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GL 2/2013 - der Lorber-Gesellschaft eV

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Eine Mahn- und Warnpredigt<br />

Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />

Der Unterschied zwischen dem äußeren<br />

und inneren Menschen<br />

Gott kann nicht außerhalb seiner selbst gefunden werden<br />

Die Erfüllung göttlicher Verheißungen<br />

Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

Der Sinn des Lebens<br />

Liebe als Weg zur Vollendung<br />

Von <strong>der</strong> Liebe verlassen


INHALT<br />

Theresia von Avila Suche Gott in dir S. 2<br />

Klaus W. Kardelke Editorial S. 3<br />

O.M.D. Eine Mahn- und Warnpredigt (Schluss) S. 5<br />

Klaus Kardelke Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz (Schluss) S. 13<br />

Heinrich Seuse Jesus, unser Vorbild S. 26<br />

Miguel de Molinos Der Unterschied zwischen dem äußeren... S. 27<br />

Madame Guyon Gott kann nicht außerhalb seiner selbst gesucht... S. 30<br />

Jakob <strong>Lorber</strong> Die Erfüllung göttlicher Verheißung S. 32<br />

Neue Kirche Biblische Bil<strong>der</strong> - Ölbäume, Weinstöcke ... S. 35<br />

Johannes Gommel Friede mit Gott S. 41<br />

Hans Sterne<strong>der</strong> Der Sinn des Lebens S. 42<br />

Jakob <strong>Lorber</strong> Die Liebe als Weg zur Vollendung S. 44<br />

K.O. Schmidt Von <strong>der</strong> Liebe verlassen S. 46<br />

Herzintelligenz Die Intelligenz des Gefühls S. 49<br />

Weisheitsgeschichten Das Bethaus mit den zwei Wahrzeichen S. 52<br />

Der Sterntaler S. 52<br />

Die Rettung S. 53<br />

Jakob <strong>Lorber</strong> Göttlicher Gesundheitsrat S. 54<br />

Mit Namen des Verfassers versehene Beiträge müssen nicht mit <strong>der</strong> Auffassung <strong>der</strong><br />

Schriftleitung übereinstimmen.<br />

Die Zeitschrift erscheint viermal jährlich auf freiwilliger Spendenbasis.<br />

Beiträge richten Sie bitte an die Schriftleitung.<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V.<br />

Verwaltungsanschrift: Postfach 114<br />

83731 Hausham / Deutschland<br />

Tel.: 08026-8624 / Fax: 08026-3294<br />

E-Mail-Anschrift:<br />

<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong>@web.de<br />

Internet-Seite:<br />

www.<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong>.de<br />

Schriftleitung:<br />

Klaus W. Kardelke<br />

Redaktion:<br />

Angelika Penkin<br />

SPENDENKONTEN<br />

Baden-Württemb. Bank AG Bietigheim-Bissingen<br />

Kto.: 7818500173 BLZ: 60050101<br />

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Kreisspark. Miesbach/Tegernsee Kto. 430 203 240 BLZ 711 525 70<br />

Creditanstalt Bankv. Graz (A) Kto 01873 312 101 BLZ 12 000<br />

Postscheckkonto Basel (CH) Kto. 80-50414-3


- Zeitschrift im Geiste christlicher Mystik -<br />

Jahrgang 33 <strong>2013</strong> Heft 2<br />

„Ein Herz voll Liebe aber ist <strong>der</strong> Gott, dem Herrn in<br />

Christo, allein wohlgefällige lebendige Tempel und ist<br />

Ihm lieber denn eine Welt voll salomonischer, die alle<br />

tot sind, während das Herz lebendig ist und kann Gott<br />

und alle Brü<strong>der</strong> lieben! Also erbauet von neuem<br />

diesen Tempel in euch geistlich, und opfert allezeit im<br />

selben dem Herrn lebendig!“<br />

(Laodizeabrief 3,17)


2 Suche Gott in dir selbst<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

Suche Gott in dir selbst<br />

Theresia von Avila<br />

Seele, suche dich in mir,<br />

Such' mich nirgends als in dir!<br />

1. Meines Geistes Liebe schuf,<br />

Seele, dich nach meinem Bilde;<br />

Keines Malers beste Kunst,<br />

Größte Liebe, höchstes Sinnen<br />

Brächt' dies Bild so hehr zusammen.<br />

2. Liebe rief ins Dasein dich;<br />

Bist geschmückt mit Reiz und Schönheit,<br />

Die mich selber ganz entzückt.<br />

Sollst, Geliebte, dich verlieren,<br />

Such' dich nirgends als in mir!<br />

3. Dort wirst finden klar und treu<br />

Dich als Abbild meines Wesens,<br />

Lebenswahr dir eingeprägt;<br />

Und mit seligstem Frohlocken<br />

Schaust in mir dein hehres Bild.<br />

4. Weißt du nicht, wo ein und aus,<br />

Wo mag <strong>der</strong> Geliebte weilen<br />

Irre nicht nach dort, nach hier!<br />

Wenn du ehrlich mich begehrst,<br />

Such mich nirgends als in dir!<br />

5. Denn du bist mein Brautgemach,<br />

Bist mein Haus und meine Kammer,<br />

Dran ich klopf' zu je<strong>der</strong> Stund',<br />

Wenn in deinem Sinnen, Denken<br />

Ich die Tür verschlossen find'.<br />

6. Such mich nicht in weiter Ferne,<br />

Da ich dir doch allzeit nahe!<br />

Mir genügt dein Sehnsuchtsruf,<br />

Und schon hast du mich gefunden.<br />

Such mich nirgends als in dir!


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Editorial<br />

3<br />

Editorial<br />

Im aufblühenden, grünenden Frühling werden wir<br />

gewahr, wie Gott die Schöpfung segnet und mit Leben<br />

erfüllt. Damit will Er uns anregen, auch auf unser eigenes<br />

Leben zu schauen und Seine Segnungen darin zu entdecken.<br />

Halten wir doch einmal inne und sehen nicht auf die<br />

Probleme und Schwierigkeiten, mit denen wir es tagtäglich<br />

zu tun bekommen, son<strong>der</strong>n halten Ausschau nach den<br />

täglichen Segnungen des Herrn in unserem Leben und<br />

Klaus W. Kardelke<br />

Geschäftsführen<strong>der</strong><br />

Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong><br />

erwecken dafür ein Gefühl <strong>der</strong> Dankbarkeit und Freude in unserem<br />

Herzen.<br />

Welche göttlichen Segnungen und Gaben entdeckst du nun in deinem<br />

gegenwärtigen Leben Schau hin und sei aufmerksam und du wirst dich in<br />

einem göttlichen Segensstrom wie<strong>der</strong>finden.<br />

Erachten wir nicht allzu oft alles als selbstverständlich und wollen nicht<br />

den Segen Gottes in unserem Leben wahrnehmen. Lernen wir doch wie<strong>der</strong><br />

einmal mehr nach dem Ausschau zu halten, was Gott uns tagtäglich an<br />

Segensgaben bereitet hat, so werden wir auch dankbarer werden, selbst für<br />

die kleinsten Dinge, in denen wir Seine Hand erkennen.<br />

Seien wir also nicht undankbar für die täglichen Segnungen des<br />

Himmels in unserem Leben. Denn nur durch eine wahre Dankbarkeit des<br />

Herzens treten diese Segnungen erst bewusst vor unser Auge.<br />

Gottes Verheißung an Abraham: „Ich will dich segnen und du sollst ein<br />

Segen sein.“ (1. Mose 12,2), gilt für uns auch heute noch.<br />

Allzu oft nehmen wir Gottes Segnungen in unserem Leben gar nicht<br />

wahr, weil wir nach diesen nicht ausschauen, son<strong>der</strong>n meist nur unsere<br />

Probleme und Nöte im Auge haben.<br />

So mögen wir dann mit Jakob in unserem Herzen schreien: Herr, „ich<br />

lasse dich nicht, du segnest mich denn“ (1. Mos. 32,27), bis wir dann aus<br />

unserer Blindheit erwachen und Seinen Segen endlich über uns erkennen<br />

dürfen.<br />

Suchen wir also immer wie<strong>der</strong> die Nähe des Herrn auf, im Gebet, in <strong>der</strong><br />

Stille und in <strong>der</strong> Tat nach Seiner Lehre, denn nur „wo Ich bin, da ist auch<br />

schon <strong>der</strong> Segen mit Mir“ spricht <strong>der</strong> Herr, „eines mehreren aber bedarf<br />

es da wohl nicht!“ (GEJ 6.180.2), denn an Gottes Segen ist alles gelegen.<br />

Nur wenn wir in <strong>der</strong> ständigen Gegenwart Gottes verbleiben und Ihn<br />

immer mehr lieben lernen, können wir den Segnungen Gottes teilhaftig<br />

werden. Denn die Segnungen <strong>der</strong> Sonne können wir nur genießen, wenn<br />

wir uns in ihre Strahlen begeben. So auch kann <strong>der</strong> Segen Gottes uns nur


4 Editorial<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

zuteil werden, wenn wir in eine liebende Beziehung zu Ihm treten. Erst<br />

dann kann sein Segen, sein Geist, Zugang zu uns finden und in unserem<br />

Leben ersichtlich werden.<br />

„Bleibet daher allein bei <strong>der</strong> Liebe, so wird euch stets die Fülle Meiner<br />

Segnungen werden; werdet ihr aber nicht allein nur an die Liebe euch<br />

halten, so werden dann Meine Segnungen auch sein gleich eurer Liebe!<br />

(HGt 2.169.10)<br />

Seien wir uns also als Kin<strong>der</strong> Gottes bewusst, dass unser himmlischer<br />

Vater Seine Kin<strong>der</strong> von Herzen liebt und somit auch segnet. Lernen wir<br />

Seine Segnungen in unserem täglichen Leben mit Dankbarkeit<br />

wertzuschätzen und nicht als selbstverständlich hinzunehmen, dann wird<br />

Er uns Seinen Segen auch vermehrt zuteil werden lassen.<br />

Denn so wie <strong>der</strong> Herr schon zu Henoch sprach, möchte er dann auch zu<br />

uns sprechen: „Komme her an meine Vaterbrust, und lasse dich lieben und<br />

segnen im Überflusse, auf das dein Segen reiche bis ans Ende aller<br />

Zeiten!“ (HGt Bd.1, 50,4)<br />

Wenn wir uns von Gott geliebt und gesegnet fühlen, sind auch wir in<br />

<strong>der</strong> Lage, Liebe und Segen in Seinem Namen weiterzureichen, denn dann<br />

ist es <strong>der</strong> Herr in uns und durch uns, <strong>der</strong> segnet.<br />

Im Alten Testament finden wir dafür den Segensspruch: „Der HERR<br />

segne dich und behüte dich! Der HERR lasse sein Angesicht scheinen über<br />

dir und sei dir gnädig! Der HERR erhebe sein Angesicht auf dich und gebe<br />

dir Frieden!“ (4. Mose 6,24)<br />

Und die Jünger Jesu begrüßten sich mit dem Segen: „Der Friede des<br />

Herrn sei mit dir!“ und in <strong>der</strong> Neuoffenbarung finden wir den<br />

Segensspruch: „Jesus, <strong>der</strong> Herr, wolle dir helfen! Er stärke dich, Er heile<br />

dich durch Seine Gnade, Liebe und Erbarmung!“<br />

Segnen ist ein einfacher Weg, <strong>der</strong> uns in Gottes Gegenwart führt. Es<br />

hilft uns unsere Liebe zu erwecken und wachsen zu lassen und verhin<strong>der</strong>t<br />

dadurch, dass wir über an<strong>der</strong>e und auch über uns selbst urteilen.<br />

Ersetzen wir also unsere urteilenden Gedanken immer mehr durch<br />

einen vom Herzen kommenden Segen, so werden wir am meisten dadurch<br />

gewinnen, denn indem wir Liebe weitergeben, wird diese letztendlich zu<br />

uns zurückkehren.<br />

Und wenn unsere Segensworte durch das Gefühl <strong>der</strong> Liebe des<br />

erweckten Geistes Gottes in unserem Herzen belebt werden, werden sie<br />

ihre segensvolle Wirkung voll entfalten können.<br />

„Möge Gott uns gnädig sein und uns segnen.“ (Psalm 67,2), damit auch<br />

wir zum Segen werden.<br />

Euer Klaus Kardelke


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Eine Mahn– und Warnpredigt<br />

5<br />

Eine Mahn - und Warnpredigt<br />

des Herrn, unseres Gottes, Schöpfers und Vaters an Seine Kin<strong>der</strong><br />

(Schluss)<br />

Und nun höret weiter Mich an und fasst es mit eurem Herzen in aller<br />

Tiefe und lasst euren Verstand als Prüfstein gelten!<br />

Ich habe Meiner Weisheit zufolge in den Menschen alle Mir voll<br />

entsprechenden Fähigkeiten, Eigenschaften und Kräfte anlagemäßig und<br />

somit unvollendet hineingelegt, auf dass er selbst <strong>der</strong> Schöpfer seiner<br />

eigenen inneren Lebensvollendung und damit ein sich selbst<br />

bestimmendes, seiner selbst bewusstes, erkennendes und frei aus sich<br />

handelndes Wesen sei, das einer stets steigenden Vervollkommnung fähig<br />

und dadurch seinem Herrn und Schöpfer stets ähnlicher werde: Der<br />

Mensch muss darum, um dies zu erreichen, Mein Wort, in welchem Ich<br />

ihm Meinen Willen offenbare, freudigen und dankbaren Herzens in sich<br />

aufnehmen und dann aber auch nach ihm tätig sein! - Hätte ich des<br />

Menschen Seele von Anbeginn sogleich vollendet erschaffen, so wäre ihm<br />

je<strong>der</strong> Anreiz genommen worden, seine Kräfte zu üben in naturmäßiger und<br />

geistiger Art. Er würde nur in seiner Gedanken- und Ideenwelt schwelgen,<br />

ohne diese realisieren zu wollen, und schließlich sie zu keiner an<strong>der</strong>en<br />

Tätigkeit bewegen, als seinen Hunger zu stillen und für Kleidung zu<br />

sorgen.<br />

Dies zur Notiz für nörgelnde Wissenschaftler, die sich in übelster<br />

Weise bezüglich <strong>der</strong> Erschaffung des Menschen ausgesprochen haben!<br />

Alles sichtbare und eurem Leibesauge unsichtbare Sein, alle<br />

Schöpfungsräume in Meinem unendlichen Weltall mit seinen zahllosen<br />

bewohnten Gestirnen habe Ich nur <strong>der</strong> Menschen wegen geschaffen, die<br />

einst als vollkommene Kin<strong>der</strong> die Herrlichkeiten und Freuden ihres Vaters<br />

und Schöpfers mit genießen sollen! Ich habe durch Meine Weisheit Meine<br />

gesamte Schöpfung von Urbeginn, wie dies nochmals betont sei, auf das<br />

Allervollkommenste aufgebaut, so dass sie für ewighin keiner<br />

Abän<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> Verbesserungen bedarf; auch dann nicht, wenn durch<br />

die Bösartigkeit Meiner Geschöpfe gar oft die feste Grundordnung gestört<br />

wird, und dadurch Folgezustände sich ergeben, welche sich schmerzlich<br />

für Störenfriede selbst auswirken und im All zuweilen einen chaotischen<br />

Zustand erzeugen. In Meine Schöpfungsordnung mussten jedoch auch zur<br />

Vervollkommnung und geistigen Bewusstwerdung Meiner Kin<strong>der</strong> Lehren<br />

und Gebote aufgenommen werden, durch <strong>der</strong>en Befolgung <strong>der</strong> Weg in<br />

Mein Vaterhaus nur ein kurzer ist.<br />

Wenn jedoch die Menschenkin<strong>der</strong> zufolge ihres ihnen von Mir


6 Eine Mahn– und Warnpredigt<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

gegebenen freien Willens, <strong>der</strong> inneren Stimme nicht achtend und wohl<br />

wissend, was gut und böse ist, aus dieser Meiner Ordnung heraustreten und<br />

Meinen Geboten zuwi<strong>der</strong>handeln, so verlängern sie sich selbst den Weg zu<br />

Mir. Und da das Leben in Meiner Schöpfung auf vollste Harmonie<br />

zwischen Schöpfer und Geschöpf gegründet ist, ein eigensüchtiges und<br />

eigenwilliges Leben außer Mir aber keinen Bestand haben kann, son<strong>der</strong>n<br />

sich zuletzt selbst verzehren müsste, so geht daraus auf das Unerbittlichste<br />

hervor, dass alles Geschöpfliche sowohl dieser Erde wie auch aller <strong>der</strong><br />

Milliarden Sonnen, Planeten und <strong>der</strong>en Trabanten, welche sich Meinen<br />

ihrem Wesen angepassten Lehren und Ordnungen, die ihnen durch Meine<br />

zahllosen Weisen und Lehrer allüberall verkündet werden, entgegenstellen,<br />

schließlich doch auf großen, schmerzlichen und leidvollen Umwegen, die<br />

oft Ewigkeiten dauern, in diese Meine Ordnung zurückkehren muss, weil<br />

es aus Meinem Geiste hervorging und somit göttlichen Ursprungs ist! -<br />

Doch kann es geschehen, dass grundböse Seelen sich in ihrem<br />

selbstgewollten Lebenszustande noch langehin gefallen und daher immer<br />

tiefer sowohl in ihrer inneren wie auch ihrer Erscheinlichkeitswelt, die<br />

keine Realität und daher auch keinen dauernden Bestand hat, herabsinken.<br />

Desto mächtiger und lauter erhebt aber ihr innerster Geist, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong><br />

Seele zur Tiefe gehen muss, seine anklagende und warnende Stimme und<br />

beunruhigt und martert die Seele gleichfort. Dazu ist ihr Grundböses noch<br />

<strong>der</strong> nagende Wurm, <strong>der</strong> nicht stirbt, und <strong>der</strong> Zorn in ihr das lo<strong>der</strong>nde<br />

Feuer, das nicht erlischt, bis solche Seele, auf <strong>der</strong> tiefsten Talsohle ihrer<br />

eigenen Hölle angelangt, sich schließlich doch zur Umkehr anschickt. Ein<br />

Ruf um Hilfe genügt hier schon Meinen dienenden Engelsgeistern, um<br />

solcher Seele sogleich sich zu nähern und ihr den rettenden Ausweg zu<br />

zeigen, bevor es zu spät ist! Erhebt sie diesen Hilferuf nicht und erträgt sie<br />

zufolge ihrer Totalverhärtung lieber trotzig auf lange hin alle auf sie<br />

einstürmenden Höllenqualen, was in allerseltensten Fällen vorkommen<br />

kann, dann verlässt ihr innerster Geist die Seele auf ewig, <strong>der</strong>en Einzelteile<br />

lösen sich auf, werden von den ihnen verwandten Seelenlebensteilchen<br />

und -kräften <strong>der</strong> Naturreiche, aus denen auch sie einst mittelbar<br />

hervorgingen, nach Meinem Willen angezogen, was dann auch den Verlust<br />

<strong>der</strong> Persönlichkeit bedeutet, und das ist dann <strong>der</strong> zweite o<strong>der</strong> eigentliche<br />

Tod <strong>der</strong> Seele. Doch die nun zerteilten Spezifikalpotenzen entwickeln sich<br />

durch tausendfältigen Tod ihrer Formen hindurch zu immer höheren<br />

Lebensformen, bis dieselben, allezeit aufs Weiseste durch Führer- und<br />

Aufsichtsgeister geleitet, in die höchste Lebensform, die des Menschen,<br />

aufs Neue übergehen, bzw. in eine solche zusammengeschlossen werden.<br />

Denn alles Seelische in <strong>der</strong> Materie drängt zur Vergeistigung, und kein


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Eine Mahn– und Warnpredigt<br />

7<br />

Sonnenstäubchen; keine Staubmilbe existiert, <strong>der</strong>en Bestimmung nicht von<br />

Mir aus feststände!<br />

Dieses euch Fassbare möge genügen. Lernet daraus!<br />

In Meine unermesslichen und ewig unerforschlichen Weisheitstiefen<br />

kann kein höchster Engelsgeist, geschweige ein Sterblicher dieser Erde<br />

eindringen, dieselben auch nimmer erfassen, da ihm diese we<strong>der</strong><br />

entsprechungsbildlich veranschaulicht, noch durch Gleichnisse die nötigen<br />

Begriffe vermittelt werden können. Aus dem Gesagten geht hervor, dass<br />

ein Mensch ohne Gott nicht leben kann, wenn er sich es auch viele Male<br />

einredet. Er kann nur eine gewisse Zeit in seiner Bosheit gegen Gott<br />

eingestellt sein, weil es im gesamten Weltall außer Gott nichts gibt,<br />

son<strong>der</strong>n alles in Gott sich befindet! Und dann wird <strong>der</strong> Mensch auch<br />

erkennen, dass er mit seinem Verstande, und sei er noch so scharf,<br />

Geistiges und Göttliches nicht fassen kann, son<strong>der</strong>n nur mit dem Herzen,<br />

sobald es von allem Unflate <strong>der</strong> Welt gereinigt ist!<br />

In Meinen geistigen Welten befinden sich gar trefflich eingerichtete<br />

Schulhäuser, wo selbst Meine abtrünnigen Kin<strong>der</strong> zu einer rechten<br />

Vollreife gebracht und Mir einst wertvolle Helfer und Werkzeuge, sowie<br />

Mit-Erlöser künftiger Geschlechter, auch solcher in fernsten Welten,<br />

werden können. Denn die Ewigkeit kennt keine Zeit, die als eine<br />

Erscheinlichkeit um sich her alles verzehrt und vergehen macht, während<br />

die Ewigkeit nichts vergehen lässt, und Milliarden eurer Erdenjahre sind<br />

vor Mir kaum ein flüchtiger Augenblick in Meiner ewigen Gegenwart.<br />

Wenn sich die Dinge aber also verhalten, ist da nicht <strong>der</strong> ein Tor, <strong>der</strong><br />

Mir in seinem Hochmute, seiner Eigenliebe und seinem Starrsinn noch<br />

weiterhin trotzen und eigene Wege wandeln will O, Meine törichten<br />

Kin<strong>der</strong>! Könntet ihr die unzähligen Tränen <strong>der</strong> Reue sehen und die bitteren<br />

Selbstvorwürfe jener hören, die von <strong>der</strong> Erde scheiden, nachdem sie ein<br />

Leben nach ihrem eigenen Wollen führten und Meiner gänzlich vergaßen!<br />

Und könntet ihr, einen Vorgeschmack Meiner Herrlichkeiten auch nur<br />

sekundenlang genießen, die Meinen vollwahren Kin<strong>der</strong>n und geistig<br />

Wie<strong>der</strong>geborenen bereitet sind, ihr würdet ungesäumt und voller Reue in<br />

Meine heilige Lebensordnung zurückkehren!<br />

Den wahrheitssuchenden Weltgelehrten und ihrem Anhang sei gesagt:<br />

Ich bin <strong>der</strong> Schöpfer und Vater aller Menschen, die alle aus Mir einst<br />

hervorgingen und künftig noch aus Meiner Liebe Schoß hervorgehen<br />

werden! Ich gebe Meine Herrlichkeit keinem an<strong>der</strong>en! Dem Geiste nach<br />

bin Ich ewig und unendlich. Alles entsteht und besteht aus Mir! Alles ist in<br />

Mir! Alles ist aus <strong>der</strong> ewig endlosesten Fülle Meiner Gedanken und Ideen:<br />

Vom Kleinsten bis zum Größten! Ich bin daher im Grunde des Grundes


8 Eine Mahn– und Warnpredigt<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

alles, was die Unendlichkeit umfasst! Ich bin ein persönlicher,<br />

wesenhafter, für die wahren Kin<strong>der</strong> Meiner Liebe auch ein schaubarer<br />

Gott, mit dem sie sich besprechen können wie mit einem Bru<strong>der</strong>! Ich bin<br />

allein <strong>der</strong> reinste Grundgeist aller Geistwesen und als solcher denn auch<br />

<strong>der</strong> Grundstoff und das ewige Urelement aller Urelemente - Meine<br />

Gottheit geht hervor aus Meiner Liebe, und die Unendlichkeit ist Mein<br />

Wesen und wird erzeugt und erhalten durch Meine Willensmacht!<br />

Da Ich also in Meinem Wesen unendlich bin, so kann sich außer Mir<br />

nichts befinden! Zwar sind Meine Geschöpfe in dem zugelassenen Zustand<br />

<strong>der</strong> Selbständigkeit wie außer Mir, im Grunde aber sind sie dennoch in<br />

Mir! Was daher <strong>der</strong> Mensch des Raumes Unendlichkeit nennt; das ist <strong>der</strong><br />

Geist Meines Willens, <strong>der</strong> von Ewigkeit her diese endlose Räumlichkeit<br />

gestellt hatte und sie erfüllte allenthalben mit Wesen aller Art! Dieser<br />

Geist ist pur Liebe und somit Leben, Licht, Weisheit, klarstes<br />

Selbstbewusstsein; ein bestimmtes Fühlen, Gewahrwerden, Schauen und<br />

Wirken! - Durch Meinen mächtigen Außenlebensäther, welcher mit<br />

Meinem Geistesbrennpunkte in innigster Verbindung steht, alles<br />

durchdringt, alles umfasst, sieht, hört, fühlt, denkt, will und überall wirkt,<br />

bin Ich ein allwissen<strong>der</strong> Gott! Ich bin und werde ewig sein das Ur- und<br />

Grundvorbild aller Menschen: <strong>der</strong>selbe Gott, Herr, Schöpfer und Vater,<br />

den hochmütige, herrsch- und ruhmsüchtige, zwar verstandesstarke, aber<br />

geistig schwache, träge und denkfaule Menschenkin<strong>der</strong> abgesetzt zu haben<br />

glauben, um sich selbst zu Göttern zu erheben!<br />

Den Weltmächtigen und ihren Heerführern rufe Ich zu!: Steckt euer<br />

Todesschwert in die Scheide! Denn wer das Schwert nimmt, soll durchs<br />

Schwert umkommen. Aber kämpfet mit den Waffen <strong>der</strong> Liebe und<br />

Wahrheit gegen eure eigenen bösen Erbfeinde, die da heißen: Hass, Neid,<br />

Zorn, Zwietracht, Rachsucht, Habgier, Hochmut, Eigenliebe, Herrsch -<br />

und Ruhmsucht und Bosheiten aller Art, welche Unfrieden in euch selbst<br />

stiften, diesen nach außen tragen und die Welt davon erfüllen. Dieser<br />

Kampf allein ist vor Mir gerecht und trägt den Sieg in sich selbst! Und als<br />

wahre geistige Kriegshelden werdet ihr dann auch von Mir den Lohn<br />

empfangen, <strong>der</strong> dem Sieger gebührt!<br />

Und wisset: Kein Krieg ist von Mir aus gewollt und als irgendwie<br />

notwendig zu begründen, son<strong>der</strong>n ward noch allezeit von des Menschen<br />

Hochmut, Herrsch- und Ruhmsucht sowie seiner unersättlichen Habgier<br />

herbeigeführt. Für solche Völker, die völlig ins Materielle versanken, hätte<br />

Ich an<strong>der</strong>e Mittel und Wege die Fülle, um sie auch ohne Krieg zurechtzubringen<br />

und in Meine Ordnung zurückzuführen. Die totale Versunkenheit<br />

eines Großteils <strong>der</strong> Menschen ins Materielle und damit auch <strong>der</strong>en vollste


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Eine Mahn– und Warnpredigt<br />

9<br />

Gottentfremdung ist, war und wird stets sein: die Wurzel aller Kriege!<br />

Je tiefer solche Völker in die Nacht des geistigen Todes versinken und<br />

damit den Geist des Lebens aus Gott verneinen, umso grausamer werden<br />

die Kriege geführt, wie euch eure Geschichte eindringlich lehrt! Nichts in<br />

<strong>der</strong> Welt: ist daher schlecht als allein <strong>der</strong> Mensch, wenn er sich in seinem<br />

Herzen abwendet vom Herrn, seinem Schöpfer und Vater, und sich und<br />

seine Mitmenschen fortan als Eintagsfliegen betrachtet und<br />

dementsprechend bewertet und behandelt! Dann schwindet das Glück und<br />

<strong>der</strong> Friede von <strong>der</strong> Welt, und <strong>der</strong> Unfriede mit seinen verheerenden Folgen<br />

ist fortan <strong>der</strong> Herrscher, <strong>der</strong> alles in seinen Bann zwingt. - Herzensreine, in<br />

Meiner Ordnung lebende und nach Meinen Liebesgeboten allezeit<br />

handelnde und tätige Menschenkin<strong>der</strong> als Gesamtvolk wussten nie etwas<br />

von Kriegen und werden auch allezeit von den Kriegsfurien, die bei<br />

Völkern, die ihres Gottes vergaßen, wüten, verschont bleiben. Auch dafür<br />

liefert eure Geschichte Beispiele. Denn euer Herr und Schöpfer,<br />

ohne dessen Willen kein Sperling vom Dache fällt, würde solche etwa<br />

beabsichtigten Eingriffe gegenüber Seinen wahren Kin<strong>der</strong>n in Ewigkeit<br />

nicht dulden.<br />

Es ist daher auf eurer Erde, wie überhaupt auf allen Sonnenerden <strong>der</strong><br />

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, wie in allen Sphären des Alls,<br />

kein Fall denkbar, dass ein zum Kriege drängendes, vom satanischen<br />

Geiste erfülltes Volk ein in Meiner vollgerechten Ordnung lebendes und<br />

also auch mit Meinem Geiste verbundenes Volk kriegerisch überfallen,<br />

bekämpfen, brandschatzen, berauben und in irgendeiner Form in seine<br />

Abhängigkeit bringen könnte. - Und somit ist es einer ungeheuren<br />

Anmaßung und Gotteslästerung gleich zu achten, wenn völlig gottfremde,<br />

vom Satansgeiste erfüllte Menschen kurzweg erklären: Kriege müssten<br />

sein wegen zu befürchten<strong>der</strong> Übervölkerung und damit verbundener<br />

Nahrungsmittelknappheit und drohen<strong>der</strong> Hungersnot. Sie wissen nicht,<br />

dass die Erde von Mir aus bei ihrem Bau so organisiert ist, dass sie ein in<br />

Meiner Ordnung lebendes Menschengeschlecht auch dann in <strong>der</strong> Fülle zu<br />

ernähren imstande ist, wenn es das heutige zahlenmäßig ums Mehrfache<br />

übertreffen würde!<br />

Denn es ist Mir ein Leichtes, zufolge Meiner Wachstumsordnung im<br />

gesamten Naturreich diese zu vervielfachen, zu beschleunigen, zu<br />

verlangsamen, zu beschränken o<strong>der</strong> gar gänzlich zu hemmen, und dies<br />

trotz vorausgegangener allerbester Aussaat auf allerbesten Boden und allen<br />

gegebenen und erfüllten Voraussetzungen. Wehe dem Geschlecht, wenn<br />

Ich Meine segnende Hand von seinen Fluren zurückziehe! Alles Lebendige<br />

dieser Erde würde dadurch dem Hungertode preisgegeben! Doch die


10 Eine Mahn– und Warnpredigt<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

Meinen weiß ich allezeit zu schützen vor aller Not und bestens zu erhalten<br />

auf Meine Weise: Ich will aber nochmals zusätzlich bemerken, dass Ich<br />

über dies Menschengeschlecht, falls es nicht alsbald von seinem losen<br />

Wandel ablässt, noch Trübsale kommen lassen will, wie sie diese Erde<br />

noch nicht geschaut und erlebt! Und Ich will lieber ihre Körper<br />

dahinsinken sehen, als das Leben in ihnen, ihre Seelen also, völlig dem<br />

Ver<strong>der</strong>ben preiszugeben! Das merket wohl!<br />

Allen Buchstabenreitern und Wortklaubern sei gesagt, dass sie in<br />

jeglichem Worte <strong>der</strong> Schrift den lebendigen Geist erkennen und verstehen<br />

lernen sollen, wozu auch das Vertrautsein mit <strong>der</strong> Wissenschaft <strong>der</strong><br />

Entsprechung vonnöten, welche den Alten geläufig war; daher auch die<br />

Bil<strong>der</strong>sprache <strong>der</strong> Schrift von ihnen als solche erkannt und verstanden und<br />

in ihren Schulen gelehrt wurde, zu einer Zeit, da sie nach Meinen Geboten<br />

gelebt und ihre Herzen Mir zugewandt waren. Erst später, z. Zt. <strong>der</strong><br />

Könige, als das Volk bereits entartete, wurde diese Wissenschaft nicht<br />

mehr geübt, und es hielt nun starr am toten Buchstaben fest, wie dies nun<br />

auch in <strong>der</strong> Jetztzeit <strong>der</strong> Fall ist. - Daher denn auch die Feinde alles<br />

Göttlichen die Bibel zu einem Märchen- und Mör<strong>der</strong>buch erklären!<br />

Doch das Ende aller Verfinsterung und verstandesmäßigen Begriffe ist<br />

nun herbeigekommen; <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> Liebe und Wahrheit wird auferstehen<br />

und Herrscher in den Herzen Meiner wahren Kin<strong>der</strong> sein!<br />

Dem Gärtner und Landmann sei gesagt: Ich bin allein <strong>der</strong> rechte<br />

Wettermacher, wennschon es oft scheint, dass keine ordnende Hand die<br />

Vorgänge in <strong>der</strong> Natur überwaltet! Ihr seht in denselben wohl die äußeren<br />

Vorgänge und Erscheinungen, erkennt aber nicht ihr inneres Wesen; nicht<br />

das Leben und Weben <strong>der</strong> lebendig wirkenden Kräfte in ihr, die auch dem<br />

leisesten Wink Meines Allmachtswillens sich fügen müssen. Es wird sich<br />

die Witterung und damit alles Gedeihen in <strong>der</strong> Natur allezeit nach <strong>der</strong><br />

inneren Einstellung <strong>der</strong> Menschheit zu ihrem Schöpfer gestalten. - Leben<br />

und handeln dieselben in Meiner Ordnung und halten sie allezeit Meine<br />

Gebote, dann werde Ich auch für ein reiches Gedeihen <strong>der</strong> Aussaat sorgen;<br />

dann wird die Arbeit des Landmanns gesegnet sein, und die Frucht- und<br />

Kornkammern werden sich füllen. Vergessen aber die Menschen Meiner<br />

gänzlich - denn auch mit einem Halbglauben lauer Seelen gebe Ich Mich<br />

nicht zufrieden - dann wird sich das auch auf das Schlimmste in allem<br />

Naturgeschehen auswirken, wie ihr dieses schon wie<strong>der</strong>holt erlebt habt!<br />

Würde Ich aber des Landmanns Arbeit trotz völliger Entartung Meiner<br />

Kin<strong>der</strong> mit Segen überschütten, dann würde Ich zugleich <strong>der</strong>en Seelen dem<br />

völligen Ver<strong>der</strong>ben preisgeben, und an Gottes leitende Hand würden sie<br />

nimmermehr glauben wollen. Erkennet daher allezeit in den Vorgängen


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Eine Mahn– und Warnpredigt<br />

11<br />

<strong>der</strong> scheinbar blind waltenden Natur Meine ordnende und regulierende,<br />

aber auch richtende Hand, und glaubet ja nicht, dass wahre Kin<strong>der</strong> ihres<br />

Schöpfers und Vaters jemals rohen und blinden Naturgewalten<br />

preisgegeben sind. Es werden neben Regen und Sonnenschein sowie<br />

wohltätigen Winden auch Stürme und Gewitter über die Erde brausen<br />

müssen, zu <strong>der</strong>en notwendiger Bestandserhaltung. Doch von<br />

Wolkenbrüchen, Hagelschlag und Flurschädlingen aller Art werden Meine<br />

vollwahren Kin<strong>der</strong> nie unmittelbar betroffen werden, da sie nur als<br />

Folgezustände menschlicher Entartung auftauchen und dies Geschlecht<br />

quälen und beunruhigen müssen.<br />

Wenn Ich nun trotzdem in einigen Kontinenten zuweilen reiche Ernten<br />

völlig unverdientermaßen zulasse, so weiß allein Ich, welchen Zweck Ich<br />

dabei verfolge, und damit auch den Grund <strong>der</strong> Zulassung. Es soll sich<br />

daher ja niemand an solch scheinbaren Wi<strong>der</strong>sprüchen stoßen, denn am<br />

Ende werde Ich von allen eine Rechnungsablegung for<strong>der</strong>n. Dem Reichen,<br />

Begüterten, <strong>der</strong> willens, fortan in Meiner Ordnung zu wandeln, sage Ich:<br />

Ich bin die Ursache eures Reichtums und ebnete euch die Wege dazu, weil<br />

es also Mein Wille war! Doch seid allezeit weise Verwalter rechtlich<br />

erworbener Güter und blicket nie verächtlich und hochmütig auf eure<br />

ärmeren Brü<strong>der</strong>, da ihr nicht wisset, welch ein Geist in ihnen wohnt und zu<br />

welchem Zweck Ich solche Seelen auf die Erde sandte. Gebet daher<br />

allezeit freudigen Herzens aus eurem Überfluss und weiset nie einen<br />

Bittenden von eurer Tür. Übet euch aber sogestaltig in <strong>der</strong> Barmherzigkeit<br />

als dem höchsten Geiste, den Ich anlagemäßig in euch gelegt, und den ihr<br />

zur höchstmöglichen Reife in euch entwickeln sollt, auf dass ihr einst<br />

gerechtfertigt vor eurem Schöpfer und Vater steht, <strong>der</strong> dann auch sagen<br />

kann: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher<br />

verhärteten Herzens in Mein Reich eingehe!"<br />

Den Armen, Bedürftigen, sage Ich: Ich bin die Ursache eurer Armut,<br />

die also von Mir gewollt und daher auch in die Erscheinung treten musste,<br />

auf dass ihr euch in <strong>der</strong> rechten Demut und Geduld, sowie im lebendigen<br />

Glauben und Vertrauen in Meine weise Führung üben könnt. Und Ich<br />

werde es allezeit verstehen, den Sinn <strong>der</strong> Reichen, die keines verstockten<br />

Herzens, dahin zu lenken, dass sie eurer gedenken. Und durch euren<br />

gerechten Wandel vor Mir werden ungeahnte Kräfte in euch erweckt, die<br />

euch zu großen Aufgaben in Meinem Reiche befähigen. Lasset euch daher<br />

nie von argen Gedanken, nie von nie<strong>der</strong>en Wünschen und Begierden aller<br />

Art überwältigen, auf dass ihr stark werdet in eurer Seele und aufnehmen<br />

könnt die Fülle des Lebens aus Mir; auf dass Ich Wohnung nehmen kann<br />

in euren Herzen als Meinem lebendigen Tempel! Doch solange dies


12 Eine Mahn– und Warnpredigt<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

Menschengeschlecht noch nicht die volle geistige Wie<strong>der</strong>geburt erreicht<br />

hat, wird es von Mir aus Arme und Reiche geben, um das Unebene eben<br />

zu machen und herbeizuführen einen gerechten Ausgleich aller Gegensätze<br />

in allen Dingen und Vorgängen des Lebens durch fleißige Übung und<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Seelenkräfte, durch das Wandeln in Meiner Liebe o<strong>der</strong><br />

das Leben in Meinem Geiste, <strong>der</strong> in Mir Selbst die Liebe ist!<br />

Du aber, Mein kleines Häuflein, Meine kleine Herde, die mir allezeit<br />

und in allen Lebenslagen die Treue wahrte, verzage nicht, son<strong>der</strong>n harre<br />

Meiner in Geduld! Ich will dich schützen, leiten und Wege führen, die Ich<br />

allein kenne. Und du wirst schauen Mein Angesicht und dich mit Mir<br />

bereden wie mit einem Bru<strong>der</strong>!<br />

Wohl allen denen, die Mein Wort hören, es dankbaren Herzens<br />

aufnehmen und fortan in Meiner Liebe wandeln. Sie sollen den Leibestod<br />

nicht schmecken, son<strong>der</strong>n ihre Umwandlung wird sich in einem<br />

schnellsten Augenblicke in sanftester Weise vollziehen, und als ein ewig<br />

freiestes Geistwesen werden sie vom Tode dieser arg gewordenen Welt in<br />

ein freies, lichtvollstes Leben eingehen, da keine Nacht, kein Tod, keine<br />

Sorge, keine Trübsal mehr, son<strong>der</strong>n, beglücken<strong>der</strong> Friede und Seligkeiten<br />

über Seligkeiten ihr Teil sein werden!<br />

Ihnen allen Meine Liebe und Ihre Kraft, Meine Gnade und Meinen<br />

Segen ! Amen ! (Quelle: <strong>Lorber</strong>-Verlag, gegeben durch O. M. in D. 1949)


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />

13<br />

Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />

Ein Natur - Evangelium (Schluss)<br />

Klaus W. Kardelke<br />

Rechte Naturbetrachtung<br />

Allen Menschen eigen ist eine mehr o<strong>der</strong> weniger intensive Beziehung<br />

zur uns umgebenden Natur. Kaum einer vermag sich <strong>der</strong> Ausstrahlung<br />

eines Waldes, eines Berges, eines Sees o<strong>der</strong> einer Quelle zu entziehen.<br />

Viele fühlen bei <strong>der</strong>artigen Naturbetrachtungen ein leises Wehen durch<br />

ihre Seelen gehen, sofern sie empfänglich sind für den stärkenden<br />

Einfluss, den die Natur uns bietet.<br />

Doch nur wenige vermögen zu verstehen, was die Natur uns zu sagen<br />

hat o<strong>der</strong> ob sie überhaupt zu uns redet. So bleibt vielen die Sprache <strong>der</strong><br />

Natur unverständlich, und nur ein gefühlvolles Ahnen erfüllt die Seele,<br />

dass sie inniger mit <strong>der</strong> Natur verbunden ist, als sie es bewusst<br />

wahrzunehmen vermag.<br />

Blicken wir in die Geschichten <strong>der</strong> Mystiker und Gottesmänner und<br />

<strong>der</strong>en Naturerleben, so hören wir immer wie<strong>der</strong> von ihnen, dass ein<br />

jedes Ding seine beredte Sprache führt, die ihm <strong>der</strong> Schöpfer in sein<br />

Wesen gelegt hat.<br />

Beispielhaft sei hier <strong>der</strong> Jakob Böhme (1575-1624) angeführt, <strong>der</strong> aus<br />

seiner inneren geistigen Schau sagen konnte:<br />

„Jedes Ding ist ebenso auswendig bezeichnet, wie es innerlich,<br />

in sich selbst ist. Denn das innerliche Wesen arbeitet stets auf seine<br />

Offenbarung hin. So hat denn auch ein jedes Ding seinen Mund zur<br />

Offenbarung, und eben hierin liegt die Natursprache, vermöge <strong>der</strong>en<br />

jedes Ding aus seiner Eigenschaft redet und darstellt, wozu es gut und<br />

nütze sei.“<br />

So kann <strong>der</strong> erleuchtete Mensch allein schon an <strong>der</strong> Außenform<br />

eines Gegenstandes o<strong>der</strong> auch Menschen auf dessen innere<br />

Beschaffenheit schließen, kann herauslesen seinen Charakter, kann sich<br />

mit dem inneren Geiste in ein Zwiegespräch begeben.<br />

So erging es auch dem Schreibknecht Gottes, Jakob <strong>Lorber</strong>. Durch die<br />

Gnade des Herrn erhielt er die Gabe, in das Innerste <strong>der</strong> Dinge zu schauen<br />

und zu vernehmen <strong>der</strong>en innersten Geist. Auf diese Weise sind sämtliche<br />

naturkundliche Kundgaben entstanden, wie uns sein Biograph Karl<br />

Gottfried Ritter von Leitner berichtete. (s. Kap. 2)<br />

Naturerscheinungen haben von jeher allen Gotterleuchteten als ein Mittel<br />

zur eigenen Selbsterkenntnis gedient, hinter denen sie das göttliche, aber


14 Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

auch ihr eigenes Wesen waltend erkannten, denn „niemand kann in<br />

seiner natürlichen Sphäre etwas erschauen, was er nicht ehedem in sich<br />

hat.“ (Ste 37,8)<br />

So erlebte es auch <strong>der</strong> indische Christuszeuge Sundar Singh,<br />

wenn er die Naturschönheiten betrachtete: „Eines Tages entdeckte ich eine<br />

Blume und dachte über ihren Wohlgeruch und ihre Schönheit nach. Ich sah<br />

in dieser Seiner Schöpfung den Schöpfer selbst, wenn er auch meinen<br />

Blicken verborgen blieb. Große Freude erfüllte mein Herz. Aber noch<br />

größer war meine Freude, als ich Sein Wirken in meiner Seele verspürte.<br />

Ich musste ausrufen: ‘Wie wun<strong>der</strong>bar bist Du, o Gott! Getrennt von<br />

Deiner Schöpfung und dennoch sie erfüllend mit Deiner herrlichen<br />

Gegenwart!’“<br />

Immer schon drängte es den Gottsuchenden hinter den Schleier <strong>der</strong><br />

äußeren Wirklichkeit zu sehen, um Gott und sich selbst zu erkennen.<br />

Novalis drückte diese Sehnsucht in folgenden Worten aus:<br />

„Einem gelang es, - er hob den Schleier <strong>der</strong> Göttin zu Sais -.<br />

Aber was sah er Er sah - Wun<strong>der</strong> des Wun<strong>der</strong>s - sich selbst.“<br />

Hinter dem Schleier <strong>der</strong> äußeren Wirklichkeit erkennen wir diese als einen<br />

Spiegel unseres eigenen Wesens.<br />

Wissen wir doch aus dem Weisheitsschatze aller Völker sowie aus <strong>der</strong><br />

Neuoffenbarung, dass in uns alles Äußere und Innere wesenhaft vorhanden<br />

ist, dass in uns die ganze Schöpfung kreist, so erkennen wir uns<br />

auch in den Naturerscheinungen und darüber hinaus in allen Erscheinungen<br />

auf dieser Welt und im gesamten Kosmos wie<strong>der</strong>, denn diese liefern uns<br />

ein getreues Spiegelbild unseres eigenen seelischen Wesens.<br />

So sagt es uns <strong>der</strong> Herr an zahlreichen Stellen in Seiner Neuoffenbarung:<br />

„So du dich selbst vollkommen erkennen wirst, wirst du auch all das<br />

erkennen, was sich da befindet außer dir; da sich außer dir nichts<br />

befinden kann, das nicht schon lange zuvor in dir vorhanden gewesen<br />

wäre.“ (Bischof Martin 45,5)<br />

„Wer da nicht weiß und sieht, dass in ihm die ganze Schöpfung<br />

kreiset, lebt und webt, <strong>der</strong> kann auch nicht den Grund seiner Triebe,<br />

Begierden und Gedanken fassen. Seht, in eurem Geiste liegt die ganze<br />

Unendlichkeit wesenhaft begraben, und dazu noch jedes einzelne<br />

unendlichfältig.“ (Hi. I S. 54,4-5)<br />

„Wahrlich, wahrlich, sage Ich euch, diese Erde und alles, was auf ihr, in ihr<br />

und über ihr ist, und die Sonne und alles, was da ist in ihr, auf ihr und über<br />

ihr, und alle die großen Sterne mit zahllosen Weltenheeren und mit ihrem<br />

Lichte und mit allem, was da ist in ihnen und über ihnen, und was da war<br />

und sein wird nach undenklichen Zeitläufen, und den ganzen Himmel in


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />

15<br />

aller seiner Unendlichkeit, alle zahllosen Myriaden <strong>der</strong> Engelscharen mit aller<br />

ihrer Herrlichkeit, ja Mich selbst (Gott) habt ihr in euch!“ (HGt II 86,8)<br />

Diese Erkenntnis lag allen Religionen und geistigen Schulen zugrunde,<br />

und schon Hermes Trismegistos formulierte es in seinem Satz: ‘Wie oben,<br />

so unten, wie innen, so außen, wie im Himmel, so auf Erden; was war,<br />

kehrt wie<strong>der</strong>.’ Und selbst unserem Goethe war diese Erkenntnis zu eigen,<br />

welche er in die Worte kleidete:<br />

„Wär’ das Aug’ nicht sonnenhaft,<br />

die Sonne könnt es nie erblicken;<br />

läg’ nicht in uns des Gottes eig’ne Kraft,<br />

wie könnt’ uns Göttliches entzücken“<br />

Der spätere Eckehart-Schüler und Kardinal Nikolaus Cusanus drückt<br />

diese Erkenntnisse noch tiefer aus:<br />

„Das Menschenwesen umfasst in menschlich beschränkter Weise das<br />

ganze All. Der Mensch ist Gott, jedoch nicht absolut, weil er Mensch ist. Er<br />

ist also ein menschlicher Gott. Der Mensch ist auch <strong>der</strong> Kosmos, aber<br />

nicht das konkrete Universum, weil er Mensch ist. Er ist ein Mikrokosmos,<br />

eine menschliche Welt. So umfasst die Region des Menschlichen Gott und<br />

die gesamte Welt in ihrer menschlichen Weise.“<br />

So findet sich alles im Menschen wie<strong>der</strong>, was dieser außer sich zu<br />

erschauen vermeint. Denn in Wahrheit, so belehrt uns schon die<br />

Wissenschaft, sehen wir nicht die Dinge an sich, son<strong>der</strong>n nur die Bil<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong>selben in unserem Gehirn o<strong>der</strong>, besser gesagt, in unserer Seele. Und<br />

da wir nun in erster Linie die Natur und somit auch unsere Umwelt in uns<br />

finden, so können wir auch in den noch so geringfügigsten<br />

Naturerscheinungen für uns wahre Wun<strong>der</strong> <strong>der</strong> Erkenntnis und Weisheit<br />

entdecken, denn diese spiegeln unsere eigenen seelischen Zustände exakt<br />

wie<strong>der</strong>. So werden sie für uns zu einem Evangelium, zu einer frohen<br />

Botschaft, welche uns in unserer Selbsterkenntnis weiterhelfen, wenn wir<br />

sie bewusst wahrnehmen und uns bemühen, ihre Sprache zu verstehen.<br />

Diese Sprache aber ist die Sprache des Geistes, die Sprache <strong>der</strong><br />

Entsprechungen, <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> und Gleichnisse.<br />

Da aber unsere Geistesohren noch taub und unsere Geistesaugen noch<br />

blind sind und wir <strong>der</strong> Geistessprache nicht mächtig, so hören und sehen wir<br />

nichts, und nur unser innerer Geist erahnt diese Zusammenhänge.<br />

Und so gilt uns auch das Wort unseres himmlischen Vaters: „Viele sind,<br />

welche die Natur mit ihren Augen angaffen, aber wenige, die sich selbst<br />

in <strong>der</strong>selben finden.“ (Hi. I S. 173,35)<br />

So soll <strong>der</strong> dem Geiste zugewandte Mensch mit offenen Augen und


16 Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

Ohren die Natur durchschreiten und jede noch so geringe Erscheinung wohl<br />

beachten und seine Empfindungen dabei überprüfen, denn gerade diese sind<br />

eine verschlüsselte Botschaft unseres inneren göttlichen Geistes an unsere<br />

Seele.<br />

Wie wir dies praktisch vollziehen können, belehrt uns die<br />

Neuoffenbarung:<br />

„Sehet, es legen abends Millionen Menschen auf ihr Schlaflager<br />

ihre Glie<strong>der</strong> nie<strong>der</strong>, und wie<strong>der</strong> stehen am nächsten Morgen Millionen<br />

Menschen mit ausgeruhten Glie<strong>der</strong>n auf, einige zur gewöhnlichen<br />

Tagesarbeit, an<strong>der</strong>e zum gewöhnlichen Tagesmüßiggange. Und so stehen<br />

tausende Menschen auf, und von diesen tausend hat ein je<strong>der</strong> etwas an<strong>der</strong>es<br />

vor. Aber von allen diesen aufgestandenen Menschen ist nicht einer, <strong>der</strong> da<br />

aufgestanden wäre, wie er hätte aufstehen sollen. Denn ein je<strong>der</strong> ließ die<br />

Erscheinungen des Morgens wie auch des folgenden Tages ganz unbeachtet.<br />

So ihr aber aufwachet am Morgen, so sehet mit aufmerksamen<br />

Herzen auf die Dinge um euch her, habet acht auf eure Gefühle, die<br />

allezeit modifiziert (verwandelt) erscheinen, auch schon, wenn nur ein<br />

Wölkchen am Himmel die frühere Form verän<strong>der</strong>t, ja, die wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s<br />

werden, so ihr in irgendeine (an<strong>der</strong>e) Weltgegend eure Blicke richtet.<br />

An<strong>der</strong>s fühlet ihr am Morgen, an<strong>der</strong>s am Abende.<br />

Wenn ein freundliches Lüftchen wehet, werden da nicht euere Gefühle<br />

heiter und lieblich bewegt - Wenn da wehet ein warmer Südwind, <strong>der</strong><br />

herrliche Wolkenmassen durch den blauen Himmel treibt und ihr sehet die<br />

Vögel <strong>der</strong> Luft sich wetteifernd emsig herumtummeln in den heftigen Wogen<br />

<strong>der</strong> Südluft - werden da nicht eure Gefühle selbst geweckt und heldenmäßig<br />

gestimmt, dass ihr oft eure Arme gleich Flügeln ausbreitet, um euch Vögeln<br />

gleich zu erheben in die wogende warme Luft und mutig zu kämpfen daselbst<br />

gleich den Vögeln mit dem Flügelpaare gegen solches ziemlich<br />

gewaltsame Strömen <strong>der</strong> Südluft. Wenn aber ein feuchter Ost- o<strong>der</strong> ein<br />

gewaltiger Nordwind zu wehen anfängt, so werdet ihr ganz kümmerlich in<br />

euren Gefühlen und ziehet euch bescheiden zurück vor diesen<br />

unfreundlichen, sehr gewaltsamen Winden. Wenn sich <strong>der</strong> hohe West (-<br />

wind) erhebt, dann schauet ihr empor, und eure Augen weiden sich an den<br />

lämmerartigen Gebilden <strong>der</strong> Wölkchen, und eure Gefühle werden weiter und<br />

weiter unter den weiten Hallen des blau und weiß durchwirkten Himmels.<br />

Und werden nicht wie<strong>der</strong>um eure Gefühle ganz an<strong>der</strong>s, so euch am<br />

heiteren Morgen aus den roten Wölkchen des Aufganges ein frisches<br />

Morgenlüftchen entgegenweht<br />

Und so möget ihr bei irgendeiner Erscheinung zugegen sein, ja wo immer<br />

hinreisen, und selbst in was immer für einer Handlung begriffen sein, so


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />

17<br />

habet acht auf jegliche auch noch so kleinfügige Erscheinung, und ihr<br />

werdet gewiss allezeit sicher gewahr werden, wie sehr sich die Gefühle<br />

allezeit modifizieren, ja oft so stark, dass, so ihr euer eigenes Gemach<br />

wie<strong>der</strong> betretet, euch dasselbe vorkommt, als wenn ihr es zum ersten Male<br />

betreten hättet, o<strong>der</strong> es kommt euch doch im selben alles ein wenig<br />

fremdartig vor.<br />

Nun aber fragt sich, worin denn <strong>der</strong> Grund solcher Erscheinungen<br />

liegt Die Beantwortung dieser Frage ist <strong>der</strong> eigentliche Hebel auf eine<br />

höhere Stufe. - Sehet, so wie ihr bei irgendeinem Unterrichte, je nachdem<br />

<strong>der</strong>selbe geartet war (da sein Stoff entwe<strong>der</strong> ein geschichtlicher, ein<br />

technischer, ein geologischer, ein mathematischer, ein religiöser war) -<br />

allezeit gewiss an<strong>der</strong>s denken und empfinden werdet, so ist dieses um so mehr<br />

<strong>der</strong> Fall, wenn ihr in Meiner großen Unterrichtssphäre wandelt, denn da rede<br />

Ich durch alle die vorbenannten und noch tausend an<strong>der</strong>e Erscheinungen<br />

beständig zu eurem Geiste.<br />

Allein, wie ihr schon wisset, ist den Tauben und Blinden hart predigen;<br />

denn diese empfinden höchstens den Geruch <strong>der</strong> Speise, wie aber diese<br />

aussieht, das sehen sie nicht. Und wenn man ihnen sagt, woraus und wie sie<br />

verfertigt ist, so hören sie das nicht, weil sie taub sind. - Sehet, so sind auch<br />

alle diese Erscheinungen zahllose, wohl zubereitete Speisen für den Geist!<br />

Aber in diesen vorbenannten Gefühls-Modifikationen empfindet ihr<br />

nur den Geruch dieser Speisen, aber sehen könnet ihr sie nicht, da ihr<br />

ebenfalls noch blind seid. Und wie sie zubereitet sind, das könntet ihr<br />

ebenfalls nicht vernehmen, <strong>der</strong> noch obwaltenden großen Taubheit wegen.<br />

Das aber ist die höhere Stufe, dass Ich euch in dieser Vorbetrachtung<br />

eine kleine Augensalbe gebe, vermöge welcher ihr ein wenig sehend werden<br />

sollet, und zwar in eurem Herzen, um hernach aus diesen Erscheinungen<br />

verständig in <strong>der</strong> Mitte eures Herzens zu denken, dass <strong>der</strong>gleichen Dinge<br />

nicht ihrer selbst willen, son<strong>der</strong>n so, wie ein Professor nicht seiner selbst<br />

willen auf den Kathe<strong>der</strong> tritt, son<strong>der</strong>n seiner Schüler wegen.<br />

Denn es ist jede dieser (Natur-) Erscheinungen nichts als ein heller<br />

Spiegel, welcher so künstlich eingerichtet ist, dass ein je<strong>der</strong> Mensch, <strong>der</strong><br />

nur einigermaßen geweckt ist und nicht gar zu lange in den ‘Tag’<br />

hineinschläft, sein inneres Wesen von Sekunde zu Sekunde modifiziert in<br />

selbem erschauen kann, wie auch das Gesamtbild aller Menschen und eines<br />

jeden einzelnen in Beziehung auf die Gesamtheit. Ja, er kann erschauen<br />

im selben das ganze Verhältnis <strong>der</strong> Hölle, <strong>der</strong> erlösten und unerlösten<br />

Geisterwelt, wie auch im innersten Grunde dieses Spiegels den Himmel und<br />

alles das, was des Himmels ist. Und er kann im selben alles dieses<br />

erblicken in unendlichen Potenzen, weil Ich, als <strong>der</strong> Zulasser und


18 Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

Darsteller alles dessen, wie schon gesagt, selbst unendlich bin.<br />

Wenn ihr daher in <strong>der</strong> Zukunft wie und wann immer ausgehet, so<br />

haltet ja keine Erscheinung für so geringfügig, dass sie nicht eures<br />

Beachtens würdig wäre. Und glaubet, dass Ich nicht zu viel sage, wenn<br />

Ich euch selbst auf die kleinsten Wendungen eines Sonnenstäubchens<br />

aufmerksam mache und auch auf das emsige Getrippel irgendeines<br />

Insektes. Denn ist auch dieses ohne Bedeutung dann, wenn es von<br />

niemand beachtet o<strong>der</strong> beobachtet wird, weil das Insekt dann nur auf eine<br />

Mich allein angehende Art tätig ist, - jedoch nicht so ist es, so eure Augen<br />

irgendeinen Gegenstand treffen. Denn alsdann wird sogleich ein<br />

Sonnenstäubchen, wie eine Milbe und ein irgendeinem Schornsteine<br />

entsteigen<strong>der</strong> Qualm von Mir für den Beschauer zu einem Apostel<br />

geweiht und tritt in dem Augenblick als wohl unterrichteter Lehrer in<br />

Meinem Namen vor eure Augen.<br />

Sehet, das ist die ‘höhere Stufe’, die Ich euch versprochen habe! Daher<br />

sagte Ich schon in <strong>der</strong> vorigen Mitteilung vorbauend: Es gibt gar viele,<br />

welche die Erscheinungen <strong>der</strong> Natur angaffen werden, gerade (wie ihr zu<br />

sagen pflegt) so wie eine Kuh ein neues Tor. Aber ganz außerordentlich<br />

wenige gibt es, die sich selbst in den Erscheinungen <strong>der</strong> Natur<br />

finden.“ (Hi. I S. 179,10 ff)<br />

Wie können wir uns nun in den Erscheinungen um die Andritz-Quelle<br />

selbst erkennen Hierzu gibt uns die Quelle selbst ein Beispiel <strong>der</strong> Schrift<br />

und Sprache ihrer eigenen Natur und erläutert uns dieselbe für unseren noch<br />

unerleuchteten Verstand.<br />

„Seht, so ihr meinen Spiegel betrachtet, so werdet ihr so manche<br />

Bewegungen meiner Oberfläche gewahr werden; eine ordentliche,<br />

kreisförmige, die aus meinem Innern bewirkt wird, - und eine an<strong>der</strong>e,<br />

unordentliche, unförmige, unregelmäßige, die durch außerwirkende<br />

Umstände, meinen Spiegel störend, bewirkt wird.<br />

Sehet, diese (erstere) Bewegung, so ihr in dem Leben des Geistes wäret,<br />

wäre euch nicht nur eine Bewegung, durch euch unbekannte grobe materielle<br />

Umstände bewirkt, son<strong>der</strong>n ihr würdet eine gar wun<strong>der</strong>bare, wohlleserliche<br />

Schrift durch den allmächtigen Finger Gottes in großer Klarheit<br />

entdecken. Allein, da ihr dessen nicht fähig seid, so will ich euch zum<br />

Schlusse in <strong>der</strong> Kürze etwas von diesem A-B-C und dessen tiefsinniger<br />

Bedeutung kennen lehren.<br />

Diese kreisförmige Bewegung entsteht durch aus meinem Innern<br />

emporsteigende materiell-geistige Bläschen, durch welche (verwun<strong>der</strong>t<br />

euch nicht über das, was ich euch kundgeben werde) ein gesänftetes<br />

Geisterwesen aus dem zu harten Drucke <strong>der</strong> toten Materie befreit wird;


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />

19<br />

woraus ihr euch folgende, geistig entsprechende Lehre nehmen könnet, dass<br />

auch euer Geist (Seele) fürs erste auf eine ähnliche Weise aus <strong>der</strong> Materie<br />

entbunden wurde und dass er ebenfalls den nämlichen Weg in euch - wo er<br />

ebenfalls noch an die Materie gebunden ist - aus dem Innersten eures<br />

Wesens bis zu eurer Oberfläche dringen und da sich ebenfalls in solcher<br />

geordneten, gottesähnlichen Kreiswirkung offenbaren soll, um euer ganzes<br />

Wesen, das an und für sich materiell ist, gleich sowie meine spiegelglatte<br />

Oberfläche in eine wohlgeordnete Bewegung zu versetzen. Meine Stellung<br />

aber sei euch auch ein entsprechendes Bild, dass dies gottähnliche Leben des<br />

Geistes nur dann am höchsten wird, je mehr ihr euch zurückgezogen habt<br />

von <strong>der</strong> außenherstürmenden bösen Welt.“ (Hi.I S. 60,12-14)<br />

Die Achtsamkeit auf die Gefühle<br />

„Ihr habt schon bei so mancher Gelegenheit erfahren, dass für den<br />

geistig geweckten Menschen jede Erscheinung in <strong>der</strong> Natur irgendeine<br />

Bedeutung hat.<br />

Alle diese Erscheinungen und Empfindungen entsprechen allzeit auf<br />

ein Haar dem inwendigen Zustande des Menschen. Nur ist dabei zu<br />

bemerken, dass da die Empfindung mit den Erscheinungen<br />

übereinstimmen müssen - denn die Erscheinungen für sich geben noch<br />

kein vollgültiges Zeugnis -, wenn aber das Gefühl mit <strong>der</strong> Erscheinung<br />

harmoniert, dann verkündet <strong>der</strong> Berg (o<strong>der</strong> die Natur) dem Menschen<br />

genau, wie es mit ihm steht.“ (Großglockner 13)<br />

In diesem sehr aufschlussreichen Text werden wir auf unsere<br />

Herzensgefühle bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> Natur hingewiesen. Diese nur<br />

sind <strong>der</strong> Schlüssel zur Naturerkenntnis und somit auch zur Erkenntnis<br />

unserer selbst. Und so werden wir immer wie<strong>der</strong> auf unsere Gefühle als<br />

Schlüssel zur Selbsterkenntnis aufmerksam gemacht.<br />

„Es ist gut, des öfteren auf so manches das Gefühlsauge zu richten<br />

und da Meine Liebe und Weisheit zu gewahren - und wäre <strong>der</strong> zu<br />

betrachtende Gegenstand noch so gering! - Denn es liegt doch immer etwas<br />

Unendliches darin, und so ist es auch würdig eines geistigen Blickes, da alles<br />

worin sich Unendliches birgt, von Mir ein Atom ist, in dem ein ewiges Sein<br />

waltet.“ (Vorwort zu ‘Die Fliege’)<br />

„Wo ihr nun demnach hin wollet, da gebet acht auf alles, sei es auf <strong>der</strong><br />

Erde o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Luft, sei es in <strong>der</strong> Nähe o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Ferne; vor allem<br />

aber auf eure Gefühle! Denn darinnen werdet ihr, so ihr an dem bestimmten<br />

Orte sein werdet, bei genauer Aufmerksamkeit wohl zu gewahren<br />

anfangen, was das heißt, in Meinem Namen etwas tun!“ (Hi. I S. 228,13)<br />

„Hauptsächlich aber sollet ihr bei allem dem auf eure Gefühle die


20 Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

größte Aufmerksamkeit verwenden. Und ihr werdet daselbst durch eine<br />

beson<strong>der</strong>e Zulassung von Mir euch von noch nie geahnten und noch viel<br />

weniger gehabten Gefühlen bemeistert fühlen, welche euch mehr sagen<br />

werden, als alle Bücher <strong>der</strong> Welt zu fassen vermöchten.“ (Hi. I S. 148,5)<br />

Nur im Gefühle unseres Herzens und nicht im Verstande unseres Kopfes<br />

können wir die Geheimnisse <strong>der</strong> Natur und unseres eigenen Wesens<br />

lüften, denn im Gefühle äußert sich das geistige Leben in uns, spricht <strong>der</strong><br />

Geist zur Seele und offenbart sich.<br />

„Sehet, klein zwar ist das Herz des Menschen, aber desto größer <strong>der</strong><br />

Horizont seiner Gefühle, so jemand ist in <strong>der</strong> Kraft des Glaubens aus <strong>der</strong><br />

reinen Liebe zu Mir. Ich sage euch, es ist kein Ding so verborgen, als dass es<br />

nicht von den Strahlen des reinen Gefühls erreicht werden möchte, und<br />

haben dann die reinen Strahlen des Gefühls irgendetwas erfasst, so fraget<br />

euch selbst, ob es möglich wäre, die Sache an<strong>der</strong>s zu erfassen, als sie an und<br />

für sich wirklich ist und besteht.<br />

Daher sollet auch ihr euren Verstand unter den Gehorsam des reinen<br />

Gefühles im lebendigen Glauben aus <strong>der</strong> Liebe zu Mir vollends gefangen<br />

nehmen, so werdet ihr alle Dinge schauen, wie sie sind, und dann erst<br />

werdet ihr klar und deutlich einzusehen anfangen, wo die ewige Sonne <strong>der</strong><br />

Wahrheit und Wirklichkeit leuchtet.“ (Naturzeugnisse S. 126-127)<br />

„Suchet vor allem euer Lebensgefühl nach Meiner Lehre zu bilden<br />

und zu stärken, fühlet mit dem Armen seine Not und lin<strong>der</strong>t sie nach<br />

euren Kräften und nach eurem Vermögen, tröstet die Traurigen,<br />

bekleidet die Nackten, speiset die Hungrigen, tränket die Durstigen, helfet,<br />

wo ihr könnet, den Kranken, erlöset die Gefangenen und den Armen im<br />

Geiste prediget Mein Evangelium, - das wird bis in die Himmel erheben<br />

euer Gefühl, euer Gemüt, und eure Seele wird auf diesem Lebenswege<br />

bald und leicht mit ihrem Geiste aus Gott eins werden und dadurch auch aller<br />

Seiner Weisheit und Macht teilhaftig werden. Und das wird doch sicher<br />

mehr sein, als vieles in <strong>der</strong> Welt zu wissen, aber dabei ein gefühlloser<br />

Mensch gegen seine Nebenmenschen zu sein und sich selbst durch sein zu<br />

wenig belebtes Gefühl das Zeugnis zu geben, dass man dem wahren Leben<br />

im Geiste noch sehr ferne steht.<br />

Geist, <strong>der</strong> allein lebendige im Menschen, ist pur Liebe und ihr<br />

zartestes und ewig wohlwollendstes Gefühl. Wer demnach solche seine Liebe<br />

und ihr zartestes und ewig wohlwollendstes Gefühl in seine eigenliebige<br />

Seele stets mehr und mehr aufzunehmen bemüht ist, und in selben auch<br />

stets stärker, kräftiger, mutiger und gefügiger wird, <strong>der</strong> för<strong>der</strong>t dadurch die<br />

volle Einung des Geistes mit <strong>der</strong> Seele; und wird dann die Seele zu purer<br />

Liebe und Weisheit ihrem zartesten und wohlwollendsten Gefühle


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />

21<br />

nach, so ist solch eine Seele denn auch schon völlig eins mit ihrem Geiste<br />

und ist dadurch denn auch im lebendigsten Besitze aller <strong>der</strong> wun<strong>der</strong>baren<br />

Lebens- und Seinsfähigkeiten ihres Geistes, und das ist denn doch sicher<br />

mehr wert, als alle Schulen <strong>der</strong> Weltweisen <strong>der</strong> Erde durchgemacht zu<br />

haben, dabei aber ein strenger und gefühlsloser Mensch zu<br />

verbleiben.“ (Gr.Ev.Joh. VIII 150,14-15)<br />

Nun verstehen wir, warum <strong>der</strong> Herr soviel Wert darauf legt, unsere<br />

Gefühle bei <strong>der</strong> Betrachtung Seiner Naturschönheiten zu beachten und zu<br />

erwecken. Sind die Gefühle doch die Äußerungen unseres göttlichen<br />

Geistfunkens, und je mehr wir dieser inneren Gefühlsstimme Raum in<br />

unserem Herzen geben, um so mehr eint sich <strong>der</strong> Geist mit unserer<br />

Seele. Ja, das zarte, reine Liebesgefühl gilt es zu erwecken, und jede<br />

Gelegenheit zu nutzen, diesem in uns Raum zu gewähren. So finden wir im<br />

Gefühle, in <strong>der</strong> Stimme unseres Herzens mehr, als in sämtlichen Büchern<br />

geschrieben steht, denn wir finden unser Leben selbst, und dieses<br />

können wir in keiner Wissenschaft o<strong>der</strong> in keinem Buche jemals finden,<br />

son<strong>der</strong>n nur in uns selbst. Unsere Gefühle weisen uns den Weg in unser<br />

Herz, in unser innerstes Leben. Auf dem Gefühlswege, welcher durch die<br />

Gottes- und Nächstenliebe, durch Gebet und Meditation führt, aber auch<br />

durch die Versenkung in die Naturschönheiten, finden wir uns selbst, und<br />

somit den Herrn in uns, denn <strong>der</strong> Herr ist unser wahres Selbst. Wir erkennen<br />

unseren wahren Lebensgrund und erfüllen unser ganzes Sein mit Leben<br />

und Liebe, mit <strong>der</strong> Kraft <strong>der</strong> Gefühle.<br />

Es sei hier ein kleines Gedicht mit dem Titel „Das Gefühl“ dargereicht,<br />

welches Jakob <strong>Lorber</strong> vom Herrn in die Fe<strong>der</strong> diktiert bekam. Dieses<br />

Gedicht drückt in poetischen und weisen Worten das aus, was dem Gefühle<br />

eigen ist: „Im Gefühle ist’s gelegen / Was das Leben mag begreifen, /<br />

Und auf allen finst’ren Wegen / Mag das Licht allein nur reifen.<br />

Wenn das Leben im Gefühle / Sich dir gibt getreu zur Kunde / Unter<br />

gläubig lichter Hülle, / Treu in je<strong>der</strong> Zeit und Stunde, / Magst du reden,<br />

disputieren, / Was dir immer mag gefallen / Magst dich geistig<br />

instruieren / Was das Leben in den Allen; / Nimmer doch wirst du es<br />

finden / Was in sich da ist das Leben. Im Gefühl nur wird sich’s künden /<br />

Wie das Leben ist gegeben.<br />

Darum - lebe im Gefühle! / Treu nach alter Lebenskunde, / So in aller<br />

Herzensstille / Auf dem öden Erdenrunde. / Dann lebst du ein wahres<br />

Leben, / Selbst ein Leben dir gestellet, / Treu und wahr von Gott<br />

gegeben, / Also auch von Ihm erwählet; / So denn fühlet sich das Wahre /<br />

Selbst als ein’ge Kraft hienieden, / Und einst über Zeit und Bahre / Reicht<br />

es dir den ew’gen Frieden! Amen.“ (Psalmen und Gedichte S. 68)


22 Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

Die Quelle als Bild unseres Inneren<br />

Wie können wir nun im Bild <strong>der</strong> Andritz-Quelle mit ihrer spiegelglatten<br />

Oberfläche und den vom Grunde aufsteigenden Bläschen uns selbst wie<strong>der</strong><br />

finden<br />

Dazu gibt uns die Neuoffenbarung einige aufschlussreiche Hinweise, die<br />

uns das Obige noch aus einem an<strong>der</strong>en Lichte beleuchten, und so hören wir:<br />

„Die Seele aber ist ein lebendiger Spiegel; daher sie die in ihr haftenden<br />

Bil<strong>der</strong> beleben und mit ihnen so umgehen kann, als wären sie reelle<br />

Wirklichkeit, und hat dabei den unberechenbaren Vorteil, dass sie sich durch<br />

diese in ihr belebten Bil<strong>der</strong> auch mit <strong>der</strong> leichtesten Mühe mit den<br />

wirklichen Bil<strong>der</strong>n in Verkehr setzen kann. Solange die Seele zwar in<br />

dieser Welt noch lebt, bleibt in ihr dieses Vermögen noch unvollkommen,<br />

und sie weiß am Ende selbst nicht, was sie damit machen soll.“ (Gr.Ev.Joh.<br />

X 195,10)<br />

Aus diesem Text resultieren unendliche Entsprechungen in Bezug auf<br />

unsere eigene Seele. Entspricht doch nun auch <strong>der</strong> Wasserspiegel des<br />

Quellteiches unserer Seele, und je reiner und ungetrübter das Wasser und<br />

die Ruhe <strong>der</strong> Oberfläche, desto reiner und klarer sind auch die auf ihr<br />

erscheinenden Bil<strong>der</strong> <strong>der</strong> wahren Wirklichkeit.<br />

Und so sieht je<strong>der</strong> die Welt, die Natur und seine Mitmenschen nur so<br />

klar o<strong>der</strong> getrübt, wie sein innerer Seelenspiegel gestaltet ist. Entwe<strong>der</strong><br />

klar und deutlich o<strong>der</strong> bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Und so wie wir<br />

dies alles in uns gewahren, dementsprechend formt sich unser Bild und<br />

unsere Meinung von diesem Bild, und so beurteilen wir die Welt wie auch<br />

unsere Mitmenschen nach diesem in uns spiegelnden Abbild.<br />

Dass dabei mancherlei Trübes aus uns herausquillt, können wir uns<br />

denken, denn ist unser Seelenspiegel nicht in <strong>der</strong> Ruhe und Klarheit, wie<br />

es uns die Andritz-Quelle zeigt, so sind auch die Abbil<strong>der</strong> darauf unruhig<br />

und verzerrt und dementsprechend haben sie mit <strong>der</strong> wahren Wirklichkeit<br />

wenig gemein, obgleich sie uns als wahr und richtig erscheinen mögen.<br />

„Wenn ihr sehet einen ganz ruhigen Wasserspiegel, und es scheint die<br />

Sonne darein, so wird sie aus dem Wasserspiegel in <strong>der</strong>selben Majestät<br />

und Wahrheit wi<strong>der</strong>strahlen, als wie ihr sie sehet am Himmel. Und ebenso<br />

gehört ein ruhiges, leidenschaftsfreies Gemüt, das nur durch eine gänzliche<br />

Selbstverleugnung, Demut, Geduld und reinste Liebe erreicht werden<br />

kann, dazu, damit das Ebenmaß Gottes im Geiste des Menschen ebenso<br />

rein und wahr wi<strong>der</strong>strahle wie die Erdsonne aus einem ruhigen<br />

Wasserspiegel.<br />

Ist das bei einem Menschen <strong>der</strong> Fall, so ist in ihm alles zur Wahrheit<br />

gediehen, und seine Seele ist dann fähig, ihren Blick in die Tiefen <strong>der</strong>


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />

23<br />

Schöpfungen Gottes zu richten und alles schauen zu können in aller Fülle<br />

<strong>der</strong> reinsten Wahrheit.<br />

Aber sowie es in ihr zu wogen anfängt, so werden die Urbil<strong>der</strong> zerstört,<br />

und die Seele befindet sich dann schon notwendig auf dem Felde des<br />

Truges und <strong>der</strong> Täuschungen aller Art und Gattung und kann nicht zur<br />

reinen Anschauung gelangen, bis nicht in ihr die völlige Ruhe in Gott<br />

eingetreten ist.“ (Gr.Ev.Joh. II 148,9-10)<br />

So sagte schon <strong>der</strong> Mystiker Gerhard Tersteegen: „Alles außer uns ist<br />

und muss uns ein Spiegel sein, von dem, was innerlich zu finden ist.“<br />

Und Sundar Singh erkannte: „Der Mensch ist ein Teil des Weltalls und<br />

ist ein Spiegel, in welchem sich dieses abspiegelt. Darum bildet sich die<br />

sichtbare und unsichtbare Schöpfung in ihm ab.“<br />

Und Michel de Montaigne sagte: „Diese große Welt ist <strong>der</strong> Spiegel, in<br />

den wir hineinschauen müssen, um uns von Grund auf kennen zu lernen.“<br />

Der Neuoffenbarungskenner Viktor Mohr brachte diese Erkenntnis in<br />

einem kleinen Gedicht zum Ausdruck:<br />

„Die Welt ist ein Spiegel, beschau dein Gemüt<br />

und löse die Siegel, wenn’s erdwärts dich zieht.“<br />

Eine dazu ergänzende tief greifende Offenbarung des Herrn, welche wir<br />

nur ansatzweise zu begreifen imstande sein werden, möge uns nun<br />

innerlich beschäftigen:<br />

„So ihr zwei sehr lichte Spiegel gegeneinan<strong>der</strong> stellen würdet, so würde<br />

sich einer in dem an<strong>der</strong>n vollkommen abbilden. Dieses Abbild spiegelte<br />

sich dann wie<strong>der</strong> in dem ersten ab, und diese Abspiegelung dann wie<strong>der</strong><br />

im Abbilde des zweiten - und so immer gegenseitig A in B und B in A,<br />

und das natürlich so immerfort.<br />

Geradeso ist es mit euch! Eure Seele ist für die Außenwelt ein solcher<br />

Spiegel und euer Geist (ist es) für die innere Geisterwelt. Daher kommt es<br />

denn auch, dass alles und jedes einzelne in euch unendlichfach vorhanden<br />

ist, und daher auch bei dem Geiste die schnelle Gegenwart dessen, was er<br />

gedacht und gewollt hat.<br />

Ihr wisst nun aber, je feiner poliert irgendein Spiegel ist, desto reiner<br />

wird auch das Abbild. So ihr nun eure Seele durch die Demut recht<br />

polieret, damit sie zu einer völlig geebneten Fläche wird, indem ihr<br />

jegliche Erhöhung benommen ward, so werdet ihr bald Wun<strong>der</strong>dinge in<br />

euch zu schauen beginnen, nämlich: durch die Seele die Außenformen,<br />

und durch den Geist aus Mir aber, welcher eine Seele des Geistes ist, den<br />

vollen Inhalt jeden Gegenstandes.<br />

Und Ich setze denn ein Beispiel: Ihr dächtet einen Stein o<strong>der</strong> einen<br />

Baum, ein Tier o<strong>der</strong> was immer, so werdet ihr dessen Außengestalt zuerst


24 Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

ersehen. Dann aber wird sich das Licht des Geistes in die Seele ergießen<br />

und wird dieses Bild durch und durch erhellen. Und so werdet ihr dann ein<br />

solches Ding durch und durch zu erschauen imstande sein.<br />

Wenn dann nun <strong>der</strong> Seelenspiegel durch das Licht des Geistes gar fein<br />

glänzend wird, so werden sich die Innenformen in <strong>der</strong> Seele abzuspiegeln<br />

beginnen und dadurch auch eurem Verstande sichtbar werden, als sehet<br />

ihr sie mit den Leibesaugen. Und so ihr dann reden wolltet mit einem<br />

solchen Ding, dann wird Mein Geist in euch, von dem aus alles, vom Größten<br />

bis zum Kleinsten, nichts als fixierte o<strong>der</strong> gefestete Gedanken sind, in das<br />

gedachte Ding treten und aus demselben reden vom Urgrunde aus.<br />

Seht, da liegt nun enthüllt vor euren Augen, Ohren und Herzen, wie<br />

einst Adam und Abel und viele an<strong>der</strong>e mit aller Schöpfung haben reden<br />

können und auf welche Weise auch ihr euch in die Verbindung mit <strong>der</strong><br />

Geisterwelt setzen könntet, so ihr fest wollet.<br />

Deshalb solltet ihr aber auch zuvor eure Seele recht ‘polieren’,<br />

damit ihr alles dessen fähig würdet! Denn es gibt noch gar vieles, was<br />

von Mir Zeugnis gibt. Aber ihr seid noch zu töricht und unsinnig, um<br />

in <strong>der</strong> Schöpfung Meinen Namen zu merken. Daher schleifet, glättet<br />

und polieret fleißig an eurer Seele, so werdet ihr die Welt bald mit ganz<br />

an<strong>der</strong>en Augen anschauen und zu keinem Ende Meiner Wun<strong>der</strong> gelangen<br />

ewig!<br />

Es liegt nichts daran, wie ein Ding sei im Raum und in <strong>der</strong> Zeit; aber<br />

es liegt alles daran, wie euer Leben ist außer beidem. Mit den Augen des<br />

Fleisches nehmt ihr wahr Dinge außer euch; und mit den Augen <strong>der</strong> Seele<br />

in euch, und mit den Augen des Geistes schauet ihr aus dem Zentrum<br />

<strong>der</strong> Dinge und so auch eures Wesens. Aber erst durch den Hinzutritt<br />

Meines Geistes werden alle Dinge sprachfähig und lebendig durch und<br />

durch.“ (Hi. I S. 54,6-12)<br />

Die kreisförmigen Bewegungen auf <strong>der</strong> Oberfläche des<br />

Wasserspiegels des Quellteichs <strong>der</strong> Andritz sind nun, auf unseren<br />

Seelenspiegel bezogen, nichts an<strong>der</strong>es als solche Bekundungen aus<br />

unserem innersten Seelengrunde, aus unserem in uns schlummernden<br />

göttlichen Geistgrunde.<br />

Diese Bekundungen äußern sich auf unserer Seelenoberfläche in<br />

feinen Gemütsbewegungen, in den feinen, zarten Gefühlen unseres<br />

Herzens. Wer lernt, diese bewusst in sich wahrzunehmen und ihnen zu<br />

folgen, gewahrt darin die Stimme seines Gewissens, welche Worte des<br />

Geistes, Worte <strong>der</strong> ewigen Liebe an uns selbst enthalten.<br />

Wie wichtig die Beachtung unserer innersten Herzensgefühle ist, in<br />

denen sich unsere innere Welt unserer äußeren Welt mitteilt, in denen


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />

25<br />

<strong>der</strong> Geist zur Seele spricht, haben wir bereits oben gesehen. Wir ersehen<br />

daraus, dass in unserer gesamten Umwelt nichts durch Zufall geschehen<br />

kann, son<strong>der</strong>n alles, aber auch wirklich alles, nur für uns geschieht,<br />

damit wir uns darin erkennen mögen.<br />

Denn „es geschieht nichts in <strong>der</strong> geistigen Welt, was sich nicht<br />

entsprechend zugleich auch naturmäßig darstellen möchte; und so<br />

ebenfalls geschieht auch in <strong>der</strong> gesamten Natur nichts, ohne<br />

zureichenden entsprechenden geistigen Grund.“ (Hi. I S. 184,30)<br />

„Und so geschieht auf <strong>der</strong> Erde gar nichts, so ganz eigentlich pur<br />

Naturmäßiges für sich, son<strong>der</strong>n allzeit in voller Verbindung mit einem<br />

geistigen Zwecke; denn es ist in aller Welt das Geistige streng mit dem<br />

Naturmäßigen im steten Verbande und in einer steten wechselseitigen<br />

Aufeinan<strong>der</strong>wirkung.“ (Gr.Ev.Joh. VI 72,5)<br />

Schon Paulus erkannte diese Zusammenhänge, als er an die Korinther<br />

schrieb: „Es geschieht a l l e s um euretwillen.“ (2. Kor. 4,15)<br />

Und so erkennen wir auch in den Erscheinungen in und um die<br />

Andritz-Quelle ein getreues Abbild unseres eigenen Inneren, und je<strong>der</strong><br />

findet darin das ihm Entsprechende, sofern er sein Gefühlsauge auf die<br />

natürlichen Erscheinungen richtet und die Entsprechungen zu lesen sich<br />

bemüht.<br />

Schon <strong>der</strong> Herr gibt uns einen kleinen Wink, wie wir versuchen<br />

sollen, die entsprechenden Bil<strong>der</strong> des Quellteiches für unser Inwendiges<br />

anzuwenden.<br />

„Das geistige Nützliche (dieser Quelle) aber ist das, dass je<strong>der</strong> auf<br />

gleiche Weise still aus sich hervortreten soll durch kleine Mündungen, so<br />

wird er das Leben in sich nicht trüben durch eine törichte Heftigkeit<br />

und wird das Licht <strong>der</strong> Gnade ihn erleuchten können bis in den<br />

innersten Grund und wird sein ganzes Leben sein voll lebendiger<br />

Hoffnungen, wie dieser Quellgrund ist bewachsen mit schönen<br />

hellgrünen Kräutlein. Und so werden sich auch seine demütigen<br />

Erkenntnisse gleich den munteren Fischlein in dieser Quelle in dem<br />

hellen Wasser seines Lebens frei nach allen Richtungen bewegen, und es<br />

wird das schwache Schilf nur in seiner Äußerlichkeit vorkommen, aber<br />

die Tiefe seines Lebens wird frei sein, allezeit die Strahlen <strong>der</strong> Gnade bis<br />

in den innersten Grund aufzunehmen. Aber euch soll <strong>der</strong> ganze (weitere)<br />

Verfolg (dieser Quelle) zeigen, dass, wenn <strong>der</strong> Mensch zu sehr seine<br />

Kräfte ums tägliche Brot anwendet, so wird dadurch auch das Wasser<br />

seines Lebens immer mehr und mehr getrübt. Seine ihm verliehenen<br />

Kräfte für überflüssiges Zeug o<strong>der</strong> sogar für schlechtes Zeug<br />

anzuwenden, seht, das ist, was am Ende das Wasser des Lebens trübe


26 Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

macht.“ (Hi. I S. 207,25-27)<br />

Zu guter Letzt erhalten alle ernsthaft Strebenden und tätigen Befolger<br />

dieses Quellen-Evangeliums eine Verheißung von <strong>der</strong> Quelle selbst, sie ja<br />

erneut zu besuchen, sobald ihr Geist rege in ihren Herzen geworden ist,<br />

denn erst dann werden sie hinter dem äußeren Schein das wahre Sein<br />

erkennen und noch größere Offenbarungen erhalten:<br />

„Dieses wenige, was ihr vernommen habt, ist alles, was ich von mir und<br />

aus mir zur Stunde euch mitteilen kann und darf. Jedoch so ihr vor eurem<br />

Geiste auf eurer Oberfläche ähnliche Lebensbewegungen wahrnehmen<br />

werdet, wie ihr sie auf meiner spiegelglatten Oberfläche sehet, dann<br />

kommet wie<strong>der</strong> und lernet an meinem kleinen und seichten Ufer<br />

Wun<strong>der</strong>dinge <strong>der</strong> göttlichen Liebe und Macht tiefer erkennen!“ (Hi. I S. 61,15)<br />

<br />

Jesus, unser Vorbild<br />

Heinrich Seuse (1295-1366)<br />

„Das Vorbild Jesu, <strong>der</strong> uns innig nahe ist, näher als wir uns selbst sind,<br />

und <strong>der</strong> voll Gnade und Wahrheit ist, müssen alle, die nach wahrer<br />

Gottseligkeit trachten, immer gegenwärtig und vor Augen haben, im<br />

Innersten ihrer Seele, um beständig auf Ihn zu schauen, wie vollkommen<br />

Sein Leben, Sein Wandel und Sein Sinn, wie gelassen, einfältig,<br />

bescheiden und demütig Er war. Er soll meine Freude und meine Labung<br />

sein; auch äußerlich in meinen Worten und Werken müsse Sein Bild, das<br />

Bild des gekreuzigten und leidenden Heilands, aus mir hervorleuchten.<br />

Ihn sollen sie sich zu ihrem Reisegefährten, zum Freund und Gehilfen<br />

in ihrem ganzen Leben und Wandel erwählen, Ihn beim Essen, Trinken,<br />

Schlafen, an allen Orten, zu allen Zeiten und bei allen Menschen als<br />

gegenwärtig in den Augen ihres Gemüts betrachten, Sein Bild keinen<br />

Augenblick aus dem Gesicht lassen und sich stündlich darnach prüfen, wie<br />

sie gegen Gott gesinnt seien.“<br />

<br />

„Du bist ein Kind <strong>der</strong> Gnade. Wenn Gott dir die Gnade (gratia) deshalb<br />

gab, weil er sie umsonst (gratis) gab, so liebe ihn auch umsonst. Liebe Gott<br />

nicht um Lohn; er selbst sei dein Lohn!“ (Aurelius Augustinus 354-430)


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Unterschied zwischen dem äußeren und inneren Menschen 27<br />

Der Unterschied zwischen dem äußeren<br />

und inneren Menschen<br />

Miguel de Molinos (1628-1696)<br />

Es gibt zwei Arten geistiger Personen, innerliche und<br />

äußerliche. Die äußerlichen suchen Gott draußen, durch<br />

Vernunftschlüsse, Vorstellungen und Nachgrübeln. Sie<br />

bemühen sich namentlich durch vielerlei Fasten, Kasteiung<br />

des Körpers und Abtötung <strong>der</strong> Sinne, Tugend zu erlangen.<br />

Sie unterwerfen sich selbst strengen Bußübungen, kleiden<br />

sich in grobes Tuch, geißeln das Fleisch durch strenge<br />

Selbstzucht und beobachten Stillschweigen. Sie fühlen sich<br />

Miguel de Molinos<br />

Span. Priester und<br />

Mystiker<br />

in <strong>der</strong> göttlichen Gegenwart, indem sie sich Gott als gegenwärtig<br />

vorstellen nach <strong>der</strong> Idee, welche sie von Gott haben. Sie haben ihr<br />

Wohlgefallen daran, fortwährend nach Gott zu forschen, und geben ihre<br />

Liebe oftmals in heißen Liebesbezeugungen zu erkennen. All dieses ist<br />

aber Kunst und Meditation.<br />

Auf diese Weise trachten sie nach Größe und suchen (vermöge ihrer<br />

freiwilligen und äußerlichen Selbstpeinigung) nach sinnlichen<br />

Gemütsbewegungen und warmen Empfindungen, in dem Glauben, dass<br />

Gott nur dann in ihnen Wohnung nehme, wenn sie solche haben.<br />

Dies ist <strong>der</strong> äußere Weg und <strong>der</strong> Pfad <strong>der</strong> Anfänger. Obgleich er<br />

nützlich ist, gelangt man auf ihm doch nicht zur Vollkommenheit. Ja man<br />

kommt ihr darauf sogar nicht einen Schritt näher, wie die Erfahrung an<br />

vielen lehrt, welche nach 50 Jahren äußerlicher Übungen leer von Gott und<br />

voll ihrer selbst sind. Sie sind und bleiben nur dem Namen nach geistige<br />

Menschen.<br />

Es gibt an<strong>der</strong>e wahrhaft Geistige, welche den ersten Teil des inneren<br />

Weges, <strong>der</strong> zur Vollkommenheit und Vereinigung mit Gott führt,<br />

durchschritten haben. Denn Gott hatte sie durch seine unendliche Liebe<br />

von dem äußeren Wege abberufen, auf welchem sie sich vorher bewegten.<br />

Diese Menschen zogen sich in das Innere ihrer Seelen zurück, mit wahrer<br />

Ergebung in die Hände Gottes, unter einem völligen Vonsichwerfen und<br />

sogar Vergessen ihrer eigenen Persönlichkeit. Sie wandeln erhobenen<br />

Geistes beständig in des Herrn Gegenwart, durch reinen Glauben, ohne<br />

Bild, Form und Gleichnis, aber mit großer, in Seelenruhe und Gelassenheit<br />

gegründeter Zuversicht. In <strong>der</strong> ihnen verliehenen innerlichen Sammlung<br />

wirkt <strong>der</strong> Geist mit solch einer Kraft, dass er die Seele, das Herz, den<br />

Körper und alle seine Kräfte inwendig zusammenzieht.


28 Der Unterschied zwischen dem äußeren und inneren Menschen <strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

Insofern diese Seelen die innerliche Abtötung schon vollzogen haben,<br />

und von Gott in dem Feuer <strong>der</strong> Trübsal geläutert worden sind, durch lange<br />

und qualvolle Prüfungen, die alle an seiner Hand und nach seinem Willen<br />

geschickt werden, sind sie Herren über sich selbst, weil sie sich gänzlich<br />

besiegt und aufgeopfert haben. Also leben sie in großer Ruhe und innerem<br />

Frieden. Wenn sie auch bei manchen Gelegenheiten auf Wi<strong>der</strong>stand und<br />

Versuchungen stoßen, erringen sie doch bald den Sieg, weil sie bereits<br />

geprüft und mit göttlicher Kraft begabt sind. Der Sturm <strong>der</strong> Leidenschaft<br />

kann in ihnen nicht lange toben; wenn auch heftige Versuchungen und<br />

lästige Einflüsterungen des Bösen geraume Zeit in ihnen wirken können.<br />

Doch werden sie alle mit unschätzbarem Gewinn überwunden, denn Gott<br />

selbst kämpft in ihnen.<br />

Diese Seelen haben sich bereits eine größere Erleuchtung und wahres<br />

Wissen von Christus, unserem Herrn, errungen, sowohl in Bezug auf seine<br />

Gottheit, als auch auf seine Menschheit. Das ihnen verliehene Wissen<br />

gebrauchen sie mit ruhigem Schweigen in <strong>der</strong> innerlichen Unterredung und<br />

in dem erhabenen Teil <strong>der</strong> Seele. Diese innerliche Unterredung geschieht<br />

mit einem Geist, <strong>der</strong> frei ist von Vorstellungen und von außen kommenden<br />

Erinnerungen; mit einer Liebe, die rein und ledig ist von allen Kreaturen.<br />

Auch haben sie sich von nur äußerlichen Handlungen zu <strong>der</strong> Liebe zu Gott<br />

und <strong>der</strong> Menschheit aufgeschwungen. Sie vergessen, woran sie sich<br />

erfreuten, und in allem finden sie, dass sie ihren Gott von ganzem Herzen<br />

und von ganzer Seele lieben.<br />

Diese glückseligen und erhabenen Seelen finden kein Gefallen an<br />

weltlichen Dingen; son<strong>der</strong>n an Verachtung, am Alleinsein und daran, von<br />

je<strong>der</strong>mann vergessen und verlassen zu werden. Sie leben so uneigennützig<br />

und abgezogen dahin, dass sie sich (obgleich ihnen fortgesetzt<br />

übernatürliche Gnadengabe zuteil werden) doch immer gleich bleiben. Sie<br />

hängen ihr Herz an nichts, son<strong>der</strong>n hegen im Innersten eine große Demut<br />

und Selbstverachtung. Beständig sind sie in die Tiefe ihrer eigenen<br />

Unwürdigkeit und Niedrigkeit hinabgebeugt. Auf diese Weise sind sie<br />

immer ruhig, heiter und gleichmütigen Geistes, sowohl den<br />

außerordentlichen Beweisen göttlicher Gnadengaben gegenüber, wie auch<br />

in den strengsten und schärfsten Qualen. Es gibt keine Nachricht, welche<br />

sie zu erschüttern vermöchte, kein glückliches Ereignis, welches sie<br />

erfreuen könnte. Durch Trübsale werden sie nicht verstört, noch auch<br />

durch die innere, fortwährende und göttliche Gemeinschaft eitel und eingebildet<br />

gemacht. Sie bleiben stets voll heiliger und kindlicher Furcht, in<br />

bewun<strong>der</strong>nswürdigem Frieden, Beständigkeit und Heiterkeit <strong>der</strong> Seele.<br />

Die den äußerlichen Weg Wandelnden bemühen sich, fortwährend


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Unterschied zwischen dem äußeren und inneren Menschen 29<br />

alle Tugenden nacheinan<strong>der</strong> auszuüben, um sich dieselben für immer<br />

anzueignen. Sie streben danach, sich von ihren Unvollkommenheiten mit<br />

angemessener Kraftanspannung zu befreien. Sie lassen es sich angelegen<br />

sein, ihre selbstsüchtigen Neigungen, eine nach <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n, auszurotten,<br />

durch verschiedene und einan<strong>der</strong> entgegengesetzte Verfahren. Mit all ihren<br />

Bemühungen aber erreichen sie nichts, weil wir nichts tun können, das<br />

nicht mit Unvollkommenheit und Ungemach behaftet wäre.<br />

Auf dem innerlichen Wege dagegen und bei dem liebenden Verkehr in<br />

Gottes Gegenwart, wirkt <strong>der</strong> Herr selber. Die Tugend wird aufgerichtet,<br />

<strong>der</strong> Eigennutz ausgetilgt, Unvollkommenheiten zerstört und Leidenschaften<br />

entfernt. Das macht die Seele unerwartet frei, und zieht sie von<br />

allem ab (auch wenn sich Gelegenheit bietet), ohne dass sie auch nur des<br />

Guten gedächte, welches ihr Gott mit unendlicher Barmherzigkeit zugeteilt<br />

hat.<br />

Es muss jedoch bemerkt werden, dass diese Seelen, obschon sie zu<br />

hoher Vollkommenheit gelangt sind und wahre göttliche Erleuchtung<br />

besitzen, doch ihre eigene Gebrechlichkeit, ihre Schwächen und<br />

Untugenden tief erkennen. Sie sehen, was sie noch bedürfen, um zur<br />

Vollkommenheit zu gelangen. Sie sind bekümmert und verachten sich<br />

selbst. Sie üben sich selbst in lieben<strong>der</strong> Gottesfurcht und Verachtung ihrer<br />

selbst. Das geschieht aber mit wahrer Zuversicht auf Gott und Misstrauen<br />

gegen sich selbst, je demütiger sie in wirklicher Selbstverachtung und<br />

Selbsterkenntnis werden, umso größeres Gefallen hat Gott an ihnen, und<br />

sie gelangen dadurch zu einer beson<strong>der</strong>en Achtung und Verehrung in<br />

seiner Gegenwart. All dem Guten, das sie tun, und allem was sie<br />

fortwährend von innen und außen erleiden, messen sie vor <strong>der</strong> göttlichen<br />

Gegenwart keinerlei Bedeutung bei.<br />

Ihr stetiges Bestreben richtet sich darauf, mit Ruhe und Stillschweigen<br />

in sich einzudringen, in Gott, weil dort sein Zentrum, seine Wohnung und<br />

Freude ist. Sie legen größeren Wert auf diese innere Abgeschiedenheit, als<br />

auf das Sprechen über Gott. Sie ziehen sich in das innere, geheime<br />

Zentrum <strong>der</strong> Seele zurück, um Gott zu erkennen und seinen göttlichen<br />

Einfluss mit Furcht und lieben<strong>der</strong> Verehrung in sich aufzunehmen. Wenn<br />

sie aus sich herausgehen, tun sie es nur zu dem Zwecke, sich selbst zu<br />

erkennen und zu verachten.<br />

Wisse aber, dass die Zahl <strong>der</strong> Seelen, die diesen göttlichen Zustand<br />

erlangen, gering ist. Denn es gibt nur wenige, welche gern Verachtung<br />

erleiden und sich läutern und reinigen lassen wollen. Aus diesem Grunde<br />

wird selten eine Seele gefunden, die weiter fortschreitet und nicht auf <strong>der</strong><br />

Schwelle beharren bleibt, obgleich viele diesen inneren Weg betreten. Der


30 Gott kann nicht außerhalb seiner selbst gefunden werden <strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

Herr sagte zu einer Seele: „Dieser innere Weg wird von wenigen betreten.<br />

Er stellt eine so hohe Gnadengabe dar, dass sie niemand verdient. Sie wird<br />

nur wenigen zuteil, weil dieser Pfad nichts an<strong>der</strong>es ist als ein Sterben <strong>der</strong><br />

Sinne. Die Zahl <strong>der</strong>er ist aber klein, welche so sterben und vernichtet<br />

werden wollen. Es braucht aber eine solche Gesinnung, um dieses so hohe<br />

und herrliche Geschenk zu erhalten.“<br />

Durch das was bisher gesagt worden ist, wirst du von deinem Irrtum<br />

befreit worden sein, und voll und ganz den großen Unterschied erkennen,<br />

<strong>der</strong> zwischen dem äußeren und inneren Wege besteht. Du siehst jetzt den<br />

Unterschied <strong>der</strong> Gegenwart Gottes, welche durch die Meditation<br />

hervorgerufen wird, und welche von Gott verliehen und übernatürlichen<br />

Ursprungs ist, die herbeigeführt wird durch die innere Vereinigung und<br />

durch passive Beschauung. Und endlich wirst du den großen Unterschied<br />

erkennen zwischen dem äußerlichen und innerlichen Menschen.<br />

Gott kann nicht außerhalb seiner selbst gefunden werden<br />

Madame Guyon (1648-1717)<br />

Oft ist mir die Frage gestellt worden, ob ein Anfänger<br />

auf dem inneren Wege den Herrn zuerst auf äußerliche<br />

Weise, und erst nachher in sich selbst suchen soll Ein<br />

Anfang im geistlichen Leben ist nur dann ein rechter<br />

Anfang, wenn <strong>der</strong> Herr nicht auf Umwegen gesucht wird!<br />

denn das käme einem großen Fehler gleich. Sucht ein<br />

junger Gläubiger Gott auf eine mehr äußerliche Weise, so<br />

wird er nach einem Gott Ausschau halten, <strong>der</strong> äußerlich<br />

wahrnehmbar und unterscheidbar ist. Das wird zuletzt zu<br />

Jeanne Marie Bouvier<br />

de la Mothe Guyon<br />

Franz. Mystikerin<br />

einer traurigen Begebenheit, da er von einem Ende des Himmels bis zum<br />

an<strong>der</strong>n nach seinem Gott suchen muss.<br />

Was wird nun die natürliche Folge eines solchen Fehlers sein Anstatt<br />

im inwendigen Christenleben heranzureifen, mit eingesammeltem Wesen<br />

in Gottes Gegenwart zu wandeln, und den Herrn innerlich anzurufen, wird<br />

dieser junge Gläubige seine Kräfte damit vergeuden, den Herrn an einem<br />

Ort zu suchen, wo Er nicht aufzufinden ist.<br />

Euch ist sicher das Verfahren bekannt, womit ein Künstler die für sein<br />

Gemälde geeigneten Linien zieht. Er führt von vielen auseinan<strong>der</strong><br />

liegenden Punkten Linien auf einen zentralen Punkt in <strong>der</strong> Mitte des<br />

Bildes. Jede Linie wird kraftvoller, wenn sie sich einer an<strong>der</strong>n nähert, und<br />

alle Linien berühren sich in einem Schnittpunkt nahe <strong>der</strong> Bildmitte.


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Gott kann nicht außerhalb seiner selbst gefunden werden 31<br />

Umgekehrt wird jede Linie schwächer und unbestimmter, je mehr sie sich<br />

vom Zentrum entfernt. So verhält es sich auch im Leben <strong>der</strong> Gläubigen.<br />

Der Gläubige wendet sich einwärts, in seinen Geist hinein, und <strong>der</strong> Herr<br />

begegnet ihm dort - in <strong>der</strong> Sphäre des Geistes. Je öfter dies geschieht,<br />

desto gewaltiger wird die Liebesneigung zu Gott hin, und desto<br />

umfassen<strong>der</strong> wird ihm die Kraft zur Erfüllung <strong>der</strong> Werke Jesu gegeben.<br />

Wenn ihr nun wie<strong>der</strong> auf das Gemälde blickt, so seht ihr die Linien<br />

weit verstreut, aber auch, wie sie sich allmählich in <strong>der</strong> Mitte vereinigen.<br />

So ist es auch mit <strong>der</strong> Seele. Sie kommt von vielen zerstreut liegenden<br />

Orten her, und geht in ihr Zentrum ein, wo nichts getrennt und nichts<br />

unterschieden wird. An diesem Ort erhält die Seele die Befähigung, ja die<br />

Vollmacht, Gott zu besitzen. Wenn ein Christ innerlich vom Geist geleitet<br />

werden will, muss er Gott in seinem Inwendigen suchen ... Das geschieht<br />

durch eine Sammlung aller Gedanken zu Ihm hin. Ohne das wird er das<br />

Allerinnerste, die Wohnstätte Gottes in ihm, nicht erreichen. Dort<br />

angekommen, muss er aber wie<strong>der</strong> hinausgehen (nicht im Sinn einer<br />

Rückkehr zu <strong>der</strong> Vielzahl von äußerlichen Orten, son<strong>der</strong>n indem er durch<br />

sich und über sich hinausschreitet), und noch weiter nach innen gehen,<br />

hinein in das Allerinnerste Gottes. Das ist die Verlassung seiner selbst. Die<br />

Seele geht aus sich aus, nicht indem sie nach außen von sich weggeht,<br />

son<strong>der</strong>n indem sie nach innen von sich weggeht. Lebt sie mit ihren<br />

Gedanken und ihrem ganzen Wesen eingesammelt, so verlässt sie sich<br />

selbst, nämlich das Zentrum <strong>der</strong> Geschöpflichkeit, und verliert sich im<br />

Zentrum ihres Schöpfers.<br />

Stellt euch den Raum <strong>der</strong> Seelenwelt einmal als eine Art Rasthaus o<strong>der</strong><br />

Gasthof vor. Der Reisende wird notwendig auf seiner Reise beim Gasthof<br />

vorbeigehen. Hat er sich dort eine Weile aufgehalten und will weitergehen,<br />

so lenkt er seine Schritte nicht wie<strong>der</strong> zurück, son<strong>der</strong>n schreitet auf <strong>der</strong><br />

Landstrasse vorwärts. Je weiter er sich vom Gasthof entfernt, desto mehr<br />

lässt er auch sich selbst zurück, nicht in Bezug auf die Sichtverbindung,<br />

son<strong>der</strong>n auch in Bezug auf sinnliche und äußere Empfindungen. Wer sich<br />

dem Innersten seines eigenen Wesens nähert, wird dort Gott finden. Der<br />

Gläubige ist eingeladen, aus sich selbst auszugehen und weiter nach innen<br />

zu gehen.<br />

Haben wir diesen Punkt erreicht, gehen wir in unseren Herrn hinein.<br />

Hier, im Allerinnersten unseres Seins, begegnen wir Ihm. Gehen wir über<br />

diesen Punkt hinaus, finden wir Ihn wahrlich an einem Ort, wo das<br />

Selbstleben nicht mehr ist. Je weiter unsere Reise geht, je weiter wir uns in<br />

Ihm verlieren, desto weiter bleibt unser Selbst zurück und entfernt sich<br />

immer mehr.


32 Die Erfüllung göttlicher Verheißungen<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

Die Erfüllung göttlicher Verheißungen<br />

„Ihr werdet auf euren Wegen und Stegen als Mitarbeiter am Reiche<br />

Gottes gar oft in die Gelegenheit kommen, dass euch eure Jünger dringlich<br />

fragen werden und sagen: ,Eure Lehre ist wohl sehr erhaben, schön und<br />

ergreifend; aber die uns von euch gemachte Verheißung geht noch immer<br />

nicht in irgendeine Erfüllung. Wir sollen in uns die Stimme des Vaters<br />

vernehmen, ja den Vater sogar zu sehen und zu sprechen ward uns<br />

verheißen; aber von all dem haben wir bis jetzt noch nichts in Erfahrung<br />

gebracht. Wenn eure Lehre Wahrheit enthält, so müssen sich auch eure uns<br />

gemachten Verheißungen an uns erwahren (bewahrheiten). Wir beachten<br />

alles, und immer noch verspüren wir nichts an uns von einer Erfüllung <strong>der</strong><br />

uns von euch gemachten Verheißungen! Gebt uns Rede und Antwort, und<br />

sagt es uns treu und offen, worin es da liegt, dass sich eure Verheißungen<br />

an uns nicht und nimmer erwahren (erfüllen) wollen!‘ – Was werdet ihr in<br />

diesem Falle zu ihnen sagen“<br />

„Weil ich aber sehe, dass ihr die von mir euch gegebene Frage in<br />

keinem Falle mir beantworten könntet, so will ich sie euch denn selbst für<br />

euer gewecktes Verständnis als genügend beantworten. Ihr aber müsset<br />

solche meine Beantwortung euch wohl merken und recht tief in eure<br />

Herzen schreiben, denn es liegt daran gar vieles, ja am Ende alles, dass ihr<br />

die Bedingungen genauest kennt, die zur vollen Erreichung <strong>der</strong> wahren<br />

Kindschaft Gottes notwendig sind, weil sie nach <strong>der</strong> unwandelbaren<br />

göttlichen Ordnung notwendig sein müssen.<br />

Ihr wisset, dass ein je<strong>der</strong> Mensch sich selbst, ganz unabhängig von <strong>der</strong><br />

Allmacht des göttlichen Willens, frei aus sich nach <strong>der</strong> anerkannten<br />

göttlichen Ordnung ausbilden und ausformen muss, um auf diese Art ein<br />

freies Gotteskind zu werden.<br />

Das angeratene, kräftigste und somit wirksamste Mittel dazu ist die<br />

Liebe zu Gott und im gleichen Maße die Liebe zum Nächsten, sei er ein<br />

Mann o<strong>der</strong> ein Weib, jung o<strong>der</strong> alt, das ist eins.<br />

Der Liebe zur Seite steht die wahre Demut, Sanftmut und Geduld, weil<br />

die wahre Liebe ohne diese drei Nebenstücke gar nicht bestehen kann und<br />

keine wahre und reine Liebe ist.<br />

Wie aber kann <strong>der</strong> Mensch in sich erfahren, dass er in <strong>der</strong> reinen Liebe<br />

nach <strong>der</strong> göttlichen Ordnung sich ganz getreulich befindet<br />

Der Mensch prüfe sich, so er einen armen Bru<strong>der</strong> o<strong>der</strong> eine arme<br />

Schwester sieht o<strong>der</strong> diese gar zu ihm um einen Beistand kommen, ob es<br />

ihn in seinem Herzen ganz offenliebig zum Geben freudigst und maßlos,<br />

seiner selbst ganz vergessend drängt! Verspürt er solches in sich, und das


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Die Erfüllung göttlicher Verheißungen<br />

33<br />

natürlich ganz vollkommen ernstlich und lebendig, so ist er als ein wahres<br />

Gotteskind schon reif und fertig, und die gemachten Verheißungen, die ein<br />

sogestaltig fertiges Gotteskind zu gewärtigen hat, beginnen da in die volle<br />

Realität zu treten und sich als wun<strong>der</strong>bar in Rede und Tat zu zeigen, und<br />

ihr werdet dadurch gerechtfertigt als Lehrer vor euren Jüngern erscheinen.<br />

Jene Jünger aber, bei denen die Verheißungen nicht offenbar werden,<br />

werden sich danach zu richten und es sich selbst zuzuschreiben haben, so<br />

bei ihnen die gemachten Verheißungen noch immer nicht zur Sicht<br />

gekommen sind; denn sie haben ihr Herz noch nicht völlig geöffnet <strong>der</strong><br />

armen Nächstenmenschheit.<br />

Die Liebe zu Gott und die freiwillige Befolgung Seines erkannten<br />

Willens sind das eigentliche Element <strong>der</strong> Himmel im Menschenherzen.<br />

Es ist das die Kammer und die Wohnstube des göttlichen Geistes in<br />

einem jeden Menschenherzen; die Nächstenliebe aber ist das Tor in<br />

diese heilige Wohnstube.<br />

Dieses Tor muss ganz geöffnet sein, damit Gottes Lebensfülle in solche<br />

Stube einziehen kann, und die Demut, Sanftmut und Geduld sind die drei<br />

weit geöffneten Fenster, durch die vom mächtigsten Lichte aus den<br />

Himmeln die heilige Wohnstube Gottes im Menschenherzen allerhellst<br />

erleuchtet und mit aller Lebensfülle aus den Himmeln durchwärmt wird.<br />

Alles liegt demnach an <strong>der</strong> freien und freudigst offensten<br />

Nächstenliebe; die höchstmögliche Selbstverleugnung ist die<br />

Offenbarung <strong>der</strong> Verheißungen selbst. – Da habt ihr nun die rechte<br />

Antwort auf die allerwichtigste Lebensfrage. Überdenket sie und tut<br />

danach, so werdet ihr gerechtfertigt vor euch selbst, vor euren Brü<strong>der</strong>n und<br />

vor Gott dastehen! Denn was nun <strong>der</strong> Herr Selbst tut, das werden auch die<br />

Menschen tun müssen, um Ihm ähnlich und also Seine Kin<strong>der</strong> zu werden.<br />

– Habt ihr dies alles verstanden<br />

Gut aber ist es, dass ihr solches in <strong>der</strong> wahren Lebenstiefe aufgefasst<br />

habt! Mit diesem Mittel werdet ihr allezeit jedem begegnen können, <strong>der</strong> da<br />

kommen und sagen wird: ,Freund, wohl habe ich bisher alles getan und<br />

geglaubt, was du mich gelehrt hast; aber von den verheißenen Wirkungen<br />

hat sich bis zur Stunde keine einzige eingestellt! Was soll ich denn noch<br />

tun Ich habe meine gute, alte Lehre meiner Väter verlassen, in <strong>der</strong> sie gar<br />

oft allen Trost, den besten Rat und die nötige Hilfe in allerlei Nöten<br />

fanden, und diese neue Lehre lässt mich samt meinem Nachbar als Waise;<br />

keine Bitte wird irgend erhört und kein finsterer Zweifel erhellt! Wo ist<br />

dein so herrlicher Gott, von dem aus du uns alles Glück verheißen hast und<br />

an<strong>der</strong>es Wun<strong>der</strong>bares!‘<br />

Du aber wirst ihm dann leicht also antworten können: ,Freund, daran


34 Die Erfüllung göttlicher Verheißungen<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

schuldet nicht die Lehre, son<strong>der</strong>n dein Unverstand! Wohl hast du die Lehre<br />

in deinen Verstand aufgenommen, und hast auch versuchsweise sogar<br />

streng danach gehandelt und wartetest auf die vorteilbringende Erfüllung<br />

<strong>der</strong> Verheißung; du tatest jedoch das Gute <strong>der</strong> Lehre nur <strong>der</strong><br />

vorteilbringenden Verheißung, nicht aber des Guten willen! Du warst<br />

nur tätig aus deinem Verstande, nie aber noch aus deinem Herzen! Dieses<br />

blieb in sich hart und kalt wie vor dem Empfange <strong>der</strong> rein göttlichen<br />

Lehre; daher auch gelangtest du we<strong>der</strong> durch die Tat noch durch den toten<br />

und blinden Glauben zu einer Erfüllung <strong>der</strong> dir gegebenen Verheißungen!<br />

Erwecke nun dein Herz! Tue alles, was du tust, aus dem wahren<br />

Lebensgrunde! Liebe Gott Seiner Selbst willen über alles und ebenso<br />

deinen Nächsten!<br />

Tue das Gute des Guten willen aus deinem Lebensgrunde heraus, und<br />

frage nicht ob deines Glaubens und ob deiner Tat nach <strong>der</strong> Erfüllung <strong>der</strong><br />

Verheißung, ob sie wohl kommen werde o<strong>der</strong> nicht! Denn die Erfüllung ist<br />

eine Folge dessen, dass du lebendig im Herzen glaubst, fühlst und aus dem<br />

lebendigsten Liebesdrange heraus tätig wirst. So aber, wie du bis jetzt<br />

geglaubt hast und tätig warst, warst du gleich einem Menschen, <strong>der</strong> im<br />

Traume geackert und gesät hat und wollte dann im wachen Zustande<br />

ernten, fand aber we<strong>der</strong> Acker noch die gesäte Frucht.<br />

Des Menschenverstandes Wissen, Glauben und Handeln ist eine eitle<br />

Träumerei und ist kein Lebensnutz darin. Alles muss <strong>der</strong> Mensch sich<br />

zum Herzen nehmen, in dem das Leben weilet; was er ins Herz legt, wird<br />

aufgehen und die verheißenen Früchte tragen.<br />

Wer da nicht also sein Leben zu ordnen versteht o<strong>der</strong> verstehen will<br />

und ist selbstsüchtig auch durch den Glauben und durch sein Denken, <strong>der</strong><br />

wird nie zu einer Erfüllung <strong>der</strong> Verheißung gelangen; denn sie ist die<br />

Frucht <strong>der</strong> Tätigkeit des Herzens!‘<br />

Wenn ihr dem, <strong>der</strong> euch nach <strong>der</strong> noch nicht erfolgten Erfüllung <strong>der</strong><br />

Verheißung fragen wird, also antworten werdet, so wird er euch dann in<br />

Frieden lassen und zu trachten anfangen, in seinem Herzen wahrhaft tätig<br />

zu werden.<br />

Wird er das, so wird sich dann bei ihm selbst schon zu zeigen anfangen,<br />

dass die Verheißung <strong>der</strong> Gotteslehre kein eitel leeres Versprechen ist; wird<br />

er aber fortfahren, nur allein seinen Verstand zu Rate zu ziehen und danach<br />

tätig zu sein, so wird er es sich selbst zuzuschreiben haben, so er zu keiner<br />

Erfüllung <strong>der</strong> gemachten Verheißung sein ganzes Erdenleben hindurch<br />

gelangen wird – und auch jenseits sehr schwer!“ (GEJ.3; 240,2-9)


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

35<br />

Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

Sonntagabendgespräche einer Familie<br />

Ölbäume, Weinstöcke, Feigenbäume, Eichen, Ze<strong>der</strong>n<br />

Vater: Nun, meine Kin<strong>der</strong>, ich hoffe, es sind in keinem von euch<br />

während <strong>der</strong> Woche Zweifel aufgestiegen, über die bildliche Eigenschaft<br />

<strong>der</strong> Bäume, von welchen wir letzten Sonntag gesprochen haben<br />

Paul: Bei mir durchaus nicht, Vater. Dagegen habe ich verschiedene<br />

Stellen in meiner Bibel gefunden, welche klar beweisen, dass Bäume eine<br />

bildliche Bedeutung haben.<br />

Anna: Das gleiche habe auch ich getan.<br />

Mutter: So, das ist recht, meine Lieben, dann lasst uns einige <strong>der</strong>selben<br />

hören.<br />

Paul: Unter den vielen Stellen, die ich in den Propheten entdeckt habe,<br />

will ich eine aus dem Hesekiel lesen. Sie steht in Kapitel 17,24 „Und alle<br />

Feldbäume sollen erfahren, dass Ich <strong>der</strong> Herr, den hohen Baum erniedrigt<br />

und den niedrigen Baum erhöht habe und den grünen Baum ausgedorrt und<br />

den dürren Baum grünend gemacht habe. Ich <strong>der</strong> Herr, rede es und tue es<br />

auch.“<br />

Vater: Vielleicht hat Paul einen Gedanken darüber, was die Bedeutung<br />

dieser Stelle sein mag.<br />

Paul: Du sagtest uns, das Feld sei ein Bild <strong>der</strong> Kirche. Die Bäume <strong>der</strong><br />

Fel<strong>der</strong> müssen daher die Menschen in <strong>der</strong> Kirche bezeichnen. Der hohe<br />

Baum ist <strong>der</strong> stolze Mensch, <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>e Baum ist <strong>der</strong> demütige Mensch.<br />

Der grüne Baum ist <strong>der</strong> selbstgerechte Mensch und <strong>der</strong> dürre Baum ist <strong>der</strong><br />

Mensch, welcher fühlt, dass durchaus nichts Gutes in ihm selbst ist und<br />

<strong>der</strong>, um solches zu erlangen, zu Gott aufsieht.<br />

Mutter: Sehr gut! Wir hätten in einer ganzen Predigt nicht besser<br />

darüber belehrt werden können.<br />

Vater: Paul hätte aber seinen kleinen Vortrag sogar ganz in die Worte<br />

<strong>der</strong> Schrift kleiden können. Erinnert ihr euch nicht, dass Maria sang, wie<br />

wir lesen im Lukas 1,52-53: „Die Mächtigen stürzt er vom Throne, die<br />

Niedrigen hebt er empor. Er spendet den Dürftigen reichliche Güter; leer<br />

weist er Reiche zurück“ <br />

Mutter: Seht einmal da, die beiden Stellen haben ja genau dieselbe<br />

Bedeutung!<br />

Vater: Ja, meine Liebe, nur wird dieselbe in dem einen Fall in<br />

biblischen Bil<strong>der</strong>n ausgedrückt, während sie in dem an<strong>der</strong>n in klaren<br />

Worten dargelegt wird. Ich sehe aber, Anna möchte auch etwas sagen,


36 Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

lasset uns hören, was es ist.<br />

Anna: Ich habe verschiedene Stellen in den Evangelien gefunden, wo<br />

Jesus in gleicher Weise von Bäumen spricht. Er erzählte seinen Jüngern<br />

von guten Bäumen und schlechten Bäumen und von guten Früchten und<br />

schlechten Früchten und die guten Bäume verglich Er mit den guten<br />

Menschen und die schlechten Bäume mit den bösen Menschen.<br />

Vater: Die gleiche Art von Lehre durchzieht die ganze Bibel, vom<br />

ersten Buche Mosis bis zur Offenbarung. Ihr versteht es wohl ganz gut,<br />

dass wenn wir sagen, Bäume sind Symbole von Menschen, es dasselbe ist,<br />

wie wenn wir sagen, sie seien Symbole von Grundsätzen. Sie bilden<br />

Menschen in <strong>der</strong> Kirche o<strong>der</strong> Grundsätze im Gemüte vor.<br />

Anna: Das verstehe ich nicht ganz, Vater.<br />

Vater: Vielleicht nicht. Kannst du nicht einsehen, dass ein guter<br />

Mensch ein Mensch ist, in dessen Gemüt Grundsätze des Guten<br />

eingewurzelt sind und wachsen.<br />

Paul: Ja, das ist ja einfach und klar. Der Mensch ist so, wie sein<br />

Gemüt. Er ist, wie es die Schrift ausdrückt, ‚ein guter Baum‘, wenn die<br />

Grundsätze des Guten wirklich in seiner Seele begründet sind.<br />

Vater: Lasset uns das daher bei keinem unserer Gespräche vergessen.<br />

Wir kamen aber überein, vorzugsweise von dem bildlichen Charakter von<br />

drei beson<strong>der</strong>en Baumarten zu sprechen, dem Ölbaum, dem Weinstock<br />

und dem Feigenbaum und dann auch von Eichen und Ze<strong>der</strong>n.<br />

Mutter: Ich glaube, ich hörte dich sagen, die drei Bäume, welche du<br />

nanntest, seien Bil<strong>der</strong> dreier Arten von Menschen in <strong>der</strong> Kirche.<br />

Vater: Das sind sie, meine Liebe. Der Ölbaum ist ein Bild <strong>der</strong>er, bei<br />

welchen die Liebe vorherrscht. Der Weinstock ist ein Bild <strong>der</strong>er, bei<br />

welchen die Weisheit vorherrscht und <strong>der</strong> Feigenbaum ist ein Bild <strong>der</strong>er,<br />

bei welchen we<strong>der</strong> die Liebe, noch die Weisheit sehr groß ist, die aber<br />

dessen ungeachtet gehorsam sind. Mit an<strong>der</strong>en Worten, <strong>der</strong> Ölbaum ist ein<br />

Bild <strong>der</strong> Liebe, <strong>der</strong> Weinstock ist ein Bild <strong>der</strong> Weisheit und <strong>der</strong><br />

Feigenbaum ein Bild des Gehorsams.<br />

Anna: Aber, Vater, kannst du alles das beweisen<br />

Vater: Ich glaube es, meine Liebe. Es wird aber eine geraume Zeit in<br />

Anspruch nehmen, um alles durchzugehen. Zuallererst aber wollen wir<br />

einige Worte über die Eichen und Ze<strong>der</strong>n sagen.<br />

Paul: Der Ölbaum, <strong>der</strong> Weinstock und <strong>der</strong> Feigenbaum sind<br />

Fruchtbäume; Eichen und Ze<strong>der</strong>n dagegen nicht. Diese sind jedoch weit<br />

größer und majestätischer vom Aussehen, als die ersteren.<br />

Vater: Das ist eine sehr zutreffende Beobachtung. Die drei ersteren<br />

sind Symbole <strong>der</strong> demütig Liebenden, <strong>der</strong> Weisen und Gehorsamen in <strong>der</strong>


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

37<br />

Kirche. Die letzteren <strong>der</strong> großen und mächtigen Geister, welche den<br />

Beifall und die Bewun<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Menschen auf sich ziehen.<br />

Paul: Darf ich dir einige Namen solcher nennen, Vater<br />

Vater: Ich zweifle nicht daran, dass du das könntest. Ihre Werke stehen<br />

in meinem Bücherschrank. Einige von ihnen sind große Dichter, Redner,<br />

Philosophen und Männer <strong>der</strong> Wissenschaft, <strong>der</strong>en Ruhm sich über die<br />

ganze Welt erstreckt.<br />

Anna: Sie sind aber doch keine bösen Menschen, Vater<br />

Vater: Das ist durchaus nicht notwendig. Auch die Eichen und Ze<strong>der</strong>n<br />

sind sehr nützlich, obgleich sie keine Oliven, Trauben o<strong>der</strong> Feigen tragen.<br />

Wenn diese Männer ihre geistige Macht zu nützlichen Zwecken anwenden,<br />

preisen sie den Herrn und führen Sein Werk aus. Ist dir bekannt Anna, dass<br />

in Psalm 148,9 ‚Fruchtbäume und alle Ze<strong>der</strong>n‘ aufgefor<strong>der</strong>t werden, den<br />

Herrn zu loben<br />

Anna: O, das ist ja wahr, Vater. Ich dachte bis diesen Augenblick nicht<br />

daran, was damit gemeint sein könnte.<br />

Mutter: Nun, meine Tochter, was meinst du denn jetzt, dass es<br />

bedeutet<br />

Anna: Ich meine, dass diejenigen, welche demütige Christen sind und<br />

Früchte des Geistes tragen, sowohl als diejenigen, welche groß und<br />

mächtig sind und uns durch ihre Hoheit in Staunen versetzen, die ihnen<br />

von Gott geschenkte Kraft richtig anwenden und so den Herrn loben<br />

sollen.<br />

Paul: Mich dünkt, Anna hat es getroffen, Vater. Ich möchte aber einige<br />

Namen von Männern nennen, <strong>der</strong>en Gemüter, wie ich glaube, den Eichen<br />

und Ze<strong>der</strong>n ähnlich sind und welche unter diesen Bil<strong>der</strong>n beschrieben<br />

werden.<br />

Vater: Es wird besser sein, mein Sohn, das nicht zu tun. Wir möchten<br />

uns irren und von <strong>der</strong> Nächstenliebe abweichen, denn, wie du wissen<br />

magst, gründen sich unsere Urteile nur auf eine sehr oberflächliche<br />

Kenntnis. Es ist genug, für uns zu wissen, dass es solche Leute gibt und<br />

dass sie in <strong>der</strong> Bibel als Eichen und Ze<strong>der</strong>n beschrieben werden.<br />

Anna: Wenn wir nicht mehr über die Eichen und Ze<strong>der</strong>n sprechen<br />

dürfen, Vater, dann müssen wir an den Ölbaum, den Weinstock und den<br />

Feigenbaum gehen. Bist du sicher, Vater, dass es drei Arten von<br />

Menschen, wie du sie beschrieben hast, in <strong>der</strong> Kirche gibt<br />

Vater: Gewiss, liebe Tochter.<br />

Anna: Ich habe dieselben niemals beobachtet, Vater.<br />

Vater: Bist du dessen sicher. Kennst du nicht ein kleines Mädchen,<br />

welches zur Schule geht, weil sie es liebt hinzugehen


38 Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

Anna: Ja, Vater, ein solches Mädchen kenne ich, aber nur eines.<br />

Fre<strong>der</strong>ike liebt ihre Schule - ihr ganzes Herz ist dort.<br />

Vater: Gut, Anna, hier hast du ein Beispiel von jemandem, <strong>der</strong> zur<br />

ersten Klasse gehört. Kennst du nun nicht irgendein Mädchen, welches zur<br />

Schule geht, nicht weil es beson<strong>der</strong>s gerne hingeht, son<strong>der</strong>n weil es<br />

verständig genug ist, einzusehen, dass es gut ist, hinzugehen.<br />

Anna: Ja, Vater, auch ein solches Mädchen kenne ich und zwar sehr<br />

gut, besser als irgendein an<strong>der</strong>es Mädchen.<br />

Paul: Sie selbst ist das Mädchen, das sie meint.<br />

Vater: Gut, an Anna haben wir ein Beispiel von Menschen <strong>der</strong> zweiten<br />

Klasse. Ich habe aber noch eine weitere Frage zu stellen. Kennst du nicht<br />

ein kleines Mädchen, das in die Schule geht, nicht deshalb, weil es<br />

hinzugehen liebt o<strong>der</strong> verständig genug ist, um zu denken, dass es gut für<br />

es sei, son<strong>der</strong>n einfach, weil es seinen Eltern gehorchen möchte<br />

Anna: O Vater, solche kenne ich mehr als ein Dutzend. We<strong>der</strong> Marie<br />

noch Charlotte lieben die Schule, noch glaube ich, sie sehen den Nutzen<br />

davon ein. Sie sagten mir, sie würden nicht hingehen, wenn es ihre Eltern<br />

nicht wünschten.<br />

Vater: Ei, Anna, ich meinte, du hättest gesagt, du kennst die drei<br />

Klassen von Menschen nicht, von welchen ich sprach - die Liebenden, die<br />

Weisen und die Gehorsamen und jetzt scheint es, du kennst sie alle, denn<br />

du hast sie genau beschrieben! Ich sagte dir aber, es gebe solche<br />

Menschen, weil die Bibel ihrer erwähnt.<br />

Paul: Wo werden sie in <strong>der</strong> Bibel beschrieben<br />

Vater: In Matthäus Kapitel 25. Erinnerst du dich nicht des Gleichnisses<br />

von den Pfunden, wie ein Knecht fünf, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e zwei und <strong>der</strong> dritte eins<br />

erhalten hatte<br />

Paul: Ich erinnere mich dessen, Vater. Und die drei Knechte<br />

bezeichnen, wie es scheint, drei Klassen von Menschen, von welchen<br />

erwartet wird, dass sie die Gaben Gottes, je nach ihren verschiedenen<br />

Fähigkeiten benützen.<br />

Vater: Diese drei Klassen, welche hier als im Besitze von Gaben<br />

verschiedenen Wertes bezeichnet sind, werden an an<strong>der</strong>en Teilen des<br />

Wortes als Bäume von verschiedener Eigenschaft bezeichnet. Der Knecht<br />

mit den fünf Pfunden ist <strong>der</strong> Ölbaum, <strong>der</strong> mit den zwei Pfunden ist <strong>der</strong><br />

Weinstock und <strong>der</strong> mit dem einen Pfund ist <strong>der</strong> Feigenbaum. Und eben das<br />

bringt mir eine interessante Tatsache ins Gedächtnis. Welche Art von<br />

Knecht war <strong>der</strong>, welcher nur ein Pfund hatte<br />

Anna: Ein fauler Knecht.<br />

Vater: Und welche Art von einem Feigenbaum war <strong>der</strong>, welchen ein


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

39<br />

gewisser Mann pflanzte, drei Jahre kam und Frucht suchte und sie nicht<br />

fand<br />

Anna: Einer, <strong>der</strong> das Land hin<strong>der</strong>te.<br />

Vater: Ja, das war er. Der Knecht mit dem einen Pfund und <strong>der</strong><br />

Feigenbaum hatten ganz dieselbe Bedeutung. Keiner von ihnen brachte<br />

Nutzen und beide wurden verdammt. Sie waren die Bil<strong>der</strong> von solchen,<br />

welche die Kraft haben, <strong>der</strong> Wahrheit zu gehorchen, diese Kraft aber nicht<br />

gebrauchen und deshalb unfruchtbar sind.<br />

Paul: Und nicht wahr Vater, etwas Ähnliches wird auch unter dem<br />

Feigenbaum verstanden, welchen Jesus verfluchte, weil er keine Frucht,<br />

son<strong>der</strong>n nur Blätter brachte<br />

Vater: Eben das. In allen diesen Fällen wird <strong>der</strong> Zustand des Menschen<br />

mit einem Pfund, mit einer Fähigkeit zu gehorchen (und je<strong>der</strong> hat wie ihr<br />

wisst, wenigstens eine) gezeigt, <strong>der</strong> sie aber nicht anwendet.<br />

Mutter: Steht nicht irgendwo im Buche <strong>der</strong> Richter ein sehr<br />

interessantes Gleichnis über die Bäume<br />

Vater: Ja, meine Liebe, in Kapitel 9,8-14.<br />

Anna: Soll ich es lesen, Vater<br />

Vater: Die Stelle ist ziemlich lang. Suchet sie indessen auf und haltet<br />

dann eure Bibeln für eine Weile offen.<br />

Anna: Hier ist sie. „Die Bäume gingen hin, dass sie einen König über<br />

sich salbeten und sprachen zum Ölbaum: Sei unser König. Aber <strong>der</strong><br />

Ölbaum antwortete ihnen: Soll ich meine Fettigkeit lassen, die beide,<br />

Götter und Menschen, an mir preisen und hingehen, dass ich schwebe über<br />

den Bäumen“<br />

Vater: Ihr sehet hier, dass <strong>der</strong> Ölbaum es ablehnte, König zu sein. Der<br />

Grund ist, weil <strong>der</strong> liebende Mensch seine Freude mehr am Dienen, als am<br />

Herrschen hat und weil es mehr die Natur <strong>der</strong> Liebe ist, zu dienen, als zu<br />

regieren. Der Ölbaum sagte: „Soll ich meine Fettigkeit lassen und<br />

hingehen, dass ich über den Bäumen schwebe“ Wenn die Liebe<br />

Herrschaft und Macht ausüben wollte, würde sie ihren ganzen Wert und<br />

ihre Gediegenheit verlieren und ihrem Wesen und ihrer Eigenschaft nach,<br />

gänzlich verän<strong>der</strong>t werden.<br />

Paul: Das bringt mir die Erinnerung, Vater, dass Jesus lehrt, wer unter<br />

seinen Jüngern <strong>der</strong> Größte sein wolle, soll <strong>der</strong> Diener aller sein.<br />

Mutter: Und auch, Paul, dass Er selbst kam, nicht um sich dienen zu<br />

lassen, son<strong>der</strong>n damit Er diene.<br />

Vater: Aus allem diesem könnt ihr sehen, wie wun<strong>der</strong>bar die<br />

verschiedenen Teile <strong>der</strong> Bibel übereinstimmen. Aber jetzt, Anna, wirst Du<br />

wohl finden, dass die an<strong>der</strong>en Bäume in diesem Gleichnisse eine ähnliche


40 Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

Antwort geben, wie die lautete, welche <strong>der</strong> Ölbaum gab, nicht wahr<br />

Anna: Ja, Vater. Und die Bäume sprachen zum Feigenbaum, „komme<br />

du und herrsche über uns“. Aber <strong>der</strong> Feigenbaum sagte zu ihnen: „Sollte<br />

ich meine Süßigkeit und meine gute Frucht lassen und gehen, dass ich über<br />

den Bäumen schwebe“<br />

Vater: Der Feigenbaum hätte müssen seine Süßigkeit und gute Frucht<br />

lassen, wenn er zum König gemacht worden wäre. Der Gehorsam würde<br />

ganz seinen süßen Charakter verlieren, wenn er in Herrschaft und Befehl<br />

verwandelt würde. Was kommt nun zunächst<br />

Anna: Dann sagten die Bäume zum Weinstock, „komme du und<br />

herrsche über uns“. Und <strong>der</strong> Weinstock sprach zu ihnen: „Sollte ich<br />

meinen Wein lassen, <strong>der</strong> Gott und Menschen erfreut und hingehen, damit<br />

ich über den Bäumen schwebe“<br />

Paul: Die Antwort ist immer dieselbe. Unter dem Wein, <strong>der</strong> Gott und<br />

Menschen erfreut, ist, wie ich vermute, etwas Geistiges zu verstehen.<br />

Vater: Das ist ganz unzweifelhaft. Ich kann nicht so lange dabei<br />

verweilen, um es euch zu beweisen, aber <strong>der</strong> Wein ist das Bild<br />

himmlischer Weisheit. Die Weisheit, wie uns Jesus unterrichtete, besteht<br />

im Dienen, nicht im Herrschen. Und wo <strong>der</strong> Wunsch zu herrschen besteht,<br />

da ist keine Weisheit, son<strong>der</strong>n Torheit. Daher sagte <strong>der</strong> Weinstock: "Soll<br />

ich meinen Wein lassen und hingehen, dass ich über den Bäumen<br />

schwebe"<br />

Paul: Aber Vater, <strong>der</strong> Dornbusch nahm die Regentschaft gerne an und<br />

wollte als König Großes ausrichten. O, bitte, lies die Stelle, Anna.<br />

Anna (liest): „Dann sprachen alle Bäume zum Dornbusch, komm' du<br />

und sei unser König. Und <strong>der</strong> Dornbusch sprach zu den Bäumen: Ist es<br />

wahr, dass ihr mich zum König salbet über euch, so kommt und vertrauet<br />

euch unter meinem Schatten, wo nicht, so gehe Feuer aus dem Dornbusch<br />

und verzehre die Ze<strong>der</strong>n Libanons.“<br />

Vater: Das ist ganz die Sprache eines selbstsüchtigen, falschen,<br />

nutzlosen Gemütes. Es will herrschen und alles überschatten. Wenn jedoch<br />

sein Wunsch vereitelt wird, so sucht es zu zerstören. Das Feuer seiner Lust<br />

verzehrt alles Gute und Nützliche.<br />

Paul: Etwas Ähnliches bedeutet wohl <strong>der</strong> Dorn und die Hecke, welche<br />

im Jesaja 55,13 erwähnt wird, wo es heißt: „Es sollen Tannen für Hecken<br />

wachsen und Myrthen für Dornen; und dem Herrn soll ein Name und<br />

ewiges Zeichen sein, das nicht ausgerottet werde.“<br />

Vater: Der geistige Charakter <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung, von welcher hier die<br />

Rede ist, ergibt sich aus <strong>der</strong> Tatsache, dass vorhergesagt wird, dass es dem<br />

Herrn soll ein ‚ewiges Zeichen sein, das nicht ausgerottet werde.‘ Die


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Frieden mit Gott<br />

41<br />

Bedeutung ist daher, dass anstatt geistiger Dornen und Hecken, welche<br />

Grundsätze des Bösen und Falschen sind, in <strong>der</strong> Kirche geistige Tannen<br />

und Myrthen wachsen sollen, welche die erhabenen und <strong>der</strong> Liebe<br />

würdigen Eigenschaften des Guten und Wahren sind.<br />

Mutter: Danke dir, Vater. Ich bin versichert, unser Gespräch diesen<br />

Abend war sehr interessant und nützlich. Mir scheint aber, wenn du noch<br />

etwas Weiteres zu sagen hast, solltest du es aufschieben bis nächste<br />

Woche.<br />

Vater: Ich habe noch nicht die Hälfte von dem mitgeteilt, was ich über<br />

diese Bäume zu sagen habe, wir müssen daher nächsten Sonntagabend nur<br />

über den Ölbaum sprechen und die zwei folgenden Wochen müssen wir<br />

uns für den Weinstock und den Feigenbaum vorbehalten. Unterdessen,<br />

Kin<strong>der</strong>, denkt über das Gelernte nach, leset in eurer Bibel und suchet das,<br />

was ihr gelernt habt, auch anzuwenden.<br />

<br />

Frieden mit Gott<br />

Johannes Gommel<br />

Verträumet nicht so viel Zeit mit dem, was auf Erden ist, dass ihr sorget<br />

hinauszukommen; sorget vielmehr für das, dass ihr eurem Heiland doch im<br />

täglichen Leben gefallen möget.<br />

Dort in eurem Beruf, dort sieht <strong>der</strong> Heiland, ob ihr treue Nachfolger<br />

seid und solche, die schaffen ihr Heil; dort hinein blickt <strong>der</strong> Herr mit<br />

seinen heiligen Liebesaugen und sieht, ob ihr treu seid auch im Geringsten,<br />

und ob ihr eure Gaben für Ihn verwendet.<br />

Was hülfe es, wenn ihr alle Güter dieser Zeit hättet und wann das Tor<br />

<strong>der</strong> Ewigkeit sich öffnet, ihr weichen müsstet von den Augen des Herrn.<br />

Wäre das nicht viel schrecklicher als hier nichts zu besitzen<br />

O möchtet ihr doch dafür sorgen, dass ihr drüben etwas habt, drüben<br />

eine Heimat, dort Güter, die nicht veralten, dort Klei<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gerechtigkeit.<br />

Wenn du auch hier nur ein Kleidlein hättest, aber Frieden in deinem<br />

Herzen, du wärest reicher und glücklicher als eines, das die ganze Welt<br />

besäße und keinen Heiland hätte.<br />

Frieden mit Gott muss man haben, dann ist man glücklich, dann ist man<br />

vergnügt, auch wenn man arm ist und gar nichts besitzt.<br />

(Quelle: Lebendiges Wasser, Karl Rohm Verlag)


42 Der Sinn des Lebens<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

Der Sinn des Lebens<br />

Hans Sterne<strong>der</strong> (1889-1981)<br />

Es leben unendlich viele Menschen, die jagen von früh<br />

bis spät den irdischen Dingen nach. Sie mühen und plagen<br />

sich stets und haben den Schweiß auf ihren Stirnen und<br />

häufen die Dinge <strong>der</strong> Erde in ihren Scheunen und<br />

Kammern. Sie freuen sich an <strong>der</strong> Mehrung ihres Besitzes<br />

und beginnen ihn mehr und mehr zu lieben, und machen<br />

ihn, ohne dass sie es ahnen, zu ihrem Gott. Und sie haben<br />

nur eine Sorge in all ihren Tagen und all ihren Nächten:<br />

Hans Sterne<strong>der</strong><br />

Österreichischer<br />

Schriftsteller<br />

das Wohlergehen ihres Leibes! Und sie haben nur einen Gedanken: die<br />

Erwerbung irdischen Gutes!<br />

Ist dies Ziel erreicht, dann sprechen sie: „Herr, ich danke dir, dass du<br />

mein Leben nicht vergeblich sein ließest! Siehe, was ich gesammelt habe!<br />

Ich habe meine Stunden, die du mir gegeben hast, wohl genützt!“<br />

Siehe, diese Menschen haben gelebt und sind alt geworden, und haben<br />

dennoch nie gelebt und sind längst gestorben und tot gewesen, als sie noch<br />

auf Erden weilten. Denn diese Menschen sind zeit ihres Lebens nicht<br />

hinter den Sinn des Lebens gekommen! Sie haben die Dinge geliebt, so<br />

wie sie ihren Leib liebten, und haben beides für das Wahre gehalten. Sie<br />

sind als Sklaven ihres Wahnes über die Erde gegangen wie Schatten und<br />

sind dunkler gewesen wie Schatten, da in ihrer Brust kein Licht gebrannt<br />

hat. Denn sie haben über <strong>der</strong> Sorge um das Wohlergehen des äußeren<br />

Menschen vergessen, um ihren inneren sich zu sorgen. So ist ihr Leben<br />

nutzlos gewesen, weil sie, die alle Äcker <strong>der</strong> Erde genützt und gehegt<br />

haben, jenen einzigen Acker brach liegen ließen, welcher <strong>der</strong> wahre ist:<br />

den himmlischen, ihre unsterbliche Seele! So ist ihr Leben vergebens<br />

gewesen, trotz aller Plage, denn sie haben das Göttliche in sich nicht<br />

aufwärts entwickelt!<br />

Auf sie gelten die Worte aus dem Evangelium Matthäus: „Wer sein<br />

irdisches Leben in sinnlichem Genüsse, in irdischen Bestrebungen sucht,<br />

<strong>der</strong> wird das innere Leben verlieren.“<br />

Als Tote sind sie über die Erde gegangen. Unheimlich groß ist ihre Zahl<br />

auf Erden.<br />

Zwischen ihnen aber leben an<strong>der</strong>e, die fühlen im Werken des Tages<br />

und in den einsamen Stunden <strong>der</strong> Nächte ein Ahnen, dass das Aufgehen in<br />

<strong>der</strong> Sorge für das Leibliche nicht <strong>der</strong> wahre Sinn des Lebens sei. In ihrer<br />

Brust pocht eine starke Unruhe. Und sie zerquälen sich den Kopf um den<br />

Sinn des Lebens und suchen und legen die Liebe ihres Herzens in die


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Sinn des Lebens<br />

43<br />

Kreatur, sie heben die Not ihrer Seele in den feierlichen Lichtglanz des<br />

Sternenhimmels. Ihre Not aber ist groß. Und sie schreien aufwärts zum<br />

Himmel um Licht, denn sie haben ein Ahnen in sich, dass sie nicht das<br />

Wahre schauen und ihre Brü<strong>der</strong> nicht <strong>der</strong> Wahrheit dienen.<br />

Und siehe, die Natur lohnt ihnen die Liebe und das Vertrauen, plötzlich<br />

fallen die Schleier von ihren suchenden Augen, und sie erkennen die<br />

Wahrheit! Dieser ewigen Wahrheit aber, die als strahlendes Licht ihren<br />

Weg erhellt, dienen sie hinfort mit <strong>der</strong> ganzen Hingabe des Wissenden.<br />

Und das Wissen macht sie frei. Sie leben dem Unsterblichen in ihnen und<br />

achten es liebend in allen Dingen. So werden sie zu Lebzeiten schon<br />

werktätige Mithelfer des Waltens des göttlichen Geistes.<br />

Sie haben sich von den Fesseln <strong>der</strong> Materie befreit, den Wahn von <strong>der</strong><br />

Wirklichkeit des Vergänglichen besiegt, sie haben das Wissen von <strong>der</strong><br />

Wahrheit alles Seins - dass <strong>der</strong> Geist die einzige Wirklichkeit alles Lebens<br />

ist - ergründet und dadurch das Reich Gottes gewonnen.<br />

So ist das Reich Gottes die Erkenntnis des Geistigen, Göttlichen in<br />

allem Sein! Mit einem Wort: <strong>der</strong> geistige Urgrund in aller Schöpfung!<br />

Nun wird klar, was Jesus Christus in <strong>der</strong> Bergpredigt mit den Worten<br />

meint: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes, so wird euch alles an<strong>der</strong>e<br />

von selbst zufallen.“<br />

Wie tief ist <strong>der</strong> Sinn dieser Worte! Möchten doch alle Menschen den<br />

Weg ins Reich Gottes finden! Was würde dies den blind über die Fel<strong>der</strong><br />

des Irdischen Irrenden für Erlösung und Seligkeit bringen!<br />

Es könnten alle den Weg finden, denn das Wort Gottes ist leuchtend,<br />

wie <strong>der</strong> Blitz des Himmels den Menschen verkündet, doch die Menschen<br />

achten es nimmer! Sagt doch Christus: „Mein Reich ist nicht von dieser<br />

Welt!“ Und ein an<strong>der</strong>mal: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch!“ Was<br />

kann das für ein Reich sein, das nicht von dieser Welt ist und im Menschen<br />

thront, und das Sein Reich ist, also göttlich! Es wäre nicht schwer, dies zu<br />

verstehen, wenn <strong>der</strong> Mensch mehr über Gott nachdächte als über das<br />

Irdische!<br />

Gott ist Geist. Also muss sein Reich ein Reich des rein Geistigen, ein<br />

Bezirk des Ewigen, Unvergänglichen sein. Die sichtbare Welt aber ist<br />

vergänglich, und auch <strong>der</strong> Mensch welkt dahin wie Gras. Unvergänglich<br />

nur ist das Unsichtbare in uns, <strong>der</strong> göttlich Geist, durch den wir sind und<br />

leben! Wer ihm nachhängt, ihm dient, ihn in <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> sichtbaren<br />

Erscheinungsformen sucht, mit ihm sich verschmilzt und so eins wird mit<br />

Gott in sich und in aller Kreatur <strong>der</strong> Schöpfung, <strong>der</strong> hat das Reich Gottes<br />

gefunden.<br />

Sein Sinn ist nimmer auf das Anhäufen von irdisch vergänglichem Gut


44 Die Liebe als Weg zur Vollendung<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

gerichtet, gering achtet er Ehren und Würden, gering das Wohlergehen des<br />

Leibes. Er hat dies alles als wesenlos Vergängliches erkannt und hat nur<br />

einen Gedanken: eins zu werden mit dem Allgeist <strong>der</strong> Gottheit und seine<br />

unsterbliche Seele, von allen Fesseln des Irdischen befreit, hoch aufwärts<br />

zu entwickeln in das Reich des reinen Geistes.<br />

An ihm haben sich die Worte Christi erfüllt: „Wer sein irdisches Leben<br />

verliert um meinetwillen, <strong>der</strong> wird das innere finden.“<br />

Er ist wie<strong>der</strong>geboren aus dem Reich des Vergänglichen in das Reich<br />

<strong>der</strong> Unvergänglichkeit. Nimmer liegt seine Seele in den Fesseln <strong>der</strong> Maja,<br />

<strong>der</strong> Schein-, und Trugwelt, ausgetreten ist er aus <strong>der</strong> irdischen Welt des<br />

Scheins, hinein in die lichte, geistige Welt <strong>der</strong> unvergänglichen Wahrheit,<br />

in das Reich Gottes!<br />

<br />

Die Liebe als Weg zur Vollendung<br />

„So ihr aber meinet, dass Gott dem Menschen, <strong>der</strong> auf dem Wege zum<br />

Reiche Gottes und Leben des Geistes emsig und ernstlich fortwandelt, gar<br />

nicht helfe, so er dann und wann müde und schwach wird, da irret ihr euch<br />

bedeutend. Ich sage es euch: Wer einmal ernstlich diesen Weg betreten<br />

hat, dem wird auch ohne sein Wissen von Gott aus geholfen, dass er<br />

weiter und endlich sicher auch ans Ziel kommt.<br />

Gott wird die Einung <strong>der</strong> Seele mit dem Geiste aus Ihm freilich wohl<br />

nicht mit Seiner Allmacht erzwingen, aber Er wird des Menschen Herz<br />

stets mehr erleuchten und es erfüllen mit wahrer Weisheit aus den<br />

Himmeln, und <strong>der</strong> Mensch wird dadurch geistig wachsen und kräftiger<br />

werden und wird alle Hin<strong>der</strong>nisse, die sich ihm zu seiner größeren<br />

Probung noch irgendwo in den Weg stellen könnten, stets leichter und<br />

zuversichtlicher überwinden.<br />

Je mehr Liebe ein Mensch aber zu Gott und zum Nächsten in sich wird<br />

lebendig zu fühlen anfangen, und je barmherziger er in seinem Gemüte<br />

wird, desto größer und stärker ist auch schon <strong>der</strong> Geist Gottes in seiner<br />

Seele geworden. Denn die Liebe zu Gott und daraus zum Nächsten ist ja<br />

eben <strong>der</strong> Geist Gottes in <strong>der</strong> Seele des Menschen. Wie diese zunimmt und<br />

wächst, also auch <strong>der</strong> Geist Gottes in ihr. Ist am Ende <strong>der</strong> ganze Mensch<br />

zur reinen und allerwohltätigsten Liebe geworden, so ist auch schon die<br />

völlige Einung <strong>der</strong> Seele mit dem Geiste aus Gott erfolgt, und <strong>der</strong> Mensch<br />

hat für ewig das von Gott ihm gestellte allerhöchste Ziel des Lebens<br />

erreicht.<br />

Gott Selbst ist in Sich ja die allerhöchste und reinste Liebe, und also


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Die Liebe als Weg zur Vollendung<br />

45<br />

ist es auch <strong>der</strong> jedem Menschen zukommende Geist aus Gott.<br />

Wird die Seele durch ihr freies Wollen ganz ähnlich <strong>der</strong> Liebe des<br />

Geistes aus Gott, so ist es dann ja auch klar, dass sie mit dem Geiste aus<br />

Gott in ihr eins wird. Wird sie aber das, dann ist sie auch vollendet. Nun,<br />

dafür aber lässt sich keine genaue Zeit bestimmen, son<strong>der</strong>n das muss <strong>der</strong><br />

Seele ihr eigenes Gefühl sagen und anzeigen.<br />

Die wahre, reine und lebendige Liebe ist in sich höchst uneigennützig;<br />

sie ist voll Demut, ist tätig, ist voll Geduld und Erbarmung; sie fällt<br />

niemals jemandem unnötig zur Last und duldet alles gerne; sie hat kein<br />

Wohlgefallen an <strong>der</strong> Not ihres Nächsten; aber ihre rastlose Mühe ist, dass<br />

sie helfe je<strong>der</strong>mann, <strong>der</strong> einer Hilfe bedarf.<br />

Also ist die reine Liebe auch im höchsten Grade keusch und hat keine<br />

Freude an <strong>der</strong> Geilheit des Fleisches, aber eine desto größere Lust an <strong>der</strong><br />

reinen Gesittung des Herzens.<br />

Wenn des Menschen Seele auch also beschaffen sein wird durch ihr<br />

eigenwilliges Streben und Trachten, dann ist die Seele auch schon gleich<br />

ihrem Geiste und ist also denn auch in Gott vollendet.<br />

Und so wisset ihr nun ganz genau, was ihr zu tun habt, um zur<br />

reingeistigen Vollendung zu gelangen. Wer sich alles dessen emsigst<br />

befleißen wird, <strong>der</strong> wird auch am ehesten vollendet werden.<br />

Wer sich aber emsig und ernstlich befleißen wird, diesen Weg zu wandeln,<br />

dem wird auch allzeit und höchst wahr und sicher von Gott aus geholfen<br />

werden, dass er das allerhöchste Lebensziel erreichen wird, dessen ihr alle<br />

völlig versichert sein könnet; denn kam Gott euch nun schon durch Mich<br />

zu Hilfe, wo ihr den Weg kaum von weiter Ferne hin habt dahin zu<br />

bemerken angefangen, dass es etwa einen solchen Weg geben könne, um<br />

wie viel mehr wird Er euch erst dann zu Hilfe kommen, wenn ihr auf dem<br />

Wege selbsttätig wandeln werdet! – Habt ihr das verstanden“<br />

(GEJ.07_223,8-17)


46 Von <strong>der</strong> Liebe verlassen<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

VON DER LIEBE VERLASSEN<br />

K. O. Schmidt<br />

Gehe nach innen, lerne Dich selbst zu verstehen -<br />

und an<strong>der</strong>e werden Dich ebenfalls besser verstehen.<br />

u fühlst Dich von Deinen Angehörigen nicht verstanden, von<br />

Deinen Freunden verlassen, vom Leben betrogen und dazu<br />

verdammt, allein zu stehen, einsam und ohne Liebe zu bleiben<br />

Du irrst. In <strong>der</strong> Mehrzahl aller Fälle ist es nicht das Leben, sind<br />

es nicht Deine Freunde o<strong>der</strong> Verwandten, die Dich von sich<br />

stießen, son<strong>der</strong>n Du selbst hast, bewusst o<strong>der</strong><br />

unbewusst, die Trennung von innen her geschaffen, die<br />

Harmonie gestört. Die meisten Gefühle des<br />

Unverstandenseins sind aus negativem,<br />

verkrampftem Denken erquollen, aus ichhaften<br />

Gedankenschwingungen, die gesetzmäßig<br />

ähnliches anziehen mussten.<br />

Untersuche einmal in <strong>der</strong> Stille Deine vorherrschenden Gedankenströmungen<br />

und Gefühle und suche zu erkennen, dass und warum Du an<br />

Deiner Vereinsamung mitschuldig bist und wie Du sie in Gemeinsamkeit,<br />

gegenseitiges Verstehen, Harmonie und Liebe zu verwandeln vermagst.<br />

Blicke nicht auf die Oberfläche, son<strong>der</strong>n sieh etwas tiefer: Hast Du<br />

schon mit wirklicher Aufgeschlossenheit versucht, einmal die an<strong>der</strong>en zu<br />

verstehen O<strong>der</strong> hältst Du Dich für an<strong>der</strong>s als sie Siehst Du vor allem das,<br />

was Dich von ihnen unterscheidet, statt das, was Dich mit ihnen verbindet<br />

Um von an<strong>der</strong>en verstanden zu werden, musst Du die an<strong>der</strong>en<br />

verstehen, musst einsehen, dass wir alle Kin<strong>der</strong> des Ewigen sind und auf<br />

die gleiche Weise reagieren. Du musst aus Dir herausgehen, Deine<br />

Ichbezogenheit aufgeben, Dich in die an<strong>der</strong>en hereinversetzen und sie gern<br />

haben. Sowie Du Sympathie ausstrahlst, beginnen die an<strong>der</strong>en sich Dir wie<br />

die Blumen <strong>der</strong> Sonne - zuzuwenden und zu öffnen, Dir Interesse<br />

entgegenzubringen - Verständnis - Verstehen.<br />

Es ist unmöglich, an<strong>der</strong>en Menschen Gefühle entgegenzubringen, die<br />

sie nicht früher o<strong>der</strong> später unwillkürlich und unbewusst erwi<strong>der</strong>n!<br />

Einsamkeit ist immer die Folge einer Selbsteinkapselung, einer<br />

Selbstabschließung aus unbewusster Ichsucht, aus Gekränktsein o<strong>der</strong><br />

ähnlichen Motiven. Du willst, dass die an<strong>der</strong>en Dich glücklich machen -<br />

und ziehst Dich zurück, weil sie es nicht tun. Sie können es gar nicht, weil


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Von <strong>der</strong> Liebe verlassen<br />

47<br />

die Voraussetzung fehlt, die darin besteht, dass Du zuerst die an<strong>der</strong>en<br />

glücklich zu machen suchst. Denn immer gilt: nur glücklich machen macht<br />

glücklich! Nur Freund sein bringt Freunde! Nur Liebe macht liebenswert!<br />

Wer sich gedanklich von an<strong>der</strong>en abschließt und sich in eine seelische<br />

Igelstellung zurückzieht, <strong>der</strong> sieht sich bald auch äußerlich von ihnen<br />

getrennt. Niemand empfängt Liebe, außer er gäbe sie vorher. Darum<br />

denke um, strahle Sympathie, Harmonie und Liebe aus, dann wirst Du zu<br />

einem Magneten, <strong>der</strong> alles anzieht, was mit Deiner Seele gleichschwingt.<br />

Hilf an<strong>der</strong>en, dann wird auch dir geholfen. Je<strong>der</strong> zieht das an, was er<br />

vorwiegend denkt: <strong>der</strong> Ichhafte das Alleinsein, <strong>der</strong> Allverbundene die All-<br />

Gemeinsamkeit.<br />

Du erwi<strong>der</strong>st, dass, weil die an<strong>der</strong>en Dich nicht verstehen, Du auch keinerlei<br />

Neigung fühlst, die an<strong>der</strong>en zu verstehen. Nun, auch in diesem Falle<br />

gibt es den rettenden Ausweg: Wenn die an<strong>der</strong>en Dich nicht verstehen,<br />

dann versuche, Dich selbst zu verstehen. Beschreite also den entgegengesetzten<br />

Weg: nach innen statt nach außen. Du wirst sehen, dass das<br />

gleiche Ergebnis herauskommt.<br />

Versuche, Dich selbst zu erkennen. Gehe in Dich, versenke Dich in <strong>der</strong><br />

Meditation in Deinen innersten Wesenskern, bis Du Dich selbst, Dein<br />

innerstes Selbst, Deinen inneren Helfer (Christus in Dir) gefunden hast.<br />

Denn ihn finden heißt, Dich selbst finden und verstehen. Es bewirkt<br />

zugleich, dass die an<strong>der</strong>en Dich verstehen.<br />

Auf dem Wege nach innen erkennst Du, dass Du gar nicht allein bist<br />

und auch nie sein kannst, weil einer immer in Dir, mit Dir und bei Dir ist:<br />

<strong>der</strong> innere Freund und Helfer. Er ist das Allerinnerste - und zugleich das,<br />

was Du mit den an<strong>der</strong>en Menschen gemeinsam hast. Sowie Du Dich mit<br />

ihm fühlst, erlebst Du auch Dein Einssein mit den an<strong>der</strong>en Menschen und<br />

beendest damit die Not des Vereinsamt- und Unverstandenseins.<br />

Also auch auf dem entgegengesetzten Weg - nach innen - weckst Du<br />

die schlummernden Kräfte <strong>der</strong> Liebe zu allem Lebendigen - Mensch und<br />

Tier - <strong>der</strong> Sympathie zu den Wesen um Dich herum - mit dem Ergebnis,<br />

dass die gleichen Kräfte <strong>der</strong> Sympathie und Liebe auch in ihnen<br />

angesprochen und auf Dich zurückgestrahlt werden. Das wirkt sich bald<br />

auch in Deinem Leben aus: eines Tages findest Du Dich wie<strong>der</strong> mitten im<br />

Strom des Lebens und hast am Lieben und Leiden <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en teil - und<br />

zwar umso rascher, je williger Du Dich mit dem Inneren Helfer verbündest<br />

und ihn bittest, die Kräfte <strong>der</strong> Liebe und Harmonie in Dir und um Dich<br />

herum zu wecken. Er kennt alle Wege zum Glück und verlässt Dich nie.<br />

Bejahe in <strong>der</strong> Meditation täglich aufs Neue Dein Einssein mit ihm:


48 Von <strong>der</strong> Liebe verlassen<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

„Ich bin eins mit dir, meinem Inneren Helfer, und habe teil an allem,<br />

was das Leben seinen Kin<strong>der</strong>n zubestimmt hat an Liebe, Freude,<br />

Schönheit, Harmonie, Gesundheit und Fülle. Ich bin Liebe, Kraft,<br />

Harmonie. Allen, die krank sind o<strong>der</strong> müde, schwach o<strong>der</strong> verzagt, sende<br />

ich Gedankenströme <strong>der</strong> Liebe, Kraft und Hilfe zu. Im gleichen Maße<br />

vervielfachen sich meine Liebeskräfte. Je mehr ich gebe, desto mehr<br />

empfange ich!“<br />

Auf dem Weg nach innen kommst Du immer irgendwann an den Punkt,<br />

wo Du Dir Deines Einsseins mit allen Wesen bewusst wirst und weit mehr<br />

danach verlangst, an<strong>der</strong>e zu verstehen und an ihrem Leben teilzuhaben, als<br />

danach, dass die an<strong>der</strong>en Dich verstehen. Damit ist <strong>der</strong> von Dir selbst<br />

unterbrochene Kontakt mit <strong>der</strong> Umwelt wie<strong>der</strong>hergestellt: Dein Innerer<br />

Helfer nimmt die Fäden des Schicksals in die Hand und bewirkt, dass eben<br />

die Menschen Deinen Lebensweg kreuzen, die Dich verstehen und die Du<br />

verstehst.<br />

Nun gibt es Existentialisten, die mit Kierkegaard sagen: „Zuinnerst in<br />

jedem Menschen wohnt doch die Angst, dass er vergessen sein könnte vor<br />

Gott. Er hält diese Angst zwar dadurch von sich fort, dass er sich mit<br />

vielen umgibt, die ihm durch Verwandtschaft und Freundschaft verbunden<br />

sind; aber sie ist dennoch da und er darf kaum daran denken, wie ihm<br />

zumute würde, wenn alle diese weggenommen würden.“<br />

Aber auch diese Existenzangst, dies Gefühl des Verlorenseins vor Gott,<br />

wird zunichte in dem Augenblick, wo Du <strong>der</strong> Gegenwart des Inneren<br />

Helfers bewusst wirst und Dich mit ihm eins weißt. Das Gefühl des<br />

Verlassenseins wandelt sich dann in das beglückende Bewusstsein des<br />

Geborgenseins, das Dich zur freudigen Bejahung des Lebens führt, weil<br />

Du nun weißt, dass alles gut ist.<br />

Der Himmel, den Du auf Erden haben möchtest, muss in Dir seinen<br />

Anfang nehmen. Indem Du ihn in Dir aufschließt, erschließt er sich Dir<br />

auch außerhalb Deiner selbst. Wenn Du das Gute in allen bejahst, kann Dir<br />

je<strong>der</strong> Mensch zum Engel werden.<br />

<br />

„So du mich suchest, da musst du Mich aber bei dir und nicht bei<br />

an<strong>der</strong>n suchen! Denn kann Der in <strong>der</strong> Fremde gesucht werden,<br />

<strong>der</strong> da beständig in dir zuhause ist und deiner harret!“<br />

(HiG. Bd. 1; S. 408,5)


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Herzintelligenz<br />

49<br />

Herzintelligenz<br />

DIE INTELLIGENZ DES GEFÜHLS<br />

Gesund sein ist eine Herzenssache, echte Herzlichkeit und positive<br />

Gefühle stärken die Gesundheit. Sogar wenn man sie willentlich<br />

hervorruft. Das ergaben jahrelange Studien eines Forschungsinstituts in<br />

Kalifornien. Darauf aufbauende Programme zur "inneren"<br />

Stressbewältigung werden in den USA bereits mit Erfolg eingesetzt. In<br />

Firmen, in Schulen und bei <strong>der</strong> Army. Positive Gefühle wie Liebe,<br />

Fürsorge und Anerkennung sind nicht nur angenehmer als negative<br />

Gefühle. Sie sind zugleich auch <strong>der</strong> Schlüssel zu körperlicher Vitalität,<br />

Stärkung <strong>der</strong> Abwehrkräfte und höherer Leistungsfähigkeit. Der<br />

gleichmäßige Herzschlag einer Person, die Harmonie verbreitet, überträgt<br />

sich sogar auf die anwesenden Personen. Diese angenehmen Menschen<br />

stecken an<strong>der</strong>e Menschen sozusagen mit ihrer positiven Lebensenergie an.<br />

Die biologische Grundlagenforschung beweist: Unser Herz ist weit<br />

mehr als eine simple Pumpe. Es besitzt sogar ein eigenes "Gehirn" und<br />

eine unabhängige Hormonproduktion, über die <strong>der</strong> gesamte Organismus<br />

beeinflusst werden kann. Damit werden alte esoterische Lehren über die<br />

zentrale Bedeutung des Herzens, für Gefühl und Liebe, wissenschaftlich<br />

bestätigt. Auch wenn die positiven Gefühle mittels einer Herzmeditation<br />

erzeugt werden, können Herz und Nerven regeneriert werden. Emotionale<br />

und seelische Konflikte werden gemil<strong>der</strong>t, manchmal verschwinden sie<br />

ganz. Der gesamte Organismus wird energetisiert, vitalisiert und ein Stück<br />

gesün<strong>der</strong>. Der gegenteilige Effekt wurde ebenfalls nachgewiesen.<br />

Das HeartMath-Institut hat bestätigt, wenn Gefühle wie Stress, Angst<br />

und Frust den Menschen peinigen, so wird er unweigerlich krank werden.<br />

Diskrepanzen zwischen Handeln, Denken und dem Fühlen führen zu einer<br />

Schwächung und zu Störungen des Herzkreislaufsystems. Nach starken<br />

negativen Emotionen, beispielsweise nach einem fünfminütigen Wutausbruch,<br />

kann es jeweils bis zu sechs Stunden dauern, ehe sich die dadurch<br />

gestörten Abwehrkräfte wie<strong>der</strong> erholt haben. Zudem wird durch negativen<br />

Gefühlsstress das vegetative Nervensystem, das Körperfunktionen wie<br />

Atmung, Verdauung und Stoffwechsel reguliert, dauerhaft durcheinan<strong>der</strong><br />

gebracht. Dadurch steigt zum Beispiel das Risiko, an Krebs o<strong>der</strong> Herz-<br />

Kreislauf-Erkrankungen zu sterben, um 40 Prozent. Die Gefahr, nach<br />

einem Herzinfarkt einen zweiten zu bekommen, verdoppelt sich. Die<br />

Wahrscheinlichkeit eines plötzlichen Herztodes zum Beispiel ist bei<br />

Menschen mit starken Ängsten sogar sechsmal höher als bei an<strong>der</strong>en.<br />

Damit bildet emotionaler Dauerstress ein größeres Gefahrenpotential für


50 Herzintelligenz<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

die Gesundheit als Zigarettenraucher. Im Gegensatz zum Nikotin können<br />

jedoch Stress und negative Gefühlssituationen nicht immer gemieden<br />

werden. Um die verblüffende Heilwirkung positiver Gefühle dennoch im<br />

Alltag, nutzen zu können, werden entspannende Übungen und beruhigende<br />

Musik empfohlen. Das emotionale Gleichgewicht stabilisiert sich dadurch.<br />

Insgesamt wächst die Fähigkeit, auf die Herausfor<strong>der</strong>ungen des Lebens<br />

besser reagieren zu können. Wenn man also jemanden ehrlich lobt o<strong>der</strong><br />

liebt, fühlt sich nicht nur <strong>der</strong> besser, son<strong>der</strong>n man för<strong>der</strong>t auch die eigene<br />

Gesundheit.<br />

Hingegen machen ständige Kritik, Frust und eine Atmosphäre von<br />

Angst und Misstrauen auf Dauer krank. In den 70er Jahren hatten<br />

Wissenschaftler erstmals beobachtet, dass bestimmte Gefühle mit<br />

Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Herzfrequenz, des Blutdrucks, <strong>der</strong> Atmung und <strong>der</strong><br />

Verdauung einhergehen. 1983 entdeckte man dann ein neues, allein vom<br />

Herzen produziertes Hormon, ANF genannt. Dieses Herzhormon wirkt auf<br />

Blutgefässe, Nieren und Nebennieren sowie auf viele Gehirnbereiche, die<br />

für die Regulation im Organismus zuständig sind.<br />

Ein erster, biochemischer Weg, wie das Herz den übrigen Organismus<br />

steuern kann, war gefunden. Die Biologen "beför<strong>der</strong>ten" das Herz in ihren<br />

Klassifizierungen von <strong>der</strong> einfachen Pumpe zur Hormondrüse.<br />

Ebenfalls in den 80er Jahren fanden Mediziner heraus, dass bestimmte<br />

Herzzellen auch wichtige chemische Botenstoffe für die Nervenleitung, die<br />

so genannten Neurotransmitter Noradrenalin und Dopamin, herstellen.<br />

Außerdem entdeckte man eine Nervenbahn, über die das Herz direkt die<br />

Gehirnaktivitäten hemmen o<strong>der</strong> för<strong>der</strong>n kann. Das Herz folgt also<br />

keineswegs einseitig den Befehlen <strong>der</strong> Denkzentrale. Mehr noch: Die<br />

Forschungen ergaben, dass das Herz sogar ein völlig eigenständiges<br />

Nervensystem besitzt. Erst dieses "Mini-Gehirn" macht es möglich, dass<br />

Verpflanzungen erst funktionieren. Es entstand ein eigener medizinischer<br />

Forschungszweig - die Neurokardiologie -, um die Zusammenhänge<br />

genauer zu erforschen. Was ist nun die eigentliche Funktion des Herzens<br />

Nach <strong>der</strong> chinesischen Medizin, die den Begriff <strong>der</strong> Lebensenergie "Chi"<br />

zur Grundlage hat, werden im Herzen alle Energieflüsse gemischt. Hier<br />

sollen sich unter an<strong>der</strong>em Nahrungs-Chi, Atem-Chi und Nieren-Chi,<br />

inneres und äußeres Chi miteinan<strong>der</strong> verbinden. Anthroposophisch<br />

orientierte Lehren sehen im Herzen ein "zentrales Organ <strong>der</strong> Integration<br />

und Reflexion", indem <strong>der</strong> Ausgleich zwischen "Kopf" und "Bauch",<br />

Denken, Fühlen und Wollen stattfindet. Dem indischen Yoga<br />

nahestehenden Auffassungen wie<strong>der</strong>um halten eine Aktivierung des<br />

Herzchakras eines energetischen Zentrums, das im Bereich des Herzens


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Herzintelligenz<br />

51<br />

lieg- für eine <strong>der</strong> wichtigsten Voraussetzungen, um in erweiterten<br />

Bewusstseinszuständen überhaupt tiefere spirituelle Einsichten gewinnen<br />

zu könne. Die Untersuchungen am HeartMath-Institut zeigen nun, dass das<br />

Herz tatsächlich eine entscheidende Rolle bei <strong>der</strong> Koordination zwischen<br />

Körper, Geist und Seele spielt. Die Frequenz eines harmonischen<br />

Herzschlags, wie er nur bei positiven Gefühlen auftritt, bringt nämlich<br />

an<strong>der</strong>e Körperrhythmen wie Atmung und Hirnwellen zum "Mitschwingen"<br />

und damit in eine gesunde Harmonie. Durch den entstehenden Gleichtakt<br />

kann das "Orchester" des Organismus erst richtig erklingen. Viele geistige<br />

Lehren enthalten Methoden zur Aktivierung <strong>der</strong> Herz-Energie, <strong>der</strong>en<br />

Wirksamkeit sich in <strong>der</strong> Praxis bewährt hat.<br />

Übung zum „Einschalten“ des Herzens (Herzatmung)<br />

• Beobachten Sie sich und ihre Körperreaktionen und erkennen Sie, dass<br />

Sie sich gestresst fühlen. Nehmen Sie sich eine Auszeit.<br />

• Bemühen Sie sich schon in <strong>der</strong> Stress-Situation, Ihre Aufmerksamkeit<br />

weg vom rasenden Verstand und Ihrem Gefühlswirrwarr hin zur<br />

Herzgegend zu lenken.<br />

• Stellen Sie sich vor, Sie „atmen“ mit Ihrem Herzen, und bringen Sie so<br />

Ihre Energie in diesen Bereich. Bleiben Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit<br />

zehn Sekunden o<strong>der</strong> länger in diesem Bereich.<br />

• Erinnern Sie sich an ein positives, fröhliches o<strong>der</strong> beglückendes Gefühl<br />

o<strong>der</strong> an eine positive Zeit in Ihrem Leben. Versuchen Sie, diese<br />

Gefühle von Liebe, Fürsorge o<strong>der</strong> Wertschätzung noch einmal in<br />

ganzer Tiefe zu erleben und zu fühlen.<br />

• „Fragen“ Sie mit Hilfe Ihrer Intuition und Ihrem gesunden<br />

Menschenverstand aufrichtig Ihr Herz, welche Reaktion auf diese<br />

Stress-Situation angebracht wäre - eine Reaktion, die Ihren künftigen<br />

Stress verringert.<br />

• Zur Steigerung <strong>der</strong> Kreativität fragen Sie, welche kreativen<br />

Möglichkeiten und Lösungen es für die Situation gibt.<br />

• Hören Sie auf die Antwort Ihres Herzens.<br />

„Meine Himmel sollt ihr euch nicht irgendwo als recht weit entfernt<br />

vorstellen, son<strong>der</strong>n ganz nahe. Der ganze Weg beträgt höchstens drei<br />

Spannen Maß: die Entfernung vom Kopf bis ins Zentrum des Herzens!<br />

Habt ihr diese kleine Strecke zurückgelegt, so seid ihr auch schon drinnen.<br />

Denkt ja nicht, dass wir etwa eine Auffahrt über alle Sterne hinauf und<br />

hinaus machen werden, son<strong>der</strong>n eine Nie<strong>der</strong>fahrt nur in unser Herz. Da<br />

werden wir unsere Himmel und das wahre, ewige Leben finden!“<br />

(RB.2; 278,06)


52 Weisheitsgeschichten<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

Das Bethaus mit den zwei Wahrzeichen<br />

In einem Orte stand ein großes Bethaus, und dieses Bethaus hatte zwei<br />

Glockentürme. Der eine war geziert mit einem Kreuze, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e aber mit<br />

einer Wetterfahne.<br />

Ein ehrbarer Vater ging in irgendeinem Geschäfte mit seiner<br />

zwölfjährigen Tochter gerade des Weges an dem doppeltürmigen Bethause<br />

vorüber. Da bemerkte die scharfsichtige Tochter den grellen Unterschied<br />

<strong>der</strong> Zier auf den Türmen und fragte darob den Vater:<br />

"Guter Vater! Was hat doch solches wohl zu bedeuten, dass da <strong>der</strong> eine<br />

Turm mit einem Kreuze, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e mit einer Wetterfahne geziert ist"<br />

Und <strong>der</strong> Vater erwi<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Tochter: „Siehe, das ist ein doppeltes<br />

Merkzeichen für denkende Menschen! - Das Kreuz auf dem einen Turme<br />

erinnert uns an die alte Kirche, die da feststand im Glauben und in <strong>der</strong><br />

Liebe zu Gott. - Der Wetterfahne des an<strong>der</strong>en, neueren Turmes aber<br />

gleicht die jetzige Kirche. Sie lässt sich auch durch allerlei Weltwinde<br />

umherdrehen und -treiben in ihrer Lehre sowohl als in ihrem Handeln und<br />

wird bald selbst nicht mehr wissen, wer in ihr Koch o<strong>der</strong> Kellner ist!“<br />

Die Tochter aber sah dem etwas ereiferten Vater ins Angesicht und<br />

sagte darauf: „Lieber Vater! Ereifere dich doch nicht so sehr, denn die<br />

Fahne mag ja doch auch ihren Nutzen haben! - Zudem habe ich dich selbst<br />

schon öfter nach <strong>der</strong> Fahne als nach dem Kreuze blicken gesehen!“<br />

Und <strong>der</strong> Vater erwi<strong>der</strong>te: „Ja, ja, du hast recht, mein Kind! Siehe, es ist<br />

aber auch notwendig, damit man von <strong>der</strong> großen Unbeständigkeit des<br />

Kirchenwetters nicht benachteiligt wird in <strong>der</strong> Gesundheit seines Geistes! -<br />

Verstehst du solches“ (HiG.02_43.06.02.b,1-6)<br />

<br />

Die Sterntaler<br />

Es war einmal ein kleines Mädchen, dem waren Vater und Mutter<br />

gestorben, und es war so arm, dass es kein Zimmer mehr hatte, darin zu<br />

wohnen, und kein Bett mehr, darin zu schlafen, und endlich gar nichts<br />

mehr als die Klei<strong>der</strong> auf dem Leib und ein Stück Brot in <strong>der</strong> Hand, das ihm<br />

ein mitleidiger Mensch geschenkt hatte. Es war aber gut und fromm. Und<br />

weil es von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf Gott hinaus.<br />

Da begegnete ihm ein armer Mann, <strong>der</strong> sprach: »Ach, gib mir etwas zu<br />

essen, ich bin so hungrig.« Das Mädchen reichte ihm das ganze Stück Brot<br />

und sagte: »Gott segne dir's«, und ging weiter.<br />

Da kam ein Kind, das jammerte und sprach: »Es friert mich so an


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Weisheitsgeschichten<br />

53<br />

meinem Kopfe, schenk mir etwas, womit ich ihn bedecken kann.» Da<br />

nahm das Mädchen seine Mütze ab und gab sie ihm.<br />

Und als das Mädchen noch eine Weile gegangen war, kam wie<strong>der</strong> ein<br />

Kind und hatte keinen Pullover an und fror: da gab es ihm seinen; und<br />

noch weiter, da bat ein Kind um einen Rock, den gab es auch von sich hin.<br />

Endlich gelangte das Mädchen in einen Wald; und es war schon dunkel<br />

geworden: da kam noch ein Kind und bat um ein Hemd, und das Mädchen<br />

dachte: Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein<br />

Hemd weggeben, und zog das Hemd aus und gab es auch noch hin.<br />

Und wie das Mädchen so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf<br />

einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter silberne harte Taler: und<br />

ob das Mädchen gleich sein Hemd weggegeben hatte, so hatte es ein<br />

neues an, und das war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es die Taler<br />

hinein und war reich für sein Lebtag. (Brü<strong>der</strong> Grimm)<br />

<br />

Die Rettung<br />

Als ich mit einem Tibetaner im Gebirge im Schneesturm wan<strong>der</strong>te, sah<br />

ich einen Mann, <strong>der</strong> im Schnee den Abhang hinuntergestürzt war. Ich<br />

sagte: „Wir müssen hingehen und ihm helfen.“<br />

Er erwi<strong>der</strong>te: „Niemand kann von uns verlangen, dass wir uns um ihn<br />

bemühen, während wir selber in Gefahr sind, umzukommen.“<br />

„Immerhin“, antwortete ich. „wenn wir schon sterben müssten, ist es gut,<br />

wir sterben, während wir an<strong>der</strong>en helfen.“<br />

Er wandte sich ab und ging seines Weges. Ich stieg zu dem<br />

verunglückten Mann hinunter, hob ihn mühsam auf meine Schultern und<br />

trug ihn bergan. Durch diese Anstrengung wurde mir warm und meine<br />

Wärme übertrug sich auf den vor Kälte steifen Verunglückten. Unterwegs<br />

fand ich meinen früheren Begleiter im Schnee liegen. Müde, wie er war,<br />

hatte er sich nie<strong>der</strong>gelegt und war erfroren. Ich hatte einen Menschen<br />

retten wollen, aber ich rettete mich selbst. (Sundar Singh)<br />

<br />

Klatsch<br />

Ein Schüler bekannte seine schlechte Gewohnheit, Klatsch weiterzuerzählen.<br />

Sagte <strong>der</strong> Meister spitz: „Weitererzählen wäre ja nicht so schlimm, wenn<br />

du nicht noch Verbesserungen daran vornähmst.“


54 Göttlicher Gesundheitsrat<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />

Göttlicher Gesundheitsrat<br />

„Habt ihr zu einer Medizin o<strong>der</strong> zu einem Arzte zu wenig Vertrauen,<br />

so nehmet eine an<strong>der</strong>e Medizin, desgleichen ist auch mit dem Arzte zu<br />

tun; denn Ich sage euch noch einmal: Nicht die Medizin und nicht <strong>der</strong><br />

Arzt helfen im eigentlichen Sinne allein, son<strong>der</strong>n hauptsächlich das<br />

festere Vertrauen. Ja, <strong>der</strong> Arzt wie die Medizin sind zumeist<br />

gleichgültig, und beide wirken nur, wenn die ruhige, vertrauensfeste<br />

Seele sich die Zeit und Mühe nimmt o<strong>der</strong> nehmen kann, die in <strong>der</strong><br />

Arznei vorhandenen Spezifika dorthin zu verwenden, wo sie zweckdienlich<br />

sind. Ist das bei <strong>der</strong> mehr o<strong>der</strong> weniger geängstigten Seele<br />

nicht <strong>der</strong> Fall, so wirken die besten Medizinen nicht nur gar nicht,<br />

son<strong>der</strong>n oft ganz verkehrt, weil sie von <strong>der</strong> unruhigen und<br />

vertrauensschwachen Seele nicht selten an einen an<strong>der</strong>en Ort geführt<br />

werden, als wohin sie hätten geführt werden sollen.<br />

Die Arzneien haben zufolge ihrer Spezifika wohl allezeit eine<br />

Wirkung im Fleische. Gehen irgendwo im Fleische gewisse Spezifika<br />

ab, so können sie aus einer guten Arznei wohl ersetzt werden und<br />

dadurch ein krankes Fleisch gesund machen, so sie von <strong>der</strong> Seele dahin<br />

verwendet werden. Werden sie aber von einer ängstlich konfusen Seele<br />

irgendwo an<strong>der</strong>s hingeführt o<strong>der</strong> manchmal sogar dem Zufall<br />

überlassen, da sie dann hinkommen, wo sie das stumme Blut hinführt<br />

o<strong>der</strong> die noch stummeren Magensäfte, – dann lässt sich auch schon von<br />

selbst erraten, wie es dabei mit <strong>der</strong> Heilung des Fleisches aussieht.<br />

Ist so etwas bei einer Seele <strong>der</strong> Fall, da können freilich alle Ärzte <strong>der</strong><br />

Welt zusammenkommen, und sie werden beim besten Willen und<br />

Wollen einen kranken Leib dennoch nicht gesund machen können, weil<br />

eben diese Seele nicht mitwirkt. –<br />

Aber trotzdem wirken die seltenen Mittel dennoch, aber nicht darum,<br />

weil sie etwa die allein rechten wären, son<strong>der</strong>n darum nur, weil sie von<br />

<strong>der</strong> Seele als <strong>der</strong> allein rechten Baumeisterin ihres Fleischhauses am<br />

rechten Ort und mit rechter Intelligenz verwendet werden.<br />

Ich könnte euch eine Menge guter Mittel ansagen, die alle bei <strong>der</strong><br />

gehörigen Ruhe <strong>der</strong> Seele die entschiedenste Wirkung täten, aber auch<br />

bei <strong>der</strong> kleinsten Furcht nicht nur keine Wirkung hervorbrächten,<br />

son<strong>der</strong>n die Sache noch verschlimmern würden. – Daher bekümmert<br />

euch zuvor um die volle Ruhe <strong>der</strong> Seele, entwe<strong>der</strong> auf die eine o<strong>der</strong><br />

auf die an<strong>der</strong>e angeratene Art, dann werde Ich euch leicht helfen<br />

können. Amen.“<br />

(HiG. Bd.3 S.276,9-10+12+14+28)


<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Verschiedenes<br />

55<br />

Herbst-Tagung <strong>der</strong> Schweizer <strong>Lorber</strong>freunde<br />

im Bildungszentrum Matt, CH 6103 Schwarzenberg<br />

vom 26. - 29. Sept. <strong>2013</strong><br />

Vorträge:<br />

Jürgen Kramke - Die Ehe <strong>der</strong> Himmel und ihre Entsprechung<br />

Hans Friedrich Luchterhandt - Die Willensfreiheit des Menschen<br />

Petra Kramke - Auf <strong>der</strong> Bühne des Lebens<br />

Gerd Kujoth - Die Macht des Betens und Segnens<br />

Wilfried Schlätz - Wie gelangen wir zur wahren Demut<br />

Anmeldung und Auskunft: Maria Tanner, Küntwilerstr. 77<br />

CH-6343 Rotkreuz ZG, Tel.: (0041) (0) 41 311 16 42<br />

Programm und Anmeldeformular unter:<br />

www.lorber-gesellschaft.de/Tagungen<br />

Inseratenwerbung <strong>der</strong> Werke Jakob <strong>Lorber</strong>s<br />

Geistesbru<strong>der</strong> Helmut Betsch wirbt seit vielen Jahren in Zeitungen und<br />

Zeitschriften für die Werke Jakob <strong>Lorber</strong>s.<br />

Die erfolgreiche Zeitschriftenwerbung in den letzten Jahren bestätigt<br />

diese segensvolle Arbeit. Um diese auch zukünftig weiterführen zu<br />

können, ist er auf unsere finanzielle Unterstützung angewiesen.<br />

Wer diese segensvolle Arbeit finanziell unterstützen möchte, kann<br />

seinen Beitrag auf untenstehendes Konto überweisen.<br />

Helmut Betsch, Postbank-Konto-Nr. 237410-705, BLZ 60010070<br />

Vorträge <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>tagungen als MP3-CD und Video-DVD<br />

Alle Vorträge <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>tagungen können auf MP3-Audio-CDs, auf<br />

denen mehrere Vorträge passen und individuell zusammengestellt werden<br />

können, zum Preis von 5,- €/CD plus Versandkosten bestellt werden.<br />

For<strong>der</strong>n Sie die Vortragsliste an.<br />

Bestellungen unter <strong>der</strong> Email: lorber-gesellschaft@web.de o<strong>der</strong> unter:<br />

<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V. , Postfach, 83731 Hausham<br />

In Ost-Belgien gelegene (Ferien-) Wohnung ; 3 Zimmer, bestehend aus<br />

WZ,K,SCHZ,BAD , Parterre, teilzeit o<strong>der</strong> permanent zu vermieten. Ort : B-4700<br />

EUPEN Zuschrift: filimex@skynet.be ; 00 32 2 5273737 Fax 00 32 2 520 5607<br />

GSM +32 478 087888


Jakob-<strong>Lorber</strong>-Begegnungsstätte<br />

www.andritzquelle.de<br />

Ursprungblick 5a, A-8046 Graz-Stattegg<br />

Steiermark / Österreich<br />

Tel./Fax: 0043 / 316 - 691353 (von D)<br />

Tel./Fax: 0316 - 691353 (von A)<br />

Fernab vom Lärm <strong>der</strong> Welt, liegt<br />

<strong>der</strong> besinnliche Quellteich <strong>der</strong><br />

Andritz, umgeben von Felsen und<br />

alten Bäumen malerisch versteckt<br />

in einer kleinen Talbucht am Fuße<br />

des Schöckelgebirges. Eine hohe<br />

Mauer, welche im Grün <strong>der</strong> Bäume<br />

und Sträucher fast verschwindet,<br />

beschützt diesen ruhigen und<br />

beschaulichen Ort vor fremden<br />

Blicken. Hier, in dieser Oase <strong>der</strong> Stille und Ruhe, findet die nach inneren<br />

Frieden suchende Menschenseele einen Ort <strong>der</strong> Kraft zum Auftanken.<br />

Um den Quellteich führt ein Fußweg und Bänke laden zum Verweilen<br />

und Meditieren ein, um das innere Wesen dieses von <strong>der</strong> Natur so reich<br />

gesegneten Ortes zu erfahren.<br />

Das Gästehaus <strong>der</strong> Andritz-Quelle wurde 1905 erbaut und 2004<br />

mo<strong>der</strong>nisiert. Es steht als Seminar- und Begegnungsstätte allen nach<br />

Stille und Ruhe suchenden Menschen offen. Es bietet drei<br />

Doppelzimmer mit Dusche/WC, ein Doppelzimmer mit Etagendusche/<br />

WC, zwei Einzelzimmer mit Etagendusche/WC, einen Gästeraum und<br />

eine Gästeküche. Das Gästehaus ist von April bis Januar geöffnet.<br />

Anmeldungen und Anfragen an die:<br />

<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V.<br />

Anita Strattner, Pfarrhofstr. 7, D-83132 Pittenhart<br />

Tel. / Fax : 08624-4114<br />

E-mail: mail@andritzquelle.de<br />

Homepage: www.andritzquelle.de


Neu digitalisierte Bearbeitung des <strong>Lorber</strong>films auf Video-DVD<br />

Der 1989 von <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> produzierte Dokumentarfilm<br />

über das Leben und Werk Jakob <strong>Lorber</strong>s war bisher nur im VHS-<br />

Format als Videokassette erhältlich.<br />

Da dies mittlerweile ein veraltetes und nicht mehr gebräuchliches<br />

System ist, hat sich die <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> entschlossen, den<br />

Film als Video-DVD herauszugeben und die Produktion auf Videokassetten<br />

einzustellen.<br />

Um den Film in einer bestmöglichen Qualität als Video-DVD<br />

anzubieten, wurde <strong>der</strong> Film durch ein professionelles Filmstudio<br />

digitalisiert und in Farbe und Ton neu überarbeitet.<br />

Der Film liegt nun zweisprachig in Deutsch und Englisch, sowie im<br />

4:3 und 16:9 Bildformat auf einer DVD vor. Die Spieldauer beträgt<br />

45 Min.<br />

Die DVD „Und hättet ihr nicht das ganze Universum in euch“<br />

ist zu einem Preis von 9,90 € plus Versandkosten erhältlich bei:<br />

<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V.<br />

Postfach 114<br />

83731 Hausham / Deutschland<br />

Tel.: 08026-8624 / Fax: 08026-3294<br />

Email: lorber-gesellschaft@web.de


Besinnliche Texte zur Meditation<br />

„Es kann niemand seinem Nächsten etwas geben, dass<br />

er zuvor nicht selbst besitzt. Wer in seinem Bru<strong>der</strong> die<br />

Liebe erwecken will, <strong>der</strong> muss mit <strong>der</strong> Liebe ihm<br />

entgegenkommen, und wer in seinem Nebenmenschen<br />

die Demut erzeugen will, muss mit <strong>der</strong> Demut zu ihm<br />

kommen.“ (Gr. Ev. Joh. X 90,3)<br />

Jakob <strong>Lorber</strong> (1800-1864)<br />

<br />

„Je mehr ein Mensch mit sich eins geworden ist, und je<br />

einfacher er in seinem Innersten geworden ist, um so<br />

mehr und umso Höheres wird er mühelos erlernen, weil<br />

von oben das Licht <strong>der</strong> Erkenntnis kommt. “<br />

Thomas von Kempen ( 1380-1471)<br />

<br />

„Nichts muss getan werden. Tue, was du jetzt tust,<br />

leide, was du jetzt erleidest. Wenn du all dies mit<br />

Heiligkeit tust, muss außer deinem Herzen nichts<br />

verän<strong>der</strong>t werden. Heiligkeit liegt in <strong>der</strong> Bereitschaft<br />

zu wollen, was uns durch Gottes Ordnung wi<strong>der</strong>fährt.“<br />

Jean-Pierre de Caussade ( 1675-1751)<br />

<br />

„ Liebe besteht nicht darin, dass man einan<strong>der</strong> anschaut,<br />

son<strong>der</strong>n dass man gemeinsam in dieselbe Richtung<br />

blickt.“<br />

Antoine de Saint-Exupéry (1900-1944)<br />

<br />

„Wir können keine großen Dinge tun, nur kleine mit großer<br />

Liebe. Es geht nicht darum, wie viel man tut, son<strong>der</strong>n mit<br />

wie viel Liebe man es tut.“<br />

Mutter Teresa (1910-1997)

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