GL 2/2013 - der Lorber-Gesellschaft eV
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Eine Mahn- und Warnpredigt<br />
Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />
Der Unterschied zwischen dem äußeren<br />
und inneren Menschen<br />
Gott kann nicht außerhalb seiner selbst gefunden werden<br />
Die Erfüllung göttlicher Verheißungen<br />
Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
Der Sinn des Lebens<br />
Liebe als Weg zur Vollendung<br />
Von <strong>der</strong> Liebe verlassen
INHALT<br />
Theresia von Avila Suche Gott in dir S. 2<br />
Klaus W. Kardelke Editorial S. 3<br />
O.M.D. Eine Mahn- und Warnpredigt (Schluss) S. 5<br />
Klaus Kardelke Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz (Schluss) S. 13<br />
Heinrich Seuse Jesus, unser Vorbild S. 26<br />
Miguel de Molinos Der Unterschied zwischen dem äußeren... S. 27<br />
Madame Guyon Gott kann nicht außerhalb seiner selbst gesucht... S. 30<br />
Jakob <strong>Lorber</strong> Die Erfüllung göttlicher Verheißung S. 32<br />
Neue Kirche Biblische Bil<strong>der</strong> - Ölbäume, Weinstöcke ... S. 35<br />
Johannes Gommel Friede mit Gott S. 41<br />
Hans Sterne<strong>der</strong> Der Sinn des Lebens S. 42<br />
Jakob <strong>Lorber</strong> Die Liebe als Weg zur Vollendung S. 44<br />
K.O. Schmidt Von <strong>der</strong> Liebe verlassen S. 46<br />
Herzintelligenz Die Intelligenz des Gefühls S. 49<br />
Weisheitsgeschichten Das Bethaus mit den zwei Wahrzeichen S. 52<br />
Der Sterntaler S. 52<br />
Die Rettung S. 53<br />
Jakob <strong>Lorber</strong> Göttlicher Gesundheitsrat S. 54<br />
Mit Namen des Verfassers versehene Beiträge müssen nicht mit <strong>der</strong> Auffassung <strong>der</strong><br />
Schriftleitung übereinstimmen.<br />
Die Zeitschrift erscheint viermal jährlich auf freiwilliger Spendenbasis.<br />
Beiträge richten Sie bitte an die Schriftleitung.<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V.<br />
Verwaltungsanschrift: Postfach 114<br />
83731 Hausham / Deutschland<br />
Tel.: 08026-8624 / Fax: 08026-3294<br />
E-Mail-Anschrift:<br />
<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong>@web.de<br />
Internet-Seite:<br />
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Schriftleitung:<br />
Klaus W. Kardelke<br />
Redaktion:<br />
Angelika Penkin<br />
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- Zeitschrift im Geiste christlicher Mystik -<br />
Jahrgang 33 <strong>2013</strong> Heft 2<br />
„Ein Herz voll Liebe aber ist <strong>der</strong> Gott, dem Herrn in<br />
Christo, allein wohlgefällige lebendige Tempel und ist<br />
Ihm lieber denn eine Welt voll salomonischer, die alle<br />
tot sind, während das Herz lebendig ist und kann Gott<br />
und alle Brü<strong>der</strong> lieben! Also erbauet von neuem<br />
diesen Tempel in euch geistlich, und opfert allezeit im<br />
selben dem Herrn lebendig!“<br />
(Laodizeabrief 3,17)
2 Suche Gott in dir selbst<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
Suche Gott in dir selbst<br />
Theresia von Avila<br />
Seele, suche dich in mir,<br />
Such' mich nirgends als in dir!<br />
1. Meines Geistes Liebe schuf,<br />
Seele, dich nach meinem Bilde;<br />
Keines Malers beste Kunst,<br />
Größte Liebe, höchstes Sinnen<br />
Brächt' dies Bild so hehr zusammen.<br />
2. Liebe rief ins Dasein dich;<br />
Bist geschmückt mit Reiz und Schönheit,<br />
Die mich selber ganz entzückt.<br />
Sollst, Geliebte, dich verlieren,<br />
Such' dich nirgends als in mir!<br />
3. Dort wirst finden klar und treu<br />
Dich als Abbild meines Wesens,<br />
Lebenswahr dir eingeprägt;<br />
Und mit seligstem Frohlocken<br />
Schaust in mir dein hehres Bild.<br />
4. Weißt du nicht, wo ein und aus,<br />
Wo mag <strong>der</strong> Geliebte weilen<br />
Irre nicht nach dort, nach hier!<br />
Wenn du ehrlich mich begehrst,<br />
Such mich nirgends als in dir!<br />
5. Denn du bist mein Brautgemach,<br />
Bist mein Haus und meine Kammer,<br />
Dran ich klopf' zu je<strong>der</strong> Stund',<br />
Wenn in deinem Sinnen, Denken<br />
Ich die Tür verschlossen find'.<br />
6. Such mich nicht in weiter Ferne,<br />
Da ich dir doch allzeit nahe!<br />
Mir genügt dein Sehnsuchtsruf,<br />
Und schon hast du mich gefunden.<br />
Such mich nirgends als in dir!
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Editorial<br />
3<br />
Editorial<br />
Im aufblühenden, grünenden Frühling werden wir<br />
gewahr, wie Gott die Schöpfung segnet und mit Leben<br />
erfüllt. Damit will Er uns anregen, auch auf unser eigenes<br />
Leben zu schauen und Seine Segnungen darin zu entdecken.<br />
Halten wir doch einmal inne und sehen nicht auf die<br />
Probleme und Schwierigkeiten, mit denen wir es tagtäglich<br />
zu tun bekommen, son<strong>der</strong>n halten Ausschau nach den<br />
täglichen Segnungen des Herrn in unserem Leben und<br />
Klaus W. Kardelke<br />
Geschäftsführen<strong>der</strong><br />
Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong><br />
erwecken dafür ein Gefühl <strong>der</strong> Dankbarkeit und Freude in unserem<br />
Herzen.<br />
Welche göttlichen Segnungen und Gaben entdeckst du nun in deinem<br />
gegenwärtigen Leben Schau hin und sei aufmerksam und du wirst dich in<br />
einem göttlichen Segensstrom wie<strong>der</strong>finden.<br />
Erachten wir nicht allzu oft alles als selbstverständlich und wollen nicht<br />
den Segen Gottes in unserem Leben wahrnehmen. Lernen wir doch wie<strong>der</strong><br />
einmal mehr nach dem Ausschau zu halten, was Gott uns tagtäglich an<br />
Segensgaben bereitet hat, so werden wir auch dankbarer werden, selbst für<br />
die kleinsten Dinge, in denen wir Seine Hand erkennen.<br />
Seien wir also nicht undankbar für die täglichen Segnungen des<br />
Himmels in unserem Leben. Denn nur durch eine wahre Dankbarkeit des<br />
Herzens treten diese Segnungen erst bewusst vor unser Auge.<br />
Gottes Verheißung an Abraham: „Ich will dich segnen und du sollst ein<br />
Segen sein.“ (1. Mose 12,2), gilt für uns auch heute noch.<br />
Allzu oft nehmen wir Gottes Segnungen in unserem Leben gar nicht<br />
wahr, weil wir nach diesen nicht ausschauen, son<strong>der</strong>n meist nur unsere<br />
Probleme und Nöte im Auge haben.<br />
So mögen wir dann mit Jakob in unserem Herzen schreien: Herr, „ich<br />
lasse dich nicht, du segnest mich denn“ (1. Mos. 32,27), bis wir dann aus<br />
unserer Blindheit erwachen und Seinen Segen endlich über uns erkennen<br />
dürfen.<br />
Suchen wir also immer wie<strong>der</strong> die Nähe des Herrn auf, im Gebet, in <strong>der</strong><br />
Stille und in <strong>der</strong> Tat nach Seiner Lehre, denn nur „wo Ich bin, da ist auch<br />
schon <strong>der</strong> Segen mit Mir“ spricht <strong>der</strong> Herr, „eines mehreren aber bedarf<br />
es da wohl nicht!“ (GEJ 6.180.2), denn an Gottes Segen ist alles gelegen.<br />
Nur wenn wir in <strong>der</strong> ständigen Gegenwart Gottes verbleiben und Ihn<br />
immer mehr lieben lernen, können wir den Segnungen Gottes teilhaftig<br />
werden. Denn die Segnungen <strong>der</strong> Sonne können wir nur genießen, wenn<br />
wir uns in ihre Strahlen begeben. So auch kann <strong>der</strong> Segen Gottes uns nur
4 Editorial<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
zuteil werden, wenn wir in eine liebende Beziehung zu Ihm treten. Erst<br />
dann kann sein Segen, sein Geist, Zugang zu uns finden und in unserem<br />
Leben ersichtlich werden.<br />
„Bleibet daher allein bei <strong>der</strong> Liebe, so wird euch stets die Fülle Meiner<br />
Segnungen werden; werdet ihr aber nicht allein nur an die Liebe euch<br />
halten, so werden dann Meine Segnungen auch sein gleich eurer Liebe!<br />
(HGt 2.169.10)<br />
Seien wir uns also als Kin<strong>der</strong> Gottes bewusst, dass unser himmlischer<br />
Vater Seine Kin<strong>der</strong> von Herzen liebt und somit auch segnet. Lernen wir<br />
Seine Segnungen in unserem täglichen Leben mit Dankbarkeit<br />
wertzuschätzen und nicht als selbstverständlich hinzunehmen, dann wird<br />
Er uns Seinen Segen auch vermehrt zuteil werden lassen.<br />
Denn so wie <strong>der</strong> Herr schon zu Henoch sprach, möchte er dann auch zu<br />
uns sprechen: „Komme her an meine Vaterbrust, und lasse dich lieben und<br />
segnen im Überflusse, auf das dein Segen reiche bis ans Ende aller<br />
Zeiten!“ (HGt Bd.1, 50,4)<br />
Wenn wir uns von Gott geliebt und gesegnet fühlen, sind auch wir in<br />
<strong>der</strong> Lage, Liebe und Segen in Seinem Namen weiterzureichen, denn dann<br />
ist es <strong>der</strong> Herr in uns und durch uns, <strong>der</strong> segnet.<br />
Im Alten Testament finden wir dafür den Segensspruch: „Der HERR<br />
segne dich und behüte dich! Der HERR lasse sein Angesicht scheinen über<br />
dir und sei dir gnädig! Der HERR erhebe sein Angesicht auf dich und gebe<br />
dir Frieden!“ (4. Mose 6,24)<br />
Und die Jünger Jesu begrüßten sich mit dem Segen: „Der Friede des<br />
Herrn sei mit dir!“ und in <strong>der</strong> Neuoffenbarung finden wir den<br />
Segensspruch: „Jesus, <strong>der</strong> Herr, wolle dir helfen! Er stärke dich, Er heile<br />
dich durch Seine Gnade, Liebe und Erbarmung!“<br />
Segnen ist ein einfacher Weg, <strong>der</strong> uns in Gottes Gegenwart führt. Es<br />
hilft uns unsere Liebe zu erwecken und wachsen zu lassen und verhin<strong>der</strong>t<br />
dadurch, dass wir über an<strong>der</strong>e und auch über uns selbst urteilen.<br />
Ersetzen wir also unsere urteilenden Gedanken immer mehr durch<br />
einen vom Herzen kommenden Segen, so werden wir am meisten dadurch<br />
gewinnen, denn indem wir Liebe weitergeben, wird diese letztendlich zu<br />
uns zurückkehren.<br />
Und wenn unsere Segensworte durch das Gefühl <strong>der</strong> Liebe des<br />
erweckten Geistes Gottes in unserem Herzen belebt werden, werden sie<br />
ihre segensvolle Wirkung voll entfalten können.<br />
„Möge Gott uns gnädig sein und uns segnen.“ (Psalm 67,2), damit auch<br />
wir zum Segen werden.<br />
Euer Klaus Kardelke
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Eine Mahn– und Warnpredigt<br />
5<br />
Eine Mahn - und Warnpredigt<br />
des Herrn, unseres Gottes, Schöpfers und Vaters an Seine Kin<strong>der</strong><br />
(Schluss)<br />
Und nun höret weiter Mich an und fasst es mit eurem Herzen in aller<br />
Tiefe und lasst euren Verstand als Prüfstein gelten!<br />
Ich habe Meiner Weisheit zufolge in den Menschen alle Mir voll<br />
entsprechenden Fähigkeiten, Eigenschaften und Kräfte anlagemäßig und<br />
somit unvollendet hineingelegt, auf dass er selbst <strong>der</strong> Schöpfer seiner<br />
eigenen inneren Lebensvollendung und damit ein sich selbst<br />
bestimmendes, seiner selbst bewusstes, erkennendes und frei aus sich<br />
handelndes Wesen sei, das einer stets steigenden Vervollkommnung fähig<br />
und dadurch seinem Herrn und Schöpfer stets ähnlicher werde: Der<br />
Mensch muss darum, um dies zu erreichen, Mein Wort, in welchem Ich<br />
ihm Meinen Willen offenbare, freudigen und dankbaren Herzens in sich<br />
aufnehmen und dann aber auch nach ihm tätig sein! - Hätte ich des<br />
Menschen Seele von Anbeginn sogleich vollendet erschaffen, so wäre ihm<br />
je<strong>der</strong> Anreiz genommen worden, seine Kräfte zu üben in naturmäßiger und<br />
geistiger Art. Er würde nur in seiner Gedanken- und Ideenwelt schwelgen,<br />
ohne diese realisieren zu wollen, und schließlich sie zu keiner an<strong>der</strong>en<br />
Tätigkeit bewegen, als seinen Hunger zu stillen und für Kleidung zu<br />
sorgen.<br />
Dies zur Notiz für nörgelnde Wissenschaftler, die sich in übelster<br />
Weise bezüglich <strong>der</strong> Erschaffung des Menschen ausgesprochen haben!<br />
Alles sichtbare und eurem Leibesauge unsichtbare Sein, alle<br />
Schöpfungsräume in Meinem unendlichen Weltall mit seinen zahllosen<br />
bewohnten Gestirnen habe Ich nur <strong>der</strong> Menschen wegen geschaffen, die<br />
einst als vollkommene Kin<strong>der</strong> die Herrlichkeiten und Freuden ihres Vaters<br />
und Schöpfers mit genießen sollen! Ich habe durch Meine Weisheit Meine<br />
gesamte Schöpfung von Urbeginn, wie dies nochmals betont sei, auf das<br />
Allervollkommenste aufgebaut, so dass sie für ewighin keiner<br />
Abän<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> Verbesserungen bedarf; auch dann nicht, wenn durch<br />
die Bösartigkeit Meiner Geschöpfe gar oft die feste Grundordnung gestört<br />
wird, und dadurch Folgezustände sich ergeben, welche sich schmerzlich<br />
für Störenfriede selbst auswirken und im All zuweilen einen chaotischen<br />
Zustand erzeugen. In Meine Schöpfungsordnung mussten jedoch auch zur<br />
Vervollkommnung und geistigen Bewusstwerdung Meiner Kin<strong>der</strong> Lehren<br />
und Gebote aufgenommen werden, durch <strong>der</strong>en Befolgung <strong>der</strong> Weg in<br />
Mein Vaterhaus nur ein kurzer ist.<br />
Wenn jedoch die Menschenkin<strong>der</strong> zufolge ihres ihnen von Mir
6 Eine Mahn– und Warnpredigt<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
gegebenen freien Willens, <strong>der</strong> inneren Stimme nicht achtend und wohl<br />
wissend, was gut und böse ist, aus dieser Meiner Ordnung heraustreten und<br />
Meinen Geboten zuwi<strong>der</strong>handeln, so verlängern sie sich selbst den Weg zu<br />
Mir. Und da das Leben in Meiner Schöpfung auf vollste Harmonie<br />
zwischen Schöpfer und Geschöpf gegründet ist, ein eigensüchtiges und<br />
eigenwilliges Leben außer Mir aber keinen Bestand haben kann, son<strong>der</strong>n<br />
sich zuletzt selbst verzehren müsste, so geht daraus auf das Unerbittlichste<br />
hervor, dass alles Geschöpfliche sowohl dieser Erde wie auch aller <strong>der</strong><br />
Milliarden Sonnen, Planeten und <strong>der</strong>en Trabanten, welche sich Meinen<br />
ihrem Wesen angepassten Lehren und Ordnungen, die ihnen durch Meine<br />
zahllosen Weisen und Lehrer allüberall verkündet werden, entgegenstellen,<br />
schließlich doch auf großen, schmerzlichen und leidvollen Umwegen, die<br />
oft Ewigkeiten dauern, in diese Meine Ordnung zurückkehren muss, weil<br />
es aus Meinem Geiste hervorging und somit göttlichen Ursprungs ist! -<br />
Doch kann es geschehen, dass grundböse Seelen sich in ihrem<br />
selbstgewollten Lebenszustande noch langehin gefallen und daher immer<br />
tiefer sowohl in ihrer inneren wie auch ihrer Erscheinlichkeitswelt, die<br />
keine Realität und daher auch keinen dauernden Bestand hat, herabsinken.<br />
Desto mächtiger und lauter erhebt aber ihr innerster Geist, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong><br />
Seele zur Tiefe gehen muss, seine anklagende und warnende Stimme und<br />
beunruhigt und martert die Seele gleichfort. Dazu ist ihr Grundböses noch<br />
<strong>der</strong> nagende Wurm, <strong>der</strong> nicht stirbt, und <strong>der</strong> Zorn in ihr das lo<strong>der</strong>nde<br />
Feuer, das nicht erlischt, bis solche Seele, auf <strong>der</strong> tiefsten Talsohle ihrer<br />
eigenen Hölle angelangt, sich schließlich doch zur Umkehr anschickt. Ein<br />
Ruf um Hilfe genügt hier schon Meinen dienenden Engelsgeistern, um<br />
solcher Seele sogleich sich zu nähern und ihr den rettenden Ausweg zu<br />
zeigen, bevor es zu spät ist! Erhebt sie diesen Hilferuf nicht und erträgt sie<br />
zufolge ihrer Totalverhärtung lieber trotzig auf lange hin alle auf sie<br />
einstürmenden Höllenqualen, was in allerseltensten Fällen vorkommen<br />
kann, dann verlässt ihr innerster Geist die Seele auf ewig, <strong>der</strong>en Einzelteile<br />
lösen sich auf, werden von den ihnen verwandten Seelenlebensteilchen<br />
und -kräften <strong>der</strong> Naturreiche, aus denen auch sie einst mittelbar<br />
hervorgingen, nach Meinem Willen angezogen, was dann auch den Verlust<br />
<strong>der</strong> Persönlichkeit bedeutet, und das ist dann <strong>der</strong> zweite o<strong>der</strong> eigentliche<br />
Tod <strong>der</strong> Seele. Doch die nun zerteilten Spezifikalpotenzen entwickeln sich<br />
durch tausendfältigen Tod ihrer Formen hindurch zu immer höheren<br />
Lebensformen, bis dieselben, allezeit aufs Weiseste durch Führer- und<br />
Aufsichtsgeister geleitet, in die höchste Lebensform, die des Menschen,<br />
aufs Neue übergehen, bzw. in eine solche zusammengeschlossen werden.<br />
Denn alles Seelische in <strong>der</strong> Materie drängt zur Vergeistigung, und kein
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Eine Mahn– und Warnpredigt<br />
7<br />
Sonnenstäubchen; keine Staubmilbe existiert, <strong>der</strong>en Bestimmung nicht von<br />
Mir aus feststände!<br />
Dieses euch Fassbare möge genügen. Lernet daraus!<br />
In Meine unermesslichen und ewig unerforschlichen Weisheitstiefen<br />
kann kein höchster Engelsgeist, geschweige ein Sterblicher dieser Erde<br />
eindringen, dieselben auch nimmer erfassen, da ihm diese we<strong>der</strong><br />
entsprechungsbildlich veranschaulicht, noch durch Gleichnisse die nötigen<br />
Begriffe vermittelt werden können. Aus dem Gesagten geht hervor, dass<br />
ein Mensch ohne Gott nicht leben kann, wenn er sich es auch viele Male<br />
einredet. Er kann nur eine gewisse Zeit in seiner Bosheit gegen Gott<br />
eingestellt sein, weil es im gesamten Weltall außer Gott nichts gibt,<br />
son<strong>der</strong>n alles in Gott sich befindet! Und dann wird <strong>der</strong> Mensch auch<br />
erkennen, dass er mit seinem Verstande, und sei er noch so scharf,<br />
Geistiges und Göttliches nicht fassen kann, son<strong>der</strong>n nur mit dem Herzen,<br />
sobald es von allem Unflate <strong>der</strong> Welt gereinigt ist!<br />
In Meinen geistigen Welten befinden sich gar trefflich eingerichtete<br />
Schulhäuser, wo selbst Meine abtrünnigen Kin<strong>der</strong> zu einer rechten<br />
Vollreife gebracht und Mir einst wertvolle Helfer und Werkzeuge, sowie<br />
Mit-Erlöser künftiger Geschlechter, auch solcher in fernsten Welten,<br />
werden können. Denn die Ewigkeit kennt keine Zeit, die als eine<br />
Erscheinlichkeit um sich her alles verzehrt und vergehen macht, während<br />
die Ewigkeit nichts vergehen lässt, und Milliarden eurer Erdenjahre sind<br />
vor Mir kaum ein flüchtiger Augenblick in Meiner ewigen Gegenwart.<br />
Wenn sich die Dinge aber also verhalten, ist da nicht <strong>der</strong> ein Tor, <strong>der</strong><br />
Mir in seinem Hochmute, seiner Eigenliebe und seinem Starrsinn noch<br />
weiterhin trotzen und eigene Wege wandeln will O, Meine törichten<br />
Kin<strong>der</strong>! Könntet ihr die unzähligen Tränen <strong>der</strong> Reue sehen und die bitteren<br />
Selbstvorwürfe jener hören, die von <strong>der</strong> Erde scheiden, nachdem sie ein<br />
Leben nach ihrem eigenen Wollen führten und Meiner gänzlich vergaßen!<br />
Und könntet ihr, einen Vorgeschmack Meiner Herrlichkeiten auch nur<br />
sekundenlang genießen, die Meinen vollwahren Kin<strong>der</strong>n und geistig<br />
Wie<strong>der</strong>geborenen bereitet sind, ihr würdet ungesäumt und voller Reue in<br />
Meine heilige Lebensordnung zurückkehren!<br />
Den wahrheitssuchenden Weltgelehrten und ihrem Anhang sei gesagt:<br />
Ich bin <strong>der</strong> Schöpfer und Vater aller Menschen, die alle aus Mir einst<br />
hervorgingen und künftig noch aus Meiner Liebe Schoß hervorgehen<br />
werden! Ich gebe Meine Herrlichkeit keinem an<strong>der</strong>en! Dem Geiste nach<br />
bin Ich ewig und unendlich. Alles entsteht und besteht aus Mir! Alles ist in<br />
Mir! Alles ist aus <strong>der</strong> ewig endlosesten Fülle Meiner Gedanken und Ideen:<br />
Vom Kleinsten bis zum Größten! Ich bin daher im Grunde des Grundes
8 Eine Mahn– und Warnpredigt<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
alles, was die Unendlichkeit umfasst! Ich bin ein persönlicher,<br />
wesenhafter, für die wahren Kin<strong>der</strong> Meiner Liebe auch ein schaubarer<br />
Gott, mit dem sie sich besprechen können wie mit einem Bru<strong>der</strong>! Ich bin<br />
allein <strong>der</strong> reinste Grundgeist aller Geistwesen und als solcher denn auch<br />
<strong>der</strong> Grundstoff und das ewige Urelement aller Urelemente - Meine<br />
Gottheit geht hervor aus Meiner Liebe, und die Unendlichkeit ist Mein<br />
Wesen und wird erzeugt und erhalten durch Meine Willensmacht!<br />
Da Ich also in Meinem Wesen unendlich bin, so kann sich außer Mir<br />
nichts befinden! Zwar sind Meine Geschöpfe in dem zugelassenen Zustand<br />
<strong>der</strong> Selbständigkeit wie außer Mir, im Grunde aber sind sie dennoch in<br />
Mir! Was daher <strong>der</strong> Mensch des Raumes Unendlichkeit nennt; das ist <strong>der</strong><br />
Geist Meines Willens, <strong>der</strong> von Ewigkeit her diese endlose Räumlichkeit<br />
gestellt hatte und sie erfüllte allenthalben mit Wesen aller Art! Dieser<br />
Geist ist pur Liebe und somit Leben, Licht, Weisheit, klarstes<br />
Selbstbewusstsein; ein bestimmtes Fühlen, Gewahrwerden, Schauen und<br />
Wirken! - Durch Meinen mächtigen Außenlebensäther, welcher mit<br />
Meinem Geistesbrennpunkte in innigster Verbindung steht, alles<br />
durchdringt, alles umfasst, sieht, hört, fühlt, denkt, will und überall wirkt,<br />
bin Ich ein allwissen<strong>der</strong> Gott! Ich bin und werde ewig sein das Ur- und<br />
Grundvorbild aller Menschen: <strong>der</strong>selbe Gott, Herr, Schöpfer und Vater,<br />
den hochmütige, herrsch- und ruhmsüchtige, zwar verstandesstarke, aber<br />
geistig schwache, träge und denkfaule Menschenkin<strong>der</strong> abgesetzt zu haben<br />
glauben, um sich selbst zu Göttern zu erheben!<br />
Den Weltmächtigen und ihren Heerführern rufe Ich zu!: Steckt euer<br />
Todesschwert in die Scheide! Denn wer das Schwert nimmt, soll durchs<br />
Schwert umkommen. Aber kämpfet mit den Waffen <strong>der</strong> Liebe und<br />
Wahrheit gegen eure eigenen bösen Erbfeinde, die da heißen: Hass, Neid,<br />
Zorn, Zwietracht, Rachsucht, Habgier, Hochmut, Eigenliebe, Herrsch -<br />
und Ruhmsucht und Bosheiten aller Art, welche Unfrieden in euch selbst<br />
stiften, diesen nach außen tragen und die Welt davon erfüllen. Dieser<br />
Kampf allein ist vor Mir gerecht und trägt den Sieg in sich selbst! Und als<br />
wahre geistige Kriegshelden werdet ihr dann auch von Mir den Lohn<br />
empfangen, <strong>der</strong> dem Sieger gebührt!<br />
Und wisset: Kein Krieg ist von Mir aus gewollt und als irgendwie<br />
notwendig zu begründen, son<strong>der</strong>n ward noch allezeit von des Menschen<br />
Hochmut, Herrsch- und Ruhmsucht sowie seiner unersättlichen Habgier<br />
herbeigeführt. Für solche Völker, die völlig ins Materielle versanken, hätte<br />
Ich an<strong>der</strong>e Mittel und Wege die Fülle, um sie auch ohne Krieg zurechtzubringen<br />
und in Meine Ordnung zurückzuführen. Die totale Versunkenheit<br />
eines Großteils <strong>der</strong> Menschen ins Materielle und damit auch <strong>der</strong>en vollste
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Eine Mahn– und Warnpredigt<br />
9<br />
Gottentfremdung ist, war und wird stets sein: die Wurzel aller Kriege!<br />
Je tiefer solche Völker in die Nacht des geistigen Todes versinken und<br />
damit den Geist des Lebens aus Gott verneinen, umso grausamer werden<br />
die Kriege geführt, wie euch eure Geschichte eindringlich lehrt! Nichts in<br />
<strong>der</strong> Welt: ist daher schlecht als allein <strong>der</strong> Mensch, wenn er sich in seinem<br />
Herzen abwendet vom Herrn, seinem Schöpfer und Vater, und sich und<br />
seine Mitmenschen fortan als Eintagsfliegen betrachtet und<br />
dementsprechend bewertet und behandelt! Dann schwindet das Glück und<br />
<strong>der</strong> Friede von <strong>der</strong> Welt, und <strong>der</strong> Unfriede mit seinen verheerenden Folgen<br />
ist fortan <strong>der</strong> Herrscher, <strong>der</strong> alles in seinen Bann zwingt. - Herzensreine, in<br />
Meiner Ordnung lebende und nach Meinen Liebesgeboten allezeit<br />
handelnde und tätige Menschenkin<strong>der</strong> als Gesamtvolk wussten nie etwas<br />
von Kriegen und werden auch allezeit von den Kriegsfurien, die bei<br />
Völkern, die ihres Gottes vergaßen, wüten, verschont bleiben. Auch dafür<br />
liefert eure Geschichte Beispiele. Denn euer Herr und Schöpfer,<br />
ohne dessen Willen kein Sperling vom Dache fällt, würde solche etwa<br />
beabsichtigten Eingriffe gegenüber Seinen wahren Kin<strong>der</strong>n in Ewigkeit<br />
nicht dulden.<br />
Es ist daher auf eurer Erde, wie überhaupt auf allen Sonnenerden <strong>der</strong><br />
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, wie in allen Sphären des Alls,<br />
kein Fall denkbar, dass ein zum Kriege drängendes, vom satanischen<br />
Geiste erfülltes Volk ein in Meiner vollgerechten Ordnung lebendes und<br />
also auch mit Meinem Geiste verbundenes Volk kriegerisch überfallen,<br />
bekämpfen, brandschatzen, berauben und in irgendeiner Form in seine<br />
Abhängigkeit bringen könnte. - Und somit ist es einer ungeheuren<br />
Anmaßung und Gotteslästerung gleich zu achten, wenn völlig gottfremde,<br />
vom Satansgeiste erfüllte Menschen kurzweg erklären: Kriege müssten<br />
sein wegen zu befürchten<strong>der</strong> Übervölkerung und damit verbundener<br />
Nahrungsmittelknappheit und drohen<strong>der</strong> Hungersnot. Sie wissen nicht,<br />
dass die Erde von Mir aus bei ihrem Bau so organisiert ist, dass sie ein in<br />
Meiner Ordnung lebendes Menschengeschlecht auch dann in <strong>der</strong> Fülle zu<br />
ernähren imstande ist, wenn es das heutige zahlenmäßig ums Mehrfache<br />
übertreffen würde!<br />
Denn es ist Mir ein Leichtes, zufolge Meiner Wachstumsordnung im<br />
gesamten Naturreich diese zu vervielfachen, zu beschleunigen, zu<br />
verlangsamen, zu beschränken o<strong>der</strong> gar gänzlich zu hemmen, und dies<br />
trotz vorausgegangener allerbester Aussaat auf allerbesten Boden und allen<br />
gegebenen und erfüllten Voraussetzungen. Wehe dem Geschlecht, wenn<br />
Ich Meine segnende Hand von seinen Fluren zurückziehe! Alles Lebendige<br />
dieser Erde würde dadurch dem Hungertode preisgegeben! Doch die
10 Eine Mahn– und Warnpredigt<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
Meinen weiß ich allezeit zu schützen vor aller Not und bestens zu erhalten<br />
auf Meine Weise: Ich will aber nochmals zusätzlich bemerken, dass Ich<br />
über dies Menschengeschlecht, falls es nicht alsbald von seinem losen<br />
Wandel ablässt, noch Trübsale kommen lassen will, wie sie diese Erde<br />
noch nicht geschaut und erlebt! Und Ich will lieber ihre Körper<br />
dahinsinken sehen, als das Leben in ihnen, ihre Seelen also, völlig dem<br />
Ver<strong>der</strong>ben preiszugeben! Das merket wohl!<br />
Allen Buchstabenreitern und Wortklaubern sei gesagt, dass sie in<br />
jeglichem Worte <strong>der</strong> Schrift den lebendigen Geist erkennen und verstehen<br />
lernen sollen, wozu auch das Vertrautsein mit <strong>der</strong> Wissenschaft <strong>der</strong><br />
Entsprechung vonnöten, welche den Alten geläufig war; daher auch die<br />
Bil<strong>der</strong>sprache <strong>der</strong> Schrift von ihnen als solche erkannt und verstanden und<br />
in ihren Schulen gelehrt wurde, zu einer Zeit, da sie nach Meinen Geboten<br />
gelebt und ihre Herzen Mir zugewandt waren. Erst später, z. Zt. <strong>der</strong><br />
Könige, als das Volk bereits entartete, wurde diese Wissenschaft nicht<br />
mehr geübt, und es hielt nun starr am toten Buchstaben fest, wie dies nun<br />
auch in <strong>der</strong> Jetztzeit <strong>der</strong> Fall ist. - Daher denn auch die Feinde alles<br />
Göttlichen die Bibel zu einem Märchen- und Mör<strong>der</strong>buch erklären!<br />
Doch das Ende aller Verfinsterung und verstandesmäßigen Begriffe ist<br />
nun herbeigekommen; <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> Liebe und Wahrheit wird auferstehen<br />
und Herrscher in den Herzen Meiner wahren Kin<strong>der</strong> sein!<br />
Dem Gärtner und Landmann sei gesagt: Ich bin allein <strong>der</strong> rechte<br />
Wettermacher, wennschon es oft scheint, dass keine ordnende Hand die<br />
Vorgänge in <strong>der</strong> Natur überwaltet! Ihr seht in denselben wohl die äußeren<br />
Vorgänge und Erscheinungen, erkennt aber nicht ihr inneres Wesen; nicht<br />
das Leben und Weben <strong>der</strong> lebendig wirkenden Kräfte in ihr, die auch dem<br />
leisesten Wink Meines Allmachtswillens sich fügen müssen. Es wird sich<br />
die Witterung und damit alles Gedeihen in <strong>der</strong> Natur allezeit nach <strong>der</strong><br />
inneren Einstellung <strong>der</strong> Menschheit zu ihrem Schöpfer gestalten. - Leben<br />
und handeln dieselben in Meiner Ordnung und halten sie allezeit Meine<br />
Gebote, dann werde Ich auch für ein reiches Gedeihen <strong>der</strong> Aussaat sorgen;<br />
dann wird die Arbeit des Landmanns gesegnet sein, und die Frucht- und<br />
Kornkammern werden sich füllen. Vergessen aber die Menschen Meiner<br />
gänzlich - denn auch mit einem Halbglauben lauer Seelen gebe Ich Mich<br />
nicht zufrieden - dann wird sich das auch auf das Schlimmste in allem<br />
Naturgeschehen auswirken, wie ihr dieses schon wie<strong>der</strong>holt erlebt habt!<br />
Würde Ich aber des Landmanns Arbeit trotz völliger Entartung Meiner<br />
Kin<strong>der</strong> mit Segen überschütten, dann würde Ich zugleich <strong>der</strong>en Seelen dem<br />
völligen Ver<strong>der</strong>ben preisgeben, und an Gottes leitende Hand würden sie<br />
nimmermehr glauben wollen. Erkennet daher allezeit in den Vorgängen
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Eine Mahn– und Warnpredigt<br />
11<br />
<strong>der</strong> scheinbar blind waltenden Natur Meine ordnende und regulierende,<br />
aber auch richtende Hand, und glaubet ja nicht, dass wahre Kin<strong>der</strong> ihres<br />
Schöpfers und Vaters jemals rohen und blinden Naturgewalten<br />
preisgegeben sind. Es werden neben Regen und Sonnenschein sowie<br />
wohltätigen Winden auch Stürme und Gewitter über die Erde brausen<br />
müssen, zu <strong>der</strong>en notwendiger Bestandserhaltung. Doch von<br />
Wolkenbrüchen, Hagelschlag und Flurschädlingen aller Art werden Meine<br />
vollwahren Kin<strong>der</strong> nie unmittelbar betroffen werden, da sie nur als<br />
Folgezustände menschlicher Entartung auftauchen und dies Geschlecht<br />
quälen und beunruhigen müssen.<br />
Wenn Ich nun trotzdem in einigen Kontinenten zuweilen reiche Ernten<br />
völlig unverdientermaßen zulasse, so weiß allein Ich, welchen Zweck Ich<br />
dabei verfolge, und damit auch den Grund <strong>der</strong> Zulassung. Es soll sich<br />
daher ja niemand an solch scheinbaren Wi<strong>der</strong>sprüchen stoßen, denn am<br />
Ende werde Ich von allen eine Rechnungsablegung for<strong>der</strong>n. Dem Reichen,<br />
Begüterten, <strong>der</strong> willens, fortan in Meiner Ordnung zu wandeln, sage Ich:<br />
Ich bin die Ursache eures Reichtums und ebnete euch die Wege dazu, weil<br />
es also Mein Wille war! Doch seid allezeit weise Verwalter rechtlich<br />
erworbener Güter und blicket nie verächtlich und hochmütig auf eure<br />
ärmeren Brü<strong>der</strong>, da ihr nicht wisset, welch ein Geist in ihnen wohnt und zu<br />
welchem Zweck Ich solche Seelen auf die Erde sandte. Gebet daher<br />
allezeit freudigen Herzens aus eurem Überfluss und weiset nie einen<br />
Bittenden von eurer Tür. Übet euch aber sogestaltig in <strong>der</strong> Barmherzigkeit<br />
als dem höchsten Geiste, den Ich anlagemäßig in euch gelegt, und den ihr<br />
zur höchstmöglichen Reife in euch entwickeln sollt, auf dass ihr einst<br />
gerechtfertigt vor eurem Schöpfer und Vater steht, <strong>der</strong> dann auch sagen<br />
kann: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher<br />
verhärteten Herzens in Mein Reich eingehe!"<br />
Den Armen, Bedürftigen, sage Ich: Ich bin die Ursache eurer Armut,<br />
die also von Mir gewollt und daher auch in die Erscheinung treten musste,<br />
auf dass ihr euch in <strong>der</strong> rechten Demut und Geduld, sowie im lebendigen<br />
Glauben und Vertrauen in Meine weise Führung üben könnt. Und Ich<br />
werde es allezeit verstehen, den Sinn <strong>der</strong> Reichen, die keines verstockten<br />
Herzens, dahin zu lenken, dass sie eurer gedenken. Und durch euren<br />
gerechten Wandel vor Mir werden ungeahnte Kräfte in euch erweckt, die<br />
euch zu großen Aufgaben in Meinem Reiche befähigen. Lasset euch daher<br />
nie von argen Gedanken, nie von nie<strong>der</strong>en Wünschen und Begierden aller<br />
Art überwältigen, auf dass ihr stark werdet in eurer Seele und aufnehmen<br />
könnt die Fülle des Lebens aus Mir; auf dass Ich Wohnung nehmen kann<br />
in euren Herzen als Meinem lebendigen Tempel! Doch solange dies
12 Eine Mahn– und Warnpredigt<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
Menschengeschlecht noch nicht die volle geistige Wie<strong>der</strong>geburt erreicht<br />
hat, wird es von Mir aus Arme und Reiche geben, um das Unebene eben<br />
zu machen und herbeizuführen einen gerechten Ausgleich aller Gegensätze<br />
in allen Dingen und Vorgängen des Lebens durch fleißige Übung und<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Seelenkräfte, durch das Wandeln in Meiner Liebe o<strong>der</strong><br />
das Leben in Meinem Geiste, <strong>der</strong> in Mir Selbst die Liebe ist!<br />
Du aber, Mein kleines Häuflein, Meine kleine Herde, die mir allezeit<br />
und in allen Lebenslagen die Treue wahrte, verzage nicht, son<strong>der</strong>n harre<br />
Meiner in Geduld! Ich will dich schützen, leiten und Wege führen, die Ich<br />
allein kenne. Und du wirst schauen Mein Angesicht und dich mit Mir<br />
bereden wie mit einem Bru<strong>der</strong>!<br />
Wohl allen denen, die Mein Wort hören, es dankbaren Herzens<br />
aufnehmen und fortan in Meiner Liebe wandeln. Sie sollen den Leibestod<br />
nicht schmecken, son<strong>der</strong>n ihre Umwandlung wird sich in einem<br />
schnellsten Augenblicke in sanftester Weise vollziehen, und als ein ewig<br />
freiestes Geistwesen werden sie vom Tode dieser arg gewordenen Welt in<br />
ein freies, lichtvollstes Leben eingehen, da keine Nacht, kein Tod, keine<br />
Sorge, keine Trübsal mehr, son<strong>der</strong>n, beglücken<strong>der</strong> Friede und Seligkeiten<br />
über Seligkeiten ihr Teil sein werden!<br />
Ihnen allen Meine Liebe und Ihre Kraft, Meine Gnade und Meinen<br />
Segen ! Amen ! (Quelle: <strong>Lorber</strong>-Verlag, gegeben durch O. M. in D. 1949)
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />
13<br />
Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />
Ein Natur - Evangelium (Schluss)<br />
Klaus W. Kardelke<br />
Rechte Naturbetrachtung<br />
Allen Menschen eigen ist eine mehr o<strong>der</strong> weniger intensive Beziehung<br />
zur uns umgebenden Natur. Kaum einer vermag sich <strong>der</strong> Ausstrahlung<br />
eines Waldes, eines Berges, eines Sees o<strong>der</strong> einer Quelle zu entziehen.<br />
Viele fühlen bei <strong>der</strong>artigen Naturbetrachtungen ein leises Wehen durch<br />
ihre Seelen gehen, sofern sie empfänglich sind für den stärkenden<br />
Einfluss, den die Natur uns bietet.<br />
Doch nur wenige vermögen zu verstehen, was die Natur uns zu sagen<br />
hat o<strong>der</strong> ob sie überhaupt zu uns redet. So bleibt vielen die Sprache <strong>der</strong><br />
Natur unverständlich, und nur ein gefühlvolles Ahnen erfüllt die Seele,<br />
dass sie inniger mit <strong>der</strong> Natur verbunden ist, als sie es bewusst<br />
wahrzunehmen vermag.<br />
Blicken wir in die Geschichten <strong>der</strong> Mystiker und Gottesmänner und<br />
<strong>der</strong>en Naturerleben, so hören wir immer wie<strong>der</strong> von ihnen, dass ein<br />
jedes Ding seine beredte Sprache führt, die ihm <strong>der</strong> Schöpfer in sein<br />
Wesen gelegt hat.<br />
Beispielhaft sei hier <strong>der</strong> Jakob Böhme (1575-1624) angeführt, <strong>der</strong> aus<br />
seiner inneren geistigen Schau sagen konnte:<br />
„Jedes Ding ist ebenso auswendig bezeichnet, wie es innerlich,<br />
in sich selbst ist. Denn das innerliche Wesen arbeitet stets auf seine<br />
Offenbarung hin. So hat denn auch ein jedes Ding seinen Mund zur<br />
Offenbarung, und eben hierin liegt die Natursprache, vermöge <strong>der</strong>en<br />
jedes Ding aus seiner Eigenschaft redet und darstellt, wozu es gut und<br />
nütze sei.“<br />
So kann <strong>der</strong> erleuchtete Mensch allein schon an <strong>der</strong> Außenform<br />
eines Gegenstandes o<strong>der</strong> auch Menschen auf dessen innere<br />
Beschaffenheit schließen, kann herauslesen seinen Charakter, kann sich<br />
mit dem inneren Geiste in ein Zwiegespräch begeben.<br />
So erging es auch dem Schreibknecht Gottes, Jakob <strong>Lorber</strong>. Durch die<br />
Gnade des Herrn erhielt er die Gabe, in das Innerste <strong>der</strong> Dinge zu schauen<br />
und zu vernehmen <strong>der</strong>en innersten Geist. Auf diese Weise sind sämtliche<br />
naturkundliche Kundgaben entstanden, wie uns sein Biograph Karl<br />
Gottfried Ritter von Leitner berichtete. (s. Kap. 2)<br />
Naturerscheinungen haben von jeher allen Gotterleuchteten als ein Mittel<br />
zur eigenen Selbsterkenntnis gedient, hinter denen sie das göttliche, aber
14 Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
auch ihr eigenes Wesen waltend erkannten, denn „niemand kann in<br />
seiner natürlichen Sphäre etwas erschauen, was er nicht ehedem in sich<br />
hat.“ (Ste 37,8)<br />
So erlebte es auch <strong>der</strong> indische Christuszeuge Sundar Singh,<br />
wenn er die Naturschönheiten betrachtete: „Eines Tages entdeckte ich eine<br />
Blume und dachte über ihren Wohlgeruch und ihre Schönheit nach. Ich sah<br />
in dieser Seiner Schöpfung den Schöpfer selbst, wenn er auch meinen<br />
Blicken verborgen blieb. Große Freude erfüllte mein Herz. Aber noch<br />
größer war meine Freude, als ich Sein Wirken in meiner Seele verspürte.<br />
Ich musste ausrufen: ‘Wie wun<strong>der</strong>bar bist Du, o Gott! Getrennt von<br />
Deiner Schöpfung und dennoch sie erfüllend mit Deiner herrlichen<br />
Gegenwart!’“<br />
Immer schon drängte es den Gottsuchenden hinter den Schleier <strong>der</strong><br />
äußeren Wirklichkeit zu sehen, um Gott und sich selbst zu erkennen.<br />
Novalis drückte diese Sehnsucht in folgenden Worten aus:<br />
„Einem gelang es, - er hob den Schleier <strong>der</strong> Göttin zu Sais -.<br />
Aber was sah er Er sah - Wun<strong>der</strong> des Wun<strong>der</strong>s - sich selbst.“<br />
Hinter dem Schleier <strong>der</strong> äußeren Wirklichkeit erkennen wir diese als einen<br />
Spiegel unseres eigenen Wesens.<br />
Wissen wir doch aus dem Weisheitsschatze aller Völker sowie aus <strong>der</strong><br />
Neuoffenbarung, dass in uns alles Äußere und Innere wesenhaft vorhanden<br />
ist, dass in uns die ganze Schöpfung kreist, so erkennen wir uns<br />
auch in den Naturerscheinungen und darüber hinaus in allen Erscheinungen<br />
auf dieser Welt und im gesamten Kosmos wie<strong>der</strong>, denn diese liefern uns<br />
ein getreues Spiegelbild unseres eigenen seelischen Wesens.<br />
So sagt es uns <strong>der</strong> Herr an zahlreichen Stellen in Seiner Neuoffenbarung:<br />
„So du dich selbst vollkommen erkennen wirst, wirst du auch all das<br />
erkennen, was sich da befindet außer dir; da sich außer dir nichts<br />
befinden kann, das nicht schon lange zuvor in dir vorhanden gewesen<br />
wäre.“ (Bischof Martin 45,5)<br />
„Wer da nicht weiß und sieht, dass in ihm die ganze Schöpfung<br />
kreiset, lebt und webt, <strong>der</strong> kann auch nicht den Grund seiner Triebe,<br />
Begierden und Gedanken fassen. Seht, in eurem Geiste liegt die ganze<br />
Unendlichkeit wesenhaft begraben, und dazu noch jedes einzelne<br />
unendlichfältig.“ (Hi. I S. 54,4-5)<br />
„Wahrlich, wahrlich, sage Ich euch, diese Erde und alles, was auf ihr, in ihr<br />
und über ihr ist, und die Sonne und alles, was da ist in ihr, auf ihr und über<br />
ihr, und alle die großen Sterne mit zahllosen Weltenheeren und mit ihrem<br />
Lichte und mit allem, was da ist in ihnen und über ihnen, und was da war<br />
und sein wird nach undenklichen Zeitläufen, und den ganzen Himmel in
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />
15<br />
aller seiner Unendlichkeit, alle zahllosen Myriaden <strong>der</strong> Engelscharen mit aller<br />
ihrer Herrlichkeit, ja Mich selbst (Gott) habt ihr in euch!“ (HGt II 86,8)<br />
Diese Erkenntnis lag allen Religionen und geistigen Schulen zugrunde,<br />
und schon Hermes Trismegistos formulierte es in seinem Satz: ‘Wie oben,<br />
so unten, wie innen, so außen, wie im Himmel, so auf Erden; was war,<br />
kehrt wie<strong>der</strong>.’ Und selbst unserem Goethe war diese Erkenntnis zu eigen,<br />
welche er in die Worte kleidete:<br />
„Wär’ das Aug’ nicht sonnenhaft,<br />
die Sonne könnt es nie erblicken;<br />
läg’ nicht in uns des Gottes eig’ne Kraft,<br />
wie könnt’ uns Göttliches entzücken“<br />
Der spätere Eckehart-Schüler und Kardinal Nikolaus Cusanus drückt<br />
diese Erkenntnisse noch tiefer aus:<br />
„Das Menschenwesen umfasst in menschlich beschränkter Weise das<br />
ganze All. Der Mensch ist Gott, jedoch nicht absolut, weil er Mensch ist. Er<br />
ist also ein menschlicher Gott. Der Mensch ist auch <strong>der</strong> Kosmos, aber<br />
nicht das konkrete Universum, weil er Mensch ist. Er ist ein Mikrokosmos,<br />
eine menschliche Welt. So umfasst die Region des Menschlichen Gott und<br />
die gesamte Welt in ihrer menschlichen Weise.“<br />
So findet sich alles im Menschen wie<strong>der</strong>, was dieser außer sich zu<br />
erschauen vermeint. Denn in Wahrheit, so belehrt uns schon die<br />
Wissenschaft, sehen wir nicht die Dinge an sich, son<strong>der</strong>n nur die Bil<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong>selben in unserem Gehirn o<strong>der</strong>, besser gesagt, in unserer Seele. Und<br />
da wir nun in erster Linie die Natur und somit auch unsere Umwelt in uns<br />
finden, so können wir auch in den noch so geringfügigsten<br />
Naturerscheinungen für uns wahre Wun<strong>der</strong> <strong>der</strong> Erkenntnis und Weisheit<br />
entdecken, denn diese spiegeln unsere eigenen seelischen Zustände exakt<br />
wie<strong>der</strong>. So werden sie für uns zu einem Evangelium, zu einer frohen<br />
Botschaft, welche uns in unserer Selbsterkenntnis weiterhelfen, wenn wir<br />
sie bewusst wahrnehmen und uns bemühen, ihre Sprache zu verstehen.<br />
Diese Sprache aber ist die Sprache des Geistes, die Sprache <strong>der</strong><br />
Entsprechungen, <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> und Gleichnisse.<br />
Da aber unsere Geistesohren noch taub und unsere Geistesaugen noch<br />
blind sind und wir <strong>der</strong> Geistessprache nicht mächtig, so hören und sehen wir<br />
nichts, und nur unser innerer Geist erahnt diese Zusammenhänge.<br />
Und so gilt uns auch das Wort unseres himmlischen Vaters: „Viele sind,<br />
welche die Natur mit ihren Augen angaffen, aber wenige, die sich selbst<br />
in <strong>der</strong>selben finden.“ (Hi. I S. 173,35)<br />
So soll <strong>der</strong> dem Geiste zugewandte Mensch mit offenen Augen und
16 Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
Ohren die Natur durchschreiten und jede noch so geringe Erscheinung wohl<br />
beachten und seine Empfindungen dabei überprüfen, denn gerade diese sind<br />
eine verschlüsselte Botschaft unseres inneren göttlichen Geistes an unsere<br />
Seele.<br />
Wie wir dies praktisch vollziehen können, belehrt uns die<br />
Neuoffenbarung:<br />
„Sehet, es legen abends Millionen Menschen auf ihr Schlaflager<br />
ihre Glie<strong>der</strong> nie<strong>der</strong>, und wie<strong>der</strong> stehen am nächsten Morgen Millionen<br />
Menschen mit ausgeruhten Glie<strong>der</strong>n auf, einige zur gewöhnlichen<br />
Tagesarbeit, an<strong>der</strong>e zum gewöhnlichen Tagesmüßiggange. Und so stehen<br />
tausende Menschen auf, und von diesen tausend hat ein je<strong>der</strong> etwas an<strong>der</strong>es<br />
vor. Aber von allen diesen aufgestandenen Menschen ist nicht einer, <strong>der</strong> da<br />
aufgestanden wäre, wie er hätte aufstehen sollen. Denn ein je<strong>der</strong> ließ die<br />
Erscheinungen des Morgens wie auch des folgenden Tages ganz unbeachtet.<br />
So ihr aber aufwachet am Morgen, so sehet mit aufmerksamen<br />
Herzen auf die Dinge um euch her, habet acht auf eure Gefühle, die<br />
allezeit modifiziert (verwandelt) erscheinen, auch schon, wenn nur ein<br />
Wölkchen am Himmel die frühere Form verän<strong>der</strong>t, ja, die wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s<br />
werden, so ihr in irgendeine (an<strong>der</strong>e) Weltgegend eure Blicke richtet.<br />
An<strong>der</strong>s fühlet ihr am Morgen, an<strong>der</strong>s am Abende.<br />
Wenn ein freundliches Lüftchen wehet, werden da nicht euere Gefühle<br />
heiter und lieblich bewegt - Wenn da wehet ein warmer Südwind, <strong>der</strong><br />
herrliche Wolkenmassen durch den blauen Himmel treibt und ihr sehet die<br />
Vögel <strong>der</strong> Luft sich wetteifernd emsig herumtummeln in den heftigen Wogen<br />
<strong>der</strong> Südluft - werden da nicht eure Gefühle selbst geweckt und heldenmäßig<br />
gestimmt, dass ihr oft eure Arme gleich Flügeln ausbreitet, um euch Vögeln<br />
gleich zu erheben in die wogende warme Luft und mutig zu kämpfen daselbst<br />
gleich den Vögeln mit dem Flügelpaare gegen solches ziemlich<br />
gewaltsame Strömen <strong>der</strong> Südluft. Wenn aber ein feuchter Ost- o<strong>der</strong> ein<br />
gewaltiger Nordwind zu wehen anfängt, so werdet ihr ganz kümmerlich in<br />
euren Gefühlen und ziehet euch bescheiden zurück vor diesen<br />
unfreundlichen, sehr gewaltsamen Winden. Wenn sich <strong>der</strong> hohe West (-<br />
wind) erhebt, dann schauet ihr empor, und eure Augen weiden sich an den<br />
lämmerartigen Gebilden <strong>der</strong> Wölkchen, und eure Gefühle werden weiter und<br />
weiter unter den weiten Hallen des blau und weiß durchwirkten Himmels.<br />
Und werden nicht wie<strong>der</strong>um eure Gefühle ganz an<strong>der</strong>s, so euch am<br />
heiteren Morgen aus den roten Wölkchen des Aufganges ein frisches<br />
Morgenlüftchen entgegenweht<br />
Und so möget ihr bei irgendeiner Erscheinung zugegen sein, ja wo immer<br />
hinreisen, und selbst in was immer für einer Handlung begriffen sein, so
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />
17<br />
habet acht auf jegliche auch noch so kleinfügige Erscheinung, und ihr<br />
werdet gewiss allezeit sicher gewahr werden, wie sehr sich die Gefühle<br />
allezeit modifizieren, ja oft so stark, dass, so ihr euer eigenes Gemach<br />
wie<strong>der</strong> betretet, euch dasselbe vorkommt, als wenn ihr es zum ersten Male<br />
betreten hättet, o<strong>der</strong> es kommt euch doch im selben alles ein wenig<br />
fremdartig vor.<br />
Nun aber fragt sich, worin denn <strong>der</strong> Grund solcher Erscheinungen<br />
liegt Die Beantwortung dieser Frage ist <strong>der</strong> eigentliche Hebel auf eine<br />
höhere Stufe. - Sehet, so wie ihr bei irgendeinem Unterrichte, je nachdem<br />
<strong>der</strong>selbe geartet war (da sein Stoff entwe<strong>der</strong> ein geschichtlicher, ein<br />
technischer, ein geologischer, ein mathematischer, ein religiöser war) -<br />
allezeit gewiss an<strong>der</strong>s denken und empfinden werdet, so ist dieses um so mehr<br />
<strong>der</strong> Fall, wenn ihr in Meiner großen Unterrichtssphäre wandelt, denn da rede<br />
Ich durch alle die vorbenannten und noch tausend an<strong>der</strong>e Erscheinungen<br />
beständig zu eurem Geiste.<br />
Allein, wie ihr schon wisset, ist den Tauben und Blinden hart predigen;<br />
denn diese empfinden höchstens den Geruch <strong>der</strong> Speise, wie aber diese<br />
aussieht, das sehen sie nicht. Und wenn man ihnen sagt, woraus und wie sie<br />
verfertigt ist, so hören sie das nicht, weil sie taub sind. - Sehet, so sind auch<br />
alle diese Erscheinungen zahllose, wohl zubereitete Speisen für den Geist!<br />
Aber in diesen vorbenannten Gefühls-Modifikationen empfindet ihr<br />
nur den Geruch dieser Speisen, aber sehen könnet ihr sie nicht, da ihr<br />
ebenfalls noch blind seid. Und wie sie zubereitet sind, das könntet ihr<br />
ebenfalls nicht vernehmen, <strong>der</strong> noch obwaltenden großen Taubheit wegen.<br />
Das aber ist die höhere Stufe, dass Ich euch in dieser Vorbetrachtung<br />
eine kleine Augensalbe gebe, vermöge welcher ihr ein wenig sehend werden<br />
sollet, und zwar in eurem Herzen, um hernach aus diesen Erscheinungen<br />
verständig in <strong>der</strong> Mitte eures Herzens zu denken, dass <strong>der</strong>gleichen Dinge<br />
nicht ihrer selbst willen, son<strong>der</strong>n so, wie ein Professor nicht seiner selbst<br />
willen auf den Kathe<strong>der</strong> tritt, son<strong>der</strong>n seiner Schüler wegen.<br />
Denn es ist jede dieser (Natur-) Erscheinungen nichts als ein heller<br />
Spiegel, welcher so künstlich eingerichtet ist, dass ein je<strong>der</strong> Mensch, <strong>der</strong><br />
nur einigermaßen geweckt ist und nicht gar zu lange in den ‘Tag’<br />
hineinschläft, sein inneres Wesen von Sekunde zu Sekunde modifiziert in<br />
selbem erschauen kann, wie auch das Gesamtbild aller Menschen und eines<br />
jeden einzelnen in Beziehung auf die Gesamtheit. Ja, er kann erschauen<br />
im selben das ganze Verhältnis <strong>der</strong> Hölle, <strong>der</strong> erlösten und unerlösten<br />
Geisterwelt, wie auch im innersten Grunde dieses Spiegels den Himmel und<br />
alles das, was des Himmels ist. Und er kann im selben alles dieses<br />
erblicken in unendlichen Potenzen, weil Ich, als <strong>der</strong> Zulasser und
18 Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
Darsteller alles dessen, wie schon gesagt, selbst unendlich bin.<br />
Wenn ihr daher in <strong>der</strong> Zukunft wie und wann immer ausgehet, so<br />
haltet ja keine Erscheinung für so geringfügig, dass sie nicht eures<br />
Beachtens würdig wäre. Und glaubet, dass Ich nicht zu viel sage, wenn<br />
Ich euch selbst auf die kleinsten Wendungen eines Sonnenstäubchens<br />
aufmerksam mache und auch auf das emsige Getrippel irgendeines<br />
Insektes. Denn ist auch dieses ohne Bedeutung dann, wenn es von<br />
niemand beachtet o<strong>der</strong> beobachtet wird, weil das Insekt dann nur auf eine<br />
Mich allein angehende Art tätig ist, - jedoch nicht so ist es, so eure Augen<br />
irgendeinen Gegenstand treffen. Denn alsdann wird sogleich ein<br />
Sonnenstäubchen, wie eine Milbe und ein irgendeinem Schornsteine<br />
entsteigen<strong>der</strong> Qualm von Mir für den Beschauer zu einem Apostel<br />
geweiht und tritt in dem Augenblick als wohl unterrichteter Lehrer in<br />
Meinem Namen vor eure Augen.<br />
Sehet, das ist die ‘höhere Stufe’, die Ich euch versprochen habe! Daher<br />
sagte Ich schon in <strong>der</strong> vorigen Mitteilung vorbauend: Es gibt gar viele,<br />
welche die Erscheinungen <strong>der</strong> Natur angaffen werden, gerade (wie ihr zu<br />
sagen pflegt) so wie eine Kuh ein neues Tor. Aber ganz außerordentlich<br />
wenige gibt es, die sich selbst in den Erscheinungen <strong>der</strong> Natur<br />
finden.“ (Hi. I S. 179,10 ff)<br />
Wie können wir uns nun in den Erscheinungen um die Andritz-Quelle<br />
selbst erkennen Hierzu gibt uns die Quelle selbst ein Beispiel <strong>der</strong> Schrift<br />
und Sprache ihrer eigenen Natur und erläutert uns dieselbe für unseren noch<br />
unerleuchteten Verstand.<br />
„Seht, so ihr meinen Spiegel betrachtet, so werdet ihr so manche<br />
Bewegungen meiner Oberfläche gewahr werden; eine ordentliche,<br />
kreisförmige, die aus meinem Innern bewirkt wird, - und eine an<strong>der</strong>e,<br />
unordentliche, unförmige, unregelmäßige, die durch außerwirkende<br />
Umstände, meinen Spiegel störend, bewirkt wird.<br />
Sehet, diese (erstere) Bewegung, so ihr in dem Leben des Geistes wäret,<br />
wäre euch nicht nur eine Bewegung, durch euch unbekannte grobe materielle<br />
Umstände bewirkt, son<strong>der</strong>n ihr würdet eine gar wun<strong>der</strong>bare, wohlleserliche<br />
Schrift durch den allmächtigen Finger Gottes in großer Klarheit<br />
entdecken. Allein, da ihr dessen nicht fähig seid, so will ich euch zum<br />
Schlusse in <strong>der</strong> Kürze etwas von diesem A-B-C und dessen tiefsinniger<br />
Bedeutung kennen lehren.<br />
Diese kreisförmige Bewegung entsteht durch aus meinem Innern<br />
emporsteigende materiell-geistige Bläschen, durch welche (verwun<strong>der</strong>t<br />
euch nicht über das, was ich euch kundgeben werde) ein gesänftetes<br />
Geisterwesen aus dem zu harten Drucke <strong>der</strong> toten Materie befreit wird;
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />
19<br />
woraus ihr euch folgende, geistig entsprechende Lehre nehmen könnet, dass<br />
auch euer Geist (Seele) fürs erste auf eine ähnliche Weise aus <strong>der</strong> Materie<br />
entbunden wurde und dass er ebenfalls den nämlichen Weg in euch - wo er<br />
ebenfalls noch an die Materie gebunden ist - aus dem Innersten eures<br />
Wesens bis zu eurer Oberfläche dringen und da sich ebenfalls in solcher<br />
geordneten, gottesähnlichen Kreiswirkung offenbaren soll, um euer ganzes<br />
Wesen, das an und für sich materiell ist, gleich sowie meine spiegelglatte<br />
Oberfläche in eine wohlgeordnete Bewegung zu versetzen. Meine Stellung<br />
aber sei euch auch ein entsprechendes Bild, dass dies gottähnliche Leben des<br />
Geistes nur dann am höchsten wird, je mehr ihr euch zurückgezogen habt<br />
von <strong>der</strong> außenherstürmenden bösen Welt.“ (Hi.I S. 60,12-14)<br />
Die Achtsamkeit auf die Gefühle<br />
„Ihr habt schon bei so mancher Gelegenheit erfahren, dass für den<br />
geistig geweckten Menschen jede Erscheinung in <strong>der</strong> Natur irgendeine<br />
Bedeutung hat.<br />
Alle diese Erscheinungen und Empfindungen entsprechen allzeit auf<br />
ein Haar dem inwendigen Zustande des Menschen. Nur ist dabei zu<br />
bemerken, dass da die Empfindung mit den Erscheinungen<br />
übereinstimmen müssen - denn die Erscheinungen für sich geben noch<br />
kein vollgültiges Zeugnis -, wenn aber das Gefühl mit <strong>der</strong> Erscheinung<br />
harmoniert, dann verkündet <strong>der</strong> Berg (o<strong>der</strong> die Natur) dem Menschen<br />
genau, wie es mit ihm steht.“ (Großglockner 13)<br />
In diesem sehr aufschlussreichen Text werden wir auf unsere<br />
Herzensgefühle bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> Natur hingewiesen. Diese nur<br />
sind <strong>der</strong> Schlüssel zur Naturerkenntnis und somit auch zur Erkenntnis<br />
unserer selbst. Und so werden wir immer wie<strong>der</strong> auf unsere Gefühle als<br />
Schlüssel zur Selbsterkenntnis aufmerksam gemacht.<br />
„Es ist gut, des öfteren auf so manches das Gefühlsauge zu richten<br />
und da Meine Liebe und Weisheit zu gewahren - und wäre <strong>der</strong> zu<br />
betrachtende Gegenstand noch so gering! - Denn es liegt doch immer etwas<br />
Unendliches darin, und so ist es auch würdig eines geistigen Blickes, da alles<br />
worin sich Unendliches birgt, von Mir ein Atom ist, in dem ein ewiges Sein<br />
waltet.“ (Vorwort zu ‘Die Fliege’)<br />
„Wo ihr nun demnach hin wollet, da gebet acht auf alles, sei es auf <strong>der</strong><br />
Erde o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Luft, sei es in <strong>der</strong> Nähe o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Ferne; vor allem<br />
aber auf eure Gefühle! Denn darinnen werdet ihr, so ihr an dem bestimmten<br />
Orte sein werdet, bei genauer Aufmerksamkeit wohl zu gewahren<br />
anfangen, was das heißt, in Meinem Namen etwas tun!“ (Hi. I S. 228,13)<br />
„Hauptsächlich aber sollet ihr bei allem dem auf eure Gefühle die
20 Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
größte Aufmerksamkeit verwenden. Und ihr werdet daselbst durch eine<br />
beson<strong>der</strong>e Zulassung von Mir euch von noch nie geahnten und noch viel<br />
weniger gehabten Gefühlen bemeistert fühlen, welche euch mehr sagen<br />
werden, als alle Bücher <strong>der</strong> Welt zu fassen vermöchten.“ (Hi. I S. 148,5)<br />
Nur im Gefühle unseres Herzens und nicht im Verstande unseres Kopfes<br />
können wir die Geheimnisse <strong>der</strong> Natur und unseres eigenen Wesens<br />
lüften, denn im Gefühle äußert sich das geistige Leben in uns, spricht <strong>der</strong><br />
Geist zur Seele und offenbart sich.<br />
„Sehet, klein zwar ist das Herz des Menschen, aber desto größer <strong>der</strong><br />
Horizont seiner Gefühle, so jemand ist in <strong>der</strong> Kraft des Glaubens aus <strong>der</strong><br />
reinen Liebe zu Mir. Ich sage euch, es ist kein Ding so verborgen, als dass es<br />
nicht von den Strahlen des reinen Gefühls erreicht werden möchte, und<br />
haben dann die reinen Strahlen des Gefühls irgendetwas erfasst, so fraget<br />
euch selbst, ob es möglich wäre, die Sache an<strong>der</strong>s zu erfassen, als sie an und<br />
für sich wirklich ist und besteht.<br />
Daher sollet auch ihr euren Verstand unter den Gehorsam des reinen<br />
Gefühles im lebendigen Glauben aus <strong>der</strong> Liebe zu Mir vollends gefangen<br />
nehmen, so werdet ihr alle Dinge schauen, wie sie sind, und dann erst<br />
werdet ihr klar und deutlich einzusehen anfangen, wo die ewige Sonne <strong>der</strong><br />
Wahrheit und Wirklichkeit leuchtet.“ (Naturzeugnisse S. 126-127)<br />
„Suchet vor allem euer Lebensgefühl nach Meiner Lehre zu bilden<br />
und zu stärken, fühlet mit dem Armen seine Not und lin<strong>der</strong>t sie nach<br />
euren Kräften und nach eurem Vermögen, tröstet die Traurigen,<br />
bekleidet die Nackten, speiset die Hungrigen, tränket die Durstigen, helfet,<br />
wo ihr könnet, den Kranken, erlöset die Gefangenen und den Armen im<br />
Geiste prediget Mein Evangelium, - das wird bis in die Himmel erheben<br />
euer Gefühl, euer Gemüt, und eure Seele wird auf diesem Lebenswege<br />
bald und leicht mit ihrem Geiste aus Gott eins werden und dadurch auch aller<br />
Seiner Weisheit und Macht teilhaftig werden. Und das wird doch sicher<br />
mehr sein, als vieles in <strong>der</strong> Welt zu wissen, aber dabei ein gefühlloser<br />
Mensch gegen seine Nebenmenschen zu sein und sich selbst durch sein zu<br />
wenig belebtes Gefühl das Zeugnis zu geben, dass man dem wahren Leben<br />
im Geiste noch sehr ferne steht.<br />
Geist, <strong>der</strong> allein lebendige im Menschen, ist pur Liebe und ihr<br />
zartestes und ewig wohlwollendstes Gefühl. Wer demnach solche seine Liebe<br />
und ihr zartestes und ewig wohlwollendstes Gefühl in seine eigenliebige<br />
Seele stets mehr und mehr aufzunehmen bemüht ist, und in selben auch<br />
stets stärker, kräftiger, mutiger und gefügiger wird, <strong>der</strong> för<strong>der</strong>t dadurch die<br />
volle Einung des Geistes mit <strong>der</strong> Seele; und wird dann die Seele zu purer<br />
Liebe und Weisheit ihrem zartesten und wohlwollendsten Gefühle
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />
21<br />
nach, so ist solch eine Seele denn auch schon völlig eins mit ihrem Geiste<br />
und ist dadurch denn auch im lebendigsten Besitze aller <strong>der</strong> wun<strong>der</strong>baren<br />
Lebens- und Seinsfähigkeiten ihres Geistes, und das ist denn doch sicher<br />
mehr wert, als alle Schulen <strong>der</strong> Weltweisen <strong>der</strong> Erde durchgemacht zu<br />
haben, dabei aber ein strenger und gefühlsloser Mensch zu<br />
verbleiben.“ (Gr.Ev.Joh. VIII 150,14-15)<br />
Nun verstehen wir, warum <strong>der</strong> Herr soviel Wert darauf legt, unsere<br />
Gefühle bei <strong>der</strong> Betrachtung Seiner Naturschönheiten zu beachten und zu<br />
erwecken. Sind die Gefühle doch die Äußerungen unseres göttlichen<br />
Geistfunkens, und je mehr wir dieser inneren Gefühlsstimme Raum in<br />
unserem Herzen geben, um so mehr eint sich <strong>der</strong> Geist mit unserer<br />
Seele. Ja, das zarte, reine Liebesgefühl gilt es zu erwecken, und jede<br />
Gelegenheit zu nutzen, diesem in uns Raum zu gewähren. So finden wir im<br />
Gefühle, in <strong>der</strong> Stimme unseres Herzens mehr, als in sämtlichen Büchern<br />
geschrieben steht, denn wir finden unser Leben selbst, und dieses<br />
können wir in keiner Wissenschaft o<strong>der</strong> in keinem Buche jemals finden,<br />
son<strong>der</strong>n nur in uns selbst. Unsere Gefühle weisen uns den Weg in unser<br />
Herz, in unser innerstes Leben. Auf dem Gefühlswege, welcher durch die<br />
Gottes- und Nächstenliebe, durch Gebet und Meditation führt, aber auch<br />
durch die Versenkung in die Naturschönheiten, finden wir uns selbst, und<br />
somit den Herrn in uns, denn <strong>der</strong> Herr ist unser wahres Selbst. Wir erkennen<br />
unseren wahren Lebensgrund und erfüllen unser ganzes Sein mit Leben<br />
und Liebe, mit <strong>der</strong> Kraft <strong>der</strong> Gefühle.<br />
Es sei hier ein kleines Gedicht mit dem Titel „Das Gefühl“ dargereicht,<br />
welches Jakob <strong>Lorber</strong> vom Herrn in die Fe<strong>der</strong> diktiert bekam. Dieses<br />
Gedicht drückt in poetischen und weisen Worten das aus, was dem Gefühle<br />
eigen ist: „Im Gefühle ist’s gelegen / Was das Leben mag begreifen, /<br />
Und auf allen finst’ren Wegen / Mag das Licht allein nur reifen.<br />
Wenn das Leben im Gefühle / Sich dir gibt getreu zur Kunde / Unter<br />
gläubig lichter Hülle, / Treu in je<strong>der</strong> Zeit und Stunde, / Magst du reden,<br />
disputieren, / Was dir immer mag gefallen / Magst dich geistig<br />
instruieren / Was das Leben in den Allen; / Nimmer doch wirst du es<br />
finden / Was in sich da ist das Leben. Im Gefühl nur wird sich’s künden /<br />
Wie das Leben ist gegeben.<br />
Darum - lebe im Gefühle! / Treu nach alter Lebenskunde, / So in aller<br />
Herzensstille / Auf dem öden Erdenrunde. / Dann lebst du ein wahres<br />
Leben, / Selbst ein Leben dir gestellet, / Treu und wahr von Gott<br />
gegeben, / Also auch von Ihm erwählet; / So denn fühlet sich das Wahre /<br />
Selbst als ein’ge Kraft hienieden, / Und einst über Zeit und Bahre / Reicht<br />
es dir den ew’gen Frieden! Amen.“ (Psalmen und Gedichte S. 68)
22 Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
Die Quelle als Bild unseres Inneren<br />
Wie können wir nun im Bild <strong>der</strong> Andritz-Quelle mit ihrer spiegelglatten<br />
Oberfläche und den vom Grunde aufsteigenden Bläschen uns selbst wie<strong>der</strong><br />
finden<br />
Dazu gibt uns die Neuoffenbarung einige aufschlussreiche Hinweise, die<br />
uns das Obige noch aus einem an<strong>der</strong>en Lichte beleuchten, und so hören wir:<br />
„Die Seele aber ist ein lebendiger Spiegel; daher sie die in ihr haftenden<br />
Bil<strong>der</strong> beleben und mit ihnen so umgehen kann, als wären sie reelle<br />
Wirklichkeit, und hat dabei den unberechenbaren Vorteil, dass sie sich durch<br />
diese in ihr belebten Bil<strong>der</strong> auch mit <strong>der</strong> leichtesten Mühe mit den<br />
wirklichen Bil<strong>der</strong>n in Verkehr setzen kann. Solange die Seele zwar in<br />
dieser Welt noch lebt, bleibt in ihr dieses Vermögen noch unvollkommen,<br />
und sie weiß am Ende selbst nicht, was sie damit machen soll.“ (Gr.Ev.Joh.<br />
X 195,10)<br />
Aus diesem Text resultieren unendliche Entsprechungen in Bezug auf<br />
unsere eigene Seele. Entspricht doch nun auch <strong>der</strong> Wasserspiegel des<br />
Quellteiches unserer Seele, und je reiner und ungetrübter das Wasser und<br />
die Ruhe <strong>der</strong> Oberfläche, desto reiner und klarer sind auch die auf ihr<br />
erscheinenden Bil<strong>der</strong> <strong>der</strong> wahren Wirklichkeit.<br />
Und so sieht je<strong>der</strong> die Welt, die Natur und seine Mitmenschen nur so<br />
klar o<strong>der</strong> getrübt, wie sein innerer Seelenspiegel gestaltet ist. Entwe<strong>der</strong><br />
klar und deutlich o<strong>der</strong> bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Und so wie wir<br />
dies alles in uns gewahren, dementsprechend formt sich unser Bild und<br />
unsere Meinung von diesem Bild, und so beurteilen wir die Welt wie auch<br />
unsere Mitmenschen nach diesem in uns spiegelnden Abbild.<br />
Dass dabei mancherlei Trübes aus uns herausquillt, können wir uns<br />
denken, denn ist unser Seelenspiegel nicht in <strong>der</strong> Ruhe und Klarheit, wie<br />
es uns die Andritz-Quelle zeigt, so sind auch die Abbil<strong>der</strong> darauf unruhig<br />
und verzerrt und dementsprechend haben sie mit <strong>der</strong> wahren Wirklichkeit<br />
wenig gemein, obgleich sie uns als wahr und richtig erscheinen mögen.<br />
„Wenn ihr sehet einen ganz ruhigen Wasserspiegel, und es scheint die<br />
Sonne darein, so wird sie aus dem Wasserspiegel in <strong>der</strong>selben Majestät<br />
und Wahrheit wi<strong>der</strong>strahlen, als wie ihr sie sehet am Himmel. Und ebenso<br />
gehört ein ruhiges, leidenschaftsfreies Gemüt, das nur durch eine gänzliche<br />
Selbstverleugnung, Demut, Geduld und reinste Liebe erreicht werden<br />
kann, dazu, damit das Ebenmaß Gottes im Geiste des Menschen ebenso<br />
rein und wahr wi<strong>der</strong>strahle wie die Erdsonne aus einem ruhigen<br />
Wasserspiegel.<br />
Ist das bei einem Menschen <strong>der</strong> Fall, so ist in ihm alles zur Wahrheit<br />
gediehen, und seine Seele ist dann fähig, ihren Blick in die Tiefen <strong>der</strong>
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />
23<br />
Schöpfungen Gottes zu richten und alles schauen zu können in aller Fülle<br />
<strong>der</strong> reinsten Wahrheit.<br />
Aber sowie es in ihr zu wogen anfängt, so werden die Urbil<strong>der</strong> zerstört,<br />
und die Seele befindet sich dann schon notwendig auf dem Felde des<br />
Truges und <strong>der</strong> Täuschungen aller Art und Gattung und kann nicht zur<br />
reinen Anschauung gelangen, bis nicht in ihr die völlige Ruhe in Gott<br />
eingetreten ist.“ (Gr.Ev.Joh. II 148,9-10)<br />
So sagte schon <strong>der</strong> Mystiker Gerhard Tersteegen: „Alles außer uns ist<br />
und muss uns ein Spiegel sein, von dem, was innerlich zu finden ist.“<br />
Und Sundar Singh erkannte: „Der Mensch ist ein Teil des Weltalls und<br />
ist ein Spiegel, in welchem sich dieses abspiegelt. Darum bildet sich die<br />
sichtbare und unsichtbare Schöpfung in ihm ab.“<br />
Und Michel de Montaigne sagte: „Diese große Welt ist <strong>der</strong> Spiegel, in<br />
den wir hineinschauen müssen, um uns von Grund auf kennen zu lernen.“<br />
Der Neuoffenbarungskenner Viktor Mohr brachte diese Erkenntnis in<br />
einem kleinen Gedicht zum Ausdruck:<br />
„Die Welt ist ein Spiegel, beschau dein Gemüt<br />
und löse die Siegel, wenn’s erdwärts dich zieht.“<br />
Eine dazu ergänzende tief greifende Offenbarung des Herrn, welche wir<br />
nur ansatzweise zu begreifen imstande sein werden, möge uns nun<br />
innerlich beschäftigen:<br />
„So ihr zwei sehr lichte Spiegel gegeneinan<strong>der</strong> stellen würdet, so würde<br />
sich einer in dem an<strong>der</strong>n vollkommen abbilden. Dieses Abbild spiegelte<br />
sich dann wie<strong>der</strong> in dem ersten ab, und diese Abspiegelung dann wie<strong>der</strong><br />
im Abbilde des zweiten - und so immer gegenseitig A in B und B in A,<br />
und das natürlich so immerfort.<br />
Geradeso ist es mit euch! Eure Seele ist für die Außenwelt ein solcher<br />
Spiegel und euer Geist (ist es) für die innere Geisterwelt. Daher kommt es<br />
denn auch, dass alles und jedes einzelne in euch unendlichfach vorhanden<br />
ist, und daher auch bei dem Geiste die schnelle Gegenwart dessen, was er<br />
gedacht und gewollt hat.<br />
Ihr wisst nun aber, je feiner poliert irgendein Spiegel ist, desto reiner<br />
wird auch das Abbild. So ihr nun eure Seele durch die Demut recht<br />
polieret, damit sie zu einer völlig geebneten Fläche wird, indem ihr<br />
jegliche Erhöhung benommen ward, so werdet ihr bald Wun<strong>der</strong>dinge in<br />
euch zu schauen beginnen, nämlich: durch die Seele die Außenformen,<br />
und durch den Geist aus Mir aber, welcher eine Seele des Geistes ist, den<br />
vollen Inhalt jeden Gegenstandes.<br />
Und Ich setze denn ein Beispiel: Ihr dächtet einen Stein o<strong>der</strong> einen<br />
Baum, ein Tier o<strong>der</strong> was immer, so werdet ihr dessen Außengestalt zuerst
24 Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
ersehen. Dann aber wird sich das Licht des Geistes in die Seele ergießen<br />
und wird dieses Bild durch und durch erhellen. Und so werdet ihr dann ein<br />
solches Ding durch und durch zu erschauen imstande sein.<br />
Wenn dann nun <strong>der</strong> Seelenspiegel durch das Licht des Geistes gar fein<br />
glänzend wird, so werden sich die Innenformen in <strong>der</strong> Seele abzuspiegeln<br />
beginnen und dadurch auch eurem Verstande sichtbar werden, als sehet<br />
ihr sie mit den Leibesaugen. Und so ihr dann reden wolltet mit einem<br />
solchen Ding, dann wird Mein Geist in euch, von dem aus alles, vom Größten<br />
bis zum Kleinsten, nichts als fixierte o<strong>der</strong> gefestete Gedanken sind, in das<br />
gedachte Ding treten und aus demselben reden vom Urgrunde aus.<br />
Seht, da liegt nun enthüllt vor euren Augen, Ohren und Herzen, wie<br />
einst Adam und Abel und viele an<strong>der</strong>e mit aller Schöpfung haben reden<br />
können und auf welche Weise auch ihr euch in die Verbindung mit <strong>der</strong><br />
Geisterwelt setzen könntet, so ihr fest wollet.<br />
Deshalb solltet ihr aber auch zuvor eure Seele recht ‘polieren’,<br />
damit ihr alles dessen fähig würdet! Denn es gibt noch gar vieles, was<br />
von Mir Zeugnis gibt. Aber ihr seid noch zu töricht und unsinnig, um<br />
in <strong>der</strong> Schöpfung Meinen Namen zu merken. Daher schleifet, glättet<br />
und polieret fleißig an eurer Seele, so werdet ihr die Welt bald mit ganz<br />
an<strong>der</strong>en Augen anschauen und zu keinem Ende Meiner Wun<strong>der</strong> gelangen<br />
ewig!<br />
Es liegt nichts daran, wie ein Ding sei im Raum und in <strong>der</strong> Zeit; aber<br />
es liegt alles daran, wie euer Leben ist außer beidem. Mit den Augen des<br />
Fleisches nehmt ihr wahr Dinge außer euch; und mit den Augen <strong>der</strong> Seele<br />
in euch, und mit den Augen des Geistes schauet ihr aus dem Zentrum<br />
<strong>der</strong> Dinge und so auch eures Wesens. Aber erst durch den Hinzutritt<br />
Meines Geistes werden alle Dinge sprachfähig und lebendig durch und<br />
durch.“ (Hi. I S. 54,6-12)<br />
Die kreisförmigen Bewegungen auf <strong>der</strong> Oberfläche des<br />
Wasserspiegels des Quellteichs <strong>der</strong> Andritz sind nun, auf unseren<br />
Seelenspiegel bezogen, nichts an<strong>der</strong>es als solche Bekundungen aus<br />
unserem innersten Seelengrunde, aus unserem in uns schlummernden<br />
göttlichen Geistgrunde.<br />
Diese Bekundungen äußern sich auf unserer Seelenoberfläche in<br />
feinen Gemütsbewegungen, in den feinen, zarten Gefühlen unseres<br />
Herzens. Wer lernt, diese bewusst in sich wahrzunehmen und ihnen zu<br />
folgen, gewahrt darin die Stimme seines Gewissens, welche Worte des<br />
Geistes, Worte <strong>der</strong> ewigen Liebe an uns selbst enthalten.<br />
Wie wichtig die Beachtung unserer innersten Herzensgefühle ist, in<br />
denen sich unsere innere Welt unserer äußeren Welt mitteilt, in denen
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />
25<br />
<strong>der</strong> Geist zur Seele spricht, haben wir bereits oben gesehen. Wir ersehen<br />
daraus, dass in unserer gesamten Umwelt nichts durch Zufall geschehen<br />
kann, son<strong>der</strong>n alles, aber auch wirklich alles, nur für uns geschieht,<br />
damit wir uns darin erkennen mögen.<br />
Denn „es geschieht nichts in <strong>der</strong> geistigen Welt, was sich nicht<br />
entsprechend zugleich auch naturmäßig darstellen möchte; und so<br />
ebenfalls geschieht auch in <strong>der</strong> gesamten Natur nichts, ohne<br />
zureichenden entsprechenden geistigen Grund.“ (Hi. I S. 184,30)<br />
„Und so geschieht auf <strong>der</strong> Erde gar nichts, so ganz eigentlich pur<br />
Naturmäßiges für sich, son<strong>der</strong>n allzeit in voller Verbindung mit einem<br />
geistigen Zwecke; denn es ist in aller Welt das Geistige streng mit dem<br />
Naturmäßigen im steten Verbande und in einer steten wechselseitigen<br />
Aufeinan<strong>der</strong>wirkung.“ (Gr.Ev.Joh. VI 72,5)<br />
Schon Paulus erkannte diese Zusammenhänge, als er an die Korinther<br />
schrieb: „Es geschieht a l l e s um euretwillen.“ (2. Kor. 4,15)<br />
Und so erkennen wir auch in den Erscheinungen in und um die<br />
Andritz-Quelle ein getreues Abbild unseres eigenen Inneren, und je<strong>der</strong><br />
findet darin das ihm Entsprechende, sofern er sein Gefühlsauge auf die<br />
natürlichen Erscheinungen richtet und die Entsprechungen zu lesen sich<br />
bemüht.<br />
Schon <strong>der</strong> Herr gibt uns einen kleinen Wink, wie wir versuchen<br />
sollen, die entsprechenden Bil<strong>der</strong> des Quellteiches für unser Inwendiges<br />
anzuwenden.<br />
„Das geistige Nützliche (dieser Quelle) aber ist das, dass je<strong>der</strong> auf<br />
gleiche Weise still aus sich hervortreten soll durch kleine Mündungen, so<br />
wird er das Leben in sich nicht trüben durch eine törichte Heftigkeit<br />
und wird das Licht <strong>der</strong> Gnade ihn erleuchten können bis in den<br />
innersten Grund und wird sein ganzes Leben sein voll lebendiger<br />
Hoffnungen, wie dieser Quellgrund ist bewachsen mit schönen<br />
hellgrünen Kräutlein. Und so werden sich auch seine demütigen<br />
Erkenntnisse gleich den munteren Fischlein in dieser Quelle in dem<br />
hellen Wasser seines Lebens frei nach allen Richtungen bewegen, und es<br />
wird das schwache Schilf nur in seiner Äußerlichkeit vorkommen, aber<br />
die Tiefe seines Lebens wird frei sein, allezeit die Strahlen <strong>der</strong> Gnade bis<br />
in den innersten Grund aufzunehmen. Aber euch soll <strong>der</strong> ganze (weitere)<br />
Verfolg (dieser Quelle) zeigen, dass, wenn <strong>der</strong> Mensch zu sehr seine<br />
Kräfte ums tägliche Brot anwendet, so wird dadurch auch das Wasser<br />
seines Lebens immer mehr und mehr getrübt. Seine ihm verliehenen<br />
Kräfte für überflüssiges Zeug o<strong>der</strong> sogar für schlechtes Zeug<br />
anzuwenden, seht, das ist, was am Ende das Wasser des Lebens trübe
26 Der Ursprung <strong>der</strong> Andritz<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
macht.“ (Hi. I S. 207,25-27)<br />
Zu guter Letzt erhalten alle ernsthaft Strebenden und tätigen Befolger<br />
dieses Quellen-Evangeliums eine Verheißung von <strong>der</strong> Quelle selbst, sie ja<br />
erneut zu besuchen, sobald ihr Geist rege in ihren Herzen geworden ist,<br />
denn erst dann werden sie hinter dem äußeren Schein das wahre Sein<br />
erkennen und noch größere Offenbarungen erhalten:<br />
„Dieses wenige, was ihr vernommen habt, ist alles, was ich von mir und<br />
aus mir zur Stunde euch mitteilen kann und darf. Jedoch so ihr vor eurem<br />
Geiste auf eurer Oberfläche ähnliche Lebensbewegungen wahrnehmen<br />
werdet, wie ihr sie auf meiner spiegelglatten Oberfläche sehet, dann<br />
kommet wie<strong>der</strong> und lernet an meinem kleinen und seichten Ufer<br />
Wun<strong>der</strong>dinge <strong>der</strong> göttlichen Liebe und Macht tiefer erkennen!“ (Hi. I S. 61,15)<br />
<br />
Jesus, unser Vorbild<br />
Heinrich Seuse (1295-1366)<br />
„Das Vorbild Jesu, <strong>der</strong> uns innig nahe ist, näher als wir uns selbst sind,<br />
und <strong>der</strong> voll Gnade und Wahrheit ist, müssen alle, die nach wahrer<br />
Gottseligkeit trachten, immer gegenwärtig und vor Augen haben, im<br />
Innersten ihrer Seele, um beständig auf Ihn zu schauen, wie vollkommen<br />
Sein Leben, Sein Wandel und Sein Sinn, wie gelassen, einfältig,<br />
bescheiden und demütig Er war. Er soll meine Freude und meine Labung<br />
sein; auch äußerlich in meinen Worten und Werken müsse Sein Bild, das<br />
Bild des gekreuzigten und leidenden Heilands, aus mir hervorleuchten.<br />
Ihn sollen sie sich zu ihrem Reisegefährten, zum Freund und Gehilfen<br />
in ihrem ganzen Leben und Wandel erwählen, Ihn beim Essen, Trinken,<br />
Schlafen, an allen Orten, zu allen Zeiten und bei allen Menschen als<br />
gegenwärtig in den Augen ihres Gemüts betrachten, Sein Bild keinen<br />
Augenblick aus dem Gesicht lassen und sich stündlich darnach prüfen, wie<br />
sie gegen Gott gesinnt seien.“<br />
<br />
„Du bist ein Kind <strong>der</strong> Gnade. Wenn Gott dir die Gnade (gratia) deshalb<br />
gab, weil er sie umsonst (gratis) gab, so liebe ihn auch umsonst. Liebe Gott<br />
nicht um Lohn; er selbst sei dein Lohn!“ (Aurelius Augustinus 354-430)
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Unterschied zwischen dem äußeren und inneren Menschen 27<br />
Der Unterschied zwischen dem äußeren<br />
und inneren Menschen<br />
Miguel de Molinos (1628-1696)<br />
Es gibt zwei Arten geistiger Personen, innerliche und<br />
äußerliche. Die äußerlichen suchen Gott draußen, durch<br />
Vernunftschlüsse, Vorstellungen und Nachgrübeln. Sie<br />
bemühen sich namentlich durch vielerlei Fasten, Kasteiung<br />
des Körpers und Abtötung <strong>der</strong> Sinne, Tugend zu erlangen.<br />
Sie unterwerfen sich selbst strengen Bußübungen, kleiden<br />
sich in grobes Tuch, geißeln das Fleisch durch strenge<br />
Selbstzucht und beobachten Stillschweigen. Sie fühlen sich<br />
Miguel de Molinos<br />
Span. Priester und<br />
Mystiker<br />
in <strong>der</strong> göttlichen Gegenwart, indem sie sich Gott als gegenwärtig<br />
vorstellen nach <strong>der</strong> Idee, welche sie von Gott haben. Sie haben ihr<br />
Wohlgefallen daran, fortwährend nach Gott zu forschen, und geben ihre<br />
Liebe oftmals in heißen Liebesbezeugungen zu erkennen. All dieses ist<br />
aber Kunst und Meditation.<br />
Auf diese Weise trachten sie nach Größe und suchen (vermöge ihrer<br />
freiwilligen und äußerlichen Selbstpeinigung) nach sinnlichen<br />
Gemütsbewegungen und warmen Empfindungen, in dem Glauben, dass<br />
Gott nur dann in ihnen Wohnung nehme, wenn sie solche haben.<br />
Dies ist <strong>der</strong> äußere Weg und <strong>der</strong> Pfad <strong>der</strong> Anfänger. Obgleich er<br />
nützlich ist, gelangt man auf ihm doch nicht zur Vollkommenheit. Ja man<br />
kommt ihr darauf sogar nicht einen Schritt näher, wie die Erfahrung an<br />
vielen lehrt, welche nach 50 Jahren äußerlicher Übungen leer von Gott und<br />
voll ihrer selbst sind. Sie sind und bleiben nur dem Namen nach geistige<br />
Menschen.<br />
Es gibt an<strong>der</strong>e wahrhaft Geistige, welche den ersten Teil des inneren<br />
Weges, <strong>der</strong> zur Vollkommenheit und Vereinigung mit Gott führt,<br />
durchschritten haben. Denn Gott hatte sie durch seine unendliche Liebe<br />
von dem äußeren Wege abberufen, auf welchem sie sich vorher bewegten.<br />
Diese Menschen zogen sich in das Innere ihrer Seelen zurück, mit wahrer<br />
Ergebung in die Hände Gottes, unter einem völligen Vonsichwerfen und<br />
sogar Vergessen ihrer eigenen Persönlichkeit. Sie wandeln erhobenen<br />
Geistes beständig in des Herrn Gegenwart, durch reinen Glauben, ohne<br />
Bild, Form und Gleichnis, aber mit großer, in Seelenruhe und Gelassenheit<br />
gegründeter Zuversicht. In <strong>der</strong> ihnen verliehenen innerlichen Sammlung<br />
wirkt <strong>der</strong> Geist mit solch einer Kraft, dass er die Seele, das Herz, den<br />
Körper und alle seine Kräfte inwendig zusammenzieht.
28 Der Unterschied zwischen dem äußeren und inneren Menschen <strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
Insofern diese Seelen die innerliche Abtötung schon vollzogen haben,<br />
und von Gott in dem Feuer <strong>der</strong> Trübsal geläutert worden sind, durch lange<br />
und qualvolle Prüfungen, die alle an seiner Hand und nach seinem Willen<br />
geschickt werden, sind sie Herren über sich selbst, weil sie sich gänzlich<br />
besiegt und aufgeopfert haben. Also leben sie in großer Ruhe und innerem<br />
Frieden. Wenn sie auch bei manchen Gelegenheiten auf Wi<strong>der</strong>stand und<br />
Versuchungen stoßen, erringen sie doch bald den Sieg, weil sie bereits<br />
geprüft und mit göttlicher Kraft begabt sind. Der Sturm <strong>der</strong> Leidenschaft<br />
kann in ihnen nicht lange toben; wenn auch heftige Versuchungen und<br />
lästige Einflüsterungen des Bösen geraume Zeit in ihnen wirken können.<br />
Doch werden sie alle mit unschätzbarem Gewinn überwunden, denn Gott<br />
selbst kämpft in ihnen.<br />
Diese Seelen haben sich bereits eine größere Erleuchtung und wahres<br />
Wissen von Christus, unserem Herrn, errungen, sowohl in Bezug auf seine<br />
Gottheit, als auch auf seine Menschheit. Das ihnen verliehene Wissen<br />
gebrauchen sie mit ruhigem Schweigen in <strong>der</strong> innerlichen Unterredung und<br />
in dem erhabenen Teil <strong>der</strong> Seele. Diese innerliche Unterredung geschieht<br />
mit einem Geist, <strong>der</strong> frei ist von Vorstellungen und von außen kommenden<br />
Erinnerungen; mit einer Liebe, die rein und ledig ist von allen Kreaturen.<br />
Auch haben sie sich von nur äußerlichen Handlungen zu <strong>der</strong> Liebe zu Gott<br />
und <strong>der</strong> Menschheit aufgeschwungen. Sie vergessen, woran sie sich<br />
erfreuten, und in allem finden sie, dass sie ihren Gott von ganzem Herzen<br />
und von ganzer Seele lieben.<br />
Diese glückseligen und erhabenen Seelen finden kein Gefallen an<br />
weltlichen Dingen; son<strong>der</strong>n an Verachtung, am Alleinsein und daran, von<br />
je<strong>der</strong>mann vergessen und verlassen zu werden. Sie leben so uneigennützig<br />
und abgezogen dahin, dass sie sich (obgleich ihnen fortgesetzt<br />
übernatürliche Gnadengabe zuteil werden) doch immer gleich bleiben. Sie<br />
hängen ihr Herz an nichts, son<strong>der</strong>n hegen im Innersten eine große Demut<br />
und Selbstverachtung. Beständig sind sie in die Tiefe ihrer eigenen<br />
Unwürdigkeit und Niedrigkeit hinabgebeugt. Auf diese Weise sind sie<br />
immer ruhig, heiter und gleichmütigen Geistes, sowohl den<br />
außerordentlichen Beweisen göttlicher Gnadengaben gegenüber, wie auch<br />
in den strengsten und schärfsten Qualen. Es gibt keine Nachricht, welche<br />
sie zu erschüttern vermöchte, kein glückliches Ereignis, welches sie<br />
erfreuen könnte. Durch Trübsale werden sie nicht verstört, noch auch<br />
durch die innere, fortwährende und göttliche Gemeinschaft eitel und eingebildet<br />
gemacht. Sie bleiben stets voll heiliger und kindlicher Furcht, in<br />
bewun<strong>der</strong>nswürdigem Frieden, Beständigkeit und Heiterkeit <strong>der</strong> Seele.<br />
Die den äußerlichen Weg Wandelnden bemühen sich, fortwährend
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Unterschied zwischen dem äußeren und inneren Menschen 29<br />
alle Tugenden nacheinan<strong>der</strong> auszuüben, um sich dieselben für immer<br />
anzueignen. Sie streben danach, sich von ihren Unvollkommenheiten mit<br />
angemessener Kraftanspannung zu befreien. Sie lassen es sich angelegen<br />
sein, ihre selbstsüchtigen Neigungen, eine nach <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n, auszurotten,<br />
durch verschiedene und einan<strong>der</strong> entgegengesetzte Verfahren. Mit all ihren<br />
Bemühungen aber erreichen sie nichts, weil wir nichts tun können, das<br />
nicht mit Unvollkommenheit und Ungemach behaftet wäre.<br />
Auf dem innerlichen Wege dagegen und bei dem liebenden Verkehr in<br />
Gottes Gegenwart, wirkt <strong>der</strong> Herr selber. Die Tugend wird aufgerichtet,<br />
<strong>der</strong> Eigennutz ausgetilgt, Unvollkommenheiten zerstört und Leidenschaften<br />
entfernt. Das macht die Seele unerwartet frei, und zieht sie von<br />
allem ab (auch wenn sich Gelegenheit bietet), ohne dass sie auch nur des<br />
Guten gedächte, welches ihr Gott mit unendlicher Barmherzigkeit zugeteilt<br />
hat.<br />
Es muss jedoch bemerkt werden, dass diese Seelen, obschon sie zu<br />
hoher Vollkommenheit gelangt sind und wahre göttliche Erleuchtung<br />
besitzen, doch ihre eigene Gebrechlichkeit, ihre Schwächen und<br />
Untugenden tief erkennen. Sie sehen, was sie noch bedürfen, um zur<br />
Vollkommenheit zu gelangen. Sie sind bekümmert und verachten sich<br />
selbst. Sie üben sich selbst in lieben<strong>der</strong> Gottesfurcht und Verachtung ihrer<br />
selbst. Das geschieht aber mit wahrer Zuversicht auf Gott und Misstrauen<br />
gegen sich selbst, je demütiger sie in wirklicher Selbstverachtung und<br />
Selbsterkenntnis werden, umso größeres Gefallen hat Gott an ihnen, und<br />
sie gelangen dadurch zu einer beson<strong>der</strong>en Achtung und Verehrung in<br />
seiner Gegenwart. All dem Guten, das sie tun, und allem was sie<br />
fortwährend von innen und außen erleiden, messen sie vor <strong>der</strong> göttlichen<br />
Gegenwart keinerlei Bedeutung bei.<br />
Ihr stetiges Bestreben richtet sich darauf, mit Ruhe und Stillschweigen<br />
in sich einzudringen, in Gott, weil dort sein Zentrum, seine Wohnung und<br />
Freude ist. Sie legen größeren Wert auf diese innere Abgeschiedenheit, als<br />
auf das Sprechen über Gott. Sie ziehen sich in das innere, geheime<br />
Zentrum <strong>der</strong> Seele zurück, um Gott zu erkennen und seinen göttlichen<br />
Einfluss mit Furcht und lieben<strong>der</strong> Verehrung in sich aufzunehmen. Wenn<br />
sie aus sich herausgehen, tun sie es nur zu dem Zwecke, sich selbst zu<br />
erkennen und zu verachten.<br />
Wisse aber, dass die Zahl <strong>der</strong> Seelen, die diesen göttlichen Zustand<br />
erlangen, gering ist. Denn es gibt nur wenige, welche gern Verachtung<br />
erleiden und sich läutern und reinigen lassen wollen. Aus diesem Grunde<br />
wird selten eine Seele gefunden, die weiter fortschreitet und nicht auf <strong>der</strong><br />
Schwelle beharren bleibt, obgleich viele diesen inneren Weg betreten. Der
30 Gott kann nicht außerhalb seiner selbst gefunden werden <strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
Herr sagte zu einer Seele: „Dieser innere Weg wird von wenigen betreten.<br />
Er stellt eine so hohe Gnadengabe dar, dass sie niemand verdient. Sie wird<br />
nur wenigen zuteil, weil dieser Pfad nichts an<strong>der</strong>es ist als ein Sterben <strong>der</strong><br />
Sinne. Die Zahl <strong>der</strong>er ist aber klein, welche so sterben und vernichtet<br />
werden wollen. Es braucht aber eine solche Gesinnung, um dieses so hohe<br />
und herrliche Geschenk zu erhalten.“<br />
Durch das was bisher gesagt worden ist, wirst du von deinem Irrtum<br />
befreit worden sein, und voll und ganz den großen Unterschied erkennen,<br />
<strong>der</strong> zwischen dem äußeren und inneren Wege besteht. Du siehst jetzt den<br />
Unterschied <strong>der</strong> Gegenwart Gottes, welche durch die Meditation<br />
hervorgerufen wird, und welche von Gott verliehen und übernatürlichen<br />
Ursprungs ist, die herbeigeführt wird durch die innere Vereinigung und<br />
durch passive Beschauung. Und endlich wirst du den großen Unterschied<br />
erkennen zwischen dem äußerlichen und innerlichen Menschen.<br />
Gott kann nicht außerhalb seiner selbst gefunden werden<br />
Madame Guyon (1648-1717)<br />
Oft ist mir die Frage gestellt worden, ob ein Anfänger<br />
auf dem inneren Wege den Herrn zuerst auf äußerliche<br />
Weise, und erst nachher in sich selbst suchen soll Ein<br />
Anfang im geistlichen Leben ist nur dann ein rechter<br />
Anfang, wenn <strong>der</strong> Herr nicht auf Umwegen gesucht wird!<br />
denn das käme einem großen Fehler gleich. Sucht ein<br />
junger Gläubiger Gott auf eine mehr äußerliche Weise, so<br />
wird er nach einem Gott Ausschau halten, <strong>der</strong> äußerlich<br />
wahrnehmbar und unterscheidbar ist. Das wird zuletzt zu<br />
Jeanne Marie Bouvier<br />
de la Mothe Guyon<br />
Franz. Mystikerin<br />
einer traurigen Begebenheit, da er von einem Ende des Himmels bis zum<br />
an<strong>der</strong>n nach seinem Gott suchen muss.<br />
Was wird nun die natürliche Folge eines solchen Fehlers sein Anstatt<br />
im inwendigen Christenleben heranzureifen, mit eingesammeltem Wesen<br />
in Gottes Gegenwart zu wandeln, und den Herrn innerlich anzurufen, wird<br />
dieser junge Gläubige seine Kräfte damit vergeuden, den Herrn an einem<br />
Ort zu suchen, wo Er nicht aufzufinden ist.<br />
Euch ist sicher das Verfahren bekannt, womit ein Künstler die für sein<br />
Gemälde geeigneten Linien zieht. Er führt von vielen auseinan<strong>der</strong><br />
liegenden Punkten Linien auf einen zentralen Punkt in <strong>der</strong> Mitte des<br />
Bildes. Jede Linie wird kraftvoller, wenn sie sich einer an<strong>der</strong>n nähert, und<br />
alle Linien berühren sich in einem Schnittpunkt nahe <strong>der</strong> Bildmitte.
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Gott kann nicht außerhalb seiner selbst gefunden werden 31<br />
Umgekehrt wird jede Linie schwächer und unbestimmter, je mehr sie sich<br />
vom Zentrum entfernt. So verhält es sich auch im Leben <strong>der</strong> Gläubigen.<br />
Der Gläubige wendet sich einwärts, in seinen Geist hinein, und <strong>der</strong> Herr<br />
begegnet ihm dort - in <strong>der</strong> Sphäre des Geistes. Je öfter dies geschieht,<br />
desto gewaltiger wird die Liebesneigung zu Gott hin, und desto<br />
umfassen<strong>der</strong> wird ihm die Kraft zur Erfüllung <strong>der</strong> Werke Jesu gegeben.<br />
Wenn ihr nun wie<strong>der</strong> auf das Gemälde blickt, so seht ihr die Linien<br />
weit verstreut, aber auch, wie sie sich allmählich in <strong>der</strong> Mitte vereinigen.<br />
So ist es auch mit <strong>der</strong> Seele. Sie kommt von vielen zerstreut liegenden<br />
Orten her, und geht in ihr Zentrum ein, wo nichts getrennt und nichts<br />
unterschieden wird. An diesem Ort erhält die Seele die Befähigung, ja die<br />
Vollmacht, Gott zu besitzen. Wenn ein Christ innerlich vom Geist geleitet<br />
werden will, muss er Gott in seinem Inwendigen suchen ... Das geschieht<br />
durch eine Sammlung aller Gedanken zu Ihm hin. Ohne das wird er das<br />
Allerinnerste, die Wohnstätte Gottes in ihm, nicht erreichen. Dort<br />
angekommen, muss er aber wie<strong>der</strong> hinausgehen (nicht im Sinn einer<br />
Rückkehr zu <strong>der</strong> Vielzahl von äußerlichen Orten, son<strong>der</strong>n indem er durch<br />
sich und über sich hinausschreitet), und noch weiter nach innen gehen,<br />
hinein in das Allerinnerste Gottes. Das ist die Verlassung seiner selbst. Die<br />
Seele geht aus sich aus, nicht indem sie nach außen von sich weggeht,<br />
son<strong>der</strong>n indem sie nach innen von sich weggeht. Lebt sie mit ihren<br />
Gedanken und ihrem ganzen Wesen eingesammelt, so verlässt sie sich<br />
selbst, nämlich das Zentrum <strong>der</strong> Geschöpflichkeit, und verliert sich im<br />
Zentrum ihres Schöpfers.<br />
Stellt euch den Raum <strong>der</strong> Seelenwelt einmal als eine Art Rasthaus o<strong>der</strong><br />
Gasthof vor. Der Reisende wird notwendig auf seiner Reise beim Gasthof<br />
vorbeigehen. Hat er sich dort eine Weile aufgehalten und will weitergehen,<br />
so lenkt er seine Schritte nicht wie<strong>der</strong> zurück, son<strong>der</strong>n schreitet auf <strong>der</strong><br />
Landstrasse vorwärts. Je weiter er sich vom Gasthof entfernt, desto mehr<br />
lässt er auch sich selbst zurück, nicht in Bezug auf die Sichtverbindung,<br />
son<strong>der</strong>n auch in Bezug auf sinnliche und äußere Empfindungen. Wer sich<br />
dem Innersten seines eigenen Wesens nähert, wird dort Gott finden. Der<br />
Gläubige ist eingeladen, aus sich selbst auszugehen und weiter nach innen<br />
zu gehen.<br />
Haben wir diesen Punkt erreicht, gehen wir in unseren Herrn hinein.<br />
Hier, im Allerinnersten unseres Seins, begegnen wir Ihm. Gehen wir über<br />
diesen Punkt hinaus, finden wir Ihn wahrlich an einem Ort, wo das<br />
Selbstleben nicht mehr ist. Je weiter unsere Reise geht, je weiter wir uns in<br />
Ihm verlieren, desto weiter bleibt unser Selbst zurück und entfernt sich<br />
immer mehr.
32 Die Erfüllung göttlicher Verheißungen<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
Die Erfüllung göttlicher Verheißungen<br />
„Ihr werdet auf euren Wegen und Stegen als Mitarbeiter am Reiche<br />
Gottes gar oft in die Gelegenheit kommen, dass euch eure Jünger dringlich<br />
fragen werden und sagen: ,Eure Lehre ist wohl sehr erhaben, schön und<br />
ergreifend; aber die uns von euch gemachte Verheißung geht noch immer<br />
nicht in irgendeine Erfüllung. Wir sollen in uns die Stimme des Vaters<br />
vernehmen, ja den Vater sogar zu sehen und zu sprechen ward uns<br />
verheißen; aber von all dem haben wir bis jetzt noch nichts in Erfahrung<br />
gebracht. Wenn eure Lehre Wahrheit enthält, so müssen sich auch eure uns<br />
gemachten Verheißungen an uns erwahren (bewahrheiten). Wir beachten<br />
alles, und immer noch verspüren wir nichts an uns von einer Erfüllung <strong>der</strong><br />
uns von euch gemachten Verheißungen! Gebt uns Rede und Antwort, und<br />
sagt es uns treu und offen, worin es da liegt, dass sich eure Verheißungen<br />
an uns nicht und nimmer erwahren (erfüllen) wollen!‘ – Was werdet ihr in<br />
diesem Falle zu ihnen sagen“<br />
„Weil ich aber sehe, dass ihr die von mir euch gegebene Frage in<br />
keinem Falle mir beantworten könntet, so will ich sie euch denn selbst für<br />
euer gewecktes Verständnis als genügend beantworten. Ihr aber müsset<br />
solche meine Beantwortung euch wohl merken und recht tief in eure<br />
Herzen schreiben, denn es liegt daran gar vieles, ja am Ende alles, dass ihr<br />
die Bedingungen genauest kennt, die zur vollen Erreichung <strong>der</strong> wahren<br />
Kindschaft Gottes notwendig sind, weil sie nach <strong>der</strong> unwandelbaren<br />
göttlichen Ordnung notwendig sein müssen.<br />
Ihr wisset, dass ein je<strong>der</strong> Mensch sich selbst, ganz unabhängig von <strong>der</strong><br />
Allmacht des göttlichen Willens, frei aus sich nach <strong>der</strong> anerkannten<br />
göttlichen Ordnung ausbilden und ausformen muss, um auf diese Art ein<br />
freies Gotteskind zu werden.<br />
Das angeratene, kräftigste und somit wirksamste Mittel dazu ist die<br />
Liebe zu Gott und im gleichen Maße die Liebe zum Nächsten, sei er ein<br />
Mann o<strong>der</strong> ein Weib, jung o<strong>der</strong> alt, das ist eins.<br />
Der Liebe zur Seite steht die wahre Demut, Sanftmut und Geduld, weil<br />
die wahre Liebe ohne diese drei Nebenstücke gar nicht bestehen kann und<br />
keine wahre und reine Liebe ist.<br />
Wie aber kann <strong>der</strong> Mensch in sich erfahren, dass er in <strong>der</strong> reinen Liebe<br />
nach <strong>der</strong> göttlichen Ordnung sich ganz getreulich befindet<br />
Der Mensch prüfe sich, so er einen armen Bru<strong>der</strong> o<strong>der</strong> eine arme<br />
Schwester sieht o<strong>der</strong> diese gar zu ihm um einen Beistand kommen, ob es<br />
ihn in seinem Herzen ganz offenliebig zum Geben freudigst und maßlos,<br />
seiner selbst ganz vergessend drängt! Verspürt er solches in sich, und das
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Die Erfüllung göttlicher Verheißungen<br />
33<br />
natürlich ganz vollkommen ernstlich und lebendig, so ist er als ein wahres<br />
Gotteskind schon reif und fertig, und die gemachten Verheißungen, die ein<br />
sogestaltig fertiges Gotteskind zu gewärtigen hat, beginnen da in die volle<br />
Realität zu treten und sich als wun<strong>der</strong>bar in Rede und Tat zu zeigen, und<br />
ihr werdet dadurch gerechtfertigt als Lehrer vor euren Jüngern erscheinen.<br />
Jene Jünger aber, bei denen die Verheißungen nicht offenbar werden,<br />
werden sich danach zu richten und es sich selbst zuzuschreiben haben, so<br />
bei ihnen die gemachten Verheißungen noch immer nicht zur Sicht<br />
gekommen sind; denn sie haben ihr Herz noch nicht völlig geöffnet <strong>der</strong><br />
armen Nächstenmenschheit.<br />
Die Liebe zu Gott und die freiwillige Befolgung Seines erkannten<br />
Willens sind das eigentliche Element <strong>der</strong> Himmel im Menschenherzen.<br />
Es ist das die Kammer und die Wohnstube des göttlichen Geistes in<br />
einem jeden Menschenherzen; die Nächstenliebe aber ist das Tor in<br />
diese heilige Wohnstube.<br />
Dieses Tor muss ganz geöffnet sein, damit Gottes Lebensfülle in solche<br />
Stube einziehen kann, und die Demut, Sanftmut und Geduld sind die drei<br />
weit geöffneten Fenster, durch die vom mächtigsten Lichte aus den<br />
Himmeln die heilige Wohnstube Gottes im Menschenherzen allerhellst<br />
erleuchtet und mit aller Lebensfülle aus den Himmeln durchwärmt wird.<br />
Alles liegt demnach an <strong>der</strong> freien und freudigst offensten<br />
Nächstenliebe; die höchstmögliche Selbstverleugnung ist die<br />
Offenbarung <strong>der</strong> Verheißungen selbst. – Da habt ihr nun die rechte<br />
Antwort auf die allerwichtigste Lebensfrage. Überdenket sie und tut<br />
danach, so werdet ihr gerechtfertigt vor euch selbst, vor euren Brü<strong>der</strong>n und<br />
vor Gott dastehen! Denn was nun <strong>der</strong> Herr Selbst tut, das werden auch die<br />
Menschen tun müssen, um Ihm ähnlich und also Seine Kin<strong>der</strong> zu werden.<br />
– Habt ihr dies alles verstanden<br />
Gut aber ist es, dass ihr solches in <strong>der</strong> wahren Lebenstiefe aufgefasst<br />
habt! Mit diesem Mittel werdet ihr allezeit jedem begegnen können, <strong>der</strong> da<br />
kommen und sagen wird: ,Freund, wohl habe ich bisher alles getan und<br />
geglaubt, was du mich gelehrt hast; aber von den verheißenen Wirkungen<br />
hat sich bis zur Stunde keine einzige eingestellt! Was soll ich denn noch<br />
tun Ich habe meine gute, alte Lehre meiner Väter verlassen, in <strong>der</strong> sie gar<br />
oft allen Trost, den besten Rat und die nötige Hilfe in allerlei Nöten<br />
fanden, und diese neue Lehre lässt mich samt meinem Nachbar als Waise;<br />
keine Bitte wird irgend erhört und kein finsterer Zweifel erhellt! Wo ist<br />
dein so herrlicher Gott, von dem aus du uns alles Glück verheißen hast und<br />
an<strong>der</strong>es Wun<strong>der</strong>bares!‘<br />
Du aber wirst ihm dann leicht also antworten können: ,Freund, daran
34 Die Erfüllung göttlicher Verheißungen<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
schuldet nicht die Lehre, son<strong>der</strong>n dein Unverstand! Wohl hast du die Lehre<br />
in deinen Verstand aufgenommen, und hast auch versuchsweise sogar<br />
streng danach gehandelt und wartetest auf die vorteilbringende Erfüllung<br />
<strong>der</strong> Verheißung; du tatest jedoch das Gute <strong>der</strong> Lehre nur <strong>der</strong><br />
vorteilbringenden Verheißung, nicht aber des Guten willen! Du warst<br />
nur tätig aus deinem Verstande, nie aber noch aus deinem Herzen! Dieses<br />
blieb in sich hart und kalt wie vor dem Empfange <strong>der</strong> rein göttlichen<br />
Lehre; daher auch gelangtest du we<strong>der</strong> durch die Tat noch durch den toten<br />
und blinden Glauben zu einer Erfüllung <strong>der</strong> dir gegebenen Verheißungen!<br />
Erwecke nun dein Herz! Tue alles, was du tust, aus dem wahren<br />
Lebensgrunde! Liebe Gott Seiner Selbst willen über alles und ebenso<br />
deinen Nächsten!<br />
Tue das Gute des Guten willen aus deinem Lebensgrunde heraus, und<br />
frage nicht ob deines Glaubens und ob deiner Tat nach <strong>der</strong> Erfüllung <strong>der</strong><br />
Verheißung, ob sie wohl kommen werde o<strong>der</strong> nicht! Denn die Erfüllung ist<br />
eine Folge dessen, dass du lebendig im Herzen glaubst, fühlst und aus dem<br />
lebendigsten Liebesdrange heraus tätig wirst. So aber, wie du bis jetzt<br />
geglaubt hast und tätig warst, warst du gleich einem Menschen, <strong>der</strong> im<br />
Traume geackert und gesät hat und wollte dann im wachen Zustande<br />
ernten, fand aber we<strong>der</strong> Acker noch die gesäte Frucht.<br />
Des Menschenverstandes Wissen, Glauben und Handeln ist eine eitle<br />
Träumerei und ist kein Lebensnutz darin. Alles muss <strong>der</strong> Mensch sich<br />
zum Herzen nehmen, in dem das Leben weilet; was er ins Herz legt, wird<br />
aufgehen und die verheißenen Früchte tragen.<br />
Wer da nicht also sein Leben zu ordnen versteht o<strong>der</strong> verstehen will<br />
und ist selbstsüchtig auch durch den Glauben und durch sein Denken, <strong>der</strong><br />
wird nie zu einer Erfüllung <strong>der</strong> Verheißung gelangen; denn sie ist die<br />
Frucht <strong>der</strong> Tätigkeit des Herzens!‘<br />
Wenn ihr dem, <strong>der</strong> euch nach <strong>der</strong> noch nicht erfolgten Erfüllung <strong>der</strong><br />
Verheißung fragen wird, also antworten werdet, so wird er euch dann in<br />
Frieden lassen und zu trachten anfangen, in seinem Herzen wahrhaft tätig<br />
zu werden.<br />
Wird er das, so wird sich dann bei ihm selbst schon zu zeigen anfangen,<br />
dass die Verheißung <strong>der</strong> Gotteslehre kein eitel leeres Versprechen ist; wird<br />
er aber fortfahren, nur allein seinen Verstand zu Rate zu ziehen und danach<br />
tätig zu sein, so wird er es sich selbst zuzuschreiben haben, so er zu keiner<br />
Erfüllung <strong>der</strong> gemachten Verheißung sein ganzes Erdenleben hindurch<br />
gelangen wird – und auch jenseits sehr schwer!“ (GEJ.3; 240,2-9)
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
35<br />
Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
Sonntagabendgespräche einer Familie<br />
Ölbäume, Weinstöcke, Feigenbäume, Eichen, Ze<strong>der</strong>n<br />
Vater: Nun, meine Kin<strong>der</strong>, ich hoffe, es sind in keinem von euch<br />
während <strong>der</strong> Woche Zweifel aufgestiegen, über die bildliche Eigenschaft<br />
<strong>der</strong> Bäume, von welchen wir letzten Sonntag gesprochen haben<br />
Paul: Bei mir durchaus nicht, Vater. Dagegen habe ich verschiedene<br />
Stellen in meiner Bibel gefunden, welche klar beweisen, dass Bäume eine<br />
bildliche Bedeutung haben.<br />
Anna: Das gleiche habe auch ich getan.<br />
Mutter: So, das ist recht, meine Lieben, dann lasst uns einige <strong>der</strong>selben<br />
hören.<br />
Paul: Unter den vielen Stellen, die ich in den Propheten entdeckt habe,<br />
will ich eine aus dem Hesekiel lesen. Sie steht in Kapitel 17,24 „Und alle<br />
Feldbäume sollen erfahren, dass Ich <strong>der</strong> Herr, den hohen Baum erniedrigt<br />
und den niedrigen Baum erhöht habe und den grünen Baum ausgedorrt und<br />
den dürren Baum grünend gemacht habe. Ich <strong>der</strong> Herr, rede es und tue es<br />
auch.“<br />
Vater: Vielleicht hat Paul einen Gedanken darüber, was die Bedeutung<br />
dieser Stelle sein mag.<br />
Paul: Du sagtest uns, das Feld sei ein Bild <strong>der</strong> Kirche. Die Bäume <strong>der</strong><br />
Fel<strong>der</strong> müssen daher die Menschen in <strong>der</strong> Kirche bezeichnen. Der hohe<br />
Baum ist <strong>der</strong> stolze Mensch, <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>e Baum ist <strong>der</strong> demütige Mensch.<br />
Der grüne Baum ist <strong>der</strong> selbstgerechte Mensch und <strong>der</strong> dürre Baum ist <strong>der</strong><br />
Mensch, welcher fühlt, dass durchaus nichts Gutes in ihm selbst ist und<br />
<strong>der</strong>, um solches zu erlangen, zu Gott aufsieht.<br />
Mutter: Sehr gut! Wir hätten in einer ganzen Predigt nicht besser<br />
darüber belehrt werden können.<br />
Vater: Paul hätte aber seinen kleinen Vortrag sogar ganz in die Worte<br />
<strong>der</strong> Schrift kleiden können. Erinnert ihr euch nicht, dass Maria sang, wie<br />
wir lesen im Lukas 1,52-53: „Die Mächtigen stürzt er vom Throne, die<br />
Niedrigen hebt er empor. Er spendet den Dürftigen reichliche Güter; leer<br />
weist er Reiche zurück“ <br />
Mutter: Seht einmal da, die beiden Stellen haben ja genau dieselbe<br />
Bedeutung!<br />
Vater: Ja, meine Liebe, nur wird dieselbe in dem einen Fall in<br />
biblischen Bil<strong>der</strong>n ausgedrückt, während sie in dem an<strong>der</strong>n in klaren<br />
Worten dargelegt wird. Ich sehe aber, Anna möchte auch etwas sagen,
36 Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
lasset uns hören, was es ist.<br />
Anna: Ich habe verschiedene Stellen in den Evangelien gefunden, wo<br />
Jesus in gleicher Weise von Bäumen spricht. Er erzählte seinen Jüngern<br />
von guten Bäumen und schlechten Bäumen und von guten Früchten und<br />
schlechten Früchten und die guten Bäume verglich Er mit den guten<br />
Menschen und die schlechten Bäume mit den bösen Menschen.<br />
Vater: Die gleiche Art von Lehre durchzieht die ganze Bibel, vom<br />
ersten Buche Mosis bis zur Offenbarung. Ihr versteht es wohl ganz gut,<br />
dass wenn wir sagen, Bäume sind Symbole von Menschen, es dasselbe ist,<br />
wie wenn wir sagen, sie seien Symbole von Grundsätzen. Sie bilden<br />
Menschen in <strong>der</strong> Kirche o<strong>der</strong> Grundsätze im Gemüte vor.<br />
Anna: Das verstehe ich nicht ganz, Vater.<br />
Vater: Vielleicht nicht. Kannst du nicht einsehen, dass ein guter<br />
Mensch ein Mensch ist, in dessen Gemüt Grundsätze des Guten<br />
eingewurzelt sind und wachsen.<br />
Paul: Ja, das ist ja einfach und klar. Der Mensch ist so, wie sein<br />
Gemüt. Er ist, wie es die Schrift ausdrückt, ‚ein guter Baum‘, wenn die<br />
Grundsätze des Guten wirklich in seiner Seele begründet sind.<br />
Vater: Lasset uns das daher bei keinem unserer Gespräche vergessen.<br />
Wir kamen aber überein, vorzugsweise von dem bildlichen Charakter von<br />
drei beson<strong>der</strong>en Baumarten zu sprechen, dem Ölbaum, dem Weinstock<br />
und dem Feigenbaum und dann auch von Eichen und Ze<strong>der</strong>n.<br />
Mutter: Ich glaube, ich hörte dich sagen, die drei Bäume, welche du<br />
nanntest, seien Bil<strong>der</strong> dreier Arten von Menschen in <strong>der</strong> Kirche.<br />
Vater: Das sind sie, meine Liebe. Der Ölbaum ist ein Bild <strong>der</strong>er, bei<br />
welchen die Liebe vorherrscht. Der Weinstock ist ein Bild <strong>der</strong>er, bei<br />
welchen die Weisheit vorherrscht und <strong>der</strong> Feigenbaum ist ein Bild <strong>der</strong>er,<br />
bei welchen we<strong>der</strong> die Liebe, noch die Weisheit sehr groß ist, die aber<br />
dessen ungeachtet gehorsam sind. Mit an<strong>der</strong>en Worten, <strong>der</strong> Ölbaum ist ein<br />
Bild <strong>der</strong> Liebe, <strong>der</strong> Weinstock ist ein Bild <strong>der</strong> Weisheit und <strong>der</strong><br />
Feigenbaum ein Bild des Gehorsams.<br />
Anna: Aber, Vater, kannst du alles das beweisen<br />
Vater: Ich glaube es, meine Liebe. Es wird aber eine geraume Zeit in<br />
Anspruch nehmen, um alles durchzugehen. Zuallererst aber wollen wir<br />
einige Worte über die Eichen und Ze<strong>der</strong>n sagen.<br />
Paul: Der Ölbaum, <strong>der</strong> Weinstock und <strong>der</strong> Feigenbaum sind<br />
Fruchtbäume; Eichen und Ze<strong>der</strong>n dagegen nicht. Diese sind jedoch weit<br />
größer und majestätischer vom Aussehen, als die ersteren.<br />
Vater: Das ist eine sehr zutreffende Beobachtung. Die drei ersteren<br />
sind Symbole <strong>der</strong> demütig Liebenden, <strong>der</strong> Weisen und Gehorsamen in <strong>der</strong>
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
37<br />
Kirche. Die letzteren <strong>der</strong> großen und mächtigen Geister, welche den<br />
Beifall und die Bewun<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Menschen auf sich ziehen.<br />
Paul: Darf ich dir einige Namen solcher nennen, Vater<br />
Vater: Ich zweifle nicht daran, dass du das könntest. Ihre Werke stehen<br />
in meinem Bücherschrank. Einige von ihnen sind große Dichter, Redner,<br />
Philosophen und Männer <strong>der</strong> Wissenschaft, <strong>der</strong>en Ruhm sich über die<br />
ganze Welt erstreckt.<br />
Anna: Sie sind aber doch keine bösen Menschen, Vater<br />
Vater: Das ist durchaus nicht notwendig. Auch die Eichen und Ze<strong>der</strong>n<br />
sind sehr nützlich, obgleich sie keine Oliven, Trauben o<strong>der</strong> Feigen tragen.<br />
Wenn diese Männer ihre geistige Macht zu nützlichen Zwecken anwenden,<br />
preisen sie den Herrn und führen Sein Werk aus. Ist dir bekannt Anna, dass<br />
in Psalm 148,9 ‚Fruchtbäume und alle Ze<strong>der</strong>n‘ aufgefor<strong>der</strong>t werden, den<br />
Herrn zu loben<br />
Anna: O, das ist ja wahr, Vater. Ich dachte bis diesen Augenblick nicht<br />
daran, was damit gemeint sein könnte.<br />
Mutter: Nun, meine Tochter, was meinst du denn jetzt, dass es<br />
bedeutet<br />
Anna: Ich meine, dass diejenigen, welche demütige Christen sind und<br />
Früchte des Geistes tragen, sowohl als diejenigen, welche groß und<br />
mächtig sind und uns durch ihre Hoheit in Staunen versetzen, die ihnen<br />
von Gott geschenkte Kraft richtig anwenden und so den Herrn loben<br />
sollen.<br />
Paul: Mich dünkt, Anna hat es getroffen, Vater. Ich möchte aber einige<br />
Namen von Männern nennen, <strong>der</strong>en Gemüter, wie ich glaube, den Eichen<br />
und Ze<strong>der</strong>n ähnlich sind und welche unter diesen Bil<strong>der</strong>n beschrieben<br />
werden.<br />
Vater: Es wird besser sein, mein Sohn, das nicht zu tun. Wir möchten<br />
uns irren und von <strong>der</strong> Nächstenliebe abweichen, denn, wie du wissen<br />
magst, gründen sich unsere Urteile nur auf eine sehr oberflächliche<br />
Kenntnis. Es ist genug, für uns zu wissen, dass es solche Leute gibt und<br />
dass sie in <strong>der</strong> Bibel als Eichen und Ze<strong>der</strong>n beschrieben werden.<br />
Anna: Wenn wir nicht mehr über die Eichen und Ze<strong>der</strong>n sprechen<br />
dürfen, Vater, dann müssen wir an den Ölbaum, den Weinstock und den<br />
Feigenbaum gehen. Bist du sicher, Vater, dass es drei Arten von<br />
Menschen, wie du sie beschrieben hast, in <strong>der</strong> Kirche gibt<br />
Vater: Gewiss, liebe Tochter.<br />
Anna: Ich habe dieselben niemals beobachtet, Vater.<br />
Vater: Bist du dessen sicher. Kennst du nicht ein kleines Mädchen,<br />
welches zur Schule geht, weil sie es liebt hinzugehen
38 Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
Anna: Ja, Vater, ein solches Mädchen kenne ich, aber nur eines.<br />
Fre<strong>der</strong>ike liebt ihre Schule - ihr ganzes Herz ist dort.<br />
Vater: Gut, Anna, hier hast du ein Beispiel von jemandem, <strong>der</strong> zur<br />
ersten Klasse gehört. Kennst du nun nicht irgendein Mädchen, welches zur<br />
Schule geht, nicht weil es beson<strong>der</strong>s gerne hingeht, son<strong>der</strong>n weil es<br />
verständig genug ist, einzusehen, dass es gut ist, hinzugehen.<br />
Anna: Ja, Vater, auch ein solches Mädchen kenne ich und zwar sehr<br />
gut, besser als irgendein an<strong>der</strong>es Mädchen.<br />
Paul: Sie selbst ist das Mädchen, das sie meint.<br />
Vater: Gut, an Anna haben wir ein Beispiel von Menschen <strong>der</strong> zweiten<br />
Klasse. Ich habe aber noch eine weitere Frage zu stellen. Kennst du nicht<br />
ein kleines Mädchen, das in die Schule geht, nicht deshalb, weil es<br />
hinzugehen liebt o<strong>der</strong> verständig genug ist, um zu denken, dass es gut für<br />
es sei, son<strong>der</strong>n einfach, weil es seinen Eltern gehorchen möchte<br />
Anna: O Vater, solche kenne ich mehr als ein Dutzend. We<strong>der</strong> Marie<br />
noch Charlotte lieben die Schule, noch glaube ich, sie sehen den Nutzen<br />
davon ein. Sie sagten mir, sie würden nicht hingehen, wenn es ihre Eltern<br />
nicht wünschten.<br />
Vater: Ei, Anna, ich meinte, du hättest gesagt, du kennst die drei<br />
Klassen von Menschen nicht, von welchen ich sprach - die Liebenden, die<br />
Weisen und die Gehorsamen und jetzt scheint es, du kennst sie alle, denn<br />
du hast sie genau beschrieben! Ich sagte dir aber, es gebe solche<br />
Menschen, weil die Bibel ihrer erwähnt.<br />
Paul: Wo werden sie in <strong>der</strong> Bibel beschrieben<br />
Vater: In Matthäus Kapitel 25. Erinnerst du dich nicht des Gleichnisses<br />
von den Pfunden, wie ein Knecht fünf, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e zwei und <strong>der</strong> dritte eins<br />
erhalten hatte<br />
Paul: Ich erinnere mich dessen, Vater. Und die drei Knechte<br />
bezeichnen, wie es scheint, drei Klassen von Menschen, von welchen<br />
erwartet wird, dass sie die Gaben Gottes, je nach ihren verschiedenen<br />
Fähigkeiten benützen.<br />
Vater: Diese drei Klassen, welche hier als im Besitze von Gaben<br />
verschiedenen Wertes bezeichnet sind, werden an an<strong>der</strong>en Teilen des<br />
Wortes als Bäume von verschiedener Eigenschaft bezeichnet. Der Knecht<br />
mit den fünf Pfunden ist <strong>der</strong> Ölbaum, <strong>der</strong> mit den zwei Pfunden ist <strong>der</strong><br />
Weinstock und <strong>der</strong> mit dem einen Pfund ist <strong>der</strong> Feigenbaum. Und eben das<br />
bringt mir eine interessante Tatsache ins Gedächtnis. Welche Art von<br />
Knecht war <strong>der</strong>, welcher nur ein Pfund hatte<br />
Anna: Ein fauler Knecht.<br />
Vater: Und welche Art von einem Feigenbaum war <strong>der</strong>, welchen ein
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
39<br />
gewisser Mann pflanzte, drei Jahre kam und Frucht suchte und sie nicht<br />
fand<br />
Anna: Einer, <strong>der</strong> das Land hin<strong>der</strong>te.<br />
Vater: Ja, das war er. Der Knecht mit dem einen Pfund und <strong>der</strong><br />
Feigenbaum hatten ganz dieselbe Bedeutung. Keiner von ihnen brachte<br />
Nutzen und beide wurden verdammt. Sie waren die Bil<strong>der</strong> von solchen,<br />
welche die Kraft haben, <strong>der</strong> Wahrheit zu gehorchen, diese Kraft aber nicht<br />
gebrauchen und deshalb unfruchtbar sind.<br />
Paul: Und nicht wahr Vater, etwas Ähnliches wird auch unter dem<br />
Feigenbaum verstanden, welchen Jesus verfluchte, weil er keine Frucht,<br />
son<strong>der</strong>n nur Blätter brachte<br />
Vater: Eben das. In allen diesen Fällen wird <strong>der</strong> Zustand des Menschen<br />
mit einem Pfund, mit einer Fähigkeit zu gehorchen (und je<strong>der</strong> hat wie ihr<br />
wisst, wenigstens eine) gezeigt, <strong>der</strong> sie aber nicht anwendet.<br />
Mutter: Steht nicht irgendwo im Buche <strong>der</strong> Richter ein sehr<br />
interessantes Gleichnis über die Bäume<br />
Vater: Ja, meine Liebe, in Kapitel 9,8-14.<br />
Anna: Soll ich es lesen, Vater<br />
Vater: Die Stelle ist ziemlich lang. Suchet sie indessen auf und haltet<br />
dann eure Bibeln für eine Weile offen.<br />
Anna: Hier ist sie. „Die Bäume gingen hin, dass sie einen König über<br />
sich salbeten und sprachen zum Ölbaum: Sei unser König. Aber <strong>der</strong><br />
Ölbaum antwortete ihnen: Soll ich meine Fettigkeit lassen, die beide,<br />
Götter und Menschen, an mir preisen und hingehen, dass ich schwebe über<br />
den Bäumen“<br />
Vater: Ihr sehet hier, dass <strong>der</strong> Ölbaum es ablehnte, König zu sein. Der<br />
Grund ist, weil <strong>der</strong> liebende Mensch seine Freude mehr am Dienen, als am<br />
Herrschen hat und weil es mehr die Natur <strong>der</strong> Liebe ist, zu dienen, als zu<br />
regieren. Der Ölbaum sagte: „Soll ich meine Fettigkeit lassen und<br />
hingehen, dass ich über den Bäumen schwebe“ Wenn die Liebe<br />
Herrschaft und Macht ausüben wollte, würde sie ihren ganzen Wert und<br />
ihre Gediegenheit verlieren und ihrem Wesen und ihrer Eigenschaft nach,<br />
gänzlich verän<strong>der</strong>t werden.<br />
Paul: Das bringt mir die Erinnerung, Vater, dass Jesus lehrt, wer unter<br />
seinen Jüngern <strong>der</strong> Größte sein wolle, soll <strong>der</strong> Diener aller sein.<br />
Mutter: Und auch, Paul, dass Er selbst kam, nicht um sich dienen zu<br />
lassen, son<strong>der</strong>n damit Er diene.<br />
Vater: Aus allem diesem könnt ihr sehen, wie wun<strong>der</strong>bar die<br />
verschiedenen Teile <strong>der</strong> Bibel übereinstimmen. Aber jetzt, Anna, wirst Du<br />
wohl finden, dass die an<strong>der</strong>en Bäume in diesem Gleichnisse eine ähnliche
40 Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
Antwort geben, wie die lautete, welche <strong>der</strong> Ölbaum gab, nicht wahr<br />
Anna: Ja, Vater. Und die Bäume sprachen zum Feigenbaum, „komme<br />
du und herrsche über uns“. Aber <strong>der</strong> Feigenbaum sagte zu ihnen: „Sollte<br />
ich meine Süßigkeit und meine gute Frucht lassen und gehen, dass ich über<br />
den Bäumen schwebe“<br />
Vater: Der Feigenbaum hätte müssen seine Süßigkeit und gute Frucht<br />
lassen, wenn er zum König gemacht worden wäre. Der Gehorsam würde<br />
ganz seinen süßen Charakter verlieren, wenn er in Herrschaft und Befehl<br />
verwandelt würde. Was kommt nun zunächst<br />
Anna: Dann sagten die Bäume zum Weinstock, „komme du und<br />
herrsche über uns“. Und <strong>der</strong> Weinstock sprach zu ihnen: „Sollte ich<br />
meinen Wein lassen, <strong>der</strong> Gott und Menschen erfreut und hingehen, damit<br />
ich über den Bäumen schwebe“<br />
Paul: Die Antwort ist immer dieselbe. Unter dem Wein, <strong>der</strong> Gott und<br />
Menschen erfreut, ist, wie ich vermute, etwas Geistiges zu verstehen.<br />
Vater: Das ist ganz unzweifelhaft. Ich kann nicht so lange dabei<br />
verweilen, um es euch zu beweisen, aber <strong>der</strong> Wein ist das Bild<br />
himmlischer Weisheit. Die Weisheit, wie uns Jesus unterrichtete, besteht<br />
im Dienen, nicht im Herrschen. Und wo <strong>der</strong> Wunsch zu herrschen besteht,<br />
da ist keine Weisheit, son<strong>der</strong>n Torheit. Daher sagte <strong>der</strong> Weinstock: "Soll<br />
ich meinen Wein lassen und hingehen, dass ich über den Bäumen<br />
schwebe"<br />
Paul: Aber Vater, <strong>der</strong> Dornbusch nahm die Regentschaft gerne an und<br />
wollte als König Großes ausrichten. O, bitte, lies die Stelle, Anna.<br />
Anna (liest): „Dann sprachen alle Bäume zum Dornbusch, komm' du<br />
und sei unser König. Und <strong>der</strong> Dornbusch sprach zu den Bäumen: Ist es<br />
wahr, dass ihr mich zum König salbet über euch, so kommt und vertrauet<br />
euch unter meinem Schatten, wo nicht, so gehe Feuer aus dem Dornbusch<br />
und verzehre die Ze<strong>der</strong>n Libanons.“<br />
Vater: Das ist ganz die Sprache eines selbstsüchtigen, falschen,<br />
nutzlosen Gemütes. Es will herrschen und alles überschatten. Wenn jedoch<br />
sein Wunsch vereitelt wird, so sucht es zu zerstören. Das Feuer seiner Lust<br />
verzehrt alles Gute und Nützliche.<br />
Paul: Etwas Ähnliches bedeutet wohl <strong>der</strong> Dorn und die Hecke, welche<br />
im Jesaja 55,13 erwähnt wird, wo es heißt: „Es sollen Tannen für Hecken<br />
wachsen und Myrthen für Dornen; und dem Herrn soll ein Name und<br />
ewiges Zeichen sein, das nicht ausgerottet werde.“<br />
Vater: Der geistige Charakter <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung, von welcher hier die<br />
Rede ist, ergibt sich aus <strong>der</strong> Tatsache, dass vorhergesagt wird, dass es dem<br />
Herrn soll ein ‚ewiges Zeichen sein, das nicht ausgerottet werde.‘ Die
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Frieden mit Gott<br />
41<br />
Bedeutung ist daher, dass anstatt geistiger Dornen und Hecken, welche<br />
Grundsätze des Bösen und Falschen sind, in <strong>der</strong> Kirche geistige Tannen<br />
und Myrthen wachsen sollen, welche die erhabenen und <strong>der</strong> Liebe<br />
würdigen Eigenschaften des Guten und Wahren sind.<br />
Mutter: Danke dir, Vater. Ich bin versichert, unser Gespräch diesen<br />
Abend war sehr interessant und nützlich. Mir scheint aber, wenn du noch<br />
etwas Weiteres zu sagen hast, solltest du es aufschieben bis nächste<br />
Woche.<br />
Vater: Ich habe noch nicht die Hälfte von dem mitgeteilt, was ich über<br />
diese Bäume zu sagen habe, wir müssen daher nächsten Sonntagabend nur<br />
über den Ölbaum sprechen und die zwei folgenden Wochen müssen wir<br />
uns für den Weinstock und den Feigenbaum vorbehalten. Unterdessen,<br />
Kin<strong>der</strong>, denkt über das Gelernte nach, leset in eurer Bibel und suchet das,<br />
was ihr gelernt habt, auch anzuwenden.<br />
<br />
Frieden mit Gott<br />
Johannes Gommel<br />
Verträumet nicht so viel Zeit mit dem, was auf Erden ist, dass ihr sorget<br />
hinauszukommen; sorget vielmehr für das, dass ihr eurem Heiland doch im<br />
täglichen Leben gefallen möget.<br />
Dort in eurem Beruf, dort sieht <strong>der</strong> Heiland, ob ihr treue Nachfolger<br />
seid und solche, die schaffen ihr Heil; dort hinein blickt <strong>der</strong> Herr mit<br />
seinen heiligen Liebesaugen und sieht, ob ihr treu seid auch im Geringsten,<br />
und ob ihr eure Gaben für Ihn verwendet.<br />
Was hülfe es, wenn ihr alle Güter dieser Zeit hättet und wann das Tor<br />
<strong>der</strong> Ewigkeit sich öffnet, ihr weichen müsstet von den Augen des Herrn.<br />
Wäre das nicht viel schrecklicher als hier nichts zu besitzen<br />
O möchtet ihr doch dafür sorgen, dass ihr drüben etwas habt, drüben<br />
eine Heimat, dort Güter, die nicht veralten, dort Klei<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gerechtigkeit.<br />
Wenn du auch hier nur ein Kleidlein hättest, aber Frieden in deinem<br />
Herzen, du wärest reicher und glücklicher als eines, das die ganze Welt<br />
besäße und keinen Heiland hätte.<br />
Frieden mit Gott muss man haben, dann ist man glücklich, dann ist man<br />
vergnügt, auch wenn man arm ist und gar nichts besitzt.<br />
(Quelle: Lebendiges Wasser, Karl Rohm Verlag)
42 Der Sinn des Lebens<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
Der Sinn des Lebens<br />
Hans Sterne<strong>der</strong> (1889-1981)<br />
Es leben unendlich viele Menschen, die jagen von früh<br />
bis spät den irdischen Dingen nach. Sie mühen und plagen<br />
sich stets und haben den Schweiß auf ihren Stirnen und<br />
häufen die Dinge <strong>der</strong> Erde in ihren Scheunen und<br />
Kammern. Sie freuen sich an <strong>der</strong> Mehrung ihres Besitzes<br />
und beginnen ihn mehr und mehr zu lieben, und machen<br />
ihn, ohne dass sie es ahnen, zu ihrem Gott. Und sie haben<br />
nur eine Sorge in all ihren Tagen und all ihren Nächten:<br />
Hans Sterne<strong>der</strong><br />
Österreichischer<br />
Schriftsteller<br />
das Wohlergehen ihres Leibes! Und sie haben nur einen Gedanken: die<br />
Erwerbung irdischen Gutes!<br />
Ist dies Ziel erreicht, dann sprechen sie: „Herr, ich danke dir, dass du<br />
mein Leben nicht vergeblich sein ließest! Siehe, was ich gesammelt habe!<br />
Ich habe meine Stunden, die du mir gegeben hast, wohl genützt!“<br />
Siehe, diese Menschen haben gelebt und sind alt geworden, und haben<br />
dennoch nie gelebt und sind längst gestorben und tot gewesen, als sie noch<br />
auf Erden weilten. Denn diese Menschen sind zeit ihres Lebens nicht<br />
hinter den Sinn des Lebens gekommen! Sie haben die Dinge geliebt, so<br />
wie sie ihren Leib liebten, und haben beides für das Wahre gehalten. Sie<br />
sind als Sklaven ihres Wahnes über die Erde gegangen wie Schatten und<br />
sind dunkler gewesen wie Schatten, da in ihrer Brust kein Licht gebrannt<br />
hat. Denn sie haben über <strong>der</strong> Sorge um das Wohlergehen des äußeren<br />
Menschen vergessen, um ihren inneren sich zu sorgen. So ist ihr Leben<br />
nutzlos gewesen, weil sie, die alle Äcker <strong>der</strong> Erde genützt und gehegt<br />
haben, jenen einzigen Acker brach liegen ließen, welcher <strong>der</strong> wahre ist:<br />
den himmlischen, ihre unsterbliche Seele! So ist ihr Leben vergebens<br />
gewesen, trotz aller Plage, denn sie haben das Göttliche in sich nicht<br />
aufwärts entwickelt!<br />
Auf sie gelten die Worte aus dem Evangelium Matthäus: „Wer sein<br />
irdisches Leben in sinnlichem Genüsse, in irdischen Bestrebungen sucht,<br />
<strong>der</strong> wird das innere Leben verlieren.“<br />
Als Tote sind sie über die Erde gegangen. Unheimlich groß ist ihre Zahl<br />
auf Erden.<br />
Zwischen ihnen aber leben an<strong>der</strong>e, die fühlen im Werken des Tages<br />
und in den einsamen Stunden <strong>der</strong> Nächte ein Ahnen, dass das Aufgehen in<br />
<strong>der</strong> Sorge für das Leibliche nicht <strong>der</strong> wahre Sinn des Lebens sei. In ihrer<br />
Brust pocht eine starke Unruhe. Und sie zerquälen sich den Kopf um den<br />
Sinn des Lebens und suchen und legen die Liebe ihres Herzens in die
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Der Sinn des Lebens<br />
43<br />
Kreatur, sie heben die Not ihrer Seele in den feierlichen Lichtglanz des<br />
Sternenhimmels. Ihre Not aber ist groß. Und sie schreien aufwärts zum<br />
Himmel um Licht, denn sie haben ein Ahnen in sich, dass sie nicht das<br />
Wahre schauen und ihre Brü<strong>der</strong> nicht <strong>der</strong> Wahrheit dienen.<br />
Und siehe, die Natur lohnt ihnen die Liebe und das Vertrauen, plötzlich<br />
fallen die Schleier von ihren suchenden Augen, und sie erkennen die<br />
Wahrheit! Dieser ewigen Wahrheit aber, die als strahlendes Licht ihren<br />
Weg erhellt, dienen sie hinfort mit <strong>der</strong> ganzen Hingabe des Wissenden.<br />
Und das Wissen macht sie frei. Sie leben dem Unsterblichen in ihnen und<br />
achten es liebend in allen Dingen. So werden sie zu Lebzeiten schon<br />
werktätige Mithelfer des Waltens des göttlichen Geistes.<br />
Sie haben sich von den Fesseln <strong>der</strong> Materie befreit, den Wahn von <strong>der</strong><br />
Wirklichkeit des Vergänglichen besiegt, sie haben das Wissen von <strong>der</strong><br />
Wahrheit alles Seins - dass <strong>der</strong> Geist die einzige Wirklichkeit alles Lebens<br />
ist - ergründet und dadurch das Reich Gottes gewonnen.<br />
So ist das Reich Gottes die Erkenntnis des Geistigen, Göttlichen in<br />
allem Sein! Mit einem Wort: <strong>der</strong> geistige Urgrund in aller Schöpfung!<br />
Nun wird klar, was Jesus Christus in <strong>der</strong> Bergpredigt mit den Worten<br />
meint: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes, so wird euch alles an<strong>der</strong>e<br />
von selbst zufallen.“<br />
Wie tief ist <strong>der</strong> Sinn dieser Worte! Möchten doch alle Menschen den<br />
Weg ins Reich Gottes finden! Was würde dies den blind über die Fel<strong>der</strong><br />
des Irdischen Irrenden für Erlösung und Seligkeit bringen!<br />
Es könnten alle den Weg finden, denn das Wort Gottes ist leuchtend,<br />
wie <strong>der</strong> Blitz des Himmels den Menschen verkündet, doch die Menschen<br />
achten es nimmer! Sagt doch Christus: „Mein Reich ist nicht von dieser<br />
Welt!“ Und ein an<strong>der</strong>mal: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch!“ Was<br />
kann das für ein Reich sein, das nicht von dieser Welt ist und im Menschen<br />
thront, und das Sein Reich ist, also göttlich! Es wäre nicht schwer, dies zu<br />
verstehen, wenn <strong>der</strong> Mensch mehr über Gott nachdächte als über das<br />
Irdische!<br />
Gott ist Geist. Also muss sein Reich ein Reich des rein Geistigen, ein<br />
Bezirk des Ewigen, Unvergänglichen sein. Die sichtbare Welt aber ist<br />
vergänglich, und auch <strong>der</strong> Mensch welkt dahin wie Gras. Unvergänglich<br />
nur ist das Unsichtbare in uns, <strong>der</strong> göttlich Geist, durch den wir sind und<br />
leben! Wer ihm nachhängt, ihm dient, ihn in <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> sichtbaren<br />
Erscheinungsformen sucht, mit ihm sich verschmilzt und so eins wird mit<br />
Gott in sich und in aller Kreatur <strong>der</strong> Schöpfung, <strong>der</strong> hat das Reich Gottes<br />
gefunden.<br />
Sein Sinn ist nimmer auf das Anhäufen von irdisch vergänglichem Gut
44 Die Liebe als Weg zur Vollendung<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
gerichtet, gering achtet er Ehren und Würden, gering das Wohlergehen des<br />
Leibes. Er hat dies alles als wesenlos Vergängliches erkannt und hat nur<br />
einen Gedanken: eins zu werden mit dem Allgeist <strong>der</strong> Gottheit und seine<br />
unsterbliche Seele, von allen Fesseln des Irdischen befreit, hoch aufwärts<br />
zu entwickeln in das Reich des reinen Geistes.<br />
An ihm haben sich die Worte Christi erfüllt: „Wer sein irdisches Leben<br />
verliert um meinetwillen, <strong>der</strong> wird das innere finden.“<br />
Er ist wie<strong>der</strong>geboren aus dem Reich des Vergänglichen in das Reich<br />
<strong>der</strong> Unvergänglichkeit. Nimmer liegt seine Seele in den Fesseln <strong>der</strong> Maja,<br />
<strong>der</strong> Schein-, und Trugwelt, ausgetreten ist er aus <strong>der</strong> irdischen Welt des<br />
Scheins, hinein in die lichte, geistige Welt <strong>der</strong> unvergänglichen Wahrheit,<br />
in das Reich Gottes!<br />
<br />
Die Liebe als Weg zur Vollendung<br />
„So ihr aber meinet, dass Gott dem Menschen, <strong>der</strong> auf dem Wege zum<br />
Reiche Gottes und Leben des Geistes emsig und ernstlich fortwandelt, gar<br />
nicht helfe, so er dann und wann müde und schwach wird, da irret ihr euch<br />
bedeutend. Ich sage es euch: Wer einmal ernstlich diesen Weg betreten<br />
hat, dem wird auch ohne sein Wissen von Gott aus geholfen, dass er<br />
weiter und endlich sicher auch ans Ziel kommt.<br />
Gott wird die Einung <strong>der</strong> Seele mit dem Geiste aus Ihm freilich wohl<br />
nicht mit Seiner Allmacht erzwingen, aber Er wird des Menschen Herz<br />
stets mehr erleuchten und es erfüllen mit wahrer Weisheit aus den<br />
Himmeln, und <strong>der</strong> Mensch wird dadurch geistig wachsen und kräftiger<br />
werden und wird alle Hin<strong>der</strong>nisse, die sich ihm zu seiner größeren<br />
Probung noch irgendwo in den Weg stellen könnten, stets leichter und<br />
zuversichtlicher überwinden.<br />
Je mehr Liebe ein Mensch aber zu Gott und zum Nächsten in sich wird<br />
lebendig zu fühlen anfangen, und je barmherziger er in seinem Gemüte<br />
wird, desto größer und stärker ist auch schon <strong>der</strong> Geist Gottes in seiner<br />
Seele geworden. Denn die Liebe zu Gott und daraus zum Nächsten ist ja<br />
eben <strong>der</strong> Geist Gottes in <strong>der</strong> Seele des Menschen. Wie diese zunimmt und<br />
wächst, also auch <strong>der</strong> Geist Gottes in ihr. Ist am Ende <strong>der</strong> ganze Mensch<br />
zur reinen und allerwohltätigsten Liebe geworden, so ist auch schon die<br />
völlige Einung <strong>der</strong> Seele mit dem Geiste aus Gott erfolgt, und <strong>der</strong> Mensch<br />
hat für ewig das von Gott ihm gestellte allerhöchste Ziel des Lebens<br />
erreicht.<br />
Gott Selbst ist in Sich ja die allerhöchste und reinste Liebe, und also
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Die Liebe als Weg zur Vollendung<br />
45<br />
ist es auch <strong>der</strong> jedem Menschen zukommende Geist aus Gott.<br />
Wird die Seele durch ihr freies Wollen ganz ähnlich <strong>der</strong> Liebe des<br />
Geistes aus Gott, so ist es dann ja auch klar, dass sie mit dem Geiste aus<br />
Gott in ihr eins wird. Wird sie aber das, dann ist sie auch vollendet. Nun,<br />
dafür aber lässt sich keine genaue Zeit bestimmen, son<strong>der</strong>n das muss <strong>der</strong><br />
Seele ihr eigenes Gefühl sagen und anzeigen.<br />
Die wahre, reine und lebendige Liebe ist in sich höchst uneigennützig;<br />
sie ist voll Demut, ist tätig, ist voll Geduld und Erbarmung; sie fällt<br />
niemals jemandem unnötig zur Last und duldet alles gerne; sie hat kein<br />
Wohlgefallen an <strong>der</strong> Not ihres Nächsten; aber ihre rastlose Mühe ist, dass<br />
sie helfe je<strong>der</strong>mann, <strong>der</strong> einer Hilfe bedarf.<br />
Also ist die reine Liebe auch im höchsten Grade keusch und hat keine<br />
Freude an <strong>der</strong> Geilheit des Fleisches, aber eine desto größere Lust an <strong>der</strong><br />
reinen Gesittung des Herzens.<br />
Wenn des Menschen Seele auch also beschaffen sein wird durch ihr<br />
eigenwilliges Streben und Trachten, dann ist die Seele auch schon gleich<br />
ihrem Geiste und ist also denn auch in Gott vollendet.<br />
Und so wisset ihr nun ganz genau, was ihr zu tun habt, um zur<br />
reingeistigen Vollendung zu gelangen. Wer sich alles dessen emsigst<br />
befleißen wird, <strong>der</strong> wird auch am ehesten vollendet werden.<br />
Wer sich aber emsig und ernstlich befleißen wird, diesen Weg zu wandeln,<br />
dem wird auch allzeit und höchst wahr und sicher von Gott aus geholfen<br />
werden, dass er das allerhöchste Lebensziel erreichen wird, dessen ihr alle<br />
völlig versichert sein könnet; denn kam Gott euch nun schon durch Mich<br />
zu Hilfe, wo ihr den Weg kaum von weiter Ferne hin habt dahin zu<br />
bemerken angefangen, dass es etwa einen solchen Weg geben könne, um<br />
wie viel mehr wird Er euch erst dann zu Hilfe kommen, wenn ihr auf dem<br />
Wege selbsttätig wandeln werdet! – Habt ihr das verstanden“<br />
(GEJ.07_223,8-17)
46 Von <strong>der</strong> Liebe verlassen<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
VON DER LIEBE VERLASSEN<br />
K. O. Schmidt<br />
Gehe nach innen, lerne Dich selbst zu verstehen -<br />
und an<strong>der</strong>e werden Dich ebenfalls besser verstehen.<br />
u fühlst Dich von Deinen Angehörigen nicht verstanden, von<br />
Deinen Freunden verlassen, vom Leben betrogen und dazu<br />
verdammt, allein zu stehen, einsam und ohne Liebe zu bleiben<br />
Du irrst. In <strong>der</strong> Mehrzahl aller Fälle ist es nicht das Leben, sind<br />
es nicht Deine Freunde o<strong>der</strong> Verwandten, die Dich von sich<br />
stießen, son<strong>der</strong>n Du selbst hast, bewusst o<strong>der</strong><br />
unbewusst, die Trennung von innen her geschaffen, die<br />
Harmonie gestört. Die meisten Gefühle des<br />
Unverstandenseins sind aus negativem,<br />
verkrampftem Denken erquollen, aus ichhaften<br />
Gedankenschwingungen, die gesetzmäßig<br />
ähnliches anziehen mussten.<br />
Untersuche einmal in <strong>der</strong> Stille Deine vorherrschenden Gedankenströmungen<br />
und Gefühle und suche zu erkennen, dass und warum Du an<br />
Deiner Vereinsamung mitschuldig bist und wie Du sie in Gemeinsamkeit,<br />
gegenseitiges Verstehen, Harmonie und Liebe zu verwandeln vermagst.<br />
Blicke nicht auf die Oberfläche, son<strong>der</strong>n sieh etwas tiefer: Hast Du<br />
schon mit wirklicher Aufgeschlossenheit versucht, einmal die an<strong>der</strong>en zu<br />
verstehen O<strong>der</strong> hältst Du Dich für an<strong>der</strong>s als sie Siehst Du vor allem das,<br />
was Dich von ihnen unterscheidet, statt das, was Dich mit ihnen verbindet<br />
Um von an<strong>der</strong>en verstanden zu werden, musst Du die an<strong>der</strong>en<br />
verstehen, musst einsehen, dass wir alle Kin<strong>der</strong> des Ewigen sind und auf<br />
die gleiche Weise reagieren. Du musst aus Dir herausgehen, Deine<br />
Ichbezogenheit aufgeben, Dich in die an<strong>der</strong>en hereinversetzen und sie gern<br />
haben. Sowie Du Sympathie ausstrahlst, beginnen die an<strong>der</strong>en sich Dir wie<br />
die Blumen <strong>der</strong> Sonne - zuzuwenden und zu öffnen, Dir Interesse<br />
entgegenzubringen - Verständnis - Verstehen.<br />
Es ist unmöglich, an<strong>der</strong>en Menschen Gefühle entgegenzubringen, die<br />
sie nicht früher o<strong>der</strong> später unwillkürlich und unbewusst erwi<strong>der</strong>n!<br />
Einsamkeit ist immer die Folge einer Selbsteinkapselung, einer<br />
Selbstabschließung aus unbewusster Ichsucht, aus Gekränktsein o<strong>der</strong><br />
ähnlichen Motiven. Du willst, dass die an<strong>der</strong>en Dich glücklich machen -<br />
und ziehst Dich zurück, weil sie es nicht tun. Sie können es gar nicht, weil
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Von <strong>der</strong> Liebe verlassen<br />
47<br />
die Voraussetzung fehlt, die darin besteht, dass Du zuerst die an<strong>der</strong>en<br />
glücklich zu machen suchst. Denn immer gilt: nur glücklich machen macht<br />
glücklich! Nur Freund sein bringt Freunde! Nur Liebe macht liebenswert!<br />
Wer sich gedanklich von an<strong>der</strong>en abschließt und sich in eine seelische<br />
Igelstellung zurückzieht, <strong>der</strong> sieht sich bald auch äußerlich von ihnen<br />
getrennt. Niemand empfängt Liebe, außer er gäbe sie vorher. Darum<br />
denke um, strahle Sympathie, Harmonie und Liebe aus, dann wirst Du zu<br />
einem Magneten, <strong>der</strong> alles anzieht, was mit Deiner Seele gleichschwingt.<br />
Hilf an<strong>der</strong>en, dann wird auch dir geholfen. Je<strong>der</strong> zieht das an, was er<br />
vorwiegend denkt: <strong>der</strong> Ichhafte das Alleinsein, <strong>der</strong> Allverbundene die All-<br />
Gemeinsamkeit.<br />
Du erwi<strong>der</strong>st, dass, weil die an<strong>der</strong>en Dich nicht verstehen, Du auch keinerlei<br />
Neigung fühlst, die an<strong>der</strong>en zu verstehen. Nun, auch in diesem Falle<br />
gibt es den rettenden Ausweg: Wenn die an<strong>der</strong>en Dich nicht verstehen,<br />
dann versuche, Dich selbst zu verstehen. Beschreite also den entgegengesetzten<br />
Weg: nach innen statt nach außen. Du wirst sehen, dass das<br />
gleiche Ergebnis herauskommt.<br />
Versuche, Dich selbst zu erkennen. Gehe in Dich, versenke Dich in <strong>der</strong><br />
Meditation in Deinen innersten Wesenskern, bis Du Dich selbst, Dein<br />
innerstes Selbst, Deinen inneren Helfer (Christus in Dir) gefunden hast.<br />
Denn ihn finden heißt, Dich selbst finden und verstehen. Es bewirkt<br />
zugleich, dass die an<strong>der</strong>en Dich verstehen.<br />
Auf dem Wege nach innen erkennst Du, dass Du gar nicht allein bist<br />
und auch nie sein kannst, weil einer immer in Dir, mit Dir und bei Dir ist:<br />
<strong>der</strong> innere Freund und Helfer. Er ist das Allerinnerste - und zugleich das,<br />
was Du mit den an<strong>der</strong>en Menschen gemeinsam hast. Sowie Du Dich mit<br />
ihm fühlst, erlebst Du auch Dein Einssein mit den an<strong>der</strong>en Menschen und<br />
beendest damit die Not des Vereinsamt- und Unverstandenseins.<br />
Also auch auf dem entgegengesetzten Weg - nach innen - weckst Du<br />
die schlummernden Kräfte <strong>der</strong> Liebe zu allem Lebendigen - Mensch und<br />
Tier - <strong>der</strong> Sympathie zu den Wesen um Dich herum - mit dem Ergebnis,<br />
dass die gleichen Kräfte <strong>der</strong> Sympathie und Liebe auch in ihnen<br />
angesprochen und auf Dich zurückgestrahlt werden. Das wirkt sich bald<br />
auch in Deinem Leben aus: eines Tages findest Du Dich wie<strong>der</strong> mitten im<br />
Strom des Lebens und hast am Lieben und Leiden <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en teil - und<br />
zwar umso rascher, je williger Du Dich mit dem Inneren Helfer verbündest<br />
und ihn bittest, die Kräfte <strong>der</strong> Liebe und Harmonie in Dir und um Dich<br />
herum zu wecken. Er kennt alle Wege zum Glück und verlässt Dich nie.<br />
Bejahe in <strong>der</strong> Meditation täglich aufs Neue Dein Einssein mit ihm:
48 Von <strong>der</strong> Liebe verlassen<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
„Ich bin eins mit dir, meinem Inneren Helfer, und habe teil an allem,<br />
was das Leben seinen Kin<strong>der</strong>n zubestimmt hat an Liebe, Freude,<br />
Schönheit, Harmonie, Gesundheit und Fülle. Ich bin Liebe, Kraft,<br />
Harmonie. Allen, die krank sind o<strong>der</strong> müde, schwach o<strong>der</strong> verzagt, sende<br />
ich Gedankenströme <strong>der</strong> Liebe, Kraft und Hilfe zu. Im gleichen Maße<br />
vervielfachen sich meine Liebeskräfte. Je mehr ich gebe, desto mehr<br />
empfange ich!“<br />
Auf dem Weg nach innen kommst Du immer irgendwann an den Punkt,<br />
wo Du Dir Deines Einsseins mit allen Wesen bewusst wirst und weit mehr<br />
danach verlangst, an<strong>der</strong>e zu verstehen und an ihrem Leben teilzuhaben, als<br />
danach, dass die an<strong>der</strong>en Dich verstehen. Damit ist <strong>der</strong> von Dir selbst<br />
unterbrochene Kontakt mit <strong>der</strong> Umwelt wie<strong>der</strong>hergestellt: Dein Innerer<br />
Helfer nimmt die Fäden des Schicksals in die Hand und bewirkt, dass eben<br />
die Menschen Deinen Lebensweg kreuzen, die Dich verstehen und die Du<br />
verstehst.<br />
Nun gibt es Existentialisten, die mit Kierkegaard sagen: „Zuinnerst in<br />
jedem Menschen wohnt doch die Angst, dass er vergessen sein könnte vor<br />
Gott. Er hält diese Angst zwar dadurch von sich fort, dass er sich mit<br />
vielen umgibt, die ihm durch Verwandtschaft und Freundschaft verbunden<br />
sind; aber sie ist dennoch da und er darf kaum daran denken, wie ihm<br />
zumute würde, wenn alle diese weggenommen würden.“<br />
Aber auch diese Existenzangst, dies Gefühl des Verlorenseins vor Gott,<br />
wird zunichte in dem Augenblick, wo Du <strong>der</strong> Gegenwart des Inneren<br />
Helfers bewusst wirst und Dich mit ihm eins weißt. Das Gefühl des<br />
Verlassenseins wandelt sich dann in das beglückende Bewusstsein des<br />
Geborgenseins, das Dich zur freudigen Bejahung des Lebens führt, weil<br />
Du nun weißt, dass alles gut ist.<br />
Der Himmel, den Du auf Erden haben möchtest, muss in Dir seinen<br />
Anfang nehmen. Indem Du ihn in Dir aufschließt, erschließt er sich Dir<br />
auch außerhalb Deiner selbst. Wenn Du das Gute in allen bejahst, kann Dir<br />
je<strong>der</strong> Mensch zum Engel werden.<br />
<br />
„So du mich suchest, da musst du Mich aber bei dir und nicht bei<br />
an<strong>der</strong>n suchen! Denn kann Der in <strong>der</strong> Fremde gesucht werden,<br />
<strong>der</strong> da beständig in dir zuhause ist und deiner harret!“<br />
(HiG. Bd. 1; S. 408,5)
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Herzintelligenz<br />
49<br />
Herzintelligenz<br />
DIE INTELLIGENZ DES GEFÜHLS<br />
Gesund sein ist eine Herzenssache, echte Herzlichkeit und positive<br />
Gefühle stärken die Gesundheit. Sogar wenn man sie willentlich<br />
hervorruft. Das ergaben jahrelange Studien eines Forschungsinstituts in<br />
Kalifornien. Darauf aufbauende Programme zur "inneren"<br />
Stressbewältigung werden in den USA bereits mit Erfolg eingesetzt. In<br />
Firmen, in Schulen und bei <strong>der</strong> Army. Positive Gefühle wie Liebe,<br />
Fürsorge und Anerkennung sind nicht nur angenehmer als negative<br />
Gefühle. Sie sind zugleich auch <strong>der</strong> Schlüssel zu körperlicher Vitalität,<br />
Stärkung <strong>der</strong> Abwehrkräfte und höherer Leistungsfähigkeit. Der<br />
gleichmäßige Herzschlag einer Person, die Harmonie verbreitet, überträgt<br />
sich sogar auf die anwesenden Personen. Diese angenehmen Menschen<br />
stecken an<strong>der</strong>e Menschen sozusagen mit ihrer positiven Lebensenergie an.<br />
Die biologische Grundlagenforschung beweist: Unser Herz ist weit<br />
mehr als eine simple Pumpe. Es besitzt sogar ein eigenes "Gehirn" und<br />
eine unabhängige Hormonproduktion, über die <strong>der</strong> gesamte Organismus<br />
beeinflusst werden kann. Damit werden alte esoterische Lehren über die<br />
zentrale Bedeutung des Herzens, für Gefühl und Liebe, wissenschaftlich<br />
bestätigt. Auch wenn die positiven Gefühle mittels einer Herzmeditation<br />
erzeugt werden, können Herz und Nerven regeneriert werden. Emotionale<br />
und seelische Konflikte werden gemil<strong>der</strong>t, manchmal verschwinden sie<br />
ganz. Der gesamte Organismus wird energetisiert, vitalisiert und ein Stück<br />
gesün<strong>der</strong>. Der gegenteilige Effekt wurde ebenfalls nachgewiesen.<br />
Das HeartMath-Institut hat bestätigt, wenn Gefühle wie Stress, Angst<br />
und Frust den Menschen peinigen, so wird er unweigerlich krank werden.<br />
Diskrepanzen zwischen Handeln, Denken und dem Fühlen führen zu einer<br />
Schwächung und zu Störungen des Herzkreislaufsystems. Nach starken<br />
negativen Emotionen, beispielsweise nach einem fünfminütigen Wutausbruch,<br />
kann es jeweils bis zu sechs Stunden dauern, ehe sich die dadurch<br />
gestörten Abwehrkräfte wie<strong>der</strong> erholt haben. Zudem wird durch negativen<br />
Gefühlsstress das vegetative Nervensystem, das Körperfunktionen wie<br />
Atmung, Verdauung und Stoffwechsel reguliert, dauerhaft durcheinan<strong>der</strong><br />
gebracht. Dadurch steigt zum Beispiel das Risiko, an Krebs o<strong>der</strong> Herz-<br />
Kreislauf-Erkrankungen zu sterben, um 40 Prozent. Die Gefahr, nach<br />
einem Herzinfarkt einen zweiten zu bekommen, verdoppelt sich. Die<br />
Wahrscheinlichkeit eines plötzlichen Herztodes zum Beispiel ist bei<br />
Menschen mit starken Ängsten sogar sechsmal höher als bei an<strong>der</strong>en.<br />
Damit bildet emotionaler Dauerstress ein größeres Gefahrenpotential für
50 Herzintelligenz<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
die Gesundheit als Zigarettenraucher. Im Gegensatz zum Nikotin können<br />
jedoch Stress und negative Gefühlssituationen nicht immer gemieden<br />
werden. Um die verblüffende Heilwirkung positiver Gefühle dennoch im<br />
Alltag, nutzen zu können, werden entspannende Übungen und beruhigende<br />
Musik empfohlen. Das emotionale Gleichgewicht stabilisiert sich dadurch.<br />
Insgesamt wächst die Fähigkeit, auf die Herausfor<strong>der</strong>ungen des Lebens<br />
besser reagieren zu können. Wenn man also jemanden ehrlich lobt o<strong>der</strong><br />
liebt, fühlt sich nicht nur <strong>der</strong> besser, son<strong>der</strong>n man för<strong>der</strong>t auch die eigene<br />
Gesundheit.<br />
Hingegen machen ständige Kritik, Frust und eine Atmosphäre von<br />
Angst und Misstrauen auf Dauer krank. In den 70er Jahren hatten<br />
Wissenschaftler erstmals beobachtet, dass bestimmte Gefühle mit<br />
Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Herzfrequenz, des Blutdrucks, <strong>der</strong> Atmung und <strong>der</strong><br />
Verdauung einhergehen. 1983 entdeckte man dann ein neues, allein vom<br />
Herzen produziertes Hormon, ANF genannt. Dieses Herzhormon wirkt auf<br />
Blutgefässe, Nieren und Nebennieren sowie auf viele Gehirnbereiche, die<br />
für die Regulation im Organismus zuständig sind.<br />
Ein erster, biochemischer Weg, wie das Herz den übrigen Organismus<br />
steuern kann, war gefunden. Die Biologen "beför<strong>der</strong>ten" das Herz in ihren<br />
Klassifizierungen von <strong>der</strong> einfachen Pumpe zur Hormondrüse.<br />
Ebenfalls in den 80er Jahren fanden Mediziner heraus, dass bestimmte<br />
Herzzellen auch wichtige chemische Botenstoffe für die Nervenleitung, die<br />
so genannten Neurotransmitter Noradrenalin und Dopamin, herstellen.<br />
Außerdem entdeckte man eine Nervenbahn, über die das Herz direkt die<br />
Gehirnaktivitäten hemmen o<strong>der</strong> för<strong>der</strong>n kann. Das Herz folgt also<br />
keineswegs einseitig den Befehlen <strong>der</strong> Denkzentrale. Mehr noch: Die<br />
Forschungen ergaben, dass das Herz sogar ein völlig eigenständiges<br />
Nervensystem besitzt. Erst dieses "Mini-Gehirn" macht es möglich, dass<br />
Verpflanzungen erst funktionieren. Es entstand ein eigener medizinischer<br />
Forschungszweig - die Neurokardiologie -, um die Zusammenhänge<br />
genauer zu erforschen. Was ist nun die eigentliche Funktion des Herzens<br />
Nach <strong>der</strong> chinesischen Medizin, die den Begriff <strong>der</strong> Lebensenergie "Chi"<br />
zur Grundlage hat, werden im Herzen alle Energieflüsse gemischt. Hier<br />
sollen sich unter an<strong>der</strong>em Nahrungs-Chi, Atem-Chi und Nieren-Chi,<br />
inneres und äußeres Chi miteinan<strong>der</strong> verbinden. Anthroposophisch<br />
orientierte Lehren sehen im Herzen ein "zentrales Organ <strong>der</strong> Integration<br />
und Reflexion", indem <strong>der</strong> Ausgleich zwischen "Kopf" und "Bauch",<br />
Denken, Fühlen und Wollen stattfindet. Dem indischen Yoga<br />
nahestehenden Auffassungen wie<strong>der</strong>um halten eine Aktivierung des<br />
Herzchakras eines energetischen Zentrums, das im Bereich des Herzens
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Herzintelligenz<br />
51<br />
lieg- für eine <strong>der</strong> wichtigsten Voraussetzungen, um in erweiterten<br />
Bewusstseinszuständen überhaupt tiefere spirituelle Einsichten gewinnen<br />
zu könne. Die Untersuchungen am HeartMath-Institut zeigen nun, dass das<br />
Herz tatsächlich eine entscheidende Rolle bei <strong>der</strong> Koordination zwischen<br />
Körper, Geist und Seele spielt. Die Frequenz eines harmonischen<br />
Herzschlags, wie er nur bei positiven Gefühlen auftritt, bringt nämlich<br />
an<strong>der</strong>e Körperrhythmen wie Atmung und Hirnwellen zum "Mitschwingen"<br />
und damit in eine gesunde Harmonie. Durch den entstehenden Gleichtakt<br />
kann das "Orchester" des Organismus erst richtig erklingen. Viele geistige<br />
Lehren enthalten Methoden zur Aktivierung <strong>der</strong> Herz-Energie, <strong>der</strong>en<br />
Wirksamkeit sich in <strong>der</strong> Praxis bewährt hat.<br />
Übung zum „Einschalten“ des Herzens (Herzatmung)<br />
• Beobachten Sie sich und ihre Körperreaktionen und erkennen Sie, dass<br />
Sie sich gestresst fühlen. Nehmen Sie sich eine Auszeit.<br />
• Bemühen Sie sich schon in <strong>der</strong> Stress-Situation, Ihre Aufmerksamkeit<br />
weg vom rasenden Verstand und Ihrem Gefühlswirrwarr hin zur<br />
Herzgegend zu lenken.<br />
• Stellen Sie sich vor, Sie „atmen“ mit Ihrem Herzen, und bringen Sie so<br />
Ihre Energie in diesen Bereich. Bleiben Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit<br />
zehn Sekunden o<strong>der</strong> länger in diesem Bereich.<br />
• Erinnern Sie sich an ein positives, fröhliches o<strong>der</strong> beglückendes Gefühl<br />
o<strong>der</strong> an eine positive Zeit in Ihrem Leben. Versuchen Sie, diese<br />
Gefühle von Liebe, Fürsorge o<strong>der</strong> Wertschätzung noch einmal in<br />
ganzer Tiefe zu erleben und zu fühlen.<br />
• „Fragen“ Sie mit Hilfe Ihrer Intuition und Ihrem gesunden<br />
Menschenverstand aufrichtig Ihr Herz, welche Reaktion auf diese<br />
Stress-Situation angebracht wäre - eine Reaktion, die Ihren künftigen<br />
Stress verringert.<br />
• Zur Steigerung <strong>der</strong> Kreativität fragen Sie, welche kreativen<br />
Möglichkeiten und Lösungen es für die Situation gibt.<br />
• Hören Sie auf die Antwort Ihres Herzens.<br />
„Meine Himmel sollt ihr euch nicht irgendwo als recht weit entfernt<br />
vorstellen, son<strong>der</strong>n ganz nahe. Der ganze Weg beträgt höchstens drei<br />
Spannen Maß: die Entfernung vom Kopf bis ins Zentrum des Herzens!<br />
Habt ihr diese kleine Strecke zurückgelegt, so seid ihr auch schon drinnen.<br />
Denkt ja nicht, dass wir etwa eine Auffahrt über alle Sterne hinauf und<br />
hinaus machen werden, son<strong>der</strong>n eine Nie<strong>der</strong>fahrt nur in unser Herz. Da<br />
werden wir unsere Himmel und das wahre, ewige Leben finden!“<br />
(RB.2; 278,06)
52 Weisheitsgeschichten<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
Das Bethaus mit den zwei Wahrzeichen<br />
In einem Orte stand ein großes Bethaus, und dieses Bethaus hatte zwei<br />
Glockentürme. Der eine war geziert mit einem Kreuze, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e aber mit<br />
einer Wetterfahne.<br />
Ein ehrbarer Vater ging in irgendeinem Geschäfte mit seiner<br />
zwölfjährigen Tochter gerade des Weges an dem doppeltürmigen Bethause<br />
vorüber. Da bemerkte die scharfsichtige Tochter den grellen Unterschied<br />
<strong>der</strong> Zier auf den Türmen und fragte darob den Vater:<br />
"Guter Vater! Was hat doch solches wohl zu bedeuten, dass da <strong>der</strong> eine<br />
Turm mit einem Kreuze, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e mit einer Wetterfahne geziert ist"<br />
Und <strong>der</strong> Vater erwi<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Tochter: „Siehe, das ist ein doppeltes<br />
Merkzeichen für denkende Menschen! - Das Kreuz auf dem einen Turme<br />
erinnert uns an die alte Kirche, die da feststand im Glauben und in <strong>der</strong><br />
Liebe zu Gott. - Der Wetterfahne des an<strong>der</strong>en, neueren Turmes aber<br />
gleicht die jetzige Kirche. Sie lässt sich auch durch allerlei Weltwinde<br />
umherdrehen und -treiben in ihrer Lehre sowohl als in ihrem Handeln und<br />
wird bald selbst nicht mehr wissen, wer in ihr Koch o<strong>der</strong> Kellner ist!“<br />
Die Tochter aber sah dem etwas ereiferten Vater ins Angesicht und<br />
sagte darauf: „Lieber Vater! Ereifere dich doch nicht so sehr, denn die<br />
Fahne mag ja doch auch ihren Nutzen haben! - Zudem habe ich dich selbst<br />
schon öfter nach <strong>der</strong> Fahne als nach dem Kreuze blicken gesehen!“<br />
Und <strong>der</strong> Vater erwi<strong>der</strong>te: „Ja, ja, du hast recht, mein Kind! Siehe, es ist<br />
aber auch notwendig, damit man von <strong>der</strong> großen Unbeständigkeit des<br />
Kirchenwetters nicht benachteiligt wird in <strong>der</strong> Gesundheit seines Geistes! -<br />
Verstehst du solches“ (HiG.02_43.06.02.b,1-6)<br />
<br />
Die Sterntaler<br />
Es war einmal ein kleines Mädchen, dem waren Vater und Mutter<br />
gestorben, und es war so arm, dass es kein Zimmer mehr hatte, darin zu<br />
wohnen, und kein Bett mehr, darin zu schlafen, und endlich gar nichts<br />
mehr als die Klei<strong>der</strong> auf dem Leib und ein Stück Brot in <strong>der</strong> Hand, das ihm<br />
ein mitleidiger Mensch geschenkt hatte. Es war aber gut und fromm. Und<br />
weil es von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf Gott hinaus.<br />
Da begegnete ihm ein armer Mann, <strong>der</strong> sprach: »Ach, gib mir etwas zu<br />
essen, ich bin so hungrig.« Das Mädchen reichte ihm das ganze Stück Brot<br />
und sagte: »Gott segne dir's«, und ging weiter.<br />
Da kam ein Kind, das jammerte und sprach: »Es friert mich so an
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Weisheitsgeschichten<br />
53<br />
meinem Kopfe, schenk mir etwas, womit ich ihn bedecken kann.» Da<br />
nahm das Mädchen seine Mütze ab und gab sie ihm.<br />
Und als das Mädchen noch eine Weile gegangen war, kam wie<strong>der</strong> ein<br />
Kind und hatte keinen Pullover an und fror: da gab es ihm seinen; und<br />
noch weiter, da bat ein Kind um einen Rock, den gab es auch von sich hin.<br />
Endlich gelangte das Mädchen in einen Wald; und es war schon dunkel<br />
geworden: da kam noch ein Kind und bat um ein Hemd, und das Mädchen<br />
dachte: Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein<br />
Hemd weggeben, und zog das Hemd aus und gab es auch noch hin.<br />
Und wie das Mädchen so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf<br />
einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter silberne harte Taler: und<br />
ob das Mädchen gleich sein Hemd weggegeben hatte, so hatte es ein<br />
neues an, und das war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es die Taler<br />
hinein und war reich für sein Lebtag. (Brü<strong>der</strong> Grimm)<br />
<br />
Die Rettung<br />
Als ich mit einem Tibetaner im Gebirge im Schneesturm wan<strong>der</strong>te, sah<br />
ich einen Mann, <strong>der</strong> im Schnee den Abhang hinuntergestürzt war. Ich<br />
sagte: „Wir müssen hingehen und ihm helfen.“<br />
Er erwi<strong>der</strong>te: „Niemand kann von uns verlangen, dass wir uns um ihn<br />
bemühen, während wir selber in Gefahr sind, umzukommen.“<br />
„Immerhin“, antwortete ich. „wenn wir schon sterben müssten, ist es gut,<br />
wir sterben, während wir an<strong>der</strong>en helfen.“<br />
Er wandte sich ab und ging seines Weges. Ich stieg zu dem<br />
verunglückten Mann hinunter, hob ihn mühsam auf meine Schultern und<br />
trug ihn bergan. Durch diese Anstrengung wurde mir warm und meine<br />
Wärme übertrug sich auf den vor Kälte steifen Verunglückten. Unterwegs<br />
fand ich meinen früheren Begleiter im Schnee liegen. Müde, wie er war,<br />
hatte er sich nie<strong>der</strong>gelegt und war erfroren. Ich hatte einen Menschen<br />
retten wollen, aber ich rettete mich selbst. (Sundar Singh)<br />
<br />
Klatsch<br />
Ein Schüler bekannte seine schlechte Gewohnheit, Klatsch weiterzuerzählen.<br />
Sagte <strong>der</strong> Meister spitz: „Weitererzählen wäre ja nicht so schlimm, wenn<br />
du nicht noch Verbesserungen daran vornähmst.“
54 Göttlicher Gesundheitsrat<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong><br />
Göttlicher Gesundheitsrat<br />
„Habt ihr zu einer Medizin o<strong>der</strong> zu einem Arzte zu wenig Vertrauen,<br />
so nehmet eine an<strong>der</strong>e Medizin, desgleichen ist auch mit dem Arzte zu<br />
tun; denn Ich sage euch noch einmal: Nicht die Medizin und nicht <strong>der</strong><br />
Arzt helfen im eigentlichen Sinne allein, son<strong>der</strong>n hauptsächlich das<br />
festere Vertrauen. Ja, <strong>der</strong> Arzt wie die Medizin sind zumeist<br />
gleichgültig, und beide wirken nur, wenn die ruhige, vertrauensfeste<br />
Seele sich die Zeit und Mühe nimmt o<strong>der</strong> nehmen kann, die in <strong>der</strong><br />
Arznei vorhandenen Spezifika dorthin zu verwenden, wo sie zweckdienlich<br />
sind. Ist das bei <strong>der</strong> mehr o<strong>der</strong> weniger geängstigten Seele<br />
nicht <strong>der</strong> Fall, so wirken die besten Medizinen nicht nur gar nicht,<br />
son<strong>der</strong>n oft ganz verkehrt, weil sie von <strong>der</strong> unruhigen und<br />
vertrauensschwachen Seele nicht selten an einen an<strong>der</strong>en Ort geführt<br />
werden, als wohin sie hätten geführt werden sollen.<br />
Die Arzneien haben zufolge ihrer Spezifika wohl allezeit eine<br />
Wirkung im Fleische. Gehen irgendwo im Fleische gewisse Spezifika<br />
ab, so können sie aus einer guten Arznei wohl ersetzt werden und<br />
dadurch ein krankes Fleisch gesund machen, so sie von <strong>der</strong> Seele dahin<br />
verwendet werden. Werden sie aber von einer ängstlich konfusen Seele<br />
irgendwo an<strong>der</strong>s hingeführt o<strong>der</strong> manchmal sogar dem Zufall<br />
überlassen, da sie dann hinkommen, wo sie das stumme Blut hinführt<br />
o<strong>der</strong> die noch stummeren Magensäfte, – dann lässt sich auch schon von<br />
selbst erraten, wie es dabei mit <strong>der</strong> Heilung des Fleisches aussieht.<br />
Ist so etwas bei einer Seele <strong>der</strong> Fall, da können freilich alle Ärzte <strong>der</strong><br />
Welt zusammenkommen, und sie werden beim besten Willen und<br />
Wollen einen kranken Leib dennoch nicht gesund machen können, weil<br />
eben diese Seele nicht mitwirkt. –<br />
Aber trotzdem wirken die seltenen Mittel dennoch, aber nicht darum,<br />
weil sie etwa die allein rechten wären, son<strong>der</strong>n darum nur, weil sie von<br />
<strong>der</strong> Seele als <strong>der</strong> allein rechten Baumeisterin ihres Fleischhauses am<br />
rechten Ort und mit rechter Intelligenz verwendet werden.<br />
Ich könnte euch eine Menge guter Mittel ansagen, die alle bei <strong>der</strong><br />
gehörigen Ruhe <strong>der</strong> Seele die entschiedenste Wirkung täten, aber auch<br />
bei <strong>der</strong> kleinsten Furcht nicht nur keine Wirkung hervorbrächten,<br />
son<strong>der</strong>n die Sache noch verschlimmern würden. – Daher bekümmert<br />
euch zuvor um die volle Ruhe <strong>der</strong> Seele, entwe<strong>der</strong> auf die eine o<strong>der</strong><br />
auf die an<strong>der</strong>e angeratene Art, dann werde Ich euch leicht helfen<br />
können. Amen.“<br />
(HiG. Bd.3 S.276,9-10+12+14+28)
<strong>GL</strong> 2/<strong>2013</strong> Verschiedenes<br />
55<br />
Herbst-Tagung <strong>der</strong> Schweizer <strong>Lorber</strong>freunde<br />
im Bildungszentrum Matt, CH 6103 Schwarzenberg<br />
vom 26. - 29. Sept. <strong>2013</strong><br />
Vorträge:<br />
Jürgen Kramke - Die Ehe <strong>der</strong> Himmel und ihre Entsprechung<br />
Hans Friedrich Luchterhandt - Die Willensfreiheit des Menschen<br />
Petra Kramke - Auf <strong>der</strong> Bühne des Lebens<br />
Gerd Kujoth - Die Macht des Betens und Segnens<br />
Wilfried Schlätz - Wie gelangen wir zur wahren Demut<br />
Anmeldung und Auskunft: Maria Tanner, Küntwilerstr. 77<br />
CH-6343 Rotkreuz ZG, Tel.: (0041) (0) 41 311 16 42<br />
Programm und Anmeldeformular unter:<br />
www.lorber-gesellschaft.de/Tagungen<br />
Inseratenwerbung <strong>der</strong> Werke Jakob <strong>Lorber</strong>s<br />
Geistesbru<strong>der</strong> Helmut Betsch wirbt seit vielen Jahren in Zeitungen und<br />
Zeitschriften für die Werke Jakob <strong>Lorber</strong>s.<br />
Die erfolgreiche Zeitschriftenwerbung in den letzten Jahren bestätigt<br />
diese segensvolle Arbeit. Um diese auch zukünftig weiterführen zu<br />
können, ist er auf unsere finanzielle Unterstützung angewiesen.<br />
Wer diese segensvolle Arbeit finanziell unterstützen möchte, kann<br />
seinen Beitrag auf untenstehendes Konto überweisen.<br />
Helmut Betsch, Postbank-Konto-Nr. 237410-705, BLZ 60010070<br />
Vorträge <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>tagungen als MP3-CD und Video-DVD<br />
Alle Vorträge <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>tagungen können auf MP3-Audio-CDs, auf<br />
denen mehrere Vorträge passen und individuell zusammengestellt werden<br />
können, zum Preis von 5,- €/CD plus Versandkosten bestellt werden.<br />
For<strong>der</strong>n Sie die Vortragsliste an.<br />
Bestellungen unter <strong>der</strong> Email: lorber-gesellschaft@web.de o<strong>der</strong> unter:<br />
<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V. , Postfach, 83731 Hausham<br />
In Ost-Belgien gelegene (Ferien-) Wohnung ; 3 Zimmer, bestehend aus<br />
WZ,K,SCHZ,BAD , Parterre, teilzeit o<strong>der</strong> permanent zu vermieten. Ort : B-4700<br />
EUPEN Zuschrift: filimex@skynet.be ; 00 32 2 5273737 Fax 00 32 2 520 5607<br />
GSM +32 478 087888
Jakob-<strong>Lorber</strong>-Begegnungsstätte<br />
www.andritzquelle.de<br />
Ursprungblick 5a, A-8046 Graz-Stattegg<br />
Steiermark / Österreich<br />
Tel./Fax: 0043 / 316 - 691353 (von D)<br />
Tel./Fax: 0316 - 691353 (von A)<br />
Fernab vom Lärm <strong>der</strong> Welt, liegt<br />
<strong>der</strong> besinnliche Quellteich <strong>der</strong><br />
Andritz, umgeben von Felsen und<br />
alten Bäumen malerisch versteckt<br />
in einer kleinen Talbucht am Fuße<br />
des Schöckelgebirges. Eine hohe<br />
Mauer, welche im Grün <strong>der</strong> Bäume<br />
und Sträucher fast verschwindet,<br />
beschützt diesen ruhigen und<br />
beschaulichen Ort vor fremden<br />
Blicken. Hier, in dieser Oase <strong>der</strong> Stille und Ruhe, findet die nach inneren<br />
Frieden suchende Menschenseele einen Ort <strong>der</strong> Kraft zum Auftanken.<br />
Um den Quellteich führt ein Fußweg und Bänke laden zum Verweilen<br />
und Meditieren ein, um das innere Wesen dieses von <strong>der</strong> Natur so reich<br />
gesegneten Ortes zu erfahren.<br />
Das Gästehaus <strong>der</strong> Andritz-Quelle wurde 1905 erbaut und 2004<br />
mo<strong>der</strong>nisiert. Es steht als Seminar- und Begegnungsstätte allen nach<br />
Stille und Ruhe suchenden Menschen offen. Es bietet drei<br />
Doppelzimmer mit Dusche/WC, ein Doppelzimmer mit Etagendusche/<br />
WC, zwei Einzelzimmer mit Etagendusche/WC, einen Gästeraum und<br />
eine Gästeküche. Das Gästehaus ist von April bis Januar geöffnet.<br />
Anmeldungen und Anfragen an die:<br />
<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V.<br />
Anita Strattner, Pfarrhofstr. 7, D-83132 Pittenhart<br />
Tel. / Fax : 08624-4114<br />
E-mail: mail@andritzquelle.de<br />
Homepage: www.andritzquelle.de
Neu digitalisierte Bearbeitung des <strong>Lorber</strong>films auf Video-DVD<br />
Der 1989 von <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> produzierte Dokumentarfilm<br />
über das Leben und Werk Jakob <strong>Lorber</strong>s war bisher nur im VHS-<br />
Format als Videokassette erhältlich.<br />
Da dies mittlerweile ein veraltetes und nicht mehr gebräuchliches<br />
System ist, hat sich die <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> entschlossen, den<br />
Film als Video-DVD herauszugeben und die Produktion auf Videokassetten<br />
einzustellen.<br />
Um den Film in einer bestmöglichen Qualität als Video-DVD<br />
anzubieten, wurde <strong>der</strong> Film durch ein professionelles Filmstudio<br />
digitalisiert und in Farbe und Ton neu überarbeitet.<br />
Der Film liegt nun zweisprachig in Deutsch und Englisch, sowie im<br />
4:3 und 16:9 Bildformat auf einer DVD vor. Die Spieldauer beträgt<br />
45 Min.<br />
Die DVD „Und hättet ihr nicht das ganze Universum in euch“<br />
ist zu einem Preis von 9,90 € plus Versandkosten erhältlich bei:<br />
<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V.<br />
Postfach 114<br />
83731 Hausham / Deutschland<br />
Tel.: 08026-8624 / Fax: 08026-3294<br />
Email: lorber-gesellschaft@web.de
Besinnliche Texte zur Meditation<br />
„Es kann niemand seinem Nächsten etwas geben, dass<br />
er zuvor nicht selbst besitzt. Wer in seinem Bru<strong>der</strong> die<br />
Liebe erwecken will, <strong>der</strong> muss mit <strong>der</strong> Liebe ihm<br />
entgegenkommen, und wer in seinem Nebenmenschen<br />
die Demut erzeugen will, muss mit <strong>der</strong> Demut zu ihm<br />
kommen.“ (Gr. Ev. Joh. X 90,3)<br />
Jakob <strong>Lorber</strong> (1800-1864)<br />
<br />
„Je mehr ein Mensch mit sich eins geworden ist, und je<br />
einfacher er in seinem Innersten geworden ist, um so<br />
mehr und umso Höheres wird er mühelos erlernen, weil<br />
von oben das Licht <strong>der</strong> Erkenntnis kommt. “<br />
Thomas von Kempen ( 1380-1471)<br />
<br />
„Nichts muss getan werden. Tue, was du jetzt tust,<br />
leide, was du jetzt erleidest. Wenn du all dies mit<br />
Heiligkeit tust, muss außer deinem Herzen nichts<br />
verän<strong>der</strong>t werden. Heiligkeit liegt in <strong>der</strong> Bereitschaft<br />
zu wollen, was uns durch Gottes Ordnung wi<strong>der</strong>fährt.“<br />
Jean-Pierre de Caussade ( 1675-1751)<br />
<br />
„ Liebe besteht nicht darin, dass man einan<strong>der</strong> anschaut,<br />
son<strong>der</strong>n dass man gemeinsam in dieselbe Richtung<br />
blickt.“<br />
Antoine de Saint-Exupéry (1900-1944)<br />
<br />
„Wir können keine großen Dinge tun, nur kleine mit großer<br />
Liebe. Es geht nicht darum, wie viel man tut, son<strong>der</strong>n mit<br />
wie viel Liebe man es tut.“<br />
Mutter Teresa (1910-1997)