forum Nr. 35.2 - Gymnasium Altenholz

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FORUM 35 IRRLICHTER 63<br />

Bis ans Ende der Welt<br />

Von Samira SALEH, 11e<br />

23000 Kilometer liegt der Ort von<br />

Deutschland entfernt, der für ein halbes<br />

Jahr mein neues zu Hause darstellen sollte:<br />

NEUSEELAND. Das jüngste Land der<br />

Erde und doch scheint es, als läge es schon<br />

immer zwischen der pazifischen und australischen<br />

Kontinentalplatte.<br />

Heute ist Neuseeland nicht mehr nur ein<br />

Land für mich. Es ist ein Abschnitt meines<br />

Lebens, eine Zeit, in der ich meine ganz<br />

eigenen Erfahrungen und Eindrücke gesammelt<br />

habe. Ganz ohne meine Familie,<br />

die einem das Leben unbewusst erleichtern,<br />

altbekannte Freunde, die einem auch<br />

in schweren Zeiten bei Seite stehen, und<br />

ohne eine Sprache, der man voll und ganz<br />

mächtig ist, habe ich mich auf die Reise<br />

meines ganz eigenen Abenteuers gemacht.<br />

Anders ausgedrückt: ich bin nur mit meinem<br />

Reisepass und einem 20 kg schweren<br />

Koffer mit dem notwendigsten Hab und<br />

Gut in ein 32 Stunden entferntes Land geflogen,<br />

dessen Kultur und Mentalität mir<br />

völlig fremd waren.<br />

Dies wird mir leider, oder besser gesagt,<br />

zum Glück erst richtig bewusst, als ich im<br />

zweiten Flugzeug von Frankfurt Richtung<br />

Singapur sitze. Selbst bei dem härtesten<br />

Kerl wird nun hinter der ganzen Vorfreude<br />

auf die zu erwartende grenzenlose Freiheit<br />

ein Schimmer von Misstrauen sichtbar.<br />

Ist das wirklich eine so gute Idee Warum<br />

mache ich das überhaupt Mir geht es<br />

doch gut zu Hause; ich habe eine tolle Familie<br />

und super Freunde. Warum muss ich<br />

es für mich denn unnötig kompliziert machen<br />

Und schon steht man vor einem riesigen<br />

Loch voller Ungewissheit, Fragen und<br />

Zweifel.<br />

Doch ich glaube, das ist normal und es<br />

wäre merkwürdig, wäre dies nicht so.<br />

Doch als mir auf dem Flughafen von Tauranga<br />

meine braungebrannte Gastschwester<br />

vor Freude um den Hals fällt, mein<br />

Gastvater mein Gepäck abnimmt und<br />

mein Gastbruder sich über meinen einzigen<br />

Koffer lustig macht, wird mir schnell<br />

klar: die Leute, bei denen ich gelandet bin,<br />

haben Humor und sind super sympathisch.<br />

In diesem Moment fällt mir der vermeintlich<br />

größte Stein vom Herzen und ich sehe<br />

meinem Aufenthalt in Neuseeland vollkommen<br />

positiv entgegen.<br />

Schnell fällt mir auf, dass nicht nur meine<br />

Gastfamilie super freundlich ist, mir<br />

scheint, als würde die ganze Bevölkerung<br />

Neuseelands nur so vor Lebensfreude<br />

protzen. Schüchternheit, das Gefühl, „das<br />

macht man doch nicht“ oder „wie peinlich<br />

“, scheinen ihnen fremd zu sein. Denn<br />

unter den Kiwis, wie sich liebevoll die<br />

Neuseeländer nach ihrem Landestier<br />

selbst bezeichnen, sind alle Freunde, und<br />

Angst vor fremden Dingen ist ihnen unbekannt.<br />

Ganz im Gegenteil: Sie sind so interessiert,<br />

dass sie einen mit ihren Fragen<br />

förmlich durchlöchern. Und so kommt es,<br />

dass ich schon nach einigen Tagen<br />

„Sweetheart” und „Darling” genannt<br />

werde.<br />

Die Kiwis sind ein sehr lockeres und lebenslustiges<br />

Volk. Dass der Busfahrer<br />

beim Verlassen des Busses verabschiedet<br />

wird, auch wenn man dafür durch den ganzen<br />

Bus schreien muss, ist gar keine Frage,<br />

und auch wenn ein Café-Besucher seinen<br />

eigenen Regenschirm verschenkt, da dieser<br />

sieht, dass man sich nicht mit Regenjacke<br />

oder ähnlichem vor dem draußen<br />

wütenden Regen schützen kann, scheint<br />

keine große Tat.<br />

Doch trotzdem gibt es auch Seiten in Neuseeland,<br />

die viel strenger gehandhabt werden<br />

als bei uns, wie zum Beispiel das<br />

Auftreten in der Schule. Dass ein Schüler<br />

auf Grund seiner nicht korrekten Schuluniform<br />

nach Hause geschickt wird, kann<br />

nicht ausgeschlossen werden. Auch ist es<br />

eine Selbstverständlichkeit, dass die Schüler<br />

sich erheben, sobald der Schuldirektor<br />

einen Raum betritt. Trotz des Widerspruches<br />

in sich, ist die Beziehung zwischen<br />

Schüler und Lehrer intensiver, als man es<br />

bei uns gewohnt ist und so kann man ab<br />

und zu beobachten, wie Lehrer und Schüler<br />

gemeinsam in den Pausen anspruchsvolle<br />

Choreographien aus Rapp und<br />

Breakdance vorführen, oder ein Lehrer<br />

seinen eigenen Schüler nach Hause fährt,<br />

da er diesen an einer Bushaltestelle hat stehen<br />

sehen.<br />

Das ist natürlich nur ein kleiner Teil von<br />

den Eindrücken, die ich aus Neuseeland<br />

mitgenommen habe. Trotzdem kann ich<br />

sagen, dass die Kiwis im Vergleich zu uns<br />

viel bewusster und intensiver ihr Leben<br />

leben. Sie sehen „das Spaß haben” und<br />

„das Genießen” des Lebens im Vordergrund.<br />

Sie arbeiten, um zu leben und leben<br />

nicht, um zu arbeiten, wie man es leider<br />

immer häufiger bei uns sieht.<br />

Allen, die die Möglichkeit haben, einen<br />

Auslandsaufenthalt in Neuseeland zu verbringen,<br />

möchte ich dringend dazu raten.<br />

Denn glaubt mir: Trotz der Überwindung,<br />

alles zurück zu lassen, was euch lieb ist,<br />

ihr bekommt mehr als das Doppelte zurück.<br />

Denn dieses Land besitzt so viele<br />

Schätze, die ich jedem gönne, zu erkunden.<br />

Wagt den Schritt und lernt eine Kultur<br />

kennen, die so freundlich ist und es<br />

schafft, mit der Natur und so vielen verschiedenen<br />

Kulturen ein harmonisches<br />

Gleichgewicht zu bilden.<br />

Und falls ihr den Schritt durch die Passkontrolle<br />

doch nicht schaffen solltet, denkt<br />

daran, ich hatte an diesem Punkt genau<br />

den gleichen Zweifel. Ansonsten nehme<br />

ich eure Boarding card gerne entgegen.<br />

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