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NICKI ENGEL HONKLAND

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<strong>NICKI</strong> <strong>ENGEL</strong><br />

<strong>HONKLAND</strong><br />

Germany`s Biggest Sackgesicht


And here we go...<br />

2<br />

HL - GBS<br />

April 2009 - Januar 2010<br />

Honkland-Verlag, Honkland<br />

nicki.engel@freenet.de


Eine ganze Generation zapft Benzin, räumt Tische ab, schuftet als<br />

Schreibtischsklaven. Durch die Werbung sind wir heiß auf Klamotten<br />

und Autos. Machen Jobs, die wir hassen, und kaufen dann Scheiße, die<br />

wir nicht brauchen. Wir sind die Zweitgeborenen in der Geschichte.<br />

Männer ohne Zweck, ohne Ziel. Wir haben keinen großen Krieg, keine<br />

große Depression. Unser großer Krieg ist ein spiritueller. Unsere große<br />

Depression ist unser Leben. Wir wurden durch das Fernsehen<br />

aufgezogen in dem Glauben, daß wir alle irgendwann mal Millionäre<br />

werden, Filmgötter, Rockstars. Werden wir aber nicht. Und das wird<br />

uns langsam klar. Und wir sind kurz, ganz kurz vor`m Ausrasten.<br />

Bisexuelle wollen mich töten!<br />

Vorwort<br />

3<br />

(Tyler Durden)<br />

(Dr. Gonzo)<br />

Herzlichen Glückwunsch! Mit dem Kauf / Download dieses Buches<br />

haben Sie eine sehr gute Wahl getroffen, soviel steht mal fest. Sicher, es<br />

gibt bestimmt einige Bücher, die besser sind als dieses hier. Aber dafür<br />

kaum welche, die noch schlechter sind. Da bin ich mir ziemlich sicher.<br />

Ferner unterstützen Sie mit Ihrem Kauf eine vom Aussterben bedrohte<br />

Spezies, nämlich den Honk. Ja, ganz genau, den Honk. Denn ich bin ein<br />

Honk. Aus Überzeugung. Aus Leidenschaft. Vielleicht auch ein klein<br />

wenig aus Protest, wer weiß. Ein obsessiver Honk, möglicherweise<br />

sogar ein Vollhonk. Tollkühnheit und Skurrilität stehen bei mir ganz<br />

oben auf der Liste. Ich honke mich durch diese lustige Welt.


Honk for life, Honk forever, Honkytonk. Unglaubliche Szenarien<br />

bestimmen mein Leben. Für mich gibt es sogar 20% auf Tiernahrung,<br />

ist das zu glauben?! Eigentlich nicht. Aber es stimmt.<br />

Da wohl nur die wenigsten von uns wissen, was denn überhaupt ein<br />

Honk ist, werden wir die nächsten gut 300 Seiten damit verbringen,<br />

dieses Mysterium zu lüften. Und auch noch andere Sachen. Wir werden<br />

uns auf eine Reise begeben, begeben müssen, eine Reise nach<br />

Honkland. Ich kann nur hoffen, daß jeder genügend Alkohol, Zigaretten<br />

und Tabletten im Gepäck hat, denn das kann zuweilen eine recht<br />

haarsträubende, ja geradezu hanebüchene Reise werden. Aber es nützt<br />

nichts, da müssen wir jetzt gemeinsam durch, Hand in Hand.<br />

Leider muß ich bereits jetzt vorwegnehmen, daß nicht jeder von uns von<br />

dieser Reise gesund zurückkommen kann. Also obenrum. Einige<br />

können überhaupt nicht mehr zurückkommen, darüber sollten wir uns<br />

bitte gleich von Anfang an im klaren sein. Wiederum andere wollen<br />

vielleicht gar nicht mehr zurück, so wie bei einem besonders<br />

zauberhaften Malediven-Urlaub. Kann auch passieren, kann alles sein<br />

im Honkland, ist alles möglich. Ich weise nur lieber gleich darauf hin.<br />

Gleich die Karten auf den Tisch, zack, gleich die Hosen runter. Gibt<br />

dann hinterher wenigstens keine bösen Überraschungen.<br />

Der Begriff des Honk läßt sich am ehesten durch Vergleich mit bzw.<br />

Abgrenzung von anderen Charakteren definieren. Mit an Sicherheit<br />

grenzender Wahrscheinlichkeit ist in unserer heutigen, überaus lustigen<br />

Gesellschaft von vier dominanten Charakteren auszugehen:<br />

Idioten – Vollidioten – Opfer – Honks<br />

Liest sich zugegebenermaßen auf den ersten Blick ein wenig negativ.<br />

Eigentlich sogar ziemlich negativ, ziemlich unerfreulich, wenn wir mal<br />

ehrlich sind. Etwas unerquicklich. Ist es aber nicht. Ist alles überhaupt<br />

nicht negativ und unerfreulich und so, ist nämlich alles ziemlich positiv,<br />

ziemlich erfreulich. Teilweise sogar total positiv und höchst erfreulich,<br />

wie sich im Laufe des Buches herausstellen wird.<br />

4


Neben oben erwähnten vier Haupt-Charakteren existieren vereinzelt<br />

noch diverse Randgruppen wie beispielsweise intelligente Menschen.<br />

Mit Intelligenz ist an dieser Stelle eine praxisnahe Intelligenz gemeint.<br />

Also eine Intelligenz, die dem Inhaber -und im Idealfall noch weiteren<br />

Personen- einen gewissen praktischen, lebensnahen Nutzen beschert.<br />

Nicht etwa ein Trottel, der ein Telefonbuch auswendig lernt oder<br />

mathematische Wurzeln im Kopf zieht oder ein feistes Sudoku löst oder<br />

ähnlichen Blödsinn macht. Nein, hier ist eine lebensrelevante<br />

Intelligenz gefragt. Eine lebensrelevante, praxistaugliche Intelligenz.<br />

Beispielsweise so wie bei dem Kerl, der die Glühbirne erfunden hat.<br />

Das hat doch irgendwie Sinn gemacht, da konnten wir doch alle großen<br />

Nutzen daraus ziehen. Oder der erste Kokabauer. Mal eben schön paar<br />

Palmen angebaut und gemolken, davon profitieren doch auch ganz<br />

viele. Oder hier, der Erfinder des Fernsehens, meine Fresse. Vielen<br />

Menschen würde ohne die Erfindung der Glotze jedweder Lebensinhalt<br />

entzogen. Ferner stelle man sich nur einmal vor, wie viele C- bis F-<br />

Promis auf einmal arbeitslos wären. Schauderhafter Gedanke. Also ich<br />

bin jedenfalls heilfroh, daß die schöne Glotze erfunden wurde. Und<br />

zwar von einer Person, die bestimmt ganz schön intelligent war.<br />

Menschen mit solch einer Intelligenz sind in der heutigen Zeit und<br />

Gesellschaft allerdings in so verschwindend geringer Anzahl vertreten,<br />

daß auf sie nicht näher eingegangen werden muß. Sie können komplett<br />

unberücksichtigt bleiben, so selten sind sie vertreten. Die<br />

Wahrscheinlichkeit, einem richtig intelligenten Menschen zu begegnen,<br />

ist ungefähr vergleichbar hoch mit der Wahrscheinlichkeit, eine<br />

Nuklearexplosion direkt auf dem eigenen Schädel zu überleben. Also<br />

nicht so hoch. Eigentlich überhaupt nicht hoch. Eher gering.<br />

Beschränken wir unsere Abhandlung also auf oben genannte<br />

Hauptcharaktere: Idioten, Vollidioten, Opfer und Honks.<br />

Bitte anschnallen.<br />

5


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort 3<br />

Inhaltsverzeichnis 6<br />

I. Der Idiot 9<br />

II. Der Vollidiot 13<br />

1. Definition 13<br />

2. Vorgehensweise im Umgang mit einem Vollidioten 16<br />

3. Alternative Vorgehensweise 19<br />

4. Dialog mit dem Vollidioten 22<br />

a) Ignorieren 23<br />

b) Beleidigen 25<br />

c) Gewalt androhen 27<br />

d) Zwischenergebnis 28<br />

5. Exkurs: Melvin 29<br />

6. Gesellschaftliche Bedeutung des Vollidioten 33<br />

7. Telemediale Bedeutung des Vollidioten 35<br />

8. Ergebnis 40<br />

6


III. Das Opfer 41<br />

1. Das Fremdopfer 42<br />

a) Definition 42<br />

aa) Angst 42<br />

bb) Logik 44<br />

cc) Erfahrung 48<br />

aaa) Früher 50<br />

bbb) Heute 51<br />

dd) Weitere Gründe 55<br />

b) Eingliederung 57<br />

aa) Fremdwahrnehmung 58<br />

bb) Eigenwahrnehmung 61<br />

cc) Tatsächlicher Status 68<br />

aaa) Mentale Ebene 68<br />

bbb) Emotionale Ebene 69<br />

c) Prominente Fremdopfer 71<br />

d) Ergebnis 75<br />

2. Das Eigenopfer (Vollopfer) 78<br />

a) Definition 78<br />

b) Alternative Definition 85<br />

c) Eingliederung 87<br />

aa) Eigenwahrnehmung 89<br />

aaa) Eigene Eigenwahrnehmung 90<br />

bbb) Eigenwahrnehmung untereinander 93<br />

bb) Fremdwahrnehmung 99<br />

cc) Tatsächlicher Status 111<br />

aaa) Warum keine Klobürste? 114<br />

bbb) Und die Werbung? 118<br />

ccc) Ergebnis 121<br />

dd) Ergebnis 123<br />

ee) Metamorphose 125<br />

7


IV. Der Honk 128<br />

1. Definition 128<br />

2. Eingliederung 132<br />

a) Der Honk als Anarchist 133<br />

aa) Zum Wohle der Allgemeinheit 135<br />

bb) Zum Wohle des Honk 144<br />

aaa) Wo sind denn die Grün-Weißen? 146<br />

bbb) Heizöl kommt noch krasser 157<br />

ccc) Und was sagen die Nachbarn? 168<br />

cc) Ergebnis 184<br />

b) Der Honk als Ignorant 186<br />

aa) Im Kapitalismus 188<br />

bb) In der Glotze 216<br />

cc) Und die Werbung? (Part II) 239<br />

dd) Ergebnis 246<br />

c) Der Honk als Sackgesicht 249<br />

aa) Honk und Frauen 252<br />

bb) Honk allein zu Haus 258<br />

cc) Honk in Gesellschaft 266<br />

dd) Honk ist der Beste! 283<br />

ee) Und was kommt jetzt noch? 297<br />

ff) Ergebnis 306<br />

3. Ergebnis 310<br />

V. Gesamtergebnis 327<br />

VI. Epilog 334<br />

8


Die Vorsehung beschützt Kinder und Idioten. Ich weiß das, weil ich es<br />

ausprobiert habe.<br />

I. Der Idiot<br />

9<br />

(Mark Twain)<br />

(griechisch: idiotes (eigentümlich, seltsam); lateinisch: idiota<br />

(Unwissender, Laie))<br />

Die Figur der Idioten ist relativ simpel gestrickt und infolgedessen<br />

einfach zu charakterisieren und flott abzuhandeln.<br />

In der früheren Medizin differenzierte man zwischen drei verschiedenen<br />

Graden des Schwachsinns: Debilität, Imbezillität und Idiotie. Debilität<br />

verkörperte einen leichten, Imbezillität einen mittleren bis schweren und<br />

Idiotie den schwersten Grad an Intelligenzminderung. Diese Definition<br />

ist jedoch über die Jahre veraltet und wird heute in der Medizin nicht<br />

mehr angewandt.<br />

In der heutigen Zeit ist der Begriff des Idioten gemäß herrschender<br />

Meinung als Synonym für einen Dummkopf erhalten geblieben. Ein<br />

Idiot ist demnach umgangssprachlich eine Bezeichnung für eine Person,<br />

welche -an der Allgemeinheit gemessen- überdurchschnittlich dumm<br />

oder ungeschickt agiert. Dies beschreibt die Figur unseres Idioten<br />

allerdings viel zu oberflächlich und völlig unzureichend, wenn nicht gar<br />

komplett falsch. Unser heutiger Idiot ist viel facettenreicher.<br />

Entgegen herrschender Meinung ist der moderne Idiot ziemlich smart.<br />

Unerwartet smart sozusagen. Er ist dumm, und das weiß er auch. Er<br />

akzeptiert sein Schicksal und kann bzw. will nicht nach Höherem<br />

streben. Manchmal soll er auch nicht. Aber er hadert diesbezüglich nicht<br />

mit sich selbst oder anderen. Der Idiot ist sozusagen einsichtig.


Nicht besonders weitsichtig, aber zumindest einsichtig. Die Einsicht in<br />

seine Dummheit und deren radikale Akzeptanz macht ihn so unerwartet<br />

smart. Folglich kann man dem Idioten kaum nachtragend oder gar bös<br />

gesonnen sein. Was er tut, tut er nach bestem Wissen und Gewissen,<br />

wobei sein Gewissen zumeist etwas markanter ausgeprägt ist als sein<br />

Wissen. Der Idiot weiß also recht gut zwischen Recht und Unrecht zu<br />

unterscheiden, wogegen sein Differenzierungsvermögen zwischen Gut<br />

und Böse oftmals eher getrübt ist.<br />

Was nicht heißen soll, daß der Idiot nicht weiß, was Gut und was Böse<br />

ist. Nein, er weiß sehr wohl, was Gut und Böse ist. Nur läßt er sich<br />

aufgrund seiner offensichtlichen Einfältigkeit durch andere oftmals<br />

täuschen oder benutzen. Unser Idiot erkennt also eine dritte Person, die<br />

ihm unter Umständen bös gesonnen sein könnte, zu spät bzw. überhaupt<br />

nicht. Was man ihm aber nicht übel nehmen darf, weil er es ja nicht<br />

besser wissen kann.<br />

Merke: Unser Idiot ist meist gutgläubig.<br />

Man kann unseren Idioten also am ehesten mit einem Alzheimerkranken<br />

in einem Bordell vergleichen: Er wundert sich stets darüber, auf`s Kreuz<br />

gelegt zu werden und kann zudem überhaupt nicht verstehen, dafür auch<br />

noch bezahlen zu müssen. So oder so ähnlich muß man sich das<br />

vorstellen. Also durch und durch ein braves Schaf.<br />

Wer mit einem modernen Idioten nicht zurechtkommt, ist selbst schuld.<br />

Denn so negativ die herrschende Meinung den Begriff des Idioten auch<br />

definieren mag, so positiv ist der Idiot als Gesamtfigur zu sehen. Die<br />

Bezeichnung „dumm“ sollte daher auch eher relativ gesehen werden.<br />

Dumm ist dumm. Nicht mehr, nicht weniger. Dumm ist an sich gar nicht<br />

mal so schlecht in unserer heutigen Zeit und Gesellschaft. Saudumm<br />

wäre da schon schlechter. Oder doof. Doof wäre auch nicht so gut.<br />

Strohdoof. Debil. Schwachsinnig. Bekloppt. Behämmert. Alles nicht so<br />

gut. Mit einer Intelligenz gesegnet, die einen sogar unter dummen<br />

Schweinen zur dümmsten Sau macht. Also das wäre dann aber auch<br />

nicht so gut, das wäre ganz schön krass. Dann spräche man auch nicht<br />

mehr von einem normalen Idioten, sondern schon von einem ziemlich<br />

krassen Vollidioten.<br />

10


Oder wenn man rein hypothetisch eine Person nimmt und über Wochen<br />

hinweg mit dem Kopf in einen Türrahmen hält und die Tür dann die<br />

ganze Zeit zuknallt. Zack. Pausenlos. Volle Pulle. Ohne Unterbrechung,<br />

zack, die ganze Zeit die Tür volle Pulle an die Birne. Und nach drei<br />

Wochen oder so steht diese Person dann auf und geht zu einer anderen<br />

Person hin und sagt zu dieser, daß sie die dümmste Sau auf der ganzen<br />

Welt sei. Das wäre dann aber auch ganz schön krass. Das wäre bald<br />

schon besorgniserregend. Ziemlich deprimierend für denjenigen, der das<br />

dann zu hören kriegt. Und dann auch noch von jemandem, der drei<br />

Wochen stillhält, während ihm ein anderer Knecht permanent eine Tür<br />

vor die Rübe knallt. Da sollte man sich dann aber mal lieber ein paar<br />

Gedanken darüber machen. Aber ist ja alles zum Glück hier nicht der<br />

Fall, ist ja zum Glück nur hypothetisch.<br />

Dumm könnte man hier vielmehr so verstehen, als daß es<br />

voraussichtlich wohl nicht so schnell zu einer Situation kommen wird,<br />

in welcher ein Idiot den Nobelpreis verliehen bekommt. Oder einen<br />

Doktortitel in Atomphysik erhält. Wie gesagt, dumm ist in unserer<br />

modernen Gesellschaft gar nicht mal so übel. Es gibt einige, die cleverer<br />

sind, logisch, und das ist auch gut so. Aber die Anzahl derer, die richtig<br />

dumm oder sogar komplett geistig derangiert sind, ist viel größer.<br />

Dumm ist also eigentlich ziemlich gut. Nur, daß wir uns mal über den<br />

Gesamtkontext hier im klaren sind. Ich selbst würde mich auch als<br />

dumm bezeichnen. Und ja, natürlich bin auch ich ein Idiot. Vielmehr<br />

war ich ein Idiot, der in Laufe der Jahre eine Metamorphose zum Honk<br />

vollzogen hat. Doch dazu später mehr.<br />

Der Idiot zieht sich beruflich gesehen durch alle Schichten. Von der<br />

Friseuse zum Freiberufler, von der Arzthelferin zum Akademiker, vom<br />

Weiblein zum Männlein und umgekehrt, ganz egal. Der Idiot hat<br />

Freunde und Hobbys. Er trifft sich mit anderen Idioten und hat einen<br />

überschaubaren Bekanntenkreis, welcher größtenteils auch aus Idioten<br />

besteht. Man schaut zusammen fern, trinkt gemeinsam ein Bier, leiht<br />

sich gegenseitig Werkzeug aus, feiert Geburtstage, läßt die Kinder<br />

zusammen spielen und dergleichen. Vielleicht engagiert man sich sozial<br />

oder sitzt im Elternrat, ist alles denkbar. Es ist ein überwiegend<br />

positives und angenehm angepaßtes Leben, welches unser Idiot führt.<br />

Und er ist zufrieden damit.<br />

11


Für die Aufrechterhaltung unserer Gesellschaft ist der Idiot<br />

unverzichtbar. Er ist fleißig, arbeitet im Rahmen seiner Möglichkeiten<br />

und strebt Tugendhaftigkeit an. Letzteres mal bewußt, mal unbewußt. Er<br />

trägt zum Bruttoinlandprodukt bei, zahlt brav seine Steuern und geht<br />

natürlich auch zur Wahl. Das Leben unseres Idioten verläuft<br />

phasenweise und nach folgendem Schema: Geburt, Schule, Ausbildung,<br />

Job, Frau, Haus, Kind, Enkelkind, Rente, Tod. Hierbei handelt es sich<br />

um eine grobe Darstellung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit<br />

erhebt. Üblicherweise wird irgendwo zwischen Haus und Kind auf<br />

Drängen der Idiotin noch ein feister Multivan (Ford Galaxy oder<br />

vergleichbare Schüssel) gekauft. Oder vereinzelt zwischen Job und Frau<br />

noch ein Sabbatical eingelegt, beispielsweise sechs Monate lang<br />

Mantelpavianen in Südwestafrika die Klöten kraulen, phantastisch. Aber<br />

eine solch detaillierte Differenzierung sprengt an dieser Stelle unseren<br />

Rahmen.<br />

Zunächst sollte unser Idiot also ausreichend beschrieben sein: Ein liebes<br />

Schaf wie Du und ich. Oft vertreten, gern gesehen und unverzichtbar für<br />

die Gesellschaft. Wir werden in den Folgekapiteln noch häufiger auf<br />

unseren Idioten als Referenz oder zum Vergleich zurückgreifen müssen.<br />

Und das werden wir auch unheimlich gern tun, weil unser Idiot so eine<br />

smarte Figur ist. Daher können wir es an dieser Stelle mit seiner<br />

Charakterisierung belassen und uns einer etwas heikleren, ja geradezu<br />

delikaten Thematik widmen: Nämlich der Charakterisierung unseres<br />

Vollidioten.<br />

Ach ja, kleine Ansage vorab, falls sich einer wundert: In Honkland<br />

werden die alten Rechtschreibe- und Grammatikregeln benutzt, weil die<br />

neuen Scheiße sind. Ist so. Oder es wird gleich so geschrieben, wie man<br />

gerade lustig ist. Kann auch sein, kann alles sein, macht alles Sinn.<br />

Ganz nach Lust und Laune, nur eben nicht der neue Schrott.<br />

Weiter.<br />

12


Homer, Du bist dümmer als ein Esel und zweimal so häßlich. Wenn ein<br />

Fremder Dich fragt, ob er Dich mitnehmen soll, nimm die Chance wahr,<br />

und steig` ein.<br />

II. Der Vollidiot<br />

1. Definition<br />

(vgl. Idiot, gesteigerte Form von Idiot)<br />

Jetzt wird`s schon ganz krass:<br />

13<br />

(Abraham Jay Simpson)<br />

Unser Vollidiot unterscheidet sich vom Idioten lediglich durch zwei<br />

Eigenschaften: Unser moderner Idiot weiß, duldet und billigt, daß er ein<br />

Idiot ist. Es erscheint bisweilen sogar so, als würde er es mit einem<br />

spitzbübigen Augenzwinkern geradezu darauf anlegen, als Idiot entdeckt<br />

und katalogisiert zu werden. Diese Eigenschaft fehlt dem Vollidioten<br />

gänzlich.<br />

Der Vollidiot ist zu keiner Zeit bereit und in der Lage, seine<br />

verheerende Debilität zu erkennen oder sich gar mit dieser Thematik<br />

auseinanderzusetzen. Ihm fehlt bereits von vornherein jedes<br />

Grundverständnis, jede Sensibilität für das Dilemma. Ja nicht einmal<br />

eine Art Vorahnung hat er. Alles komplett nicht vorhanden. Klingt<br />

etwas vermessen, sicher, ist aber leider nunmal so. Denn besäße unser<br />

Vollidiot die Fähigkeit zur Erkenntnis, Duldung oder gar Billigung<br />

seines Status, stiege er unweigerlich in der Rangfolge auf. Und zwar in<br />

den Rang des normalen Idioten. Falls sein Hirn nicht schon zu sehr<br />

gelitten hat, was aber meist der Fall ist. Dies ist ein signifikanter<br />

Unterschied zwischen dem landläufigen, oben beschriebenen Idioten<br />

und dem hier beschriebenen Vollidioten.


Ferner hat unser Vollidiot überhaupt keine Latten mehr am Zaun.<br />

Während unser Idiot noch angenehm positiv dumm ist, ist der Vollidiot<br />

komplett am Arsch. Er hat nicht nur keine Latten mehr am Zaun,<br />

vielmehr ist der komplette Zaun weg. Zack, weg. Komplett weg. Nicht<br />

einmal mehr die Pfosten da. Alles weg. Als wäre nie einer da gewesen.<br />

War er wahrscheinlich auch nicht. Weiß keiner so genau, ganz<br />

undurchsichtig. Es fehlt also an allen Ecken und Enden, alles paßt<br />

hinten und vorne nicht. Kopf-Kirmes ist die Devise, Kabel-Salat das<br />

Motto, und völlig zu Recht ist man geneigt, mal eben lieber die<br />

Feuerwehr zu rufen. 112, Hilfe, Vollidiot. Tatü-tata.<br />

Unser Vollidiot ist also gänzlich unbefangen, um es mal freundlich<br />

auszudrücken. Er sticht durch das vollständige Ignorieren jedweder<br />

Logik aus der Masse hervor. Vollidioten verständigen sich<br />

untereinander in der Regel auf eine recht primitive Art und Weise. Um<br />

es mal ganz direkt und nonchalant auszudrücken, steht die<br />

Kommunikationsebene unseres Vollidioten nur ganz knapp über der<br />

Kommunikationsebene von Schweinen. Grunz, grunz, quiek. Und furz.<br />

Furz nicht zu vergessen. Das beschreibt es im Großen und Ganzen auch<br />

schon inhaltlich.<br />

Wer je in den Genuß kam, eine zur Mittagszeit ausgestrahlte Talkshow<br />

im Privatfernsehen verfolgen zu dürfen (vielleicht, weil er einen Tag<br />

Urlaub hat oder so hart gearbeitet hat, daß er eine Woche krank ist),<br />

weiß, wovon hier die Rede ist.<br />

14


Ich habe in vielen Mistfilmen gespielt, weil ich die Welt kennenlernen<br />

wollte. Aber Talkshow im Fernsehen? Mein Gott, da kann man ja gleich<br />

auf den Strich gehen.<br />

15<br />

(Richard Widmark)<br />

Ein Praxisbeispiel: Jacqueline (Hausfrau, 23) will von Vera am<br />

Nachmittag wissen, welcher Penner sie im Vollrausch geschwängert<br />

und zur glücklichen Mutter ihres vierten Sohnes Justin gemacht hat.<br />

Bevor das Geheimnis mittels eines vom Sender bezahlten<br />

Vaterschaftstests gelüftet wird, diskutieren drei bis sechs potentielle<br />

Erzeuger die Problematik untereinander und mit der glücklichen<br />

Hausfrau und Mutter. Hierbei kommt es teilweise zu erheblichen<br />

verbalen Entgleisungen. Diese Entgleisungen werden vom anwesenden<br />

Publikum, welches zu 90% ebenfalls aus Vollidioten und auch einigen<br />

Alkoholikern besteht, gern gesehen und auch vereinzelt sehr sinnvoll<br />

kommentiert oder sogar analysiert. Einem unbefangenen Betrachter<br />

erscheint diese Konversation ziemlich skurril und nur ansatzweise<br />

nachvollziehbar, was größtenteils an der Primitivität des eingesetzten<br />

Vokabulars und an den abenteuerlichen grammatikalischen<br />

Formulierungen liegen dürfte.<br />

Ein weiteres Praxisbeispiel: Ali (Schüler, 21) erzählt bei Oli Geissen<br />

einer fetten Kuh, daß sie fett ist. Herzlichen Glückwunsch! Prinzip<br />

sollte jetzt klar sein.<br />

Nichts gegen Talkshows. Talkshows sind toll, Talkshow sind klasse. Ich<br />

stehe total auf Talkshows, da werde ich total geil von. Geil, geil, sehr<br />

geil. Geile Talkshows. Sie dienen uns hier als sehr nützliches und<br />

anschauliches Fallbeispiel, um das Portrait des Vollidioten allgemein<br />

verständlich zu illustrieren.


Ich werde Vitali die Fresse polieren!<br />

2. Vorgehensweise im Umgang mit einem Vollidioten<br />

16<br />

(Juan Carlos Gomez)<br />

Okay, Spaß beiseite. Gehen wir in medias res. Wie sollten wir mit<br />

einem Vollidioten umgehen? Was ist im Umgang mit einem Vollidioten<br />

zu beachten?<br />

Die sinnvollste Vorgehensweise im Umgang mit einem Vollidioten<br />

besteht darin, ihm permanent und konsequent die Fresse zu polieren. In<br />

der Praxis könnte das so aussehen, daß man dem Vollidioten einen<br />

Wecker stellt, zum Beispiel auf 6 Uhr morgens. Nee, wird nix. Besser<br />

stellt man sich gleich selbst den Wecker auf 5.30 Uhr, macht sich dann<br />

frisch, frühstückt, und dann weckt man den Vollidioten um Punkt 6 Uhr<br />

direkt mit einem Schlag in die Fresse, zack.<br />

Es kann sein, daß unsere frühmorgendliche Vorgehensweise bei<br />

unserem Vollidioten Irritation hervorruft. Diese Irritation könnte daraus<br />

resultieren, daß er acht Stunden früher wach wird als sonst, noch dazu<br />

mit einer Faust in der Fresse statt einer Marihuana-Tüte. Oder er nur<br />

zwei Stunden schlafen konnte, weil er bis 4 Uhr morgens WOW im<br />

Netz gezockt hat oder anderen sinnvollen Aufgaben nachgegangen ist.<br />

Weiß man nicht, tut aber auch nicht zur Sache.<br />

Der größte Fehler, den wir jetzt begehen können, besteht darin, unserem<br />

Vollidioten die ungewohnte Situation erklären zu wollen. Das hätte<br />

überhaupt keinen Sinn, denn er verstände uns überhaupt nicht. Und<br />

selbst wenn er uns verstände, würde er uns die Geschichte nicht<br />

glauben. Also keine große Debatte, keine große Diskussion, Ruhe.<br />

Stattdessen sollten wir ihm nach dem Weck-Schlag in die Fresse etwas<br />

Zeit für ein Frühstück oder eine Flasche Bier geben.


Nach dieser besonders opulenten Stärkung geht`s dann aber los. Das<br />

Prinzip ist ganz einfach und für alle verständlich, es entspricht dem<br />

eines typischen Arbeitstages. Der Vollidiot bekommt jetzt von 6.30 Uhr<br />

bis 9 Uhr die Fresse poliert. Rechts und links und oben drauf auf die<br />

Birne, zack, immer volle Kanne, Spencer und Hill lassen grüßen. Es<br />

folgt dann um 9 Uhr eine viertelstündige Pause, die dem Vollidioten zur<br />

freien Verfügung steht. Er kann nun beispielsweise etwas Marihuana<br />

rauchen, ein zweites Bier trinken oder kurz ein wenig im Netz mit<br />

anderen Vollidioten chatten, ganz nach Belieben.<br />

Nach dieser kleinen Pause geht es weiter bis 12.30 Uhr, immer voll rein,<br />

auch ab und an mal mit Backpfeiffen, um den Handrücken zu entlasten.<br />

Zack, zack, klatsch. Wer Probleme mit den Sehnen im Handgelenk hat,<br />

sollte sich in der Mittagspause besser die Handgelenke kühlen und dann<br />

bandagieren. Dadurch wird gewährleistet, daß man nach der<br />

Mittagspause wieder voll durchstarten kann. Man kann sich auch gleich<br />

frühmorgens ein bißchen Voltaren draufschmieren und bandagieren,<br />

dann geht man auf Nummer sicher.<br />

Um 13 Uhr ist Mittag vorbei, weiter geht`s, gleiches Spiel, gleiche<br />

Kandidaten. Unser Vollidiot sollte ab 13 Uhr ziemlich entspannt sein.<br />

Zum einen ist er jetzt an die Behandlung gewöhnt. Er weiß also, was ihn<br />

erwartet und erlebt nicht erneut sein blaues Wunder wie am frühen<br />

Morgen. Und zum anderen hat er seine halbstündige Mittagspause mit<br />

allerlei Ferkeleien verbracht, die hier lieber nicht detailliert beschrieben<br />

werden sollten. Ist besser so. Aber egal, volle Kraft voraus, in die Fresse<br />

bis 16 Uhr. Und zack.<br />

16 Uhr. Feierabend. Uff. Was für ein Tag, Halleluja! Was für ein Tag.<br />

Und das Schlimmste dabei ist, daß es absolut nichts gebracht hat.<br />

Nichts, gar nichts, überhaupt nichts. Njet, nada, nitschewo. Man selbst<br />

hat sich völlig verausgabt, ist völlig fertig, total kaputt. Und der<br />

Vollidiot hat nach dem nun folgenden allabendlichen Vollrausch am<br />

nächsten Tag nur das Gefühl eines Déjà-vu, wenn er ab 6.30 Uhr wieder<br />

in die Fresse gedroschen bekommt. Ätzend! Man müßte diese Prozedur<br />

wahrscheinlich über Wochen oder gar Monate fortsetzen, bis erste<br />

Erfolge erkennbar wären. Super ätzend, voll zum Kotzen.<br />

17


Und nicht nur voll zum Kotzen, sondern auch überhaupt nicht zu<br />

bewerkstelligen. Unmöglich. Zum einen gibt es einfach viel zu viele<br />

Vollidioten in unserer Gesellschaft. Schätzungsweise 15 bis 20 Prozent,<br />

Tendenz dramatisch steigend. Auf der anderen Seite gibt es leider viel<br />

zu wenige von denen, die das Fresse-Polieren übernehmen könnten und<br />

auch wollten. In erster Linie wahrscheinlich aus Zeitgründen. Vielleicht<br />

auch mangels physischer Voraussetzungen. Zu dünne Arme, zu wenig<br />

Kondition, kann alles sein. Man kann also ruhigen Gewissens<br />

behaupten, daß die potentielle Nachfrage das Angebot bei weitem<br />

übersteigt.<br />

Wir sind also nicht in der Lage, die überproportional ansteigende<br />

Nachfrage zu befriedigen. Allein schon die Vorstellung, welch immens<br />

hohe konditionelle Anforderungen an den menschlichen Körper gestellt<br />

würden, wenn man den ganzen Tag einer anderen Person in die Fresse<br />

dreschen müßte. Hochleistungssport! Im Endeffekt für denjenigen, der<br />

ununterbrochen dreschen muß, viel anstrengender als für den, der die<br />

ganze Zeit nur die Fresse hinhält. Ein hammerharter Fulltime-Job. Man<br />

selbst verausgabt sich total, während der Vollidiot sich irgendwann an<br />

die Situation gewöhnt hat und nichts mehr merkt. Wenn er denn<br />

überhaupt was merkt.<br />

Vom Zeitfaktor her also eher eine Möglichkeit zum Abbau von<br />

Arbeitslosigkeit. Statt Blödsinn wie Ein-Euro-Jobs oder HartzIV lieber<br />

Fressen-Politur auf 400-Euro-Basis. Das wäre doch mal was, was ganz<br />

Feines wäre das. Und die Kilojoules, die dabei an Energie freigesetzt<br />

würden, könnte der Polierende in einem am Körper befestigten Akku,<br />

beispielsweise in einem aufgeschulterten Rucksack, speichern. Und<br />

hinterher in das Energienetz einspeisen. Zack, ab, rein ins Netz.<br />

Sozusagen ein handfester Beitrag zur Gewinnung erneuerbarer<br />

Energien. Von der Fresse direkt in die Leitung, phantastisch. Geradezu<br />

revolutionär in der heutigen Zeit. Großer Haken an der Sache: Alle drei<br />

bis sechs Monate müßte derjenige, der pausenlos poliert, für mindestens<br />

ein Jahr ins Sabbatical. Beispielsweise ein Jahr Kühe melken in<br />

Schottland, als Erholung für die geschundenen Hände. Ran an die Euter,<br />

zack, immer schön mit Melkfett. Lustige Vorstellung, allerdings<br />

unfinanzierbar.<br />

18


Nimm nie einen Menschen, wenn Du eine Maschine dafür nehmen<br />

kannst.<br />

3. Alternative Vorgehensweise<br />

19<br />

(Agent Smith)<br />

Manuelles Fresse-Polieren wird also aus den genannten Gründen<br />

verworfen. Ist schade, aber geht halt nicht. Bleibt eigentlich nur noch<br />

automatisches Fresse-Polieren. Also schön mit einer Maschine und so.<br />

Womit wir auch schon beim nächsten Problem ständen: Wer baut uns so<br />

eine Poliermaschine? Und wie wird gewährleistet, daß diese von<br />

unserem Vollidioten dann auch konsequent angewendet wird? Wir<br />

wollen ja schließlich nicht mit Bohnen kalkulieren.<br />

Die Finanzierung des Baus einer solchen Maschine stellt hier die größte<br />

Herausforderung dar. Es gibt so etwas noch nicht, und etwas<br />

Vergleichbares gibt es auch nicht. Sicher, die Maschine müßte mit<br />

einem Elektromotor betrieben werden. Es müßte ein Schalt- bzw.<br />

Steuergerät eingesetzt werden. Eine Menge Kabel, Verschraubungen<br />

und ähnliches. Eine Kupplung, um das Drehmoment entsprechend in die<br />

Fresse zu übertragen. Das sollte alles klar sein. Aber das wissen wir<br />

vom Automobil auch. Und trotzdem können nur wenige von uns ein<br />

Automobil bauen. Und das, obwohl man von anderen Automobilbauern<br />

kopieren könnte.<br />

Ein Fresse-Politur-Apparat ist also etwas völlig Neues. Eine Menge<br />

Zeit, Arbeit und somit Geld wird für die Forschung und Entwicklung<br />

dieser Spezialapparatur vonnöten sein. Es werden Probleme zu lösen<br />

sein, an die bis dato noch gar nicht gedacht wurde. Wie sieht es<br />

beispielsweise mit dem Schallschutz aus? Acht bis neun Stunden<br />

Geklatsche täglich, die daraus resultieren, daß eine Maschine einem<br />

Vollidioten die Fresse poliert, stellen ein ernstzunehmendes


Lärmproblem für die Allgemeinheit dar. Wie kann man hier vorgehen?<br />

Findet man die Lösung hierfür etwa im Bereich Lärmschutz? Ist unter<br />

Umständen eine individuell auf Maschine und Vollidioten angepaßte<br />

Schallschutzhaube der Weisheit letzter Schluß? Oder entwickelt man<br />

gleich eine Apparatur, die imstande ist, mehrere Vollidioten gleichzeitig<br />

zu behandeln? Das könnte in der Praxis so aussehen, daß beispielsweise<br />

15 Vollidioten an einem runden Tisch sitzen. In der Mitte des Tisches<br />

ist an einer senkrechten Achse waagrecht ein rotierender, mechanischer<br />

Arm angebracht, der die gesellige Runde am Tisch gleichmäßig bedient.<br />

Zack, zack, zack, immer schön im Kreis, jeder bekommt seinen Anteil.<br />

Eine sehr faire und zugleich auch sehr illustre Methode.<br />

Fragen über Fragen werden auftauchen, Fragen über Fragen müssen von<br />

hiesigen Experten beantwortet und umgesetzt werden. Und das kostet.<br />

Geld. Viel Geld. Es kostet viel Geld. Man könnte sich sogar zu der<br />

Aussage hinreißen lassen, daß es sehr viel Geld kosten wird. Eine<br />

unglaublich kostspielige Angelegenheit. Geld, welches man vielleicht<br />

hätte, aber besser nicht zur Verfügung stellen möchte. Vielleicht<br />

deshalb, weil man dem Vollidioten das Leben durch immense direkte<br />

und indirekte Staatsabgaben, die der Staat dann auch ganz gern und<br />

schnell weiterleitet, bereits zu Genüge versüßt. Keine Ahnung.<br />

Also sind Sponsoren für das Vorhaben zu begeistern. Aber die Mühe<br />

kann man sich gleich sparen, hat keinen Sinn. Es wird in einer Farce<br />

enden. Allein das Vortragen der Idee der Entwicklung eines Fresse-<br />

Politur-Apparates wird bei potentiellen Sponsoren auf Unverständnis<br />

stoßen. Suspekt wird man unser Vorhaben finden. Zwielichtig.<br />

Vielleicht sogar ominös. Unethisch. Die Präsentation unserer Idee vor<br />

Sponsoren ersparen wir uns also besser. Und daß der Vollidiot selbst die<br />

Kohle für den Polier-Apparat aufbringt, kann man auch gleich mal<br />

wieder vergessen. Zum einen hat er kaum Geld, zum anderen investiert<br />

er dieses wenige Geld lieber in Alkohol, Tabak und Pornographie. Und<br />

man wird den Vollidioten kaum dazu bringen können, sein geliebtes<br />

Saufen, Rauchen und Onanieren gegen ein paar in die Fresse<br />

einzutauschen. Wozu auch?! Läuft ja wie geschmiert für ihn. Daher<br />

sollten wir zunächst von der Idee des Fresse-Polierens Abstand nehmen.<br />

Es muß also eine andere Alternative her. Aber was kann man nur tun?!<br />

Bin ich fasr ein bißchen überfragt jetzt gerade.<br />

20


Vielleicht einfach unsere Vollidioten irgendwo aussetzen? Also<br />

Reisebus mieten, alle Vollidioten, die man greifbar hat, rein, und<br />

Abfahrt, zack. Reiseziel eigentlich egal, könnte Italien sein. Norditalien.<br />

Ja, Norditalien kommt gut. Vielleicht ins beschauliche, relativ nahe<br />

gelegene Aosta-Tal. Hübsche Gegend. Sehr pittoresk. Und in 2009<br />

aufgrund diverser Geschehnisse total bekannt und beliebt geworden.<br />

Ganz beliebtes Reiseziel für Vollidioten, geradezu prädestiniert. Also<br />

nichts wie los, ab ins Aosta-Tal!<br />

Im Aosta-Tal angekommen, könnten wir mit unserer grenzwertig<br />

debilen Reisegruppe vielleicht schön zum Essen gehen, schön happihappi<br />

machen. Es soll dort einige sehr empfehlenswerte Pizzerien<br />

geben, die kulinarischen Höchstgenuß versprechen. Besonders<br />

empfehlenswert ist die direkt in Aosta gelegene Pizzeria Il Capanno.<br />

Quasi ein echter Insider-Tip. Den ich von einem bekannten Paar<br />

bekommen habe. Von Ina-Caterina R. und Sascha S., einem absoluten<br />

Vorzeige-Paar. Im Il Capanno soll man ganz gut Leute aussetzen<br />

können. Insbesondere Kinder. Könnten wir ja auch mal mit unserer<br />

Vollidioten-Gruppe versuchen. Einfach kurz nach draußen gehen, eine<br />

rauchen, und dann einfach abhauen. Ganz einfach. Zack und weg.<br />

Einfach Fersengeld geben.<br />

Lustige Idee, aber es wird nicht klappen. Zumindest nicht dauerhaft.<br />

Das Problem dabei ist, daß man uns unsere lustige Truppe wieder<br />

zurückbringen wird. Wahrscheinlich sogar noch auf unsere Kosten. Nee,<br />

ganz sicher sogar auf unsere Kosten. Und oben drauf noch ein paar<br />

Tausend Euro Pizza-Rechnung, von wegen literweise Grappa und so.<br />

Voll ätzend. Nein, das sind alles keine praktikablen und dauerhaften<br />

Lösungen. Anscheinend ist hier etwas mehr Sachverstand und<br />

Feingefühl gefragt. Vielleicht können wir ja auf kommunikativer Ebene<br />

etwas erreichen?! Im Dialog quasi. Sollten wir tatsächlich den<br />

wahnwitzigen Versuch unternehmen wollen, mit unserem Vollidioten in<br />

einen Dialog zu treten?!<br />

21


Unsere Vibrations wurden langsam unangenehm. Aber warum? Gab es<br />

in diesem Wagen keine Kommunikation? Waren wir auf das Niveau<br />

dumpfer Kreaturen gesunken?<br />

4. Dialog mit dem Vollidioten<br />

22<br />

(Raoul Duke)<br />

Man verfügt also nicht immer über die erforderliche Zeit, Motivation<br />

und Energie, um einem Vollidioten mit der notwendigen Intensität<br />

ganztätig die Fresse zu polieren. Die Entwicklung einer entsprechenden<br />

Apparatur scheitert am lieben Geld, wie so oft. Aussetzen ist auch keine<br />

dauerhafte Lösung, sondern vielmehr ein ziemlich kostspieliger<br />

Erholungsurlaub für unsere Rasselbande.<br />

Ungeachtet dessen wird der Tag kommen, an dem wir mit einem<br />

Vollidioten kommunizieren müssen. Zwangsweise sozusagen. Es ist<br />

unvermeidlich. Vielleicht in der U-Bahn, an der Kasse im Supermarkt,<br />

im Fitness-Studio, wo auch immer. Der Tag wird kommen. Nein, der<br />

Tag ist längst schon da gewesen. Nein, noch schlimmer: Bei 15 bis 20<br />

Prozent Vollidioten-Bevölkerungsanteil werden wir sogar täglich mit<br />

Vollidioten konfrontiert! Auweia! Naja, nun wissen wir es wenigstens.<br />

Aber das macht es auch nicht besser. Eher sogar noch schlimmer.<br />

Wir stehen nun also einem waschechten Vollidioten gegenüber. Statt<br />

ihm die Fresse zu polieren, möchten wir ihn gern verbal oder manuell<br />

(per Handzeichen, z. B. Vogel zeigen oder Scheibenwischer) auf seinen<br />

geistig labilen Zustand hinweisen. Wir wollen zum Ausdruck bringen,<br />

daß wir den Dialog suchen. Wie wird der Vollidiot reagieren? Was wird<br />

er tun? Drei Alternativen sind vorstellbar: Ignorieren, beleidigen,<br />

Gewalt androhen.


Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente,<br />

Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente,<br />

Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente.<br />

a) Ignorieren<br />

23<br />

(Ralph Wiggum)<br />

Erste Möglichkeit: Der Vollidiot ignoriert unseren Einwand komplett!<br />

Nicht, weil er es nicht hören oder glauben will oder mag; er kann den<br />

Einwand schlichtweg nicht verstehen. Es ist ihm zu hoch, die<br />

Gesamtsituation überfordert ihn, was auch immer. Folglich antwortet er<br />

instinktiv mit einem Argument zu einer völlig anderen Thematik.<br />

Gern wird hierbei eine Thematik ausgewählt, die bis zu diesem<br />

Zeitpunkt überhaupt noch nicht zur Diskussion stand bzw. mit dem<br />

eigentlichen Thema nicht das Geringste zu tun hat. Vermutlich handelt<br />

es sich um eine Antwort, die sich der Vollidiot als eine Art<br />

Musterantwort zurechtgelegt hat, um in einer delikaten oder sich<br />

zuspitzenden Situation blitzschnell schlagfertig kontern zu können.<br />

Hier bitte noch einmal das Ganze anhand unseres gern genommenen<br />

Talkshow-Beispiels, weil es so schön einfach verständlich ist:<br />

RTL, Montag, 14 Uhr, Oli-Geissen-Show, zwei Vollidioten zu Gast,<br />

Thema: Du asoziale Drecksau, mach` endlich Deine zugeschissene<br />

Gammelbude sauber!<br />

Gast 1: „Bei Dir in die Wohnung ist alles verdreckt!“<br />

Gast 2 (als Antwort darauf): „Wegen Dir hat der Ulf neun Monate in<br />

Knast gesessen!“


Ein äußerst gelungener Einwand unseres zweiten Gastes. Die seitens des<br />

ersten Gastes aufgestellte These, daß sich die Wohnung des zweiten<br />

Gastes allem Anschein nach in einem desaströsen Hygiene-Zustand<br />

befindet, wird seitens des zweiten Gastes komplett ignoriert. Vielmehr<br />

legt es unser zweiter Gast darauf an, blitzschnell zu kontern. Was ihm<br />

auch gelingt. Auf Kosten der Logik, klar, aber alle Beteiligten werden<br />

ihm folgen können (wir sind in einer Talkshow). Denn die eigentliche<br />

Aussage des zweiten Gastes, daß eine gewisse Person namens Ulf<br />

scheinbar durch Verschulden des ersten Gastes eine gewisse Zeit hinter<br />

schwedischen Gardinen verbracht haben soll, muß ja nicht zwangsläufig<br />

falsch sein. Die mangelnde Logik in der Argumentationskette impliziert<br />

nicht automatisch die Falschheit der Aussage.<br />

Wäre unser zweiter Gast jetzt nicht komplett gehirnamputiert, hätte er<br />

auf die seitens des ersten Gastes aufgestellte These antworten können:<br />

„Da hast Du nicht ganz Unrecht. Zuweilen weist meine Behausung in<br />

der Tat einige hygienische Mängel auf. Wenn Du Dich dadurch bei mir<br />

nicht mehr so wohl fühlst wie früher, können wir ja vielleicht<br />

gemeinsam nach einer Lösung suchen, um die vorliegenden Mißstände<br />

zu beseitigen.“<br />

Dies wäre eine mögliche Antwort, die wir dem ersten Vollidioten-Gast<br />

entgegenbringen könnten. Rein hypothetisch natürlich, denn wir sitzen<br />

ja nicht in der hirnverbrannten Talkshow. Zudem sind wir auch keine<br />

Vollidioten.<br />

Versteht sich von selbst, daß Gast 1 mit dieser Antwort komplett<br />

überfordert wäre und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit<br />

nun von sich aus den Ulf ins Spiel bringen würde:<br />

„Da kann ja auch der Ulf mal um 12 aus dem Bett aufstehen!“<br />

Alles klar?!<br />

24


Grobe Menschen, welche sich beleidigt fühlen, pflegen den Grad der<br />

Beleidigung so hoch als möglich zu nehmen und erzählen die Ursache<br />

mit stark übertreibenden Worten, um nur in dem einmal erweckten Haß-<br />

und Rachegefühl sich recht ausschwelgen zu können.<br />

b) Beleidigen<br />

25<br />

(Friedrich Wilhelm Nietzsche)<br />

Zweite Möglichkeit: Es wird mit einer Beleidigung geantwortet.<br />

Effiziente Methode. Schnell und direkt. Zack. Wie aus der Pistole<br />

geschossen. Zwar unerfreulich bzw. in vielen Fällen sogar ärgerlich für<br />

den Gegenüber, aber egal.<br />

Gast 1: „Bei Dir in die Wohnung ist alles verdreckt!“<br />

Gast 2 (als Antwort darauf): „Du bist doch selbst die allergrößte<br />

Drecksau wo gibt!“<br />

Im Gegensatz zur ersten Möglichkeit, dem Ignorieren, greift unser<br />

zweiter Gast in diesem Fall zumindest die Thematik des Einwandes des<br />

ersten Gastes auf. Hieraus läßt sich schließen, daß Gast 2 an sich keine<br />

Einwände gegen die Aussage des ersten Gastes hat. Zumindest blockt er<br />

die Aussage des ersten Gastes nicht ad hoc ab, sondern kontert vielmehr<br />

im Gegenzug mit der Verwendung eines Superlativs.<br />

Der Superlativ „allergrößte“ impliziert in diesem Fall, daß sich unser<br />

zweiter Gast zwar darüber im klaren ist, gewisse Hygienemängel in<br />

seinen eigenen vier Wänden vorliegen zu haben. Diese sind seiner<br />

Ansicht nach jedoch nicht so gravierend wie die Hygienemängel in der<br />

Behausung des ersten Gastes. Ein genialer Schachzug! Mit an Sicherheit<br />

grenzender Wahrscheinlichkeit nicht bewußt gebracht, aber trotzdem<br />

schlichtweg genial.


Denn unter Vollidioten ist dies die Idealform der Kommunikation.<br />

Beide sind sich instinktiv bewußt, daß sie über geistig streng limitierte<br />

Kapazitäten verfügen, und sind dabei trotzdem in der Lage, sich den<br />

Ball gegenseitig zuzuspielen. Zack, hier, Ball. Denn nun hat sich das<br />

Blatt gewendet, Gast 1 steht in der Pflicht. Er sieht sich jetzt mit der<br />

problematischen Situation konfrontiert, den Einwand, daß er selbst in<br />

einem noch größeren Schweinestall wohne, entweder zu entkräften oder<br />

so anzunehmen. Eines von beiden. Eine Steigerung ist hier nicht mehr<br />

möglich, da Gast 2 in einem selten hellen Moment den Superlativ-Joker<br />

bereits ausgespielt hat.<br />

Vermutlich wird nun Gast 1 die Sachebene verlassen und etwas<br />

antworten, was mit der bisherigen Diskussion eigentlich nicht viel zu<br />

tun hat. Beispielsweise:<br />

„Und die Tatty kriegt auch schon wieder ein Blag von Dein Ulf.“<br />

Womit wir wieder bei Punkt a), dem Ignorieren, angelangt wären.<br />

Allerdings wurde uns mit der Beleidigung eine potentielle<br />

Reaktionsmöglichkeit in der Kommunikation mit einem Vollidioten<br />

aufgezeigt. Allem Anschein nach handelt es sich hierbei um ein sehr<br />

probates Mittel. Der Vollidiot versteht die Beleidigung an sich und ist<br />

nun in einer Art Bringschuld. Und das geht selbstverständlich komplett<br />

in die Hose, was wiederum sehr zu unserer Belustigung beitragen kann.<br />

Merke: In der Kommunikation mit einem Vollidioten stellt eine<br />

Beleidigung -im Idealfall unter Verwendung eines Superlativs- stets ein<br />

geeignetes Mittel dar. Als Antwort, siehe oben, gern aber auch gleich<br />

als Eröffnung der Diskussion.<br />

26


Wenn ich einen Film drehe, dann schrei` ich oder schrei` ich nicht. Und<br />

Du sagst es mir nicht, ob ich schreie oder nicht. Leck` mich doch am<br />

Arsch, Mensch! Der Moment ist überhaupt gekommen, wo ich Dir in die<br />

Fresse haue. Diesmal schlag` ich Dir in die Fresse, darauf kannst Du<br />

Dich verlassen, Du. Diesmal sitz` ich in dem Kostüm in Deiner Scheiß-<br />

Karre in Holland. Diesmal schlag` ich Dich zusammen, Du. Weil du zu<br />

frech wirst.<br />

c) Gewalt androhen<br />

27<br />

(Klaus Kinski)<br />

Dritte Möglichkeit: Es wird angedeutet, im Ernstfall auch die verbale<br />

Ebene verlassen zu können.<br />

Gast 1: „Bei Dir in die Wohnung ist alles verdreckt!“<br />

Gast 2 (als Antwort darauf): „Ich hau` Dir gleich in Deine Scheißfresse<br />

rein!“<br />

Herrlich! Vollidiot poliert Vollidiot die Fresse!<br />

Womit wir wieder beim Ausgangspunkt (Fresse-Polieren) angekommen<br />

sind. Ein Teufelskreis! Aber wenn Vollidioten unter sich sind, ist nichts<br />

dagegen einzuwenden.<br />

Für uns stellt die Androhung von Gewalt allerdings keine Option dar.<br />

Denn es besteht ja immerhin die Möglichkeit, daß unser Vollidiot das<br />

Angebot, einen in seine „Scheißfresse rein“ zu bekommen, annimmt.<br />

Was uns dann wieder zum Ende von Punkt 3 dieses Kapitels führen<br />

würde, als wir das Fresse-Polieren nach ausführlichem Abwägen von<br />

Pro und Contra leider verwerfen mußten.


Es erfordert zuweilen mehr Mut, dem Gegner zu entfliehen, als ihn<br />

anzugreifen.<br />

d) Zwischenergebnis<br />

28<br />

(Heinrich Waggerl)<br />

Demnach bieten sich uns zwei Möglichkeiten im Umgang mit einem<br />

Vollidioten: Prophylaxe ist das vorzuziehende Mittel. Also stets darauf<br />

achten, keinem Vollidioten zu begegnen. Den direkten Kontakt<br />

vermeiden. Notfalls weglaufen. Flüchten. Das ist für alle Beteiligten am<br />

besten, ergibt den größen Sinn. Feige Flucht, ganz feige. Aber immer<br />

noch besser als hirntot. Der sichere Hirntod. Braindead. Flatline.<br />

Auweia. Bloß weg hier, Vollidiot in Sicht, zack, ab.<br />

Wird man jedoch mit einem Vollidioten konfrontiert, empfiehlt es sich,<br />

ihn (oder sie) von der ersten Sekunde an mit primitivstem Fäkal-<br />

Vokabular zu bombardieren. Gleich voll durchstarten. Volle Kanne.<br />

Kompromißlos durchbeleidigen. Nicht zögern. Nicht erst abwarten, ob<br />

der / die etwas sagt, kommt eh nichts Gescheites bei raus. Gleich voll<br />

ran an die Buletten, gleich voll die Fäkalschleuder raus und immer volle<br />

Kanne drauf. Zack, drauf, ab dafür.<br />

Okay, Prinzip sollte verstanden sein, gehen wir ein bißl vögeln...


Ich ficke, Du fickst, er fickt, wir alle ficken, wir müssen ficken, warum<br />

fickt er nicht mit ihr?!<br />

Fuck forever.<br />

5. Exkurs: Melvin<br />

29<br />

(Marcel Reich-Ranicki)<br />

(Pete Doherty)<br />

Eine krasse Ausnahme dessen bildet mein Kumpel Melvin. Melvin ist<br />

ein absoluter Vollidiot, das steht außer Frage. Aber er trägt das Herz am<br />

rechten Fleck. Man möchte meinen, der Herrgott habe ihn mit einem<br />

großen Herzen und einem kleinen Hirn gesegnet. Oder bestraft. Kommt<br />

ganz auf die Betrachtungsweise an.<br />

Da ich Melvin nun schon etliche Jahre kenne und irgendwo auch ins<br />

Herz geschlossen habe, kann ich ihn unmöglich meiden oder gar<br />

tagtäglich konsequent beleidigen. Das wäre irgendwo nicht fair, zumal<br />

man Melvin ganz ausgezeichnet beobachten und studieren kann, was bei<br />

der Charakterisierung der Figur des Vollidioten von unschätzbarem<br />

Wert ist. Es wäre also nicht gänzlich falsch, zu behaupten, daß ich in<br />

gewisser Art und Weise von Melvin profitiere.<br />

Und von einem Vollidioten zu profitieren, stellt die oben angesprochene<br />

krasse Ausnahme dar. Zumindest, wenn man eine Privatperson ist. Denn<br />

daß die Medien von der Zielgruppe des Vollidioten profitieren, sollte<br />

jedem klar sein. Der Vollidiot als denkbar dankbarer Konsument jedes<br />

erdenklichen telemedialen Schwachsinns. Etlichen Medien würde ohne


die Zielgruppe der Vollidioten sogar jedwede Existenz entzogen, so viel<br />

ist mal sicher. Sie gingen sang- und klanglos unter, wie die Titanic.<br />

Dieser Thematik werden wir uns später noch sehr detailliert widmen<br />

müssen, ob uns das gefällt oder nicht. Aber erstmal wollen wir hier mit<br />

Melvin weitermachen, das kommt schon krass genug.<br />

Melvin ist Anfang 30. Er hat keinen Schulabschluß, hat nichts gelernt<br />

und auch das Arbeiten nicht gerade erfunden. Hier und da mal ein<br />

Gelegenheitsjob oder ein wenig Schwarzarbeit, um seine HartzIV-<br />

Bezüge aufzustocken. Chronischer Geldmangel ist angesagt, tote Hose<br />

in der Brieftasche, und er ist andauernd krank oder depressiv.<br />

Deswegen entschloß sich Melvin in einem besonders seltenen und<br />

hellen Moment, daß es doch sehr sinnvoll sein könnte, seine Freundin<br />

Daniela zu schwängern. Immerhin kannte er sie zu dem Zeitpunkt schon<br />

zwei Monate. Und wenn unsere Vollidioten eines können, dann ist das<br />

knattern und Kinder kriegen. Darin sind sie unschlagbar. Königinnen<br />

der Empfängnis. Könige des Ejakulates! Fick & Foxy. Wahnwitzige<br />

Bumsgranaten, die komplett die Kontrolle über ihre Genitalien verloren<br />

haben. Wenn irgendwo irgendwie irgendwas reinpaßt, dann rein damit!<br />

Zack, ab, rein. Heiliger Bimbam! Kein Wunder, daß bei der ganzen<br />

Bumserei keine Zeit und Energie mehr für Arbeit übrig bleibt.<br />

Melvin rammelte und rammelte und rammelte seine Daniela, aber nichts<br />

passierte. Unerwarteterweise blieb der gewünschte Kindersegen trotz<br />

aller Rammelei aus. Ein hieraus resultierender Arztbesuch ergab<br />

nämlich, daß unser Melvin nur mit Platzpatronen schießt, wenn Ihr wißt,<br />

was ich meine. Tja, und dann war auch die Beziehung plötzlich im<br />

Arsch. Melvin zog aus, zurück in seine geile HartzIV-WG. Und Daniela<br />

hatte ruckzuck einen neuen Blitzficker am Start und war keinen Monat<br />

später schwanger. Herzlichen Glückwunsch.<br />

Ich sehe jetzt schon Daniela mit Melvin und dem anderen Kasper bei<br />

Vera am Nachmittag. Vaterschaftstest! Halleluja! Scheiß auf das<br />

Ergebnis, Hauptsache, hinterher geht wieder die Post ab. Wer mit wem<br />

ist völlig egal, alles Glücksspiel, wie beim Roulette. Oder zu dritt. Fick,<br />

Fick und Fack. Hauptsache, die Lenden zucken und der Lattenrost<br />

knarrt! Alles andere ist sekundär, alles andere ist völlig egal.<br />

30


Wie auch immer, Melvin ist jetzt erstmal bei Mandy eingezogen.<br />

Mandy ist -im Gegensatz zu den anderen Protagonisten hier- keine<br />

Vollidiotin. Wobei sich das durch den Einzug Melvins bei ihr schnell<br />

ändern dürfte. Nein, Mandy ist eine ganz normale Idiotin.<br />

Geschlechtsverkehr steht für sie zwar auch ganz oben auf der Liste,<br />

jedoch neben anderen Dingen. Mandy geht ihrer -zugegeben recht<br />

einfach gestalteten- Arbeit nach, zahlt ihre Rechnungen pünktlich und<br />

ist mit ihren 25 Jahren noch nicht glückliche Mutter eines oder mehrerer<br />

Kinder. Wobei sich auch das durch den Einzug Melvins bei ihr schnell<br />

ändern dürfte, herzlichen Glückwunsch im voraus.<br />

Melvin läßt sich jetzt also erst einmal schön aushalten von Mandy.<br />

Vielleicht steuert er 20 oder 30 Euro zum wöchentlichen<br />

Haushaltsbudget bei. Ist aber eher unwahrscheinlich, denn sein Geld<br />

weiß unser Melvin besser anzulegen.<br />

Wenn Mandy also morgens gegen 7 Uhr die Wohnung verläßt, um zur<br />

Arbeit zu gehen, dreht sich unser Melvin noch einmal seelenruhig im<br />

Bettchen um, wohlwissend, noch mindestens sechs Stunden Schlaf vor<br />

sich zu haben. Gegen 13 oder 14 Uhr ist dann aufstehen angesagt, und<br />

nach ein bißchen Internet-Surfen und Cannabis-Rauchen kommt die<br />

Playstation zum Einsatz, die natürlich in allen drei Versionen zur<br />

Verfügung steht.<br />

Vielleicht trinkt Melvin auch zunächst erst einmal ein, zwei Bier, um<br />

dann bei der grazilen Nachbarin zu klingeln und diese durch<br />

einstweilige Penetration von der Verfolgung einer spannenden TV-<br />

Gerichtssendung abzuhalten. Penetration unter den wachsamen Augen<br />

von Staatsanwalt Römer, wie geil. Kann alles passieren, Melvin ist da<br />

flexibel. Schön erstmal rüber über den lustigen Zweitonner von<br />

nebenan, alles andere kann warten. Wenn Mandy viel Pech hat, fickt<br />

unser Melvin das nette Monster von nebenan sogar in ihrer Bude,<br />

wahrscheinlich sogar in ihrem Bett. Äußerst delikat, das Ganze.<br />

Wenn Melvin so weiterfickt, wird er spätestens mit Mitte 30 ins<br />

Sabbatical müssen. Schön sechs Monate Camping in der Antarktis,<br />

schön die Klöten im Polarmeer kühlen. Zack, rein da, schön Klöten rein<br />

ins Polarmeer. Ahh! Herrlich.<br />

31


Um Melvin von seiner Vögelei abzuhalten, müßte man ihm einen<br />

Keuschheitsgürtel anlegen, so ein Ding aus dem Mittelalter. Aber<br />

Pustekuchen, den würde unser Melvin mit seiner genialen Genitalkraft<br />

aufsprengen. Zack! Bamm! Oder wenn man ihn stattdessen einsperren<br />

würde, beispielsweise in einen Stahlkäfig, dann würde er die Stahlstäbe<br />

durch Penetration aufbiegen. Wie Supermann. Nur mit dem Pimmel.<br />

Boing. Quasi als Pimmelmann. Alles andere ist labil, nur der Riemen<br />

hat Zauberkräfte.<br />

Kein Medikament, beispielsweise eine Art Anti-Viagra, kann seinen<br />

Geschlechtstrieb stoppen. Das macht ihn nur noch geiler. Man müßte<br />

ihm mit einem Hammer auf den Penis schlagen. Aber dann würde dieser<br />

nur noch stärker anschwellen. Man müßte ihm also den Penis<br />

abschneiden. Und selbst dann würde dieser noch zucken und zucken<br />

und zucken. Es ist zum Verzweifeln, man kriegt das verdammte Ding<br />

einfach nicht kaputt. Wie bei Jason aus Freitag der 13. oder Freddy<br />

Krueger. Unkaputtbar, nichts geht. Stehen immer wieder auf.<br />

Man müßte also Melvin den Penis abschneiden, diesen dann in einem<br />

Mixer pürieren, die pürierte Masse lufttrocknen und dann gesiebt ins<br />

offene Meer streuen. Aber dann wären Flipper & Friends auf<br />

Dauerlatte. Unfaßbar, wie krass das Zeug ist. Unfaßbar krasses Zeug.<br />

Vielleicht sollten wir das krasse Zeug dann doch lieber zusammen mit<br />

Backpulver im Ofen aufbacken und dann rauchen. Eine Spitzenidee.<br />

Das gibt den absoluten Kick, das bringt den Flash der Woche. Den<br />

Royal-Flash sozusagen.<br />

Schmeckt aber beschissen, bah, kann ich aus Erfahrung sagen. Also<br />

lieber ganz weg mit dem Zeug, schießen wir die Pimmelmasse in einer<br />

Kapsel zum Mond. Das ist die Lösung. Zack, ab auf den Mond. Guter<br />

Mond, Du stehst! Bekommt gleich eine ganz andere Bedeutung. Der<br />

geht dann überhaupt nicht mehr unter. Nur noch auf und auf und auf.<br />

Wahrscheinlich dreht sich dann irgendwann die Sonne um ihn. Nein,<br />

das ist jetzt doch ein wenig weit hergeholt.<br />

32


Ich grüße meinen Vater, meine Mutter und ganz besonders meine<br />

Eltern.<br />

6. Gesellschaftliche Bedeutung des Vollidioten<br />

33<br />

(Toni Polster)<br />

Irgendetwas müssen wir also tun. Irgendwas. Denn wenn wir Melvin<br />

und seinen kongenialen Zeitgenossen nicht den Penis abschneiden,<br />

passiert folgendes Fiasko: Sie vermehren sich explosionsartig und<br />

unaufhaltsam. Sie setzen überproportional viele Kinder in die Welt. Ihre<br />

Geburtenrate -bzw. die ihrer überaus cleveren Weibchen- verhält sich<br />

umgekehrt proportional zu ihrer geistigen Kapazität.<br />

Während der normale, in Kapitel 1 beschriebene Idiot noch Herr über<br />

seine Genitalien ist und sich auch damit auseinandersetzt, wie viele<br />

Kinder er überhaupt unterhalten bzw. finanzieren kann (in der Regel ein<br />

bis zwei), spielt diese Thematik für unseren Vollidioten überhaupt keine<br />

Rolle. Da wird munter drauflos gepoppt, scheißegal, was, wie, wann<br />

und von wem dabei rauskommt. Poppen, poppen, poppen, alles andere<br />

ist völlig sekundär. Insoweit wird man keinen repräsentativen<br />

Vollidioten-Haushalt mit weniger als drei Kindern finden können.<br />

Wahrscheinlicher sind vier, eher noch fünf mittelprächtige Blagen.<br />

Bei Melvin wird das ungefähr so ablaufen: Erst eines mit Mandy, dann<br />

völlig unerwartet eines von / mit der lustigen Tonne von nebenan, dann<br />

wieder eines von Mandy, und irgendwann erfährt er via TV, daß eines<br />

der mittlerweile fünf Bälger seiner Ex Daniela nun doch von ihm ist.<br />

Vielleicht aus der vergangenen Beziehung, vielleicht hat man sich auch<br />

später noch einmal zufällig getroffen, und dabei ist es passiert. Ist alles<br />

möglich, alles denkbar, geht ja schnell. Ich schätze Melvin später mal so<br />

bei insgesamt sechs Kindern, mit drei bis vier dazugehörigen<br />

glücklichen Müttern.


Ist doch phantastisch, möchte man spontan aufschreien. Viele kleine<br />

Krümelmonster, die später mal meine Rente zahlen werden.<br />

Pustekuchen! Bullshit! Demjenigen, der das glaubt, muß man sofort den<br />

Kopf aufschneiden und fünf Fischerman`s Friend reinstecken. Damit er<br />

klarkommt. Denn daß von Melvins Kreaturen später einmal auch nur<br />

eine einzige einen einzigen Cent zu meiner Rente beiträgt, ist so<br />

wahrscheinlich, also würde ich mich auf meine Schüssel setzen,<br />

ordentlich einen abseilen, hinterher den Kopf in die Schüssel stecken<br />

und dort statt Scheiße Gold finden.<br />

Es dürfte ja wohl jedem Einfaltspinsel klar sein, daß ich der<br />

Rasselbande für die nächsten 40 Jahre die Stütze zahle. Ohne Wenn und<br />

Aber. Kompromißlos durchgezahlt, zack. Der Apfel fällt nicht weit vom<br />

Stamm, so sieht es dann doch mal aus. Und dafür kann ich denen nicht<br />

einmal die Fresse polieren, siehe Punkt 3 dieses Kapitels. Unfaßbar<br />

haarsträubend, man möchte am liebsten aufstampfen. Eine<br />

Hochrechnung, wie unsere Gesellschaft in 50 oder 60 Jahren aussieht,<br />

erspare ich uns lieber. Denn daß bei der Paarung eines Vollidioten mit<br />

einer Vollidiotin kein Genie hervorkommt, sollte dann auch mal klar<br />

sein. Minus und Minus ergibt Plus. Aber leider nur in der Mathematik,<br />

in der Physik. Nicht im realen Leben. Hier wird leider nicht aus dumm<br />

und dumm schlau. Eher nicht. Eher genauso dumm, schlimmstenfalls<br />

noch dümmer.<br />

Ist ja auch logisch, wir können der Evolution kein Schnippchen<br />

schlagen. Wenn Melvin (mit einem geschätzten IQ von 50) seine Mandy<br />

oder Daniela oder wen oder was auch immer (auch mit einem IQ von<br />

50) schwängert, warum sollte dann daraus was mit mehr Grips in der<br />

Birne entstehen?! Die IQs addieren sich ja nicht auf, schön wär`s. Also<br />

50 plus 50 macht 100. Oder besser noch multipliziert. 50 mal 50 macht<br />

2.500! Dann hätten Melvin und Geschlechtspartnerin quasi The Brain<br />

schlechthin gezeugt. Haut aber nicht hin, und vielleicht ist das aber auch<br />

besser so.<br />

Wie auch immer, trotzdem habe ich Melvin gern. Soll er sich um Kopf<br />

und Kragen poppen, ich kann und will es nicht ändern. Soll er die ganze<br />

Welt mit seinem Gen-Müll überschwemmen, mir scheißegal, ich kann<br />

es nicht ändern.<br />

34


Der mündige Bürger soll selbstverständlich selbst entscheiden, welche<br />

Fernsehsendungen er ein- oder ausschaltet, aber man soll ihm diese<br />

Entscheidung erleichtern, indem man einige Sendungen nicht herstellt,<br />

die er dann abschalten könnte.<br />

Normales Fernseh` brauch` kei` Sau, mer habbe ASO-TV.<br />

7. Telemediale Bedeutung des Vollidioten<br />

35<br />

(Dieter Hildebrandt)<br />

(Badesalz)<br />

Daneben hat Melvin aber auch eine positive Funktion. Zwar passiv, aber<br />

durchaus positiv. Denn ohne die Zielgruppe der Melvins gäbe es diverse<br />

sinnvolle, überwiegend telemediale Phänomene nicht. RTL2!!! möchte<br />

man spontan aufschreien, sich nackt ausziehen und dann -sich selbst mit<br />

einer Peitsche geißelnd- durch den Stadtpark rennen. Aber so einfach ist<br />

es leider nicht. Man kann nicht einen einzelnen Sender an sich als Aso-<br />

TV schlechthin ausmachen. Vielmehr sind es die verschiedenen<br />

Formate aller privatisierten Sender. RTL2 an sich ist nicht Scheiße. Nur<br />

die meisten Formate, die dort laufen, sind es.<br />

Als Flaggschiff ist ganz klar der Asi-Container anzuführen. Eine Anzahl<br />

grenzdebiler Vollidioten wird über einen gewissen Zeitraum eingesperrt<br />

und widmet sich überaus anspruchsvollen Zeitvertreiben wie Scheiße<br />

labern und vögeln. Das Ganze wird von diversen Kameras<br />

aufgezeichnet und dann direkt auf den 128er Plasma im Vollidioten-<br />

Haushalt projiziert. Der aufmerksame Zuschauer darf von Zeit zu Zeit<br />

eine der Hackfressen aus dem Bumscontainer rauswählen, und der letzte


Verbleibende bekommt dann 200.000 Euro oder sowas. Und liegt dann<br />

für ca. 18 Monate mal nicht Vater Staat auf der Tasche, ganz toll.<br />

Versorgt sich mit dem Gewinn also selbst für eine gewisse Zeit mit<br />

Alkohol, Tabak, Marihuana und Pornographie. Vielleicht probiert er<br />

auch etwas ganz Neues aus. Filterzigaretten statt Selbstgedrehte. Oder<br />

Kokain anstelle von oder kombiniert mit Marihuana. Man stellt ja jetzt<br />

jemanden dar, feine Herrschaften. Vielleicht kann man sogar einige<br />

Wochen Gastmoderator bei 9Live werden oder einen Porno drehen.<br />

Kann alles sein, ist alles möglich.<br />

Wesentlich günstiger kommt man beim Frauentausch weg:<br />

Schätzungsweise 3.000 Euro bekommt unser Vollidiot dafür, daß er<br />

seine Zweieinhalb-Zentner-Grazie für eine gewisse Zeit gegen die<br />

verschrumpelte Hardcore-Friseuse mit den hübschen bunten Plastik-<br />

Fingernägeln und polnischen Hairextensions des anderen Vollidioten<br />

eintauscht. Oder gegen eine ganz bezaubernde 26-jährige 8-fach- Mutter<br />

aus Chemnitz. Kann auch sein, ist alles möglich im Aso-TV.<br />

Es sind also nicht die Sender, sondern deren Formate. Generell läßt sich<br />

wie folgt differenzieren: Die ganzen Eigenformate und<br />

Eigenproduktionen der Sender sind absolute Gehirnrotze. Voll zum<br />

Kotzen. Bei allen Privatsendern. Ohne Ausnahme. Als hätte das Gehirn<br />

Dünnschiß und wüßte sich nicht anders zu helfen, als die ganze Kacke<br />

auf den TV-Schirm zu ballern. Grundgütiger, was für ein geistiger<br />

Dünnschiß. Cerebral-Diarrhoe, der Verstand wendet sich mit Grausen<br />

ab! Richter Salesch und Konsorten. Angelika Kallwass! Ingo Lenßen.<br />

U20 Asi-Teenies. Jamba-TV (früher Viva). Katharina Saalfrank und die<br />

stille Ecke. We Are Family! Das Grausen kennt kein Ende!<br />

Peter Zwegat, Raus aus den Schulden. Hier mal die Beschreibung einer<br />

Folge (O-Ton TV Digital): „Christian (25) und Nadine (24) leben schon<br />

seit Jahren über ihre Verhältnisse. Die arbeitslosen Eltern eines Kindes<br />

sind HartzIV-Empfänger, wollen aber auf nichts verzichten. Kann Peter<br />

Zwegat die beiden zur Vernunft bringen?“ Nein, nein, kann er natürlich<br />

nicht! Und soll er auch nicht. Er soll sie lieber zur Fickerei animieren,<br />

um Himmels Willen! Mit 24 bzw. 25 Jahren erst ein Kind, wo soll das<br />

denn enden?!<br />

36


Also Pille absetzen. Falls überhaupt eingenommen. Denn die meisten<br />

Vollidioten nutzen weitsichtigerweise den Coitus Interruptus zur<br />

Verhütung. Also kurz vorher rausziehen. Eine sehr sinnvolle Methode,<br />

eine der sichersten Verhütungsmethoden überhaupt.<br />

Wie auch immer, für den unwahrscheinlichen Fall, daß die Vollidiotin<br />

die Pille einnimmt, kann sie diese jetzt absetzen. Für die gesparten 20<br />

oder 30 Euro monatlich kann man sich Premiere ziehen, falls man<br />

keinen geknackten Decoder hat. Und gleich Blue Movie freischalten<br />

lassen, das lenkt die Gedanken vom Elend im eigenen Bett ab. Dann<br />

können die Lenden wieder schön zucken, zack-zack. Das alte Rein-<br />

Raus-Spielchen, rund um die Uhr, den ganzen Tag. Wenn die beiden 29<br />

und 30 sind und acht Kinder haben, dann, ja dann kann Zwegat nochmal<br />

anklingeln. Bis dahin soll er sich um andere Pflegefälle kümmern. Oder<br />

ein bißchen Gras rauchen, vielleicht zusammen mit Jugendcoach Oliver<br />

Lück. Oder mit einem der besonders cleveren Vorzeige-Sonderschüler<br />

von Die Superlehrer, mir scheißegal.<br />

Oder hier, die dürre Tante mit der stillen Ecke (auch O-Ton TV Digital):<br />

„Marianne hat vier Kinder von zwei Männern, zu den Vätern von Kris<br />

(10), Justine (9), Alizee (6) und Felix (1) aber kaum Kontakt. Die 31jährige<br />

lebt von HartzIV, ist verschuldet und oft schlecht drauf. Auch<br />

die Gören zoffen sich permanent. Die Familie braucht eindeutig mehr<br />

Ruhe und Routine im Alltag. Katharina Saalfrank versucht, Einfluß zu<br />

nehmen.“<br />

Ja herrlich, ganz wunderbar, bitte nimm Einfluß, liebe Katharina, bitte<br />

nimm Einfluß. Sonst bekomme ich nämlich bald Ausfluß, dicklichhellroten<br />

Ausfluß. Und zwar aus den Ohren, denn mein Bregen wird<br />

auslaufen, und ich werde sterben müssen. Flatline, Braindead, Hirntod.<br />

Aus, Schluß, vorbei. Was für ein Wahnsinn, was für ein Bullshit. Was<br />

für eine gequirlt-gekräuselte Affenkacke!<br />

Und dann geht die Saalfrank hin in die Asi-Bude und läßt die fünf<br />

Gehirnamputierten irgendwelche bekloppten Schilder malen und auf<br />

eine Pinnwand tackern. Na phantastisch, genau das hat denen gefehlt.<br />

Also wenn die irgendwas brauchen, dann das. Das wird helfen, das wird<br />

die Probleme lösen, wunderbar, Glückwunsch. Vielleicht sollte man hier<br />

37


mal präventiv und etwas eher ansetzen. Damit es erst gar nicht so weit<br />

kommt, daß uns die fünf Pflegefälle ein Leben lang auf der Tasche<br />

liegen und dabei trotzdem noch unglücklich und mit ihrem verkorksten<br />

Leben völlig überfordert sind. Ganz offensichtlich hat da doch keiner<br />

der Beteiligten was von. Die nicht, ich nicht, keiner. Aber nee, das wäre<br />

ja zu einfach. Außerdem hätten wir dann gar keinen Stoff mehr für<br />

unser geliebtes Aso-TV, und das wäre ja wohl für viele Vollidioten der<br />

absolute Super-GAU.<br />

Also lieber alle völlig plan- und hirnlos querbeet rumvögeln lassen, und<br />

hinterher, wenn eh alles am Arsch ist, Saalfrank, Zwegat, Lück und<br />

Konsorten hinschicken. Und die ganze Kacke aufzeichnen, damit andere<br />

Voll-Asis wieder was in der Glotze zu sehen haben. Hammerharter<br />

Tobak, extremst krass. Man könnte laut auflachen, wenn das alles nicht<br />

so traurig wäre. Hammerharter Tobak.<br />

Und dann dieser ganze Boulevard-Bullshit. Überflüssig wie ein Kropf,<br />

leck` mich einer am Arsch, aber echt jetzt. Völlig sinn- und<br />

bedeutungslos, völlig nutzlose Informationen, komplett beknackt.<br />

Komplett bescheuerte, banalstmögliche und besonders hirnfreie<br />

Thematiken von und mit eben solchen Protagonisten und<br />

Protagonistinnen. Kein Anspruch an nichts, an gar nichts, an absolut<br />

und überhaupt rein gar nichts.<br />

Frauke Ludowig, Sybille Weischenberg, Annemarie Warnkross,<br />

Constanze Rick und wie sie nicht alle heißen. Verkäuferinnen des<br />

telemedialen Dünnpfiffs, Banalitäten-Dealerinnen, Ausgeburten der<br />

Boulevard-Hölle. Heiliger Bimbam, Grundgütiger! Nicht mit<br />

Weihwasser, Knoblauch oder Sonnenlicht beizukommen. Bei denen<br />

hilft nur hoffen und beten. Und natürlich bei Vollmond den Besen gut<br />

wegschließen. Sonst fliegen sie darauf weg. Zack, weg, ab. Auf zur<br />

Walpurgisnacht. Oder zu irgendeinem anderen beschissen-banalen C-<br />

Promi-Event. Zisch und weg. Echt gruselig.<br />

Exclusiv, taff, Prominent, red und wie sie nicht alle heißen. Was für<br />

eine banale Affenkacke, da stehen mir doch echt die Haare zu Berge.<br />

Mal abgesehen vom beschissenen Inhalt, wird Exclusiv genialerweise<br />

gleich mal falsch geschrieben. Im Deutschen wäre es mit k, also<br />

38


Exklusiv. Womöglich will man hier den unbedarften RTL-Zuschauer<br />

ans Englische heranführen? Nein, dann hätte man ein e am Ende<br />

ergänzen müssen, also Exclusive. Französisch fällt auch flach, hier wäre<br />

es Exclusif, also mit f am Ende. Was ist denn bloß los hier?<br />

Legasthenie? Unglaublich, ungeheuerlich. Legasthenie im Aso-TV, das<br />

paßt ja irgendwie überhaupt nicht zusammen, abfeier. Oder will sich<br />

RTL hier etwa insgeheim über sein hauseigenes, extrem cleveres<br />

Stamm-Publikum belustigen?! Denkbar wäre es. Interessiert aber auch<br />

nicht wirklich. Keine Ahnung, wer da wem und warum in den Kopf<br />

kacken will.<br />

Man kann diese ganze Boulevard-Gülle nur den ganz abgewichsten<br />

Hardlinern unter den Vollidioten empfehlen. Mit einer für normale<br />

Menschen absolut nicht mehr nachvollziehbaren Detailverliebtheit wird<br />

ausgeschmückt, wie irgendein toller F-Promi auf irgendeiner tollen D-<br />

Promi-Party irgendwas total Spannendes tut oder läßt. Also<br />

beispielsweise zeigt, was er / sie in der Handtasche hat. Nein, wie<br />

interessant, endlich wissen wir das auch. Oder wenn Blöd-Bumse Paris<br />

Hilton gerade etwas total Nobelpreisverdächtiges über ein total<br />

wichtiges Thema faselt, beispielsweise, wie anstrengend doch Shopping<br />

in New York sein kann. Wow, wie aufregend, kaum zu glauben. Oder<br />

wen oder was Boris Becker gerade vögelt. Oder, oder, oder. Als i-<br />

Tüpfelchen noch mit einer selten dämlichen Grimasse von Vorzeige-<br />

Fratzenzieherin Heidi Klum garniert, fertig ist die Soße. Die banale<br />

Boulevard-Soße, die fiese Soße für`s Gehirn, bah.<br />

Okay, Schnauze voll, Prinzip sollte verstanden sein. Wir verdanken<br />

unseren Melvins also viele geniale TV-Formate, welchen wir uns später<br />

noch konkreter widmen werden. Für die Veranschaulichung der<br />

gesellschaftlichen und telemedialen Bedeutung unseres Vollidioten<br />

reicht dies zunächst.<br />

Ich kann nicht mehr. Und ich will aber auch nicht mehr.<br />

39


Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche<br />

Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher.<br />

8. Ergebnis<br />

Wir kommen also zu folgendem Ergebnis:<br />

40<br />

(Albert Einstein)<br />

15 bis 20 Prozent unserer Gesellschaft sind Vollidioten, also krass<br />

beknackte Schwachsinnige und Pansen ohne jedwede Einsicht in<br />

irgendetwas. Diese schwachsinnigen Pansen sollte man unbedingt<br />

meiden. Ist der Kontakt mit ihnen unvermeidbar, nützt es nichts, ihnen<br />

die Fresse zu polieren. Auch der Versuch einer Kommunikation schlägt<br />

fehl. Stattdessen ist es zwingend notwendig, sie ex tunc konsequent mit<br />

primitivstem Fäkal-Vokabular zu bombardieren. Das wissen sie zu<br />

schätzen, und das wird auch gern gesehen.<br />

Unser Vollidiot stürzt sich auf eine Möse wie ein Penner auf eine Pulle<br />

Fusel und überschwemmt infolgedessen die ganze Welt mit den<br />

stumpfsinnigen Früchten seiner Lenden. Glückwunsch und besten Dank<br />

dafür! Zu unserer Gesellschaft selbst trägt der Vollidiot samt seiner<br />

Höllenbrut außer Aso-TV nichts bei. Nicht das Geringste. Er will nicht,<br />

und er kann wohl auch nicht, und vielleicht ist das aber auch besser so.<br />

Mir persönlich ist das scheißegal.


Unter Jungen und männlichen Jugendlichen ist es im übrigen<br />

inzwischen verbreitet, das Wort „Opfer“ auch als Schimpfwort zu<br />

gebrauchen, und es gibt Schulen, die unter anderem als „Opferschulen“<br />

bezeichnet werden. Der Begriff „Opfer“ löst offenbar nicht mehr<br />

selbstverständlich Empfindungen aus, die von Empathie gekennzeichnet<br />

sind, sondern er wird benutzt, um sich der eigenen Identität zu<br />

versichern und alles abzuwehren, was mit dem Opfersein verbunden<br />

wird.<br />

III. Das Opfer<br />

41<br />

(Stephan Voß)<br />

Nunmehr haben wir zwei unserer insgesamt vier Hauptcharaktere<br />

kennengelernt: Den Idioten und den Vollidioten. Tabellarisch<br />

strukturiert sieht das Ganze so aus:<br />

Bezeichnung<br />

Fremd-<br />

wahrnehmung<br />

Eigen-<br />

wahrnehmung<br />

tatsächlicher<br />

Status<br />

Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />

smart recht zufrieden recht zufrieden<br />

smart<br />

Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />

Hierzu addiert sich nun das Opfer, unsere dritte Figur. Gemäß<br />

Definition im Duden versteht man unter einem Opfer etwas, das man<br />

hergibt oder auf das man verzichtet, obwohl es sehr schwerfällt. Dies<br />

trifft es in unserem Fall nur zur Hälfte: Wir müssen nämlich äußerst<br />

trennscharf zwischen Eigenopfern und Fremdopfern differenzieren.<br />

Obenstehende Beschreibung aus dem Duden definiert in unserem Fall<br />

das Fremdopfer. Widmen wir uns zunächst also diesem.


Das ist so, als wenn Dir einer ein Messer in den Bauch rammt, und Du<br />

mußt noch dabei lächeln.<br />

1. Das Fremdopfer<br />

(auch passives Opfer oder tatsächliches Opfer)<br />

a) Definition<br />

42<br />

(Christoph Daum)<br />

Unter einem Fremdopfer versteht man ein tatsächliches Opfer im Sinne<br />

der klassischen Definition. Also eine Person, die schweren Herzens<br />

etwas hergeben oder auf etwas verzichten muß, obwohl sie es eigentlich<br />

nicht möchte.<br />

aa) Angst<br />

Das Hergeben bzw. der Verzicht erfolgt hierbei nicht aus freien<br />

Stücken, wie es beispielsweise bei einer Geldspende der Fall sein kann.<br />

Im Falle einer Spende gibt der Spender freiwillig, ungezwungen und aus<br />

edlen, tugendhaften Gründen. Zumindest sollte das so sein. Das<br />

Fremdopfer dagegen gibt bzw. verzichtet passiv. Hierbei sind zwei<br />

Varianten denkbar:<br />

Das Fremdopfer wird tatsächlich zur Hergabe oder zum Verzicht<br />

gezwungen, also durch das Einwirken dritter Personen. Dies kann auf<br />

vielfältige Art und Weise geschehen, fast alles ist vorstellbar. So kann<br />

beispielsweise eine Mutter das Kind zwingen, den Teller aufzuessen.<br />

Weil es sonst Dresche mit dem Nudelholz bekommt. Oder eines der vier<br />

Handys eingezogen wird. Beispielsweise könnte auch ein


Abfallentsorgungsbetrieb einen Kunden dazu zwingen, seinen Hausmüll<br />

vorbildlicher zu trennen. Indem einfach die gelben Säcke nicht mehr<br />

mitgenommen werden. Und zwar so lange, bis sie keine alten Batterien,<br />

benutzte Tampons oder tote Katzen mehr enthalten. Unser Kunde wäre<br />

in diesem Fall Fremdopfer, da er durch Dritte (hier die Müllabfuhr)<br />

dazu gezwungen wird, etwas herzugeben (vernünftig sortierte gelbe<br />

Säcke) bzw. auf etwas zu verzichten (tote Katzen in gelbe Säcke zu<br />

stecken). Ein klassisches Fremdopfer.<br />

Die zweite denkbare Variante ist, daß unser Fremdopfer scheinbar<br />

freiwillig etwas hergibt oder auf etwas verzichtet, etwas unterläßt. Weil<br />

es befürchtet, daß es ansonsten eine negative Konsequenz erwarten<br />

muß. Es wird also aus Angst gehandelt, man läßt es besser erst gar nicht<br />

so weit kommen wie in der ersten Alternative beschrieben. Das Kind ißt<br />

von vornherein den Teller leer. Weil es weiß, daß der Arsch sonst<br />

Kirmes hat oder ein Handy weg ist. Oder der Kunde unterläßt es von<br />

Anfang an, Schweinskram in den gelben Sack zu stecken. Weil er weiß,<br />

daß die Sauerei sonst nicht mitgenommen wird und ihm dann noch<br />

weitere vier Wochen die Bude vollstinkt. Das ist die zweite denkbare<br />

Variante.<br />

In beiden Varianten wird also durch Dritte Zwang auf unser Fremdopfer<br />

ausgeübt, daher auch die Bezeichnung Fremdopfer. Der Verzicht ist in<br />

beiden Fällen passiver Natur. Im ersten Fall weiß das Fremdopfer, was<br />

es erwartet, im zweiten Fall malt es sich aus, was es erwarten könnte.<br />

Motiv für den Verzicht ist demnach in beiden Fällen Angst. Unser<br />

Fremdopfer muß also ausgesprochen subtil agieren.<br />

43


Philosophen verderben die Sprache, Poeten die Logik, und mit dem<br />

Menschenverstand kommt man durchs Leben nicht mehr.<br />

bb) Logik<br />

44<br />

(Friedrich von Schiller)<br />

Neben Angst kann es weitere, andere Motive geben. Logik<br />

beispielsweise. Also wenn ich weiß, daß in einer Ortschaft ein fest<br />

installiertes Blitzgerät steht. Dann fahre ich dort natürlich nicht<br />

schneller als 50 km/h. Aus Angst vor einer negativen Konsequenz, also<br />

einer Geldbuße oder schlimmstenfalls sogar einem Fahrverbot, je nach<br />

Geschwindigkeit. Denkbar wäre auch, daß ich mit 140 km/h durch den<br />

Blitzer ballere. Aus Versehen, mit Absicht, völlig egal. Und nachts dann<br />

mit dem Fahrrad erneut dorthin fahre, den Blitzer hochklettere, ihn mit<br />

einem Metallbohrer aufbohre, mit Shell V-Power (100 Oktan) befülle<br />

und dann anzünde.<br />

Ganz klassisches Fremdopfermuster. Das Wissen, daß ich dabei<br />

photographiert wurde, wie ich recht sportlich mit einem<br />

Geschwindigkeitsüberschuß von ca. 90 km/h durch die Ortschaft<br />

gefahren bin, zwingt mich dazu, nachts den Blitzer abzufackeln. Ganz<br />

typisches Fremdopfer. Ganz radikales Zwangverhalten. Ansonsten hätte<br />

ein saftiges Bußgeld plus drei Monate Fahrverbot gedroht. Sozusagen<br />

die einzig logische und zwingend erforderliche Vorgehensweise zur<br />

Vermeidung der negativen Folge.<br />

Für den Fall, daß das Ganze in die Hose geht, beispielsweise weil uns<br />

die Polizei beim Zündeln erwischt und infolgedessen vom Radargerät<br />

runterschießt, sollte man bereits im Vorfeld eine schlüssige Strategie<br />

und Argumentationskette vorbereitet haben. Unter Umständen werden<br />

wir uns dann nämlich vor Gericht wegen des abgefackelten Blitzers<br />

verantworten müssen. Also besser auf alles vorbereitet sein.


Vor Gericht sollten wir uns dann zunächst ganz frech und flapsig auf<br />

den § 32 StGB (Notwehr) berufen:<br />

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist,<br />

handelt nicht rechtswidrig.<br />

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um<br />

einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder<br />

einem anderen abzuwenden.<br />

Als Hobbyjurist vermute ich allerdings, daß wir hier Probleme mit dem<br />

Nachweis eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs hätten. Nicht,<br />

daß es uns nicht gelingen könnte, eine Radarkontrolle als rechtswidrig<br />

feststellen zu lassen. Das sollte klappen. Allerdings wäre hierfür ein<br />

Fachanwalt vonnöten. Und zwar ein ganz gewitzter. Ein ganz<br />

abgebrühter Winkeladvokat, ein schlitzohriges kleines Kerlchen<br />

ominöser Herkunft, ein mieser, gemeiner und selten ausgebuffter<br />

Rechtsverdreher. Ein Hans Meiser des Verkehrsrechts sozusagen<br />

Völlig überflüssig, zu erwähnen, daß wir so einen Anwalt nicht finden<br />

werden. Vielleicht bei Salesch, Hold und Konsorten, wenn wir unserem<br />

Nachbarn im Schlaf den Penis abgeschnitten hätten. Oder einen GEZ-<br />

Fahnder mit einem Staubsauger verprügelt hätten. Dann vielleicht. Aber<br />

nicht in solch einem brisanten Fall wie dem unseren. Davon ab würde es<br />

viel zu lange dauern, bis wir uns durch die ganzen Instanzen geklagt<br />

hätten. Denn Recht haben und Recht bekommen sind zwei paar Schuhe.<br />

Wir müßten klagen und klagen und nochmals klagen, eine aberwitzige<br />

Klagerei wäre das. Zudem eine enorme finanzielle, zeitliche und vor<br />

allen Dingen psychische Belastung, ganz klar. Stets auch in der Angst<br />

lebend, man könnte eines Tages als Exzentriker bezeichnet werden. Sehr<br />

unerfreulich, sehr ernüchternd.<br />

Nein, das wäre es nicht wert. Dann doch lieber ex tunc ganz penibel<br />

darauf achten, beim Anzünden des Radarkontrollgerätes erst gar nicht<br />

erwischt zu werden. Oder besser gleich einen guten Bekannten, dem<br />

man vielleicht auch schon einmal aus der Patsche geholfen hat, zu der<br />

Tat überreden bzw. anstiften. Eine kleine Gefälligkeit, ein kleiner<br />

Freundschaftsdienst. Eine Hand wäscht die andere, man kennt sich ja.<br />

45


Sollte das alles nicht klappen, und wir werden doch bei unserer<br />

nächtlichen Zündelei erwischt, könnten wir uns vielleicht auf § 20 StGB<br />

(Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen) berufen:<br />

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer<br />

krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden<br />

Bewußtseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer<br />

schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das<br />

Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu<br />

handeln.<br />

Was für ein Fest, meine Herren! Abfeier! Allein beim Verlesen des<br />

Textes läge man quer unter der Anklagebank. Tiefgreifende<br />

Bewußtseinsstörung. Schwachsinn. Andere seelische Abartigkeit. Leck`<br />

mich am Arsch, seit wann sind denn Gesetzestexte so lustig?! Total<br />

abgefahren, man wird doch wohl nicht ernsthaft von uns erwarten<br />

können, beim Verlesen eines solch hanebüchenen Kokolores nicht in<br />

Lachkrämpfe ausbrechen zu müssen?! Unfaßbar amüsant, geradezu<br />

höchstrichterlich amüsant. Also wir werden uns auf gar keinen Fall auf<br />

§ 20 berufen können. Völlig ausgeschlossen. Der ganze Gerichtssaal<br />

würde frohlocken und sich halb bis voll totlachen.<br />

§ 20 wäre also eine Mordsgaudi, hilft uns aber auch nicht wirklich<br />

weiter. Mist. Bockmist. Was kann uns jetzt noch retten? Wie können<br />

wir unseren Arsch noch aus der Schlinge ziehen? Wonach kann man<br />

noch suchen? Wir müssen uns nun ganz unverblümt folgende Frage<br />

stellen: Was ist stets eine sinnvolle Lösung in verzwickten Situationen<br />

und Lebenslagen? Wenn man kurz davorsteht, auszurasten, alles<br />

hinzuschmeißen und vielleicht sogar aufzustampfen? Wenn einem alles<br />

bis hier oben steht? Richtig, § 323a StGB (Vollrausch):<br />

(1) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische<br />

Getränke oder andere berauschende Mittel in einen Rausch<br />

versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit<br />

Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine<br />

rechtswidrige Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden<br />

kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil<br />

dies nicht auszuschließen ist.<br />

46


Hurra, der gute, alte Vollrausch. Auf den ist immer Verlaß, der läßt<br />

einen nie hängen, phantastisch. Nervennahrung, Wunderwaffe,<br />

Allheilmittel. Medizin! Wir werden also an dieser Stelle glaubhaft<br />

machen müssen, daß wir zu besoffen waren, um mitzukriegen, was wir<br />

da überhaupt getan haben. Wir waren so sternhagelvoll, daß wir uns<br />

sowieso an nichts mehr erinnern können. Es ist uns von vornherein<br />

schon entgangen, daß wir überhaupt durch diese ominöse Ortschaft<br />

gefahren sind und dort geblitzt wurden. Weil wir schon vormittags voll<br />

einen im Arsch hatten. Bis zur Unterkante aufgetankt. Und überhaupt<br />

haben wir das Gefühl, daß man uns da was anhängen will.<br />

So plausibel diese Argumentation auf den ersten Blick erscheint, so<br />

schnell fällt das ganze Kartenhaus leider auch schon wieder in sich<br />

zusammen. Nicht, daß Alkohol keine Lösung wäre. Nein, Alkohol ist<br />

immer eine sehr sinnvolle Lösung. Nur bekommen wir in unserem Fall<br />

trotzdem ordentlich aufgebrummt. Und das nicht zu knapp.<br />

Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Wahnsinn! Fünf Jahre! Das darf man<br />

sich jetzt gar nicht vorstellen, wie lange das ist. Schlagartig ist alles<br />

Vertrauen in Justitia dahin. Was muß man denn da gemacht haben? Mit<br />

2,6 Promille eine Atombombe auf der Loveparade gezündet? Im<br />

Kokswahn einen Angriffkrieg gegen die USA vorbereitet? Voll auf<br />

Ecstasy Saddam Hussein bei StudiVZ als Freund eingeladen? Keine<br />

Ahnung, will ich aber auch gar nicht wissen.<br />

Ist aber auch Jacke wie Hose, denn wir wissen jetzt, daß wir mit<br />

unserem schönen Vollrausch leider nicht ungestraft davon kommen. Wir<br />

werden also einsitzen oder ordentlich blechen müssen. Bei unseren<br />

Vorstrafen also eher einsitzen, was für eine Schande, was für eine<br />

Ironie, bah. Es lohnt sich heutzutage offensichtlich nicht mehr, besoffen<br />

zu sein. Der blanke Hohn! Da wird doch regelrecht der Hund in der<br />

Pfanne verrückt, eine Farce! Salopp ausgedrückt: Man fühlt sich ganz<br />

schön verhohnepiepelt. Als Ergebnis müssen wir demnach<br />

traurigerweise festhalten, daß Gesetzgebung und Rechtsprechung ganz<br />

offensichtlich nicht an Logik anknüpfen bzw. auf Logik basieren, und<br />

daß man als Fremdopfer weitestgehend schutzlos den langsam<br />

mahlenden Mühlen der Justiz ausgeliefert ist. Furchtbar.<br />

47


Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln: Erstens durch<br />

Nachdenken, das ist der edelste. Zweitens durch Nachahmen, das ist der<br />

leichteste. Und drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste.<br />

cc) Erfahrung<br />

48<br />

(Konfuzius)<br />

Erfahrung kann ein weiterer Grund für die Erbringung eines Opfers<br />

sein. Man verzichtet also bewußt und aus Erfahrung auf ein Handeln,<br />

auf ein Unterlassen oder auf irgendein anderes Verhaltenmuster. Weil<br />

man weiß, daß es eh keinen Sinn macht. Daß es zu nichts führt, nichts<br />

bringt, sich nicht lohnt. Unter Umständen die ganze Angelegenheit<br />

vielleicht sogar noch verschlimmert.<br />

Die Gründe für einen Verzicht aus Erfahrung sind mannigfaltig. So<br />

kann eine Sache an sich schon aussichtslos bzw. mit wenig Aussicht auf<br />

Erfolg behaftet sein. Beispielsweise eine politische Diskussion mit<br />

irgendeinem x-beliebigen Politiker, völlig egal, welcher Partei dieser<br />

angehört. Aus Erfahrung weiß man, daß das in 99% aller Fälle zu<br />

keinem befriedigenden oder gar vernünftigen Ergebnis führt. Daß man<br />

hinterher sogar verärgert ist, überhaupt auf die Diskussion eingestiegen<br />

zu sein. Sehr ärgerlich sowas, sehr unerfreulich. Also läßt man es gleich<br />

bleiben. Von Anfang an und aus Erfahrung.<br />

Man verzichtet bewußt auf das Darlegen der eigenen Meinung, man<br />

verzichtet bewußt auf die komplette Diskussion. Und das macht auch<br />

Sinn. Man fängt erst gar nicht damit an, man läßt es von vornherein<br />

bleiben. Nichts als Zeitverschwendung. Zeit, die man erheblich<br />

sinnvoller nutzen könnte, beispielsweise mit einem schönen Vollrausch<br />

oder einer Radtour. Insoweit also keine politische Diskussion. Ein<br />

Opfer, daß man aus Erfahrung bringt. Und in diesem Fall zugleich auch<br />

eine sehr vernünftige Entscheidung.


Oder man hat bereits die Erfahrung machen dürfen, daß ein gewisses<br />

Tun oder Unterlassen durch den Staat sanktioniert wird. Also die<br />

übliche Leier: Zuerst die Polizei. Guten Tag, die Herren, man kennt<br />

sich. Dann eigentlich immer die Staatsanwaltschaft, kennt man auch<br />

schon ganz gut. Besser, als einem eigentlich lieb ist. Zumindest, wenn<br />

man nicht selbst Staatsanwalt ist. Dann ab vor`s Amtsgericht, mit viel<br />

Pech vor`s Landgericht. Hier kennt man uns noch nicht, und das ist aber<br />

auch gut so. Leider kennt man aber unsere Akte, denn die hat man mal<br />

eben ganz nonchalant angefordert, und das ist dann aber auch wieder<br />

nicht so gut. Egal. Wir haben also die Erfahrung gemacht, daß wir für<br />

gewisses Handeln staatliche Sanktionen zu erwarten haben. Deswegen<br />

erbringen wir das ein oder andere Opfer.<br />

Beispielsweise würde ich nie wieder auf einem vollbesetzten Disco-<br />

Parkplatz auf der Motorhaube meines Mercedes eine Nase Koks ziehen<br />

und diese dann mit einer halben Pulle Sambuca runterspülen. Zumindest<br />

nicht als Fahrer. Oder wenn der Benz gerade neu ist. Oder unter einer<br />

Laterne geparkt steht.<br />

Die Erfahrung hat mich gelehrt, daß dies mit Sanktionen vergolten<br />

werden kann. Nicht immer, aber irgendwann hat man eben mal Pech.<br />

Also bringe ich ganz bewußt und aus Erfahrung das Opfer, nicht mehr<br />

öffentlich auf Motorhauben zu koksen. Zumindest dann nicht, wenn<br />

zwei Autos weiter die Zivilbullen stehen.<br />

Merke: Selbstinfektion mit kolumbianischer Grippe, landläufig auch<br />

Hollywood-Schnupfen genannt, kann staatlich sanktioniert werden.<br />

Insbesondere auf Motorhauben.<br />

Neben staatlicher Sanktion existiert die Möglichkeit der Sanktion durch<br />

Dritte. Unter Dritten ist in der überwiegenden Zahl aller Fälle der Ehe-<br />

bzw. Lebenspartner zu verstehen. War eigentlich klar, oder?! Wer sollte<br />

es sonst sein?!<br />

49


Haß gehört nicht ins Stadion, solche Gefühle soll man gemeinsam mit<br />

seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben.<br />

aaa) Früher<br />

50<br />

(Berti Vogts)<br />

Zu Opas Zeiten war ganz klar die Frau das klassische Opfer. Ihr<br />

Mitspracherecht im Haushalt war stets gering bis nicht vorhanden. Der<br />

Opa -also der Mann- schaffte das Geld ins Haus, und die Oma -also die<br />

Frau- mußte sich fügen. Sie mußte das Essen rechtzeitig auf den Tisch<br />

bringen, die Kinder betreuen, Bude und Hof sauber halten und<br />

gelegentlich sexuellen Pflichten nachkommen. Freizeit gab es für sie<br />

keine, während sich der Mann das Recht herausnahm, sich nach<br />

verrichteter Arbeit sonntags nach der Kirche volles Programm und<br />

kompromißlos zu besaufen. Die Frau hatte also nur Pflichten und so gut<br />

wie keine Rechte.<br />

Dies nahm die Frau als gegeben hin. Sie opferte also ein eigenständiges,<br />

gleichberechtigtes Leben mit allen Rechten und Pflichten. Aus<br />

Erfahrung. Weil sie wußte, daß ihr Handeln sanktioniert würde. Daß der<br />

Alte die Kohle nach Hause bringt und die ganze Bude zusammenschreit,<br />

wenn nicht Punkt 18 Uhr sein Fressen auf dem Tisch steht. Mahlzeit!


Auch nach meinem 30-jährigen Studium habe ich immer noch nicht<br />

herausgefunden, was Frauen überhaupt wollen.<br />

bbb) Heute<br />

51<br />

(Sigmund Freud)<br />

Glücklicherweise hat sich das im Laufe der Jahre durch die<br />

Emanzipation der Frau geändert. Die Frau wurde zum<br />

gleichberechtigten Lebenspartner mit einer eigenständigen<br />

Persönlichkeit. Und das ist auch gut und richtig und wichtig so, weil sie<br />

das ja auch ist. Allerdings ging die ganze Emanzipationskiste viel zu<br />

weit, so daß wir heute genau das gegenteilige Bild verzeichnen müssen:<br />

Den Mann als klassisches Fremdopfer.<br />

Das Ganze ist irgendwann vor 15 oder 20 Jahren komplett aus dem<br />

Ruder gelaufen. So gegen Ende der 80er hatten wir ein schönes,<br />

harmonisches, gleichberechtigtes Mit- und auch Nebeneinander von<br />

Mann und Frau, ganz im Sinne der Emanzipation. Der Höhepunkt der<br />

gleichberechtigten Evolution war erreicht. Konnte man wirklich sagen.<br />

Die alten Sitten und Bräuche waren begraben, und Mann war gespannt,<br />

wie es sich mit der neuen, gleichberechtigten, dauergewellten Frau so<br />

leben läßt. Es war der erste Schritt in ein neues, modernes und besseres<br />

Zeitalter.<br />

Doch dann wollten die kleinen Carries, Mirandas, Samanthas und<br />

Charlottes mehr! Viel mehr. Sie wollten alles. Im Zuge der 90er und zu<br />

Beginn des neuen Jahrtausends wurde die Emanzipation zunehmend<br />

umgedreht. Und zwar gleich in zweifacher Hinsicht: Zum einen ging es<br />

nicht mehr positiv gleichberechtigt voran, sondern steil bergab. Und<br />

zum anderen war diesmal der Mann betroffen und nicht mehr die Frau.<br />

Das Zeitalter der Demanzipation des Mannes wurde eingeleitet. The<br />

Age of Kastration! Zack!


Schrittweise wurde dem Mann fast alles genommen, was ihn vormals<br />

als Mann ausmachte. Elementare Eigenschaften, männliche Attribute.<br />

Eigene Meinung, Kompetenz, Entscheidungsfreudigkeit, Souveränität,<br />

Entschlossenheit, Mut, Stärke und vieles mehr. Alles irgendwie<br />

irgendwann weg, irgendwo hin. Der Mann wurde gezwungen, sein<br />

Testosteron zu unterdrücken, ja sogar zu verleugnen. Wahrscheinlich ist<br />

der Großteil seines Testosterons bis heute dann auch verschwunden.<br />

Unwiederbringlich fort, futsch, weg. Oder noch viel schlimmer: Ersetzt<br />

durch Östrogen!<br />

Es wird also keine 20 Jahre mehr dauern, und dem modernen,<br />

demanzipierten Mann wächst ein gescheites paar Titten. Feiste Glocken,<br />

prachtvolle Tüten, super Dinger. Natürlich nicht so prachtvoll wie die<br />

Tüten der Frau, versteht sich. Denn selbst die Evolution weiß<br />

mittlerweile, daß sie sich beim Männchen etwas zurückhalten muß, weil<br />

es sonst wieder Rambazamba mit der Ollen gibt. Die Evolution schützt<br />

unser Männchen also. Indem sie kleine optische Abstriche bei seinen<br />

Tüten macht.<br />

Das ist allerdings vollkommen nebensächlich. Wichtig ist nur, daß die<br />

Dinger funktionieren. Also zum Stillen und so. Denn eines sollte<br />

mittlerweile auch klar sein: Nach den Titten wird es keine weiteren 20<br />

Jahre dauern, bis unser ehemaliges Alpha-Männchen diese auch<br />

benutzen muß. Zum Stillen, kein Witz. Nachdem er die Kinder<br />

ausgetragen hat. Keine Ahnung, wie oder wodurch. Aber Carrie & Co.<br />

werden uns schon Mittel und Wege aufzeigen, so viel ist mal sicher.<br />

Aus heutiger Sicht käme da nur ein Kaiserschnitt in Betracht. Aber das<br />

wird in der Zukunft -also dann, wenn der Mann mit dem Gebären an der<br />

Reihe ist- mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom Alpha-<br />

Weibchen als unethisch verworfen. Bleibt also nur noch Geburt aus dem<br />

Arschloch. Hinten raus. Hinten unten. Rausgefurzt sozusagen.<br />

Rausgedrückt und abgeseilt. In die Welt geschissen. Hat auch Vorzüge.<br />

Befindet sich das neugeborene Kind gleich auf dem Boden der<br />

Tatsachen. Wird gleich mit der rauen Realität konfrontiert. Was für eine<br />

Scheiß-Welt, möchte es aufschreien, wenn es könnte. Kann es aber noch<br />

nicht, und das ist aber auch besser so. Es wird durch das Stillen an<br />

behaarten Männerbrüsten später gestört genug sein.<br />

52


Wie auch immer: Der Mann trägt die Kinder aus. Furzt sie in die Welt.<br />

Wickelt sie, stillt sie, zieht sie auf. Und wird danach vom Weibchen<br />

aufgefressen. Oder darf niedere Dienste verrichten. Ganz wie es dem<br />

Weibchen beliebt.<br />

Der heutige Mann ist also zumeist Fremdopfer. Seine Opferrolle liegt<br />

unter anderem darin bekräftigt, daß er dem Weibchen überhaupt nicht<br />

mehr widerspricht. Es findet also eine einseitige Einigung zwischen<br />

beiden statt. Ansage und Annahme. Die moderne Frau sagt an, der<br />

moderne Mann nimmt an. Aus Angst vor Sanktionen, wie<br />

beispielsweise sexueller Verweigerung auf unbestimmte Zeit.<br />

Verdeutlichen wir uns das Gesagte an einem Praxisbeispiel: Sie will mit<br />

ihm am Sonntagnachmittag zu ihren Eltern, Kaffee und Kuchen oder<br />

vergleichbarer Mist. Er hingegen will sich lieber die schöne Bundesliga-<br />

Konferenz auf Premiere anschauen. Ohne sie, ohne ihre Eltern und ohne<br />

Kaffee. Aber mit Bier. Und es liegt ihm sehr am Herzen. Folgender<br />

Dialog findet dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit<br />

irgendwann im Laufe des Samstages statt:<br />

Sie: „Wir sind morgen zum Kaffee bei meinen Eltern eingeladen.“<br />

Er: „Alles klar.“<br />

Wahrscheinlich sogar noch eine Nummer krasser, noch eine Nummer<br />

schwuler:<br />

Sie: „Wir sind morgen zum Kaffee bei meinen Eltern eingeladen.“<br />

Er: „Freu` mich.“<br />

Hier opfert unser Mann also ganz bewußt und aus Erfahrung ein<br />

gewisses Verhaltenmuster (hier: das Widersprechen), aus Angst vor den<br />

potentiellen, bekannten Sanktionen (hier: Vorenthaltung des Beischlafs<br />

oder einen in die Fresse). Er weiß, daß es nichts bringt, seiner Frau zu<br />

erörtern, daß er lieber mit einem Sechserpack Krombacher vor der<br />

Glotze säße, um sich zwei stupide Sonntags-Fußballspiele anzusehen.<br />

Die Frau würde es nicht dulden. Allein der Einwand würde mit hoher<br />

53


Wahrscheinlichkeit bereits sanktioniert. Bereits ein skeptischer oder<br />

erschrockener Blick wäre zu viel des Guten. Also lieber nicht blicken,<br />

lieber einfach geradeaus gucken, einfach dummdreist an die Wand<br />

gucken. Mit den Augen konzentriert einen Punkt an der Wand fixieren.<br />

Und dann ganz schnell antworten. „Alles klar.“ oder „Freu` mich.“ und<br />

dabei unabläßlich die Wand anstarren. Ganz unterbelichtet. Im Idealfall<br />

dabei noch etwas Sabber im Mundwinkel und ein leises, langgezogenes<br />

„Öööööhhhhh...“ auf den Lippen. So wie Patrick Star, der knuffige<br />

Seestern bei Spongebob. Öööööhhhhh...<br />

Vor 15 bis 20 Jahren wäre dieser Dialog richtigerweise komplett anders<br />

abgelaufen. Und zwar so:<br />

Sie: „Wir sind morgen zum Kaffee bei meinen Eltern eingeladen.“<br />

Er: „Du Schatz, fahr` doch bitte allein hin und richte schöne Grüße aus.<br />

Sag` ihnen, ich läge mit Grippe im Bett, Du weißt doch, sonntags ist<br />

immer Konferenz.“<br />

Die Idealform des Dialogs, was für ein Fest! Zu einer Zeit, als die Welt<br />

noch in Ordnung war. Eine freundliche, aber bestimmte Antwort. Das<br />

absolute Non-plus-ultra der zivilisierten Kommunikation, Hut ab!<br />

Heutzutage allerdings völlig undenkbar. Allein der Gedanke ist schon<br />

vermessen. Solch eine schnippische Antwort würde unsere postmoderne<br />

Amazone komplett auf die Palme bringen. Also bitte auf keinen Fall<br />

nachmachen, gibt Ärger.<br />

Und vor 50 Jahren wäre es mit an Sicherheit grenzender<br />

Wahrscheinlichkeit zu folgendem Dialog gekommen:<br />

Sie: „Wir sind morgen zum Kaffee bei meinen Eltern eingeladen.“<br />

Er: „WAAAAAS?!“<br />

Egal. Wir wollen also festhalten, daß in der heutigen Zeit zumeist ein<br />

Mann die Rolle des klassischen Fremdopfers besetzt.<br />

54


Weshalb sollte Gier gut für uns sein, wenn sie auf Zellebene zur<br />

Zerstörung führt?! Denn schließlich ist Gier der Grundfehler der<br />

Krebszellen.<br />

dd) Weitere Gründe<br />

55<br />

(Deepak Chopra)<br />

Wir haben mit Angst, Logik und Erfahrung nunmehr drei plausible<br />

Gründe für die Motivation zur Erbringung eines Opfers definiert. Wir<br />

haben ferner feststellen können, daß jeder dieser drei Gründe selten für<br />

sich allein steht, sondern vielmehr in einer Art Koexistenz zu den beiden<br />

anderen. Also Angst gepaart mit Erfahrung oder Logik gepaart mit<br />

Angst oder was weiß ich.<br />

Bei dem Kerl mit der toten Katze am Anfang dieses Kapitels ist es nicht<br />

nur Angst, die ihn von seinem perversen Treiben abhält. Daneben ist es<br />

vielleicht auch Erfahrung. Weil die Müllabfuhr die Whiskas-Säcke<br />

schon dreimal stehen ließ. Oder auch noch Logik. Weil die Säcke<br />

mittlerweile so stinken, daß man eine krasse Gasmaske im Haus tragen<br />

muß. Logischerweise wird unser Kerl die Säcke dann in den Kofferraum<br />

packen und nachts an irgendeiner Autobahnabfahrt entsorgen.<br />

Oder der Blitzer in dem anderen Beispiel. Ich habe ihn seinerzeit aus<br />

tiefgehender, logischer Überzeugung anzünden müssen, keine Frage.<br />

Doch neben dieser Logik auch aus Angst und Erfahrung. Angst, den<br />

Führerschein entzogen zu bekommen. Zu Fuß gehen zu müssen. Das<br />

Rad zu nehmen. Oder irgendeine bekackte Mitfahrgelegenheit,<br />

womöglich noch den Scheiß-Bus. Vielleicht auch aus Erfahrung. Daß<br />

die Pappe gewiß weg ist, weil ich da nicht zum ersten Mal mit 140<br />

Sachen durchgeballert bin. Daß ich vielmehr kurz vor einem<br />

hochoffiziellen Schreiben aus Flensburg stehe. Die Motive vermischen<br />

sich also, und das ist auch gut und richtig so, aber eigentlich auch egal.


Neben Angst, Logik und Erfahrung gibt es weitere Gründe für die<br />

Motivation zur Erbringung eines Opfers. Geilheit zum Beispiel. Geilheit<br />

ist auch oft Motivation. Ein Mann ist beispielsweise so besoffen und<br />

notgeil, daß er eine ganz fiese Schabracke pimpert. Ganz klassisches<br />

Fremdopfer-Verhalten. Der eigene Anspruch an eine halbwegs<br />

gescheite Frau wird im Vollrausch zugunsten banaler Vögelei mit einer<br />

x-beliebigen, absurden Dorfmatratze geopfert.<br />

Oder Gier. Das naive, kleine Girlie läßt sich ganz fein casten. Bei<br />

Topschnute Heidi Klum zum Beispiel. Es hüpft mit ihren 40 Kilo<br />

Lebendgewicht im Bikini und vor Kälte zitternd nachts irgendwo in<br />

Manhattan im Regen herum, und irgendein Starfotograf knipst es dabei.<br />

Es nimmt an einem Fotoshooting teil! Hach, sind wir heute wichtig.<br />

Very professional! Ist das alles aufregend! Uiuiui... Unser Girlie opfert<br />

also jedwedes Selbstwertgefühl für die schizophrene Vorstellung, durch<br />

ein grenzdebiles TV-Format berühmt oder sogar reich zu werden.<br />

Vielleicht auch nur, um die eigene dumme Fresse mal im TV zu sehen.<br />

Und den ganzen Bullshit aufzuzeichnen. Kann man ja später mal den<br />

Kindern zeigen. Seht her, Mama war mal im Fernsehen. Meine Fresse.<br />

Leider doch ein ganz schlechtes Beispiel. Unser seichtes Girlie ist<br />

nämlich vielmehr Eigen- als Fremdopfer. Dazu im Folgekapitel mehr.<br />

Nichtsdestotrotz kann auch Gier Motivation für die Erbringung eines<br />

Opfers sein. Geldgier, Drogengier, Machtgier, Sonstwasgier. Im<br />

Endeffekt kann nahezu jedes menschliche Bedürfnis, jedes Verlangen,<br />

jedes Gefühl Motivation zur Erbringung eines Opfers sein.<br />

Für uns ist damit die Motivation und die charakterliche Definition des<br />

Fremdopfers ausreichend beschrieben. Unser Fremdopfer muß also<br />

etwas hergeben oder auf etwas verzichten, obwohl es (eigentlich)<br />

überhaupt nicht möchte.<br />

56


Wenn ein Intelligenter die falsche Sache vertritt, ist das noch<br />

schlimmer, als wenn ein Dummkopf für die richtige eintritt.<br />

b) Eingliederung<br />

57<br />

(George Clemenceau)<br />

Halten wir uns unsere bisherige Hierarchie noch einmal vor Augen. Wir<br />

haben den Idioten und den Vollidioten charakterisiert:<br />

Bezeichnung<br />

Fremd-<br />

wahrnehmung<br />

Eigen-<br />

wahrnehmung<br />

tatsächlicher<br />

Status<br />

Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />

smart recht zufrieden recht zufrieden<br />

smart<br />

Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />

Mit unserem Fremdopfer taucht nun eine dritte Figur auf, die es in<br />

diesen Rahmen einzuordnen gilt.<br />

Da unser Fremdopfer bereit und in der Lage ist, sich mit einer kritischen<br />

Situation auseinanderzusetzen bzw. sogar schlußfolgern kann, daß es in<br />

einer gewissen Situation unumgänglich ist, aus diversen Gründen ein<br />

Opfer zu erbringen, muß von einer gewissen Grundintelligenz<br />

ausgegangen werden.<br />

Es verhält sich hier also nicht wie bei unserem stets sehr dummen bis<br />

völlig debilen Vollidioten mit nicht vorhandener Eigenwahrnehmung,<br />

sondern eher wie bei unserem smarten, normalen Idioten. Im einzelnen<br />

verhält es sich wie folgt:


Ein guter Chef nimmt heute von seinen Mitarbeitern weitaus mehr<br />

Belehrungen entgegen, als er diesen erteilt. Das ist jedenfalls meine<br />

Erfahrung. Und das ist auch unvermeidlich. Denn erstens sind die<br />

Mitarbeiter, wie es auf bayerisch heißt, „die Mehreren“. Und zweitens<br />

kennt sich der mit einem Spezialgebiet befaßte Mitarbeiter im Zweifel in<br />

diesem besser aus als sein Chef. Jedenfalls ist es seine Aufgabe, sich<br />

besser auszukennen.<br />

aa) Fremdwahrnehmung<br />

58<br />

(Manfred Rommel)<br />

Unser Fremdopfer wir von unbeteiligten Dritten meist auch als solches<br />

erkannt und bemitleidet. Man sieht eine normal dumme bis zuweilen<br />

recht clevere Person vor sich, die nicht so kann bzw. soll, wie sie gern<br />

könnte oder möchte. Eine überaus tragische Figur, fürwahr. „Hey Du,<br />

mach` zu, mach` zu, trau` Dich nur!“ möchte man unser Fremdopfer<br />

ermutigen. Aber es wird nichts nützen. Einmal drinnen, kommt man aus<br />

der Fremdopferrolle so gut wie nicht mehr raus. Es wird sehr schwer,<br />

sogar sehr, sehr schwer. Es läßt sich kaum in Worte fassen, wie schwer<br />

das wird. Es ist nahezu unmöglich.<br />

Den größten Fremdopferanteil findet man traurigerweise im normalen<br />

Berufsalltag. Wer kennt sie nicht, die Situation: Man hat einen<br />

todlangweiligen Drecksjob als kaufmännischer Angestellter in<br />

irgendeiner lohlappigen 08-15-Klitsche. Eine ausgemachte Mistbude,<br />

die irgendeinen Scheißdreck herstellt und vertreibt. Vielleicht<br />

irgendwelche Rohre oder Muffen. Oder Schrauben. Zurrgurte vielleicht.<br />

Irgendwas total Spannendes eben. Und man ist persönlich für die<br />

Beschaffung des dazugehörigen Materials zuständig. Man kauft also<br />

Blech oder Garn oder sowas ein, damit andere Knechte daraus<br />

irgendeinen Blödsinn basteln können. Vielleicht ist man ja sogar ein<br />

kaufmännischer Sachbearbeiter. Unfaßbar, wie geil das ist.


Und als wäre das eigene, tagtägliche Leid in diesem Drecksjob nicht<br />

schon Bestrafung genug, muß man sich in den meisten Fällen auch noch<br />

permanent mit irgendeinem völlig inkompetenten und inkontinenten<br />

kackfrechen Riesen-Arschloch von Vorgesetzten oder Abteilungsleiter<br />

auseinandersetzen. Eine Witzfigur, die von Tuten und Blasen keine<br />

Ahnung hat. Ein Mistviech. Das man eigentlich auf den Hinterhof<br />

zerren und erschießen müßte. Ein ganz großer Peniskopf mit einer<br />

monumental großen Schnauze. Und null Peilung noch dazu. Ein<br />

vehementer Schwachkopf, ein Hoschi, ein Oimel, ein Affenkopf.<br />

Den man am liebsten mit der hohlen Birne zuerst in Zuckerguß tauchen<br />

und danach kopfüber in einen Ameisenbau stecken möchte. Und danach<br />

noch einen Ameisenbär auf den Kopf drauf, zack. Eine bizarre<br />

Vorstellung! Aber durchaus lustig. Und angemessen. Oder einen Mett-<br />

Igel auf den Kopf drauf, schön Halb und Halb, und dann ab ins<br />

Löwengehege. Wäre auch eine überaus angebrachte Behandlung.<br />

Allerdings nicht so lustig wie die Geschichte mit dem Ameisenbären,<br />

das sollte vorher klar sein.<br />

Alles in allem also ein selten dummes Schwein.<br />

Vielleicht sollten wir ihm lieber die Genitalien in ein Salzfaß tunken<br />

und ihn dann nackt ausziehen und mit Sekundenkleber am Arsch an den<br />

Innenzaun eines Ziegenbock-Geheges kleben. Der würde johlen, mäh.<br />

Vielleicht hat der da auch noch Spaß dran?! Das gibt`s doch wohl nicht,<br />

so eine alte Sau! Da hört der Spaß jetzt aber auf!<br />

Also dann doch lieber den guten, alten LSD-Trip im Nudelsalat, und<br />

danach schön ins Kino zum großen Splatter-Marathon. Saw 1 bis 5 oder<br />

die ganze Zombie-Holocaust-Reihe oder so. Das sollte eigentlich<br />

reichen. Danach wird sich unser Affenkopf mal ein paar Gedanken über<br />

alles machen. Nein, Späßchen: Nach acht Stunden Saw oder Texas<br />

Chainsaw auf LSD wird sich unser Affenkopf nie wieder irgendeinen<br />

Gedanken über irgendetwas machen können, so viel ist mal sicher. Aber<br />

ist ja auch nicht das Schlechteste. Also machen wir es so, ziehen wir es<br />

so durch. Und zack, wieder einmal konnte ein grundlegendes,<br />

zwischenmenschliches Problem durch die Anwendung hochdosierter,<br />

synthetischer Drogen behoben werden. Glückwunsch.<br />

59


Nein, Spaß beiseite. Denn genau hier haben wir eines der größten<br />

Fremdopfer unserer modernen Gesellschaft vorliegen: Wir erschießen<br />

die Ameisen-Birne nicht. Wir ziehen ihr auch nicht unser 9er-Eisen<br />

durch die Visage oder das sprichwörtliche Fell über die Ohren. Und<br />

auch nicht zu den Ziegenböcken oder auf Crack in einen besonders<br />

ausgefallenen Kannibalen-Film. Nein, das unterlassen wir alles. Wir<br />

bleiben lieber höflich und freundlich sitzen und machen gar nichts.<br />

Überhaupt nichts. Wir erzählen dem Mett-Igel sogar noch ganz keck<br />

und unverfroren, wie froh und dankbar wir doch sind, daß wir so einen<br />

ejakulationsverdächtig geilen Job haben dürfen. Daß es schon immer<br />

unser größter Wunsch war, eines Tages mal Garne oder Sockelleisten<br />

oder sogar Aluminium-Zuschnitte für so eine überaus tolle und<br />

sensationell renommierte Firma einkaufen zu dürfen. Unser<br />

Lebenstraum, echt jetzt. Sachbearbeiter aus Leidenschaft, heiliger<br />

Bimbam. Geil, geil, geil. Endgeil, geiler geht nicht mehr. Besten Dank<br />

dafür, Glückwunsch, bla.<br />

Das war jetzt zugegebenermaßen etwas ironisch portraitiert. Fakt bleibt<br />

jedoch, daß unsere normalen Angestellten und Arbeiter heutzutage ganz<br />

tragische Fremdopfer sind, denen zudem noch größte Opfer abverlangt<br />

werden. Allem voran, Vorgesetzte nicht abzustrafen oder zu<br />

mißhandeln, wie sie es eigentlich verdient hätten. Dieses Verhalten bzw.<br />

dieses Opfer erkennen und honorieren Außenstehende, was das<br />

Fremdopfer insgesamt zu einer tragischen, jedoch positiven Figur<br />

macht. Sozusagen zu einer positiv-tragischen Figur.<br />

Und eines dürfte spätestens jetzt auch langsam klar werden: Ohne<br />

unsere Fremdopfer wäre die komplette Gesellschaft und insbesondere<br />

unsere Wirtschaft voll am und im Arsch.<br />

Merke: Das Fremdopfer ist -genau wie der Idiot- immens wichtig für die<br />

Aufrechterhaltung unserer zivilisierten Gesellschaft. Unter<br />

Berücksichtigung der beängstigend stark ansteigenden Vollidioten-<br />

Quote hätten wir sonst ganz schnell sehr bizarre und obskure Zustände,<br />

fast wie in Holland.<br />

60


Bender, Du mußt mir hoch und heilig versprechen, daß Du Dich nicht<br />

hinter`s Steuer setzt ohne ein alkoholisches Getränk in Deiner Hand.<br />

bb) Eigenwahrnehmung<br />

61<br />

(Turanga Leela)<br />

Leider nimmt sich das Fremdopfer selbst nicht als solch positive Figur<br />

wahr. Leider, leider. Aber wer will es ihm verübeln?<br />

Im Gegensatz zum normalen Idioten, der sich selbst als recht zufrieden<br />

wahrnimmt, ist unser Fremdopfer eher unzufrieden. Was auch völlig in<br />

Ordnung ist, angesichts oben beschriebener Zustände. Unser<br />

Fremdopfer merkt aufgrund vorhandener Grundintelligenz, daß es<br />

irgendwie durch irgendwas oder irgendwen gebremst wird. Daß alles<br />

viel besser laufen könnte, wen man unser Fremdopfer nur mal machen<br />

ließe. Bisweilen neigt unser Fremdopfer also zu einem leichten Anflug<br />

von Anarchie. Natürlich nur innerlich. Nach außen hin darf man so<br />

etwas nämlich nicht zeigen.<br />

Unser Fremdopfer stellt sich demzufolge immer öfter die Was-wärewenn-Frage.<br />

Was würde denn passieren, wenn man mal so dürfte, wie<br />

man könnte. Wenn man mal sein volles Potential, welches permanent<br />

aus nicht nachvollziehbaren Gründen unterdrückt bzw. geopfert werden<br />

muß, entfalten könnte?<br />

Nehmen wir mal die Polizei. Polizisten sind ganz klassische Fremdopfer<br />

mit entsprechender Eigenwahrnehmung. Meist sind sie dazu<br />

gezwungen, vernünftiges Handeln zu verwerfen (also zu opfern), weil es<br />

ihnen ganz einfach untersagt ist. Durch Gesetz, durch ihren Polizisten-<br />

Eid, durch sonstwas. Der durchschnittliche Polizist weiß nämlich meist<br />

ganz genau, wie in einer Situation vernünftig zu handeln wäre, gäbe es<br />

nicht Gesetz oder diesen komischen Eid.


Tun wir mal so, als ob: Wir fahren mit unserem Auto in eine Disco, in<br />

einen Club oder zu einem Event in einer Location, wie man so schön<br />

sagt. Nachdem wir die ersten ein, zwei Stunden Cola getrunken haben,<br />

weil wir heute Fahrer sind, treffen wir dann doch den Entschluß, auf<br />

alkoholische Getränke umzusteigen. Was natürlich auch Sinn macht.<br />

Bestimmt hat sich jeder von uns schon einmal gefragt bzw. gewundert,<br />

was das für schräge Vögel sind, die von 23 Uhr nachts bis 5 Uhr<br />

morgens komplett ohne Alkohol und Drogen in der Disse durchfeieren.<br />

Also nüchtern! Vielleicht zwei kleine Cola in den sechs Stunden. Sonst<br />

nichts. Wie kann denn sowas sein? Also entweder haben die keine<br />

Kohle für Stoff oder einen kompletten Lattenschlag. Eines von beiden.<br />

Wir haben bei Geldknappheit früher mit Hansa-Pils oder Rotwein aus<br />

dem Tetrapack vorgeglüht, aber sowas?! Keine Ahnung, aber wir<br />

schweifen auch langsam ab.<br />

Der Konsum von Alkohol und synthetischen Drogen jeder Art ist also<br />

elementares Grundbedürfnis bei unserem Disco-Besuch. Weiß man<br />

eigentlich auch vorher schon. Die ein, zwei Stunden Cola-Saufen am<br />

Anfang sind nur für die Galerie. Man hätte ja gekonnt, wenn man<br />

gewollt hätte und so weiter, bla. Also ballern wir uns mit allerlei<br />

verfügbarem Material die Birne zu, bis wir ganz winzig kleine Augen<br />

haben und wie eine Spitzmaus aus der Wäsche gucken. Und entscheiden<br />

dann sternhagelvoll, trotzdem selbst mit dem Auto nach Hause zu<br />

fahren, was auch zu begrüßen ist.<br />

Die Gründe für unsere Fahrt im Vollrausch können vielschichtig sein.<br />

Vielleicht hat man sich ab 1,8 Promille getraut, Kontakt zu einem<br />

Weibchen aufzunehmen. Und möchte dieses dann schnellstmöglich in<br />

den eigenen vier Wänden besteigen. Bevor es zu besoffen ist oder ein<br />

anderer Asi es tut. Also rein ins Auto und ab nach Hause. Oder es<br />

hängen zwielichtige Figuren ausländischer Herkunft auf dem Parkplatz<br />

herum, und man hat deshalb Angst, das Auto über Nacht dort stehen zu<br />

lassen. Üblicherweise fehlt nämlich tags darauf der Mercedes-Stern.<br />

Oder der ganze Benz ist weg. Soll auch vorkommen.<br />

Wie auch immer, man entscheidet sich klaren Verstandes und reinen<br />

Gewissens nach langem Überlegen zu einer sogenannten<br />

Trunkenheitsfahrt. Zum einen geht das in 99,9% aller Fälle gut. Zum<br />

62


anderen können wir als Gewohnheitstrinker mit 2,2 Promille eh immer<br />

noch besser fahren als andere nüchtern. Außerdem ist unser Verstand<br />

durch den exzessiven Konsum von Kokain und Amphetamin so klar und<br />

wachsam wie schon lange nicht mehr. Sogar unser Taxigeld haben wir<br />

verkokst, was für eine Überraschung. Es liegen also ideale<br />

Voraussetzungen für eine Trunkenheitsfahrt vor.<br />

Also versuchen wir, unser Auto zu finden, um dann selbst nach Hause<br />

zu fahren. Dagegen ist nichts einzuwenden. Findet eigentlich auch die<br />

Polizei. Eigentlich. Doch was wird tatsächlich passieren, wenn wir 200<br />

m vor unserer Haustür am Steuer angehalten werden?<br />

Wäre unser Polizist nicht Fremdopfer, käme es zwischen ihm und uns<br />

nun zu einem charmanten, vor Wortwitz sprühenden und aufgrund<br />

unseres Drogenkonsums sehr warmherzigen Dialog. Nach einer<br />

freundlichen Begrüßung und dem obligatorischen Vorzeigen von<br />

Führerschein und Fahrzeugschein würde unser Polizist nun nicht die<br />

selten dämliche Frage stellen, ob wir Alkohol getrunken oder Drogen<br />

genommen hätten. Wozu auch?! In unserer Karre stinkt es wie in einer<br />

drittklassigen Hafenkneipe, wir selbst haben eine Fackel wie ein toter<br />

Russe, und beim Leuchten der Taschenlampe in unsere Augen zucken<br />

wir zurück wie ein Vampir im Sonnenlicht.<br />

Deswegen erspart sich unser moderner Polizist diese dilettantische<br />

Frage. Was sollten wir auch antworten? „Nein.“? „Weiß nicht.“? „Ist<br />

das eine Fangfrage?!“? So dämlich die Frage, so dämlich sind auch die<br />

potentiellen Antworten.<br />

Unser moderner Polizist bittet uns nun, auszusteigen, um mit uns in<br />

einen Dialog zu treten. Auf den Einsatz des Atemalkohol-Meßgerätes<br />

wird zunächst verzichtet, weil dies uns schlagartig unsere gute Laune<br />

verderben könnte. Und das gehört sich nicht an einem schönen<br />

Samstagabend, das paßt nicht. Und unser Polizist weiß das auch, weil er<br />

sehr gute Manieren hat. Gegenüber uns zumindest. Also versucht unser<br />

Polizist zunächst, unseren Trunkenheitsgrad auf andere Art und Weise<br />

festzustellen, nämlich im Gespräch. Vielleicht danach noch ein wenig<br />

geradeaus gehen oder einen Kopfstand machen, aber zunächst wird sich<br />

unterhalten. Das könnte so aussehen:<br />

63


Polizist: Schönen guten Abend. Polizei. Leider müssen wir Sie<br />

anhalten, weil Ihr linkes Bremslicht defekt ist.<br />

Fahrer: Ja, weiß ich, ist schon seit zwei Wochen kaputt.<br />

Polizist: Ach so. Na dann will ich mal nichts gesagt haben. Dann<br />

wissen Sie es ja schon.<br />

Fahrer: Genau.<br />

Polizist: Um ehrlich zu sein, haben wir Sie schon im Visier, seit<br />

Sie vorhin die Disco ... verlassen haben. Ihr Gang war<br />

stark schwankend, sie haben lauthals gesungen, und kurz<br />

vor Ihrem Auto haben Sie beim Urinieren in die Büsche<br />

erbrochen. Was war denn da los? Fühlen Sie sich nicht<br />

gut? Haben Sie vielleicht etwas Falsches gegessen?<br />

Fahrer: Ach iwo, mir geht`s blendend. Ich bin sturzbesoffen,<br />

und vorhin beim Pissen lief mir die letzte Nase Koks so<br />

bitter den Hals runter, daß ich kotzen mußte. Aber sonst<br />

ist alles in Ordnung, alles im grünen Bereich, Chef.<br />

Polizist: Ja, das hört man auch ganz klar an Ihrem glasklaren<br />

Artikulationsvermögen. Überhaupt ist Ihr Fahrstil die<br />

ganze Zeit sehr gut und sicher gewesen. Sehr<br />

vorbildlich, Hut ab.<br />

Fahrer: Na klar, ist ja auch nicht das erste Mal.<br />

Polizist: Na dann weiterhin noch gute Fahrt und einen schönen<br />

Abend mit der heißen Biene da neben Ihnen. Treiben<br />

Sie`s nicht zu dolle. Auf Wiedersehen.<br />

Fahrer: Bis dann. Tschö.<br />

64


Phantastisch! Ein Dialog, wie er sinnvoller nicht mehr sein kann.<br />

Unglaublich. Überhaupt war die ganze Situation sehr entspannt und<br />

kollegial. Wir waren ehrlich und konnten den Polizeibeamten damit<br />

überzeugen. Aufgrund unseres ehrlichen und souveränen Auftretens hat<br />

unser lieber Polizist dann auch instinktiv richtig gehandelt und uns<br />

weiterfahren lassen. Eine schöne Geste, eine sehr faire Geste. Quasi als<br />

Belohnung für unsere Aufrichtigkeit und unseren vorbildlichen Fahrstil.<br />

So sollte es sein, und in Honkland wäre das auch so.<br />

Leider sind wir aber (noch) nicht in Honkland, sondern in der Realität.<br />

Und die sieht dann doch nicht mehr ganz so rosig aus. Denn in der<br />

Realität ist unser Polizist Fremdopfer und darf wie eben beschrieben<br />

nicht agieren. Nicht mehr. Denn vor ein, zwei Jahrzehnten hätten wir<br />

nach einer ernsten Ermahnung und dem feierlichen Gelöbnis, nie wieder<br />

besoffen zu fahren, die restlichen 200 m bis nach Hause fahren dürfen,<br />

um dort unseren Vollrausch auszuschlafen. Aber heute geht das so nicht<br />

mehr. Heutzutage geht es gleich voll scharf, und das ist ungeheuerlich<br />

und sehr ärgerlich. Weil sich im Laufe der letzten Jahre immer mehr<br />

Vollidioten, Asis, Teenies und andere Gehirnakrobaten besoffen hinter`s<br />

Steuer gesetzt und dann irgendeinen Bockmist verzapft haben, mußte<br />

der Gesetzgeber irgendwann einschreiten. Und die ehemals so<br />

populären und gern gesehenen Trunkenheitsfahrten ganz radikal<br />

reglementieren. Und das kann einen als souveränen und abgebrühten<br />

Trunkenheitsfahrer echt auf die Palme bringen.<br />

Als müßte man nicht schon genug büßen, indem man Vollidioten und<br />

Konsorten die ganze Vögelei und Kinderkriegerei und den ganzen<br />

anderen Blödsinn finanziert. Jetzt nehmen sie einem auch noch das<br />

schöne Privileg der Trunkenheitsfahrt, ja quasi das Recht auf<br />

Trunkenheitsfahrt. Teilweise sogar die Pflicht zur Trunkenheitsfahrt,<br />

wenn alle anderen noch besoffener sind. Ist doch so. Echt voll zum<br />

Kotzen. Irgendwo ist man da auch schon fast so eine Art Fremdopfer.<br />

Unsere Begegnung mit der Polizei wird also ziemlich ernüchternd<br />

verlaufen. Erschreckend ernüchternd sogar. Ernüchternd aber leider nur<br />

im Hinblick auf das Ergebnis, denn wir selbst bleiben weiterhin voll wie<br />

ein Putzeimer, was uns nun ärgerlicherweise zum Verhängnis wird. Wir<br />

werden also sternhagelvoll und abgespeeded wie ein Radieschen von<br />

der Polizei angehalten. Glückwunsch, Jackpot.<br />

65


Diskutiert wird von Anfang an gleich mal gar nicht. Vielmehr spielt<br />

sich eine Szenerie ab, die an ein frühes Stasi-Verhör in der DDR<br />

erinnert. Zackige Begrüßung. Salut! Führerschein & Fahrzeugschein.<br />

Zack, zack. Pusten. Auweia. Scheiße. Zu viel. Sicherstellung unseres<br />

Führerscheines. Sicherstellung! Und zack, ab in die grüne Minna. Auf<br />

zur Wache. Endlos viele dumme Fragen. Fahrzeugschlüssel weg. Arzt<br />

kommt. Blutabnahme. Noch mehr dumme Fragen. Abenteuerliche<br />

Rumhampelei. Dann Taxi, nach Hause, noch fünf Weizenbier rein, und<br />

ab ins Bett. Am nächsten Morgen: Fuck! Haßkappe! Ein ganz schlechter<br />

Film. Pay-TV. Kopfsalat. Ist das wirklich alles passiert?!<br />

Ja, tragischerweise ist alles genau so passiert. Und die grün-weißen<br />

Spitzbuben haben uns nicht nur Autoschlüssel und Restkoks<br />

weggenommen. Vielmehr müssen wir bei einem flüchtigen Blick in<br />

unsere Brieftasche erschrocken feststellen, daß auch unser Lappen fehlt!<br />

Den haben die auch, der wurde nämlich sichergestellt! Was für ein Fest.<br />

Sichergestellt! Uiuiui! Saddams Plutonium kann man sicherstellen.<br />

Oder irgendwelche Sowjet-Geheimpläne zum Bau einer<br />

Strahlenkanone. Aber nein, unser Lappen wird sichergestellt. Und unser<br />

Auto steht auch nicht da, wo es eigentlich stehen sollte. Ätzend.<br />

Es ist nun eine Situation eingetreten, die für alle Beteiligen völlig<br />

unbefriedigend ist: Wir mußten bis frühmorgens vollbreit auf der<br />

Polizeiwache rumkaspern, statt ordentlich zugedröhnt eine geile<br />

Brünette zu vögeln. Denn der geilen Brünetten war das dann auch mal<br />

irgendwann zu blöd. Dieser ganze Tamtam mit den Grün-Weißen und<br />

die ganze hohle Phrasendrescherei, von wegen Sicherstellung und so.<br />

Da ist ihr mal so richtig schön alles vergangen. Aber gründlich. Also hat<br />

sie sich irgendwann aus dem Kaspertheater ausgeklinkt, ist allein zu<br />

sich nach Hause gegangen und hat es sich dort dann ganz fein selbst<br />

besorgt. Was für eine Verschwendung, was für eine Ironie.<br />

Naja, und der betroffene Polizist hätte natürlich auch viel lieber mal ein<br />

Auge zugedrückt. Wohlwissend, was da gleich für eine Sauerei bei mir<br />

zu Hause mit dem Brünettchen abgegangen wäre. Meine Fresse. Aber er<br />

ist ja nun einmal Fremdopfer. Und als solches darf er eben nicht. Als<br />

Fremdopfer muß er leider den sprichwörtlichen Stock im Arsch haben,<br />

ob er will oder nicht. Was für eine Tragik.<br />

66


Am nächsten Morgen wird sich unser Polizist dann auch selbst als<br />

Fremdopfer wahrnehmen. Beim Frühstück ist er total übel gelaunt. Er<br />

könnte glatt drauflos heulen. Am liebsten wäre er sogar im Bett<br />

liegengeblieben und hätte sich krank gemeldet, so übel ist er jetzt<br />

gelaunt. Er muß sich sogar richtig zusammenreißen, um nicht mit seiner<br />

Dienstwaffe einen Warnschuß abzugeben. So fies ist der jetzt drauf, so<br />

schlecht steht es um sein Mütchen. Und man kann es ihm nicht einmal<br />

übel nehmen.<br />

Denn gerade wird ihm bewußt, daß er letzte Nacht mal wieder gegen<br />

seinen Willen zum wehrlosen Fremdopfer prostituiert wurde. Indem er<br />

einem zwar alkoholisierten, aber jederzeit charmanten und vorbildlichen<br />

Autofahrer die Fahrerlaubnis entziehen mußte. Bei dem Gedanken daran<br />

steht ihm die Schamröte ins Gesicht geschrieben. Es wurmt unseren<br />

Polizisten an diesem Morgen so heftig, daß ihm die frisch gewaschenen<br />

Haare zu Berge stehen, als er sich zu seiner Frau an den reichhaltig<br />

gedeckten Frühstückstisch setzt. Was für ein Drama, er könnte glatt aus<br />

der Haut fahren.<br />

Und wenn seine Frau ihn jetzt fragt, was denn los sei, wird er ihr unter<br />

Tränen die ganze Geschichte erzählen. Daß er mal wieder Dienst nach<br />

Vorschrift machen mußte. Schluchz. Daß er ein notgeiles, besoffenes<br />

und zugekokstes Paar durch das starre Befolgen nicht mehr zeitgemäßer<br />

Vorschriften um eine endgeil verschärfte Nacht gebracht hat. Heul. Und<br />

daß er sich selbst auch gern mal wieder ordentlich die Nase pudern und<br />

dann mit seiner Alten wie ein Kesselflicker hökern möchte. Jaul. Denn<br />

so schlecht, wie alle immer sagen, findet unser Polizist das dann doch<br />

wieder nicht. Snief. Aber das darf er lieber keinem sagen.<br />

Tut aber alles auch nicht weiter zur Sache, sowas geht nämlich nicht,<br />

denn unser Polizist ist und bleibt Fremdopfer. Das muß er in dieser<br />

Sekunde leider wieder selbst erkennen. Und er ist nicht sehr zufrieden<br />

damit. Er ist absolut nicht zufrieden damit. Er ist sogar ziemlich<br />

unzufrieden damit.<br />

67


Laß die Leute reden, und lächle einfach mild, die meisten Leute haben<br />

ihre Bildung aus der BILD. Und die besteht nunmal, wer wüßte das<br />

nicht, aus Angst, Haß, Titten und dem Wetterbericht.<br />

cc) Tatsächlicher Status<br />

In unserer Tabelle sieht unser Fremdopfer bislang also so aus:<br />

Bezeichnung<br />

Fremd-<br />

wahrnehmung<br />

68<br />

Eigen-<br />

wahrnehmung<br />

(Die Ärzte)<br />

tatsächlicher<br />

Status<br />

Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />

smart recht zufrieden recht zufrieden<br />

smart<br />

Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />

Fremdopfer normal dumm irgendwie clever<br />

positiv unzufrieden<br />

tragisch<br />

Bleibt demnach nur noch der tatsächliche Status unseres Fremdopfers<br />

festzustellen. Dieser liegt irgendwo in der Mitte zwischen Eigen- und<br />

Fremdwahrnehmung.<br />

aaa) Mentale Ebene<br />

Unter Punkt bb) dieses Kapitels haben wir bereits feststellen können,<br />

daß unser Fremdopfer über eine gewisse Grundintelligenz verfügt. Weil<br />

es bereit und in der Lage ist, zu erkennen, daß es irgendwie durch<br />

irgendwas oder irgendwen gebremst wird. Diese Grundintelligenz liegt<br />

demnach irgendwo zwischen normal dumm und irgendwie clever.


Irgendwie clever insoweit, daß unser Fremdopfer seine Lage erkennt.<br />

Und normal dumm andererseits, weil es nichts daran ändert. So einfach<br />

ist das. Nicht mehr, nicht weniger. Daher sollten wir uns auf die<br />

Charakterisierung fast clever einigen, wenn keiner was dagegen hat, was<br />

aber wohl nicht der Fall sein dürfte.<br />

bbb) Emotionale Ebene<br />

Auf der emotionalen Ebene haben wir positiv und tragisch als<br />

Fremdwahrnehmung und unzufrieden als Eigenwahrnehmung. Wie sieht<br />

es hier tatsächlich aus? Wie steht es tatsächlich um unser Fremdopfer?<br />

Von den genannten Attributen trifft positiv am ehesten den Kern. Allein<br />

schon die unter Punkt aa) herauskristallisierte Theorie, daß die<br />

komplette Wirtschaft bzw. sogar die ganze Gesellschaft ohne<br />

Fremdopfer voll am und im Arsch wäre, wiegt so schwer, daß jede<br />

andere Attribution jenseits von positiv an sich schon als ziemlich<br />

schlechter Witz bezeichnet werden muß<br />

Und bei aller Tragik und Unzufriedenheit wollen wir doch nicht<br />

vergessen, daß sich die dargestellten Personen nicht komplett in ihrer<br />

Rolle als Fremdopfer verlieren. Obwohl sie es sicher könnten. Und man<br />

könnte es ihnen nicht einmal verübeln. Doch nein, nichts da. Sie stehen<br />

erhobenen Hauptes, wie der Fels in der Brandung, zumindest innerlich.<br />

Sie trotzen ihrem Schicksal, ohne sich komplett zu fügen, ohne sich<br />

selbst zu verleugnen. Na, wenn das nicht positiv ist! Wenn wir da nicht<br />

noch alle was von lernen können.<br />

Der tatsächliche Status des Fremdopfers ist so radikal positiv, daß sich<br />

eine ziemlich bekannte Tageszeitung mit vier großen Buchstaben<br />

komplett auf die Zielgruppe der Fremdopfer eingeschossen hat. Kleiner<br />

Tip: Der Name der Zeitung beginnt mit B und endet mit D. Und<br />

Herausgeber ist der Axel-Springer-Verlag. Ach ja, und meist finden sich<br />

sehr sinnvolle Schlagzeilen wie diese auf der ersten Seite:<br />

Elektriker verhaftet! Jetzt ist es aus mit der Schwarzarbeit!<br />

69


Hurra! Welches Fremdopfer liest so etwas nicht gern?! Denn es<br />

bestätigt unser Fremdopfer auf seinem Weg. Weil es selbst vorbildlich<br />

Steuern zahlt und alles akkurat abrechnet. Weil es selbst auf<br />

Schwarzarbeit verzichtet, obwohl es weiß, daß Schwarzarbeit an sich<br />

eine feine und äußerst lukrative Sache ist. Und nun zu sehen, wie ein<br />

anderer Arsch eben wegen Schwarzarbeit inhaftiert wird, bestätigt unser<br />

Fremdopfer auf seinem Pfad der Tugend. Ganz klar, daß unser<br />

Fremdopfer bei der Lektüre dieser anspruchsvollen Schlagzeile<br />

innerlich frohlockt und ihm aber auch ein Stein vom Herzen fällt.<br />

Skandal! Polnische Billigarbeiter klauen unsere Arbeitsplätze!<br />

Auch eine gern gelesene Schlagzeile, die unsere Fremdopfer sehr<br />

wohlwollend zur Kenntnis nimmt. In dem Wissen, selbst einen<br />

absoluten Kackjob zu haben. Aber daneben scheint es ja wohl noch Jobs<br />

zu geben, die noch viel beschissener sind. Ja sogar Jobs, die geklaut<br />

werden. Ist das zu fassen?! Blitzartig relativiert sich das eigene Übel im<br />

eigenen Drecksjob. Ist ja dann doch alles nicht ganz so schlimm, gibt ja<br />

noch viel größeren Mist. Und das macht unserem Fremdopfer Mut, ja,<br />

das gibt Hoffnung, das gibt die Vitamine zurück!<br />

Unser Fremdopfer kann also tatsächlich nur als positiv charakterisiert<br />

werden, wobei gewisse tragische Grundzüge nicht vernachlässigt<br />

werden dürfen. Die tabellarische Eingliederung unseres Fremdopfers ist<br />

damit abgeschlossen:<br />

Bezeichnung<br />

Fremd-<br />

wahrnehmung<br />

70<br />

Eigen-<br />

wahrnehmung<br />

tatsächlicher<br />

Status<br />

Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />

smart recht zufrieden recht zufrieden<br />

smart<br />

Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />

Fremdopfer normal dumm irgendwie clever fast clever<br />

positiv unzufrieden positiv<br />

tragisch tragisch<br />

Phantastisch!


Dir Federn in den Arsch zu stecken, macht Dich noch nicht zum Huhn.<br />

c) Prominente Fremdopfer<br />

Ja genau, phantastisch.<br />

Ganz, ganz doll phantastisch.<br />

71<br />

(Tyler Durden)<br />

Höchst phantastisch, aber zum besseren Verständnis hier jetzt noch<br />

einige Beispiele an prominenten Fremdopfern. Also Fremdopfer, die<br />

mehr oder weniger reich oder berühmt oder sonstwas sind.<br />

Jeder, der jetzt nicht sofort Verona Feldbusch aufschreit, hat das Prinzip<br />

von eben nicht verstanden. Oder Verona Pooth. Kann man auch<br />

aufschreien. Völlig egal, jeder weiß, wer gemeint ist. Man kann jetzt<br />

also beides aufschreien, ergibt beides Sinn, ist beides richtig. Denn<br />

Verona ist das prominente Fremdopfer schlechthin. Der Prototyp des<br />

modernen Promi-Fremdopfers.<br />

Verona machte dies und das, heiratete dann 1996 Dietze Bohlen und<br />

hatte danach einige schlechte TV-Formate wie Peep! und Veronas Welt.<br />

Trotzdem mauserte sie sich im Laufe der Jahre immer mehr zur<br />

ultimativen Werbe-Ikone mit breitgestreuter, gesellschaftlicher<br />

Akzeptanz, was auch gut und richtig so war. Eine sympathische,<br />

hübsche und liebenswerte kleine Lady, die ganz charmant zu ihrem<br />

kleinen Naivitäts-Makel steht. Phantastisch. Gäbe es mehr solcher<br />

Frauen, müßten nicht so viele Männer schwul werden. Gibt es aber<br />

leider nicht. Und die wenigen, die es gibt, heiraten dann Typen wie<br />

Bontempi-Dietze oder Maxfield-Franjo. Tragisch, tragisch, echt jetzt.<br />

Sehr tragisch, äußerst tragisch, ist aber nunmal so. Und ich kann es aber<br />

auch nicht ändern. Sehr tragisch.


Ein Fremdopfer par excellence also.<br />

Veronas Eigenwahrnehmung sollte demnach auch bei irgendwie clever<br />

und unzufrieden liegen. Na klar, sie weiß, daß die mittlerweile echt was<br />

auf dem Kasten hat. Tolle Mutter, clevere Geschäftsfrau, sonstwas. Also<br />

echt irgendwie clever. Tragischerweise aber ebenso unzufrieden. Was<br />

nicht an ihr liegt, sondern an den Luftpumpen, die sie heiratet. Mal<br />

ehrlich, die Süße hätte echt mehr Glück bei ihrer Männerwahl verdient.<br />

Mich zum Beispiel. Verona und Honk, das absolute Traumpaar. Verona<br />

Honk hieße sie dann, klingt doch nicht schlecht. Aber nein, stattdessen<br />

kriegt sie den Super-Dietze und den Inkasso-Franjo. Das ist mal krass,<br />

das ist mal ganz krass. Und wo wir gerade beim Thema sind: Ich kriege<br />

auch noch Geld von Franjo Pooth!<br />

Bei der Fremdwahrnehmung läuft es auf normal dumm, positiv und<br />

tragisch hinaus. Tragisch wegen der eben beschriebenen Ehemänner.<br />

Normal dumm, weil die meisten Gehirnakrobaten nicht in der Lage sind,<br />

Veronas Cleverness auch nur annähernd zu erkennen. Deswegen stufen<br />

sie sie eher in die Dummchen-Sparte ein. Und positiv dürfte wohl auch<br />

jedem klar sein. Denn wenn unsere Vroni kein kleiner Sonnenschein ist,<br />

wer denn wohl dann?!<br />

Veronas tatsächlicher Status ist demnach auch fast clever und positiv.<br />

Positiv ist klar, kleiner Sonnenschein und so. Sympathisch, liebenswert,<br />

einfach nur gut, haben will. Und fast clever, eben leider nur fast clever,<br />

eben wegen ihrer dubiosen Männerwahl. Wäre sie hinsichtlich der<br />

Auswahl ihrer Männer etwas geschickter gewesen, wäre sie schlichtweg<br />

genial. Klingt komisch, ist es auch.<br />

Im Ergebnis also Verona als Paradebeispiel für unser prominentes<br />

Fremdopfer. Daneben gibt es natürlich zuhauf weitere prominente<br />

Fremdopfer, ganz viele, wie Sand am Meer. Allein schon diese ganzen<br />

D- bis F-Promis, leck` mich einer am Arsch. Wobei diese wohl eher der<br />

Vollopfer-Sparte zugeordnet werden müßten, doch dazu kommen wir<br />

gleich. Zunächst nochmal einige prominente Fremdopfer, die wir aber<br />

nicht mehr ganz so ausführlich abhandeln wollen. Denn das Prinzip<br />

sollte mittlerweile verstanden sein. Also hier, zack:<br />

72


Nehmen wir doch gleich mal die männliche Verona: Oliver Kahn!<br />

Unser Oli, Halleluja! Da trifft das Gesagte nämlich alles genau so zu<br />

wie bei der Verona, alles total synchron. Oli wäre echt genial, wenn, ja<br />

wenn er nicht diese Blitzleuchte abgeschleppt hätte. Wobei ein- bis<br />

dreimal Abschleppen ja noch okay gewesen wäre. Aber der läßt seine<br />

scharfe Ehefrau sitzen. Und ist jetzt immer noch mit der Blitzleuchte<br />

zusammen, trotz Fremdvögelei ihrerseits mit so einem komischen<br />

Volltrottel. Oder auch mit mehreren, keine Ahnung, irgendwas muß die<br />

ja schließlich auch können. Auf jeden Fall ist unser Oli immer noch ihr<br />

Stamm-Stecher. Ach Oli! Vorher Stamm-Keeper beim FC Hollywood<br />

und in der Nationalelf, jetzt Stamm-Stecher eines dummblondierten<br />

Wanderpokals, den jeder H-Promi schon ein- oder mehrmal hatte.<br />

Armer Oli, was für eine Tragik, was für ein Drama. Was für ein<br />

Fremdopfer, unser armer Oli.<br />

Oder Bill Clinton, mal ganz andere Sparte. Eigentlich auch clever,<br />

positiv, ziemlich smart sogar. Und steckt dann einer pottenhäßlichen<br />

Unke von Praktikantin einen Stumpen in die Möse. Ja leck` mich am<br />

Arsch! Wieso Bill, wieso??? Wieso gerade die Lewinsky? Was ging da<br />

in Deiner Birne bzw. in Deinen Eiern vor? Warst Du high? Sind die<br />

anderen Praktikantinnen noch fieser? Schwer vorstellbar. Du warst<br />

besoffen, stimmt`s?! Voll wie ein Putzeimer, na klar. Deswegen auch<br />

die Zigarre in die Muschi. Hast den kleinen Bill nicht mehr hoch<br />

gekriegt, was?! Oder Du warst nüchtern und hast beim Ausziehen des<br />

kleinen Monsters etwas Grauenvolles entdeckt. Etwas so Grauenvolles<br />

und Ekelerregendes, daß Little Bill nicht mehr konnte. Vielleicht<br />

Filzläuse in Monikas Pelz? Ach woher denn, das würde einen echten<br />

Kerl nicht stören. Ein echter Kerl hält auch bei Filzläusen rein!<br />

Menstruation vielleicht? Schnickschnack, das macht alle Beteiligten nur<br />

noch geiler. Ganz egal, was es war, Bill und Little Bill konnten oder<br />

wollten nicht mehr. Und um die kleine Kröte nicht komplett zu<br />

verstören und abzuweisen, gab es eine von Fidels Besten in die Büchse,<br />

abfeier. Endgeil. Allein die Vorstellung, was ein Fest! Geil, geil, geil,<br />

Bill. Sehr geil. Aber eben auch dumm. Sehr dumm. Und echt tragisch,<br />

und deswegen ist Bill Clinton leider auch echt Fremdopfer. Und muß<br />

heute zusehen, wie seine Gattin politische Karriere macht, während er<br />

allen nur als Stumpen-Billy in Erinnerung bleiben wird. Tragisch, Bill,<br />

echt tragisch. Ganz üble Geschichte.<br />

73


Bleiben wir in der Politik. Arnold Schwarzenegger. Arnie. Die coolste<br />

Sau der 70er Jahre, der beste Bodybuilder der Welt. Siebenfacher Mr.<br />

Olympia im Bodybuilding: 1970 bis 1975 und dann nochmal 1980.<br />

Yeah, Baby! 1982 dann Conan, 1984 der Terminator. Hasta la vista,<br />

Baby, der Rest ist Geschichte. Für viele ist Arnie die absolute Ikone<br />

überhaupt. Es gab keinen Besseren, und es wird auch in Zukunft keinen<br />

Besseren geben. Und dabei hätte es unser Arnie dann auch belassen<br />

sollen. Hat er aber nicht. Tragischer- und dummerweise ging er<br />

irgendwann in die Politik. Und wurde damit zum Fremdopfer. Denn als<br />

Gouverneur von Kalifornien wird er niemals wieder die Freiheiten und<br />

die Popularität genießen können, die er als King of Bodybuilding und<br />

Mr. Terminator bzw. sogar Mr. Hollywood innehatte. Schade für uns,<br />

tragisch für alle, daher Fremdopfer.<br />

Wir könnten diese Aufzählung beliebig fortführen, teilweise mit den<br />

bizarrsten, schillerndsten und zwielichtigsten Persönlichkeiten. Sie alle<br />

sind irgendwo Fremdopfer aufgrund irgendeiner Tragik:<br />

Donald Duck. Opfer seiner eigenen Aggressionen. Osama Bin Laden.<br />

Opfer von George W. Bush. Boris Becker. Unser Bobbele. Opfer von<br />

irgendwem oder irgendwas, keine Ahnung, was da schief lief. Ralf<br />

Schumacher. Opfer von Cora. Und in sportlicher Hinsicht natürlich von<br />

Michael. Doppelopfer! VW und Porsche. Opfer von Herrn Wendelin<br />

Wiedeking. Also Splitopfer! Xavier Naidoo. Opfer des Marihuanas.<br />

Frau Schaeffler. Maria-Elisabeth Schaeffler. Opfer des Größenwahns.<br />

Die Continental AG. Opfer von Frau Schaeffler. Profisportler. Opfer<br />

des Dopings. Tick. Opfer von Trick und Track. Christoph Daum. Opfer<br />

von Uli und Koka. Auch Doppelopfer, uiuiui! Die Deutsche Bank.<br />

Opfer von Josef Ackermann. Seal. Seal Klum. Opfer von Heidi Klum,<br />

ganz schlimme Sache sowas. Oder hier, die SPD. Opfer von Gesine<br />

Schwan. Noch irgendwer? Ja, Kleinaktionäre. Nein, doch nicht.<br />

Kleinaktionäre sind immer voll am Arsch.<br />

Undsoweiter, undsoweiter, undsoweiter. Die Liste wäre beliebig lang<br />

fortführbar. Für uns an dieser Stelle jedoch völlig ausreichend, um unser<br />

Fremdopfer erschöpfend kategorisiert zu haben. Wir wollen ja<br />

schließlich nicht zu doll auf den Bus(c)h klopfen.<br />

74


Also Du mußt doch schrecklich frustriert sein?! Wie schaffst Du es,<br />

nicht irgendwann über `ne rote Ampel zu fahren und einen Bullen so<br />

lange zu reizen, bis er Dich abknallt?<br />

d) Ergebnis<br />

75<br />

(Charlie Harper)<br />

Mit unserem Fremdopfer (auch passives Opfer oder tatsächliches<br />

Opfer) haben wir nunmehr den zweiten signifikanten Grundpfeiler<br />

unserer Gesellschaft definiert. Unser Fremdopfer kann als clever und<br />

positiv charakterisiert werden, zugleich aber auch als tragische Figur.<br />

Diese Tragik ist es dann letztlich auch, die den Hauptunterschied<br />

zwischen unserem Idioten und unserem Fremdopfer ausmacht, wer hätte<br />

das gedacht?!<br />

Unser Idiot akzeptiert sein Schicksal mehr oder weniger als gegeben. Er<br />

weiß, es ginge vielleicht das ein oder andere mehr oder besser oder<br />

anders, aber nicht für ihn. Ihm reicht das. Vielleicht muß es ihm auch<br />

reichen, vielleicht soll es ihm reichen, alles denkbar. Dies akzeptiert<br />

unser Idiot, damit hadert er nicht. Und daher lebt er eben auch recht<br />

zufrieden, wird von Dritten sogar häufig als smart angesehen.<br />

Vergleichbare Umstände liegen beim Fremdopfer vor. Mit dem<br />

relevanten Unterschied, daß unser Fremdopfer sein Schicksal nicht als<br />

gegeben ansieht, jedoch auch nicht in der Lage ist, etwas dagegen zu<br />

unternehmen. Das Fremdopfer trägt sein Schicksal vielleicht, aber es<br />

akzeptiert es nicht bzw. nur dem Anschein nach. Unser Fremdopfer<br />

hadert geradezu mit seinem Schicksal. Das ist die Tragik, ja die<br />

Dramatik, die das Fremdopfer vom Idioten differenziert. Man könnte<br />

diese Tragik geradezu als ausschlaggebendes Kriterium bezeichnen.<br />

Und diese Tragik macht unser Fremdopfer unzufrieden, sehr<br />

unzufrieden, es wird regelrecht frustriert.


An diversen fiktiven Sachverhalten haben wir diese Unzufriedenheit<br />

bzw. Frustration erörtern können. Da war der in Brand geratene Blitzer,<br />

bei dem uns die Justiz komplett im Stich ließ. Voll zum Kotzen. Wir<br />

hatten unsere postmoderne Amazone, der man unter keinen Umständen<br />

widersprechen sollte. Besser warten, bis uns die Evolution mit<br />

prachtvollen Glocken segnet. Es gab die tote Katze im gelben Sack, es<br />

gab die Ameisen-Birne, es gab den Mett-Igel. Alles Dinge, die wir<br />

opfern mußten, ob wir wollten oder nicht.<br />

Ganz übel wurde auch dem armen Polizisten mitgespielt, der unsere<br />

souveräne Trunkenheitsfahrt auf Kokain unterbinden mußte. Ganz<br />

derbes Opfer. Für ihn, für uns, für alle. Ganz schlimme Sache. Allesamt<br />

Sachverhalte, aus denen die Beteiligten sehr frustriert als Fremdopfer<br />

herausgehen. Alles ganz, ganz schade.<br />

Unser Fremdopfer möchte also aufgrund dieser eklatanten<br />

Unzufriedenheit am eigenen Zustand ganz dringend etwas verändern,<br />

traut sich aber aus diversen Gründen (noch) nicht. In den meisten Fällen<br />

frißt unser Fremdopfer diese Frustration in sich hinein. Und wird<br />

dadurch zwangsläufig irgendwann depressiv. Was dann richtig tragisch<br />

und auch nicht mehr witzig ist, logisch. Ich möchte nicht wissen, wie<br />

hoch die Depressiven-Quote unter normalen Angestellten derzeit ist.<br />

Alle Opfer des Mett-Igels. Oder der arme Polizist, der kurz vor`m<br />

Warnschuß steht. Sehr beunruhigend. Für alle Beteiligten.<br />

Unheilschwanger. Geradezu prekär. Die Situation hat sich zugespitzt. Es<br />

ist also nicht ratsam, die Unzufriedenheit in sich hineinfressen.<br />

Kompensation ist auch Scheiße. Extrem viel Sport. Andauernd neue<br />

Klamotten. Oder ein ziemlich voluminöser Pseudo-Freundeskreis, der<br />

überwiegend aus Arschlöchern besteht, denen man eigentlich lieber<br />

Fußpilz oder Vaginitis gönnt. Alles Scheiße. Bringt alles nichts, löst<br />

alles nicht das Kernproblem. Unser Fremdopfer muß sich trauen, eine<br />

grundlegende Veränderung einzuleiten und diese Veränderung dann<br />

voller Überzeugung auch umzusetzen. Es muß die Umstände, die es in<br />

seiner Fremdopfer-Rolle gefangen halten bzw. es überhaupt erst zum<br />

Fremdopfer machen, mit allen dazugehörigen Konsequenzen abstellen.<br />

Sobald unser Fremdopfer sich einmal dazu entschlossen hat, diesen<br />

steinigen Pfad zu beschreiten, gibt es kein Zurück mehr:<br />

76


Es wird zum Honk! Das ist ganz klar. Das kann man jetzt schonmal<br />

ganz klar sagen. Ohne etwas vorwegnehmen zu wollen. Auf der<br />

emotional-kreativen bzw. vielmehr auf der emotional-aggressiven<br />

Ebene findet folgende Metamorphose statt (so sie denn stattfindet):<br />

Idiot � Fremdopfer � Honk<br />

Heißt ganz einfach: Unser Idiot wird vielleicht eines Tages mit seinem<br />

Idioten-Status unzufrieden, warum auch immer. Und mutiert dann aus<br />

dieser Unzufriedenheit heraus zwangsläufig und völlig frustriert zum<br />

Fremdopfer. Kann so sein, muß aber nicht. Er kann auch glücklich bis<br />

an sein Lebensende als Idiot leben, geht auch. Einmal in der<br />

Fremdopfer-Rolle drin, kommt der Idiot jedoch nicht mehr aus ihr<br />

heraus. Außer durch erneute Mutation. Zum Honk.<br />

Brisanterweise läßt sich also festhalten, daß Idiot, Fremdopfer und Honk<br />

hierarchisch eine Ebene bilden, wobei die Entwicklung vom Idioten<br />

zum Honk zwingend notwendig über die Stufe des Fremdopfers erfolgen<br />

muß. Eine direkte Entwicklung vom Idioten zum Honk ist<br />

evolutionsbedingt völlig ausgeschlossen. Logisch. Denn wieso sollte ein<br />

normaler Idiot, der mit seinem Leben zufrieden ist, quasi über Nacht<br />

zum Honk mutieren?! Das wäre geradezu lächerlich, wenn es nicht eh<br />

schon unmöglich wäre. Zudem völlig unspektakulär. Zum Honk also<br />

immer über das Fremdopfer. Doch dazu später mehr.<br />

Nachdem wir nun den hierarchischen Kontext von Idiot, Fremdopfer<br />

und Honk verifiziert haben bzw. im Rahmen der Behandlung der Honk-<br />

Thematik später noch verifizieren werden, sollte uns aufgefallen sein,<br />

daß unser Vollidiot noch völlig ohne hierarchische Bindung dasteht.<br />

Nicht, daß ihn das sonderlich stören würde. Nein, den stört das nicht,<br />

der kommt eh nicht klar. Wir aber. Wir kommen klar, glasklar, klarer<br />

geht kaum noch. Und da wir besonders klar klarkommen und zudem<br />

noch faire Sportsfreunde sind, suchen wir unserem Vollidioten nun<br />

einen hierarchischen Bezugspunkt. Ja, ganz recht. Das tun wir, denn so<br />

sind wir. Hut ab!<br />

77


Life`s about filmstars and less about mothers, it`s all about fast cars and<br />

cussing each other. But it doesn`t matter `cause I`m packing plastic, and<br />

that`s what makes my life so fucking fantastic. I am a weapon of massive<br />

consumption, and it`s not my fault, it`s how I`m programmed to<br />

function. I look at the sun, and I look in the mirror, I`m on the right<br />

track, yeah I`m on to a winner.<br />

2. Das Eigenopfer<br />

(auch aktives Opfer oder Vollopfer)<br />

a) Definition<br />

78<br />

(Lily Allen)<br />

Irgendwie wache ich morgens mit einer Scheiß-Laune auf. Augen auf,<br />

zack, gleich alles Scheiße. Ätzend. Aber wieso? Kater? Nein, gestern<br />

Abend war ich früh zu Hause. Und ausnahmsweise auch mal nüchtern,<br />

unfaßbar. Vielleicht krank? Erkältung, Infekt? Nein, auch nicht, das<br />

hätte sich irgendwie angekündigt, von wegen kratziger Hals und so.<br />

Aber was ist denn nur los? Warum ist mir denn so flau im Magen? Liegt<br />

heute vielleicht irgendetwas Unangenehmes an? Nee. Nicht, daß ich<br />

wüßte. Eigentlich nicht. Oder doch? War da nicht doch noch was?!<br />

Plötzlich trifft`s mich wie der Schlag!<br />

Sofort springe ich auf und flitze ins Bad. Hose weg, zack, rauf auf die<br />

Schüssel! Und Abfahrt! Dünnpfiff. Dünnpfiff der allerübelsten Sorte.<br />

Wie aus einem voll aufgedrehten Wasserhahn schießt es hinaus.<br />

Genauso stark, genauso flüssig. Es schwallt geradezu aus meinem<br />

winzigen Popoloch heraus. Ganz wässrige Konsistenz, extrem fies dünn.<br />

Bah. Glücklicherweise befindet sich direkt gegenüber der Kloschüssel<br />

die Badewanne, vielleicht 60 cm Luftlinie. Und das ist auch gut und


sehr sinnvoll, das wurde beim Hausbau damals in weiser Voraussicht so<br />

geplant. Denn just im selbem Augenblick kotze ich dort hinein. Voll in<br />

die Wanne. Derselbe Schwall wie der aus dem Arsch. Bah! Das ist ja<br />

widerlich. Zumindest frühmorgens um 11 Uhr.<br />

Es ist nun nicht so, daß beides genau gleichzeitig geschieht, also<br />

Dünnpfiff und Kotzerei im selben Moment. Nein, eher abwechselnd.<br />

Alternierend sozusagen. Also erst hinten raus, dann oben raus. Dann<br />

wieder hinten raus, nochmal hinten raus und wieder oben raus. Arsch,<br />

Mund. Arsch, Arsch, Mund. Und wieder von vorn, hurra. Könnte man<br />

ein hübsches Liedchen draus komponieren, wenn man musikalisch<br />

etwas begabter wäre. C-D-C-C-D. Freude schöner Götterfunken, was<br />

für eine Ironie. Aber egal. Darüber kann ich mir gerade keine Gedanken<br />

machen, weil mir diese alternierende Arschkotzerei alles abverlangt.<br />

Wirklich alles. Die Grenzen physischer und psychischer Belastbarkeit<br />

werden ausgelotet.<br />

Gerade als ich mich daran gewöhnt habe, ist es auch schon wieder<br />

vorbei. Aus, Schluß, Feierabend, ganz toll. Oben kommt nichts mehr<br />

raus, und hinten unten tropft es auch langsam ab. Was für ein<br />

beschissener Start in den Tag! Fieser geht`s kaum noch, aber mal echt<br />

jetzt. Ich fühle mich wie nach einem Exorzismus. Als hätte man mir den<br />

Leibhaftigen ausgetrieben. Die Waage neben dem Klo zeigt vier Kilo<br />

weniger an als gestern. Doch was ist denn nur los? Was soll denn der<br />

ganze Zirkus bloß?<br />

Der Blick in den Kalender läßt die schlimmsten Befürchtungen brutale<br />

Realität werden. Heute ist Donnerstag. Meine Hände zittern. In der 20-<br />

Uhr-Spalte steht etwas eingetragen. Tränen rinnen mir aus den Augen.<br />

Der Würgreiz kommt wieder hoch, doch es kommt nichts mehr raus.<br />

Hinten unten allerdings schon noch. Was ziemlich unpassend und<br />

unangenehm und auch etwas ärgerlich ist, weil ich mir mittlerweile<br />

meine Shorts angezogen hatte. Egal, kann man waschen. Notfalls ihm<br />

Garten abfackeln oder verbuddeln.<br />

Mein zitternder rechter Zeigefinger fährt unterhalb der in der 20-Uhr-<br />

Spalte eingetragenen Worte entlang, während mein Verstand sich<br />

sträubt, die Signale, die ihm meine Augen senden, zu akzeptieren:<br />

79


G - e - r - m -<br />

Scheiße, das war`s. Nur ein instinktiv und blitzschnell eingeschenkter<br />

doppelter Bacardi verhindert meinen plötzlichen Hirntod.<br />

Germany`s Next Topmodel<br />

Und noch ein doppelter Bacardi hinterher. Instinktiv. Zack. Eigentlich<br />

könnte man sich jetzt gleich einen Mixer voll Mai Tai machen und<br />

wieder ins Bett legen. Aber drauf geschissen, Verdrängen ist was für<br />

Früh-Ejakulierer, Flucht was für Feiglinge. Aber nicht für mich, nicht<br />

für den Honk. Und so werde ich mich meinem Schicksal stellen. Stellen<br />

müssen. Und mein Schicksal liegt heute eben darin, um 20.15 Uhr<br />

PRO7 einzuschalten und Germany`s Next Topmodel zu verfolgen. Es<br />

aufzusaugen. Zu analysieren. Vielleicht sogar zu verstehen.<br />

Meine Motivation hierfür ist ebenso simpel wie logisch: Denn wie soll<br />

man höchst professionell und völlig neutral und wertungsfrei ein TV-<br />

Format beurteilen können, wenn man es noch nicht einmal selbst<br />

gesehen hat?! Plumpes Abstänkern kann jeder Pansen. Sarkastisch sein<br />

auch, ist auch nicht besonders schwer. Aber eine persönliche,<br />

professionelle und unabhängige Studie eines modernen TV-Formats<br />

erfordert schon etwas mehr. Sowas erfordert nämlich ein ganz explizites<br />

und kompromißloses Auseinandersetzen mit der zu bewertenden<br />

Materie. Knallharte Recherche! Brilliante Analyse! Und dem werde ich<br />

mich heute Abend stellen. Ich ziehe es durch. Bis 20.15 Uhr habe ich ja<br />

noch genug Zeit, einen der speziellen Situation angemessenen und<br />

gehirnbekömmlichen Promillepegel aufzubauen.<br />

Der Rest des Tages verläuft dann eigentlich ganz normal. Nach zwei<br />

Mai Tai und weiteren sieben Stunden Schlaf bin ich bereit, mich der<br />

abendlichen Herausforderung zu stellen.<br />

Und dann ist es auch schon so weit. 20.15 Uhr. Fahr` ab die Scheiße!<br />

Schnell noch einen Jim Beam rein, und schon werden unsere<br />

potentiellen Topmodels mit einer Hummer-Stretch-Limo abgeholt. Es<br />

geht zu einem Casting mit anschließendem Fotoshooting, Wahnsinn.<br />

80


Mit von der Partie ist auch Rolf, der in der Limo zwischen den Hühnern<br />

sitzt. Und sich auf dem Weg zur Casting-Location ganz spontan zu<br />

einem kecken Hinweis auf die größte Modelagentur von Los Angeles,<br />

an welcher man gerade vorbeifährt, hinreißen läßt. Weitere spannende<br />

Details der Fahrt werden dem Zuschauer dann aber leider vorenthalten.<br />

Noch ein Jim Beam, und wir sind da. In unserer Casting-Location<br />

warten bereits drei Typen mit schlechten Frisuren auf die Models. Einer<br />

von denen soll ein Shootingstar irgendeiner Designerszene sein. Kann<br />

sein, kann nicht sein, keine Ahnung. Ich kenne ihn nicht. Ist mir aber<br />

eigentlich auch ziemlich scheißegal, ich kaufe meine Klamotten bei<br />

Karstadt. Es wird dann kurz erklärt, daß man sich in einer äußerst<br />

denkwürdigen Location befinde, die schon Filmen wie Big Lebowski<br />

und Charlie`s Angels als Kulisse diente. Aha. Gut zu wissen.<br />

Der Zeitpunkt ist gekommen, an dem ich das ganze Kaspertheater<br />

eigentlich schon wieder ganz lustig finde, was aber einzig und allein auf<br />

den Pegel, den ich mir mittlerweile angesoffen habe, zurückzuführen ist.<br />

Bei entsprechendem Pegelstand schleppe ich auch Hühner ab, die ich<br />

nüchtern nicht mal mit dem Arsch angucken würde. Ist nunmal so. Aber<br />

back to Business. Jetzt wird nämlich das große Geheimnis gelüftet, jetzt<br />

kommt der große Paukenschlag: Und zwar darf heute eines unserer<br />

putzigen Teenie-Models anläßlich des fünfzigsten Geburtstags der<br />

Barbie-Puppe von Mattel eben diese in einem Fotoshooting<br />

repräsentieren. Wahnsinn! Die kommen immer auf verrückte Ideen. Das<br />

sind mir doch ein paar verrückte Hunde. Vor lauter Verzückung muckt<br />

mein Arsch schon wieder auf.<br />

Bevor es allerdings soweit ist, kommt es zu einem Go-and-See mit<br />

anschließendem Testshooting. Soll heißen, unsere Mädels müssen sich<br />

zunächst einzeln vor den drei Aushilfsfriseuren in der Jury präsentieren.<br />

Ein bißchen smalltalken. Die kesse Frage, warum man denn glaube, die<br />

perfekte Barbie darstellen zu können, beantworten. Banale<br />

Dummschwätzerei eben, bla. Ein Mädchen gibt vor, bestens für die<br />

Besetzung der Rolle der Barbie geeignet zu sein, weil es als Kind früher<br />

immer mit Barbie-Puppen gespielt habe.<br />

Ein äußerst gelungener Einwand!<br />

81


Bei mir ist das nämlich ganz genauso: Weil ich früher immer mit<br />

Skeletor von den Masters of the Universe gespielt habe, bin ich heute<br />

ein 130-Kilo-Bodybuilder mit hellblauer Haut und Knochengesicht und<br />

reite mit einem halbierten Zauberschwert -dessen andere Hälfte He-Man<br />

besitzt- auf einem lila Panther durch die Innenstadt. Und in den Krieg<br />

gegen andere bunte Bodybuilder, allen voran gegen besagten He-Man.<br />

Und auch gegen Man-At-Arms. Gegen das ganze Gesockse halt, das<br />

sich so auf Castle Grayskull rumtreibt. Oder ich setze mir einen<br />

überdimensionalen, schwarzen Helm auf und fuchtele mit einem roten<br />

Lichtschwert in der Gegend herum. Luke, Obi-Wan hat Dir nie erzählt,<br />

was wirklich mit Deinem Vater passiert ist.<br />

Hach, wie geil das wäre...<br />

Egal. Unsere Girlies müssen nun unter anderem ein Puppengesicht<br />

simulieren. Wat? Ein Puppengesicht? Erste Zweifel kommen in mir auf.<br />

Wie soll denn das bitte gehen? Wie soll man denn bitte ein<br />

Puppengesicht simulieren? Ein Arschgesicht vielleicht. Das ginge. Oder<br />

ein Backpfeiffengesicht. Ginge auch. Ein Blockflötengesicht. So mit<br />

ganz spitzem Schnäuzchen. Das könnte man auch sehr gut simulieren.<br />

Aber ein Puppengesicht? Entsprechend sinnfrei blicken auch einige der<br />

Mädels aus der Wäsche.<br />

Nachdem das dann aber auch irgendwie geklärt wird, ist das See-and-<br />

Go vorbei, und die erste Entscheidung steht an: Welche drei Mädels<br />

dürfen am nun folgenden, heißbegehrten Testshooting teilnehmen?<br />

Die Auswahl unserer drei smarten Friseure fällt auf Marie, Sarah und<br />

Mandy! Ich persönlich hatte zwar gedacht, daß Sarah, Mandy und<br />

Larissa das Rennen machen, aber egal. Die Jury wird sich schon ihre<br />

Gedanken gemacht haben, so viel steht fest. Große Enttäuschung<br />

natürlich bei den anderen Mädels. Ein Mädchen ist traurig, daß es nicht<br />

mit ausgewählt wurde, weil dieses Testshooting ja doch eine ziemlich<br />

große Sache sei. Doch plötzlich läßt die Jury die Bombe platzen: Heute<br />

darf ausnahmsweise ein viertes Mädel mit dabei sein. Ist das zu fassen?!<br />

Ihr verrückten Hunde, Ihr! Immer für eine Überraschung gut. Ein viertes<br />

Mädel, genial! Und es ist Larissa, hurra! Alles wieder gut, alles wieder<br />

toll, Leben macht wieder Sinn.<br />

82


Und Schnitt. Es folgt das erste Highlight der Sendung. Ach was, es folgt<br />

das Highlight schlechthin. Der Bildschirm erstrahlt in hellem Glanze,<br />

denn nun gibt Heidi Klum ihr erstes Statement ab. Ja, ganz recht, Heidi<br />

Klum herself. Amazing! Exciting! Unbelievable! Heidi Klum! Die<br />

Grandmother of Grimasse. Die Königin des Schnute-Ziehens und<br />

Augen-Rollens. Die Göttin der geilen Gestiken. Das Schnäuzchen, unser<br />

Schnäuzchen. Die Maske. The Face. Uschi Augenroll. Unser Klümchen<br />

eben. Nie zu schade für eine alberne Grimasse oder ein super-trendy<br />

Handzeichen.<br />

Aber schade, heute zeigt Frau Klum keine lustige Grimasse, wie sie es<br />

sonst immer so gern tut, wenn sie ihre Schnute in irgendeine Kamera<br />

hält. Schade, schade, sehr schade. Denn ich hatte mich sehr auf eine<br />

Grimasse gefreut. Doch leider gibt es heute keine. Heute gibt es nicht<br />

einmal eines ihrer beliebten Handzeichen, wie zum Beispiel den Peace<br />

oder das Victory, vom doppelten Victory ganz zu schweigen. Auch nicht<br />

den hohen Daumen, nicht den Schumi und erst Recht nicht den Alonso.<br />

Mist. Bockmist. Also letzteren hätte sie ruhig mal bringen können.<br />

Immerhin hat sie mit Vorzeige-Lustgreis Flavio Briatore ein Kind<br />

zusammen. Aus den guten, alten Zeiten. Als auf Flavios Porno-Yacht<br />

noch so richtig schön die Post abging, heiliger Bimbam. Aber nee, auch<br />

den Alonso gibt es heute nicht.<br />

Ferner gibt es nicht den Colt, den Revolver, den doppelten Revolver<br />

(weder parallel, noch versetzt), den Ackermann, den Ackermann light,<br />

die Fist, die Double-Fist, die Reverse-Fist, die Reverse-Double-Fist,<br />

den Vader, den Van-Vader, den Big-Van-Vader, den Tomahawk, den<br />

Gipsy King, die Säge, die doppelte Säge, die Handsäge, die Kettensäge<br />

und leider auch nicht die Kreissäge oder die Laubsäge. Und schonmal<br />

gar nicht den Hacksaw bzw. die Jigsaw. Ja nicht einmal den Spaceball,<br />

die Air-Fist oder den Mitsubishi. Und aber auch den Last-Ride und den<br />

Big-Trouble-in-little-China nicht. Nein, nein, nein, das alles gibt es<br />

heute nicht. Und das ist sehr, sehr schade. Und zudem sehr, sehr<br />

ungewohnt. Geradezu beunruhigend ungewohnt. Ein ungewohntes Bild,<br />

denn Frau Klum ist heute sehr, sehr ernst. Ungewohnt ernst, könnte man<br />

sagen. Und so gibt es heute weder Grimassen, noch Handzeichen, noch<br />

Kombinationen hieraus. Und das ist aber auch gar nicht weiter<br />

verwunderlich, wenn wir mal ganz ehrlich zu uns selbst sind:<br />

83


Denn schließlich sind wir ja hier nicht in irgendeiner beliebigen<br />

Boulevard-Zeitung oder irgendeiner Katjes-, Douglas-, McDonald`s-<br />

oder Sonstwas-Reklame. Nein, wir sind hier bei Germany`s Next<br />

Topmodel. Bei GNT! Und das ist hartes Business. Hammerhartes<br />

Business. Keine Mätzchen, keine Faxen! Wir suchen hier unser nächstes<br />

Supermodel, die neue Repräsentantin unserer Nation auf den<br />

internationalen Laufstegen. Die Angela Merkel des Catwalk. Ich glaube,<br />

den meisten von uns ist gar nicht klar, wie wichtig das ganze Format ist.<br />

Und deswegen ist dann auch mal Schluß mit lustig hier.<br />

Also ganz klar: Das ganze Format ist so impertinent wichtig, daß eine<br />

lustige Grimasse von Frau Klum völlig unangemessen und deplatziert<br />

wäre. Und das weiß sie auch, deswegen läßt sie es ja bleiben. Vielmehr<br />

schlüpft sie in die Rolle der eiskalten Pseudo-Domina, wenn die<br />

Bewertung eines ihrer Mädchen ansteht. Zack. Rohrstock raus und<br />

drauf. Zack! Ein Schauer läuft mir den Rücken runter. Mein Blut<br />

gefriert in den Adern. Kurz: Ich grusel` mich ganz fürchterlich. Ich<br />

grusel` mich so sehr, daß ich schon wieder einen feuchten Futzi in der<br />

frischen Unterhose habe. Also hinten unten. Vor Angst. Nicht vorne und<br />

vor Glück. Leider nicht. Hinten unten, vor Angst. Obwohl mich die<br />

Vorstellung mit dem geilen Rohrstock dann doch auch noch ein bißchen<br />

scharf gemacht hat.<br />

Egal. Ich habe genug gesehen. Mehr als genug, wenn ich ganz ehrlich<br />

bin. Es ist also an der Zeit, die Glotze abzuschalten. Und sich mal<br />

ordentlich den Arsch abzuwischen. Eigentlich könnte man auch mal<br />

unter die Dusche gehen. Den Mischmasch aus frischer Kacke von eben<br />

und den Überresten des morgendlichen Dünnpfiffs, die nunmehr<br />

verkrustet und verkräuselt in den Arschhaaren kleben, mal schön heiß<br />

abduschen. Naja, vielleicht später. Denn ohne es zu wissen, haben wir<br />

soeben unser Eigenopfer charakterisiert. Unser Vollopfer. Vielmehr den<br />

Prototypen des modernen Vollopfers. Das Vollopfer schlechthin.<br />

Anmerkung: Bitte die zwei Folgeseiten zunächst überspringen und<br />

mit der Lektüre auf Seite 87 fortfahren.<br />

84


Ohhh... Du bist wundervoll, egal was Du machst. Es ist wundervoll,<br />

wenn Du weinst, weil Du lachst. Was ich sagen soll, weiß ich selbst<br />

nicht mehr. Du bist geboren, um wundervoll zu sein.<br />

b) Alternative Definition (Ich will nicht in die Hölle!)<br />

85<br />

(Giovanni Zarrella)<br />

Also irgendwie wache ich morgens mit einer spitzenmäßigen Laune auf.<br />

Augen auf, gleich alles spitze, alles total geil. Was für ein total endgeiler<br />

Tag das heute wird, das weiß ich jetzt schon. Denn heute ist Donnerstag.<br />

Und Donnerstag bedeutet Topmodel-Tag für mich. Ja, ganz richtig,<br />

Topmodel-Tag. Und zwar nicht nur für mich, sondern für unsere<br />

gesamte Nation. Für uns alle. Denn jeder von uns fiebert dem<br />

Donnerstag entgegen. Und wer da nicht mitfiebert, dem ist dann aber<br />

auch nicht mehr zu helfen. Früher freute man sich auf Freitag, auf<br />

Wochenende, heute freut man sich auf Donnerstag. Scheiß auf Freitag,<br />

wir freuen uns auf Donnerstag. Auf Donnerstag, 20.15 Uhr. Auf die<br />

nächste brandheiße, megatrendyge und topaktuelle Ausgabe von<br />

Germany`s Next Topmodel!!!<br />

Yeah, Baby, das ist der geile Stoff! Scheiße, ich bin so geil drauf und<br />

aufgeregt und so voller Vorfreude, daß mir gleich voll einer abgeht. So<br />

geil bin ich morgens schon drauf, wenn ich weiß, daß abends meine<br />

Stars von GNT wieder meinen TV-Bildschirm voller Glanz und Gloria<br />

erstrahlen lassen. Wenn ich weiß, daß ich abends wieder das Klümchen<br />

sehe. Das Klümchen, unser Klümchen, mein Klümchen! Unfaßbar, wie<br />

geil das Leben sein kann. Und unser Klümchen läßt uns voller Gnade an<br />

diesem geilen Leben teilhaben. Mann, Mann, Mann, mal lieber ganz<br />

schnell einen doppelten Bacardi rein, bißchen runterkommen. Sonst<br />

schnalle ich noch ab vor lauter Vorfreude und guter Laune. Mann, ist<br />

das wieder sowas von geil heute.


Und wer mich jetzt ein bißchen besser kennt, der weiß auch, daß ich das<br />

völlig ernst meine. Daß ich der absolute Hardcore-GNT-Fetischist bin.<br />

GNT ist mein Leben! Also zack, schön Bacardi rein und hoffen, daß es<br />

so schnell wir möglich 20.15 Uhr wird.<br />

Der Rest des Tages verläuft dann eigentlich ganz normal. Nach acht<br />

Stunden Internet-Chat mit meinen Freundinnen und Freunden aus dem<br />

GNT-Forum und dem daraus einhergehenden Konsens, daß Larissa<br />

unsere absolute Favoritin ist (und zwar vor Mandy und Sandy), ist es<br />

dann endlich so weit. 20.15 Uhr, hurra!<br />

Unsere bezaubernden Mädels werden heute zusammen mit Rolf in einer<br />

atemberaubenden Hummer-Stretch-Limo zu einer international<br />

bekannten Casting-Location gefahren. Dort werden Sie von drei<br />

gutaussehenden Superstars der aktuellen Mode- und Designerszene<br />

empfangen. Hintergrund ist nämlich der, daß unsere Mädels nach einem<br />

kurzen Meet-and-Greet die legendäre Barbie-Puppe von Mattel<br />

repräsentieren sollen. In diesem Hide-and-Seek geht es dann zunächst<br />

darum, ein Puppengesicht zu simulieren. Meiner Meinung nach ein<br />

besonders genialer Schachzug, denn so kann man am ehesten erkennen,<br />

wer die beste Besetzung für den Barbie-Job sein könnte. Und so kommt<br />

es dann auch, daß das Rest-in-Peace vorbei ist und Marie, Sarah, Mandy<br />

und auch noch Larissa das Casting für das begehrte Barbie-Shooting<br />

bekommen. Ich freue mich riesig, obwohl ich nicht sonderlich<br />

überrascht bin. Denn diese Reihenfolge hatten wir heute Nachmittag im<br />

GNT-Forum bereits intern online gevotet.<br />

Es folgt das erste Highlight der Sendung, denn nun gibt Heidi Klum ihr<br />

erstes Statement ab. Unsere Heidi, endlich! Sofort erstrahlt mein<br />

Gesicht ebenso hell wie der Fernsehschirm. Der ganze Raum ist von<br />

einer Aura erfüllt, die mit normalen Worten nicht mehr zu beschreiben<br />

ist. Halleluja! Heidi Klum, unser Klümchen, unser Topmodel. Vergeßt<br />

Naomi, vergeßt Claudia, vergeßt Gisele. Klümchen, sonst keine.<br />

Klümchen, ich liebe Dich! Peace, Victory, Knutschmaul.<br />

Muß reichen...<br />

86


Wenn es um Eitelkeit und das Versprechen von Popularität geht,<br />

nehmen diese Menschen alles auf sich: Die größte Demütigung, den<br />

größten Schmerz, die größte Lächerlichkeit und tiefe Häme.<br />

c) Eingliederung<br />

87<br />

(Wolfgang Joop)<br />

„Was ist denn mit dem los?“ höre ich die Leute schon aufschreien. „Der<br />

ist wohl vom Wickeltisch gefallen?!“ Mitnichten! Weder vom<br />

Wickeltisch gefallen, noch zu heiß gebadet, noch mit dem Kopf in den<br />

Mixer, noch sonstwas. Daß ich heute so ein verdorbenes und asoziales<br />

Subjekt bin, verdanke ich einzig und allein Klümchen und Konsorten.<br />

Die haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Eine niedere<br />

Kreatur. Ein Asozialer. Ein Pansen! Ein exzentrischer Wirrkopf. Ein<br />

ausgemachtes Stück Blödheit. Ein Lump, ein Oimel, ein Schakal. Ein<br />

Kretin, eine miese Kröte. Ein Honk! Ja genau, ein Honk. Ist aber alles<br />

nicht meine Schuld, alles deren Schuld. Ich kann da mal gar nichts für.<br />

Mein Leben war so schön, ich war sogar auf der Uni!<br />

Alles hätte so richtig gut laufen können, so richtig schön. Aber nein. Es<br />

lief nicht gut. Nichts lief gut. Und auch nicht schön. Es lief komplett<br />

anders. Es lief schlecht, es lief ziemlich schlecht. Es lief eigentlich total<br />

beschissen, es ging voll in die Hose. Denn irgendwann hat es im Kopf<br />

Klick gemacht. Klick, Flatline, Braindead, hurra. Und jetzt haben wir<br />

den Salat. Jetzt bin ich voll am Arsch. Aber so richtig. Mal so richtig<br />

schön voll am Arsch, aber sowas von. Nichts geht mehr, rien ne va plus.<br />

Sendepause. Eigentlich ein ganz klassisches Fremdopfer. Ganz<br />

klassisch. Wenn ich nicht bereits der Honk wäre. Ziemlich komisch<br />

gelaufen, die ganze Geschichte. Ziemlich crazy, könnte man sagen.<br />

Amazing. Exciting. Nein, eigentlich doch nicht. Eigentlich dann doch<br />

eher etwas disgusting. Denn ganz so lustig ist das dann auch wieder<br />

nicht. Egal.


Halten wir also fest, daß dieser ganze Topmodel-Zirkus nicht nur selten<br />

hohl und an Banalität nicht mehr zu überbieten ist, sondern ferner<br />

anständige und unbescholtene Zeitgenossen zu Vorzeige-Asis und<br />

Hobby-Gangstern mutieren läßt. Schlimmer noch, zu Honks! Ich habe<br />

die Transformation am eigenen Leib erfahren. Erfahren müssen, denn<br />

das hier ist ein Tatsachenbericht. Ein Tatsachenbericht! Allein die<br />

Folge, in der die olle Transe vom Beckham da war. Leck` mich am<br />

Arsch. Victoria Beckham. Was für eine Nebelkrähe. Voll die Mumie,<br />

und das in dem Alter. Und selbstverständlich auch absolutes Vollopfer.<br />

Das sollte mittlerweile aber jeder selbst eruieren können. Auf jeden Fall<br />

paßt die da bestens rein bei Klum und Konsorten. Wie die Faust auf`s<br />

Auge. Die ist sogar doppelt schuldig. Hat aus ihrem Mann, der einst ein<br />

echt geiler Typ und klasse Fußballer war, ein Fremdopfer par excellence<br />

gemacht. Schämen sollte die sich!<br />

Stattdessen turnt die da mit ihren 32 Kilo Lebendgewicht im Opfer-TV<br />

rum. Superkrass. Also Fernsehen von Opfern und mit Opfern, für Opfer<br />

und mit Opfer-Gästen. Also wir reden hier über reine Vollopfer, damit<br />

es keine Mißverständnisse gibt. Komplettes Vollopfer-TV. Imbezillität.<br />

Unfaßbar. Allein die Folge mit Posh Spice Beckham hat mich mehr<br />

Gehirnzellen gekostet als 80 Flaschen Sambuca. Wahnsinn. Habe ich<br />

alles recherchiert, alles absoluter Wahnsinn. Und Posh Spice sieht<br />

mittlerweile aus wie ein lebendig gewordener Headknocker, also eine<br />

Wackelfigur aus Kunstharz, bei der ein riesiger, überdimensionaler<br />

Schädel auf einem verhältnismäßig extrem kleinen Körper sitzt.<br />

Beziehungsweise aufgrund der Schwere des Kopfes im Verhältnis zum<br />

Rumpf aus physikalischen Gründen unentwegt hin und her wackelt. Die<br />

ganze Zeit. Völlig absurd.<br />

Tja, und da verwundert es kaum, daß Tante Heidi heute keine Lust auf<br />

einen Augenroller oder eine lustige Grimasse hat. Einen Mundwinkel<br />

hoch, den anderen runter, dabei frech nach außen geschielt. Und dazu<br />

ein Victory-Zeichen und mit der anderen Hand den doppelten Schumi.<br />

Nein, der Spaß ist ihr mal ganz gründlich vergangen. Denn sie weiß<br />

über den Wahnsinn Bescheid, sie weiß über die Headknocker Bescheid,<br />

über alles! Sie ist sich ihrer Schuld voll bewußt. Und deswegen erfriert<br />

ihr heute jede Grimasse bereits im Ansatz. Schade für uns, also für uns<br />

Grimassen-Liebhaber, aber nicht zu ändern.<br />

88


Ein Topmodel ist sie nicht, sondern ein Werbegirl. Wo in der High<br />

Fashion hat jemand dieses Dauergrinsen? Heidi Klum ist ein<br />

Musterbeispiel einer gewissen Perfektion, aber in der Mode suchen wir<br />

nicht den Mainstream, sondern das Einzigartige, das Individuelle. Sie<br />

hingegen ist der Durchschnitt in Perfektion.<br />

aa) Eigenwahrnehmung<br />

89<br />

(Wolfgang Joop)<br />

Okay, der Spaß ist ihr natürlich nicht vergangen. Unser Klümchen muß<br />

deshalb so fies und schnippisch sein und auf lustige Grimassen<br />

verzichten, weil das zum Konzept der Sendung gehört. Ist doch klar.<br />

Stichwort Pseudo-Domina. Und zack.<br />

Sie kann ja wohl kaum einen auf Grinsekasper machen und dann eines<br />

ihrer epochalen Statements ablassen. „Trallali, trallala, Du bist zu fett<br />

und damit jetzt auch draußen. Ätschi-Bätsch und Bussi-Bussi.“ Und<br />

Knutschmund dazu. Das wäre ziemlich unpassend. Und ein bißchen<br />

schizo obendrein.<br />

Wir stellen also fest, daß sich die ganze Thematik offensichtlich<br />

ziemlich diffizil und verzwickt gestaltet. Daher müssen wir jetzt auch<br />

bei unserer Analyse der Eigenwahrnehmung des Vollopfers sehr penibel<br />

zwischen eigener Eigenwahrnehmung des Vollopfers und<br />

Eigenwahrnehmung der Vollopfer untereinander differenzieren.<br />

Ist nunmal so.


Heidi Klum kenne ich nicht. In Frankreich hat es sie nie gegeben. Auch<br />

Claudia Schiffer kennt Heidi Klum nicht.<br />

aaa) Eigene Eigenwahrnehmung des Vollopfers<br />

90<br />

(Karl Lagerfeld)<br />

Der Spaß ist ihr also nicht vergangen. Keineswegs, nicht im geringsten.<br />

Niemals. Wie sollte er auch?! Voraussetzung hierfür wäre ein bewußtes<br />

Auseinandersetzen mit der Realität. Also Realität insoweit, als daß man<br />

selbst nicht annähernd so endgeil und oberwichtig ist, wie man immer<br />

tut bzw. wie man es gern wäre. Daß man eigentlich nichts weiter tut, als<br />

unentwegt heiße Luft in die Welt zu furzen. Und zwar aus dem Maul<br />

raus, nicht aus dem Arsch. Daß es bis auf ein paar Handvoll<br />

fehlgeleiteter Teenies und Aushilfs-Nageltanten absolut kein Schwein<br />

interessiert, was man da ständig rausposaunt. Daß man eigentlich nervt<br />

und bei der überwiegenden Mehrheit derer, die man pausenlos mit der<br />

Darstellung der eigenen Selbstgeilheit malträtiert, diverse Mißstände<br />

und Kotzkrämpfe und sogar Suizid-Gedanken verursacht.<br />

Das wäre doch mal ein bewußtes Auseinandersetzen. Ein bewußtes und<br />

ehrliches Auseinandersezen mit der Realität. Doch dazu kann und wird<br />

es nie kommen. Denn unser Vollopfer wiegt sich selbst in permanenter,<br />

allumfassender und vollkommener Sicherheit. Es käme nie auf die Idee,<br />

daß es auf diesem Planeten auch nur einen einzigen Menschen geben<br />

könnte, der es nicht total endgeil und very important findet und sofort<br />

wie vom Blitz getroffen in Verzückung gerät. Es fehlt also von Anfang<br />

an bereits jedwede Erkenntnis in alles. Zumindest in alles, was mit der<br />

Realität zu tun hat. Man müßte unser Vollopfer zu solch einer<br />

Erkenntnis geradezu zwingen. Leider. Wahrscheinlich sogar mit<br />

Gewalt. Denn Gewalt ist immer eine sehr gute Lösung. Und leider geht<br />

es hier auch nicht anders.


Um also die Verantwortlichen auf die Mißstände und Kotzkrämpfe und<br />

Suizid-Gedanken aufmerksam zu machen, die deren grenzdebiles<br />

Model-Format bei uns verursacht, müßten wir folgerichtig erstmal bei<br />

PRO7 auftauchen. Zack, da wären wir. Dann bei denen die Tür<br />

eintreten. Und mit der bis zum Anschlag vollgeladenen, polnischen<br />

Pumpgun eines der 40-Kilo-Surfbretter in Geiselhaft nehmen. Amazing!<br />

Nein, nicht die Pumpgun. Besser ein Nutella-Brot. Die krass fette<br />

Nutella-Stulle! Wer mir zu nahe kommt, kriegt das Ding hier in die<br />

Fresse! Exciting! Oder hier, die Sahnetorte. Zack! Nimm hin.<br />

Unbelievable! Oder noch besser, gleich Peyman und den anderen<br />

Hampelmann als Geisel. Knüppel auf den Kopp und ab in Sack. Kann<br />

man alles machen, macht alles Sinn, alles sehr positive Gewalt. Ist alles<br />

vertretbar, wenn man auf diverse Mißstände aufmerksam machen<br />

möchte. Ist sozusagen Notwehr, können wir uns wieder drauf berufen.<br />

Klümchen selbst könnten wir allerdings nicht als Geisel nehmen,<br />

versteht sich wohl von selbst. Weil dabei stets die Gefahr bestände, daß<br />

sie uns völlig überraschend mit einer besonders ausgefallenen, uns bis<br />

dato nicht bekannten Grimasse um den Finger wickeln könnte. Oder<br />

sogar mit einer Grimassen-Handzeichen-Kombo. Beispielsweise Zunge<br />

raus und Augen zu, dazu den rechten kleinen Finger hoch und in die<br />

Luft gepiekst. Oder den Gipsy-King voll aus der Hüfte geschossen. Und<br />

zack, wär`s um uns geschehen.<br />

Also Klümchen nicht als Geisel. Nein, natürlich nicht. Ist doch auch eh<br />

alles nur Spaß hier. Alles nur Jux. Klümchen ist cool, ihre Sendung ist<br />

cool, und die Alte vom Beckham natürlich auch, na klar. Alle cool, alle<br />

geil. Ich aber leider nicht. Und deswegen bin ich eigentlich auch nur<br />

neidisch. Weil ich niemals so geil sein werde bzw. werden kann wie<br />

Heidi & Friends. Alles Neid, purer Neid, blanker Neid. Und<br />

Hochachtung. Krasse Hochachtung. Echt jetzt. Im wahren Leben bin ich<br />

sogar Klümchen-Fan! Ehrlich. Denn unser Klümchen kann man nur<br />

beneiden. Es hat alles, was ein Mensch sich nur wünschen kann.<br />

Einfach alles. Viele kleine Kinder, ein paar originelle Väter dazu,<br />

Kohle, Ruhm, blonde Haare, einfach alles. Bestimmt auch zwei, drei<br />

schöne Häuser, vielleicht sogar in Malibu. Und bestimmt auch den<br />

größten und schnellsten Multivan der Welt, so von wegen 20 Sitzplätze<br />

und 650 PS. Wahnsinn, absoluter Wahnsinn.<br />

91


Einfach nur Wahnsinn. Wahnsinn auch, was unsere Heidi da immer für<br />

außergewöhnlich krasse Typen und besonders schillernde<br />

Persönlichkeiten als Lover am Start hat. Mein lieber Herr<br />

Gesangsverein! Selbst verglichen mit mir finde ich die Jungs echt<br />

hammerhart und übelst krass. Und das soll mal was heißen.<br />

Ric Pipino, ein völlig bizarrer Friseur. Habt Ihr den schonmal gesehen?<br />

Müßt Ihr Euch unbedingt mal im Netz angucken, kann ich nur<br />

empfehlen. Immens smarter Spitzbube, vom Feinsten. Dann Affäre und<br />

Kind von Porno-Opa Flavio Briatore. Von Briatore! Allein der<br />

Gedanke! Boah. Heftig. Zwischendurch noch ein bißchen was mit<br />

Sexmaniac Anthony Kiedis, dem verschnupften Frontmann der Red Hot<br />

Chili Peppers. Heiliger Bimbam! Und jetzt ist Seal an der Reihe.<br />

Ja was ist denn da los?! Grundgütiger, ist das eine fiese Mischung. Da<br />

ist ja gar kein System erkennbar. Ist ja schlimmer als ein Kleinkind in<br />

Disney-World. Erst Pommes, dann Karussell, dann Zuckerwatte, dann<br />

Achterbahn. Wer kommt als nächstes? Udo Lindenberg? Krusty der<br />

Clown? Mahatma Gandhi? Alf? Keine Ahnung, will ich nicht wissen.<br />

Irgendwer wird es sein. Tut für unsere Bewertung aber auch nicht weiter<br />

zur Sache.<br />

Denn zumindest haben wir nun mit an Sicherheit grenzender<br />

Wahrscheinlichkeit feststellen können, daß sich unser Vollopfer<br />

mittelschwer bis komplett realitätsfremd selbst wahrnimmt. Anders ist<br />

der ganze Wahnsinn hier nicht mehr zu erklären. Im schlimmsten Fall<br />

muß man sogar mit Schizophrenie rechnen. Schwere Schizophrenie<br />

sogar, allein schon die Beckham, unglaublich.<br />

Unser Vollopfer selbst ist dabei weitestgehend schmerzfrei, und das ist<br />

auch gut so. Es hat in seinem Größenwahn um sich herum eine Art<br />

Scheinwelt aufgebaut, die weitestgehend mit ähnlich realitätsfremden<br />

bzw. schizophrenen Individuen bevölkert ist. Widmen wir dieser<br />

Scheinwelt nun unser Augenmerk, bevor wir völlig den Verstand<br />

verloren haben. Wahnsinn, einfach nur Wahnsinn.<br />

92


I don`t know what it is, that makes me feel like this. I don`t know who<br />

you are, but you must be some kind of superstar. `Cause all got their<br />

eyes on you, no matter where you are.<br />

bbb) Eigenwahrnehmung der Vollopfer untereinander<br />

93<br />

(Jamelia)<br />

Die Vollopfer-Scheinwelt ist also durch das Miteinander mehrerer<br />

Vollopfer in einer nicht realen bzw. vielmehr surrealen Phantasiewelt<br />

gekennzeichnet. Die Protagonisten dieser Phantasiewelt nehmen sich<br />

selbst natürlich nicht als Vollopfer wahr. Sie könnten es auch gar nicht,<br />

selbst nicht, wenn sie wollten. Stattdessen feiern sie sich selbst.<br />

Pausenlos und unabläßlich wir gefeiert. Man feiert sich selbst, man<br />

feiert die eigene, grenzenlose Tollkühnheit. Man feiert die epochale<br />

Feistigkeit. Und die der anderen, koexistierenden Vollopfer. Nicht ganz<br />

so heftig wie die eigene, aber immerhin. Die ganze Society feiert sich<br />

selbst. Unermüdlich. Unabläßlich. Unbeirrbar. Unfehlbar. Und<br />

unerreichbar, na klar. Prosecco, Baby. Einem außenstehenden Dritten<br />

erscheint die ganze Szenerie dagegen ziemlich skurril.<br />

Tun wir noch einmal so, als ob: Es ist Samstagabend. Es ist spät, aber<br />

noch nicht so spät. Vielleicht ist es 23 Uhr. Und wir wollen ausgehen.<br />

Nicht chic zum Essen oder auf ein Cocktailchen oder sowas. Nein, wir<br />

wollen mal wieder so richtig die Kuh fliegen lassen. Wir wollen voll<br />

abgehen. Also einen Jumbo-Kopf Crack geraucht und ab in Puff! Nein,<br />

Späßchen, nur Späßchen. So sind wir nicht, sowas machen andere. Wir<br />

nicht. Denn wir wollen in die Disse, in den Club, in eine very angesagte<br />

Party-Location, yeah! Wir wollen krasse Beats und softe Drogen, harte<br />

Drinks und leichte Mädchen. Doch wo bekommen wir das? Klar, auf<br />

der Reeperbahn, ganz toll. Aber wo sonst noch, wenn wir keinen Bock<br />

darauf haben, jedes Wochenende auf den Kiez zu ballern? Mal sehen,<br />

machen wir mal eine kleine, fiktive Disco-Tour:


Zuerst könnten wir ja mal bei der Teenie-Disco um die Ecke anklopfen.<br />

Um uns dort mit ein paar 12- bis 16-jährigen Kids, deren Eltern wir sein<br />

könnten, per Flatrate volles Rohr ins Koma zu saufen. Und drei bis vier<br />

Tage später auf der Intensivstation mit einem Mordskater und 1,6<br />

Promille Restalkohol aufzuwachen. Gute Idee? Mitnichten. Nee, das<br />

wollen wir doch lieber sein lassen. Es reicht, daß all diese Kiddies in<br />

fünf bis zehn Jahren schwerste Alkoholiker sind. Wir können uns das<br />

nicht leisten. Wir dürfen uns das auch gar nicht leisten. Wir müssen<br />

halbwegs klar in der Birne bleiben. Wer soll die ganzen Alki-Kids denn<br />

sonst pflegen und mit Stoff versorgen, wenn es so weit ist?! Bleibt ja<br />

außer uns wohl kaum noch jemand übrig. Nein, in die Teenie-Disco<br />

können wir also nicht gehen.<br />

Wir gehen auch nicht in einen dieser angesagten Black-Clubs oder in<br />

eine trendy Russen-Disco oder ähnliche Hottentotten-Hütte. Die Gefahr,<br />

daß wir im Vollrausch eine heiße Alte anquatschen und dies nicht<br />

überleben bzw. am nächsten Morgen mit einem Messer im Kopf und<br />

fünf Fingern weniger an jeder Hand aufwachen, ist einfach zu groß.<br />

Nein, das möchten wir dann auch nicht, und deshalb lassen wir unsere<br />

sympathischen ausländischen Mitbürger lieber in Ruhe unter sich bzw.<br />

mit unseren Frauen feiern. Wir haben dort nichts verloren, wir bleiben<br />

da weg. Doch wo können wir hin? Wir wollten doch ordentlich auf den<br />

Putz hauen. Was bleibt uns denn noch?<br />

Vielleicht sollten wir in eine dieser populären Hütten-Gaudi- und Après-<br />

Ski-Butzen einkehren? Das wäre doch was für uns. So schön mit Vodka-<br />

Energy in der einen und einer 80-Kilo-Beauty-Queen oder einem Hartz-<br />

IV-Groupie in der andern Hand zu Michael Wendler abdancen? Also zu<br />

dem Wendler. Wäre das nicht ganz geil? Nein, das wäre überhaupt nicht<br />

geil, das wäre mal so richtig schön voll beschissen. Ich möchte nicht<br />

wissen, wie viel Ecstasy wir einschieben müßten, um diese groteske<br />

Pißnelken-Trällerei und die extrem fiesen Low-Budget-Matratzen auch<br />

nur annähernd halbwegs akzeptabel bzw. vögelbar finden zu können.<br />

Und morgens darauf dann völlig verkatert und immer noch voll<br />

verbimmelt neben so einer 80-Kilo-Granate oder der kleinen Zahnfee<br />

vom Vorabend aufwachen? Oder mit viel Pech sogar neben dem<br />

Wendler höchstpersönlich? Igitt. Geht alles mal gar nicht. Und daher<br />

auch nicht in die Hüttenzauber-Zauberhütte.<br />

94


Nein, wir gehen jetzt in einen richtigen Trend-Schuppen. So mit richtig<br />

Schickimicki und VIP und so. Wie das legendäre P-1 in München. Nur<br />

eben nicht in München, sondern in einer total abgefuckten und<br />

zugeschissenen Studenten-Stadt wie Göttingen. Voll angesagt, voll<br />

verschärft, ganz klar. Also ab in den Schicki-Bunker, denn hier geht`s<br />

voll scharf:<br />

Auf drei Etagen wird uns hier alles geboten, was das Herz begehrt: Im<br />

Keller ein Dancefloor mit Lounge und VIP-Bereich. Im Erdgeschoß<br />

dann der Mainfloor mit einer kleinen Stage. Und im ersten Stock dann<br />

eine Galerie, von der man auf den Mainfloor herabsehen kann. Und<br />

natürlich einen viel zu kleinen, stinkigen Raucher-Bereich. Das hört sich<br />

doch geil an, das ist unser Laden, das wird unsere Nacht!<br />

Also mischen wir uns unter die Party-People. Yeah! Wir feiern<br />

ordentlich ab, geben uns das volle Programm. Es wird gedanced,<br />

gefeiert, alle drei Etagen werden unsicher gemacht. Flasche Jim Beam<br />

mit Flasche Cola bestellt, noch `ne Flasche Sambuca dazu, für die<br />

Schnallen Pulle Sekt auf Eis, volles Programm eben. Alles super-coole,<br />

trendy People, die hier mit uns feiern. Oder? Oder etwa nicht? Vielleicht<br />

sollten wir uns doch einmal etwas genauer umschauen?! Die Party-<br />

Posse etwas genauer unter die Lupe nehmen?! Fuck! Schlagartig wird<br />

uns bewußt, was uns schon beim Eintritt hätte bewußt werden müssen.<br />

Wenn wir nicht schon wieder so besoffen und abgedichtet gewesen<br />

wären. Wir sind hier unter lauter Vollopfern! In einer Vollopfer-Disse.<br />

Heiliger Bimbam! Hilfe!<br />

Schmächtige kleine Kerlchen in C&A-Jackets und mit modifizierten, an<br />

den Seiten kurzrasierten VoKuHiLas umgeben uns. Sie unterhalten sich<br />

oder tanzen mit gestiefelten Dumpfbacken, denen vorher ganz<br />

offensichtlich mit einer Make-Up-Pumpgun aus 30 cm Entfernung voll<br />

übelst in die Fresse geschossen wurde. Übel. Echt übel, ganz übel.<br />

Überschwängliche Cola-Laune. Hier und da sogar ein Prosecco.<br />

Stößchen!!! Unglaublich. Eine Armee von Friseusen, Arzthelferinnen<br />

und Kosmetikerinnen in Ed-Hardy-Uniformen. Machen Prösterchen mit<br />

70-Kilo-Männchen, die stolz ihren 30 cm Bizeps im CK-Shirt Größe S<br />

präsentieren. Bereit für das letzte Gefecht. Die letzte Bastion. Die finale<br />

Vollklatsche. Man muß uns umgehend hier rausholen.<br />

95


Dummerweise holt uns aber niemand da raus. Keiner da, keine Hilfe in<br />

Sicht. Und wir sind jetzt sogar noch so bescheuert und gehen in den<br />

Keller. In den Keller! Also zack, Treppe runter, Keller, spitze. Und da<br />

wird es richtig heftig. Da kommt es jetzt besonders krass. Noch krasser<br />

als oben sogar. Immens krass. Wir werden es wahrscheinlich nicht<br />

überleben können. Nein, ganz bestimmt sogar werden wir es nicht<br />

überleben können. Kurz: Wir werden sterben müssen.<br />

Also ab in den Keller, Richtung VIP-Area. Vor der geilen VIP-Area, die<br />

sich als zugequalmte 3x4m-Stinkebutze entpuppt, steht schonmal das<br />

geilste Toastbrot überhaupt. Bauch- und hirnfrei, nichts gelernt, blond.<br />

Kompromißloses Toastbrot eben. Ist jetzt hier aber gerade besonders<br />

wichtig. Darf hier nämlich jetzt die VIP-Area-Managerin mimen.<br />

Exciting. Weil sie sich von einem der Teilhaber des Ladens schön<br />

durchknattern läßt. Disgusting. Während ihr armer, planloser Boyfriend<br />

in dem Scheißladen die Gläser abräumen darf. Amazing. Und die ist<br />

jetzt vielleicht mal wichtig, meine Fresse! Was für eine steile Karriere.<br />

Die ist ja mal sowas von wichtig, das kann man mit Worten schon bald<br />

nicht mehr beschreiben, so wichtig ist die mal. Very important,<br />

importanter geht kaum noch. Kurz gesagt: Wenn hier und jetzt<br />

überhaupt irgendjemand wichtig ist, dann die.<br />

In der VIP-Area selbst wird aber alles noch geiler, viel geiler, auch<br />

wenn man sich das jetzt eigentlich nicht mehr vorstellen kann. Hier geht<br />

jetzt mal so richtig High-Society. Hühnerbrüstige Frühejakulierer im<br />

galanten D&G-Shirt von Ebay, die heute mal mit Papas Benz oder dem<br />

geleasten Boxter unterwegs sein dürfen, geben vor lauter Euphorie und<br />

Selbstgeilheit gleich mal eine Runde Veuve Clicquot aus. Oder sogar<br />

eine ganze Flasche, mein lieber Mann, Stößchen. Vielleicht sogar<br />

Schälchen Erdbeeren dazu, wer weiß. Was uns und die anwesenden<br />

Plastik-Uschis natürlich schwer beeindruckt, denn diese Leute haben es<br />

geschafft. Hut ab! Stars der regionalen Regional-Szene. Provinz-<br />

Prominenz könnte man sagen. Also die richtig guten Jungens und<br />

Mädels unter sich, alle geil, alle VIP, alle Stößchen.<br />

Es werden Gespräche geführt, die an Belanglosigkeit nicht mehr zu<br />

überbieten sind. Oder vielmehr zu unterbieten. Kommt ganz auf den<br />

Standpunkt des Betrachters an. Wie hart man doch in seinem very<br />

96


interesting Job arbeitet. Perhaps 60 Stunden per week. Oder wo und wie<br />

geil man doch die letzten Holidays gespendet hat. Exciting. Und die<br />

sexy VIP-Uschis präsentieren stolz ihre besonders chicen, neuen<br />

Handtäschchen, neue trendy Wampen-Piercings und die hübschen, bunt<br />

angepinselten Krallen aus Plastik. Unbelievable. Da kann einem glatt<br />

einer abgehen, so geil und VIP sind die Leute hier. Styling and Profiling<br />

ist also angesagt, es ist phantastisch.<br />

Daß unser Abend nun aber komplett verschissen ist, dürfte wohl jedem<br />

klar sein. Zum einen haben wir absolut null Ambitionen, eine<br />

dummblondierte Plastikfrau zu vögeln. Zum anderen hätten wir gegen<br />

die anwesenden C&A-Poser eh keine Chance, weil die echt wirklich<br />

richtig geil sind. Ich wüßte auch überhaupt nicht, was ich mit so einer<br />

Schranse machen sollte. Also nachts dann bei mir zu Hause und so.<br />

Wenn ich die dann schön auf acht doppelten Jägermeister und zwei<br />

pakistanischen Viagras nach allen Regeln der Kunst mal so richtig<br />

ordentlich durchballern würde, ohne Wenn und Aber. Kompromißlos<br />

durchzwiebeln. Ein, zwei, drei Stunden, ganz wie es der Dame beliebt.<br />

Keine halben Sachen, richtig soft rangegangen und dann knallhart<br />

durchgezogen, zack. Der sanfte Vulkan! Also mal so richtig ordentlich<br />

das Getriebe schmieren und den Kolben ölen. Die Innenwände<br />

streichen, den Igel kämmen, die Büchse stopfen. Alles ganz easy, völlig<br />

easy, alles kein Problem. Und alles gratis, Stößchen!<br />

Das wäre ein Fest. Unsere kleine VIP-Uschi würde wahrscheinlich<br />

ziemlich dumm aus der Wäsche gucken. Weil die gar nicht glauben<br />

kann, was ihr da widerfährt. Beziehungsweise was ihr da einfährt. Wie<br />

Rotkäppchen, nachdem der böse, geile Wolf über sie rüber ist. Eher<br />

noch wie ein Blinder im Porno-Kino. Oder ein ADHS-Kind auf Speed.<br />

So in etwa. Weil die das so gar nicht kennt und gewohnt ist, was da<br />

gerade abgeht. Also von den VIP-Hampelmännern, mit denen die sonst<br />

so hökert. Schön zehn Minuten die Salami in die Turnhalle, na klar,<br />

besten Dank auch. Motorschaden im ersten Gang. Super. Viel mehr<br />

kommt da nämlich nicht rum bei den Luftpumpen. Das kann man dann<br />

auch gleich bleiben lassen, wäre zumindest ehrlicher.<br />

„Hey Baby, ich mache hier zwar ziemlich einen auf dicke Tasche, aber<br />

untenrum ist eher dünnes Lüftchen angesagt.“<br />

97


Das wäre doch mal eine ehrliche Ansage. Sehr solides Statement. Und<br />

ziemlich cool obendrein. Meinen Respekt hätte er.<br />

„Süße, meiner ist zwar nicht besonders lang, aber dafür echt dünn.“<br />

Nein, so weit wird es nie kommen, sowas gibt keiner gern zu. Ist aber<br />

vielleicht auch besser so. Also für den Fall, daß wir mal so eine VIPse<br />

abschleppen. Dann haben wir zumindest das Überraschungsmoment auf<br />

unserer Seite. Gleich am Anfang, wenn unser Aal rausguckt. „Guten<br />

Abend, die Dame, ich bin Herr Aal und werde Sie durch diese Nacht<br />

begleiten.“ Uiii... Oder wenn unser Aal dann loslegt. Und zack, bricht<br />

unserer kleinen VIPse doch glatt ein Zacken aus der Krone. Oder<br />

vielmehr aus der Dose. Aus ihrem kleinen VIP-Döschen.<br />

Und wenn die dann am nächsten Morgen mit knallroter Birne und<br />

Muskelzerrung in den Adduktoren bei uns aufwacht. Was erzählt man<br />

denn mit so einer morgens? „Willste auch ein Krombacher zum<br />

Frühstück?“ Wohl kaum. „Na Schwester, haste ordentlich Schlacke auf<br />

der Dose?“ Wäre auch ganz geil. Wäre total lustig, aber nicht für sie.<br />

Also auch nicht. „Hast was von der Ecstasy gemerkt, die ich Dir letzte<br />

Nacht in den Sekt gebröselt habe?“ Also das sollten wir dann wohl<br />

besser mal auch nicht fragen. Man kann sich drehen, wie man will, es<br />

kommt einfach kein sinnvoller Dialog zustande. Es macht überhaupt<br />

keinen Sinn, irgendeine Unterhaltung anfangen zu wollen. Es ist fast so<br />

wie mit unserem Vollidioten aus Kapitel 2. Mit dem muß man auch<br />

nicht reden wollen. Kann man ja auch gar nicht. Kommt bestenfalls<br />

Schwachsinn und / oder ein paar auf`s Maul bei raus.<br />

Also lassen wir unsere kleine Zaubermaus lieber gleich da, wo sie ist.<br />

Nämlich bei ihren VIPs. Ist für alle Beteiligten am besten so. Unser<br />

Abend ist eh gelaufen, drauf geschissen. Denn zumindest konnten wir<br />

nun die Eigenwahrnehmung der Vollopfer untereinander abgrenzen.<br />

Was ja auch Primär-Ziel dieses kleinen VIP-Exkurses war. Unsere<br />

Vollopfer nehmen sich demnach untereinander als impertinent wichtige<br />

und einzigartige, vor Selbstgeilheit hell erstrahlende Schneeflöckchen<br />

wahr, deren banale Scheiß-Laberei als der Weisheit finaler Schluß<br />

untereinander und auch vor Dritten präsentiert wird. Herzlichen<br />

Glückwunsch dazu. Und natürlich Stößchen!<br />

98


Solange man lebt, soll man rauchen.<br />

bb) Fremdwahrnehmung<br />

99<br />

(Helmut Körschgen)<br />

Die Fremdwahrnehmung unseres Vollopfers -also wie unser Vollopfer<br />

durch eine außenstehende dritte Person wahrgenommen wird- hätten wir<br />

somit ansatzweise auch bereits analysiert. Denn unser Vollopfer nimmt<br />

sich selbst und andere Vollopfer komplett realitätsfremd wahr. Also<br />

geil, einzigartig, clever, important, blabla. Haben wir alles zu Genüge<br />

durchgekaut, mehr als uns lieb ist, muß reichen. Und daß unser<br />

Vollidiot das ähnlich sieht, sollte auch klar sein. Unserem Vollidioten<br />

reicht schon der Anblick von ein paar blondierten Haaren oder<br />

aufgepolsterten Hupen. Am besten noch ein paar Stiefel oder<br />

sogenannte High Heels dazu, und zack, ist es wieder geschehen. Schon<br />

hat unser Vollidiot wieder die Hand an seinem Genital und muß<br />

onanieren. Ahhh! Er streichelt den Aal, zähmt die Natter, macht die<br />

Nudel al dente, na klar. War nicht anders zu erwarten gewesen.<br />

Aber er kann nichts dafür, wir dürfen es ihm nicht übel nehmen. Er muß<br />

es tun, er kann nicht anders. Sein Hirn sitzt nunmal knapp 90 cm tiefer<br />

als bei anderen Menschen, und es ist voll mit weißer, nutzloser Grütze.<br />

Folglich muß unser Vollidiot das Vollopfer anhimmeln. Er findet es also<br />

auch sehr geil, einzigartig, clever, important, amazing, exciting,<br />

sonstwas. Wodurch sich unser Vollopfer dann natürlich noch geiler<br />

findet, soweit das überhaupt noch möglich ist. Ein Teufelskreis! Zudem<br />

allerdings auch die erste Verbindung zwischen Vollidioten und<br />

Vollopfer. Der Erstkontakt, in der Tat. Später mehr dazu. Uns soll an<br />

dieser Stelle vielmehr interessieren, wie andere Menschen unser<br />

Vollopfer wahrnehmen. Andere, normale Menschen, die nicht<br />

irgendwas mit Voll zu tun haben. Also eben ganz normale Idioten,<br />

Fremdopfer und Honks wie Du und ich.


Und wie gehen wir hierbei am besten vor?! Wie kriegen wir das am<br />

ehesten raus?! Wie können wir diese Fremdwahrnehmung am<br />

schnellsten eruieren?! Richtig, mit dem Konsum von TV. Und zwar mit<br />

dem Konsum von Aso-TV und Opfer-TV. Also von beidem. Beides<br />

muß konsumiert werden, idealerweise in einer Art Mischform. Ist zwar<br />

voll Scheiße, aber muß sein. Denn es dient einem höheren Zweck. Es<br />

dient der Recherche. Ätzend, voll ätzend. Aber nicht zu ändern. Also<br />

Augen auf, Arsch zu, und durch!<br />

Zwei Wodka-RedBull rein, Glotze an, Abfahrt. Idealerweise an einem<br />

Sonntagabend. Da hat man noch genug Rest-Alk von Freitag und<br />

Samstag drin. Da ist man quasi noch ziemlich sediert, da puckert es<br />

nicht ganz so doll im Kopf. Eventuell noch 25 bis 50 mg Doxepin dazu,<br />

Hardliner können auch Tetrazepam anwenden, ganz nach Belieben. Uns<br />

reicht heute der Rest-Alk zuzüglich der leckeren zwei Wodka. Man muß<br />

sich auch mal quälen können. Sagt man doch immer so schön bei<br />

Sportlern. Und wir sind dann heute halt mal Sportler. Extrem-Sportler<br />

sogar. Gehirn-Akrobaten. Also Glotze an, heute gucken wir mal VOX,<br />

mal was anderes.<br />

Nachdem wir vier C-Promis gefühlte sechs Stunden und weiteren vier<br />

Wodka-RedBull beim Kochen, Fressen und Dummschwätzen zusehen<br />

durften, folgt unser Highlight des Abends: Prominent! Hurra! Mit<br />

Constanze Rick, ganz toll. „Guten Abend und herzlich Willkommen zu<br />

einer neuen Ausgabe von Prominent. Mein Name ist Constanze Rick,<br />

und das sind heute unsere Themen.“ Und schon wird kurz aufgezählt,<br />

welche spannenden Themen heute behandelt werden:<br />

Der Wendler hat irgendwelche Schulden für seine Eltern bezahlt.<br />

Glückwunsch, schönes Ding, interessiert mich einen Scheißdreck. Von<br />

mir aus kann sich der Wendler auch in das Wendler oder ihm sein<br />

Wendler oder Wum & Wendolin umbenennen, mir völlig Latte. Solange<br />

er mich mit seiner Kirmes-Mucke verschont, kann er tun und lassen,<br />

was er will. Soll er meinetwegen Nadja von den NoAngels knattern,<br />

denn über die folgt der nächste Beitrag. Nadja hat scheinbar HIV und<br />

wohl auch die ein oder andere Person damit infiziert. Glückwunsch,<br />

Stößchen. Und daß bald die ganze Dritte Welt an AIDS abnippelt,<br />

interessiert kein Schwein. Aber egal.<br />

100


Denn als nächstes will man jetzt analysieren, wie man prominente<br />

Personen beim Lügen ertappt. Uiii, also das wollte ich ja schon immer<br />

wissen, da bin ich ja total gespannt drauf. Und das ist bestimmt auch<br />

ganz anders als bei nicht-prominenten Personen. Denn während eine<br />

normale Person errötet oder verlegen nach unten blickt, sieht das bei<br />

Promis nämlich gleich ganz anders aus. Man denke da nur an Jim<br />

Carrey in Der Dummschwätzer. Da hat man es ja gleich bemerkt. Der<br />

hat sich ja nur noch verhaspelt und verplappert. Oder an Pinocchio. Mit<br />

der langen Nase, die alte Sau. Auch ziemlich offensichtlich. Oder<br />

beispielsweise Osama Bin Laden. Bei dem geht bestimmt der Turban<br />

hoch, wenn er lügt. Ich hab` mit dem 11. September nix zu tun! Und<br />

zack, klebt er mit der Birne an der Höhlen-Decke, abfeier.<br />

So, und diese sensationellen Erkenntnisse will man uns dann an der<br />

hiesigen Promenaden-Prominenz verdeutlichen. Super, ich freue mich<br />

jetzt schon auf diesen besonders sinnvollen Beitrag. Einen Beitrag, auf<br />

den die Welt lange hat warten müssen. Und ganz besonders ich. Man<br />

kann mit normalen Worten bald nicht mehr umschreiben, wie lange ich<br />

schon auf solch einen Beitrag gewartet habe. Echt jetzt, kein Witz.<br />

Wahrscheinlich saufe ich deshalb auch immer so viel. Weil ich die<br />

Ungewißheit, ob ein Promi lügt oder nicht, anders nicht mehr ertragen<br />

kann. Ganz toll, hätten wir das also auch endlich geklärt.<br />

Letztes spannendes Thema soll dann ein Beitrag zu Chiara Ohrhovens<br />

neuer Frisur sein. Okay, darauf hat die Welt noch viel länger warten<br />

müssen. Endlich! Chiara Ohrhovens neue Frisur! Ich vermute mal, daß<br />

das die Olle von dem Ich-muß-weg!-Typen von Stefan Raab ist?! Oder?<br />

Ist aber eigentlich auch komplett scheißegal, denn die Glotze muß<br />

wieder aus. Ich muß nämlich auch weg. Und zwar sofort. Runter in den<br />

Garten. Sofort. Bißchen Hecke rauchen, runterkommen. Ganz schnell<br />

jetzt. Hecke kommt jetzt gut, gute Hecke, lecker Hecke. Ich hätte die<br />

zweieinhalb Stunden Promi-Dinner vorher nicht gucken dürfen. Und<br />

davor noch den feisten Klops auf PRO7, der sonntags immer für Galileo<br />

in einem winzigen Auto durch die Gegend fährt und irgendeinen XXL-<br />

Schweinefraß testet. Auweia, der gute Galileo Galilei würde sich im<br />

Grabe umdrehen, wenn er wüßte, daß er gut 350 Jahre nach seinem Tod<br />

Namens-Pate für so einen Nonsens ist. Galileo, das Wissensmagazin. Na<br />

ganz toll, ganz tolles Wissensmagazin.<br />

101


In besagter Folge zeigen sie erst 40 Minuten lang den Dicken, wie er<br />

drei Pizzerien testet und sich dabei mit allerlei absurden Spar-Witzen<br />

um Kopf und Kragen kalauert. Nachdem das dann geklärt ist, dürfen für<br />

den Rest der Sendezeit die Zwillinge Pia und Tinka irgendwelche<br />

schwachsinnigen Gartengeräte testen. Nein, sorry, Garten-Gadgets muß<br />

es ja heißen. Weil Inspektor Gadget die gebaut hat. Und weil es<br />

besonders trendy klingt. Wobei ich mich an dieser Stelle vielmehr frage,<br />

wo man eigentlich solche Leute wie die Zwillinge Pia & Tinka<br />

herkriegt?! Die müssen ja von irgendwo her sein. Aber von wo? Spricht<br />

der Sender die irgendwo auf der Straße an? Oder fotografieren die ihre<br />

Fressen und bewerben sich dann bei diversen Sendern, um bei<br />

entsprechender Gelegenheit für irgendeinen blödsinnigen Beitrag<br />

sinnloses, schmückendes Beiwerk darzustellen? Um Bafög oder Stütze<br />

aufzustocken? Oder auch endlich mal im TV zu sein? Keine Ahnung,<br />

auf jeden Fall sind die nun da und grinsen und testen diverse besonders<br />

sinnvolle Garten-Gadgets.<br />

Wahrscheinlich züchtet PRO7 solche Leute per Gentechnik im<br />

hauseigenen Untergrund-Labor. Direkt unter dem Sender. Und Daniel<br />

Aminati klingelt dann kurz telefonisch durch, wenn er mal wieder<br />

welche braucht. „Hallo, hier ist der Daniel von Galileo, ich bräuchte mal<br />

wieder zwei eineiige Männchen für die nächste Folge G, braune Haare,<br />

schläulich dreinblickend, so um die Mitte 20. Besten Dank.“<br />

Schauderhafter Gedanke.<br />

Wobei der arme Aminati ja derzeit taff moderieren muß. Ja, ganz<br />

richtig, taff. Der Ärmste. Was hat der denn wohl verbrochen? Keinen<br />

blassen Schimmer, aber es muß irgendwas ganz Furchbares gewesen<br />

sein, irgendwas unfaßbar Entsetzliches. Ansonsten wäre diese<br />

Strafversetzung nicht erklärbar. Bei PRO7 wird man nämlich nicht<br />

abgemahnt, bei PRO7 wird man gleich strafversetzt. Und taff ist die<br />

Höchststrafe, taff ist Zuchthaus, Arbeitslager, ganz klar. Im Gegenzug<br />

darf Lachkasper Stefan Gödde jetzt Galileo moderieren. Na klar, Stefan<br />

Gödde und ein Wissensmagazin. Wie authentisch. Und ich gewinne<br />

morgen mit dem Drecksbuch hier den Pulitzer-Preis. Und feiere dann<br />

drei Wochen Koks-Party mit den Zwillingen Pia & Tinka. Ein absurd<br />

geiler Gedanke, abfeier. Und der Dicke von Galileo darf uns den Stoff<br />

in XXL-Paketen anliefern. Stößchen!<br />

102


Wie auch immer, ich hätte das alles vorher nicht ansehen dürfen. Das<br />

alles hat mich schon zu weit ans Limit gebracht. Man könnte durchaus<br />

behaupten, daß ich mich in diesem Fall etwas zu weit aus dem Fenster<br />

gelehnt habe. Was für eine Überraschung. Erst Galileo, dann Promi-<br />

Dinner, und dann auch noch Prominent! Unmöglich. Nicht zu schaffen.<br />

Eine ausgemachte Torheit war es von mir, sich der Illusion hinzugeben,<br />

nach diesem ganzen Kaspertheater noch eine komplette Ausgabe<br />

Prominent! verfolgen zu können. Was bin ich doch für ein wirrer<br />

Schafskopf. Denke ich mir beim Rauchen der frischen Hecke. Ein<br />

ausgemachter, überheblicher Hornochse. Aber was soll`s, jetzt ist es zu<br />

spät. Muß ich das eben morgen nachholen, muß ich mir morgen eben<br />

taff reinziehen. Auf PRO7.<br />

Oh nein, nicht schon wieder PRO7. Die haben doch schon mit GNT den<br />

Vogel abgeschossen. Was ist denn bloß aus meinem schönen PRO7<br />

geworden?! PRO7 war doch mal PRO7! Und jetzt?! Jetzt haben wir<br />

PRO-BLÖD. Nur blöd. Na toll. Wahrscheinlich mußte man auch bei<br />

PRO7 dem Zeitgeist Tribut zollen. Beziehungsweise dem Umstand, daß<br />

von 8 bis 18 Uhr nur Goons und Pansen vor der Glotze sitzen. Wäre für<br />

mich die einzige plausible Erklärung. Genau, so muß es sein. Mit dieser<br />

weisen Erkenntnis -und umnebelt von der schönen Hecke- kippe ich<br />

bewußtlos in Garten um. Endlich. Was für ein Tag.<br />

Mein Vater weckt mich gegen 14 Uhr mit einem Eimer Wasser über den<br />

Kopf, weil ich ihm die freie Fahrt beim Rasenmähen versperre.<br />

Unerhört, was für ein uncharmantes Vorgehen. Und das am frühen<br />

Morgen. Wutentbrannt springe ich auf und will ihm dafür gerade eine<br />

Ermahnung aussprechen, da kriege ich einen Mords-Nachdurst von der<br />

doch sehr würzigen Vorabend-Hecke. Also verlasse ich zunächst den<br />

Garten und gehe zielstrebig ins Haus, um den nassen Klamotten zu<br />

entsteigen und mir einen Durstlöscher zuzubereiten.<br />

Richtig gut kommt bei so einem Nachdurst immer ein leckerer Eistee.<br />

Also ran an den Mixer. Jeweils 12 cl Tequila, Cointreau, Gin, weißer<br />

Rum, Wodka, Zitronen- und Orangensaft rein, und das Ganze mit etwas<br />

Cola aufmixen. Nach Belieben noch ein wenig Eis dazu, fertig. Schon<br />

hat man einen guten Liter leckeren Eistee. Für mich sowieso der<br />

absolute Eistee-Klassiker. Rezept ist aus Long Island. Sehr isotonisch,<br />

103


sehr vitaminreich. Unerhört aromatisch noch dazu, fast schon<br />

unverschämt aromatisch. Und der Pegel ist auch gleich wieder auf<br />

einem erträglichen Level. Das Aroma schmeichelt eben noch dem<br />

Gaumen, und zack, schon ist der Stoff im Kopf. Ein sehr ehrliches<br />

Getränk, moralisch einwandfrei. Eben ein absoluter Klassiker.<br />

Es folgt ein opulentes Frühstück. Zwei Long-Island-Eistee und eine<br />

vom letzten Grillabend übrig gebliebene grobe Bratwurst lassen den<br />

Nachdurst unglaublich schnell verschwinden. Den dritten Eistee fülle<br />

ich mir in einen trendy To-go-Pappbecher mit Plastikdeckel und<br />

Strohhalm, wie man ihn von McDonald`s und so kennt. Nur ist mein<br />

Pappbecher nicht To-go, sondern To-ausflipp, weil ich dies just im<br />

selben Moment leider schon wieder tun muß. Soll heißen, daß ich<br />

meinen rasenmähenden Vater schon wieder rügen muß. Daß der nie<br />

wieder meinen Rasen mähen darf, wenn er das mit dem Eimer Wasser<br />

noch einmal macht. Aber er wird es doch wieder tun. Ungeheuerlich. Er<br />

tut es immer wieder! Im Sommer ist das ja nicht so schlimm, aber wenn<br />

er das im Winter tut, kann es sehr verheerende Folgen nach sich ziehen.<br />

Geradezu irreparable Schäden verursachen. Von der Kopfgrippe anno<br />

1998 habe ich mich bis heute nicht erholt. Behaupten zumindest böse<br />

Zungen. Das dürfte dann auch einiges hier erklären.<br />

Aber damit kann ich mich jetzt leider nicht befassen. Denn es liegt<br />

Arbeit vor mir. Viel Arbeit, harte Arbeit. Also schnell wieder ab ins<br />

Haus. Und ab ins Bett. Ich schaffe es gerade noch, den Wecker auf<br />

16.45 Uhr zu stellen. Danach falle ich erschöpft ins Bett. Dieser<br />

Vormittag hat mir alles abverlangt. Ich habe mich total verausgabt.<br />

16.45 Uhr. Das ging mir aber viel zu schnell, und ich bin auch noch<br />

wahnsinnig müde. Also zügig zwei Eistee rein, die ich in weiser<br />

Voraussicht bereits neben das Bett gestellt habe. Die helfen natürlich<br />

sofort. Glotze an, Popo-Loch zugekniffen, und ab dafür.<br />

taff startet um 17 Uhr und wird derzeit von Annemarie Warnkross<br />

(logisch) und vom strafversetzten Daniel Aminati moderiert. Wobei<br />

moderieren wohl eher das falsche Wort ist. Ganz großes Tennis<br />

umschriebe es besser. Epochalstes Laienschauspiel. Luke, ich bin Dein<br />

Vater. Und Annemarie hier ist Deine Mutter. Neeeeeeiiiiiin!!!!!<br />

104


Egal. Los geht`s mit einem Bericht über den Deutschen Filmpreis 2009.<br />

Zwei Hauptfragestellungen sollen dem interessierten Zuschauer hierbei<br />

erörtert werden. Erstens: Wie wird man eigentlich Filmstar? Und<br />

zweitens: Warum gibt es bei dieser Veranstaltung so wenig zu essen?<br />

Diesen beiden Fragestellungen wird mit dem anwesenden Catering-<br />

Personal und einigen mir nicht näher bekannten Promis auf den Grund<br />

gegangen. Schöner Eröffnungsbeitrag, reicht.<br />

Es folgt eine sehr gelungene Schauspiel-Einlage der Moderatorin<br />

Warnkross, die aus einem hysterischen Kreischen besteht. Aha. Wir<br />

erfahren dann nämlich, daß es im nächsten Beitrag um die spannende<br />

Frage gehen soll, wo die Fans am lautesten kreischen: Bei Zac Efron in<br />

Berlin oder bei Ciley Myrus in München. Und noch einmal hysterisch<br />

aufgekreischt von Fräulein Warnkross, sehr schön, sehr talentiert.<br />

Spricht mich total an, weiter so. Während ich mir allerdings die<br />

brennende Frage stelle: Who the Fuck sind Zac Efron und Ciley Myrus?<br />

Wird hoffentlich in dem nun folgenden Beitrag geklärt. Und tatsächlich,<br />

Zac Efron ist ein junger Schauspieler, der gerade einen Film abgedreht<br />

hat und diesen nun in München vorstellt. Man erfährt, daß seine Fans<br />

hauptsächlich Teenies sind. Oho! Dagegen stellt Ciley Myrus gerade<br />

einen Film in München vor, und ihr Publikum besteht hauptsächlich aus<br />

Kindern. Soso. Die spannende, themeneröffnende Frage, welche Fans<br />

denn nun lauter kreischen, wird dann aber leider irgendwie doch nicht<br />

erörtert.<br />

Ist egal, weiter geht`s mit dem taff-Klatsch. Aha, jetzt kommt Klatsch.<br />

Ach so! Und was war der andere Mist bis jetzt? Wirtschaftswoche? Das<br />

literarische Quartett? Bildungsfernsehen? Unglaublich. Auf jeden Fall<br />

wird nun festgestellt, daß Sharon Stone viel zu dünn ist (vgl. Posh-<br />

Spice-Headknocker), ganz toll. Und daß Mark Terenzi, der süße, kleine<br />

Ex-Stecher von Sarah Connor, nun mit einer gewissen Lisa Gina<br />

zusammen ist, die ich aber auch nicht kenne. Die dafür aber ganz tolle<br />

Hairextensions hat, die auch total echt aussehen, echter geht schon bald<br />

nicht mehr. Und deren Stimme sich anhört, als würde Axl Rose voll auf<br />

Crack ein Duett mit Alf singen. So oder ähnlich. Auf jeden Fall<br />

stimmlich absolut kein Vergleich zum Delmenhorster Nasenbär, so viel<br />

steht mal fest. Wobei mir persönlich die ganze Kiste völlig am Arsch<br />

abgeht. Sorry, ist aber nunmal so.<br />

105


Als nächstes erfahren wir, daß Englands Vorzeige-Plastik-Bumse Katie<br />

Price nun Marathon läuft, was auch besonders viel Sinn macht.<br />

Während der Schwangerschaft schön saufen und koksen, um dann<br />

logischerweise ein schwerbehindertes Kind zur Welt zu bringen, und<br />

jetzt Marathon laufen. Kopfschuß! Kann die bitte mal jemand von ihrem<br />

Leid erlösen?! Bitte irgendjemand?! Irgendeiner hier?! Nein? Dann muß<br />

ich es wohl machen. Gewährt mir vollständige Amnestie, und ich mache<br />

es. Kein Witz, versprochen. Viel schlimmer aber noch, daß selbst taff<br />

sich nicht zu schade ist, über diese Transe zu berichten. Herr, bitte<br />

schmeiß Hirn vom Himmel. Bitte schnell. Und für alle Beteiligten.<br />

Grenzenloses Aso-Opfer-TV, nichts ist mehr heilig.<br />

Und als wäre das alles nicht schon pervers genug, nimmt man<br />

Moderator Aminati jetzt noch den letzten Funken Würde und gibt ihn<br />

vollends der Lächerlichkeit preis, indem man ihn den nächsten Beitrag<br />

in Unterhose anmoderieren läßt. Es geht nämlich um die neueste Mode<br />

der Saison für Männer. The latest Fashion quasi. Yeah, Baby! Und laut<br />

Dolce & Gabbana soll es in diesem Frühjahr besonders chic aussehen,<br />

sich mit Cowboyhut, Hemd, Krawatte, Hot Pants und Kniestrümpfen zu<br />

kleiden. Lächerlich. Ich laufe schon seit Jahren so rum. Das ist schon<br />

seit Jahren Trend bei mir. Man kennt mich schon gar nicht mehr anders.<br />

Schön Strohhut auf den Kopf, Unterhemd, weite Buchse mit schön<br />

Klöten raus an einer Seite und weiße Tennissocken schön hoch bis in<br />

die Kniekehle. Yeah, Baby! Und bei der Gartenarbeit noch ein paar<br />

schöne Biker-Boots dazu an, das kommt krass. Voll krass. Alles in<br />

allem also der erste Beitrag, den ich nachvollziehen kann. Weil ich ein<br />

Fashion-Victim bin. Wenn ich auch nicht damit übereinstimme, daß das<br />

erst jetzt Trend geworden ist.<br />

Ein weiteres Laienschauspiel unserer beiden Moderatoren, diesmal<br />

beide mit Hut, Sonnenbrille und Mundschutz. Der Witz an der Sache<br />

soll wohl sein, daß man nun einen Beitrag anmoderiert, der sich mit der<br />

Thematik auseinandersetzt, wie man sich wohl als Promi fühlt. Meines<br />

Erachtens ein sehr gelungener Scherz. Wirklich sehr gelungen, zudem<br />

eine besonders kecke Anmoderation. Voller Jux rümpfe ich die Nase,<br />

denn das hat mir äußerst gut gefallen. Und im PRO7-Untergrund-Labor<br />

hat man dazu auch gleich einen Witzbold geklont, der das alles testen<br />

soll, indem er sich als Jacko Jackson verkleidet.<br />

106


Okay Freunde, gönnt mir eine kleine Pause. Ich habe ja wohl ziemlich<br />

gut durchgehalten bis hierhin, oder?! Bis hierhin, und erstmal nicht<br />

weiter. Erstmal bitte Pause, kurzes Päuschen, ja?! Also nur kurz runter<br />

in Garten, bißchen Rest-Hecke, bißchen Wodka, dann geht`s gleich<br />

weiter. Bißchen Nervennahrung, kleines Gehirn-Knoppers, kurz den<br />

Kanal freiblasen. Meine Kapazitäten sind limitiert, bis gleich.<br />

Mann, war das mal erfrischend! Unfaßbar erfrischend! Und auf PRO7<br />

ist auch gerade Pause gewesen, so daß wir nicht allzu viel verpaßt<br />

haben. Weiter geht`s mit Lady Gaga, die nach eigener Aussage „die<br />

Welt mit Glitzer und Glamour verändern“ will und sich unter anderem<br />

mit Paris Hilton unterhält. Ein löbliches Unterfangen, sehr edel. Denn<br />

wenn man heutzutage mit irgendetwas die Welt verändern kann, dann ja<br />

wohl mit Glitzer und Glamour. Gut zu wissen. Ich Naivling hatte<br />

nämlich gedacht, daß das eher mit Macht, Geld und Waffen ginge. Aber<br />

jetzt weiß ich es besser. Und mit dem Gedanken im Kopf, wie 1683 die<br />

Türken vor Wien Paris Hilton in eine Kanone stecken und gegen die<br />

Stadttore Wiens abschießen, lache ich laut auf und widme mich dem<br />

nächsten Beitrag. Hach, wie geil das nun wieder wäre.<br />

Es folgt eine Vorschau auf die nächste GNT-Folge, in der sich die<br />

Mädels unter anderem in Zweier-Paaren selbst fotografieren sollen. Bei<br />

einem Paar klappt das aber nicht so gut, und Peyman und Rolf gefallen<br />

die Photos dann auch überhaupt nicht. Dafür wird den beiden Mädels<br />

dann auch eine Rüge erteilt. Peyman kann das alles nicht mehr mit<br />

ansehen und geht sogar noch einen Schritt weiter: Nach eigener<br />

Aussage würde er sich jetzt am liebsten die Haare raufen, wenn er denn<br />

welche hätte. Amazing, Peyman, ganz amazing. Und natürlich auch<br />

Overselling to the extreme, wie sich das für GNT eben gehört.<br />

Es folgt eine weitere Werbepause, in der unter anderem ein neues<br />

Show-Format von PRO7 beworben wird. Es ist ein Format mit DJ Bobo<br />

und trägt den sehr originellen Titel Germany`s Next Showstars. Da wäre<br />

ich ja nie drauf gekommen. Ihr verrückten Hunde, Ihr! Wie originell ist<br />

das denn bitte?! Ihr kommt immer auf Ideen, verrückt. Und sensationell<br />

originell, phantastisch. Auf jeden Fall ist nach der Werbung bei GNT<br />

dann wohl auch alles wieder in Ordnung, denn abermals wird albern<br />

und dummdreist rumgekreischt, sehr schön.<br />

107


Es folgt der taff-Trend, welcher mit ganz wichtigen News über Ciley<br />

Myrus beginnt. Wat? Ciley Myrus? Schon wieder? Déjà-vu? Besoffen?<br />

Nein, es geht tatsächlich schon wieder um Ciley. Irgendwas besonders<br />

Wichtiges, das ich mir aber nicht merken konnte. Sorry.<br />

Wir erfahren dann, daß pink und blau die Farben dieses Frühlings sind,<br />

ferner Keilabsätze und selbst angepinselte T-Shirts, die total beschissen<br />

aussehen. Ach ja, und bauchfrei ist auch wieder total in. Na klar,<br />

bauchfrei. Ist ja wieder sowas von in, das glaubt man gar nicht mehr.<br />

War aber eigentlich auch nie out. Genau wie hirnfrei. Ist ganz<br />

offensichtlich auch wieder voll in. Bauchfrei tragen ja zum Glück auch<br />

nur die, die es sich wirklich leisten können. Also vorne schön gepiercte<br />

Wampe, an den Seiten ordentlich Hüftgold, und hinten als Krönung ein<br />

hübsches Arschgeweih, sorry, Steißtribal. Ich stehe total auf bauchfrei,<br />

bin ein absoluter Bauch-Fetischist. Zumindest beim Vorliegen eben<br />

beschriebener Wampe-Hüftgold-Arschgeweih-Kombo. Ahh, da werde<br />

ich schon wieder scharf wie ein Radieschen.<br />

Top der Woche sind Hippie-Klamotten, logisch. Flop der Woche sind<br />

irgendwelche pottenhäßlichen Louis-Vuitton-Latschen für 2.000 Euro,<br />

wie sie Headknocker Posh Beckham trägt. Da fällt mir ja ein Stein vom<br />

Herzen. Denn diese Louis-Vuitton-Latschen standen ganz oben auf<br />

meiner Must-have-Liste. Glücklicherweise schicke ich den Boten immer<br />

erst mittwochs los, um meine Besorgungen zu erledigen. Kann ich die<br />

Latschen erstmal von der Liste streichen, ruckzuck mal eben schön<br />

2.000 Euro gespart. Vielen Dank, liebes taff-Team.<br />

Und damit endet taff auch schon für heute. Ufff!!! Vor lauter<br />

Verzückung pfeifft mein Arschloch die schönsten Töne, die man sich<br />

vorstellen kann. Melodien für Millionen! Beethovens Für Elise. Nein,<br />

sogar Beethovens Neunte. Komplett. Freude, schöner Götterfunken,<br />

Tochter aus Elysium. Herrlich. Ich bin happy! Vor lauter Euphorie<br />

merke ich gar nicht, wie die Nachrichten noch an mir vorbei rauschen.<br />

Nein, sorry, bei PRO7 muß es ja Newstime heißen. Klinsi bei den<br />

Bayern raus, Schweinegrippe in Europa, billige Fahrradhelme sind<br />

besser als gar keine. Dankeschön, Danke für nix. Schnell noch das<br />

Wetter, und dann die Simpsons. Freude, schöner Götterfunken, ich bin<br />

gerettet. Ab durch die Hecke! Herzlichen Glückwunsch. Stößchen!<br />

108


Alles in allem ein unfaßbarer Abend. Beziehungsweise später<br />

Nachmittag. Ein unfaßbarer später Nachmittag also. Es ist ja erst kurz<br />

nach 18 Uhr. So früh noch, und schon alles erledigt. Morgenstund hat<br />

Gold im Mund. Eine überaus angebrachte Bemerkung. Zumindest, wenn<br />

man um 16.45 Uhr aufgestanden ist. Und anderthalb Stunden später<br />

bereits sein komplettes Tageswerk vollbracht hat. Insoweit eigentlich<br />

vielmehr ein unfaßbarer früher Morgen. Also jetzt mal rein von der<br />

inneren Uhr betrachtet. Phantastisch. Zur Feier des Tages werde ich<br />

heute wohl mal einen trinken. Stößchen!<br />

Stößchen? Von wegen. Nix da, nix Stößchen, hat sich was mit<br />

Stößchen. Kein Stößchen mehr, hat sich ausgestößelt. Denn jetzt ist es<br />

vorbei mit Stößchen, jetzt gibt es nämlich den Stoß. Den Kopfstoß. Den<br />

krassen Kopfstoß, den Headbutt. Zack! Es gibt den Zidane!<br />

Denn nicht nur, daß wir bereits unser Tageswerk verrichtet haben und<br />

nun ganz ad hoc ein Saufgelage am frühen Abend veranstalten können,<br />

was sehr ungewöhnlich ist. Nein, vielmehr haben wir eben gerade ganz<br />

unbewußt die Fremdwahrnehmung unseres Vollopfers durch Dritte<br />

illustriert. Ein ganz entscheidender Schritt, geradezu bahnbrechend für<br />

die folgende Analyse. Welche nun lediglich noch darin besteht, eine<br />

Attribution für das soeben Illustrierte zu finden. Nur noch eine<br />

abschließende Frage zu beantworten:<br />

Wie bewertet ein geistig relativ normal gebliebenes Individuum (z. B.<br />

Idiot, Fremdopfer, Honk) das auf den letzten Seiten beschriebene,<br />

hanebüchene Szenario? Wie beurteilt also ein normales Individuum<br />

soeben erschöpfend beschriebenes Aso- bzw. Vollopfer-TV bzw. diesen<br />

ominösen Mischmasch daraus inkl. der Protagonisten?<br />

Klare Antwort: Absurd, banal, beschissen.<br />

Sonst noch ein Wunsch?! Damit sollte eigentlich alles gesagt sein.<br />

Einfach nur Scheiße. Hingekackt und hingeschissen. Abgeseilt,<br />

weggedrückt, rausgequetscht. Bah! Für einen halbwegs normalen<br />

Menschen unerträglich. Unwichtiger als ein Mückenfurz. Und nicht<br />

einmal halb so aussagekräftig. Die banalste Gülle auf der ganzen Welt,<br />

jedem Bauern ginge Kraut und Rüben ein, würde er damit seinen Acker<br />

109


düngen. Bah, voll zum Kotzen. Nichts als heiße Luft und Maulfürze von<br />

und mit und über irgendwelche Hampelmänner und Orgelpfeifen, die<br />

keiner kennt. Die man auch gar nicht kennen will. Die nur einschlägigen<br />

Toastbroten und Gehirnakrobaten bekannt sind. Aus suspekten, niederen<br />

und nicht mehr nachvollziehbaren Gründen.<br />

Und wenn dann doch mal einer / eine mit dabei ist, den / die man kennt,<br />

wird der / die dann scheinbar schlichtweg von irgendwem zum Scheiße-<br />

Labern genötigt. Meist durch irgendeine selten dämliche Frage<br />

irgendeiner selten dämlichen Grinse-Hackfresse mit einem Mikro in der<br />

Hand. Ätzend, voll ätzend. Ein total ätzendes Szenario. Und GNT toppt<br />

alles. Alles! Allein die fratzenziehende Protagonistin, reicht schon. Und<br />

wenn die dann auch noch ihr dummes Maul aufmacht, um unentwegt<br />

und unaufgefordert banalsten Verbal-Diarrhoe in die Welt zu kotzen, na<br />

dann gute Nacht. Das ist das absolute Non-plus-ultra, das ist der Super-<br />

GAU. GNT toppt alles!<br />

Für uns läßt sich das Gesagte tabellarisch also wie folgt einordnen:<br />

Bezeichnung<br />

Fremd-<br />

wahrnehmung<br />

110<br />

Eigen-<br />

wahrnehmung<br />

tatsächlicher<br />

Status<br />

Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />

smart recht zufrieden recht zufrieden<br />

smart<br />

Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />

Fremdopfer normal dumm irgendwo clever fast clever<br />

positiv unzufrieden positiv<br />

tragisch tragisch<br />

Vollopfer sehr banal sehr wichtig<br />

dümmlich clever<br />

ungeil geil<br />

So, jetzt ist es raus. Die Bombe ist geplatzt, der Drops gelutscht.<br />

Herrlich! Endlich! Einmal mußte es gesagt werden, und jetzt wurde es<br />

gesagt, abfeier! Ahh! Ich fühle mich komplett erleichtert. Genau wie<br />

nach der Arschkotzerei zu Beginn dieses Kapitels. Doch diesmal nicht<br />

physisch, sondern psychisch. Ahh! Phantastisch, Stößchen! Bleibt nur<br />

noch der tatsächliche Status unseres Vollopfers zu klären.


Wo haben Sie eigentlich gelernt, so zu reden? In Panama-City, in einer<br />

Du-Ficki-Ficki-Seemans-Bar? Oder machen Sie heute Ihren Abflug und<br />

haben sich mit seinem Whisky vollgetankt? Verkaufen Sie diesen<br />

Wahnsinn woanders. Wir sind damit eingedeckt, bis obenhin.<br />

cc) Tatsächlicher Status<br />

111<br />

(Melvin Udall)<br />

Die Leute fragen mich immer, ob ich keine Klobürste habe. „Sag` mal,<br />

hast Du eigentlich keine Klobürste?“ Tolle Frage. Eigentlich eine selten<br />

dumme Frage, weil komplett überflüssig. Denn die Person, die mir diese<br />

Frage stellt, kommt ja zwangsläufig gerade von meinem Lokus und hat<br />

dort feststellen müssen, daß es keine Klobürste gibt. Es existiert keine.<br />

Nicht auf dem Lokus und sonst natürlich auch nirgendwo im Haus. Also<br />

eine ziemlich dumme und unnötige Frage, ganz klar. Okay, wäre die<br />

Person, die mir diese Frage stellt, Vertreter für WC-Artikel, dann<br />

meinetwegen. Dann kann man das ruhig mal fragen. Quasi als Offerte<br />

für ein folgendes Verkaufsgespräch. Dann ja, dann macht das Sinn.<br />

Oder wenn diese Frage von einer mittelschwer schizophrenen Person<br />

käme, die in ihrem paranoiden Schädel vermutet, daß die Klobürste<br />

vielleicht irgendwo versteckt ist, weil es in Wirklichkeit gar nicht die<br />

Klobürste ist, sondern das Zepter des Heiligen Benjamin von Persien, ja<br />

dann könnte man diese Frage auch sehr gut nachvollziehen. Dann wäre<br />

das sogar eine äußerst sinnvolle Frage. Aber unter normalen Umständen<br />

eben nicht. Unter normalen Umständen bzw. bei normalen Gästen<br />

absolut nicht nachvollziehbar.<br />

Unter normalen Umständen ist diese Frage sogar richtig hohl und<br />

unverschämt und kackfrech noch obendrein. Ich muß mich dann immer<br />

richtig zusammenreißen, damit ich dem Fragesteller nicht eine reinhaue.<br />

Weil ich nämlich überhaupt nicht weiß, ob der tatsächlich so bescheuert<br />

ist, oder ob er mich nur verarschen will.


Um nicht stets in Verlegenheit zu geraten, meinen Gästen eine<br />

reinhauen zu müssen, habe ich mir seinerzeit für solche und ähnliche<br />

Notfälle bzw. überflüssige Fragen, die mich wütend machen, eine Art<br />

Erste-Hilfe-Box zusammengestellt. Ein Survival Kit, um selten dämliche<br />

Fragen gewaltfrei meistern zu können. So könnte man es nennen, das<br />

umschreibt es ziemlich gut. Vielmehr sind es mehrere, identische<br />

Boxen, die allesamt denselben Inhalt aufweisen, und von denen ich stets<br />

eine in greifbarer Nähe haben muß.<br />

So habe ich beispielsweise in meinem Haus in jedem Zimmer eine<br />

solche Box positioniert. Im Wohnzimmer zwei, im Flur sogar drei. Für<br />

den Fall der Fälle. Wenn`s mal wieder soweit ist, wenn`s mal wieder<br />

brennt. Um dann blitzschnell reagieren zu können. Also beispielsweise<br />

für den kritischen Moment, wenn mich einer meiner Gäste nach dem<br />

Besuch meines WC fragt, ob ich denn keine Klobürste hätte. Auweia!<br />

Reflexartig greife ich dann in diese besagte First-Aid-Box, deren Inhalt<br />

aus zwei Tabletten Diazepam, einem Fläschchen Jägermeister 10 cl,<br />

einem Morphium-Zäpfchen und einer kleinen Habanero-Chili besteht.<br />

Das ist eine vom mir mittlerweile zum Patent angemeldete Spezial-<br />

Kombination, die ich in jahrelanger, mühsamer und liebevoller<br />

Kleinarbeit selbst entwickelt habe. Die Anwendung muß stets nach<br />

folgendem Schema verlaufen:<br />

Sobald man den belastenden Sachverhalt (hier also die unnötige<br />

Klobürsten-Frage) zur Kenntnis genommen hat und merkt, daß man<br />

gleich ausflippen wird, muß man zunächst die Habanero-Chili in zwei<br />

gleich große Teile zerbrechen. Dadurch entfaltet sich ihr Aroma<br />

besonders intensiv. Und das ist auch gut so, denn sie ist eine der<br />

schärfsten Chili-Arten der Welt. Sehr pikant. Mit der linken Hand jetzt<br />

sofort die eine Hälfte in den Mund stecken und gründlich durchkauen.<br />

Die andere Hälfte zeitgleich mit der rechten Hand ins eigene Auge<br />

stecken und ordentlich verreiben. Aber nur in ein Auge, nicht in beide.<br />

Schön draufhalten, zack. Das hört sich im ersten Moment vielleicht<br />

etwas unangenehm an, ist es aber nicht. Denn unser Körper befindet<br />

sich nun sehr ausgewogen in einer Art Yin-Yang-Situation: Die<br />

unerträglichen Schmerzen im Mund harmonieren nämlich ganz<br />

vortrefflich mit den Höllenqualen des gerade erblindenden Auges. Eine<br />

Art Win-Win-Situation für den Körper, phantastisch.<br />

112


Also alles in allem eine sehr harmonische, erquickende und überaus<br />

effiziente Methode, um sich von der haarsträubenden, kackfrechen<br />

Klobürsten-Frage abzulenken. Und sich auf die nächsten Schritte der<br />

Anwendung unserer First-Aid-Box konzentrieren zu können, denn diese<br />

haben es jetzt wirklich in sich.<br />

Nachdem ein Teil der Chili nun verspeist oder auf den Boden<br />

ausgespuckt wurde, können wir auch den anderen Teil aus dem Auge<br />

nehmen. Unverzüglich hierauf spülen wir die zwei Diazepam mit dem<br />

Fläschchen Jägermeister runter. Dadurch, daß Mund und Rachenraum<br />

durch das Chili-Fiasko total verbrannt sind, schmeckt der Jägi wie<br />

Malzbier und sollte mühelos in einem Schluck zu trinken sein. Im<br />

Magen wirkt unser Jägi dann schön beruhigend. Ferner geht er sofort in<br />

die Birne, was ja auch Sinn der Veranstaltung ist. Er hält uns also ruhig<br />

und bei Laune, bis die Diazepam wirken, während wir zwischenzeitig<br />

den letzten Schritt der Prozedur vollziehen und uns das Morphium-<br />

Zäpfchen in den Arsch stecken. Und zwar zusammen mit dem Teil der<br />

Chili-Schote, den wir zuvor im Auge stecken hatten. Beides rein, ganz<br />

wichtig. Und zack, ab ins Rosettchen! Halleluja! Wer je dachte, daß<br />

Geschlechtsverkehr unter Homosexuellen schlimm sei, wird nun eines<br />

besseren belehrt. Garantiert. Wobei man bei unserer Prozedur leider nur<br />

ansatzweise erfährt, welche Qualen der menschliche Körper aushalten<br />

kann, da der sanfte Schleier des Morphiums den analen Todes-Schmerz<br />

schnell verfliegen läßt.<br />

Wie gesagt, diese besondere Methode ist mittlerweile zum Patent<br />

angemeldet. Kann aber jeder gern mal ausprobieren, hilft wirklich.<br />

Höchst effizient. Denn daß uns nach Durchführung dieser Prozedur am<br />

eigenen Körper nun die Klobürsten-Frage im wahrsten Sinne des<br />

Wortes total scheißegal ist, kann sich wohl jeder denken. Viel<br />

wahrscheinlicher ist, daß wir hiernach gar nicht mehr wissen, wo unser<br />

Klo überhaupt ist. Ob es überhaupt ein Klo im Haus gibt. Oder ob noch<br />

im Garten über den Balken geschissen wird. Und das ist auch gut und<br />

richtig so, das war ja Sinn der Sache. Wir haben nun also ganz andere<br />

Sorgen und müssen unserem Gast für seine unerfreuliche Frage nicht<br />

mehr ohrfeigen. Unser Mittel hat gewirkt, uns ist geholfen. Bei riesigen<br />

Nebenwirkungen fressen Sie die Packungsbeilage und schlagen Sie<br />

Ihren Arzt oder Apotheker. Stößchen.<br />

113


Kriegste nix mehr zu fressen, kannste Deine eigene Scheiße fressen.<br />

aaa) Warum keine Klobürste?<br />

114<br />

(Walter Saxer)<br />

Ich bin nun also bereit und auch in der Lage, meinen Gast verbal auf<br />

dessen unverschämte, anmaßende und völlig überflüssige Frage, ob ich<br />

denn keine Klobürste hätte, hinzuweisen. Vielmehr vermittle ich ihm,<br />

daß er mich doch lieber fragen solle, warum ich keine Klobürste habe.<br />

Er hat ja gesehen, daß keine da ist, aber warum ist denn wohl keine da?!<br />

Das wäre mal eine kecke Frage. Ganz unverblümt, ohne um den heißen<br />

Brei herumzureden. Denn während man die überflüssige Frage, ob man<br />

denn keine Klobürste habe, mit einem schlichten Nein beantworten<br />

kann, gerät man bei der Frage nach dem Warum schon eher in<br />

Erklärungsnot.<br />

Die Gründe, warum ich keine Klobürste habe, sind vielschichtig. Allen<br />

voran erschließt sich mir nicht der Sinn eines solchen Utensils. In<br />

meinen Augen macht eine Klobürste keinen wirklichen Sinn, sie macht<br />

sogar Unsinn. Ein unsinniges WC-Utensil. Zumindest für mich. Für<br />

meine Gäste vielleicht nicht, aber für mich auf jeden Fall. Und letzten<br />

Endes ist es ja wohl immer noch mein Lokus.<br />

Wenn also ein Gast bei mir vom Lokus kommt und mir die an sich<br />

richtige Frage stellt, warum ich denn keine Klobürste habe, dann<br />

vergeht mir gleich mal alles. Angewidert zucke ich dann zurück,<br />

zuweilen schreie ich unbeabsichtigt kurz und schrill auf. Aiii! Denn was<br />

jetzt gerade passiert ist, kann man sich wohl an fünf Fingern abzählen:<br />

Da hat einer gerade meinen Thron bestiegen und voll abgeseilt.<br />

Kompromißlos abgeseilt, alles zugeschissen. Und zwar so heftig krass,<br />

daß die Hälfte des Abgeseilten selbst nach dem Spülen noch unten in<br />

der Schüssel hängt. Bäh. Und diese Abseil-Reste hätte unser Gast nun


gern unter Zuhilfenahme einer Klobürste beseitigt. Das muß man sich<br />

jetzt wirklich einmal vorstellen. Also bildlich. Denn wenn es bis hierhin<br />

lediglich widerlich gewesen ist, wird es nun völlig abartig. Unser Gast<br />

schrubbelt jetzt also schön mit der Klobürste die Restkacke in der<br />

Schüssel hin und her und hoch und runter, voll bäh, und dann?! Genau,<br />

dann stellt er die schöne Klobürste wieder zurück in das dazugehörige<br />

Behältnis. Ins Behältnis! Also in irgendein geschlossenes Behältnis, das<br />

der Aufbewahrung der Klobürste dient und irgendwo auf dem Boden<br />

neben der Schüssel steht oder an die Wand geschraubt ist. Na, fällt der<br />

Groschen langsam?!<br />

Das ist ja wohl die mit Abstand perverseste Sauerei im Haushalt, seit<br />

der Mensch nicht mehr mit den Schweinen unter einem Dach lebt.<br />

Einfach nur widerlich, aber echt jetzt. Bei dem Gedanken daran<br />

sträuben sich mir die Nackenhaare. Ein Schauer läuft mir den Rücken<br />

runter. Ich ekle mich so doll, daß ich gar nicht weiß, ob ich mich<br />

überhaupt schon jemals in meinem Leben so geekelt habe wie jetzt<br />

gerade jetzt. Wie bei dem Gedanken daran, daß man permanent ein<br />

Behältnis mit Anteilen von Restkacke diverser Personen in seinem<br />

Haushalt aufbewahrt. Ein Behältnis, welches vor sich hin siecht, sifft,<br />

gammelt, müffelt, gimpt. Unfaßbar. Und die ganzen Baktereien bzw.<br />

vielmehr Bakterien-Kulturen, die darin wachsen und gedeihen und stets<br />

und ständig mit neuer Kacke genährt werden. Igitt. Es verschlägt mir<br />

schlichtweg die Sprache, und das soll mal was heißen. Mir fehlen die<br />

Worte. Kurz: Es schlägt dem Faß den Boden aus! Widerlich.<br />

Denn im Normalfall läuft es nämlich so: Person X kackt ab, benutzt die<br />

Bürste und stellt sie dann wieder zurück. Die gröbsten Brocken<br />

vielleicht abgeklopft oder abgespült, muß aber nicht sein. Und selbst<br />

wenn, dann ist trotzdem noch genug dran, ganz klar. Durch das bißchen<br />

Abspülen mit Wasser aus der Klospülung kann das Ding ja nicht<br />

besonders sauber werden, leuchtet ja wohl ein. Person Y verfährt<br />

ebenso, Person Z auch, alle verfahren so. Weil sie die Bremsspuren in<br />

der Schüssel eben gern beseitigt hätten. Ist ja auch verständlich, ist sonst<br />

nämlich peinlich. Was für eine Schrubbelei, sensationell, pfui.<br />

Generationen von Gästen und Besuchern schrubbeln und schrubbeln<br />

und schrubbeln ihren Kot mit ein und derselben Bürste aus unserem<br />

Pott. Da muß man jetzt nur noch Eins uns Eins zusammenzählen.<br />

115


Somit entsteht im Laufe der Zeit eine Art Kacke-Zepter, welches in<br />

einem Gülle-Behälter vor sich hin siecht. Zwangsläufig. Selbst dann,<br />

wenn man das Ding ab und an erneuern würde. Selbst dann würde es<br />

innerhalb kürzester Zeit wieder zum heiligen Kacke-Zepter. Denn man<br />

käme ja wohl nie im Leben auf die schwachsinnige Idee, die bekackte<br />

Klobürste mal von Grund auf zu reinigen. Also so richtig schön mit den<br />

Fingern zwischen die Borsten und die Bröselchen da rauspulen. Selbst<br />

mit Haushaltshandschuhen nicht. Definitiv nicht. Und wer jetzt doch<br />

was anderes behauptet, ist verrückt. Und ziemlich pervers noch dazu.<br />

Allein der Gedanke daran ist schon ziemlich verdächtig.<br />

Es ist also völlig unmöglich, die Klobürste dahingehend zu reinigen,<br />

daß sie einem gewissen Hygiene-Anspruch genügt. Ausgeschlossen. Es<br />

ist und bleibt eine fiese Fäkal-Schleuder. Und am besten geht man dann<br />

eines Tages selbst noch bei und will mit dieser Fäkal-Schleuder sein<br />

WC putzen. Also so richtig, schön mit Putzmittel und WC-Ente und so.<br />

Das ist dann der Super-GAU. Pure Perversion. Das ist so pervers, daß es<br />

fast schon wieder lustig ist. Aber leider nur fast, es bleibt unvorstellbar<br />

ekelig. Das miefende, vor sich hin siechende und mit vielfacher<br />

Fremdkacke besudelte Fäkal-Zepter als Zauberstab für eine generelle<br />

WC-Säuberung. Was für ein Paradoxon! Scheiße zu Gold. Schön mit<br />

der WC-Ente in die Schüssel reinhalten, und dann die Kacke-Fackel<br />

nehmen und alles hübsch verteilen und einmassieren. Grundgütiger, was<br />

für ein Fiasko. Als würde man seinen nagelneuen Mercedes mit einem<br />

Lappen polieren, mit dem man zuvor das Restöl vom Ölwechsel<br />

aufgewischt hat. Mindesten genauso schwachsinnig.<br />

Und vielleicht könnte diese kleine Illustration nun auch die Frage<br />

beantwortet haben, warum ich denn wohl keine Klobürste habe. Eben<br />

genau darum habe ich keine. Weil`s unvorstellbar pervers ist. Ein<br />

überflüssiges, widerliches und völlig überbewertetes Utensil. Und wenn<br />

so ein Ding dann erstmal neben der Schüssel steht, ist es nur eine Frage<br />

der Zeit, bis irgendein Stinker es auch benutzt. Und damit den Stein ins<br />

Rollen bringt. Beziehungsweise das Zepter zum Stinken.<br />

Für Anwendungen der Grundreinigung ist so eine Klobürste demnach<br />

vollkommen ungeeignet. Also wenn ich meinen Dampfer mal wieder<br />

auf Hochglanz polieren will, also so von Grund auf, dann wird die<br />

116


ganze Schüssel erstmal bis zum Anschlag mit Sagrotan vollgepumpt.<br />

Voll rein, bis nichts mehr geht. Und dann gehe ich da mit dem Scheuer-<br />

Schwamm bei. Und zwar volle Kanne. Bis mir der Schweiß auf der Stirn<br />

steht. Bis der Thron strahlt und funkelt. Bis der so hell erleuchtet, daß<br />

ich ihn nicht mehr direkt ansehen kann. Dann ist der sauber. Richtig<br />

sauber. Der ist dann chemisch rein. Und zwar so krass, daß es einem<br />

beim nächsten Stuhlgang die Arschhaare wegätzt. Also ganz was<br />

anderes, als mit einer Klobürste rumzufuchteln, selbst wenn diese<br />

sauber oder gar neu ist. Die Gewalt, die man über einen Scheuer-<br />

Schwamm hat, könnte man niemals auf eine Klobürste ausüben.<br />

Physikalisch schonmal gar nicht, der Stiel bräche durch. Also in der Tat<br />

denkbar ungeeignet.<br />

Und für Fremd-Scheißer habe ich seit einiger Zeit statt einer Klobürste<br />

irgendeine chemische Keule neben der Schüssel stehen. Irgendein<br />

Granulat, ein hochätzendes Pulver oder sogar Drano Power Gel. Das<br />

kann dann derjenige bei etwaigen Bremsspuren in der Schüssel<br />

problemlos anwenden. Einfach was davon rein in die Schüssel, zack, 30<br />

Sekunden warten, abermals spülen und gut. Alles weggeätzt, alles blitzt<br />

und blinkt. Hygienisch vorbildlich, hygienisch einwandfrei. Denn<br />

schlimm war früher auch immer, wenn ich mal ein Mädel abgeschleppt<br />

hatte. Und die dann sagte, sie müsse mal für kleine Mädchen. Und dann<br />

nach fünf Minuten vom Lokus wiederkam und fragte, ob ich denn keine<br />

Klobürste hätte. Bah, das ging dann mal gar nicht. Da wußte man<br />

gleich, daß die Stunde geschlagen hat. Daß die Süße nicht für kleine<br />

Mädchen war, sondern vielmehr einen großen Fisch in den Teich gelegt<br />

hatte. Und zwar so groß, daß der Teich braun genug war, um eine<br />

Klobürste benutzen zu wollen. Bäh, das ging dann mal gar nicht. Dieses<br />

Mädchen mußte dann leider wieder nach Hause fahren, denn an Sex war<br />

nun nicht mehr zu denken.<br />

Vielleicht rührt daher meine Antipathie gegen die Klobürste. Ruinierte<br />

Sex-Phantasien. Das könnte es sein. Ist aber auch egal, wird nie wieder<br />

vorkommen. Nie, nie wieder. Denn seit ich das ätzende Zeug neben der<br />

Schüssel stehen habe, noch dazu mit der aufgeklebten Notiz, dieses bitte<br />

bei Restkacke und Kackeresten in die Schüssel zu kippen, hat nie<br />

wieder eine Lady nach der Scheiß-Klobürste gefragt. Und das ist auch<br />

gut so, denn davon profitieren alle! Stößchen!<br />

117


Du hast `ne Stimme wie `ne alte Oma. Aber beim Kacken.<br />

bbb) Und die Werbung?<br />

118<br />

(Dieter Bohlen)<br />

Manchmal beschleicht mich sogar das dumpfe Gefühl, daß einige Leute<br />

nur zum Kacken zu mir kommen. Nicht, daß ich das nicht irgendwo<br />

nachvollziehen könnte. Ich würde es wahrscheinlich genauso machen,<br />

wenn ich nicht bereits so ein monumentales, preisgekröntes, ja geradezu<br />

epochales Gäste-WC hätte. Alles vom Feinsten. Alles feinster Marmor,<br />

edelste Grohe-Wasserhähne, eine höhenverstellbare Schüssel von<br />

Villeroy & Boch, ebenso wie Bidet und Waschbecken. Zwar alles ohne<br />

Klobürste, logisch, dafür aber mit vielen anderen tollen Extras.<br />

Wahlweise Paul Kalkbrenner oder Chillout-Musik, sobald man den<br />

Lichtschalter bedient, je nach Geschmack. Peruanische Handseife.<br />

Seidene Vorhänge. Beistelltische im Biedermann-Stil. Zwei<br />

rombenförmige Kronleuchter. Porzellanfiguren aus der Ming-Dynastie.<br />

Und, und, und. Keine Frage, dieses WC hat Stil.<br />

Vierlagiges Toilettenpapier vom Charmin-Bär, wahnsinnig soft, der<br />

absolute Arsch-Schmeichler. Hakle Feucht, falls die Wurst mal wieder<br />

ein bißchen dünner war und man sich untenrum hygienisch noch nicht<br />

ganz einwandfrei fühlt. Dann ein schönes Hakle Feucht, zack, und die<br />

Welt ist wieder in Ordnung. Und natürlich auch Brise Airwick, den<br />

Geruchsbeseitiger. Beseitigt Stinkerei jeder Art und hinterläßt einen<br />

sehr zarten und leicht blumigen Hauch von Minze, ganz tolle Sache. Mir<br />

fällt dabei gerade auf, daß es mir eigentlich exakt so ergeht, wie den<br />

Figuren aus der Brise-Airwick-Werbung im TV. Wo das Kind nicht zu<br />

Hause kacken will, sondern lieber bei Paul. Weil es zu Hause scheinbar<br />

ganz gewaltig stinkt auf dem Lokus. Zur besseren Veranschauung hier<br />

mal kurz der zugegebenermaßen etwas hanebüchene Dialog zwischen<br />

der Brise-Mutter und dem Brise-Kind:


Kind: Mama, ich muß mal groß.<br />

Mama: Na dann komm`.<br />

Kind: Nee, ich geh` lieber bei Paul auf`s Klo.<br />

Mama: Sei` nicht albern.<br />

Kind: Ich geh` aber lieber bei Paul auf`s Klo.<br />

Mama: (überlegt) Hmmm.<br />

Soviel dazu. Im wahrsten Sinne des Wortes ein total beschissener und<br />

völlig absurder Dialog. Realistischer geht es kaum, meine Fresse.<br />

Herzlichen Glückwunsch dazu. Und natürlich Stößchen. Aber egal, das<br />

Produkt ist gut. Umgekehrt wäre schlimmer. Also toller Dialog und<br />

Scheiß-Produkt. Das wäre schlimmer, unbestritten.<br />

So, und mich beschleicht so schön langsam mal das unheilschwangere<br />

Gefühl, daß ich scheinbar Paul bin. Mal eben schön zu Paul, mal schön<br />

gepflegt einen abkacken, zack. So wird`s doch gemacht. Manche<br />

kommen doch tatsächlich nur zum Abseilen zu mir, kaum zu glauben.<br />

Guten Tag, abgeseilt, auf Wiedersehen. Kack-and-go. Meine Fresse, ich<br />

bin tatsächlich Paul! Mist. Und ich dachte, ich wäre der Honk.<br />

Bockmist. So kann man sich täuschen. Wobei das ja eigentlich Blödsinn<br />

ist, fällt mir gerade auf. Es existiert ja überhaupt keine umgekehrte<br />

Kausalitätskette zwischen Paul und Honk. Wenn ich der eine bin, heißt<br />

das ja nicht zwangsläufig, daß ich nicht zugleich auch der andere sein<br />

kann. Schließt sich ja gegenseitig nicht aus. Ich bin ja auch Honk und<br />

Sohn, Honk und Autofahrer, Honk und Raucher. Kann ja alles<br />

koexistieren, schließt sich ja nicht aus. Gott sei Dank.<br />

Okay, um die Sache abzukürzen: Ich bin und bleibe der Honk, fühle<br />

mich aber zuweilen wie Paul. Das trifft es am ehesten und vermeidet<br />

unnötige Haarspaltereien. Dabei belassen wir es. Wobei aber immer<br />

noch die Frage im Raum steht, ob dieser ominöse Paul überhaupt<br />

mitkriegt, daß das andere Kind ihn nur zum Kacken besucht. Lassen wir<br />

119


jetzt aber auch mal dahingestellt, die Werbung läßt das ja schließlich<br />

auch offen. Ich krieg`s auf jeden Fall mit, wenn hier einer nur zum<br />

Abdrücken herkommt. Und ich bin darüber nicht sehr erfreut, not<br />

amused, wie man sich sicher denken kann.<br />

Auf jeden Fall ein völlig haarsträubender und absurder Dialog zwischen<br />

der Brise-Mutter und dem Brise-Kind. Im realen Leben unvorstellbar.<br />

Im realen Leben würde das Kind von vornherein gar nichts sagen und<br />

dann bei Paul abkoffern. Und zwar kommentarlos. Oder es ginge gleich<br />

in den Garten. Hinter den Busch. Um die Ecke. In Nachbars Garten.<br />

Oder sonstwo hin. Irgendwo hin, egal. Alles viel wahrscheinlicher als<br />

dieser absurde Dialog. Käme es dann aber doch zu einem Dialog, dann<br />

sähe dieser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so aus:<br />

Kind: Mama, ich muß mal groß.<br />

Mama: Na dann komm`.<br />

Kind: Nee, ich geh` lieber bei Paul auf`s Klo.<br />

Mama: Geht`s noch?! Wenn Du kacken mußt, dann kack`. Oder<br />

halt` den Rand und warte, bis Du bei Paul bist, und kack`<br />

dann da. Aber erzähl` mir nicht, daß Du kacken mußt und<br />

hier aber nicht willst oder kannst, Du komisches Kind. Was<br />

paßt Dir denn an unserem Lokus nicht?!<br />

Kind: Hast eigentlich Recht, war blöd.<br />

Keine Frage, dieser Dialog läge etwas näher an der Realität. Also wenn<br />

überhaupt irgendein Dialog, dann dieser. Oder ein ähnlicher mit<br />

entsprechendem Inhalt. Fakt aber bleibt, daß viele Menschen meine<br />

naive Gastfreundschaft scheinbar ausnutzen, nur um ihr Geschäft in<br />

vollendeter Atmosphäre verrichten zu können. Und obwohl ich das als<br />

Hommage an mein schönes WC verstehen könnte, mich vielleicht sogar<br />

geehrt fühlen könnte, fühle ich mich schlichtweg verarscht.<br />

120


Spieler haben Scheiße gespielt. Tut mir leid, kann ich nichts für, würde<br />

ich auch gerne anders sagen. Aber Spieler haben Scheiße gespielt.<br />

Absolute Scheiße.<br />

ccc) Ergebnis<br />

121<br />

(Aleksandar Ristic)<br />

Na was ist denn jetzt los? Hat der jetzt völlig den Verstand verloren?<br />

Mag sein. Wozu das alles? Wen interessiert der Scheiß? Und was hat<br />

das alles überhaupt mit dem Thema zu tun? Mit der Festlegung des<br />

tatsächlichen Staus unseres Vollopfers?<br />

Einiges. Vieles sogar. Eigentlich alles. Ja genau, alles. Metaphorisch<br />

gesehen haben wir nämlich auf den letzten paar Seiten nichts anderes<br />

gemacht, als den tatsächlichen Status unseres Vollopfers zu definieren.<br />

Rein metaphorisch natürlich. Die fehlende Klobürste, der<br />

haarsträubende Brise-Dialog, unser pompöses Klosett. Das alles ist<br />

unser Vollopfer. Das alles entspricht dem tatsächlichen Status unsers<br />

Vollopfers. Alles natürlich rein metaphorisch, versteht sich.<br />

Zuerst die überflüssige Frage, ob ich denn keine Klobürste habe. Eine<br />

haarsträubende Frage, die ich nur durch Selbstverletzung (Habanero in<br />

Auge und Arsch) und unter Zufuhr diverser Betäubungsmittel gewaltfrei<br />

beantworten konnte. Alles in allem also ganz genau so wie beim<br />

Vollopfer-TV: Überflüssig, haarsträubend, nüchtern nicht zu ertragen.<br />

Man möchte den Protagonisten und Protagonistinnen am liebsten<br />

permanent in die Fresse hauen oder sich selbst geißeln.<br />

Dann die unheilschwangere Frage nach dem Warum. Warum ich denn<br />

wohl keine Klobürste habe. Ganz klar, weil sie unsinnig, widerlich,<br />

schauderhaft und überbewertet ist. Bah, bah, bah. Also auch Eins zu<br />

Eins mit unserem voll geilen Opfer-TV und dessen bizarren Figuren,


alles identisch: Widerliche, schauderhafte TV-Formate, allen voran<br />

GNT, bah. Eine völlig überbewertete Protagonistin, überbewerteter geht<br />

es nicht mehr. Inmitten einer Horde völlig verwirrter und<br />

orientierungsloser Kinderchen. Kleine, liebe Mädchen, die permanent<br />

irgendeinen unfaßbar hanebüchenen Schwachsinn in irgendeine Kamera<br />

posaunen, als hinge die Existenz der Menschheit davon ab. Als stände<br />

das Jüngste Gericht kurz bevor. Die Apokalypse. Auweia! Aber alles<br />

schön analog zu unserer fiesen Klobürste, alles original übertragbar.<br />

Alles dieselbe Thematik. Warum? Möchte man aufschreien. Wozu das<br />

alles? Wozu der ganze Zirkus? Es macht doch keinen Sinn?!<br />

Man möchte den fehlgeleiteten Darstellern und Teilnehmern am liebsten<br />

dieses ätzende Scheißhaus-Granulat aus meinem Lokus in die Rübe<br />

kippen, damit ganz oben mal wieder ordentlich durchgespült werden<br />

kann. Das würde helfen, genau wie es in meiner Schüssel auch hilft.<br />

Man möchte helfen, einfach nur helfen, aber es geht nicht. Jede Hilfe<br />

kommt da zu spät, es ist leider so. Einem Vollopfer kann nicht mehr<br />

geholfen werden, so tragisch es auch ist. Keine Chance, der Zug ist<br />

abgefahren.<br />

Und dann diese Brise-Familie. Heiliger Bimbam. Was für ein geiler<br />

Dialog! Völlig banal und absurd. Voll an der Realität vorbei<br />

geschossen. Aber sowas von. Endgeil. Und dazu mein Ärgernis über<br />

Gäste, die nur zum Scheißen zu mir kommen. Von denen ich mich<br />

verarscht fühle. Die ich teilweise nicht einmal kenne! Alles genau wie<br />

bei unseren Vollopfern. Die leben auch in einer Scheinwelt jenseits jeder<br />

Realität, auch alle endgeil. Banalstes Geschwätz, absurdeste Themen.<br />

Absolut nicht mehr nachvollziehbar, jeder geistig halbwegs normal<br />

situierte Mensch kommt sich da komplett verarscht vor.<br />

So sieht`s jetzt mal aus. Das ist der Stand der Dinge. Also keine banale<br />

Phrasendrescherei über Klobürsten und ähnlichen Mist, sondern<br />

vielmehr metaphorisches Eruieren des tatsächlichen Status unseres<br />

Vollopfers. Und zwar als überbewertet, sehr banal und realitätsfremd.<br />

Oder kurz: Voll Scheiße! Womit die Charakterisierung unseres<br />

Vollopfers dann übrigens auch abgeschlossen wäre. Phantastisch, ganz<br />

phantastisch, ganz großes Tennis hier. Und -na klar- Stößchen!<br />

122


You sit there and you thump your bible and you say your prayers. And it<br />

didn`t get you anywhere. Talk about your psalms, talk about Johannes<br />

3:16. Well, Austin 3:16 says: I just kicked your ass!<br />

dd) Ergebnis<br />

123<br />

(Stone Cold Steve Austin)<br />

Was für ein Fest! Ich möchte nicht wissen, in wie viele Ärsche ich<br />

gerade getreten habe. Also die letzten 40 Seiten. Wie viele Vollopfer<br />

sind jetzt not amused? Wie viele Vollopfer halten das alles hier für very<br />

disgusting? Na? Ist mir scheißegal, ist mir total Latte. Von mir aus kann<br />

allen ein Zacken aus der Krone brechen. Abfeier! Zack, hier:<br />

Bezeichnung<br />

Fremd-<br />

wahrnehmung<br />

Eigen-<br />

wahrnehmung<br />

tatsächlicher<br />

Status<br />

Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />

smart recht zufrieden recht zufrieden<br />

smart<br />

Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />

Fremdopfer normal dumm irgendwo clever fast clever<br />

positiv unzufrieden positiv<br />

tragisch tragisch<br />

Vollopfer sehr banal sehr wichtig sehr banal<br />

dümmlich clever überbewertet<br />

ungeil geil realitätsfremd<br />

Bitteschön! Da habt Ihr`s. Schwarz auf weiß. Und es gehört alles Euch!<br />

Es war mir ein Vergnügen, the pleasure was all mine. Was für ein Fest!<br />

Amazing! Stößchen! Wahrscheinlich war`s das jetzt für mich mit Heidis<br />

Halloween-Party. Egal, drauf geschissen. Mir hat es da eh noch nie<br />

gefallen zwischen den ganzen Voll- und Halbvollopfern. War eh nichts<br />

für mich, immer dieses Hin und Her, mal LA, mal New York...


Und es ist noch nicht vorbei, das Leiden hat noch kein Ende. Im Laufe<br />

des nächsten Kapitels werden wir uns noch einmal mit Opfer-TV<br />

auseinandersetzen müssen. Allerdings nur noch sehr kurz und knapp.<br />

Wir wollen ja nicht, daß unser schönes Sachbuch hier zu einem<br />

kommerziellen Boulevard-Schundheftchen verkommt. Nein, das wollen<br />

wir mal nicht. Aber keine Bange, schlimmer wird`s eh nicht mehr.<br />

Schlimmer geht`s auch gar nicht mehr. Hoffe ich zumindest.<br />

Mit dem Vollopfer haben wir nun also ein hierarchisches Pendant zu<br />

unserem Vollidioten aus dem zweiten Kapitel gefunden. Gesucht,<br />

gefunden. Wobei wir bei dem telemedialen Dünnpfiff, den unsere<br />

Vollopfer tagtäglich verzapfen, nicht lange suchen mußten. Während<br />

wir also auf der einen Ebene den Idioten, das Fremdopfer und den Honk<br />

haben, erschließt sich uns auf der anderen Ebene dieses Bild:<br />

Vollidiot � Vollopfer<br />

Hierbei verhält es sich aber nicht zwangsläufig so, daß der Vollidiot<br />

irgendwann eine Metamorphose zum Vollopfer durchläuft oder<br />

umgekehrt. Das kann in einigen Fällen geschehen, ist aber eher selten.<br />

Vielmehr existiert eine Art Abhängigkeits-Verhältnis zwischen beiden.<br />

Beide sind aufeinander angewiesen und zwar recht stark: Ohne den<br />

Vollidioten hätte unser Vollopfer nur noch identische Vollopfer und das<br />

ganze Casting-Gesocks als Publikum. Und umgekehrt hätte unser<br />

Vollidiot ohne das Vollopfer nur noch Aso-TV, während sein geliebtes<br />

Opfer-TV komplett wegfiele. Leuchtet ein, oder?! Also ein sehr stark<br />

ausgeprägtes Abhängigkeits-Verhältnis.<br />

Und das ist auch gut so. Denn immerhin hatten wir uns ja am Schluß des<br />

Fremdopfer-Kapitels vorgenommen, unserem Vollidioten einen<br />

hierarchischen Bezugspunkt, vielmehr sogar einen Freund zu suchen.<br />

Diesen Freund haben wir nun in unserem Vollopfer gefunden. Unser<br />

Vollopfer weist nämlich alle grundlegenden Eigenschaften auf, die sich<br />

unser Vollidiot nur wünschen kann. Und umgekehrt verhält es sich<br />

genauso. Alles in allem also ein ziemlich runde Sache, sehr harmonisch,<br />

sehr ausgeglichen, ich freu` mich.<br />

124


Das Gefühl der inneren Leere ist eine Form der chronischen<br />

Depression, so als trauere man ständig um den Verlust des eigenen,<br />

wahren Selbst.<br />

ee) Metamorphose<br />

125<br />

(John Bradshaw)<br />

Bleibt abschließend nur noch zu klären, welche unserer bisher<br />

charakterisierten Figuren zum Vollopfer mutieren können, und warum<br />

bzw. wodurch eine solche Mutation vollzogen wird. Wer wird wann und<br />

warum zum Vollopfer? Und was passiert dann?<br />

Unser landläufiger Idiot eher nicht. Dazu ist er viel zu bodenständig und<br />

in das bestehende System eingegliedert. Gott sei Dank! Sollte unser<br />

Idiot durch irgendeine Gegebenheit eines Tages Reichtum oder Ruhm<br />

erlangen, oder sollte ein anderer Umstand eintreten, der ihm Tür und<br />

Tor zur Vollopfer-Welt öffnet, würde er diesem Umstand mit<br />

angemessener Achtung begegnen. Und die Offerte zur Vollopfer-<br />

Transformation gebührend ablehnen. Dazu ist das Idioten-Dasein in<br />

seinem Inneren viel zu tief verwurzelt. Klar, Ausnahmen gibt es immer.<br />

Auch unter unseren Idioten wird es einige geben, die dann in die<br />

Vollopfer-Rolle abdriften, völlig den Verstand verlieren und dann einen<br />

auf Baron Zitzewitz von Bad Sacksausen machen.<br />

Aber solche Spinner gibt es überall und in allen Schichten. Unter den<br />

Idioten sind sie dann aber doch eher die Ausnahme, und das ist auch gut<br />

und richtig und wichtig so. Eine Metamorphose unseres Idioten zum<br />

Vollopfer kann daher weitestgehend ausgeschlossen werden. Die<br />

Wahrscheinlichkeit liegt unter einem Prozent, nur um mal eine Zahl in<br />

den Raum zu werfen. Wenn unser Idiot überhaupt zu irgendetwas<br />

mutiert, dann zum Fremdopfer. Und dann darüber hinaus in seltenen<br />

Fällen vielleicht zum Honk, was dann aber auch sehr zu begrüßen ist.


Bei unserem Fremdopfer selbst sieht das schon etwas anders aus.<br />

Während bei unserem Vollopfer der Begriff des Opfers als Synonym für<br />

eine Pappnase steht, die in ihrer durch Banalitäten geprägten, eigenen,<br />

absurden Welt lebt, verhält es sich diesbezüglich bei unserem<br />

Fremdopfer komplett anders. Wie wir feststellen konnten, steht bei<br />

unserem Fremdopfer der Begriff des Opfers vielmehr für ein<br />

tatsächliches Opfer im Sinne der klassischen Definition. Also für einen<br />

widerwilligen Verzicht auf etwas aus diversen Gründen.<br />

Die hieraus resultierende Unzufriedenheit treibt unser Fremdopfer oft in<br />

Frustration und macht es damit anfällig für eine Mutation. Diese<br />

Mutation kann einerseits zum Honk, anderseits jedoch auch zum<br />

Vollopfer erfolgen. Wenn denn überhaupt mal eine Mutation erfolgt.<br />

Denn in schätzungsweise 97% aller Fälle verharrt unser Fremdopfer in<br />

seiner Fremdopfer-Rolle und wird dann irgendwann, nachdem alle<br />

Kompensations-Versuche kläglich gescheitert sind, depressiv. Da<br />

müssen wir uns nichts vormachen, das ist so sicher wie das Amen in der<br />

Kirche.<br />

Von den verbleibenden, mutationswilligen drei Prozent transformieren<br />

zwei Prozent zum Vollopfer und vielleicht ein Prozent zum Honk, wenn<br />

überhaupt. Denn die Transformation zum Honk ist ein steiniger Weg,<br />

der mit viel Skepsis und vielen Rückschlägen gepflastert ist. Den<br />

meisten Fremdopfern ist so eine Transformation einfach viel zu krass.<br />

Sie fürchten sich schlichtweg davor. Was dann der Mutation zum<br />

Vollopfer Tür und Tor öffnet, weil dies ein vergleichsweise einfacher<br />

und allgemein bekannter Weg ist. Die meisten Fremdopfer wissen<br />

nämlich gar nicht, daß es überhaupt einen Honk-Weg gibt. Die kennen<br />

nicht einmal einen Honk. Beziehungsweise kennen schon, wissen aber<br />

nicht, das es ein Honk ist. Die erkennen den Honk also erstmal gar<br />

nicht. Was wir unseren Fremdopfern allerdings nicht übel nehmen<br />

dürfen. Die meisten Fremdopfer merken nicht einmal, wie sie im Laufe<br />

der Jahre depressiv werden bzw. geworden sind. Die Rolle des<br />

Fremdopfers ist daher eine sehr tragische und oftmals verkannte Rolle.<br />

Deshalb verharrt unser Fremdopfer auch zumeist in ihr. Im Ergebnis<br />

halten wir also fest, daß immerhin zwei Prozent der Fremdopfer zum<br />

Vollopfer mutieren. Und daß es sich dabei fast ausschließlich um<br />

Frauen handelt, sollte auch jedem klar sein.<br />

126


Dagegen beträgt bei unserem Vollidioten die anzunehmende<br />

Metamorphose-Wahrscheinlichkeit nahezu 100%. Soll heißen, sobald<br />

ein Umstand eintritt, der unserem Vollidioten die Möglichkeit bietet,<br />

seinen Status in den eines Vollopfers umzuwandeln, wird dieser keine<br />

Sekunde zögern und sofort mutieren. Kompromißlos mutieren. Zack.<br />

Blitzschnelle Transformation. Also beispielsweise, wenn unser Vollidiot<br />

eine Million im Lotto gewinnt. Die Zusatzzahl ist noch nicht ganz<br />

gezogen, zack, steht der SL 500 vor der Tür. Oder vergleichbarer<br />

Luxus-Schlitten. Und zack, ist man in prominenter Gesellschaft, na klar.<br />

Dauert keinen Abend, ruckzuck ist man wer, Stößchen.<br />

Überflüssig zu erwähnen, daß das Vollopfer-Dasein unseres Vollidioten<br />

dann auch nicht allzu lange andauert. Geht alles ziemlich schnell. Die<br />

Kohle ist logischerweise schnell durchgebracht, und da unser neues<br />

Vollopfer außer Kohle nicht viel zu präsentieren hat in der sexy High<br />

Society, mutiert sein Status ähnlich rasant zum Vollidioten zurück, wie<br />

sein Konto ins Minus schießt. Was nichts daran ändert, daß unser<br />

Vollidiot jede Chance zur Metamorphose nutzen wird, so sie sich ihm<br />

denn anbietet. Metamorphose-Prognose zum Vollopfer also bei 100%.<br />

Fehlt nur noch unser Honk. Unser Honk, le Honk, il Honko. Und die<br />

Wahrscheinlichkeit, daß ein Honk bei sich bietender Gelegenheit zum<br />

Vollopfer mutiert, beträgt schlanke 0%. Ja, in der Tat, schlanke 0%. Ein<br />

glatter Nuller, was für eine Überraschung! Nein, nicht wirklich. Sollte<br />

sich mittlerweile eigentlich jeder selbst denken können. Und wer sich<br />

das aber jetzt doch noch nicht selbst denken kann, dem kann ich dann<br />

auch nicht mehr helfen. Vielleicht sollte der- oder diejenige dann die<br />

letzten 50 Seiten, auf denen die Figur des Vollopfers äußerst subtil von<br />

einem Honk charakterisiert worden ist, lieber doch noch einmal lesen.<br />

Könnte vielleicht Sinn machen.<br />

Alle anderen möchten bitte gewarnt sein:<br />

Jetzt wird scharf geschossen!<br />

127


Da geht er hin. Einer von Gottes eigenen Prototypen. Ein aufgemotzter<br />

Mutant von der Sorte, die nie zur Massenproduktion in Betracht<br />

gezogen wurde. Zu spleenig zum Leben, und zu selten zum Sterben.<br />

128<br />

(Raoul Duke)<br />

Da siehst Du endlich mal, was in mir steckt: Ich bin `ne Bourbon<br />

durchtränkte, nach Zigarren stinkende Kotztüte, wozu Gott mich in<br />

seiner unendlichen Weisheit berufen hat. Wozu er alle Männer berufen<br />

hat!<br />

IV. Der Honk<br />

1. Definition<br />

(englisch: to honk (hupen; ugs. auch kotzen))<br />

(Charlie Harper)<br />

Der Begriff des Honk leitet sich aus dem englischen to honk ab, was<br />

übersetzt soviel wie hupen oder umgangssprachlich auch kotzen<br />

bedeutet und identisch ist mit dem Begriff des Honk in diesem Buch. An<br />

die wörtliche Übersetzung angelehnt, können wir unseren Honk<br />

demnach als eine Art lärmende Kotztüte verstehen. Also ein kecker<br />

bzw. zuweilen sogar ziemlich frecher Stinkstiefel, der oftmals vorlaut ist<br />

und irgendwelche mehr oder weniger sinnvollen Formen von Lärm und<br />

Krawall jeder erdenklichen Art produziert. Eine lärmende Kotztüte halt.<br />

So könnte man es am ehesten beschrieben, das träfe so den Punkt<br />

ziemlich genau. Punktgenau sozusagen. Und deswegen wollen wir das<br />

hier auch so handhaben.


Mit der gängigen, umgangssprachlichen und vorwiegend im Internet<br />

vertretenen Definition des Honk hat unser Honk demnach nicht viel<br />

gemein. Dort wird der Honk zumeist als Synonym für einen „Trottel,<br />

Dummkopf oder Versager“ verwendet, aber auch für „eine<br />

Dumpfbacke, einen Primitivo oder einen niedrig gebildeten Rüpel“.<br />

Vereinzelt wird der Begriff des Honk auch als Abkürzung verstanden.<br />

Hierbei sind „Hauptschüler Ohne Nennenswerte Kenntnisse“ und „Hirn<br />

Ohne Nennenswerte Kapazität“ am häufigsten zu finden. Diese<br />

Definition ist für unsere Zwecke jedoch abzulehnen, da sie<br />

fälschlicherweise und ohne erkennbaren Grund die geistigen Ressourcen<br />

unseres Honk limitiert.<br />

Denn die geistigen Ressourcen eines Honk sind keineswegs limitiert.<br />

Vielmehr kann ein Honk über ein ganzes Spektrum an Intelligenz<br />

indizierenden Parametern verfügen. Kann, muß nicht. Alles geht, nichts<br />

muß. Vorstellbar ist hierbei auch, daß ein Honk lediglich über ein<br />

einziges Intelligenz-Parameter verfügt, welches bei ihm jedoch so<br />

außergewöhnlich markant ausgeprägt ist, daß es sein ansonsten<br />

vielleicht eher schlichtes Gemüt vollends in den Schatten stellt. Also ein<br />

sogenannter Mega-Skill bzw. Mega-Soft-Skill, wie es so schön important<br />

im Yuppie-Neudeutsch heißt.<br />

Mich zum Beispiel hat der Herrgott mit einem Kopf voll Scheiße<br />

bedacht. Die ganze Birne voll Kot, voll zugeschissen, bis obenhin. Paßt<br />

nichts mehr rein, alles voll, besten Dank auch. Ich habe sogar schon<br />

ganz braune Augen bekommen, so voll zugeschissen ist der Kürbis.<br />

Bäh. Gleichzeitig wurde ich jedoch mit einem fulminanten, ja geradezu<br />

exorbitanten Artikulations-Vermögen gesegnet, dessen voluminöse<br />

Bandbreite situationsspezifisch von sehr subtil bis hin zu<br />

Vorschlaghammer reichen kann. Und noch dazu mit der Gabe, beides<br />

kombinieren zu können.<br />

Ja, und das macht Laune, das macht Spaß. Wunderbar. Das ist Honk<br />

live, Honk uncensored. Den ganzen Tag hübsch verpackte Scheiße<br />

sabbeln. Laber, laber, Rhabarber. Und sülz, bla. Phantastisch. Als würde<br />

man bunte Blümchen furzen. Für mich ganz klar der Soft-Skill der<br />

Woche, wenn nicht sogar des Monats. Zugegebenermaßen etwas<br />

verwegen, keine Frage, aber durchaus interessant. Hochinteressant.<br />

129


Unter`m Strich ist das eigentlich nichts anders als das Tagesgeschäft<br />

eines Politikers. Der macht das nämlich auch so, falls es jemanden gibt,<br />

dem das noch nicht aufgefallen sein sollte. Den ganzen Tag<br />

irgendwelche mehr oder weniger zusammenhängenden Sprachbrocken<br />

auskotzen, deren hanebüchene Intention -falls überhaupt vorhanden- nur<br />

noch von der Unverschämtheit übertroffen wird, diesen Quatsch<br />

überhaupt laut auszusprechen. Und so kackfreck zu verfloskulieren, daß<br />

ein normaler Durchschnitts-Idiot bestenfalls im Ansatz erahnen kann,<br />

worum es überhaupt geht. Ist das zum Kotzen?! Ist das frech?!<br />

Für solche und ähnliche Frechheiten müßte es eigentlich direkt einen<br />

Schlag in die Fresse geben, zack. Machen wir aber nicht, wir wollen ja<br />

gewaltfrei leben, wie bereits mehrfach erörtert. Anarchie ja, Gewalt<br />

nein. Der einzige Unterschied ist, daß bei uns im Ergebnis wenigstens<br />

was bei rauskommt, nämlich ein sehr schönes Sachbuch, während die<br />

Kalkleisten in Berlin nichts als kostspielige Totalausfälle vorzuweisen<br />

haben, die sie sich auch noch fürstlich entlohnen lassen. Aber egal, die<br />

können nicht anders, die müssen so. Lassen wir sie machen, uns als<br />

Honk geht dieses ganze politische Kapertheater eh voll am Arsch ab. Es<br />

interessiert uns Honks nicht. In keinster Weise. Ein Honk geht allenfalls<br />

zur Wahl, um sich zu amüsieren. Erststimme PDS, Zweitstimme NPD,<br />

ist das geil?! Viel geiler kann man gar nicht mehr wählen. Und viel<br />

besser eigentlich auch nicht. Darüber könnte ich mich jedesmal<br />

kaputtlachen. Immer das bedepperte Gesicht des armen Knechtes, der<br />

diesen Scheiß hinterher auszählen muß, im Hinterkopf. Der arme<br />

Teufel. Was dem wohl durch den Kopf geht, wenn er sowas auswerten<br />

muß?! Aber das ist ja gerade Ziel der Sache, das macht es ja gerade so<br />

lustig, so amüsant. Amok-Wahl könnte man es nennen. Der Honk ist ein<br />

Amok-Wähler. Ein amüsierter Amok-Wähler, was zugleich in diesem<br />

Kontext auch eine Art Schlüsselwort darstellt.<br />

Daneben finden wir einen weiteren Indikator für die Annahme einer<br />

gewissen Intelligenz in der Metamorphose-Fähigkeit des Honk: Auch<br />

hier müssen wir zumindest von einer gewissen Grundintelligenz<br />

ausgehen, ohne welche der Honk gar nicht in der Lage gewesen wäre,<br />

überhaupt zum Honk zu mutieren. Denn als Honk wird man nicht<br />

geboren, zum Honk muß man sich erst entwickeln. Den Honk muß man<br />

sich quasi erst verdienen, könnten böse Zungen munkeln.<br />

130


Folgenden, zwangsläufigen Evolutionsverlauf hatten wir bei unserer<br />

Fremdopfer-Charakterisierung herausgearbeitet:<br />

Idiot � Fremdopfer � Honk<br />

Und daran hat sich auch nichts geändert.<br />

Der Idiot kann also irgendwann unzufrieden werden mit seinem Status<br />

als Idiot und mutiert aufgrund eben dieser Unzufriedenheit dann<br />

zwangsläufig zum Fremdopfer. Und aus der Fremdopfer-Rolle heraus<br />

dann weiter zum Honk, wenn er mutig genug ist, die daraus<br />

resultierenden Strapazen auf sich zu nehmen. Der Honk ist somit stets<br />

als das Endprodukt zu betrachten.<br />

Diesem Endprodukt einer beschissenen Evolutionskette wollen wir nun<br />

unser Augenmerk schenken. Was ist ein Honk? Klar, per Definition eine<br />

lärmende Kotztüte. Aber was heißt das? Wie ist der Honk zu<br />

charakterisieren? Was zeichnet ihn aus? Wie kann man ihn von anderen<br />

Charakteren abgrenzen und unterscheiden? Und vor allen Dingen: Wie<br />

und warum wird man Honk? Was tut so ein Honk? Wie lebt, liebt und<br />

arbeitet er? Und dann die alles entscheidende Schlüsselfrage: Ist es<br />

überhaupt erstrebenswert, Honk zu werden?<br />

Diese und andere Fragestellungen werden wir auf den folgenden Seiten<br />

ausgiebig erörtern müssen. Pro und Contra abwägen. Vor- und<br />

Nachteile aufzeigen. Mythen und Vorurteile ausräumen. Und zu einem<br />

höchst überraschenden Ergebnis kommen, nach welchem dann jeder frei<br />

und subjektiv selbst entscheiden können sollte, ob er auch ein Honk<br />

werden möchte oder lieber nicht.<br />

131


Rede nicht so wie die, so bist Du nicht. Auch wenn Du`s gerne wärst.<br />

Für die bist Du nur ein Freak, wie ich. Im Moment brauchen sie Dich.<br />

Aber wenn nicht, verstoßen sie Dich wieder. Wie einen Aussätzigen.<br />

Weißt Du, ihre Moral, ihr Kodex ist ein schlechter Witz. Verworfen<br />

beim ersten Anzeichen von Ärger. Sie sind nur so gut, wie die Welt<br />

ihnen erlaubt zu sein. Ist doch so. Es kommt hart auf hart, und diese<br />

zivilisierten Menschen fressen sich gegenseitig. Weißt Du, ich bin kein<br />

Monster. Nur der Zeit voraus.<br />

2. Eingliederung<br />

132<br />

(The Joker)<br />

Die Eingliederung unseres Honk verläuft divergent zur Eingliederung<br />

unserer bisherigen Figuren. Denn aufgrund seines Facetten-Reichtums<br />

ist es unmöglich, den Honk nach irgendeinem festgelegten Schema zu<br />

charakterisieren. Also beispielsweise nach unserem gewohnten Schema<br />

Eigenwahrnehmung, Fremdwahrnehmung, tatsächlicher Status und dann<br />

Feierabend. Das hat vielleicht bisher ganz gut so geklappt, aber bei<br />

unserem Honk klappt das dann aber auch mal nicht. Klingt komisch, ist<br />

es auch. Aber nicht zu ändern. Und ich erwähne es lieber auch gleich,<br />

nicht, daß hinterher einer traurig ist oder so.<br />

Womit natürlich nicht automatisch ausgeschlossen ist, daß wir<br />

letztendlich nicht doch mit einem finalen Vergleich unseres Honk mit<br />

unseren anderen bereits charakterisierten Figuren abschließen werden.<br />

Nein, so ist das jetzt nicht gemeint, so darf man sich das jetzt nicht<br />

vorstellen. Ein abschließender Vergleich muß und wird auf jeden Fall<br />

erfolgen, soviel steht fest. Ohne geht es auch gar nicht. Nur ist eben der<br />

Weg bis dorthin ein dem bisherigen Schema abweichender Weg. Zudem<br />

ein etwas skurriler Weg, keine Frage, aber eben auch einer, der dem<br />

facettenreichen Honk den gebührenden Tribut zollt. Also auf!


Die Anarchisten sind völlig im Recht, nur nicht in der Frage der<br />

Gewalt. Eine erstaunliche Geistesverwirrung. Wie können die<br />

Anarchisten nur die Schädlichkeit der Gewalt nicht erkennen?!<br />

a) Der Honk als Anarchist<br />

133<br />

(Leo Tolstoi)<br />

Wie sich der ein oder andere nach den bisherigen Ausführungen<br />

vielleicht bereits selbst denken kann, ist unser Honk ein Anarchist. Ein<br />

überzeugter Anarchist. Und das völlig zu Recht!<br />

Wat? Ein Anarchist? Ach Du meine Güte! Ein pöbelnder Proletarier, der<br />

sich nicht an Recht und Ordnung hält? Ein Lump? Ein mit Steinen<br />

schmeißender Fusel-Penner? Ein Erster-Mai-Krawallbruder? Ein Asi?<br />

Mitnichten! Der Honk als Anarchist lehnt Gewalt -insbesondere gegen<br />

Lebewesen- weitestgehend ab. Gewalt ist nur dann eine akzeptable<br />

Lösung, wenn alle anderen Bemühungen fruchtlos verlaufen, die Sache<br />

an sich aber eine Durchsetzung erfordert. Da den wenigsten hier eine<br />

grundlegende Definition des Anarchie-Begriffs geläufig sein dürfte,<br />

werden wir hierüber zunächst ein paar Worte verlieren müssen:<br />

Der Begriff Anarchie ist aus dem Griechischen abgeleitet und beschreibt<br />

einen Zustand der Abwesenheit jedweder Herrschaft. Unter Herrschaft<br />

ist hierbei eine Art Macht durch Unterdrückung zu verstehen. Ein<br />

Anarchist lehnt demnach Machtverhältnisse nicht grundlegend ab,<br />

sondern nur solche, die auf Unterdrückung anderer basieren.<br />

Grundlegende Werte und Normen existieren auch für den Anarchisten.<br />

Im Idealfall verfügt der Anarchist sogar über einen sehr hohen<br />

Anspruch an Moral und Ethik, ferner über ein ausgeprägtes Bewußtsein<br />

von Gut und Böse. Mit der durch die Medien geprägten Definition von<br />

Anarchie als Chaos, Gewalt und Gesetzlosigkeit hat unser Verständnis<br />

von Anarchie demnach nichts zu tun.


Anarchie bedeutet vielmehr, daß sich jedes Individuum ohne<br />

unterdrückende Autorität und in freier Assoziation mit anderen<br />

Individuen entfalten kann. Hierbei wird in Kooperation mit anderen<br />

Individuen Verantwortung für die eigenen Lebensumstände<br />

übernommen, ohne daß dabei eine lenkende zentrale Gewalt (wie<br />

beispielsweise ein Staat oder sonstwer) eingreifen muß. Folglich können<br />

wir Anarchie als eine Art Ordnung ohne Herrschaft bzw. Ordnung ohne<br />

Zwang verstehen. Und diese Definition entspricht dann auch dem<br />

Anarchie-Verständnis unseres Honk, ganz klar. Also kein besoffener<br />

Wirrkopf, der ein paar Mal im Jahr irgendwas anzündet oder irgendwen<br />

mit Steinen bewirft. Nein, das auf jeden Fall nicht. Wozu auch?! Macht<br />

doch keinen erkennbaren Sinn. Außer der Befriedigung seltsamer, im<br />

Suff aufkommender Aggro-Phantasien bringt das absolut rein gar<br />

nichts. Zeit- und Energieverschwendung. Absurder, überflüssiger<br />

Krawall. Nicht mehr, nicht weniger. Unser Honk lehnt das<br />

selbstverständlich ab, weil kein mittelbarer oder unmittelbarer Sinn oder<br />

Nutzen dahinter zu erkennen ist. Niemand profitiert davon. Und deshalb<br />

tut und billigt unser Honk sowas nicht.<br />

Unser Honk ist vielmehr eine Art moderner, verantwortungsvoller<br />

Selbstversorger mit hohen ethischen und moralischen Ansprüchen an<br />

sich selbst, der staatliche Interventionen einerseits und Gewalt<br />

andererseits so weit als möglich ablehnt. Unser Honk lenkt und ordnet<br />

sein Leben selbst und sorgt zuweilen auch in seinem Lebensumfeld für<br />

Recht und Ordnung. In der Praxis sieht das so aus, daß Gesetze und<br />

Rechtsprechung nur dann eingehalten werden können, wenn sie dem<br />

hohen Ethik- und Moralkodex des Honk genügen. Sollte dies einmal<br />

nicht der Fall sein, muß der Honk in einer kontroversen Situation also<br />

eher nach seinem Verständnis von Recht und Unrecht als nach dem<br />

Gesetz handeln, was dann aber auch sehr zu begrüßen ist. Grundsätzlich<br />

können hierbei zwei Motivationen vorliegen: Zum einen kann der Honk<br />

sein Handeln zum Wohle der Allgemeinheit über Recht und Ordnung<br />

stellen. Zum anderen kann der Honk auch völlig eigennützig<br />

anarchistisch handeln.<br />

134


Ich lege hier für den Fall meines Todes das Bekenntnis ab, daß ich die<br />

deutsche Nation wegen ihrer überschwänglichen Dummheit verachte<br />

und mich schäme, ihr anzugehören.<br />

aa) Zum Wohle der Allgemeinheit<br />

135<br />

(Arthur Schopenhauer)<br />

Vorweg gleich der Super-GAU: Wenn man beispielsweise einen Kerl<br />

auf frischer Tat ertappt, wie er sich gerade an einer Frau oder einem<br />

Kind vergehen will, sollte man umgehend die Polizei verständigen und<br />

die Sache somit in die Hände des Staates legen. Und das tut man als<br />

Honk auch, keine Frage. Unser Honk alarmiert die Polizei. Anonym.<br />

Und auch erst, nachdem der ertappte Typ seine eigenen Eier fressen<br />

durfte. Roh und ungewürzt. Kein Witz. Nicht bei solch einem Thema.<br />

Denn die staatlichen Sanktionen für solch eine verwerfliche Tat sind<br />

vielmehr ein schlechter Witz. Sie genügen den moralischen und<br />

ethischen Ansprüchen unseres Honk in keinster Weise. Am besten noch<br />

so ein seelen- und gewissenloses Mistviech von Anwalt dazu, und der<br />

perverse Typ muß nicht einmal in den Knast. Glückwunsch.<br />

Da dies völlig inakzeptabel ist, muß hier ganz entschieden interveniert<br />

werden. Und da unser schöner Nachtwächter-Staat hierzu ganz<br />

offensichtlich außerstande zu sein scheint, muß jemand anders<br />

intervenieren. Beispielsweise ein Honk. Ja genau, ein Honk. Der Honk<br />

wird geradezu zu solch einer Intervention gezwungen. Wo der Staat<br />

versagt, ist Zivilcourage gefragt. Beziehungsweise Honk-Anarchie.<br />

Denn genau das ist Honk-Anarchie, genau das muß man sich darunter<br />

vorstellen. Soll der Typ doch zwei Jahre auf Bewährung kriegen. Drauf<br />

geschissen. Seine gefressenen Eier sind nicht auf Bewährung. Die sind<br />

real, die sind echt. Echt weg, echt futsch. Unwiederbringlich fort, Gott<br />

sei Dank. Reduziert die Rückfallquote gleich auf Null. Und das ist in<br />

solchen Fällen das Primär-Ziel. Spezial-Prävention.


Spezialpräventive Maßnahmen sprechen eine überaus deutliche<br />

Sprache. Das sind ganz klare, unmißverständliche Ansagen, die keinen<br />

Spielraum für sinnlose Endlos-Diskussionen und schwammige<br />

Ausreden jedweder Natur lassen. Und zack. Wieder einer weniger. So<br />

soll es sein. So muß es sein. Hätte sich derjenige ja vorher überlegen<br />

können. Und zack. Honk-Anarchie zum Wohle der Allgemeinheit. Ein<br />

sehr ernstes Thema, keine Frage. Ein sehr ernstes Thema, bei dem uns<br />

Vater Staat leider im Stich bzw. im Regen stehen läßt.<br />

Doch nicht nur Gewalt gegen schwächere oder ältere Menschen zwingt<br />

einen Honk zum Einschreiten. Auch Gewalt gegen Tiere kollidiert ganz<br />

erheblich mit den ethischen und moralischen Grundsätzen unseres<br />

Honk. Als Praxisbeispiel könnte man hier die Abstrafung eines<br />

Tierquälers anführen. Als Honk ist man da nämlich sehr sensibel, wenn<br />

wehrlosen Tieren Leid zugefügt wird. Wenn der tierliebe Honk<br />

beispielsweise sieht, wie ein Typ einen Hund schlägt, schlägt der Honk<br />

im Gegenzug den Typen und nimmt ihm den Hund weg. Zack, paar in<br />

die Fresse, Feierabend. So schnell kann das gehen. Ohne Ansage, ohne<br />

Diskussion, Sachverhalt ist ja klar. Und zack, und weg ist der Hund.<br />

Ganz klare Angelegenheit.<br />

Welche Option hätte man denn sonst? Die Grün-Weißen anrufen?! Oder<br />

vielmehr die Blau-Weißen?! Sind ja jetzt nicht mehr grün-weiß, sind ja<br />

jetzt blau-weiß oder so. Egal. Gemeint ist die Polizei, bleiben wir bei<br />

grün-weiß. Also was tun? Die Grün-Weißen anrufen?! Nein, nicht die<br />

Grün-Weißen. Hier, viel geiler, das Ordnungsamt! Wir rufen das<br />

Ordnungsamt an, abfeier. Das Ordnungsamt! Und die kommen dann<br />

natürlich auch gleich raus und sülzen allen Beteiligten in gewohnt<br />

spannender Manier erstmal ein Sülz-Kotelett ans Ohr. Sülz, bla, gähn.<br />

Irgendwelchen Kram, irgendwelchen Nonsens, den die selbst nicht<br />

verstehen. Total abgefahren. Da kommt man dann allenfalls in<br />

Verlegenheit, denen auch gleich mal noch eine kleben zu müssen. Zack!<br />

Und dann geht`s wieder ab in die grüne Minna! Nein, besten Dank,<br />

nicht schon wieder. Nicht schon wieder die grüne Minna, das hilft hier<br />

keinem. Denn hier muß gehandelt werden. Hier ist keine alberne<br />

Phrasendrescherei gefragt, hier ist ein Honk gefragt. Hier muß der<br />

Honk wieder selbst aktiv werden, und das ist auch gut so. Also paar in<br />

die Fresse, Hund mitgenommen, fertig. Stößchen.<br />

136


Oder hier, wenn ein Kind Kleintiere quält. Machen meist kleine Jungs.<br />

Kleine Jungs mit genetisch vorprogrammiertem Lattenschlag, siehe<br />

RTL-Super-Nanny. Solche Blagen halt. Fiese Blagen, die haarscharf am<br />

positiven ADHS-Test vorbeigeschlittert sind. Völlig ätzend. Und wenn<br />

dann so ein kleines Rotzbalg beispielsweise einer Fliege die Flügel<br />

ausreißt oder einen Regenwurm zerschnippelt oder Schnecken zertritt<br />

und dann darin rumpatscht. Keine Frage, dieses schreckliche Kind muß<br />

vom Honk zur Räson gebracht werden, bevor es zu spät ist. Diesem<br />

Kind muß professionell geholfen werden. Und das stellt der Honk dann<br />

auch mal sicher, denn dieses Kind bekommt nun vom Onkel Honk eine<br />

private Nachhilfestunde im Sachen Werte und Normen. Also ein paar<br />

Backpfeifen, einen Satz heiße Ohren und den höchst gutgemeinten<br />

Insider-Tipp, daß es beim nächsten Mal nicht nur bei ein paar<br />

Backpfeifen und heißen Ohren bleiben wird. Das hilft, das wirkt.<br />

Immer. Denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird es<br />

danach kein nächstes Mal geben. Und das ist auch sehr gut so. Ein<br />

weiterer Honk-Beitrag zu einer besseren Welt. Gern geschehen.<br />

Auch krass: Wenn ein Mistblag an einem Zaun steht und Steine nach<br />

Weidetieren wirft. Nach Kühen und kleinen Kälbchen. Oder vielleicht<br />

nach Pferden und ganz kleinen Fohlen. Nach Schäfchen, Lämmern,<br />

Ziegenböcken, alles denkbar, alles möglich. Also das sollte der Honk<br />

dann lieber auch nicht sehen. Allein das Werfen ist bereits höchst<br />

verächtlich und muß sanktioniert werden. Und dabei sollte das Kind<br />

beten, daß es keines der Tiere trifft. Beziehungsweise wenn es trifft,<br />

sollte es sich ganz schnell umdrehen und versuchen, den Honk ebenfalls<br />

mit einem Stein an die Birne außer Gefecht zu setzen. Denn die<br />

Sanktionen, die unser gestörtes Kind nun zu erwarten hat, sind nicht von<br />

schlechten Eltern. Und auch nicht von guten Eltern. Die sind von gar<br />

keinen Eltern, die sind nämlich vom Honk. Und somit auch sehr<br />

angemessen, denn das Kind bekommt nun zunächst Ohrfeigen mittlerer<br />

Intensität. Mittlerer Intensität deshalb, weil es nicht zu erschöpft sein<br />

darf, wenn es gleich laufen muß. Und es wird gleich laufen müssen, das<br />

ist sicher. Denn das, was das feine Kind gerade mit den armen Tieren<br />

gemacht hat, macht der Honk nun mit dem feinen Kind. Im Klartext:<br />

Das mäßig geohrfeigte Kind bekommt nun kurz Zeit, durchzupusten<br />

und seine Sinne etwas zu ordnen. Diese Zeit nutzt der Honk, um ein<br />

paar Handvoll mittelgroßer Steine zu sammeln.<br />

137


Und dann geht das eigentlich alles ziemlich schnell. Der Honk trägt die<br />

Steine, die in etwa die Größe von Golfbällen haben sollten, zusammen<br />

zu einem kleinen Häufchen. Das Kind wird daraufhin ordentlich<br />

durchgeschüttelt, um seine Adrenalin-Ausschüttung zu maximieren.<br />

Und dann startet mit den Worten<br />

Lauf Forrest, lauf!!!<br />

ein fünfsekündiger Countdown, den unser Kind zur freien Verfügung<br />

nutzen kann. Idealerweise nutzt es diesen Countdown allerdings, um<br />

wegzurennen, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Denn nach<br />

Ablauf dieser fünf Sekunden wird scharf geschossen. Im wahrsten<br />

Sinne des Wortes. Dann fliegen wieder Steine. Aber diesmal in eine<br />

andere Richtung. Also nicht mehr vom Kind in Richtung Tiere, sondern<br />

jetzt vom Honk in Richtung Kind, was auch sehr zu begrüßen ist. Denn<br />

diese Vorgehensweise ermöglicht es unserem Kind, sich einmal in die<br />

Rolle des armen Tieres hineinzuversetzen. Es verschafft ihm eine<br />

ausgezeichnete Gelegenheit, zu sehen und insbesondere auch zu fühlen,<br />

wie es ist, auf der anderen Seite des Zauns zu stehen.<br />

Völlig unbestritten eine pädagogisch besonders wertvolle Maßnahme.<br />

Unschätzbar wertvoll geradezu. Learning by doing heißt es doch immer<br />

so schön. Feeling by throwing trifft es in unserem Fall wohl besser.<br />

Witzigerweise hat noch nie ein Kind nachgefragt, was es denn wohl auf<br />

sich hat mit dem Lauf Forrest, lauf!!! Nein, noch nie. Die nutzen ihre<br />

Zeit lieber sinnvoller. Hat sich wohl schon rumgesprochen, was danach<br />

passiert. Gut so. Werden andere Kids gleich abgeschreckt. Außerdem<br />

sagt ein Blick in die irren Augen unseres Honk bei diesem Ausruf<br />

scheinbar mehr als 1.000 Worte. Und es entbehrt auch jedweder<br />

Ermahnung an das Kind in Bezug auf eine potentielle Wiederholungstat.<br />

Mach` das nie wieder, Du Asi-Kind! Muß man dann gar nicht mehr<br />

sagen. Denn eines ist sicher: Jedes Kind, daß den pädagogischen Wert<br />

meiner Forrest-Methode am eigenen Leib schätzen lernen durfte, wird<br />

niemals wieder in seinem ganzen Leben einem Tier Leid zufügen. So<br />

viel steht fest. Die meisten entwickeln dadurch sogar eine so hohe<br />

Wertschätzung gegenüber den Tieren, daß sie Vegetarier werden. So<br />

effektiv und prägend ist diese Methode. Honk-Anarchie zum Wohle<br />

aller. Bitte sehr. Stößchen<br />

138


Unter Umständen wird man dann den aufgebrachten Eltern des<br />

sanktionierten Kindes noch ein paar auf`s Maul hauen müssen, falls die<br />

wahnsinnig genug sein sollten, diese wertvollen erzieherischen<br />

Maßnahmen des Honk zu reklamieren. Aber halb so wild. Die Sache<br />

erfordert es, nehmt hin. Und zack. Paar auf`s Maul haben noch keinem<br />

geschadet. Im Gegenteil, vielleicht rüttelt das die grenz-devoten Eltern<br />

dann auch gleich mal ein bißchen mit wach. Und veranlaßt sie, ihren<br />

anti-autoritären Versager-Erziehungsstil einmal ganz unverbindlich und<br />

selbstkritisch zu überdenken. Das wäre doch mal was. Also unter<br />

Umständen sogar eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Für das<br />

Kind und dessen Eltern, für die Tiere, für den Honk und für die<br />

Allgemeinheit. Der einzige, der da wieder was dran zu scheißen haben<br />

könnte, wäre Vater Staat. Nachtwächter Staat. Und deswegen muß ein<br />

Honk hier auch überstaatlich handeln. Sollte einleuchten.<br />

Und weil unser schöner Nachtwächter-Staat bei solchen und ähnlichen<br />

Banalitäten stets mit entschiedenster Härte interveniert, sollten wir<br />

zwingend notwendig sicherstellen, daß unser überstaatliches Handeln<br />

hier gänzlich unbemerkt bleibt. Was sich eigentlich immer ganz gut<br />

bewerkstelligen läßt, indem man nachhaltige Drohungen mit<br />

entsprechender Entschlossenheit gegenüber den potentiellen<br />

Denunzianten ausspricht. Also beispielsweise dem geohrfeigten Kind<br />

und dessen Eltern ganz unverblümt und ebenso unmißverständlich<br />

klarmacht, welche Konsequenzen sie zu erwarten hätten, wenn sie<br />

unsere kleine Handgreiflichkeit zum Wohle der Allgemeinheit bei den<br />

Grün-Weißen petzen gingen. Da muß man denen dann nämlich mal<br />

ganz plakativ und völlig unerschrocken und abgebrüht suggerieren, was<br />

denn da so alles passieren kann. Also so kleine Unfälle im alltäglichen<br />

Leben und so. Das wirkt. Und das muß es auch, denn ansonsten kennt<br />

Vater Nachtwächter mit uns keine Gnade. Da wird dann gnadenlos<br />

abgestraft, drakonisch abgestraft, ohne Sinn und Verstand. Unter<br />

Umständen sogar Knast, Glückwunsch, Stößchen.<br />

Vater Nachtwächter kann aber auch sehr milde sein. Äußerst milde.<br />

Erschreckend milde geradezu. Mir fällt da spontan ein, wie Ende 2006<br />

so ein ekeliger Kerl, der wegen einer einschlägigen, bewiesenen und<br />

wiederholten Sexualstraftat an einer Minderjährigen in der JVA<br />

Dresden einsaß, irgendwie auf das Dach der JVA geklettert war. Und da<br />

139


dann rumposiert und auch noch große Fresse gehabt hat. Hat da richtig<br />

die Welle gemacht, hat da die ganze Presse und Psychologen und ein<br />

ganzes Polizei-Aufgebot antanzen lassen. Und als wäre das nicht schon<br />

pervers und bizarr genug, haben die ganzen angetanzten Nachtwächter<br />

und Weihnachtsmänner mit dem Penner auch noch lang und breit<br />

rumdiskutiert. Keine Ahnung, worum es da eigentlich ging. Ist aber<br />

auch scheißegal. Denn anstatt den mit einem Gummi-Geschoß da oben<br />

runter zu schießen, wurde diskutiert. Stundenlang diskutiert. Meine<br />

Fresse! 20 Stunden haben die den da oben auf dem Dach gelassen.<br />

Unfaßbare 20 Stunden! Das muß man sich jetzt mal vorstellen. Eine<br />

Decke und Tee haben sie ihm noch gereicht. Könnte ja kalt werden da<br />

oben auf dem Dach, feine Herrschaften.<br />

Und nach 20 Stunden ist das Mistviech dann freiwillig vom Dach<br />

runtergekommen, weil ihm dann doch zu kalt wurde. Zu kalt! Mit einer<br />

Hebebühne hat er sich dann da oben runterholen lassen, Gott sei Dank<br />

ist ihm nichts passiert. Wäre dem nicht zu kalt geworden, säße der da<br />

heute noch, und Dutzende Nachtwächter und Weihnachtmänner würden<br />

mit dem rumdebattieren. Was für eine Bananenrepublik! Ich bin mir<br />

auch ziemlich sicher, daß der gar nicht vor Kälte da oben runter ist. Ach<br />

was, dann hätten sie ihm eher einen Schlafsack und einen Wintermantel<br />

hingegeben. Nein, die haben den plattgelabert. Dem lief das Blut aus<br />

den Ohren raus. Der ist da oben runter, weil der keinen Bock mehr auf<br />

diese unsägliche Sabbelei hatte. Deshalb ist der da runter. Runtergesülzt.<br />

Krass, sehr krass, aber leider wahr.<br />

In Honkland bekäme der nach einer Minute da oben auf dem Dach die<br />

erste Warnung. Und dann schone keine zweite mehr. Wäre der<br />

wahnsinnig genug, nach knapp zwei Minuten immer noch da oben<br />

rumturnen zu wollen, bekäme er ein Gummi-Geschoß an die hohle<br />

Birne. Zack. Oder einen Betäubungs-Schuß irgendwo hin. Und zack. So<br />

einfach ist das. Ist gar nicht schwer. Zack. Und runter. Ab dafür. 20<br />

Stunden diskutieren? Ach woher denn! Nicht einmal 20 Minuten. Zwei<br />

Minuten, und dann ist Feierabend. Zumindest in Honkland. In<br />

Bananenland leider nicht, in Bananenland wird lieber debattiert und<br />

diskutiert und analysiert. Völlig schizophren, absurder geht es nicht.<br />

Und deswegen wäre ein Honk auch eingeschritten, wenn denn einer in<br />

der Nähe gewesen wäre. War wohl aber leider keiner.<br />

140


Deshalb mußten wir diesen grotesken Schwachsinn auch stundenlang<br />

mit ansehen. Furchtbar. Wenn das ganze Kaspertheater nicht mehrere<br />

Autostunden weit von meinem Wohnort entfernt gewesen wäre und ich<br />

gewußt hätte, daß man den Penner so lange da oben sitzen läßt, hätte ich<br />

mich ins Auto gesetzt und wäre selbst dahin gefahren. Hätte mich an der<br />

versammelten, diskutierenden Nachtwächterschaft vorbei geschlichen<br />

und wäre über die Regenrinne ebenfalls auf das Dach der JVA<br />

geklettert. Schön hoch auf`s Dach, schön hoch zum Mistviech.<br />

Und dann wäre Achterbahn gewesen. Ich hätte dem sowas von die<br />

Fresse poliert, das kann man sich überhaupt nicht mehr vorstellen.<br />

Unvorstellbar, wie ich dem die Fresse poliert hätte. Ja, und dann hätte<br />

ich den ganz einfach vom Dach runtergeklatscht. Ganz einfach. Zack.<br />

Und runter. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Und zack. Ich<br />

kann`s doch nicht ändern, er hätte ja nicht raufklettern müssen. Also<br />

zack, ab, runter. Das wäre eine adäquate Vorgehensweise gewesen.<br />

Angemessen sicherlich auch aus dem Blickwinkel des Opfers. Aber<br />

leider völlig unangemessen und unadäquat aus Vater Nachtwächters<br />

Bananen-Blickwinkel. Denn Vater Nachtwächter läßt in solch einem<br />

Fall lieber Milde walten. Vater Nachtwächter läßt den Penner lieber so<br />

lange auf dem Dach rumhampeln, bis sogar dem die schwachsinnige<br />

Laberei bei Kaffee und Kuchen zu blöd wird und der sich freiwillig da<br />

oben runterholen läßt. Herzlichen Glückwunsch!<br />

Wir können also festhalten, daß immer dann, wenn Vater Staat mal<br />

wieder einen absoluten Totalausfall produziert und seinem Synonym als<br />

Vater Nachtwächter alle Ehre erweist, ein Honk gefragt ist. Zumeist<br />

handelt es sich dabei um Fälle, in denen ein starkes Individuum einem<br />

schwächeren Leid zufügt. Oder um ein perverses Szenario wie zuletzt<br />

beschrieben, in dem sich Vater Staat komplett handlungsunfähig der<br />

Lächerlichkeit preisgibt. Wenn man als Honk in solchen Fällen die<br />

Möglichkeit hat, einzuschreiten, dann muß man es auch tun. Denn es<br />

gibt genug Weihnachtsmänner, die sich um die armen Täter kümmern.<br />

Möchte nicht wissen, wie viele Leute da unten rumstanden und dem<br />

Kasper vom Dach stundenlang ihre volle Aufmerksamkeit geschenkt<br />

haben. Möchte ich echt nicht wissen. Ist aber eigentlich auch scheißegal.<br />

Denn die Aufmerksamkeit eines Honk gilt niemals dem Täter, sondern<br />

stets dem Opfer.<br />

141


Ja wie, was ist denn jetzt los? War vorhin nicht von gewaltfrei die<br />

Rede? Von Gewalt weitestgehend vermeiden? Na? Und jetzt das? Jetzt<br />

sogar Selbstjustiz? Aber hallo! Auf jeden Fall! In den beschriebenen<br />

Fällen handelt es sich um so gravierende moralisch-ethische<br />

Verwerflichkeiten, daß man mit jedem erdenklichen Zögern selbst eine<br />

Teilschuld auf sich nimmt. Wer zusieht, obwohl er / sie in der Lage<br />

wäre, vehement gegen das Unrecht vorzugehen, macht sich mit<br />

schuldig. Die ganzen Hampelmänner, die 20 Stunden mit Karlsson vom<br />

Dach diskutiert haben. Alle schuldig. Schuldig im Namen der Opfer.<br />

Schuldig voll am Arsch! Die Medien, die dem Szenario<br />

uneingeschränkte Aufmerksamkeit schenkten. Auch schuldig, alle<br />

schuldig. Der Befehlshabende, der Betäubungs-Schuß oder Gummi-<br />

Granate hätte befehlen können. Schuldig. Schuldig durch Unterlassen.<br />

Und die größte Schuld? Die tragen wir. Ja, ganz richtig, wir. Wir alle,<br />

die diese kranke Scheiße in der Glotze sehen oder in der BILD lesen<br />

wollen. Wir alle, die diesen medialen Bullshit nachfragen. Wir<br />

Nachfrager, wir Konsumenten. Die Medien trifft dabei keine direkte<br />

Schuld. Die können machen, was sie wollen. Die haben Pressefreiheit,<br />

wie es so schön im tollen Grundgesetz heißt. Hier, zack:<br />

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und<br />

Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein<br />

zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die<br />

Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch<br />

Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet<br />

nicht statt.<br />

Die dürfen diese Kacke drucken oder zeigen, kein Thema. Die müssen<br />

das sogar zeigen. Weil es sonst nämlich ein anderer tut. Bling-Bling, nur<br />

darum geht es. Um Geld, um Kohle, um Umsatz. Und um nichts weiter.<br />

Um Verkaufszahlen. Denn ruckzuck liest morgen kein Schwein mehr<br />

die BILD, sondern ein vergleichbares Drecksblatt, das diese kranke<br />

Scheiße bis ins letzte Detail auseinanderfummelt. Logisch, denn wir<br />

wollen das lesen, wir müssen das wissen. Unsere tolle BILD muß sich<br />

höchstens ankreiden lassen, diesen Rotz auch noch so marktschreierisch<br />

anzupreisen. Aber auch das wollen wir so, auch das brauchen wir so. Je<br />

perverser, je skandalöser, desto besser.<br />

142


Oder diese tollen, unglaublich seriösen Nachrichten auf RTL, PRO7 und<br />

Co., phantastisch. Zeigen die den Dreck nicht, zeigt es ein anderer<br />

Sender im Aso-TV. Aso-TV macht`s möglich, na klar. ARD und ZDF<br />

werden das sicher nicht zeigen, zumindest nicht so reißerisch<br />

aufgemotzt. Aber ansonsten macht doch die Asi-Klitsche das Rennen,<br />

die unsere perverse Nachfrage am krassesten bedient. Die Klitsche, die<br />

die reißerischste Aufmachung von dem Mistviech vom Dach bringt.<br />

Würde mich auch gar nicht wundern, wenn unser Karlsson vom Dach in<br />

ein paar Jahren, wenn er aus dem Knast draußen ist, in den beschissen<br />

Big-Brother-Container einziehen dürfte. Na, das würde uns doch<br />

gefallen in unseren kleinen, kranken Hirnen?! Oder wenn der mich dann<br />

verklagt, weil ich seine gehirnamputierte Aktion in meinem Scheiß-<br />

Buch hier verarbeitet habe. Ohne ihn zu fragen, ohne seine<br />

Einwilligung. Drauf geschissen. Kann er ja mal auf mein Dach klettern,<br />

wenn er darüber pikiert ist. Falls er sich das traut. Denn auf meinem<br />

Dach gibt es keine Decken und keinen Tee. Und der Abgang kommt<br />

auch sehr viel krasser, so viel steht mal fest.<br />

Wie auch immer, Drecksschleudern wie BILD, RTL Und Co. mußten<br />

also darüber berichten. Die mußten diese Scheiße seiten- und<br />

wochenlang bis ins kleinste Detail ausquetschen. Weil wir das so<br />

wollen, weil wir das so brauchen. Ja, wir, und daher Glückwunsch!<br />

Glückwunsch an uns alle. Denn Karlsson vom Dach hat insoweit nur<br />

unsere perverse Nachfrage befriedigt. Nicht mehr, nicht weniger.<br />

Angebot und Nachfrage. Und uns Nachfrager trifft daher auch die<br />

größte Schuld, uns trifft die sogenannte Hauptschuld. Denn wir sind die<br />

Ferngesteuerten, wir sind die Fehlgeleiteten. Wir sind die Perversen, wir<br />

sind die Sensationsgeilen. Die Scheiße ist in unseren Köpfen. Und<br />

dessen sind wir uns nicht einmal bewußt, was für eine Ironie. Und selbst<br />

wenn, dann verdrängen wir es lieber. Ist ja nicht so schlimm, ein anderer<br />

hat ja immer noch mehr Dreck am Stecken als wir selbst. Irgendwer<br />

treibt es doch immer noch derber, wunderbar. Denn schließlich wird<br />

niemand gern aus seiner kleinen, persönlichen Scheiß-Matrix gerissen.<br />

Ist doch alles okay, lebt sich doch so schön angenehm und<br />

unkompliziert. Herrlich, Stößchen.<br />

143


Die Matrix ist ein System, Neo. Dieses System ist unser Feind. Was aber<br />

siehst Du, wenn Du Dich innerhalb des Systems bewegst?<br />

Geschäftsleute, Lehrer, Anwälte, Tischler. Die mentalen Projektionen<br />

der Menschen, die wir zu retten versuchen. Bis es dazu kommt, sind<br />

diese Menschen immer noch Teil des Systems. Und das macht sie zu<br />

unseren Feinden. Du mußt wissen, daß die meisten von ihnen noch nicht<br />

so weit sind, abgekoppelt zu werden. Viele dieser Menschen sind so<br />

angepaßt und vom System abhängig, daß sie alles dafür tun, um es zu<br />

schützen. Hörst Du zu, Neo, oder siehst Du der Frau in dem roten Kleid<br />

nach?!<br />

bb) Zum Wohle des Honk<br />

144<br />

(Morpheus)<br />

Ja, krass, was?! Sowas mag keiner gern hören. Ziemlich harter Tobak.<br />

Und bißchen viel Realität auf einmal, nicht wahr?! Ja, Realität ist nicht<br />

immer schön, Realität kann echt krass kommen. Und deswegen<br />

verzichten wir alle im gegenseitigen Einverständnis auch gern auf<br />

Realität. Schließlich wollen wir keine schlechte Laune kriegen. Nein,<br />

schlechte Laune wollen wir heute nicht haben. Und sonst aber auch<br />

nicht. Bestimmt hat Onkel Honk nur zu viele schlechte Filme gesehen.<br />

Ja, so muß es sein. Eine andere Erklärung kann es dafür nicht geben.<br />

Und deswegen war das alles auch nur Spaß. Nur dummes Geschwätz,<br />

nur Gesülz, nur Bla. Alles Pustekuchen, Onkel Honk hat nur Spaß<br />

gemacht. BILD ist toll, Aso-TV auch, und wir alle sind eh am<br />

allergeilsten, ganz klar. Ist alles tiptop hier, hurra, keiner muß sich über<br />

irgendwas Sorgen machen. Weil das ja hier auch eh nur ein<br />

Märchenbuch ist. Alles frei erfunden, alles gar nicht da. Ganz feines<br />

Märchenbuch, hurra. Tante Heidi und die bösen Topmodels, trallala,<br />

Peace, Knutschi. Alles nur Spaß, alles erfunden vom Onkel Honk.<br />

Onkel Honk ist ein richtiger Spaßvogel!


Aber irgendwann muß der Spaß dann auch mal aufhören, irgendwann<br />

muß dann auch mal Schluß mit lustig sein. Normalerweise hätten wir<br />

diesen Dreck eh von Anfang an komplett ignoriert, wenn es nicht zur<br />

Bestimmung unseres Vollopfers erforderlich gewesen wäre. Aber jetzt<br />

ist Schluß mit dem Zirkus, jetzt sind wir beim Honk. Jetzt gehen wir in<br />

medias res, jetzt ist Feierabend mit seichter Lektüre. Wir sind jetzt<br />

nämlich beim Honk. Im Honkland. Und Honkland ist Realität. Für mich<br />

zumindest.<br />

Ja, und im Honkland muß man sich das jetzt so vorstellen, daß nicht<br />

immer nur die Sonne scheint, so wie es uns im Opfer-TV stets so total<br />

lustig und hirnfrei suggeriert wird. Nein, im Honkland regnet es auch ab<br />

und an mal. Dunkle Wölkchen können aufziehen, kann alles sein, ist<br />

alles möglich. Manchmal stürmt es geradezu, es donnert und blitzt, und<br />

es wird alles ganz düster und finster und unheimlich und so.<br />

Für mich wurde es seinerzeit mal wieder ziemlich düster und finster und<br />

unheimlich, als ich auf die regionale Polizei angewiesen war. Ja mein<br />

Gott, ich kann`s doch nicht ändern, immer die arme Polizei. Aber da<br />

gehören ja wohl immer noch zwei dazu. Egal. Es wurde eigentlich nicht<br />

nur ziemlich düster, sondern dunkel. Stockdunkel. Ein rabenschwarzer<br />

Tag. Inklusive Spätfolgen. Aber der Reihe nach.<br />

Fahr` ab die Scheiße:<br />

145


Besser, es wird einem nichts gestohlen. Dann hat man wenigstens keine<br />

Scherereien mit der Polizei.<br />

aaa) Wo sind denn die Grün-Weißen?<br />

146<br />

(Karl Kraus)<br />

Es war irgendwann Samstagnacht bzw. früher Sonntagmorgen,<br />

vielleicht war es 4 Uhr. So in dem Dreh muß es gewesen sein. Nach viel<br />

zu vielen viel zu teuren und viel zu laschen Drinks verlasse ich eine<br />

Party-Location. Allein. Und breit, klar. Ziemlich breit. Vollbreit. Also<br />

zu breit für Begleitung. Muß ja auch nicht immer sein, allein ist auch<br />

mal ganz nett. Meine beiden Kumpels wollen noch bleiben und dann<br />

mit zwei Schnallen, die sie gerade ordentlich mit Sekt abfüllen,<br />

heimfahren. Kein Thema, ich gönne es ihnen. Man muß auch mal<br />

gönnen können. Ich selbst habe dazu heute keine Lust. Ich will lieber zu<br />

Hause noch einen Topf Chili con Carne fressen und dann ab ins<br />

Bettchen. Eventuell irgendwo dazwischen noch kotzen, aber auf jeden<br />

Fall heute keine Vögelei.<br />

Ich möchte heute also allein heimfahren. Beziehungsweise gefahren<br />

werden. Denn als verantwortungsbewußter Teilnehmer des<br />

Straßenverkehrs weiß man, daß man total besoffen nicht mehr selbst<br />

Auto fahren darf. Können schon, keine Frage. Besser als die meisten<br />

Schnarchnasen nüchtern, ganz klar. Aber dürfen nicht. Und aus Angst<br />

vor staatlichen Sanktionen hält man sich auch daran. Stichwort<br />

Sicherstellung. Auweia! Also immer Auto stehen lassen. Oder besser<br />

Auto erst gar nicht mitnehmen. Genau, Auto von vornherein nicht<br />

mitnehmen. So handhabe ich das immer, wenn ich mir einen hinter die<br />

Mütze kippe. Auto gleich daheim lassen, und hinterher mit einer heißen<br />

Mieze und Taxe nach Hause düsen. Hat sich bewährt, ist besser so.<br />

Oftmals weiß ich sonst am nächsten Morgen auch gar nicht mehr, wo<br />

mein Auto überhaupt steht. Ey Mann, wo ist mein Auto?!


Also heute kein eigenes Auto, und heute auch keine Mieze. Lieber<br />

Chili. Lecker. Dummerweise aber auch kein Taxi in Sichtweite. Kein<br />

Problem, fragt man einfach andere Party-Besucher, die auch gerade<br />

heimfahren wollen, ob sie einen mitnehmen können. Muß man ja nur<br />

bei denen auf`s Nummernschild gucken und ob die Kiste noch einen<br />

Platz frei hat, dann geht das. Gesagt, getan. Zwei sympathische kleine<br />

Südländer nehmen mich mit. Angenehme Fahrt, gute Jungs, paßt. Zehn<br />

Euro drücke ich dem Fahrer dafür hinterher in die Hand und stecke<br />

mein Portemonnaie wieder in meine Jacke. Selbstverständlich dürfen<br />

die beiden Jungs bei mir zu Hause dann auch noch auf mein Klo. Aber<br />

nur, weil sie so zuvorkommend waren und so lieb gefragt haben.<br />

Ansonsten nimmt das mit meinem Lokus echt bald Formen an.<br />

Ich nehme die beiden also mit in mein Haus, zeige dem einen mein Klo<br />

und bringe dann dem anderen eine Pulle Cola, um die er mich gebeten<br />

hat. Der muß dann auch mal pullern, und solange, bis der andere fertig<br />

ist, darf er im Wohnzimmer Platz nehmen und Cola trinken. Kein<br />

Problem, alles ganz easy. Bis jetzt. Ich ziehe schonmal Jacke und<br />

Schuhe aus, hänge die Jacke an meine Garderobe und stelle die Schuhe<br />

in den Ständer. Reiße mir noch ein Veltins auf, zack, freue mich auf<br />

mein Chili. So, die beiden Ziegenhirten tauschen die Plätze, einer ins<br />

Wohnzimmer, der andere im Gegenzug auf den Pott. Denke ich<br />

zumindest. Denn während ich mit dem einen im Wohnzimmer sitze,<br />

pullert der andere nicht so schön, wie er angekündigt hat, sondern<br />

durchsucht vielmehr im Flur meine Jacke nach meiner Kohle. Und<br />

findet die dann dummerweise auch. Findet meine ganze Porte und<br />

nimmt diese mal eben ganz treuhändisch an sich. Zack.<br />

Danach geht er selbstverständlich noch auf mein Klo. Aber nicht, um zu<br />

pullern oder um hinterher die blöde Frage zu stellen, ob ich denn keine<br />

Klobürste hätte. Nein, vielmehr um meine nagelneue Flasche BOSS<br />

Bottled 125 ml ebenso treuhändisch wie die Porte an sich zu nehmen.<br />

Besten Dank auch. Ich sitze währenddessen seelenruhig mit seinem<br />

Kumpel im Wohnzimmer und erzähle dem in meinem wirren Suffkopp<br />

auch noch, wie teuer mein neuer Mercedes war. Völlig gutgläubig sitze<br />

ich da, völlig behämmert. Keinerlei Mißtrauen, keine bösen Gedanken,<br />

nichts. Wozu auch?! Man erwartet ja grundsätzlich nichts Schlechtes<br />

von einem Menschen. Ich zumindest nicht.<br />

147


Etwas mißtrauisch werde ich dann erst, als das Handy des Kollegen im<br />

Wohnzimmer klingelt und dieser wie von der Tarantel gestochen<br />

aufspringt und meint, er müsse nun gehen. Aha. Instinktiv -und aber<br />

auch aus Höflichkeit- geleite ich ihn aus dem Wohnzimmer in den Flur.<br />

Wo ich dann doch etwas verdutzt feststellen muß, daß der andere<br />

Kollege bereits auf dem Weg zum Auto ist. Na? Na? Na, jetzt aber. Ich<br />

mag zwar manchmal geistig etwas träge sein, und ab zwei Promille wird<br />

das sicher auch nicht besser, aber ich bin kein Vollidiot. Sofort greife<br />

ich in meine Jackentasche -zack- und registriere, daß mein<br />

Portemonnaie weg ist. Meine schöne Porte. Weg. Futsch. Auweia.<br />

Sofort renne ich raus zum Auto der beiden Kollegen. Der Fahrer sitzt<br />

schon, Motor läuft, der andere steigt gerade ein. Da die nun folgende<br />

Schlüsselsituation -insbesondere bei Südländern- eine extrem subtile<br />

Vorgehensweise erfordert, habe ich die beiden nun nicht direkt mit ihrer<br />

Tat konfrontiert und das Ganze wahnsinnigerweise noch mit einem<br />

Kraftausdruck verfeinert. Nein, bloß nicht, ich bin ja nicht lebensmüde.<br />

Vielmehr habe ich mal ganz vorsichtig angefragt, ob ich<br />

möglicherweise meine Porte und eine Flasche BOSS Bottled, die ich gar<br />

nicht mit dabei hatte, in deren Auto vergessen haben könnte. Was für<br />

ein Bullshit! Was für ein Trottel. Aber im nachhinein total lustig, die<br />

Story ist der absoluter Knüller in meinem Bekanntenkreis.<br />

Ein schnelles Nein und eine noch schnellere Abfahrt der beiden Jungs<br />

mit quietschenden Reifen waren die Reaktion auf meine Frage. Als hätte<br />

ich das nicht erwartet. Also ruckzuck Nummerschild gemerkt, so gut es<br />

eben vollbreit geht, das Auto war auch sehr auffällig, kein Problem. So,<br />

jetzt schnell zurück in meine Bude flitzen und ganz flott bei der<br />

regionalen Polizeidienststelle anrufen und denen den Sachverhalt<br />

schildern. Also nicht 110 oder 112 oder ähnlicher Blödsinn, sondern<br />

gleich die Nummer von den Cops um die Ecke. Gleich bei denen<br />

anrufen, ist besser, geht schneller.<br />

So, und wer jetzt glaubt, daß die ganze Geschichte bis hierhin völlig<br />

gehirnamputiert ist und haarsträubender nicht werden kann, wird nun<br />

eines besseren belehrt. Man versetzte sich dabei bitte immer in meine<br />

Situation: Durchgefeierte Nacht, besoffen, Chili-Dose schon in der<br />

Hand, im eigenen Haus beklaut, bah. Ist das zum Kotzen?! Auf jeden<br />

148


Fall. Voll zum Kotzen. Egal. Ich hätte jetzt alles machen können. Alles.<br />

Ich hätte mir die Haare raufen können. Mir ein paar Nutten kommen<br />

lassen können, um wieder auf bessere Gedanken zu kommen. Ich hätte<br />

die Verfolgung mit zwei Promille, Baseballkeule und 300PS-Mercer<br />

selbst aufnehmen können. Eine Flasche Tequila reinkippen und ins Bett<br />

legen können. Hätte ich alles machen können. Wäre alles sinnvoller<br />

gewesen. Aber nein, habe ich nicht gemacht, ich habe mich an Recht<br />

und Ordnung halten wollen. Artig sein. Anarchie zum eigenen Wohl nur<br />

im Extremstfall. Also habe ich die Regio-Cops angerufen. Und damit<br />

den eigentlichen Wahnsinn erst in Gang gesetzt.<br />

Nachdem ich den vorliegenden Sachverhalt schnellstmöglich<br />

telefonisch geschildert habe, erzählt mir der freundliche<br />

Weihnachtsmann am anderen Ende der Leitung, daß ich mich erstmal<br />

beruhigen solle. Jetzt mal schön langsam und mal ganz ruhig. Na klar.<br />

Besten Dank nochmals nachträglich dafür. Was nützt einem die<br />

schönste Porte und der edelste Duft, wenn man Angina pectoris<br />

bekommt?! Unfaßbar. Ich habe dem dann also alles ein zweites Mal<br />

erzählt. Zwei kleine Ziegenhirten, unterwegs in dem und dem Auto, mit<br />

dem und dem Kennzeichen, in die und die Richtung. Bitte Kennzeichen<br />

überprüfen, hinfahren, verhaften. Dankeschön.<br />

Von wegen! Das wäre ja viel zu einfach gewesen. Es sei Wochenende,<br />

Sonntagmorgen, man habe nur eine Streife im Einsatz, und die könne<br />

sich nicht um alles kümmern. Erzählt mir der nette Weihnachtsmann<br />

voller Überzeugung und ganz selbstverständlich, als hätte ich mir das<br />

doch eigentlich selbst denken können. Ich solle am Montag nochmals<br />

anrufen, dann sei man wieder in voller Wochenbesetzung und könne<br />

sich darum kümmern. Wat? Wie bitte? Habe ich mich eben verhört?<br />

Nein, nicht verhört, bestätigt die freundliche Stimme am anderen Ende<br />

der Leitung, alles richtig verstanden. Montag abermals anrufen. Am<br />

besten gleich ganz früh, damit man keine Zeit verliere.<br />

So! Und das ist jetzt kein Witz. Das ist wirklich so passiert. In meinem<br />

Leben. Nicht in Bizarro-Welt, sondern in der Realität. Montag früh bitte<br />

erneut anrufen, vielen Dank für Ihr Verständnis. Ist wirklich so<br />

abgelaufen, ich kann es doch selbst kaum glauben. War aber so. Nun<br />

gut. Alles klar, auf Wiederhören, melde mich Montag. Fuck!<br />

149


Jetzt stand ich kurz davor, eine Kombination der oben beschriebenen<br />

alternativen Handlungsweisen vorzunehmen: Erst die Pulle Tequila rein<br />

in Hals, zack, Stößchen, dann Baseball-Keule und Chili-Dose gepackt<br />

und mit dem Mercer schön mit 280 zur Regional-Cop-Wache geballert.<br />

Dort dann erstmal durch minutenlanges Hupen auf mich aufmerksam<br />

gemacht. Damit auch ja alle mitkriegen, wie ich als nächstes mit der<br />

Keule die Tür bei denen einschlage, dem Weihnachtsmann vom Telefon<br />

die Dose Chili hinstelle und Guten Appetit wünsche. Und dann ganz<br />

schnell wieder weg. Das wäre eine angemessene Reaktion auf den<br />

Wahnsinn gewesen. Und lustig noch obendrein. Habe ich dann aber<br />

doch lieber gelassen, weil die unterbesetzten Cops ansonsten mit<br />

ziemlicher Sicherheit meinen Führerschein sichergestellt hätten. Was<br />

für ein Fest! Sichergestellt! Auweia! Sicherstellen geht immer, alles<br />

andere muß bis Montag warten. Sicherstellungen haben allerhöchste<br />

Priorität. Aber nur bei Führerscheinen, das ist ganz wichtig. Alles<br />

andere ist völlig sekundär. Falls die mal einen verfolgen, der eine<br />

Atombombe oder sowas geklaut hat, lassen die sofort von dem ab, wenn<br />

ihnen ein anderer mit kaputtem Abblendlicht oder gar Schlangenlinien<br />

entgegenkommt. Vollbremsung, zack, Handbremse, 180-Grad-Wende,<br />

hinterher. Bei dem kann doch was nicht stimmen. Heiliger Bimbam.<br />

Also habe ich eine andere Kombo gewählt, die aus Haare-Raufen und<br />

Tequila-Saufen bestand. Rauf, sauf, zack, Stößchen. Und während ich<br />

da so sitze und raufe und saufe und saufe und raufe, und mich die ganze<br />

Zeit frage, ob ich vielleicht nur schlechtes Gras geraucht habe, trifft es<br />

mich plötzlich wie der Schlag. Wie vom Blitz getroffen verfalle ich von<br />

einer Sekunde auf die andere in tiefste, demütigste Dankbarkeit. Und<br />

zwar aufgrund der soeben erhaltenen, vertraulichen Informationen.<br />

Denn es hätte ja auch alles viel schlimmer kommen können. Viel, viel<br />

schlimmer. Was wäre denn gewesen, wenn die lieben Ziegenhirten mir<br />

die ganze Bude ausgeräumt hätten?! Und mir vorher zwecks<br />

Ruhigstellung noch zwei Kugeln in den Pansen verpaßt hätten? Na das<br />

wäre mal was gewesen. Oder mich gefesselt und mit Kopf nach unten<br />

an den Füßen am Dachbalken festgebunden und wechselweise<br />

zusammengeschlagen und gekickt hätten, wie einen beknackten<br />

Sandsack? Da darf ich gar nicht dran denken, sonst kommt mir die<br />

Suppe wieder hoch, aber mal so richtig. Bah.<br />

150


Und wenn ich es dann unter Aufwendung meiner letzten Lebenskräfte<br />

irgendwann geschafft hätte, den Weihnachtsmann von der Wache<br />

anzurufen? Hilfe, ich wurde gerade in meinem Haus überfallen und<br />

habe zwei Kugeln im Pansen! Und der mir dann gesagt hätte, ich solle<br />

mich lieber Montagmorgen nochmal melden, von wegen nur eine<br />

Streife unterwegs und so?! Und diese wird um 4 oder 5 Uhr morgens,<br />

wenn der McDrive gerade öffnet, nicht gern gestört?! Das wäre dann<br />

aber auch nochmal ein dicker Hund gewesen. Und eine ziemliche<br />

Ernüchterung noch dazu. Meine Herren, nicht auszudenken. Insoweit<br />

also alles ganz toll, mir geht`s gut, alles tiptop. Ich freue mich jetzt<br />

sogar richtig, daß man mich beklaut hat. Hurra, endlich weg die Porte,<br />

endlich weg der Nutten-Diesel. Habe ja noch drei, vier andere Düfte.<br />

Kann ich die endlich mal wieder auftragen, klasse. Oder entsagen wir<br />

doch gleich jedweden materiellen Dingen. Zack. Alles weg damit, alles<br />

muß raus, alles weg. Zack, ab, raus. Was für ein Abfuck! Der Abfuck<br />

der Woche! Nächstes Mal rufe ich die Feuerwehr oder den Notarzt oder<br />

den Schlüsseldienst, die kommen wenigstens raus. Oder Bruce Willis.<br />

Und bis dahin werde ich am Wochenende absolut und überhaupt rein<br />

gar nichts mehr machen. Keine Aktivitäten mehr. Nichts. Njet. Nada.<br />

Freitags ab 16 Uhr werde ich mich in meiner Bude verrammeln. Alle<br />

Rollos runter, allen Türen doppelt abgeschlossen. Und dann ziehe ich<br />

mich in mein Schlafzimmer zurück, schiebe den massiven Eichen-<br />

Schrank vor die Tür und hoffe und bete, daß bald Montagmorgen ist.<br />

Zwei Kisten Bier, drei bis fünf Liter Mai-Tai, Dosenravioli, eine Stange<br />

Kippen, ein bis zwei Dutzend Pornos und einen Feuerlöscher, falls es<br />

mal brennt. Damit verrammele ich mich dann bombensicher für die<br />

nächsten 64 Stunden in meinem Bett. Einen Sturzhelm auf, kugelsichere<br />

Weste an und den Finger an der durchgeladenen Pumpgun nervös am<br />

Abzug und konsequent auf die Tür gerichtet, falls einer kommt. Denn<br />

von Freitag 16 Uhr bis Montag 8 Uhr ist die Stadt, in der ich wohne,<br />

ganz offensichtlich ein rechtsfreier Raum. Da regiert dann der<br />

Wahnsinn! Ich habe es selbst erleben müssen. Da kommt keiner raus<br />

oder fährt mal gucken oder so, da ist sich jeder selbst der Nächste. Da<br />

kann jeder tun und lassen, was er will. Es interessiert niemanden. Mit<br />

einer aufmerksamen Polizeistreife auf dem McDonald`s-Parkplatz und<br />

einer illustren Skatrunde auf deren Wache herrscht da der<br />

Ausnahmezustand.<br />

151


Filmreif. Echt filmreif. Wenn es nur nicht so traurig wäre. Und wie sich<br />

jetzt sicher jeder hier bereits selbst denken kann, habe ich nicht bis<br />

Montag gewartet. Um dann erneut beim lustigen Weihnachtsmann<br />

anzurufen. Ich bin vielleicht bescheuert, aber kein kompletter<br />

Volltrottel. Auf solchen Klamauk stehe ich mal gar nicht. Folglich habe<br />

ich, nachdem ich meinen Suff mehr oder weniger ausgeschlafen hatte,<br />

beschlossen, die Situation in glorreicher Anarcho-Manier am<br />

Sonntagnachmittag selbst in die Hand zu nehmen. Dem Spuk selbst ein<br />

Ende zu bereiten. Wieder meinen eigenen Film zu drehen. Kurz: Die<br />

Kuh vom Eis holen. Und das auch ziemlich schnell, weil ich sonst<br />

wieder echt sauer werde.<br />

Meine sehr hohen ethisch-moralischen Wertvorstellungen haben mich<br />

geradezu zu diesem Schritt gezwungen. Wer läßt sich schon gern<br />

beklauen?! Ich zumindest nicht. Also echt nicht. Noch dazu völlig<br />

gutgläubig und unter Ausnutzen meiner Gastfreundschaft. Das ist ja<br />

gerade der Pferdefuß, Ausnutzen der Gastfreundschaft! Und meines<br />

WCs noch dazu. Skandalös. Dubios. Höchst verwerflich obendrein. Und<br />

durch nichts zu rechtfertigen. Keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich,<br />

also Bahn frei für den Anarcho-Honk. Wieder einmal muß es Anarchie<br />

zum eigenen Wohl, zum eigenen Wohl des Honk heißen.<br />

Gezwungenermaßen, ohne es selbst zu wollen. Ein typischer Fall, ein<br />

ganz klassischer Fall. Ein Präzedenzfall sozusagen.<br />

Die ganze Sache war dann erwartungsgemäß auch ziemlich schnell<br />

geklärt. Einfach Sonntagnachmittag ein paar einschlägige Internet-<br />

Cafes, Wettbüros und Döner-Buden abgeklappert. Dort dann erzählt,<br />

was passiert ist. Die Typen und deren Auto beschrieben. Die Ansage<br />

gemacht, daß ich morgen früh einige Telefonate führen muß, wenn die<br />

Kohle nicht bis heute Abend 8 Uhr wieder auf dem Tisch liegt. Und<br />

zwar auf meinem Tisch. Nicht in irgendeiner Strip-Bar oder Flippo auf<br />

dem Tisch, sondern auf meinem. Dann erstmal wieder ab nach Hause<br />

gedüst. Abwarten und Bier trinken. Viel Bier trinken. Aber nicht zu viel.<br />

Und vor allen Dingen heute keine harten Sachen, so schwer es auch<br />

fällt. Ich muß bei klarem Verstand bleiben für die Geschehnisse, die<br />

sich im Laufe des Tages möglicherweise noch zutragen werden. Und da<br />

wird sich noch einiges zutragen, so viel kann man schonmal verraten.<br />

Also erstmal nur Bier rein, kommt auch gut. Uff, Stößchen.<br />

152


Und siehe da, siehe da, gegen 20 Uhr klingelt es an der Tür. Draußen<br />

stehen die beiden lustigen Langfinger von frühmorgens samt einem<br />

Cousin bei mir auf der Matte. Stehen da auf der Matte und trüben kein<br />

Wässerchen. Man habe gehört, was passiert sei. Man habe seinen Ohren<br />

erst gar nicht trauen können. Und dann habe man noch einmal ganz<br />

gründlich im Auto nachgesehen. Und siehe da, siehe da, beides habe<br />

sich im Auto angefunden. Nein, wirklich?! Sachen gibt`s. Porte wieder<br />

da, BOSS wieder da. Muß ich also alles im Auto verloren haben.<br />

Unfaßbar, wie ungeschickt ich doch manchmal bin. Die 60 bis 80<br />

Euretten, die noch im Portemonnaie waren, sind natürlich futsch<br />

gewesen, klar. Aber sonst war alles noch drin.<br />

Also Gott sei Dank alles wieder da. Naja, bis auf die Kohle. Aber scheiß<br />

auf die paar Kröten. Lehrgeld, abgehakt. Lieber die beiden Jungs ihr<br />

Gesicht wahren lassen vor ihrem Cousin. Ist besser. Wird eines schönen<br />

Tages wahrscheinlich von Nutzen für mich sein. Nein, nicht<br />

wahrscheinlich, ganz bestimmt sogar. Ganz unbestritten wird das<br />

irgendwann von Nutzen für mich sein. Der eine gab mir sogar seine<br />

Handynummer. Ich könnte anrufen, falls ich mal irgendwas bräuchte.<br />

Ja, so ist das im Honkland. Irgendwas braucht man eigentlich immer.<br />

Eine Hand wäscht die andere, und am Ende sind beide sauber. In diesem<br />

Fall hätte nämlich in der Tat alles viel böser enden können.<br />

Man stelle sich jetzt mal folgenden Super-Gau vor: Ich telefoniere und<br />

debattiere am Montagmorgen wieder mit meinem Weihnachtsmann von<br />

der regionalen Wache. Währenddessen sitzen die beiden kleinen Hobby-<br />

Gangster mit meinem Perso, meinem Führerschein, meiner Master-Card<br />

und zwei Erste-Klasse-Tickets für die Seychellen oder nach Istanbul am<br />

Frankfurter Flughafen. Inklusive 5.000 Euro Startgeld, gesponsort vom<br />

Girokonto meiner Hausbank. Taschengeld, Urlaubsgeld, leck` mich am<br />

Arsch. Nicht auszudenken. Das wäre mal eine faustdicke Überraschung<br />

gewesen. Aber Gott sei Dank ist das nicht passiert. Gott sei Dank habe<br />

ich eigennützig-anarchistisch gehandelt, und so hat sich das Blatt zum<br />

Guten gewendet. Zumindest, was den eben skizzierten Super-GAU<br />

angeht. Der konnte also zunächst abgewendet werden. Und zwar durch<br />

Honk-Anarchie zum eigenen Wohl. Kommt immer dann total gut, wenn<br />

Vater Staat bzw. dessen lustige Lakaien einen Totalausfall produzieren<br />

und Bruce Willis gerade nicht greifbar ist.<br />

153


Wer jetzt allerdings glaubt, daß die Sache damit gegessen war, irrt<br />

gewaltig. Die Sache war noch längst nicht gegessen. Die Sache hatte<br />

nämlich ein Nachspiel. Und zwar für mich. Ich bekam ein Nachspiel<br />

angepfiffen. Und zwar nicht von den beiden Jungs mit der Porte,<br />

sondern vom Weihnachtsmann. Ja, richtig, vom Weihnachtsmann!<br />

Nachdem ich Montagmorgen dann nämlich gleich zur Wache<br />

hingefahren bin, um denen mitzuteilen, daß sie ihre auf Hochtouren<br />

laufenden Sonderermittlungen hinsichtlich meiner Habseligkeiten<br />

einstellen können und sich nicht weiter total verausgaben müssen, teilte<br />

mir ein anderer Weihnachtsmann bzw. sogar ein Butzemann (der kam<br />

auf der Wache aus so einer komischen Butze mit Klapptür raus und war<br />

gleich besonders souverän) mit, daß das aber nicht ginge.<br />

Neee, mitnichten, so ginge das aber nicht. Die Sache müsse zur Anzeige<br />

gebracht werden, da könne ja sonst jeder kommen und erst anzeigen<br />

wollen und dann doch wieder nicht und dann wieder doch und sülz und<br />

bla und gähn. Voll ätzend, aber echt jetzt. Naja, Ende vom Lied war,<br />

daß ich dem Butzemann dann halt den ganzen Scheiß erzählt habe.<br />

Beziehungsweise vielmehr erzählen mußte, weil der mir mal so richtig<br />

auf den Sack gegangen sind. Ich war drauf und dran, zu befürchten, daß<br />

der mir meinen Führerschein sicherstellt. Keine Ahnung, warum.<br />

Irgendwas wäre dem schon als Grund eingefallen.<br />

Unmittelbare Mittäterschaft an einer gemeinsam begangenen<br />

heimtückischen und besonders gemeingefährlichen Unterschlagung<br />

gegen einen selbst und / oder gegen Dritte. Das wäre doch mal geil<br />

gewesen, aber so etwas gibt es offiziell leider gar nicht. Irreführen und<br />

Verunglimpfen der regionalen Polizei zwecks eigener Belustigung und<br />

zu Anschauungszwecken. Das wäre mindestens genauso geil gewesen.<br />

Und träfe auch irgendwie den Kern der Sache etwas besser. Keine<br />

Ahnung, was denen so alles eingefallen wäre. Irgendwas hätten die<br />

schon gefunden, da bin ich mir sicher. Irgendeinen Grund für eine<br />

Sicherstellung gibt es immer. Da glaube ich ganz fest dran. Davon bin<br />

ich felsenfest überzeugt. Und wenn es doch einmal keinen Grund geben<br />

sollte, dann wird eben einfach einer erfunden, zack. Nein, noch geiler:<br />

Dann wird eben grundlos sichergestellt. Hach, wäre das geil! Dem<br />

geneigten Leser sollte spätestens jetzt aufgefallen sein, daß ich ein<br />

riesengroßer Fan von Sicherstellungen aller Art bin. Egal.<br />

154


Knapp zwei Wochen später hatten die dann auch schon den<br />

Fahrzeughalter ermittelt, und ich durfte abermals zur Wache kommen.<br />

Und der Typ, zu dem ich da dann hin mußte, der war mal so richtig geil.<br />

Das war kein Weihnachts- oder Butzemann mehr, das war Supermann.<br />

Supermann himself. Aber irgendwie nicht auf Super, sondern eher auf<br />

Bleifrei. Oder auf Diesel. Auf Heizöl, keinen Schimmer. Auf irgendwas<br />

war der aber, da gehe ich jede Wette ein. Zuviel Kaffee, schlecht<br />

geschissen, keine Ahnung. Ein kleines, zierliches Männlein mit<br />

Schnauzbart und lichten Haaren. Ziemlich hektisch und übertrieben cool<br />

sein wollend. Sozusagen der typische deutsche Mann Anfang 40. Alles<br />

kann, nichts muß. Wobei man bei dem eher davon ausgehen konnte, daß<br />

alles muß, aber nichts geht.<br />

Junge, hat der ein Fest gefeiert. Sensationell! Der hat ja mal die richtig<br />

scharfen Ansagen gemacht. Ein ganz smarter Ansager war der. Das<br />

wäre Strafvereitelung, ich würde die Täter kennen und decken, ich hätte<br />

das Gesetz in die eigenen Hände genommen. Der ist abgegangen wie<br />

Schmidts Katze, ehrlich. Er würde nun alle ihm verfügbaren Hebel in<br />

Bewegung setzen, damit der ganze Sachverhalt aufgedeckt und<br />

abgestraft werden kann. Wobei ich natürlich auch einen an den Latz<br />

bekäme, verstünde sich wohl von selbst, sowas ginge doch nicht, bla.<br />

Junge, hat der genervt. Der ging mal so richtig schön gar nicht. Der war<br />

so geil drauf, daß ich dem fast meinen Führerschein auf den Tisch<br />

geknallt hätte. Dann hätte er was zum Sicherstellen gehabt und<br />

vielleicht Ruhe gegeben. Da, zack, nimm hin, stell` sicher. Aber bitte,<br />

schalte mal einen Gang runter, sonst liege ich gleich unter`m Tisch.<br />

Nein, das habe ich dann aber doch lieber gelassen. Sonst wäre der<br />

vielleicht noch richtig abgeschnallt. Stattdessen habe ich die knapp 20<br />

Minuten Verhör voll ausgekostet, wobei ich mir leider stets das Lachen<br />

verkneifen mußte, weil der arme Kerl so fies drauf war. Das war ganz<br />

großes Tennis, Slapstick at it`s best. Ich habe sogar damit gerechnet,<br />

daß der gleich in ein Nebenzimmer geht und dort irgendwo aus einer<br />

verstaubten Kiste von anno 1950 einen Lügendetektor rausholt.<br />

Beziehungsweise einen zweiten Sheriff, mit dem er dann die Guter-<br />

Bulle-böser-Bulle-Nummer mit mir abzieht. So einen wie Shaft, einen<br />

knallharten Schwarzen, der nicht lange fackelt. Zack, erstmal schön<br />

Kopf auf den Tisch, danach werden Fragen gestellt.<br />

155


Naja, egal. Ich durfte dann gehen. Und habe seitdem nie wieder was<br />

vom Supermann gehört. Was irgendwie ziemlich schade ist, weil ich die<br />

Gesamtsituation dann doch ziemlich skurril und superlustig fand. Habe<br />

ich daraus irgendetwas gelernt? Nein. Wie immer absolut rein gar<br />

nichts. Oder doch?! Ja, doch, eine Sache ist hängengeblieben: Ich werde<br />

nie wieder in meinem ganzen Leben freiwillig die Polizei rufen. Nie, nie<br />

wieder. Wenn mir einer in die Karre fährt, scheißegal. Lieber einen<br />

neuen Benz kaufen. Wenn mir irgendwer das Haus abfackelt, auch<br />

völlig egal. Lieber in einer neuen Stadt nochmal ganz von vorn<br />

anfangen. Neue Stadt, neues Glück. Oder wenn ich sehe, wie bei meinen<br />

Nachbarn eingebrochen wird. Dann gehe ich da lieber selbst mit<br />

Baseball-Keule oder 9-mm-Halbautomatik rüber und bereinige die<br />

Situation. Werde ich alles machen. Alles selbst regeln. Nur nie wieder<br />

die Polizei rufen. Niemals. Unter keinsten Umständen jemals wieder.<br />

Und wenn die freiwillig rauskommen? Beispielsweise im Rahmen ihrer<br />

Lieblings-Beschäftigung, der allgemeinen Verkehrskontrolle? Am<br />

besten noch der Chuck Norris vom Verhör mit dabei? Auweia! Dann ist<br />

guter Rat teuer. Aber eigentlich auch egal. Gar nicht erst anhalten,<br />

gleich im Fahren den Lappen aus dem Fenster schmeißen, kann sofort<br />

sichergestellt werden. Zack, da ist das Ding, nehmt hin. Und dann nur<br />

noch Vollgas. Ab auf die Bahn, solange der Tank reicht. Nur weg. Weg,<br />

weg, weg. Ganz weit weg. Da braucht man dann gar nicht erst groß mit<br />

Moral und Ethik anfangen und hinterfragen, ob das denn nun richtig<br />

oder falsch ist. Drauf geschissen. Gas, Vollgas, weg. Einfach nur weg.<br />

Auf, auf und davon...<br />

156


Brauch` keinen Freund, kein Kokain, brauch` weder Arzt, noch Medizin.<br />

Brauch` keine Frauen, nur Vaselin, etwas Nitroglycerin. Ich brauche<br />

Geld für Gasolin, explosiv wie Kerosin. Mit viel Oktan und frei von Blei,<br />

einen Kraftstoff wie Benzin!<br />

bbb) Heizöl kommt noch krasser<br />

157<br />

(Rammstein)<br />

Es ist nun ja nicht so, daß ich generell was gegen die Polizei hätte. Nein,<br />

nicht doch. Wirklich nicht. Nicht, daß hier noch ein falscher Eindruck<br />

entsteht. Ich mag die Polizei. Ehrlich. Die machen auch nur ihren<br />

komischen Job und können es nicht besser wissen. Und ganz nebenbei<br />

profitiere ich oftmals sogar von der Polizei bzw. von deren Nicht-<br />

Agieren. Beispielsweise halten die mich im Rahmen einer allgemeinen<br />

Verkehrkontrolle eigentlich immer an. Keine Ahnung, warum. Ich bin<br />

immer dran. Immer! Eine Zeit habe ich ständig die Autos gewechselt,<br />

aber die haben mich trotzdem angehalten. Möchte nicht wissen, was<br />

dahinter steckt. Eine höhere Macht? Ausgleichende Gerechtigkeit? Oder<br />

vielleicht sogar ein Peilsender in meinem Arsch?<br />

Es wird dann wahrscheinlich doch der Peilsender sein. Da bin ich mir<br />

eigentlich ziemlich sicher. Aber wie? Wahrscheinlich haben die mir<br />

damals im Krankenhaus nicht den Blinddarm rausgenommen, sondern<br />

stattdessen eine Wanze bzw. diesen ominösen Peilsender reingesteckt.<br />

Zack. Ab in den Blinddarm. Also nicht in den Arsch, sondern in den<br />

Darm. Auch nicht viel besser. Klar, damals war ich erst neun Jahre alt.<br />

Aber daß ich mal ein ganz besonders verkorkstes Subjekt werden würde,<br />

stand schon früh fest. So vielleicht im Alter von drei oder vier Jahren.<br />

Da wußte man schon, was später einmal Sache ist. Naja, und ich denke,<br />

dann hat man noch ein paar Jahre abwarten wollen, ob sich das<br />

vielleicht irgendwie irgendwann rauswächst, aber Pustekuchen. Nichts<br />

weg, nichts rausgewachsen, wurde alles nur noch schlimmer.


So, und beim nächsten Dünnschiß wurde mir dann suggeriert, es wäre<br />

der Blinddarm. Uiuiui, der Blinddarm! Wenn der platzt, geht man tot.<br />

Auweia! Also ganz schnell unter`s Messer. Aufgeschnippelt, Wanze<br />

rein, zack, zugemacht. Alles Routine, schönen Tag noch. So oder<br />

ähnlich muß es gelaufen sein. Damit man mich später stets und ständig<br />

lokalisieren kann. Man immer gleich weiß, wo ich mich gerade<br />

rumtreibe. Voll ätzend, aber echt jetzt. Kann ich ja gleich bei RTL2 in<br />

den Asi-Container einziehen. Paar Low-Budget-Matratzen vögeln,<br />

scheißegal, weiß ja eh jeder Bescheid. Und ich war die ganzen Jahre so<br />

naiv. Aber jetzt nicht mehr! Denn jetzt, wo ich das weiß, hole ich das<br />

Ding da bald wieder raus. Garantiert. Ich weiß nur noch nicht, wie. Kein<br />

Arzt der Welt will mir helfen. Alle lachen mich aus. Nein, das sei nur<br />

ein leichter Schatten auf dem Röntgenbild, keine Sorge. Und überhaupt<br />

sei der Blinddarm noch da. Tja, und die Narbe, das könne alles<br />

Mögliche sein. Und überhaupt klinge das alles ein wenig schizophren,<br />

was ich da so von mir gebe. Na super, schizophren. Was will man dem<br />

noch entgegnen?! Ich weiß es nicht mehr. Ich stehe da<br />

zugegebenermaßen ein bißchen auf dem Schlauch, im wahrsten Sinne<br />

des Wortes. Vielleicht sollte ich mal einen Magneten da unten an den<br />

Pansen ranhalten, vielleicht stört der die Funktion von dem Ding.<br />

Naja, mittlerweile bin ich ja schon froh und dankbar, daß das Ding<br />

keine Schock-Funktion oder sowas hat. Also situationsbedingt leichte<br />

bis mittelschwere Stromstöße. Je nach Situation. Oder schlimmer noch,<br />

nach Zustand. Beispielsweise an meine Leber oder meine Blut-Alkohol-<br />

Konzentration gekoppelt. Auweia! Jeder Tropfen über 0,5 Promille gibt<br />

einen mittelschweren Stromschlag. Zack. Dann stände ich den ganzen<br />

Tag voll unter Strom. Dann wäre ich der 10.000-Volt-Mann. Wie geil!<br />

Von weitem schon zu erkennen an Qualm und Funkenflug. Und aus der<br />

Nähe an den gekräuselten Haaren, den gelben Augen und dem Geruch<br />

von verbranntem Ethanol. Eigentlich ideale Voraussetzungen für einen<br />

Profi-Wrestler. Ein gelungener Charakter, also mit dem ganzen Qualm<br />

und den Mini-Blitzen und so. Und erfolgreich obendrein. Sobald ich<br />

meinen Gegner im Ring zu fassen kriege, fokussiere ich ganz krass und<br />

gebe dann punktuell eine komplette elektrische Ladung an den ab.<br />

Bzzz!!! Versteht sich wohl von selbst, daß der dann sofort umfällt. Und<br />

das war`s dann auch. Eins, zwei, drei. Und aus. Sieger per Pinfall und<br />

somit neuer Intercontinental-Champion: The Incredible Elekto-Honk!<br />

158


Wahnsinn! Also wenn ich es mir so recht überlege, hätte ich dann doch<br />

ganz gern noch die Schock-Funktion dazu. Endlich Wrestler werden,<br />

hurra! Endlich hätte mein ödes Leben einen Sinn. Mal den Arzt anrufen,<br />

der damals dieses ominöse Blinddarm-Operation an mir durchgeführt<br />

hat. Vielleicht kann man da noch was upgraden. Aber bestimmt will der<br />

sich an sowas nicht mehr erinnern. Wahrscheinlich werde ich wieder<br />

Drohungen aussprechen müssen. Ihn zwingen, mich upzugraden. Denn<br />

so ganz seriös und koscher waren diese Stasi-Allüren ja nun auch<br />

wieder nicht. Tut aber hier auch nicht weiter zur Sache. Auf jeden Fall<br />

werde ich aufgrund dieser blöden Darm-Wanze stets und ständig von<br />

den Grün-Weißen rausgewunken.<br />

Da ich das aber mittlerweile weiß, betreibe ich Prophylaxe. Ich bereite<br />

mich also ganz penibel darauf vor bzw. richte mein vorangehendes<br />

Handeln danach aus. Im konkreten Fall heißt das, daß ich vor<br />

Fahrtantritt niemals mehr als vier große Weizenbier trinke. Halbe Liter,<br />

keine ganzen. Vier Halbe. Pro Glas macht das dann 0,3 Promille bei<br />

mir, also 1,2 Promille bei vier Gläsern. Nun ist es ja nicht so, daß ich die<br />

vier Pötte auf einmal aussaufe, sondern schon ca. eine Stunde dazu<br />

brauche. Meine Kumpels haben da schon einen schnelleren Zug am<br />

Hals, aber ich lasse es mir schmecken. In dieser Stunde hat meine<br />

Leber, die ja mittlerweile durch den exzessiven Alkoholkonsum sehr gut<br />

trainiert ist (Liver-Pimping), gute 0,2 Promille bereits wieder abgebaut.<br />

Das heißt, bei Fahrtantritt habe ich dann aus zwei Litern Weizenbier<br />

gerade mal charmante 1,0 Promille intus. Ein ganz hervorragender Blut-<br />

Alkohol-Wert, insbesondere für Nachtfahrten.<br />

Denn von 0,5 bis 1,1 Promille gibt es lediglich 500 Euro Bußgeld, vier<br />

Punkte und einen Monat Fahrverbot. Und das ist doch mal ein flottes<br />

Angebot, oder?! Die paar Kröten nimmt man doch wohl gern in Kauf,<br />

Handgeld, Portokasse. Und einen Monat Fahrverbot, pah, drauf<br />

geschissen. Den nimmt man, wenn man das nächste Mal für drei oder<br />

vier Wochen in den Urlaub fliegt. Alles in allem bei weitem nicht so<br />

verheerend und frustrierend wie die Vorstellung, nüchtern zu bleiben.<br />

Der Wiederholungstäter zahlt 1.000 Euro und kriegt drei Monate<br />

Fahrverbot. Auch noch akzeptabel. Kann ja jeder für sich selbst<br />

entscheiden. Auf jeden Fall auch hier ganz typische und ganz krasse<br />

Honk-Anarchie zum eigenen Wohl.<br />

159


Wie auch immer. Dadurch, daß die Grün-Weißen ihr Augenmerk<br />

permanent nur noch auf mein Saufverhalten richten, entgeht denen<br />

natürlich alles andere. Beispielsweise, daß ich meinen PKW mit Heizöl<br />

betanke. Ja, mit wunderbarem Heizöl. Statt Diesel. Habe mir extra einen<br />

alten Mercedes 190 D (Baujahr 1984, 450.000 km) als Zweitwagen<br />

gekauft. Extrem geile Karre. 78 PS, zieht wie Sau. Von Null auf<br />

Hundert in 70 Sekunden. Geile Karre. Habe ich mir zugelegt. Und eine<br />

Handpumpe, zwecks Anschluß an den Heizöltank im Keller.<br />

Und nun verhält es sich so, daß ich für alle Fahrten über 100 km den<br />

Heizöl-190er nehme. Clever, was?! Und unvermeidlich noch dazu. Die<br />

steigenden Benzin- und Diesel-Preise haben mich zu diesem Schritt<br />

gezwungen. Also auch hier Honk-Anarchie zum eigenen Wohl. Ein ganz<br />

tolles Beispiel dafür, ein Paradebeispiel. Alles über 100 km mit dem<br />

Heizöl-Trecker. Und für alles darunter bzw. am Wochenende dann die<br />

Proll-Schleuder mit 15 Litern SuperPlus auf 100 km. Zweiter ganz<br />

wichtiger Aspekt: Niemals besoffen mit dem Heizöl-Trecker. Auf<br />

keinen Fall. Man wird eh angehalten, Peilsender. Und Flucht ist<br />

unmöglich. Nicht mit 78 PS. Von Null auf Hundert in gut einer Minute.<br />

Undenkbar. Und höchst verdächtig. Lieber schön pusten, tröt, Nullkomma-Null,<br />

gute Weiterfahrt. So muß es sein. Vielleicht noch ein<br />

Cannabis-Test, weil sie den recht würzigen Heizöl-Geruch nicht<br />

zuordnen können, und tschüß. Weiter geht`s mit einem ökologisch<br />

vorbildlichen Verbrauch von vier Litern Heizöl auf 100 km.<br />

Am Wochenende sieht das dann schon etwas anders aus. Da hat man<br />

dann gut viermal soviel PS unter`m Arsch, bläst ordentlich SuperPlus<br />

durch und kurbelt demzufolge die Wirtschaft an. Nicht nur die<br />

Marktwirtschaft, sondern auch die Gastwirtschaft um die Ecke. Denn<br />

mit flotten 300 Pferdchen und ohne Heizöl kann man dann auch wieder<br />

schön saufen und fahren, na klar. Und im Ernstfall flüchten. Wie im<br />

vorangegangenen Kapitel beschrieben. Fenster runter, Lappen raus,<br />

Vollgas. Falls die dann tatsächlich so witzig sein wollen, mit ihrem<br />

fussel-getunten 180-PS-Passat eine Verfolgung aufzunehmen, na dann<br />

viel Spaß. Endet für die Jungs auf alle Fälle nach ein paar Kilometern<br />

mit einem frustrierten Einbiegen in den Mc-Drive. Tja, so ist das<br />

nunmal im Leben. Selbst Schuld. Wer zu mir nicht rauskommt, wenn<br />

ich in Not bin, für den halte ich auch nicht an.<br />

160


Man spricht in solch einem Fall von ausgleichender Honk-Anarchie<br />

oder auch didaktischer Honk-Anarchie: Das Nicht-Reagieren des Honk<br />

(also seinen Wagen anzuhalten) ist kein Nicht-Reagieren im<br />

eigentlichen Sinne, also beispielsweise auf eine direkte vorangehende<br />

Aktion (Polizeikontrolle). Oder anders ausgedrückt: Die direkt<br />

vorangehende Aktion muß nicht notwendigerweise die auslösende<br />

Aktion für das Nicht-Reagieren seitens des Honk gewesen sein. Der<br />

Auslöser für das Nicht-Reagieren unseres Honk ist im vorliegenden Fall<br />

unstrittig viel weiter in der Vergangenheit anzusiedeln.<br />

Besagtes Nicht-Reagieren ist hier nämlich nur noch das Endglied einer<br />

mehrstufigen Kausalitätskette. Es darf daher unter keinen Umständen<br />

für sich alleinstehend betrachtet oder gar bewertet werden. Vielmehr ist<br />

stets der Gesamt-Sachverhalt zu würdigen. Und in diesem<br />

Zusammenhang stellt unser Nicht-Reagieren als Endglied zweifelsfrei<br />

nur noch die konkludente Folge auf ein in der Vergangenheit<br />

manifestiertes Anfangsglied dar, welches mit der eigentlichen Reaktion<br />

bzw. Nicht-Reaktion nicht mehr zwangläufig in direkter Relation steht,<br />

sondern vielmehr als Auslöser unserer Kausalitätskette zu verstehen ist.<br />

Im vorliegenden Fall ist unser Nicht-Anhalten also kein schlichtes<br />

Ignorieren einer polizeilichen Anweisung, sondern vielmehr das<br />

Resultat bzw. Endglied jener Kausalitätskette, die seitens der Polizei mit<br />

deren Nicht-Reagieren auf den gemeldeten Diebstahl bei unserem<br />

armen Honk eingeleitet wurde. Ein ganz elementarer Unterschied! Ganz<br />

elementar. Und inhaltlich schlüssig-logisch. Das Augenmerk des Honk<br />

liegt folglich immer auf dem Gesamtkontext bzw. auf Beurteilung der<br />

Gesamtsituation. Und das lautet hier kurz und knapp:<br />

Kommst Du nicht raus, halte ich nicht an!<br />

Also doppelte Negation, ganz klar. Wem das jetzt zu kontraproduktiv<br />

oder gar zu pessimistisch anmutet, der kann das Ganze auch auf einen<br />

positiven, jedoch ebenso prägnanten Grundsatz herunterbrechen:<br />

Kommst Du raus, halte ich an!<br />

161


Das drückt es etwas ansprechender aus, umschreibt aber denselben<br />

Sachverhalt. Hilfst Du mir in der Not, halte ich auch für Dich an. Eine<br />

ganz einfach gestrickte, jedoch elementare Grundlagen-Gleichung, die<br />

sich auf fast alle denkbaren Bereiche im menschlichen Leben anwenden<br />

läßt. Eine Hand wäscht die andere, wie Du mir so ich Dir, Auge um<br />

Auge, bla. Das Problem hierbei ist, daß sich viele Menschen aufgrund<br />

irriger Annahme diverser Pseudo-Privilegien von dieser Gleichung<br />

ausgenommen sehen. Sie sind dem Irrglauben erlegen, daß sie dieser<br />

zwingenden Gesetzmäßigkeit nicht unterliegen. Warum auch immer.<br />

Meist handelt es sich hierbei um Staatsdiener, die sich dummdreist auf<br />

irgendwelche schwachsinnigen Vorschriften berufen wollen, die sie<br />

vorher selbst oder zusammen mit anderen Nachtwächtern erstellt haben.<br />

Und das widerstrebt selbstverständlich den hohen Moral- und Ethik-<br />

Ansprüchen des Honk. Zum einen an sich selbst, zum anderen aber auch<br />

an die Gesellschaft. Und aus diesen Gründen greift hier beispielsweise<br />

auch die selbstentwickelte Heizöl-Strategie des Honk. Ganz klarer Fall.<br />

Aber mal schön langsam der Reihe nach.<br />

Ein Liter Heizöl kostete Anfang Juni 2009 gerade einmal 0,55 Euro.<br />

Schlappe 55 Cent also. Nach der dramatischen Kosten-Explosion Mitte<br />

2008 bewegen wir uns jetzt wieder in Richtung eines halbwegs<br />

akzeptablen Preisniveaus. Allerdings nur, wenn wir das Heizöl als<br />

Kraftfahrzeug-Treibstoff betrachten und auch entsprechend verwenden.<br />

Für das Beheizen eines Wohnraumes sind 55 Cent nämlich immer noch<br />

unter aller Sau, der Gipfel der Perversität. Absolute Unverschämtheit.<br />

Da sollte die Schmerzgrenze irgendwo zwischen 10 und 20 Cent liegen.<br />

Aber das soll an dieser Stelle nicht weiter thematisiert werden, weil es<br />

eh nichts nützt. Ändert sich eh nichts. Seinen PKW mit Heizöl statt mit<br />

Diesel von der Tanke zu betanken, nützt dagegen schon etwas. Das<br />

nützt sogar einiges. Denn der Preis für einen Liter Diesel lag im<br />

vergleichbaren Zeitraum Anfang Juni 2009 bei 1,10 Euro. Ja hoppla,<br />

möchte man da spontan aufschreien, das ist ja fast das Doppelte. Nein,<br />

das ist sogar ganz genau das Doppelte. Der doppelte Preis im Vergleich<br />

zum Heizöl. Na, was ist denn hier los, wie kann denn das sein?! Die<br />

Antwort kennt jeder, also muß sie hier nicht mehr lang und breit und<br />

dummdreist polarisierend heruntergebetet werden. Lassen wir der BILD<br />

doch bitte ihr Tagesgeschäft. Skandal: Elektriker verhaftet! Wie auch<br />

immer. Sex-Tourist erschossen!<br />

162


Um es kurz zu machen: Das eigentliche Produkt (also der Liter Diesel<br />

bzw. Heizöl) kostet 45 Cent je Liter. Beim Diesel addieren sich<br />

insgesamt 65 Cent an Steuern und Abgaben dazu (Mineralöl-, Öko- und<br />

Mehrwertsteuer, sowie eine ominöse Erdölbevorratungsabgabe, na<br />

klar). Beim Heizöl sind es dann dagegen lediglich 10 Cent, die sich<br />

auch irgendwie ganz toll zusammensetzen. Ist aber auch scheißegal, ist<br />

allseits bekannt. Denn die alles entscheidende Kernfrage muß doch hier<br />

einzig und allein lauten: Wie gehe ich damit um, daß mir Vater<br />

Nachtwächter für ein und dasselbe Produkt mal den einen und mal den<br />

anderen (den doppelten) Preis abverlangt?! Akzeptiere ich, daß ich<br />

keine Ware im eigentlichen wirtschaftlichen Sinn, sondern vielmehr<br />

einen beschissenen Verwendungszweck bezahle?! Das ist doch die<br />

Kernfrage, die sich jeder selbst stellen muß.<br />

Und die Antwort dürfte wohl auch jedem klar sein: Der ferngesteuerte<br />

Standard-Deutsche stellt sich diese Frage gar nicht mehr. Er zahlt<br />

lieber. Er zahlt lieber den Mehrpreis. Er zahlt und zahlt und zahlt. Und<br />

jammert und jammert und jammert im Gegenzug darüber. Nicht, weil er<br />

irgendetwas ändern möchte oder weil ihn der doppelt so teure<br />

Dieselpreis besonders hart träfe. Nein, das ist völlig sekundär, falls<br />

überhaupt gegeben. Nein, der Standard-Deutsche ist so endgeil auf<br />

Jammern und Klagen programmiert, daß er des Jammerns und Klagens<br />

wegen jammert und klagt. Total krass abgefahren. Der braucht das. Wie<br />

die Luft zum Atmen. Elementare Lebensgrundlage! Ohne Jammern und<br />

Klagen ist das Leben nicht mehr lebenswert.<br />

Also morgens gleich eine geile BILD an der Tanke ziehen und dabei<br />

dann über den verfickten Dieselpreis jaulen oder wahlweise auch über<br />

die allerneuste, brandheiße Schlagzeile in der BILD, wenn diese mal<br />

wieder besonders pikierend anmutet. Völlig egal. So beginnt der Tag.<br />

So muß er beginnen. Schönen guten Morgen. Hauptsache ist, daß gleich<br />

gejault wird. Und für diese Jaulerei zahlt unser Ferngesteuerter gern den<br />

doppelten Preis beim Diesel. Ohne Sinn und Verstand erkauft er sich<br />

mit 65 Cent Mehrkosten je Liter die Freiheit, nach Lust und Laune eben<br />

genau darüber jammern und heulen zu können. Ohne daß sich<br />

irgendwas jemals ändert oder sich irgendein Schwein für seine Heulerei<br />

interessiert. Ist das mal geil?! Das ist geil, geil, sehr geil. Das ist<br />

endgeil. Endgeil ferngesteuert.<br />

163


Damit erzähle ich natürlich nichts Neues. Das haben die Medien schon<br />

vor Jahren erkannt. Daß es dem Standard-Ferngesteuerten zunehmend<br />

an Lebensinhalt fehlt. Dazu später mehr, damit könnte man ein eigenes<br />

Buch füllen. Und da es ausgesprochen schwierig ist, Millionen<br />

Menschen einen fehlenden Lebensinhalt zurückzugeben, ersetzen die<br />

Medien diesen kurzerhand. Mit Scheiße. Ja, ganz richtig, mit Scheiße.<br />

Mit Scheiße, Kacke, Kot. Scheiße für die Standard-Birne des Standard-<br />

Ferngesteuerten. Das geht schnell, ist einfach gemacht und wird gut<br />

angenommen. Und ruckzuck ist man von der Tristesse des eigenen<br />

Lebens abgelenkt und kann über irgendeinen anderen banalen<br />

Scheißdreck meckern. Beispielsweise über irgendeine brandheiße Story<br />

aus den hiesigen Klatsch-Medien. Wenn das nichts ist?! Das ist doch<br />

was. Funktioniert bestens. Radikale Akzeptanz des eigenen, öden<br />

Scheiß-Lebens. Durch Superkompensation. Ganz toll. Beziehungsweise<br />

vielmehr durch Ausweichen. Ausweichen vom eigenen Scheiß-Leben<br />

auf das Scheiß-Leben anderer. Oder auf grenzwertig beschissenbescheuerte<br />

Sachverhalte, wie den oben beschrieben Diesel-Heizöl-<br />

Konflikt, unfaßbar.<br />

Es dürfte wohl jedem klar sein, daß das ganz krasses, ganz radikales<br />

Fremdopfer-Verhalten ist. Kompensation! Superkompensation!<br />

Kompensation ist immer falsch, Kompensation ist Scheiße.<br />

Kompensation verdrängt Mißstände. Kompensation setzt nicht an der<br />

Wurzel des Übels an. Kompensation löst das Problem nicht. Das eigene<br />

Leben bleibt Scheiße. Auch wenn es anderen noch beschissener geht.<br />

Nützt meinem eigenen Leben subjektiv betrachtet rein gar nichts. Macht<br />

mein Leben nicht besser, auch wenn ich mir das gern einreden möchte.<br />

Ebenso wenig wie die permanente Heulerei und Klagerei. Macht auch<br />

keinen Sinn. Ohne Sinn und Verstand. Reines Fremdopfer-<br />

Fluchtverhalten. Eine völlig inakzeptable Option für jeden Honk. Der<br />

Honk befaßt sich erst gar nicht mit solch belastenden Sachverhalten wie<br />

der Diesel-Heizöl-Thematik. Der Honk reagiert direkt auf das<br />

Grundproblem. Und in diesem Fall bedeutet das, daß der Honk zwei<br />

unterschiedliche Preise für ein und dasselbe Produkt nicht akzeptiert.<br />

Nicht akzeptieren kann. Ohne Wenn und Aber, ohne große Debatte,<br />

keine Kinkerlitzchen. Kurz: Der Honk kauft Heizöl. Und nur Heizöl.<br />

Das war`s. So einfach ist das. Heizöl für schlanke 55 Cent, für Auto und<br />

Heizung. Schont Porte und Nerven. Stößchen.<br />

164


Ist das jetzt smart oder was?! Das ist doch mal ganz großes Tennis. Klar<br />

werden jetzt diejenigen, denen die Eier zu solch einer smarten Aktion<br />

fehlen, wieder maulen und jaulen und jaulen und maulen. Unter<br />

Umständen sogar den Honk verunglimpfen. Oder insgesamt dem<br />

durchweg positiv zu bewertenden Heizöl-Sachverhalt eine negative<br />

Note anlasten wollen. Irgendwas Negatives wird es auf alle Fälle sein.<br />

Und das ist auch gut so, so muß es ja auch sein. Denn deswegen sind<br />

diejenigen, die maulen und jaulen, ja auch die armen Fremdopfer, und<br />

der Honk ist der Honk. Astrein, zack, Stößchen.<br />

Aber zurück in medias res: Wenn man also beispielsweise 30.000 km<br />

pro Jahr mit dem guten 190er zurücklegt, macht das bei vier Litern<br />

Durchschnittsverbrauch auf 100 km insgesamt 1.200 Liter Heizöl pro<br />

Jahr. Die Gesamtkosten für Treibstoff belaufen sich demnach auf 660<br />

Euro jährlich. Betankt man seinen PKW mit Diesel von der Tankstelle,<br />

sind es 1.320 Euro jährlich, also 660 Euro mehr. Und da kann sich jetzt<br />

jeder selbst an fünf Fingern abzählen und überlegen, ob er diesen<br />

Mehrbetrag für nichts gerne leisten möchte, um sich sein Grundrecht<br />

auf Heulerei zu erkaufen und seinen Fremdopfer-Status zu festigen.<br />

Oder ob er lieber aus der Rolle des stets passiven Fremdopfers<br />

heraustritt und zum Heizöl-Honk wird. Ja, genau, zum Heizöl-Honk.<br />

Und gemäß bester Honk-Anarchie zum eigenen Wohl mal eine ganz<br />

flotte Fahrt mit Heizöl hinlegt. Muß ja erstmal gar nicht weit sein. Muß<br />

ja nicht gleich von Hamburg nach Barcelona gehen. Bißchen<br />

Landstraße und Nebenstrecke am Anfang, erstmal ein wenig Ruhe<br />

reinkriegen, bißchen Routine bekommen. Langsam angehen lassen.<br />

Kann ja jetzt jeder für sich selbst entscheiden, alles geht, nichts muß.<br />

Keiner wird zu irgendwas gezwungen. In Honkland kann jeder machen,<br />

was er will. Wenn doch alles im Leben so einfach wäre.<br />

Ist es aber leider nicht. Rein juristisch spricht man in solchen Fällen<br />

dann nämlich nicht von Honk-Anarchie zum eigenen Wohl, sondern<br />

von Heizölverdieselung. Heizölverdieselung klingt erstmal total<br />

abgefahren, beschreibt aber genau denselben beknackten Sachverhalt.<br />

Konkret ausgedrückt handelt es sich hierbei also um nichts anderes als<br />

um eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abgabenordnung in<br />

Verbindung mit § 21 Energiesteuergesetz. Nur für den Fall, daß das<br />

irgendwen hier interessiert, was ich aber nicht glaube. Egal.<br />

165


Das Hauptzollamt Krefeld hat in seiner Veröffentlichung Anfang 2007<br />

sehr treffend -zugleich aber auch mit leicht kritischen Untertönen- zu<br />

dem Delikt der Heizölverdieselung Stellung bezogen:<br />

Heizölverdieselung ist kein harmloses Delikt, sondern handfeste<br />

Steuerhinterziehung. Pro Liter mißbräuchlich verwendetem Heizöl wird<br />

Energiesteuer in Höhe von rund 48 Cent hinterzogen... Man könnte es<br />

ganz einfach so formulieren: Mit Heizöl darf man heizen, sonst nichts...<br />

Dieselkraftstoff hat eine gelbe Färbung. Heizöl hingegen ist rot<br />

eingefärbt und beinhaltet die versteckten Markierstoffe "Furfurol" oder<br />

"solvent yellow". Beide Markierstoffe sind mit bloßem Auge nicht zu<br />

erkennen, können aber mit wenig Aufwand bei einer Kontrolle vor Ort<br />

sichtbar gemacht werden. Dazu wird über einen Schlauch mit einer<br />

Handpumpe eine geringe Menge Kraftstoff in ein Schauglas gepumpt.<br />

Dann wird in ein Teströhrchen eine kleine Menge Kraftstoff gefüllt und<br />

mit dem Testreagenz vermischt. Befindet sich in der getesteten<br />

Kraftstoffprobe einer der Markierstoffe, wird dies durch eine<br />

zusätzliche, starke Rotfärbung im Bodensatz des Röhrchens angezeigt...<br />

Die vorsätzliche zweckwidrige Verwendung von gekennzeichnetem<br />

Kraftstoff stellt eine Straftat wegen Steuerhinterziehung dar.<br />

Na spitze, jetzt ist man natürlich viel schlauer als vorher. Jetzt ist man<br />

sogar ganz besonders schlau. Denn jetzt weiß man: Es ist verboten, man<br />

kann es nachweisen, und dann kriegt man Ärger. Aha. Das hat aber auch<br />

so gar keiner gewußt. Wieder eine halbe Seite mit sinnlosem Quatsch<br />

gefüllt, den a) jeder Idiot weiß und b) kein Schwein interessiert. Ätzend,<br />

voll ätzend. Mal eine konkrete Ansage, was der Spaß kostet, wäre nicht<br />

schlecht gewesen. Oder wie sie den exakten Verbrauch für eine<br />

Steuernachzahlung ermitteln wollen. Wahrscheinlich wird man<br />

geschätzt. Oder die Jungs vom Zoll rechnen gleich mal schön den<br />

kompletten Tacho ab, 400.000 km, abfeier! Keine Ahnung. Angaben<br />

über eventuell anfallende Kosten und Bußgelder wären mal ganz nett<br />

gewesen. Ich kann darüber nämlich nicht viel sagen, weil es bei mir in<br />

den acht Jahren, die ich mittlerweile mit Heizöl fahre, noch nicht<br />

aufgefallen ist. Von bekannten Honks, die entsprechend verfahren,<br />

erhalte ich eine ähnliche Resonanz: Nein, keine Ahnung, was das kostet,<br />

wurde noch nie erwischt. Die Kosten liegen also weitestgehend im<br />

Dunkeln, und meinetwegen können sie da aber auch bleiben.<br />

166


Und insoweit könnte man also auch relativ keck und folgerichtig davon<br />

ausgehen, daß man als landläufige Privatperson, die ihr Kraftfahrzeug<br />

sinnvollerweise mit Heizöl betreibt, weitestgehend unbemerkt bleibt.<br />

Wenn man es nicht gleich wieder übertreibt. Man muß es ja nicht<br />

unbedingt drauf anlegen und andauernd mit der Karre über die Grenze<br />

fahren, am besten noch nach Holland. Geht es eben mal mit der Bahn in<br />

Urlaub. Mit der schönen Deutschen Eisenbahn, mit dem schönen<br />

Familienticket. Oder mit dem Flieger. Mal das ganze Pack ab in Flieger,<br />

zack, schön ab in Flieger, schön nach Malle. Kommt man eh nicht mit<br />

dem Auto hin. Sieht man mal was von der Welt, sieht man auch mal<br />

was von oben. Kann man alles machen, macht alles Sinn. Nur bitte<br />

vorsichtig mit dem Heizöl-Flitzer und Grenzübergängen. Keine Faxen<br />

mit dem Zoll! Das muß klar sein.<br />

Und wenn man doch eines Tages dabei erwischt wird?! Na dann hat<br />

man eben mal Pech gehabt, so einfach ist das. No risk, no fun. Lieber<br />

vorbestraft wegen Steuerhinterziehung, als lebenslang Fremdopfer. So<br />

sieht das nunmal aus, Stößchen! Das gibt dann eben mal eine charmante<br />

Steuernachzahlung für die geschätzte Menge, die man an Heizöl<br />

verballert hat, zuzüglich Bußgeld. Da geht man nicht von tot. Auch<br />

nicht in Knast. Honk-Anarchie ist zwar krass, aber nicht lebensmüde.<br />

Und aktenkundiger Steuerhinterzieher klingt so übel auch wieder nicht.<br />

Klingt eigentlich ziemlich cool. Denn Moral und Ethik verbieten es dem<br />

Honk im konkreten Fall schlichtweg, Diesel-Kraftstoffe zu tanken. Er<br />

kann es nicht tun. Niemals. Selbst wenn er wollte. Denn logischerweise<br />

hat unser Honk auch einen sehr strengen Anspruch an die<br />

Zahlungsmoral. Insbesondere an seine eigene, höchstpersönliche<br />

Zahlungsmoral. Und sinnvollerweise lautet diese:<br />

Rechnungen werden bezahlt, Bullshit nicht. Stößchen.<br />

167


Also ich arbeite rund um die Uhr. Und ich wünsche, niemals<br />

unterbrochen zu werden, klar?! Auch nicht, wenn es brennt. Nicht mal,<br />

wenn Sie aus meiner Wohnung einen dumpfen Schlag hören und eine<br />

Woche später ein Geruch von da drinnen kommt, der nur von einer<br />

verwesenden, menschlichen Leiche kommen kann. Und man sich ein<br />

Taschentuch vor`s Gesicht halten muß, weil der Gestank so ekelhaft ist,<br />

daß man meint, man kippt gleich um. Selbst dann haben Sie hier<br />

keinesfalls zu klopfen. Oder wenn Wahlnacht ist und Sie aufgeregt sind<br />

und feiern wollen, weil irgendeine Fummeltrine, mit der Sie was haben,<br />

zum ersten schwulen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt<br />

worden ist. Und er Sie persönlich eingeladen hat nach Camp David.<br />

Und Sie das Bedürfnis haben, Ihr Glück mit jemandem zu teilen. Selbst<br />

dann: Klopfen Sie nicht! Nicht an diese Tür. Egal. Egal was auch<br />

passiert. Hast du mich verstanden, Schätzchen?!<br />

ccc) Und was sagen die Nachbarn?<br />

168<br />

(Melvin Udall)<br />

Einen ganz klaren Sonderfall bildet der anarchistische Beitrag des Honk<br />

zur Erhaltung bestmöglicher Nachbarschaft. Das ist so eine Art<br />

Mischform von Honk-Anarchie zum Eigenwohl und Honk-Anarchie<br />

zum Gemeinwohl, dürfte klar sein. Ab und zu sehe ich mir den einen<br />

oder anderen Bericht im Aso-TV an. Beispielsweise schalte ich immer<br />

dann besonders gern ein, wenn es eine Reportage zum Thema<br />

Nachbarschaftsstreit gibt. Oder vielmehr Nachbarschaftskrieg. Da wird<br />

ja richtig scharf geschossen. Mit ganz harten Bandagen wird da<br />

gekämpft. Sowas sehe ich mir sehr gern an. Aber auch nur, um mich<br />

dabei pausenlos kopfschüttelnd selbst laut fragen zu können, wie<br />

abgrundtief dämlich manche Leute denn noch werden können. Heftig.<br />

Nachbarschaftsstreit zeigt Dir stets neue Grenzen schwerstmöglicher<br />

Imbezillität auf. Du denkst, Du hast alles gesehen, und dann das.


Was kommt noch?! Möchte man laut aufschreien. Was kommt noch?!<br />

Aber man tut es nicht. Man schreit nicht. Ist auch besser so. Weil die<br />

Grenzen der Debilität nämlich beinahe täglich neu ausgelotet werden.<br />

Man wäre nur noch am Schreien, den ganzen Tag lang. Am Ende würde<br />

man noch heiser, denn kein Kehlkopf kann sowas auf Dauer aushalten.<br />

Also läßt man die Quäkerei lieber bleiben und schaltet auf cerebralen<br />

Durchzug. Ist die beste Lösung, ändert ja doch nichts.<br />

Was noch kommt, kann hier mal ganz kurz und knapp und off-topic<br />

erörtert werden. Noch bevor wir auf unsere Nachbarschaftsthematik<br />

eingehen. Und auch nur deshalb, weil ich fast sterben mußte. Ja, sehr<br />

richtig, ich hätte fast totgehen müssen. Zack, aus, vorbei. Denn der<br />

Wahnsinn nahm wieder einmal Gestalt an. Wie so oft. Die nächste<br />

Runde Gehirnamputation im Aso-TV wurde eingeläutet. Und mich hat<br />

es völlig unvorbereitet erwischt: Ich war nüchtern! Ganz, ganz nüchtern.<br />

0,0 Promille! Auweia! Fast wäre ich abgenibbelt, fast hätte es mich<br />

bzw. mein armes, kleines, geschundenes Hirn zerschossen. Denn damit<br />

haben sie im Aso-TV mal wieder den sprichwörtlichen Vogel<br />

abgeschossen. Keine Ahnung, wann die Scheiße lief, irgendwann<br />

Sommer 2009 oder so. Egal. Hier, zack:<br />

20.15 Uhr, RTL, Erwachsen auf Probe.<br />

O-Ton TV Digital: 8-tlg. Reihe, Dtl. 09. Ein einmaliges Experiment:<br />

Vier Teenagerpärchen mit Kinderwunsch testen das „wahre“ Leben. In<br />

einem vierwöchigen Crashkurs können die Jugendlichen zwischen 16<br />

und 18 Jahren beweisen, ob sie reif sind für den härtesten Job der Welt:<br />

Verantwortung tragen für ein Baby. Dazu bezieht jedes Paar ein eigenes<br />

Haus und organisiert zunächst einmal den Familienalltag, rund um die<br />

Uhr beobachtet von Kameras. Expertin und Moderatorin: Dr. Katja<br />

Kessler.<br />

Na, ist das mal ein sehr sinnvolles Experiment?! Aber hallo! Und wie!<br />

Ein unglaublich spannendes, authentisch-seriöses und überhaupt nicht<br />

hanebüchenes Experiment. Hut ab, Stößchen! Überhaupt ist die ganze<br />

Konstellation, die uns unser geliebtes Aso-TV hier in seiner schier<br />

unendlichen Vielfalt mal wieder serviert, schlichtweg genial. Geradezu<br />

monumental. Epochal. Mir fehlen ganz einfach die Worte.<br />

169


Denn bei diesem neuen TV-Format stimmt einfach alles. Von der<br />

brisanten Thematik bis hin zu den kongenialen Protagonisten bzw.<br />

vielmehr geistigen Statuten. Gekrönt von einer besonders smarten,<br />

impertinent souveränen und sogar promovierten Moderatorin, die<br />

zugleich auch die Expertin darstellt. Ist das zu fassen?! Frau Dr. Katja<br />

Kessler. Amazing. Selten hat man so eine multi-taskend-promovierte<br />

Moderations-Expertin gesehen. Also Doktorin, Moderatorin und<br />

Expertin in einer Person. In einer Person! Wie amazing ist das denn nun<br />

wieder?! Und das war mir bislang auch völlig entgangen. Ich dachte<br />

immer, Frau Dr. Kessler sei C-Promi-Klatschtante und BILD-Tippse.<br />

Nun gut, so kann man sich täuschen, ich ziehe meinen Hut.<br />

Jedenfalls ist unsere moderierende Expertin promoviert. Exciting.<br />

Doktor-Titel in Zahnmedizin. In Zahnmedizin! Das muß man sich jetzt<br />

mal vorstellen. Zahnmedizin. Also wenn überhaupt einer so ein<br />

endgeiles neues Format moderieren kann, dann ja wohl ein Zahnarzt,<br />

abfeier! Wer denn wohl sonst?! Kann dann auch gleich mal bei den<br />

ganzen Asis, die da mit den Kindern rumhampeln, ins Maul gucken.<br />

Dann hätte die ganze Scheiße wenigstens einen gewissen Sinn. Denn<br />

wie jeder weiß, nimmt es die ein oder andere kleine Zahnfee aus dem<br />

entsprechenden Milieu nicht ganz so genau mit Zahnpflege und<br />

Mundhygiene. Bah. Früher oder später muß da dann mal ein Zahnarzt<br />

aktiv werden, aber radikal aktiv. Maul auf, die schwarzen Stumpen da<br />

ab und paar Kronen drauf, zack, geht doch. Aber mal dahingestellt.<br />

Frau Kessler ist also mindestens so geil, wie das ganze Format eh schon<br />

ist. Mindestens. Wenn nicht noch eine Spur geiler. Und das völlig ohne<br />

Overselling, alles ganz natürlich. Erst Zahnmedizin, dann Klatschtante,<br />

dann BILD-Chef heiraten. Und jetzt auch noch das geilste TV-Format<br />

auf der ganzen Welt. Glückwunsch. Und Stößchen, auf jeden Fall<br />

Stößchen. Was kommt noch?! Geht es denn nicht noch ein bißchen<br />

skurriler? Bibo aus der Sesamstraße -voll besoffen und auf Crack-<br />

schlägt Brad Pitt zusammen, heiratet Angelina Jolie und gewinnt<br />

anschließend das Wimbledon-Finale 2012 in Afghanistan gegen Hulk<br />

Hogan?! Gut möglich. Ziemlich wahrscheinlich sogar. Fragen sich<br />

manche Leute in einer ruhigen Stunde eigentlich nicht irgendwann mal<br />

selbst, ob das eigene Leben eventuell irgendwie etwas komisch geraten<br />

sein könnte?! Scheinbar nicht.<br />

170


Egal. Auf jeden Fall also alles total geil. Geil, geil, geil. Sehr geil,<br />

obergeil, endgeil. Schade nur, daß die ganze Teenager-Kinderwunsch-<br />

Thematik für mich knapp 20 Jahre zu spät kommt. Ich bin heute 35<br />

Jahre alt, und natürlich hatte auch ich damals eigene Kinderwünsche.<br />

Das ging bei mir los, als ich so 14, vielleicht 15 Jahre alt war. Genau<br />

wie die meisten meiner Altergenossen. Bei den Frühreifen so mit 12,<br />

bei den Spätzündern erst mit 17. Aber eines vereinte uns in dieser<br />

schönen Jugendzeit: Kaum ging es los mit der Fickerei, schon wollten<br />

wir alle selbst ein Blag in die Welt setzen. Na klar, was denn sonst?!<br />

Wenn jemand für ein Kind sorgen kann, dann doch wohl ein Teenager.<br />

Geistig voll ausgereift, finanziell unabhängig und mit einer<br />

Lebenserfahrung gesegnet, daß einem die Haare zu Berge stehen.<br />

Auf der anderen Seite muß man fairerweise entgegnen, daß die<br />

Protagonistinnen und Protagonisten dieser endgeilen Sendung wohl eh<br />

nie mit einer nennenswerten geistigen Reife gesegnet sein werden.<br />

Siemens-Aufsichtsrat wird wohl für die meisten eher ein Traum bleiben.<br />

Von daher ist es eigentlich scheißegal, ob sie mit 14 oder mit 40 ihre<br />

fünf bis zehn Kinder in die Welt schießen. Und finanzielle<br />

Unabhängigkeit sollte eigentlich auch das kleinste Problem sein.<br />

Sponsored by Peter Hartz, Onkel Peter, na klar, was denn sonst?! Onkel<br />

Peter hat`s bisher ermöglicht, und mit fünf bis zehn Blagen wird Onkel<br />

Peter das auch zukünftig ausreichend sponsoren. So soll es sein, so muß<br />

es sein, Stößchen. Ein Stößchen auf Onkel Peter!<br />

Ich kann mich noch an mein erstes Mal erinnern, als wäre es gestern<br />

gewesen. Ich war 14, meine Süße auch, und Mann, war die heiß!<br />

Heiliger Bimbam! Inklusive Vorspiel dauerte der Spaß vielleicht drei<br />

Minuten, was dann wohl größtenteils an mir gelegen haben dürfte.<br />

Okay, es lag nur an mir. Was mir damals jedoch viel schlimmer als<br />

mein frühes Ejakulieren auf der Seele brannte, war die Gewißheit, daß<br />

ich mein ganzes Pulver ins Leere verschossen hatte. Zack. Puff.<br />

Beziehungsweise in ein Kondom. Das machte mir zu schaffen. Denn<br />

schließlich motivierte mich außer einem eindringlichen Kinderwunsch<br />

ansonsten absolut rein gar nichts zum Vögeln. Überhaupt nichts. Was<br />

denn wohl auch?! Die 30 Sekunden Rein-Raus-Spielchen machten mich<br />

eher nachdenklich, ob das denn schon alles gewesen sein könne. Sogar<br />

verstimmt, ja depressiv, nachdem meine Süße mir damals dann<br />

171


irgendwann offenbarte, daß sie einen Neuen kennengelernt habe, der<br />

nicht nur fünf Jahre älter sei, sondern es ferner viel länger und ansonsten<br />

auch eh viel besser könne als ich. Das war vielleicht mal eine<br />

Überraschung. Mein lieber Mann. Man könnte ohne Übertreibung<br />

sagen, daß ich damals fast aus allen Wolken gefallen wäre. Da wäre es<br />

fast aus gewesen mit meinem Kinderwunsch. Aber auch nur fast.<br />

Denn so sieht`s nunmal aus. Ein eigenes Kind. Das Grundbedürfnis<br />

jedes Sozi-Teenies mit gravierender eigen-familiär geprägter und<br />

sozialbedingter Verhaltenstörung. Was liegt da näher? Nichts! Und<br />

deshalb sinnvollerweise ein eigenes Kind, herzlichen Glückwunsch.<br />

Keine Perspektive, keine Maloche, nichts in der hohlen Birne, also<br />

eigenes Kind. Die einzig logische Konsequenz. Drängt sich ja geradezu<br />

auf. Onkel Peter macht das schon. Peterchen! Wie immer. Und den Rest<br />

steuern die vom Aso-TV bei, man kennt sich ja. Denn da bei unseren<br />

frühreifen Vorzeige-Teenies wie bei allen Vollidioten chronischer<br />

Geldmangel angesagt ist, verkauft man den horrenden geistigen<br />

Dünnschiß für schätzungsweise 5.000 Euro ans Aso-TV, welches im<br />

konkreten Fall mit RTL einen der denkbar dankbarsten Kunden<br />

darstellt. Na klar, eine Hand wäscht die andere, geht doch.<br />

Was mich in diesem Fall so ein klein wenig verdutzt (aber auch nicht<br />

wirklich weiter wundert), ist der Umstand, daß man doch tatsächlich<br />

Eltern echter Babys gefunden hat, die für ein bißchen Kohle eben diese<br />

eigenen Baby hergeben, damit die Asi-Teenies im Aso-TV damit<br />

rumfummeln können. Hallo? Geht`s noch? Was seid Ihr den für<br />

Spacken?! Unfaßbar. Für einen geistig halbwegs normal situierten<br />

Menschen unvorstellbar. Undenkbar. Aber im Aso-TV nicht. Aso-TV<br />

macht`s möglich. Asis spielen mit Kindern anderer Asis im Aso-TV.<br />

Phantastisch. Man möchte laut auflachen, wenn es nicht so erbärmlich<br />

wäre. Zusammenfassend können wir also festhalten, daß sich unser<br />

Lieblings-Sender RTL mal wieder quer durch die Bank allerlei bunte<br />

Vorzeige-Asis zusammengekauft hat, um deren exorbitante geistige<br />

Unzulänglichkeiten unter Exhibitionieren wehrloser Babys anderer<br />

Vorzeige-Asis an ein Vollidioten-Publikum zu verkaufen. Also<br />

Business as usual, recht schönen Dank auch. Eine Mischung aus<br />

Frauentausch und Super-Nanny, genau das Richtige für das<br />

niveauverwöhnte RTL-Hauspublikum. Abfeier, Stößchen!<br />

172


Ohne Worte. Echt ohne Worte. Und vor allen Dingen auch eine total<br />

geile Perspektive für die Kinder. Geiler geht nicht mehr. Da können ja<br />

nur Atomphysiker und Nobelpreisträger draus werden. Jedenfalls bei<br />

diesen Eltern. Apropos Eltern, was erzählen solche Eltern ihren Kindern<br />

später einmal? Wenn sie dieses äußerst sinnvolle Experiment bestanden<br />

haben und nun munter und kompromißlos drauflos jucken können? Und<br />

das Kind dann irgendwann alt genug ist, um es vor die Glotze zu<br />

setzen? Da guck` ma in Fernseh, Calvin-Melvin, guck` ma schön da in<br />

Fernseh da, da ist Mama und Papa und mit ein anderes Kind, guck` mal<br />

in Fernseh da! Irgendwas in der Richtung wird es sein. Denn mit<br />

ziemlicher Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, daß die eh nicht<br />

wissen, was sie da überhaupt tun. Wissen die ja sonst auch nicht. Die<br />

freuen sich, daß sie ein bißchen Kohle für Kippen kriegen und in der<br />

Asi-Glotze zu sehen sind, schön im Spacken-Programm im Aso-TV.<br />

Und das ist auch gut und richtig und wichtig so, denn so muß es ja auch<br />

sein. Alles in allem also ein äußerst runde Sache, der neueste<br />

Geniestreich von RTL. Danke. Stößchen.<br />

Natürlich existieren zuhauf weitere Formate, bei denen man sich ständig<br />

fragen muß, wie bescheuert die Zielgruppe derer, die sich diesen<br />

Dünnschiß tagtäglich freiwillig reinzieht, eigentlich sein kann. So wurde<br />

beispielsweise gegen Mitte 2009 auf PRO7 ein Format ausgestrahlt, in<br />

welchem sie einen Kerl für die geisteskranke Tochter von Ralph Siegel<br />

suchten. Ja, ganz genau, einen Pseudo-Stecher für die hohle Nuß, Julia<br />

oder Giulia Siegel, Giulia in Love, was weiß ich. Ein entsprechendes<br />

Klapsmühlen-Casting wurde das dann auch. Kein normaler Mann will<br />

so eine freiwillig, jetzt echt nicht. Normale Männer hängen sich bei so<br />

einer Krähe ein Kreuz um und schmieren sich mit Knoblauch ein. Und<br />

sperren die Olle bei Vollmond in die Besenkammer oder wieder ab in<br />

Dschungel. Aber sowas?! Für normale Menschen nicht<br />

nachzuvollziehen. Oder hier, auch sehr geil: Auf VOX werden Friseure<br />

gecastet. Friseure! Phantastisch. Was kommt als nächstes? Besoffenen-<br />

Casting? Wer die höchste Promillezahl erreicht und nicht stirbt,<br />

bekommt einen Job als Lagerist bei Bacardi in Hamburg. Wäre nicht<br />

schlecht. Oder Junkie-Casting? Wer den fettesten Kopf rauchen kann,<br />

kriegt eine Praktikantenstelle beim Zoll in Holland. Auch ganz gut.<br />

Wobei mittlerweile völlig egal ist, was gecastet wird. Hauptsache, es<br />

wird überhaupt gecastet.<br />

173


Oder hier, Mission Hollywood, war auch toll: Til Schweiger hat<br />

irgendeine Hupfdohle gesucht, die dann der nächste große Star in<br />

Hollywood werden sollte. Aber natürlich, was denn sonst?! Denn wenn<br />

irgendwo Filmstars produziert werden, dann ja wohl hier in<br />

Deutschland. In einer deutschen Castingshow, na klar, wo denn wohl<br />

sonst?! Man denke da nur an Al Pacino, Jack Nicholson, Robert<br />

DeNiro, Tom Hanks. Oder bei den Damen. An Julia Roberts, Michelle<br />

Pfeiffer, Cameron Diaz und wie sie nicht alle heißen. Sie alle haben<br />

eines gemeinsam: Ohne Teilnahme an irgendeiner banal-beschissenen<br />

Castingshow wären sie heute alle nicht da, wo sie sind. Stößchen!<br />

Noch irgendjemand ungecastet hier? Was? Gibt`s doch nicht. Kein<br />

passendes Casting-Format gefunden? Das kann ja wohl nicht wahr<br />

sein?! Kannst nicht singen, tanzen, frisieren, rülpsen, furzen? Na dann<br />

kreieren wir ein neues Format! Deutschland sucht Germany`s next<br />

fieseste Hackfresse mit den schlechtesten Zähnen oder sowas. Ach nee,<br />

Shit, gab es ja schon. Hieß Extrem schön! Mein neues Leben oder so<br />

ähnlich und lief -na klar- auf RTL2. Selbstverständlich auf RTL2. Denn<br />

nur deren Zielpublikum kann man glaubhaft suggerieren, daß man mit<br />

ein paar Fettabsaugungen, Nasen-OPs, Plastik-Fingernägeln und<br />

mehreren Pfund Make-up einen Glöckner von Notre-Dame in eine<br />

Jennifer Lopez verwandeln kann. Geht alles, alles machbar, alles<br />

möglich. Insbesondere bei RTL2, bei denen geht einiges.<br />

Und solange irgendwo irgendeine Scheiß-Jury zusammengewürfelt<br />

werden kann, die sich impertinent-obergeil wichtig findet, während sie<br />

die banalste Scheiße auf der ganzen Welt zusammensülzt, wird der<br />

Wahnsinn eh nicht enden. Nicht enden können. Also was soll`s?! Ist<br />

vielleicht sogar ganz gut so. Der Wahnsinn darf nämlich gar nicht<br />

enden. Viele C- bis F-Promis wären sonst nämlich schlagartig<br />

arbeitslos, weil sie in keiner Jury mehr sitzen könnten. Auweia.<br />

Millionen Teenies müßten mit dem Saufen anfangen oder sogar mal ein<br />

Buch lesen. Undenkbar. Und Kate Hall hätte sich nicht vom dicken<br />

Detlef schwängern lassen müssen, damit sie bei Popstars ihr selten<br />

dummes Maul aufmachen darf. Ich leg` mich ab. Also bitte alle<br />

weitermachen wie bisher, Ihr seid total geil, ich liebe Euch alle. Wenn<br />

ich groß bin, will ich auch mal Jury werden, abfeier. Stößchen.<br />

174


Insoweit bin ich eigentlich nur ein bißchen neidisch. Weil ich noch nicht<br />

groß genug bin, um in einer Jury zu sitzen. Bin ich ein bißchen neidisch.<br />

Und auch, weil ich selbst noch nie gecastet wurde. Dabei würde ich so<br />

gern mal. Echt jetzt. Nur habe ich noch kein zu meiner Persönlichkeit<br />

passendes Casting-Format gefunden. Nichts gefunden bisher. Schade<br />

eigentlich. Aber es muß doch irgendein possierliches, kleines Kuschel-<br />

Format geben, das für mich und meine Fähigkeiten geeignet wäre. Ich<br />

möchte doch nur nicht länger ungecastet nur so vor mich hinleben. Hat<br />

denn keiner was für mich im Programm?! Hah?!<br />

Das Besoffenen-Casting habe ich ja schon probiert. Aber da war für<br />

mich nichts zu holen. Absolut nichts. Da bin ich nicht einmal in die<br />

Vorrunde gekommen, zum Heulen. Bei 2,2 Promille war bei mir<br />

nämlich Licht aus, Schicht im Schacht. Nicht den Hauch einer Chance<br />

gegen die ganzen krassen 12- bis 15-jährigen mit ihren gepimpten<br />

Hochleistungs-Lebern. Ab 3,0 Promille wäre man da erst in die<br />

Vorrunde gekommen, und das schaffe ich nicht. Da kann ich nicht mehr<br />

mithalten. Und dann muß man eben auch mal so fair und ehrlich zu sich<br />

selbst sein und aufstecken. Und den Kids einfach nur Tribut zollen für<br />

ihre Ausnahme-Leistungen. Hut ab! Stößchen.<br />

War also nichts mit dem Besoffenen-Casting. Schade. Ansonsten habe<br />

ich nichts weiter gefunden. Bin kein Friseur, kein Praktikant, auch kein<br />

Klepto- oder Pyromane. Kann nicht singen, nicht kellnern, nicht im Takt<br />

rülpsen oder furzen. Und für das Model-Business bin ich leider zu alt,<br />

sehr schade, wäre sonst was geworden. Bin leider auch kein<br />

unterbelichteter, psychisch-physisch leicht bis mittelschwer<br />

benachteiligter Teenager, sonst hätte ich mich bei U20 Deutschland ihm<br />

seine Teenies bewerben können. Also auch nicht. Aber was kann ich<br />

denn noch tun, was soll ich denn bloß machen?! Man müßte ein Format<br />

erfinden, an welchem ich dann auch mit guten Chancen auf einen<br />

Finalplatz teilnehmen könnte. Da würde ich mich so drüber freuen.<br />

Einmal Finale, ein Traum! Hurra! Vielleicht Deutschland sucht<br />

Germany`s next krassesten Typen. Das wäre doch mal was. Da würden<br />

dann solche Typen gecastet, die die krassesten, tollkühnsten,<br />

waghalsigsten und abenteuerlichsten Aktionen bringen. Och ja, das<br />

wäre was, das könnte ich mir vorstellen. Und da fallen mir spontan auch<br />

schon zwei, drei Aktionen ein, die ich bringen könnte.<br />

175


Allen voran das Fliegende Fahrrad. Ach ja, das gute alte Fliegende<br />

Fahrrad, das Flying Bike. Das hat bisher noch jeden vom Hocker<br />

gerissen, das ist zweifelsohne ein Garant für gute Laune. Und noch dazu<br />

kinderleicht durchzuführen. Grundlage ist -wie könnte es anders sein-<br />

Alkohol. Man tankt also zunächst auf ein submaximales Level auf, je<br />

nach Verfassung. Das ist extrem wichtig, ja geradezu elementar. Weil<br />

man ansonsten nämlich den Mut für die nun folgende Verfahrensweise<br />

nur schwer oder gar nicht aufbringen kann. Mit Alk zieht man es<br />

einfach konsequenter durch, wie so oft im Leben. Als nächstes nimmt<br />

man einen gewöhnlichen, handelsüblichen LSD-Trip (Miraculix 200<br />

oder vergleichbar) und halbiert diesen. Die eine Hälfte schluckt man<br />

sofort, die andere Hälfte halbiert man abermals und erhält somit zwei<br />

Viertel. Davon dann das ein Viertel ins rechte Auge, das andere ins<br />

linke Auge, Kontaktlinsen-Träger sind hierbei klar im Vorteil. Tja, und<br />

dann ab. Los. Ganz schnell los. Auf, auf und davon. Rauf auf`s Fahrrad,<br />

und im Eiltempo zum nächstgelegenen Autobahn-Zubringer geradelt.<br />

Wie der Wind. Denn bevor der LSD-Trip klingelt, sollten wir da sein.<br />

Weil wir ansonsten mit hoher Wahrscheinlichkeit nie dort ankommen<br />

werden. Idealerweise fängt es gerade genau dann an zu knistern, wenn<br />

wir am Zubringer angekommen sind.<br />

Der Rest ist eigentlich Formsache. Rauf mit dem Fahrrad auf die Bahn.<br />

Ja, ganz richtig, auf die Autobahn. Nicht Standstreifen oder so, sondern<br />

Mittelspur. Mal eben so richtig schön Mittelspur! Ach ja, und natürlich<br />

entgegen der Fahrtrichtung, sollte auch klar sein. Denn das macht<br />

Laune, insbesondere nachts. Schön nachts mittig die A7 Hannover<br />

Richtung Kassel runter. Das kommt gut. Immer schön radeln. Oder<br />

vielmehr gleiten. Fliegen. LSD macht`s möglich. Das Fliegende Fahrrad<br />

eben. Simpel und effektiv. Ein Publikumsmagnet, wie er im Buche<br />

steht. Im Strafgesetzbuch. Egal. Erfahrene Akteure können das<br />

Fliegende Fahrrad beliebig erweitern bzw. verfeinern. Insbesondere<br />

durch ein extravagantes Outfit. Eine grobe Schweißer-Brille sollte stets<br />

dabei sein. Sie bereichert das gesamte Outfit und wird durch die nach<br />

kurzer Zeit eintretende, schier unendliche LSD-Farbenvielfalt sowieso<br />

vonnöten sein. Ein sehr sinnvolles Gadget also. Grubenhelm mit<br />

Laterne kommt auch immer gut. Hat man gleich die Fahrbahn<br />

ausgeleuchtet, falls man nachts unterwegs ist. Biker Boots, Latex-<br />

Shorts, Pelzmantel und Lunten-Muskete erledigen den Rest.<br />

176


Ist das mal ein geiler Auftritt?! Ein geiler Auftritt, geiler Auftritt. Ein<br />

endgeiler Auftritt, zweifelsohne. Revolutionär. Das würde nicht nur<br />

Aso-TV und Opfer-TV revolutionieren, das wäre die Revolution<br />

schlechthin. Die Revolution des Verstandes. Also machen, machen,<br />

machen. Bietet Ihr mir ein erfolgsversprechendes Casting-Format an,<br />

dann mache ich Euch das Fliegende Fahrrad. Live und exklusiv! Und<br />

unzensiert, ganz klar. Wäre nicht das erste Mal. Darauf mein Wort.<br />

Leider wird es dazu so schnell nicht kommen. Vater Nachwächter<br />

würde vehement protestieren und unsere Casting-Aktion untersagen.<br />

Unser Fahrrad sicherstellen. Uns in Beugehaft nehmen. Alles tun, um<br />

unseren Casting-Erfolg zu verhindern. Den Traum vom großen Finale<br />

platzen zu lassen. Drauf geschissen. Das Publikum wäre eh noch nicht<br />

bereit für solch ein epochales Casting gewesen. Das würde nämlich glatt<br />

die Grenzen ihres kleinen Supermodel-Pornostar-Horizontes sprengen.<br />

Also legen wir den ganzen Mist zunächst einmal auf Eis. Zunächst.<br />

Denn das große Honk-Casting wird kommen, das ist so sicher wie das<br />

Amen in der Kirche. Es ist nur eine Frage der Zeit. Aber es wird<br />

kommen, kommen müssen. Und ich bin dabei!<br />

Okay, belassen wir es dabei. Soll erstmal reichen. Natürlich können wir<br />

nicht die ganze schwachsinnige Thematik erschöpfend erörtern. Geht<br />

nicht, damit könnte man ganze Bibliotheken füllen. Nichts ist<br />

unendlicher als die menschliche Dummheit. Und damit wären wir auch<br />

wieder beim Thema: Nachbarschaftskrieg. Oder die brennende Frage,<br />

ob einige hirnverbrannte Leute zuviel Langeweile haben.<br />

Ohne es allzu pompös ausschmücken zu wollen: Der Sachverhalt ist<br />

meist ähnlich banal wie einfältig. Ein paar überhängende Äste, ein<br />

stinkender Holzofen, ein Grill, ein kläffender Köter, irgendwelche<br />

Wege- oder Grenzrechte, was auch immer. Belangloser Scheißdreck<br />

eben. Aber nicht für die Nachbarn. Die kämpfen, als stände der Tag des<br />

Jüngsten Gerichts bevor. Die füllen Aktenordner voll mit<br />

Beweismitteln, dokumentieren dummes Zeug per Camcorder, klagen<br />

sich von einer Instanz in die nächste. Komplett schizophren. Das geht<br />

nur, wenn man zuviel Langeweile hat. Daher sind es oft Rentner oder<br />

Frührentner, die da aneinander geraten. Ist keine Diskriminierung, ist<br />

Fakt. Kann jeder beim Statistischen Bundesamt nachlesen.<br />

177


Angeheizt durch diverse talentfreie, drittklassige Anwälte mit<br />

mangelndem Auftragseingang, wird auf Teufel komm heraus geklagt,<br />

was zu klagen geht. Zack! Wenn man schon die blöden 150 Euro<br />

Selbstbeteiligung für die Rechtsschutzversicherung löhnen muß, dann<br />

will man auch was davon haben, ganz klar. Aber warum? Warum nur?<br />

Wozu der ganze Aufwand, der ganze Ärger? Das ganze Theater?<br />

Warum nur? Keine Frage, neben Langeweile und Einfältigkeit gibt es<br />

einen weiteren, höchst ausschlaggebenden Grund:<br />

Dein ganzes Leben ist so beschissen fremdbestimmt, daß Du Dir nicht<br />

auch noch in Deinen eigenen vier Wänden oder gar im eigenen Haus<br />

und Garten Vorschriften machen läßt. Denn hier bist Du der Boss! Und<br />

sonst niemand. Schon gar nicht der Arsch von nebenan. Unter gar<br />

keinen Umständen. Verschleppte Gefühle wie Zorn, Mißgunst, Haß,<br />

Neid und dergleichen werden auf den Nachbarn projiziert. Weil man sie<br />

dort, wo sie entstehen (z. B. auf der Arbeit) aus Angst vor negativen<br />

Konsequenzen nicht aussprechen oder gar verarbeiten kann. So einfach<br />

ist das. Ganz einfache Kiste, alles kein Hexenwerk. Deswegen der<br />

Scheiß-Nachbar. Was will der mir denn schon können? Der kann mir<br />

gar nichts! Der kann mich mal voll am Arsch lecken. Dem bin ich klar<br />

überlegen. Haushoch. Und der ist so unverfroren, sich dieses oder jenes<br />

zu wagen. Ungeheuerlich! Der kann sich auf was gefaßt machen. Der<br />

kriegt nun den kompletten aufgestauten Haß zu spüren. Wegen<br />

irgendeiner banalen Kacke. Völlig egal. Voll drauf.<br />

Zack! Und wenn dann auf der Gegenseite noch ein ähnlich gestrickter<br />

Wirrkopf sitzt, haben Gerichte und Anwälte neue Lebensaufgaben.<br />

Dann geht die Post richtig ab, mein lieber Mann. Dann kommen die<br />

Jungs mal so richtig aus sich raus. Kampf! Haß! Krieg! Irgendeiner muß<br />

denen mal sagen, daß ambulante oder stationäre Psychotherapie<br />

erheblich sinnvoller wäre als Kleinkrieg im Gerichtssaal. Oder auch<br />

nicht. Nützt eh nichts. Psychotherapien sind derzeit noch ausgebuchter<br />

als Gerichtssäle, Tendenz steigend. Kein Wunder, wenn man bedenkt,<br />

daß in unserer Gesellschaft heute mittlerweile gut acht von zehn Leuten<br />

einen mehr oder weniger exorbitanten Sprung in der Schüssel haben.<br />

Dann sind das keine so rosigen Aussichten. Bis unsere beiden<br />

Streithähne dann einen Therapieplatz in Anspruch nehmen können,<br />

haben sie sich längst gegenseitig irgendwas angetan.<br />

178


Ja phantastisch, denn genau das ist die Lösung: Sich gegenseitig etwas<br />

antun! So läuft das im Honkland ab. Im Honkland gibt es die oben<br />

aufgezählten Albernheiten nicht. Zeit- und Energieverschwendung.<br />

Kaspertheater. Dummschwätzerei. Nein, im Honkland wird ein<br />

klassischer Nachbarschaftsstreit ebenso klassisch geschlichtet: Bevor es<br />

zu einer Eskalation kommen kann, werden die Streitigkeiten in einem<br />

fairen Faustkampf beigelegt. In einem fairen Faustkampf! Der Sieger<br />

des Kampfes darf dann zusammen mit einem Schlichter über die weitere<br />

Vorgehensweise bestimmen. Konkret bedeutet das: Wenn mein Nachbar<br />

Probleme damit hat, daß Äste von meinem Grundstück seiner Meinung<br />

nach zu weit in seinen Garten hängen, dann muß er mir das mitteilen.<br />

Diese Mitteilung ist noch nicht als Offerte, sondern vielmehr als<br />

Invitatio ad offerendum zu verstehen.<br />

Im Klartext: Mein Nachbar lädt mich nun quasi via Invitatio ad<br />

offerendum ein, zu dem reklamierten Sachverhalt eine Stellungnahme<br />

abzugeben oder ihm stattdessen die Offerte zum Faustkampf zu<br />

unterbreiten. Eines von beiden. Ich bin nun also am Zug und kann mich<br />

entweder dazu äußern oder stillschweigend die Scheiß-Äste absägen.<br />

Oder aber ihm den Faustkampf anbieten. Geht auch. Meist läuft es bei<br />

mir dann auch auf zuletzt genannte Alternative hinaus. Eigentlich<br />

immer. Und das ist auch gut so, das klärt grundlegend.<br />

Es ist nun nicht so, daß die Offerte zum Faustkampf explizit artikuliert<br />

werden muß. Ich muß also nicht zwingend notwendig zu meinem<br />

Nachbarn gehen und ihn darüber unterrichten, daß von meiner Seite aus<br />

jetzt Fightclub angesagt ist. Denn oftmals ist in diesem kritischen<br />

Stadium die Kommunikationsebene bereits leicht bis mittelschwer<br />

gestört. Nein, verbales Artikulieren muß nicht zwangsläufig sein.<br />

Vielmehr kann ich meine Offerte zum Faustkampf auch durch<br />

konkludentes Handeln an ihn herantragen. Möglichkeiten hierfür gibt es<br />

viele. Beispielsweise kann ich ein großes Plakat mit der Aufschrift<br />

Komm` rüber, Du Sau, jetzt geht`s scharf!<br />

aus meinem Fenster in Richtung seines Hauses hängen. Das ist meist<br />

der ehrlichste und direkteste Weg. Unmißverständlich. Da bleiben keine<br />

Fragen mehr offen, soviel steht mal fest.<br />

179


Direkt wäre beispielsweise auch noch der sagenumwobene Fehden-<br />

Handschuh. Einfach rübergehen und klatsch. Eine geklatscht mit<br />

irgendeinem Handschuh oder Klatsch-Gadget, zack, und er weiß auch<br />

Bescheid. Kann man auch machen, geht auch. Es geht aber auch über<br />

diverse Umwege. Beispielsweise kann man auch immer etwas aus<br />

Nachbars Vorgarten anzünden. Paar Gartenzwerge mit Benzin versehen,<br />

einziehen lassen, Streichholz drauf, fertig. Auch ganz klare Offerte, sehr<br />

symbolträchtig. Oder einen Strauch, ordentlich Benzin drüber,<br />

einsickern lassen, dann brennt der auch ganz gut.<br />

Unsere eigene Belustigung darf beim Antragen unserer Offerte also<br />

keinesfalls zu kurz kommen. Ziemlich witzig ist auch immer der<br />

Stumme Hund: Einfach ein Mars oder Snickers mit Sekundenkleber<br />

befüllen und zu Nachbars Fifi in den Garten rüberwerfen. Ist auch ganz<br />

lustig. Und insbesondere dann angebracht, wenn das so ein mieser,<br />

kleiner Dreckskläffer ist. Dann wissen beide, Nachbar und Kläffer, daß<br />

wir zu allem entschlossen sind und notfalls auch bis zum Äußersten<br />

gehen. Denn normalerweise würden wir den Stummen Hund sonst<br />

niemals bringen: Als Honk sind wir nämlich sehr tierlieb.<br />

Nun ist unser Nachbar am Zug. Er kann frei entscheiden, ob er unsere<br />

Offerte annimmt oder lieber ablehnt. Lehnt er ab, erlischt sein<br />

zugrundeliegendes Begehr ex tunc. Soll heißen, meine Äste bleiben, wo<br />

sie sind, und wir stehen so, als hätte mein Nachbar niemals etwas<br />

reklamiert. Eine runde, harmonische Lösung. Nimmt er an, kommt es<br />

zum Kampf. Wobei die Annahme ebenfalls nicht explizit verbal<br />

artikuliert werden muß, sondern auch konkludent ausgedrückt werden<br />

kann. Beispielsweise mit einem Gegen-Plakat. Soll heißen, mein<br />

Nachbar hängt nun ebenfalls ein Plakat mit der Aufschrift<br />

Das sollst Du mir büßen, Du selten dummes Schwein!<br />

aus seinem Fenster in Richtung meines Hauses. So oder ähnlich. Ist<br />

auch völlig unmißverständlich. Und abermals sehr ehrlich und direkt.<br />

Vor solch einem Nachbarn kann man dann nur den Hut ziehen, denn er<br />

hat Mut. Und Mut und Entschlossenheit sind Tugenden, die der Honk<br />

befürwortet. Sie stehen im Honkland ganz oben auf der Liste.<br />

180


Es kommt nun also zum Unvermeidlichen, es kommt zum alles<br />

entscheidenden Faustkampf. So soll es also sein. Austragungsort ist<br />

einer der beiden Gärten, Ringrichter kann ein außenstehender,<br />

unparteiischer Nachbar sein. Dieser ist zugleich auch Schlichter. Und<br />

das ist er auch sehr gern, und das ist auch gut so. Denn auch er freut sich<br />

schon darauf, daß der unnötige Streit gleich beigelegt ist und natürlich<br />

auch auf den anstehenden Boxkampf. Je nach Lust und Laune kann der<br />

Kampf auch publik gemacht werden und für die Öffentlichkeit frei<br />

zugänglich. Also mit Publikum und Fans und so. Ein regelrechtes Event<br />

kann man daraus machen. Allerdings nur, wenn beide Kontrahenten<br />

zustimmen, das muß klar sein.<br />

Das Spektakel an sich ist dann meist ziemlich schnell vorbei. Nach ein<br />

bißchen Tänzelei, ein paar Kraftausdrücken und zwei, drei Schlägen in<br />

die Fresse bricht einer der Kontrahenten den Kampf meist vorzeitig ab<br />

und gibt auf. Denn die Schmerzen im Gesicht verdeutlichen einem meist<br />

ziemlich abrupt, wie absurd die ganze Streit-Thematik dann doch ist.<br />

Wegen ein paar bescheuerter Äste poliert man sich jetzt gegenseitig die<br />

Fresse. Fast wäre man sogar vor Gericht gezogen, heiliger Bimbam.<br />

Diese Erkenntnis kommt dann meist sehr plötzlich und breitet sich -<br />

zusammen mit dem ausströmenden Adrenalin- angenehm erquickend<br />

und einsichtig im ganzen Körper aus.<br />

Versteht sich von selbst, daß die ganze Geschichte dann mit einer<br />

herzlichen Umarmung, einem gemeinsamen Bier und einem für beide<br />

Seiten akzeptablen Kompromiß, für den es nicht einmal mehr den<br />

schwulen Schlichter braucht, ein befriedigendes Ende findet. Und so<br />

soll es auch sein. So muß es sein! Honk-Anarchie zum eigenen Wohl<br />

und zum Wohle der Nachbarschaft. Halleluja! Das absolute Non-plusultra<br />

der modernen Konfliktbewältigung. Besser geht nicht. Da können<br />

einem die Schnarchnasen schon Leid tun, die jahrelang Zeit, Geld und<br />

Nerven verschwenden, indem sie die Kacke juristisch regeln wollen.<br />

Und hinterher dann trotzdem unerfüllt und unbefriedigt sind, obwohl sie<br />

vor Gericht gewonnen haben. Tja, große Scheiße, was?! Dumm<br />

gelaufen. Aber die Pfeifen, die das so durchziehen, sehen das natürlich<br />

ganz anders. Die machen sich da so eine Art Hobby und Lifestyle draus.<br />

Ein teures Hobby, sehr teuer, eigentlich das denkbar teuerste Hobby.<br />

Denn es verschwendet das Leben. Ganz, ganz übel.<br />

181


Honk-Anarchie dagegen ist Leben pur. Immer dann, wenn zwei<br />

Individuen sich einig und auch bereit sind, einen Konflikt lieber<br />

außerhalb des gesetzlichen Rahmens klären zu wollen, sollten sie das<br />

auch unbedingt tun. Ist sehr empfehlenswert. Und damit meine ich nicht<br />

Lichthupe oder ähnlichen Dreck. Also wenn ich in der 100-Zone einen<br />

anderen mit 220 überhole, und der dann meint, mich mit Lichthupen<br />

maßregeln zu müssen. Das ist Bullshit. Spätestens dann, wenn ich an<br />

der nächsten roten Ampel aussteige, zu seinem Wagen gehe und ihn<br />

frage, was das denn sollte, pißt er voll in die Hose. Voll rein. In 99%<br />

aller Fälle. Nein, sowas ist keine Honk-Anarchie. Das ist traurige<br />

Dummheit im vermeintlichen, anonymen Schutzschild eines<br />

Kraftfahrzeuges. Das kann ganz schnell böse nach hinten losgehen. Und<br />

das wollen wir ja nicht. Also bitte kein Lichthupen. Lichthupen ist<br />

unkontrolliertes Freilassen plumper Emotionen und kann beim<br />

Empfänger Unverständnis auslösen, welches schlimmstenfalls mit<br />

weiteren Emotionen und sogar Aggressionen einhergehen kann. Und an<br />

der roten Ampel, wenn der Schutzschild des Autos nicht mehr wirkt,<br />

geht es dem Lichthuper dann noch schlechter. Psychisch, klar, denn er<br />

hat jetzt Angst. Und mit viel Pech auch physisch, weil wir ihm durch<br />

das Seitenfenster in die Fresse hauen. Und das möchten wir doch<br />

eigentlich nicht. Wir möchten als eigenständige Individuen möglichst<br />

gewaltfrei zusammenleben. Wenn Honk-Anarchie, dann richtig. Dann<br />

nur mit Mut und Entschlossenheit, nicht mit Lichthupe.<br />

So werden Nachbarschaftskämpfe geklärt. Nicht anders. Fightclub. Der<br />

anarchistische Beitrag des Honk zur Erhaltung bestmöglicher<br />

Nachbarschaft. Und bestmögliche Nachbarschaft verpflichtet! Ganz<br />

uneigennützig. Beispielsweise, wenn Nachbar im Urlaub ist. Dann muß<br />

man als Honk schön Nachbars Blümchen gießen, und das tut man auch<br />

sehr gern. Oder den Briefkasten leeren, wenn er voll ist. Auch kein<br />

Thema. Oder wenn man nachts Taschenlampen in Nachbars Haus<br />

leuchten sieht, obwohl Nachbar selbst eigentlich zwei Wochen auf<br />

Teneriffa ist. Dann klärt man als bestmöglicher Nachbarschafts-Honk<br />

auch diese Situation im nachbarlichen Haus. Und zwar nicht anders, als<br />

man die Situation im eigenen Haus klären würde: Man ruft die regionale<br />

Polizei an! Okay, kleines Späßchen. Keinesfalls. Bis die aus dem Mc-<br />

Drive draußen sind und Blaulicht an haben, wird Nachbars schöner<br />

106er Plasma auf dem polnischen Flohmarkt verhökert.<br />

182


Nein, natürlich rufen wir nicht die Polizei. Auf keinsten Fall. Das tun<br />

wir nie, nie wieder. Weil es kein Sinn macht, nichts nützt, wie wir ja<br />

bereits ausgiebig erörtert haben. Nein, wir sehen uns nun gezwungen, in<br />

bester Honk-Manier eigenständig anarchistisch selbst aktiv zu werden.<br />

Ein ganz klarer Fall. Glasklar, klarer geht nicht. Also schön mit unserem<br />

AK-47-Gasdrucklader zum Nachbarhaus rübergehen und der nun für<br />

alle Beteiligten dann doch ziemlich unangenehm gewordenen Situation<br />

schnellstmöglich Herr werden.<br />

Selbstverständlich dürfte sich die Gesamtsituation dann innerhalb<br />

kürzester Zeit deutlich entspannen, was größtenteils Verdienst des<br />

imposanten Erscheinungsbildes unseres AK-47-Gasdruckladers sein<br />

dürfte. Nichts klärt Besitz- und Eigentumsverhältnisse besser als ein<br />

gutes, altes AK-47. Versteht sich von selbst, daß man die Jungens, die<br />

sich dort im Nachbarhaus unbefugten Zutritt verschafft haben, nach<br />

einer strengen Ermahnung wieder laufen lassen muß. Natürlich erst,<br />

nachdem sie den Schaden, den sie angerichtet haben, mal eben noch<br />

schnell in bar bezahlt haben. Die Schadenshöhe liegt im Ermessen des<br />

Honk und wird grob geschätzt. Eher aber zu viel als zu wenig.<br />

Tja, und das war`s dann auch schon. Zack, ab dafür. Die kommen nie<br />

wieder. Niemals. Das hat abgeschreckt. Ganz krass. Die kommen nicht<br />

einmal mehr in dasselbe Bundesland, so viel ist sicher. Ein<br />

generalpräventiver Beitrag unseres Honk zu einer sicheren und<br />

friedlichen Nachbarschaft. Und den Spitzbuben wird es auch eine Lehre<br />

gewesen sein. Alternative Handlungsweisen haben wir leider nicht.<br />

Oder Gott sei Dank nicht. Denn hätten wir die Grün-Weißen gerufen,<br />

wäre die ganze Situation komplett aus dem Ruder gelaufen. Eskaliert.<br />

Die hätten uns wahrscheinlich noch verhaftet, unbefugter Waffenbesitz<br />

oder so ein Quatsch. Und die kleinen Ganoven hätten sie laufen lassen.<br />

Alles möglich, alles denkbar. Falls unsere Grün-Weißen denn überhaupt<br />

rausgekommen wären. Denn immerhin hätten sie ja nur unser schönes<br />

AK-47 sicherstellen können, nicht aber unseren Führerschein.<br />

Ich glaube, die wären gar nicht rausgekommen...<br />

183


Nimm einen kleinen Schuß Anarchie. Bring` die althergebrachte<br />

Ordnung aus dem Gleichgewicht. Und was entsteht? Chaos! Ich bin das<br />

Chaos. Und weißt Du, was Chaos eigentlich ist?! Es ist fair.<br />

cc) Ergebnis<br />

184<br />

(The Joker)<br />

Somit haben wir unseren Honk als eine Art partiellen Anarchisten<br />

charakterisiert. Partiell deshalb, weil unser Honk kein reiner Anarchist<br />

oder gar ein krimineller Chaot ist. Sein Leben ist nicht durch eine<br />

anarchistische, politische Grundhaltung geprägt, sondern vielmehr<br />

durch selektive Verhaltens- und Handlungsmuster, welche vereinzelt<br />

anarchistischen Charakter aufweisen können.<br />

Grundsätzlich lebt der Honk gewaltfrei und hält sich an Gesetz und<br />

Rechtsprechung. Parallel oder vielmehr konkurrierend dazu verfügt er<br />

allerdings über einen überdurchschnittlich hohen Anspruch an Moral<br />

und Ethik, gegenüber sich selbst und gegenüber anderen. Das kann<br />

schlimmstenfalls dazu führen, daß sich unser Honk mit einer Situation<br />

konfrontiert sieht, in der er zwar gern gewaltfrei und gesetzestreu<br />

reagieren möchte, es aber aufgrund seiner hohen ethisch-moralischen<br />

Grundsätze und Wertvorstellungen nicht kann.<br />

Gesetzmäßiges Handeln kann demnach im Zweifelsfall nur dann in<br />

Betracht gezogen und als ausreichend erachtet werden, wenn es dem<br />

zugegebenermaßen recht hohen Ethik- und Moralkodex des Honk<br />

genügt. Dann -und nur dann- kann gesetzmäßig gehandelt werden.<br />

Genügen die gesetzlichen Regularien dem Kodex des Honk nicht oder<br />

nur in unzureichendem Ausmaß, muß er eigennützig oder uneigennützig<br />

anarchistisch aktiv werden. Also zum eigenen Wohl oder zum Wohle<br />

der Allgemeinheit. Dies wurde dann auch anhand diverser Praxis-<br />

Beispiele veranschaulicht:


Wir hatten Gewalt gegen Schwächere, die der Honk nicht tolerieren<br />

kann. Wir hatten Gewalt gegen Tiere, gegen Tiere aller Art, die vom<br />

Honk sehr scharf verurteilt und sanktioniert wird. Und wir hatten<br />

Karlsson vom Dach. Karlsson vom Dach mit der extra großen Fresse,<br />

bettelnd um ein Gummi-Geschoß in dieselbe. Leider hat ihm keiner<br />

diesen Wunsch erfüllen können, da ganz offensichtlich kein Honk<br />

anwesend war unter den versammelten Flachzangen. Das alles waren<br />

Fälle uneigennütziger Honk-Anarchie, also Honk-Anarchie zum Wohle<br />

der Allgemeinheit. Daß diverse Asi-Medien ihren Teil zu den<br />

beschriebenen Mißständen beitragen, mußten wir dann leider auch<br />

feststellen. Naja, und fatalerweise auch noch, daß die größte Scheiße in<br />

unseren eigenen Köpfen gammelt. Das war die Krönung.<br />

Ferner konnten wir eigennützige Honk-Anarchie analysieren, also<br />

Honk-Anarchie zum Wohle des Honk. Wir konnten eruieren, daß das<br />

gar nicht so anrüchig ist, wie manch einer denkt. Wir hatten in diesem<br />

Zusammenhang die gestohlene Brieftasche und die Grün-Weißen im<br />

McDrive. Phantastisch. Wir hatten den krassen Heizöl-190er und die<br />

jaulenden Fremdopfer. Auch nicht übel. Und endlich hatten wir<br />

Faustkampf und Gasdrucklader in der Nachbarschaft. Rock`n`Roll,<br />

Baby! Allesamt also Fälle, in denen uns Nachtwächter Staat im Stich<br />

ließ und wir deshalb eigennützig anarchistisch aktiv werden mußten.<br />

Weil wir sonst echt voll am Arsch gewesen wären.<br />

Im Gesamtkontext können wir spätestens jetzt feststellen, daß wir<br />

mittlerweile ganz offensichtlich an einem Sicherstellungs-Trauma<br />

leiden. Dieses sollte schnellstmöglich irgendwie therapiert werden. Am<br />

besten mal zum Verkehrs-Psychologen. Oder ab nach Flensburg,<br />

abfeier. Auch mußten wir feststellen, daß Aso- und Opfer-TV beinahe<br />

stündlich schwachsinniger bzw. deren Formate progressiv steigend<br />

immer beschissener werden. Was ein Wunder, wer hätte damit<br />

gerechnet?! In diesem Kontext fiel uns auch auf, daß es leider noch kein<br />

adäquates und angemessenes Casting-Format gibt, welches dem<br />

Facetten-Reichtum der schillernd anmutenden Persönlichkeit des Honk<br />

gerecht wird. Unverschämt! Man ignoriert uns.<br />

185


Ignorieren ist noch keine Toleranz.<br />

b) Der Honk als Ignorant<br />

186<br />

(Theodor Fontane)<br />

Man ignoriert uns also. Noch. Noch ignoriert man uns. Egal. Denn das<br />

können wir auch. Ignorieren. Das können wir auch, das können wir<br />

sogar besser. Auch wenn es der ein oder andere nach Lektüre der<br />

vergangenen Seiten nicht mehr für möglich halten kann. Und das völlig<br />

zu Recht. Schließlich wurden einige der bizarrsten, obskursten und<br />

verwegensten Thematiken seitens eines Honk kommentiert, analysiert<br />

und vereinzelt sogar interpretiert. Ja, genau, interpretiert. Wir hatten<br />

Vollidioten und Aso-TV, Blitzgeräte und Vollrausch, Sachbearbeiter<br />

und Mett-Igel, Topmodels und Flitzkacke, außer der Reihe gepimperte<br />

VIP-Döschen, Diesel versus Heizöl, Fightclub unter Nachbarn und<br />

vieles mehr. Und natürlich hatten wir ein ganzes Arsenal besonders<br />

abenteuerlicher Sicherstellungen, mein lieber Herr Gesangsverein. Mein<br />

lieber Scholli.<br />

Macht aber nichts, kann keiner was für. Alles gar nicht schlimm. Wir<br />

haben also diesen ganzen Blödsinn bis ins kleinste Detail durchgekaut.<br />

Teilweise wieder und wieder und wieder. Drängt sich geradezu eine<br />

Frage auf: Ist denn das, was wir die ganze Zeit veranstaltet haben, nicht<br />

das komplette Gegenteil von Ignoranz? Klare Antwort: Jein. In den<br />

Fällen, in denen der Honk anarchistisch aktiv werden mußte, deckt sich<br />

dieser Anarchie-Begriff immer mit dem der Ignoranz. Denn wenn ein<br />

Honk nach eigenem Moral- und Ethik-Kodex aktiv werden muß, wird<br />

infolgedessen oftmals eine Vorschrift oder ein Gesetz ignoriert.<br />

Insoweit besteht hier Deckungsgleichheit zwischen den beiden<br />

Begriffen. Kinder anschreien, Heizöl fahren, Nachbarn verprügeln,<br />

Schußwaffen präsentieren. Alles Vorgehensweisen, bei denen unser<br />

Honk das ein oder andere Gesetz ignorieren muß.


Was aber, wenn sich unser Honk sein überdimensional großes Maul<br />

über Grimassen-Heidi oder moderne Amazönchen in Reisebussen oder<br />

vergleichbaren Quatsch zerreißt?! Was soll dann dieses?! Warum tut er<br />

das bloß?! Das muß er doch nicht machen, das kann er doch lieber<br />

lassen. Das sollte er doch besser ignorieren, warum ignoriert er das denn<br />

nicht?! Ein äußerst gelungener Einwand, will man meinen. Eine sehr<br />

gute Frage, eine berechtigte Frage. Eine Fangfrage. Allerdings nicht für<br />

den Honk.<br />

Wie soll man denn bitte über etwas schreiben, das man ignoriert?! Also<br />

Ignorieren im Sinne von nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Im Sinne<br />

von nicht wissen wollen. Wenn sich ein Sachverhalt meiner Kenntnis<br />

entzieht, gewollt oder ungewollt, kann ich ja wohl kaum darüber<br />

schreiben. Das ist unmöglich, völlig unmöglich. Kurz: Es geht gar nicht.<br />

Daher mußten wir in unserem Rahmen hier gelegentliche Ausnahmen<br />

vom Prinzip der Ignoranz machen. Ausnahmen! Denn natürlich soll<br />

man Flitzkacke wie GNT, Popstars, Supermodels und Co. ansonsten<br />

ignorieren. Es ist nicht gut für das Gehirn. Es kommt doch nicht von<br />

ungefähr, daß ich mir so einen fiesen Pegel ansaufen muß, um diese<br />

Kacke analysieren zu können. Ist doch so.<br />

Im normalen Leben existiert dieser Quatsch gar nicht für mich.<br />

Komplett an mir vorbei. Zack. Vollständige Ignoranz. Nicht mehr, nicht<br />

weniger. Das ideale Mittel. Mißstände, die man nicht ändern kann oder<br />

will, sollte man ausnahmslos ignorieren. Nicht tolerieren oder<br />

akzeptieren oder sonstwas. Nein, einfach schlichtweg ignorieren.<br />

Funktioniert phantastisch. Wenn man etwas, das einem nicht paßt oder<br />

einem auf den Sack geht, ändern will und auch kann, dann nur zu. Dann<br />

gleich drauf. Nicht lange sabbeln, gleich verändern. Zack. Natürlich<br />

immer auch ein bißchen das Gesetz im Hinterkopf, allerdings nicht als<br />

der Weisheit letzter Schluß. Notfalls anarchistisch, wenn die Sache es<br />

erfordert. Ansonsten immer Ignoranz. Zumindest als Honk. Vollidioten<br />

und Vollopfer konsumieren, Honks ignorieren. Dazwischen liegt<br />

irgendwo unser armes Fremdopfer, welches mal konsumiert, mal<br />

ignoriert, vielleicht auch mal toleriert, aber immer mault und jault.<br />

187


Was ist die Antwort auf 99% aller Fragen? Geld!<br />

aa) Im Kapitalismus<br />

188<br />

(David Aames)<br />

Was für eine Woche! Donald Duck aus Entenhausen wird 75 Jahre alt,<br />

und unser Bobbele heiratet wieder. Glückwunsch, Stößchen. Zwei<br />

Symbole meiner Kindheit. Zwei Legenden, zwei Ikonen. Zwei ganz<br />

Große. Unglaublich. Ich freu` mich und feiere innerlich mit. Eine ganz<br />

tolle Sache. Hätte man doch eigentlich eine gemeinsame Party für die<br />

beiden veranstalten können, oder?! Denn irgendwie passen die beiden<br />

ganz gut zusammen. Beide schnattern wirres Kauderwelsch, haben mit<br />

Lilly und Daisy ihre Traumfrauen gefunden und sind untenrum meist<br />

nackt. Ja, genau, untenrum meist nackt. Pantsless, wie man in der<br />

Heimat von Onkel Donald sagt. Irgendwann schalte ich die Glotze an<br />

und sehe die beiden zusammen auf DSF pokern.<br />

Ach ja, unser guter Onkel Donald. Hat es wahrlich nicht immer leicht<br />

gehabt im Leben. Und dann auch noch seit 75 Jahren dieselben<br />

Klamotten. Matrosenhemd und Matrosenmütze. Sonst nichts, wie geil.<br />

Was für ein endgeiles Outfit, Respekt. Im realen Leben allerdings<br />

undenkbar, darüber sollten wir uns einig sein. Im realen Leben kommt<br />

man so bestenfalls in eine drittklassige Fetisch-Bar rein. Wenn<br />

überhaupt. Aber nicht in Entenhausen. In Entenhausen zieht der Look<br />

noch, nach wie vor. Nach all den Jahren, unglaublich. Man stelle sich<br />

nur mal den modernen Donald vor, mit Ed-Hardy-Shirt und so einer<br />

bescheuerten Schwebe-Kappe. Naja, halt so eine alberne Kappe, wie sie<br />

die 10- bis 16-jährigen Pampers-Checker alle tragen. Die kaum noch<br />

den Kopf berührt, nur so ganz leicht gerade noch touchiert. Also fast auf<br />

dem Schädel schwebt. Keine Ahnung, was das soll. Sieht auf jeden Fall<br />

mal Scheiße aus. Sieht mal so richtig schön Vollspasti aus. Und<br />

deswegen trägt unser Onkel Donald sowas auch nicht.


Und beim Stichwort Bobbele fällt mir spontan auch nur noch ein Wort<br />

ein: Weiber! Nicht Tennis oder Wimbledon oder sonstwas, nein,<br />

Weiber. Leck` mich einer am Arsch, da hat unser Bobbele aber auch<br />

nichts ausgelassen. Vielmehr nichts draußen gelassen. Gar nichts.<br />

Weiber, Weiber, Weiber. Unser Bobbele, unser Womanizer, unser<br />

Bums-Bums-Becker. Herrlich. Da können sich andere mal eine schöne<br />

Scheibe von abschneiden, mal echt jetzt. Advantage Becker, unser<br />

Grand-Slammer, unglaublich. Hut ab, Stößchen. Leute, was wäre das<br />

für eine geile Party geworden, unser Bobbele zusammen mit Onkel D.<br />

aus E.?! Das hätte alles bisher da gewesene in den Schatten gestellt.<br />

Idealer Gastgeber und Moderator solch einer Party wäre dann Oli<br />

Pocher gewesen. Na klar, unser Oli eben. Unser anderer Oli. Nicht<br />

Kahn, der National-Oli, sondern Pocher, der andere Oli. Der Vollidiot.<br />

Also aus dem Film. Der eine kehrt zurück zur Ex, der andere<br />

schwängert irgendeine von Bobbeles Ex. Glückwunsch Pocher, ganz<br />

großes Tennis, abfeier. Extrem gelungene Selbstparodie, wäre der<br />

Brüller auf unserer Party gewesen. Naja, egal. Wäre auch so bestimmt<br />

eine feucht-fröhliche Party geworden. Mit Bobbele als Garant für<br />

Feuchtigkeit, und Onkel Donald für den fröhlichen Teil. Ach ja, dieser<br />

verrückte Donald Duck! Dieser kleine, wütende Enterich. Läßt sich<br />

einfach nicht unterkriegen. In all den Jahren nicht. Respekt. Stößchen.<br />

Und was hat das jetzt alles mit dem ignoranten Honk im Kapitalismus<br />

zu tun? Vieles. Denn während einige hier wie beschrieben stets und<br />

ständig und voller Verzückung sich selbst bzw. ihre eigene Geilheit<br />

feiern, geht es der überwiegenden Mehrheit in unserer Gesellschaft<br />

tagtäglich immer beschissener. Die Fremdopfer-Quote erhöht sich<br />

zusehends, und den Absprung zum Honk trauen sich die meisten dann<br />

doch noch nicht zu. Und man kann es ihnen nicht übel nehmen. Denn in<br />

dieser Gesellschaft ist man ruckzuck voll am Arsch, wenn man das<br />

große Spielchen nicht mitspielt. Das Spiel der Spiele. Das Spielchen des<br />

Kapitalismus, das Spielchen um Geld und Macht und Macht und Geld<br />

und noch mehr Geld und noch mehr Macht und noch mehr Macht und<br />

noch mehr Geld. Manche nennen es nicht Kapitalismus, sondern freie<br />

Marktwirtschaft. Klingt irgendwie nicht so negativ, klingt interessanter.<br />

Ist aber ein und derselbe Scheißdreck. Krasse Überleitung hier, krasser<br />

Themenwechsel, was?! Und Stößchen.<br />

189


Scheißdreck deshalb, weil man selbst als vernünftiger Nicht-Marxist<br />

erkennen muß, daß wir heute mehr denn je in einer Gesellschaft der<br />

Ausbeutung und Entfremdung leben. Und zwar erheblich krasser, als es<br />

die Kollegen Marx und Engels vor gut 150 Jahren beschrieben haben.<br />

Das läßt sich leider nicht mehr verleugnen. Außer vielleicht, wenn man<br />

zu der verhältnismäßig knapp besetzten Sparte der Geschäftsführer<br />

gehört. Oder auf dem Mond lebt. Dann vielleicht. Denn als<br />

Geschäftsführer eines deutschen Unternehmens hat man im Jahr 2008<br />

durchschnittlich 280.000 Euro brutto verdient, so eine Studie der<br />

Managementberatung Kienbaum Consultants. Sollte klar sein, daß der<br />

Kapitalismus unter solchen Bedingungen etwas sehr Schönes ist. Aber<br />

auch nur dann. Ansonsten eben Scheißdreck.<br />

Ein normaler Vollzeitbeschäftigter im produzierenden Gewerbe oder im<br />

Dienstleistungsgewerbe verdient aktuell im Durchschnitt 3.100 Euro<br />

brutto monatlich. Bei einem Teilzeitbeschäftigten ist es gut die Hälfte,<br />

im Schnitt 1.600 Euro brutto. Ja meine Fresse, wie soll man denn davon<br />

auch nur halbwegs vernünftig leben?! 1.600 Euro sind völlig<br />

indiskutabel. Und 3.100 Euro sind auch nicht der Kracher. Als Single<br />

ohne Kind hat man bei 3.100 Euro brutto ca. 1.800 Euro netto raus. Und<br />

das auch nur, wenn man schon aus der schönen Kirche ausgetreten ist.<br />

Sonst ist es gleich nochmal ein knapper Fuffi weniger. So, und hier sei<br />

doch jetzt bitte einmal die Frage erlaubt, wie man von so einem Scheiß-<br />

Nettogehalt leben soll?!<br />

Klar, wenn ich mir absolut nichts gönne und jeden Cent fünfmal<br />

umdrehe und in einem Drecksloch wohne und nur noch halb<br />

abgelaufenen No-Name-Fraß vom Asi-Discounter fresse, ja dann<br />

vielleicht. Dann kann ich vielleicht sogar noch 100 Euro im Monat in<br />

eine schwachsinnige Riester-Rente investieren. Oder auch verbrennen,<br />

kommt auf dasselbe raus. Aber wer ein halbwegs vernünftiges Leben<br />

führen will, halbwegs anständig wohnen will, vielleicht sogar ab und an<br />

mal frisches Obst und Gemüse fressen und am Wochenende ins Kino<br />

oder saufen gehen will, der kommt mit 1.800 Euro nicht weit. Der kann<br />

sich dann bestenfalls noch ein winziges Auto leasen und die Söldner<br />

von der Scheiß-GEZ bezahlen, und dann war`s das auch.<br />

190


Es gibt doch eine ganze Latte politischer Halbleichen bis Leichen, die<br />

hier auf Kabinettsposten herummodern.<br />

191<br />

(Joschka Fischer)<br />

Und da wundert man sich noch, daß es so eine immens steigende<br />

Schwarzarbeitquote gibt? Welcher Kasperkopf wundert sich denn da<br />

eigentlich?! Also ich mal nicht. Ich wundere mich da überhaupt nicht<br />

mehr. Eigentlich darf man sich hier sowieso und generell über gar<br />

nichts mehr wundern. Ist doch klar, daß die Friseuse am Wochenende<br />

losgeht und befreundete kleine Uschis unter der Hand frisiert. Oder der<br />

Maler nach Feierabend noch die ein oder andere Wand anpinselt. Oder<br />

der Döner-Mann von um die Ecke jeden zweiten Döner an der Kasse<br />

vorbei abrechnet. Geht doch gar nicht mehr anders. Sonst ist doch<br />

Armut angesagt, ganz fiese Armut. Kann jeder mal nachfragen, was eine<br />

Friseuse im Osten verdient. Oder eine Fabrikarbeiterin in der<br />

Holzbranche. Die Antwort wird ihm nicht schmecken, definitiv nicht.<br />

Es ist eine Schande und Frechheit, Menschen mit so wenig Entgelt für<br />

ihre Leistungen abzuspeisen und auszubeuten. Voll zum Kotzen.<br />

Und die Halbleichen in Berlin verschließen die Augen. Zack, Augen zu,<br />

ist besser. Die ignorieren das schlichtweg. Da haben wir es wieder:<br />

Ignoranz! Lieber pumpen die Milliarden über Milliarden in<br />

irgendwelche maroden, verzockten Drecksbanken, in denen<br />

irgendwelche Größenwahnsinnigen Russisch Roulette spielen mit<br />

Tausenden Arbeitsplätzen und Milliarden fremder Gelder. Nur um den<br />

eigenen Profit zu maximieren. Wahnsinn. Und bekommen jetzt<br />

unzählige Milliarden vom Staat in den Arsch geblasen, bei denen sich<br />

jeder mit einem Fünkchen Grips in der Rübe fragen muß: Ja wo<br />

kommen sie denn auf einmal her, die ganzen Milliarden?! Wo kommen<br />

sie denn her?! Ist denn schon wieder Weihnachten?! Es war doch vorher<br />

keine Kohle mehr da, was ist denn nun passiert?! Es grenzt an ein<br />

Wunder, ein wahres Wunder. Magie, pure Magie.


Daß der Großteil der Gesellschaft in Armut und panischer Existenzangst<br />

lebt, ist den Halbleichen scheinbar überhaupt nicht klar. Das wollen die<br />

gar nicht wissen, das verdrängen die ganz bewußt. Da wird lieber auf<br />

andere sehr sinnvolle Themen ausgewichen, man muß ja nur mal in die<br />

Glotze gucken, egal wann. Beispielsweise wurde gestern in den ntv-<br />

Nachrichten thematisiert, daß man eine UFC-Veranstaltung in<br />

Deutschland verbieten wolle und daß es ferner eine ganz tolle neue Anti-<br />

Alkohol-Kampagne gäbe.<br />

Bei erstgenannter Thematik ging es halt darum, daß die Jungs vom<br />

Ultimate Fighting Championchip am 13. Juni 2009 eine Veranstaltung<br />

in der Kölner Lanxess-Arena abhalten wollten. Unter UFC ist ein in<br />

Amerika recht populärer Vollkontakt-Kampfsport zu verstehen, welcher<br />

in einem achteckigen Ring ausgetragen wird und bei dem fast alles<br />

erlaubt ist. So, und nachdem dann der Großteil der Karten für dieses<br />

Event verkauft war, fiel einigen ganz Schlauen dann doch sehr früh ein,<br />

daß das ja viel zu brutal sei und auch ganz verheerende Auswirkungen<br />

auf Jugendliche und Kinder haben könne. Auweia! Naja, und bei der<br />

anderen Thematik ging es halt wieder mal darum, daß man insbesondere<br />

Jugendlichen und Kids klarmachen wollte, wie schädlich und gefährlich<br />

Alkohol sei. Mal ganz was Neues, gähn.<br />

Ohne jetzt gleich wieder ganz plakativ und überstürzt in ein Meer aus<br />

Polemik eintauchen zu wollen, sei mir hier bitte eine Frage gestattet:<br />

Saufe ich eigentlich zu viel oder eher zu wenig?<br />

Eines von beiden muß es sein. Denn ganz offensichtlich habe ich noch<br />

nicht den richtigen Pegelstand gefunden, um mich bei diesem<br />

Schwachsinn nicht ständig selbst fragen zu müssen, seit wann ich denn<br />

eigentlich komplett bescheuert bin. Anders ist das hier nämlich nicht<br />

mehr zu erklären. Denn einige Wochen zuvor durfte Fräulein<br />

Schnäuzchen mit ihren Hampelmännern vor Tausenden fehlgeleiteter<br />

Kinderchen live in der Lanxess-Arena auftreten. Das war okay. Aber<br />

UFC ist jetzt zu krass. Na klar. Lieber Millionen Kids Eßstörungen und<br />

falsche Illusionen in die eh schon recht instabilen Hirne eintrichtern, als<br />

zusehen, wie sich zwei erwachsene Männer im gegenseitigen<br />

Einverständnis ein paar in die Fresse hauen.<br />

192


Okay, war jetzt doch Polemik, hab`s wieder vergeigt. Egal. Kann ich<br />

mit leben. Womit ich nur schwer leben kann, sind die oben genannten<br />

Mißstände. Also allgegenwärtige Angst und Armut, und einige haben<br />

keine anderen Sorgen, als den Leuten jetzt erzählen zu wollen, was sie<br />

sehen oder saufen dürfen. Na Glückwunsch! Der UFC-Mist läuft eh<br />

jedes Wochenende auf DSF, kann sich jeder 6-jährige anschauen. Und<br />

beim Gesaufe weiß mittlerweile auch jeder 10-jährige, was Sache ist.<br />

Wie kann man in der momentanen Lage so einen banalen Dünnschiß<br />

thematisieren?! Selbst besoffen? Verstand verloren? Langeweile? Sollte<br />

letzteres zutreffen, dann bitte zukünftig einmal hinterfragen, warum<br />

denn wohl so viel gesoffen wird. Und warum denn wohl so viele<br />

Menschen nur noch Schmerz und Gewalt spüren.<br />

Oder lieber doch nicht. Klappt mit solch himmelschreiender Ignoranz in<br />

der Birne eh nicht. Außerdem kennt eh jeder nicht komplett Weltfremde<br />

längst die Antwort: Eben drum! Wegen der drei großen A: Armut,<br />

Angst, Arbeitslosigkeit. Vielleicht sollte man hier einmal ansetzen, an<br />

der Wurzel des Übels, anstatt mit nutzlosen, hanebüchenen<br />

Diskussionen und Kampagnen noch mehr Zeit und Geld zu<br />

verschwenden. Aber solche Logik ist ganz offensichtlich noch nicht bei<br />

allen angekommen. Und außerdem sind die drei großen A ja auch ganz<br />

hervorragende Unterdrückungs-Mittel im schönen Kapitalismus. Denn<br />

ohne die drei A funktioniert der Kapitalismus nämlich nicht mehr, und<br />

davor haben alle ganz viel Angst, besonders die Halbleichen.<br />

Wahrscheinlich daher der ganze Schwachsinn.<br />

Offiziell liegt es natürlich mal wieder am lieben Geld, welches nicht<br />

vorhanden ist. Ja wie, kein Geld? Nichts da? Komisch. Ballert man<br />

derzeit nicht gerade völlig sinn-, plan- und hilflos und mit viel Blabla<br />

und Tamtam unvorstellbare Summen in korrupte und bankrotte<br />

Drecksbuden, die jahrelang gemacht haben, wozu sie lustig waren?! Uns<br />

allen symbolisch bzw. vielmehr metaphorisch den obligatorischen<br />

Stinkefinger gezeigt haben?! Unsere Kohle verzockt haben?! Und jetzt<br />

hysterisch wie ein Stall aufgeschreckter Hühner nach Vater<br />

Nachwächter schreien?! Oder habe ich da was verpaßt?!<br />

193


Wer hat wie ich genug von den Heuchlern im Bundestag? Wählt mich,<br />

und ich mach` Deutschland gesund und stark. Ich bring` das Land in<br />

Ordnung, komm` schon, wir schau`n nur nach vorn und machen unsere<br />

Phantasien wahr wie im Porno. Ich mach` das MV zur Hauptstadt der<br />

Hauptstadt. Und streich` jeden Block Metallic-Blau statt Grau matt. Ich<br />

mach`, daß jeder was zu essen und `ne Frau hat, und wenn einer wegen<br />

Hunger geklaut hat, mach` ich ihn auch satt.<br />

194<br />

(Sido)<br />

Nein, da habe ich nichts verpaßt. Da ist mir nichts entgangen, auch<br />

wenn mir das eigentlich lieber wäre. Das ist alles echt, alles Realität.<br />

Vater Nachtwächter ist jetzt gefordert, und das ist auch gut und richtig<br />

und wichtig so. Vor allen Dingen im Kapitalismus, sorry, in der freien<br />

Marktwirtschaft natürlich. Denn wenn irgendwo ein Staat mit Billionen<br />

an Kohle in einen freien, sich mehr oder weniger selbst regelnden<br />

Markt eingreifen muß, dann doch wohl in der freien Marktwirtschaft.<br />

Na klar, wo denn sonst. Wir sind doch hier nicht in China oder in der<br />

DDR oder sonstwo. Nichts auszudenken. Alles, bloß das nicht. Logisch,<br />

der Staat greift also ein, ganz toll. Ein schöner Zug, ein feiner Zug, ein<br />

edles Unterfangen. Das Kind liegt im Brunnen, na dann kann man doch<br />

auch langsam mal aktiv werden.<br />

Und damit wir allesamt nicht zu keck und frech und vorlaut werden,<br />

schafft Vater Nachtwächter neben diesem monumentalen Unterfangen<br />

noch das Kunststückchen, uns stets und ständig mit höchst erhobenem<br />

Zeigefinger einzuimpfen, daß wir doch bitte auch mal an unsere Kinder<br />

und Kindeskinder denken sollen. Denk` doch bitte mal einer an die<br />

Kinder! An die Kinder! Uiuiui, die armen Kinder, was wir denen wohl<br />

für ein Vermächtnis hinterlassen?! Wir haben doch diesen Planeten nur<br />

geliehen. Von unseren Kindern. Nur geliehen! Keinen Schimmer, wie<br />

das gehen soll, also mit dem Leihen und so. Aber auf jeden Fall eine<br />

unfaßbar geile Metapher. Und überaus effektiv.


Denn wie vom Blitz getroffen vergessen wir nun schlagartig, daß unsere<br />

Kinder in 20 bis 30 Jahren eh ganz andere Sorgen haben werden. Im<br />

Jahre 2030 sieht das schätzungsweise nämlich so aus: 50% schwerste<br />

Alkoholiker, Kiffer und Fixer, 20% Topmodels und Superstars, 10%<br />

Jury, 10% Bisexuelle und 10% ausgewandert oder zum Mond geflogen.<br />

Leider. Leider wird es so sein. Aber mir kann das dann egal sein. Ich<br />

werde dann nämlich so um die 60 Jahre alt sein, und man wird mich<br />

auch auf den Mond geschossen haben. Unfreiwillig. Und auf die dunkle<br />

Seite. Zu Darth Vader. Aber egal. Alle anderen bitte sofort an die<br />

Kinder denken. An Tick, Trick und Track, an Beavis und Butt-Head, an<br />

Justin und Dustin, einfach an alle. Schnell die Ärmel hochkrempeln und<br />

das Maul halten, schließlich geht es um die Kinder. Na spitze, noch<br />

mehr Angst. Vielen Dank. Angst ist durch nichts zu ersetzen, außer<br />

durch noch mehr Angst. Und der Gedanke an noch mehr Angst macht<br />

das Leben in Armut und Arbeitslosigkeit ja gleich viel erträglicher, als<br />

es Suff und Aso-TV eh schon machen. Das grenzt ja an Luxus!<br />

Stößchen. Ein Stößchen auf die Angst!<br />

Nichts für ungut, aber da soll mir noch mal einer über Onkel Peterchen<br />

und seine Fans schimpfen. Also über die Millionen Menschen, die<br />

HartzIV beziehen, weil sie keinen Job mehr kriegen. Oder auch, weil sie<br />

einfach keinen Bock mehr auf den Scheiß haben, völlig egal. Onkel<br />

Peterchens Groupies, die H4-Groupies. Die Hartzies. Kann es ihnen<br />

irgendjemand verübeln?! Also ich nicht. Nicht die Bohne. Ich würde es<br />

genauso machen. Jeder, der 40 oder 50 Stunden pro Woche malochen<br />

geht, obwohl er mit Onkel Peters Freizeitprämie ähnlich oder sogar<br />

besser stände, hat nicht alle Tassen im Schrank. Ja sorry, ist leider so.<br />

Reine Logik. Denn was ist wertvoller als Zeit? Kaum etwas. Und<br />

nochmal sorry, aber ich kann meine Zeit erheblich sinnvoller nutzen, als<br />

40 Stunden die Woche irgendwas putzen oder Zement anrühren oder<br />

mir den Arsch hinter irgendeinem Schreibtisch wund sitzen. Und ja, ich<br />

kann mir auch was Schöneres vorstellen als Zahnschmerzen, Dünnschiß<br />

und Hängetitten. Die Leute, die an solch einer Einstellung Kritik üben,<br />

sind neidisch und mißgönnerisch. Hey, aber warum denn? Ich selbst<br />

liege auch nicht Vater Nachtwächter auf der Tasche. Aber ich gönne es<br />

jedem, der es tut und dem es dabei gut geht. Warum denn auch nicht?!<br />

Chacun à son goût, jeder nach seinem Geschmack.<br />

195


Mit HartzIV lebt es sich nämlich gar nicht so schlecht. Klar, 350 Euro<br />

monatlich reichen kaum für ein Leben in Saus und Braus. Gewiß nicht.<br />

Addiert man hierzu allerdings die etlichen Zusatzleistungen, kommt<br />

schnell ein Betrag zusammen, den viele Menschen, die tagtäglich zur<br />

Arbeit latschen, nicht zur Verfügung haben. Denn die besagten 350<br />

Euro sind lediglich die Regelleistung. Hinzu kommen diverse<br />

Annehmlichkeiten wie eine angemessene Erstausstattung, Zuschläge<br />

nach Bezug von Arbeitslosengeld, Erstattung der Wohn- und<br />

Heizungskosten, Beiträge zur Rentenversicherung, Mehrbedarfe und<br />

diverse andere Leistungen. Ganz klar, da kann schon das ein oder<br />

andere hübsche Sümmchen zusammenkommen.<br />

Ferner ist man als Hartzie von der GEZ befreit, kann sich die Zähne<br />

schön gratis bzw. gratis schön machen lassen, kann Prozeßkostenhilfe<br />

beanspruchen und dergleichen. Man kann sogar umsonst den<br />

Führerschein machen, wenn man glaubhaft vorträgt, daß man sonst eh<br />

keinen Job mehr bekommt. Alles sinnvolle Dinge, die Otto<br />

Normalverbraucher selbst zahlen muß. Ist die Waschmaschine kaputt,<br />

gibt es vom Amt eine neue. Zack. Unter Berücksichtigung dieser<br />

Aspekte liegt die Vermutung nahe, daß es so manchem Hartzie unter`m<br />

Strich finanziell besser geht als dem ein oder anderen Arbeitnehmer.<br />

Insbesondere dann, wenn unser Hartzie Teile seiner freien Zeit nutzt,<br />

um ein paar Stündchen Schwarzarbeit zu verrichten. Dann sowieso,<br />

dann lebt es sich sogar ganz vernünftig.<br />

Und das ist auch völlig okay so. Unser lieber Vater Nachtwächter hält<br />

einem diese Option offen, und jeder kann frei entscheiden, ob er sie<br />

nutzen möchte oder nicht. Keiner muß sich dafür schämen, heute<br />

weniger denn je. Und Kritik hieran ist reinstes Fremdopfer-Gebahren,<br />

sonst nichts. Auweia, da kriegt einer dieselbe Kohle wie ich und will<br />

bzw. muß dafür nichts tun. So ein asoziales Schwein! Und als<br />

waschechtes Fremdopfer redet man sich diesen Quatsch natürlich auch<br />

noch schön. Ich wüßte gar nicht, was ich ohne Arbeit anfangen sollte.<br />

Bla. Ich auch nicht. 40 Stunden die Woche auf einem Bagger sitzen<br />

oder Rechnungen kontieren sind die wahre Erfüllung, die absolute<br />

Selbstverwirklichung für mich. Na klar, was denn auch sonst. Kaum zu<br />

glauben, wie weichgespült der Kapitalismus einige Köpfe schon<br />

gemacht hat. Wie Wackelpudding.<br />

196


Und wer arbeiten gehen will, der soll eben arbeiten gehen. Nur zu. Ist<br />

nichts Verwerfliches dran. Zack, ab, arbeiten. Schließlich folgt man nur<br />

der Herde, ganz solidarisch. Und die Herde grast hübsch angenehm Fluß<br />

abwärts, also grasen wir mit. Auf, bitte alle schön mitgrasen, besten<br />

Dank. Gehen wir arbeiten. Denn immerhin verdienen wir ja 3.100 Euro<br />

brutto. Wir sind ja schließlich die Durchschnitts-Vollzeitangestellten,<br />

abfeier. Und als solche haben wir neben fürstlicher Entlohnung noch<br />

einen weiteren, ganz entscheidenden, geradezu elementaren Vorteil:<br />

Wir sind kreditwürdig!<br />

Hurra! Natürlich immer positive Schufa vorausgesetzt, muß klar sein.<br />

Aber wenn die paßt, dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.<br />

Dann geht voll die Post ab. Denn dann können wir nach Herzenslust<br />

Kohle verballern, die wir gar nicht haben. Also entweder schön Kredit<br />

aufnehmen oder -noch geiler- alles leasen. Leasen ist noch viel geiler.<br />

Und damit meine ich nicht nur das Auto, sondern wirklich alles.<br />

Muß also alles geleast werden, muß alles finanziert werden. Logisch.<br />

Woher soll man auch 500 Euro für eine neue Waschmaschine auf einen<br />

Schlag nehmen? Oder 1.000 Euro für einen neuen Fernseher? Muß alles<br />

auf Pump gekauft werden. Wer das jetzt nicht wahr haben will, der muß<br />

nur mal einen verwegenen Blick in ein Prospekt vom MediaMarkt oder<br />

ProMarkt oder ähnlichen Anbieter riskieren. Dort werden nämlich<br />

mittlerweile nur noch die monatlichen Raten groß ausgewiesen,<br />

während man den eigentlichen Einzelpreis in bar irgendwo im<br />

Kleingedruckten suchen muß. Verkehrte Welt, möchte man meinen,<br />

aber es ist so.<br />

Und ich hatte mich neulich schon voll gefreut. Gucke da in den Prospekt<br />

rein und sehe einen schönen 107er Plasma von Panasonic für 39,90<br />

Euro. Hurra, heute ist Dein Glückstag, dachte ich. Ganz egal, daß ich im<br />

Wohnzimmer und auch im Schlafzimmer schon so ein Monster an der<br />

Wand habe. Für 39,90 Euro kaufe ich gleich nochmal vier bis fünf von<br />

den Dingern. Einen für die Küche, einen für`s Bad und einen für`s<br />

Gäste-WC, wie geil. Vielleicht noch einen in die Garage und einen auf<br />

Vorrat oder wenn mal Besuch kommt.<br />

197


Aber nichts da, Pustekuchen. Nichts da mit 39,90. Zumindest nicht der<br />

Einzel-Verkaufspreis. 39,90 war vielmehr die monatliche Rate für die<br />

nächsten drei Jahre. Regulär kostete das Mistviech nämlich nach wie<br />

vor 1.399 Euro, wie ich nach langer Suche im Kleingedruckten<br />

feststellen durfte. Na, das ist doch mal was. Und ich Vollhonk war<br />

schon drauf und dran, vier bis sechs Stück telefonisch vorzubestellen,<br />

Folglich bedeutet das für uns als Konsumenten, daß wir lediglich zwei<br />

Möglichkeiten haben: Wir müssen unsere Ansprüche ganz dramatisch<br />

reduzieren oder uns verschulden. Natürlich können wir auch immer<br />

versuchen, mehr Kohle zu verdienen. Aber zum einen ist das nicht so<br />

ganz einfach zu bewerkstelligen, und zum anderen gehen wir hier ja<br />

vom Durchschnitt aus. Und das Durchschnitts-Schaf mit 1.800 Euro<br />

netto monatlich muß seine Ansprüche bis zur Schmerzgrenze<br />

reduzieren, wenn es sich nicht verschulden will. Ganz klare Kiste. Der<br />

ursprüngliche, originäre Anspruch, der uns seitens der Werbung und<br />

durch Dritte als normal suggeriert wird, kann nicht erfüllt werden.<br />

Niemals. Nicht im Entferntesten. Zumindest für den Großteil von uns<br />

nicht. Und das wurmt uns logischerweise. Weil das ein Umstand bzw.<br />

vielmehr ein Mißstand ist, den wir nicht ignorieren können. Und da<br />

wären wir auch schon wieder beim Thema: Ignoranz!<br />

An dieser Stelle kommen wir zu einem überaus perversen Paradoxon<br />

des Kapitalismus in unserer heutigen Gesellschaft. Hier wird es jetzt<br />

mal besonders krass, krasser als eh schon, und Personen mit einem<br />

schwachen Herzen oder so sollten mal lieber nicht mehr weiterlesen:<br />

Millionen von Menschen arbeiten Tag für Tag in einem ganz<br />

fulminanten Drecksjob. Als Arbeiter, als Angestellter, ganz egal. Ein<br />

Drecksjob eben. Ein Drecksjob, in dem sie wahrscheinlich nicht einmal<br />

die besagten 3.100 Euro brutto pro Monat verdienen, sich stattdessen<br />

aber im Idealfall mit Mobbing durch vermeintliche Kollegen oder einem<br />

Riesen-Arschloch als Chef auseinandersetzen dürfen. Ich persönlich war<br />

hiervon glücklicherweise nie betroffen, aber man ist ja auch nicht taub<br />

und blind. Man sieht und hört ja, wie es läuft. Man muß sich ja nur<br />

einmal umsehen. Kritisch umsehen, falls das überhaupt noch geht. Falls<br />

man dazu vor lauter Fremdsteuerung und Verblendung überhaupt noch<br />

in der Lage ist.<br />

198


Dann wird man nämlich erschreckt feststellen müssen, daß man<br />

weitestgehend von Heuchlern und Arschlöchern umgeben ist. Die einem<br />

das Leben in dem eh schon recht anspruchslosen und völlig<br />

uninteressanten Job noch zusätzlich erschweren bzw. teilweise sogar zur<br />

Hölle machen. Mit denen man bestenfalls tödlich belanglose Gespräche<br />

über das Wetter oder über Fußballergebnisse oder die letzte Grillparty<br />

führen kann. Ätzend, voll ätzend, aber leider größtenteils wahr. Und<br />

man selbst nimmt das auch gern und als gegeben in Kauf. Immerhin<br />

verdient man ja damit seinen Lebensunterhalt. Und zwar so üppig, daß<br />

man bei MediaMarkt eine neue Glotze auf Pump kaufen kann.<br />

Glückwunsch. Oder von seinen liquiden Mitteln einen Röhrenfernseher<br />

mit 51 cm Diagonale für 99 Euro in bar. Stößchen. Das ginge auch.<br />

Gerade noch so. Das kann man sich dann aussuchen.<br />

Und hier kommt jetzt das überaus Perverse an der ganzen Geschichte:<br />

Trotz dieses Wahnsinns rastet der normale Arbeiter oder Angestellte<br />

nicht aus und dreht voll durch. Dem Vorarbeiter mal eben so richtig<br />

schön die Fresse poliert, und dann ab zum MediaMarkt und ein paar<br />

Röhren-TV an die Wand gekickt. Zack. Kick. Dem Chef erzählt, daß<br />

man überhaupt keine Lust hat, über Banalitäten wie das aktuelle Scheiß-<br />

Wetter zu philosophieren. Dem mobbenden Arschloch aus dem Büro<br />

nebenan die Bremsleitung am Auto durchgeschnitten. Oder ähnliche,<br />

vergleichbar positiv-aggressive und überaus angemessene Reaktionen.<br />

Nein, dies tun wir nicht. Wir lächeln, bleiben höflich und fressen den<br />

Bullshit in uns hinein. Und warum? Logisch, aus Angst. Aus<br />

tiefgreifender, universeller und allgegenwärtiger Angst.<br />

Aus Angst um unseren Job, aus Angst vor mobbenden Kollegen, aus<br />

Angst vor dem Kapitalismus. Denn diese Angst können wir nicht<br />

ignorieren. Diese Angst müssen wir so hinnehmen, uns ihr stellen. Und<br />

sie akzeptieren. Ganz kompromißlos akzeptieren. Ignoranz geht nicht,<br />

Toleranz reicht nicht. Radikale Akzeptanz der Todesangst. Ach was,<br />

schlimmer noch als Todesangst. Kapitale Angst! Auweia! Das<br />

größtmögliche, vorstellbare Grauen. Kapitale Angst. Und zwar um<br />

unseren Job. Nur um unseren Job. Um nichts weiter. Um unseren<br />

gottverdammten, voll beschissenen und komplett unterbezahlten<br />

Drecksjob. Welchen wir wahnwitzigerweise sogar noch als unsere<br />

Existenz oder deren Grundlage bezeichnen. Heiliger Bimbam!<br />

199


Denn wenn wir heute bereits mit zweieinhalb oder drei Riesen brutto im<br />

Monat eine Glotze oder eine Waschmaschine gerade noch so auf Pump<br />

kaufen können, wie schlimm kann es dann noch werden?! Horror! Das<br />

könnte ja alles noch viel schlimmer werden. Viel, viel schlimmer. Ein<br />

Faß ohne Boden. Nicht auszudenken, wenn man seinen Job verlöre. Der<br />

Super-GAU! Lieber ein Bein oder einen Arm, aber bitte nicht den Job.<br />

Im Kapitalismus lebt es sich besser ohne Beine und Arme als ohne Job.<br />

Und ohne Hirn, selbstverständlich. Das sollte nämlich auch besser<br />

ausgeschaltet oder betäubt werden. Dafür Angst. Kapitale Angst!<br />

Kommt gut. Macht uns gefügig. Gefügig in unser Schicksal. Kapitale<br />

Angst macht noch gefügiger als Alkohol. Schwer vorstellbar, aber ist so.<br />

Kapitale Angst ist der Grundpfeiler unserer Wirtschaft und ein<br />

Eckpfeiler unserer Gesellschaft.<br />

Wir machen Jobs, die wir hassen, und kaufen dann Scheiße, die wir<br />

nicht brauchen. Hurra! Oder vielmehr so: Wir machen Jobs, die wir<br />

hassen, und können uns dann gerade mal die nötigste Scheiße zum<br />

Überleben kaufen. Noch besser. Das trifft es für die meisten von uns<br />

wohl am ehesten, das trifft den Kern. Und weil das so ist, weil das so<br />

alle machen, weil das so keiner hinterfragt, drehen auch nur die<br />

wenigsten Fremdopfer durch oder mutieren gar zum Honk. Aus Angst.<br />

Nicht mehr, nicht weniger. Aus kapitaler Angst. Denn heute hat man<br />

keine Angst mehr vor Krebs oder vor Seuche oder vor Krieg, nein,<br />

heute hat man Angst um seinen Job. Drauf geschissen, ob irgendwo eine<br />

Atombombe runterballert oder der Regenwald komplett abfackelt.<br />

Hauptsache, wir behalten unseren Job. Idealerweise bis wir 80 oder 90<br />

sind. Phantastisch. Phantastisch für alle Beteiligten, denn nur so kann<br />

der endgeile Kapitalismus funktionieren. Ohne kapitale Angst und<br />

Ausbeutung wäre dieser längst nicht mehr möglich.<br />

Und darauf Stößchen, ein Stößchen auf den Kapitalismus.<br />

200


Notleidende Unternehmen werden mit staatlicher finanzieller Hilfe<br />

künstlich am Leben gehalten. Die meisten Firmen, die staatliche Hilfe<br />

bekamen, waren früher oder später aber doch pleite.<br />

201<br />

(Wendelin Wiedeking)<br />

Mal unter uns: Ich möchte nicht als Arbeiter oder Angestellter in so<br />

einer maroden Drecksbude sitzen, die letztes Jahr noch Millionen- oder<br />

gar Milliarden-Gewinne eingefahren hat und nun um staatliche<br />

Subventionen und finanzielle Hilfe betteln muß. Damit man nur 10.000<br />

Mitarbeiter entlassen und nicht komplett Insolvenz anmelden muß. Was<br />

für ein horrender Bullshit. Wenn man beispielsweise bedenkt, daß bei<br />

Porsche der Gewinn im Geschäftsjahr 2008 höher war als der Umsatz,<br />

muß es sich ja zwangsläufig um Magie handeln. Magie, pure Magie.<br />

Gewinn höher als Umsatz, wer kennt das nicht?! VW macht`s möglich,<br />

Stößchen. Oder auch nicht. Die Bilanzen der Geschäftsjahre 2009 und<br />

2010 möchte ich dagegen nicht mehr sehen. Zumindest nicht bei<br />

Porsche. Falls es 2010 überhaupt noch eine gibt.<br />

Also selbst in den einstigen Vorzeige-Unternehmen mit einstigen<br />

Vorzeige-Managern ist dicke Luft und dünne Liquidität angesagt. Oder<br />

kurz: Angst. Kapitale Angst. Der schwarze Mann geht um! Sogar bei<br />

Porsche. Das wäre in 2007 noch ein ziemlich guter Witz gewesen. Der<br />

schwarze Mann bei Porsche. Aber heute? Heute eher ein schlechter<br />

Witz. Beziehungsweise überhaupt kein Witz mehr, sondern ganz bittere<br />

Realität. Und es kommt noch viel bitterer. Denn wie reagieren nun die<br />

normalen Arbeiter und Angestellten auf solch ein Wechselbad der<br />

Gefühle und Finanzen?! Was machen die betroffenen Schäfchen in<br />

solchen oder ähnlichen Buden?! Richtig. Gehen artig mit Trillerpfeife<br />

und selbstgemaltem Plakat auf die Straße. Und warum? Richtig, weil es<br />

so viel bringt. Das bringt fast so viel, wie sich beim Castor auf die<br />

Schienen zu legen. Das macht ja auch immer besonders viel Sinn, das<br />

hat bisher noch jeden Castor-Transport verhindert.


Man kann hier eigentlich nur mutmaßen: Die jahrelange Zwangsarbeit<br />

hat den meisten mittlerweile ganz offensichtlich völlig den Verstand<br />

vernebelt. Die arbeiten jahrelang unter dem Scheffel der Angst,<br />

verdienen zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel und fliegen<br />

dann zur Belohnung auch noch raus. Glückwunsch. Oder sie gehören zu<br />

denjenigen, die tagtäglich registrieren müssen, wo überall anders die<br />

Leute rausfliegen. Und sind infolgedessen total froh, den eigenen<br />

Drecksjob behalten zu dürfen. Natürlich mit gekürztem Lohn, aber dafür<br />

mit noch mehr Angst im Nacken. Denn wie gesagt, Angst ist durch<br />

nichts zu ersetzen. Außer durch noch mehr Angst. Stößchen.<br />

Insoweit könnte man eigentlich ganz unverfroren die These aufstellen,<br />

daß sich die meisten Angestellten und Arbeiter im Kapitalismus<br />

emotional wie Viecher behandeln lassen. Wie Hühner oder Melkkühe.<br />

Nein, eigentlich noch schlimmer als Viecher. Denn kein Viech muß in<br />

so elementarer Angst leben. Höchstens ein chinesischer Tanzbär. Wenn<br />

überhaupt. Und wenn man es jetzt noch auf die Spitze treiben wollte,<br />

könnte man durchaus die kühne Theorie vertreten, daß der Kapitalismus<br />

in seiner gegenwärtigen Form nicht mehr mit dem Grundgesetz<br />

vereinbar ist. Artikel 1 Abs. 1 GG kann ja wohl unter Berücksichtigung<br />

der aktuellen Gegebenheiten und Zustände lediglich als eine<br />

wohlklingende, inhaltlich hohle Phrase interpretiert werden.<br />

Und als wäre das alles nicht schon Hohn genug, greifen die direkt<br />

Betroffenen zu Trillerpfeife und Mahnwache. Oder bleiben in ihrer<br />

Mischung aus Angst und zugleich Dankbarkeit ganz zu Hause sitzen.<br />

Weil ja morgen schließlich der eigene Job dran sein könnte, man aber<br />

bis dahin zumindest immer noch einen hat. Keine Ahnung, was hiervon<br />

krasser ist. Mit Pfeifen gegen Windmühlen oder dankbare Angst. Beides<br />

heftigst. Und selbstverständlich beides keine Optionen für einen Honk.<br />

Für einen Honk kann ein Tun oder Unterlassen aus Angst niemals in<br />

Betracht kommen. Niemals! Denn als Honk hat man sich von Angst und<br />

Grausen jedweder Art befreit. Dazu später mehr. Angst ist jedoch für<br />

den Kapitalismus zwingend notwendig. Wir erinnern uns an dieser<br />

Stelle an die drei schönen großen A: Armut, Angst, Arbeitslosigkeit.<br />

Ach, komm` her, machen wir vier. Sagen wir vier A, nehmen wir noch<br />

Ausbeutung dazu, der Theatralik wegen. So, und da haben wir sie, die<br />

vier geilen A. Stößchen!<br />

202


Sobald die Menschen morgen keine Angst mehr haben, ist das der Tod<br />

des Kapitalismus. Scheiß auf die anderen drei A, sobald die Angst weg<br />

ist, rollen Köpfe. Nur wird die Angst so schnell nicht weg sein. Dafür<br />

trägt Vater Nachtwächter schon Sorge, das sollte allen klar sein. Und<br />

deswegen sind Idioten und Fremdopfer auch so elementar, so<br />

überlebenswichtig für unsere Gesellschaft: Sie erfüllen ihren Zweck und<br />

stellen keine Fragen. In fast allen Fällen sind sie noch dazu in irgendein<br />

soziales Gefüge wie z. B. eine eigene Familie eingebettet, wodurch das<br />

Ausbrechen aus dem System nahezu unmöglich wird. Absolut<br />

verständlich, absolut nachvollziehbar. Alles nur Menschen.<br />

Man muß sich nur einmal Frau und Kinder vorstellen, wie sie im trauten<br />

Eigenheim, welches irgendwann mit 60 oder 90 abbezahlt ist, vor der<br />

Glotze sitzen und auf Papa warten, wegen Abendbrot essen und so. Und<br />

auf einmal sehen sie den Papa mitten in der Glotze, wie er gerade von<br />

der Spielvereinigung Grün-Weiß als Staatsfeind Nummer Eins oder<br />

Zwei abgeführt wird, während im Hintergrund zeitgleich der lichterloh<br />

brennende Hypo-Real-Estate-Tower das Firmament des Münchener<br />

Abendhimmels hell erstrahlen läßt. Auweia. Das wäre dann aber mal<br />

eine ganz schöne Überraschung. Bißchen krass, sicher, aber mal ein<br />

gelungener Kontrast zum üblichen TV-Einheitsbrei.<br />

So weit wird es aber nie kommen. Denn als Mittdreißiger mit eigener<br />

Familie und pulsierenden, beruflichen Panikattacken bricht man nicht<br />

mehr aus dem System aus. Wer so lange das Spielchen mitgespielt hat,<br />

kommt nicht mehr raus. Der kann nicht mehr raus, und der will auch gar<br />

nicht mehr. Und falls doch, steckt ihn die eigene Sippe mal eben ganz<br />

nonchalant in die Klapsmühle, das sollte auch klar sein. Dann geht`s ab<br />

ins Kuckucksnest, zack, Zwangseinweisung, bißl plemm plemm und<br />

weg. Zack, weg, ab. Und die Sippe macht ein betroffenes Gesicht dazu<br />

und verfeiert nebenbei das schöne Krankengeld. Stößchen. Eine<br />

beunruhigende Vorstellung. Aber sehr lustig und durchaus möglich und<br />

auch wahrscheinlich. Und deswegen hält man besser gleich die Fresse.<br />

Ist besser. Schön Ruhe bewahren und gar nichts machen. Man kann sich<br />

das ja alles in der Phantasie ausmalen. Was man gern alles anzünden<br />

möchte oder wen man gern abknallen würde. Bloß nie laut aussprechen.<br />

Sonst ist man gleich weg vom Fenster! Schön ruhigbleiben, geht<br />

anderen auch nicht anders.<br />

203


Es wird nämlich jeder irgendwie ruhiggehalten, alle werden irgendwo<br />

ruhiggehalten. Damit man nicht gegen die stetig immer krasser<br />

werdenden Mißstände Amok läuft und durchdreht, so wie es der<br />

Franzose so gern praktiziert. Ja, ganz genau, der Franzose! Von den<br />

Franzosen mag man halten, was man will. Die meisten stinken. Aber<br />

wenn die ihre Schnauze voll haben, dann brennt es, und zwar im<br />

wahrsten Sinne des Wortes. Wenn die das Gefühl haben, verarscht oder<br />

gar beschissen zu werden, dann fackeln die nicht lange. Paar Gläschen<br />

Rotwein rein, zack, bißchen Mut antrinken, und ab geht die Post. Aber<br />

richtig. Für den verängstigten, trillerpfeifenden Deutschen natürlich<br />

keine Option, versteht sich von selbst. Widerstand muß immer<br />

gewaltfrei sein, ganz klar. Schöne Mahnwache, schöne bunte Plakate,<br />

schöne Lichterkette, geht ja nur um die Existenz. Sehr schön.<br />

So, jetzt ist die Katze aus dem Sack, wurde auch Zeit. Ruhigstellung ist<br />

das Wort der Stunde! Neben Sicherstellung haben wir nun also die<br />

zweite Stellung, nämlich die Ruhigstellung. Läuft eigentlich ganz simpel<br />

ab, viel simpler als die Sicherstellung. Denn die meisten halten sich<br />

bereits selbst ruhig, durch Kompensation. Sie wollen ihre Angst<br />

verdrängen, kompensieren, ersetzen. Durch extrem viel Sport oder<br />

Fressen oder Suff oder fragwürdige Freunde und dergleichen. Andere<br />

werden mit HartzIV und Aso-TV ruhiggestellt. Bißchen Miete und<br />

Kohle und Scheiße ohne Sinn in der Glotze, und Ruhe ist. Kann man<br />

sein Leben abseits der Realität schön weiterführen. Chatrooms, WOW,<br />

bißchen Internet-Flirt und kiffen und ficken dazu, paßt, reicht.<br />

Oder die Vollopfer. Die läßt man einfach machen, dann halten sie die<br />

dumme Fresse. Zumindest bei ernsten oder wichtigen Themen. Denn<br />

das tödlich banale Dummschwätzen wird niemals aufhören können.<br />

Niemals. Ist aber vielleicht auch besser so, denn wenn man sie machen<br />

und sabbeln und feiern läßt, spielen sie brav mit, Stößchen. Der<br />

überwiegenden Mehrheit fehlt sowieso jedwedes grundlegendes<br />

Verständnis für das, was überhaupt abgeht. Die haben ganz andere<br />

Sorgen, die müssen sich um ganz tolle andere Sachen kümmern.<br />

Wiederum andere stecken all ihre Gedanken und Energien in ihr Auto,<br />

in ihre Familie, in ihr Hobby oder in ihren faszinierenden Job. Ist auch<br />

eine Möglichkeit der Ablenkung und Akzeptanz, ganz klar. Und die<br />

204


überwiegende Mehrheit? Klar, die animiert man zum Saufen. Zu was<br />

denn auch sonst?! Drei Millionen Alkoholiker können nicht lügen. Die<br />

sprechen eine ganz deutliche Sprache, nämlich die Suff-Sprache. Keine<br />

Frage, Alkoholiker sind gern gesehen. Gut für jede Statistik und auch<br />

sehr dienlich zur Abschreckung. Uiuiui, kann ja doch alles noch viel<br />

schlimmer kommen, kann ja noch Alkie werden. Na das wäre ja was.<br />

Wäre man aus politischer Sicht wirklich und wahrhaftig gewillt, dem<br />

bösen Alkohol-Problem Herr zu werden, dann wäre das schon längst<br />

passiert. Dessen sollte sich mittlerweile jeder bewußt sein. Das läßt man<br />

aber lieber bleiben, denn das Problem an sich soll ja gar nicht gelöst<br />

werden. Alkies erfüllen ihren Zweck und halten die Fresse. Und nur<br />

darum geht es. Also lieber ganz tolle Aufklärungs-Kampagnen starten.<br />

Macht keinen Sinn, sieht aber wichtig aus. Problem gelöst.<br />

Und der Honk? Ja, jetzt kommt der Honk. Wie sieht der das wohl? Ganz<br />

klar, natürlich lehnt unser Honk den Kapitalismus samt seiner<br />

Auswirkungen und Marionetten grundlegend ab. Keine Angst. No Fear.<br />

Niemals, unter keinen Umständen. Politische Halbleichen und korruptes<br />

Manager-Gesockse gehen dem Honk sowieso komplett am<br />

Allerwertesten vorbei. Nimmt er erst gar nicht wahr. Vollständige<br />

Ingnoranz heißt das Zauberwort. Der Honk unterwirft sich niemals<br />

einem Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnis für schmale Kohle<br />

und auf Kosten seiner Menschenwürde, seiner Honkwürde. Keine<br />

Verängstigung, keine Ausnutzung eines Honk zugunsten einer<br />

positiveren Bilanz einiger Größenwahnsinniger mit Gottes-Komplex.<br />

Nie im Leben. Bevor es so weit kommt, baut der Honk selbst Kartoffeln<br />

und Gurken und Hanf an. Sorry, Frau Schaeffler, aber da kommen wir<br />

leider nicht zusammen.<br />

Hört sich ganz nach alternativem Lebensstil an? So von wegen mit ein<br />

paar anderen durchgeknallten Figuren zusammen in Badelatschen durch<br />

den Wald rennen, Beeren sammeln, Liedchen singen, Holz hacken,<br />

Eintopf kochen, Tischgebet aufsagen und dergleichen? Ach woher<br />

denn! Benz fahren macht Spaß, selbstgebrautes Bier schmeckt wie<br />

Katzenpisse, und auch Kokapalmen brauchen ein ganz spezielles Klima,<br />

die wachsen hier nicht. Alternativ können diejenigen leben, die das auch<br />

wollen. Die auch entsprechend alternative Bedürfnisse haben. Aber<br />

nicht der Honk, der hat andere Bedürfnisse.<br />

205


Weißt Du, Alan, da gibt`s nicht viel zu sagen. Ich arbeite wenig und<br />

verdiene dafür sehr viel. Ich schlafe mit schönen Frauen, die mich nicht<br />

nach meinen Gefühlen fragen. Ich fahre `nen Jaguar, wohne am Strand,<br />

und manchmal mixe ich mir am hellichten Tag -ohne, daß ich einen<br />

Anlaß dafür wüßte- einen gewaltigen Eimer Margaritas. Und dann<br />

schlafe ich auf der Terrasse ein.<br />

206<br />

(Charlie Harper)<br />

Der Honk ist auch nur ein Mensch. Und hat demzufolge auch relativ<br />

normale menschliche Bedürfnisse. Schnelle Autos, harte Drinks, heiße<br />

Miezen, na klar. Und was haben diese schönen Dinge gemein? Logisch,<br />

sie kosten Geld. Glücksspiel, Sportwetten und diverse andere<br />

Annehmlichkeiten dazu, und der Kreis schließt sich. Kostet alles Geld,<br />

viel Geld. Und diesen Umstand kann auch unser Honk nicht ignorieren.<br />

Es sei denn, er ist Zechpreller und Kleptomane. Ist er aber nicht. Und<br />

deshalb muß es auch für unseren Honk heißen: Waren und<br />

Dienstleistungen gegen Geld. Ganz einfache Kiste, ganz easy. Hier:<br />

Waren und Dienstleistungen � Geld<br />

So sieht das aus. Wir brauchen also Geld. Ziemlich viel Geld sogar.<br />

Spaß und Spiel kostet nicht viel. Von wegen. Vielleicht nicht für<br />

Kinder. Aber als Honk Mitte 30 hat man da schon ein paar andere<br />

Vorstellungen. Da kostet Spaß und Spiel ziemlich viel, zuweilen sogar<br />

unheimlich viel. Folglich brauchen wir auch ziemlich viel Kohle. Ja,<br />

genau, Kohle. Asche, Schotter, Kies. Moneten. Bling-Bling. Denn<br />

schließlich haben wir ja nur dem Kapitalismus abgeschworen, nicht aber<br />

dem Materialismus. Und dieser sagt: Ohne Moos nichts los. Gilt also<br />

auch für uns. Und heißt schlicht und einfach nur, daß wir Geld<br />

beschaffen müssen, ohne uns dabei der Knechtschaft kapitalistischer<br />

Zwangsarbeit zu unterwerfen. Und dies am besten noch weitestgehend<br />

im Rahmen von Recht und Ordnung, vgl. Punkt a) dieses Kapitels.


Also müssen wir unser eigenes Ding durchziehen. Eigene Arbeit auf<br />

eigene Tasche und stets unter Berücksichtigung der eigenen<br />

Entfaltungsmöglichkeiten. Aber hallo! Kollege Marx würde sich vor<br />

Verzückung im Grabe umdrehen. Wir erwirtschaften eigenständig das,<br />

was wir für unser Leben und unsere Familie brauchen. Hört sich irre an?<br />

Kein Stück. Irre gut vielleicht. Denn statt sich jeden Morgen um 7 Uhr<br />

an einem Terminal oder einer uralten Stechuhr einzuloggen, um dann<br />

irgendeiner hirnlosen Maloche nachzugehen, deren Produkt man<br />

komplett entfremdet ist, machen wir es anders. Als Honk haben wir<br />

diverseste Möglichkeiten, Kohle zu verdienen. Echt jetzt. Hier, zack, ein<br />

Buch geschrieben, ganz toll. Über irgendein dusseliges Thema.<br />

Honkland oder ähnlicher Blödsinn, vollkommen egal. Die eigenen<br />

Gedanken und Gefühle ausdrücken, ein paar Schuß Ironie, Fiktion und<br />

Sarkasmus hinzu, zack, fertig. Pure Selbstverwirklichung, kreative<br />

Entfaltungsmöglichkeit in reinster Form. Herrlich. Stößchen.<br />

Klar, kaufen und lesen muß es dann auch noch der ein oder andere<br />

Arsch. Aber das sollte nun wirklich unser kleinstes Problem sein. Denn<br />

in unserer verkorksten Gesellschaft findet sich für jede erdenkliche<br />

Paviankacke Kundschaft. Und was für Kundschaft, mein lieber Mann.<br />

Voll die Kunden! Je oller, desto doller. Phantastisch. Es dürfte also<br />

völlig außer Frage stehen, daß unser schönes Honkland ein Bestseller<br />

wird. Vielen Dank dafür im voraus. Abermals Stößchen.<br />

Und wenn man keine Zeit hat, so ein schönes Buch zu schreiben? Weil<br />

man unter der Woche 40 bis 50 Stunden Zwangsarbeit verrichten muß,<br />

um dann nach Feierabend und am Wochenende Sklave von Haus,<br />

Garten, Frau, Kind und Schützenverein zu sein? Naja, keine Ahnung,<br />

dann eben nicht. Dann eben kein Buch, kann ich dann auch nicht<br />

ändern. Selbst Schuld, könnte man sagen, man hat sich das ja so<br />

ausgesucht. Und außerdem gibt es noch zig weitere Möglichkeiten,<br />

eigenständig Kohle zu verdienen. Muß ja nicht jeder gleich ein Buch<br />

schreiben, wo kommen wir denn da hin?! Sonst müssen wir noch unsere<br />

Prognose ändern. Dann haben wir nämlich in 20 Jahren nicht mehr nur<br />

lauter Pop-, Top-, Super- und Pornostars, sondern ferner Heerscharen<br />

talentfreier Pseudo-Autoren, die über irgendeinen belanglosen<br />

Scheißdreck referieren, den kein normaler Mensch freiwillig lesen will.<br />

Nee, also das muß dann aber auch nicht sein.<br />

207


Nein, nein, nein, das möchten wir nicht. Und das war jetzt aber auch<br />

schon wieder ein klein wenig Overselling. Also eine leichte<br />

Überzeichnung des Sachverhalts. Denn natürlich verfügt nicht jeder<br />

über die erforderlichen Voraussetzungen, die vonnöten sind, um als<br />

lustiger Autor erfolgreich bestehen zu können. Oder konkret: Singen,<br />

tanzen, modeln und ficken ist zwar very hartes Business, ganz klar.<br />

Aber deutsche Sprache ist härter. Deutsche Sprache ist hammerhart,<br />

PISA läßt grüßen. Egal. Schreibt also nicht jeder ein eigenes Buch, und<br />

das ist auch gut so. Macht man halt was anderes.<br />

Alternativ könnte man mit Aktien zocken. Daytrading. Also Aktien<br />

kaufen und Minuten später idealerweise zu erhöhten Kursen wieder<br />

verkaufen. Müßte also eigentlich Minutetrading heißen. Äußerst<br />

spannende Sache, sehr adrenalinlastig, sehr nervenaufreibend, braucht<br />

man keinen Kaffee mehr. Schnell viel kaufen, schnell viel verkaufen.<br />

Nur niemals über Nacht liegenlassen. Denn wenn im Ami-Land mal<br />

wieder irgendein Penner Amok läuft, kann man sich am nächsten<br />

Morgen lieber gleich aufhängen, anstatt auf die aktuellen Kurse zu<br />

gucken. Man braucht also Nerven wie Stahlseile, ein bestimmtes<br />

Anfangskapital und ein entspanntes, ruhiges Umfeld. Letzteres dürfte<br />

für die meisten am schwierigsten zu realisieren sein. Also das Umfeld.<br />

Winziges Home-Office mit Hausdrachen und plärrenden Blagen im<br />

Nacken ist nämlich kein entspanntes Umfeld. Vielleicht mit fünf Gramm<br />

Gras pro Tag, aber das dann natürlich auf Kosten der eigenen<br />

Geschäftsfähigkeit. Kann ich nur von abraten, bringt nichts. Mit viel<br />

Pech wacht man dann eines Morgens im Garten auf, Frau und Kinder<br />

weg, dafür 10.000 Infineon oder vergleichbaren Super-GAU im Depot.<br />

Guten Tag auch. Da kann man dann gleich im Garten liegenbleiben, ist<br />

besser. Alles in allem also auch Daytrading nicht jedermanns Sache.<br />

208


Wenn Ihr Nervensystem nicht den Treibstoff erhält, den es von den<br />

Kohlenhydraten benötigt, entwickeln Sie eine gestörte Persönlichkeit.<br />

Und ich meine wirklich gestört. Jeder, der schon lange Bodybuilding<br />

betreibt oder sich damit beschäftigt und auch mal hinter die Kulissen<br />

geschaut hat, weiß, daß viele Bodybuilder verrückt sind. Ich habe sie<br />

merkwürdige Dinge machen sehen und frage mich oft, ob das nicht<br />

daraus resultiert, daß Sie zu lange kohlenhydratarme Diäten befolgen.<br />

209<br />

(Mike Mentzer)<br />

Wie wäre es denn vielleicht mit einer Karriere als Profi-Sportler? Wäre<br />

das nicht interessant?! Vielleicht als Bodybuilder? Das wäre doch was.<br />

Den ganzen Tag fressen und schlafen, ab und an mal ein Stündchen<br />

Hanteln schwingen und den Rest der Zeit Anabolika fixen. Eigentlich<br />

ein schönes Leben, wenn man darauf klarkommt. Denn daß Testosteron,<br />

Dianabol, Wachstumshormon und Insulin erhebliche physische<br />

Nebenwirkungen haben, sollte hinreichend bekannt sein. Im Idealfall<br />

noch ein paar Schlankmacher und Entwässerer dazu, und man kann<br />

Wetten darauf abschließen, ob einem der extreme Blutdruck zuerst Herz<br />

und Nieren sprengt, ob die Spongebob ähnelnde, löchrige Leber einem<br />

ein ebenso schönes gelbes Gesicht macht, oder ob man lieber gleich<br />

sehr stil- und schmerzvoll an einem Insulinschock stirbt.<br />

Hinzu addieren sich erhebliche psychische Nebenwirkungen und die<br />

Rentabilität des ganzen Unterfangens. Denn daß der ganze Stoff nicht<br />

nur auf die Organe, sondern auch erheblich auf die Birne geht, dürfte<br />

jedem klar sein, der schon einmal ein einschlägiges Fitness-Gym von<br />

innen sehen bzw. bestaunen durfte. Die roten, aufgedunsenen Rüben mit<br />

den irren Augen sprechen Bände. Da muß gar keiner mehr von denen<br />

das Maul aufmachen, ein irrer Blick reicht schon. Tiefgreifende<br />

Minderwertigkeitskomplexe in Verbindung mit einer durch Anabolika<br />

ausgelösten, aggressiven Bewußtseins- und Verhaltenstörung sind eine<br />

hochexplosive und brandgefährliche Mischung für alle Beteiligten.


Naja, und die Rentabilität des ganzen Unterfangens muß leider auch als<br />

ziemlich bescheiden bewertet werden. Die Leute, die professionell mit<br />

Bodybuilding ausreichend Geld verdienen und nach Abzug von<br />

Anabolika und Co. noch genug für ihren Lebensunterhalt übrig haben,<br />

kann man an zwei, drei Händen abzählen. Der Rest verstofft lediglich<br />

sinn- und planlos Kohle, Gesundheit und Birne. In anderen Sportarten,<br />

in denen man ein gewisses physisches Potential aufbringen muß, sieht<br />

es nicht viel anders aus. Alle voll zugedröhnt. Boxer, Gewichtheber,<br />

Radfahrer, Läufer, Werfer, Springer, einfach alle, deren Motto stärker,<br />

schneller, weiter, höher lautet. Alle dicht, alle voll. Und das ist auch gut<br />

und richtig so, weil ansonsten nämlich nichts mehr ginge. Zack, aus,<br />

Feierabend. Man muß sich nur einmal die ganzen Mädels beim<br />

Speerwurf ansehen, dann weiß man ganz genau, was Sache ist. Die<br />

haben Lat-, Trizeps- und Deltamuskeln, da wird jeder Mann neidisch.<br />

Und wenn dann wirklich mal einer positiv auf Doping getestet wird,<br />

dann rauscht es lustigerweise gleich im Boulevard-Blätterwald: Pfui,<br />

der war gedopt. Was natürlich immenser Quatsch ist. Richtigerweise<br />

müßte es nämlich heißen: Pfui, der hat nicht rechtzeitig abgesetzt. Das<br />

träfe den Kern ziemlich genau. Denn mittlerweile müßte eigentlich<br />

jedem Dämlack klar sein, daß im professionellen, überwiegend<br />

physischen Leistungssport alle bis unter die Halskrause vollgestofft<br />

sind. Alle zugedröhnt bis obenhin. Das nur mal so am Rande. Absetzen<br />

heißt das Zauberwort, kein Witz. Also schlicht und einfach<br />

Zeitmanagement. Den Zeitpunkt bestimmen, an welchem man seinen<br />

Stoff absetzen muß, damit er bei der nächsten unangekündigten (na klar)<br />

Kontrolle soweit aus dem Körper verschwunden ist, daß man als negativ<br />

getestet wird. Das ist alles. Nicht mehr, nicht weniger.<br />

Man denke zurück an den 09.12.1995. Sehr denkwürdiges Datum. Denn<br />

da gab es den Boxkampf Francois „Franz“ Botha gegen Axel<br />

„Fackelmann“ Schulz. Botha gewann den Kampf nach Punkten, wurde<br />

nachträglich jedoch wegen einer positiven Dopingprobe disqualifiziert.<br />

Da hieß es: Pfui, der fette Franz hat gedopt. Natürlich. Wie gut, daß<br />

Wladimir und Vitali nur deshalb wie He-Man und Hulk aussehen, weil<br />

sie täglich 14 Stunden trainieren und 30 Milchschnitten fressen. Egal.<br />

Auf jeden Fall hatte man sich auf den bösen Onkel Franz eingeschossen.<br />

Das Böse war wieder einmal personifiziert.<br />

210


Sieben Jahre zuvor, bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul, hatte<br />

man noch Ben Johnson am Wickel. Nicht nur, weil er wie ein Wrestler<br />

oder Bodybuilder aussah, nein, dummerweise hatte er sein Winstrol<br />

auch nicht rechtzeitig abgesetzt. Was ziemlich schlecht war und auch<br />

sehr schade, denn daraufhin wurde ihm nicht nur seine schöne<br />

Goldmedaille, sondern auch sein schöner Weltrekord (9,79 Sekunden<br />

auf 100 m) aberkannt. Was wiederum tragisch war, weil er lediglich zu<br />

spät abgesetzt hatte. Nur weil die Sprinter heute wie 12-jährige<br />

Schulmädchen aussehen, heißt das nicht, daß sie ungedopt sind. Denn<br />

auch im Profisport lernt man dazu. Und deshalb greift man heute zu<br />

Mittelchen, die einen schnell und stark machen, ohne einem dabei die<br />

Optik eines bulgarischen Powerlifters zu verleihen.<br />

Mittlerweile hat man sich auf den Radsport als Achse des Bösen<br />

eingeschossen, was für eine Überraschung. Los ging`s mit Jan „Ecstasy“<br />

Ullrich, der natürlich noch nie im Leben gedopt hat. Es folgten etliche<br />

weitere Fälle, bis sich irgendwann selbst der letzte Zweckoptimist<br />

eingestehen mußte, daß die Tour de France nur noch eine Tour<br />

d`Apotheke ist. Also mußte wieder ein Butzemann her, das Böse mußte<br />

erneut personifiziert werden. Kein Thema, nehmen wir doch diesmal<br />

den fiesen Doc Fuentes mit all seinem widerlichen EPO,<br />

Blutplasmakonserven und Wachstumshormonen. Also Sack über den<br />

Kopf, Knüppel drauf, zack, Radsport wieder sauber. Stößchen.<br />

Ist natürlich nicht Stößchen, ist Blödsinn. Selbst die Jungs und Mädels<br />

bei den Paralympics ballern sich heute zu. Zuballern und rechtzeitig<br />

absetzen, nur darum geht es. Funktionäre und Medien verschleiern das<br />

gern, indem sie ein paar positiv getestete Athleten ganz plakativ und mit<br />

entschiedener Härte ans öffentliche Kreuz nageln, und gut ist. Sport<br />

wieder sauber, erhobener Zeigefinger, und weiter. Business as usual,<br />

show must go on. Das Ganze ist natürlich ein einziges Lügen-<br />

Kartenhaus, welches akribisch vor dem nahenden Einsturz bewahrt<br />

wird, weil man nicht weiß, wie die Öffentlichkeit darauf reagieren wird.<br />

Die breite Masse wird also zielgerichtet und vorsätzlich belogen. Aus<br />

Angst vor den etwaigen Folgen. Und genau deswegen kann man als<br />

Honk auch kein Profisportler werden. Lug, Betrug und Steroide sind<br />

eine Mischung, die einem Honk auf das zarte Mütchen schlagen<br />

könnten. Und das möchte man als sensibler Honk lieber vermeiden.<br />

211


Sonst endet man noch wie die arme, unschuldige Frau Pechstein...<br />

Also besser nicht. Doch wie sieht es mit anderen Sportarten aus?<br />

Vielleicht mit solchen, bei denen der mentale Faktor bzw. die<br />

Konzentration eine zentrale, übergeordnete Rolle spielt? Schach oder<br />

Billard womöglich? Nein, todlangweilig. Bißchen mehr Action darf es<br />

dann doch sein. Wir wäre es mit Autorennen? Vielleicht Formel 1?<br />

Können wir leider auch gleich wieder vergessen. Da hätten wir schon<br />

mit drei Jahren irgendwie anfangen müssen, irgendwas zu fahren.<br />

Frisiertes Bobby-Car oder Formel ADAC oder ähnlicher Kokolores.<br />

Hinzu kommt, daß wenn man sich mal die Piloten von heute ansieht,<br />

wird man feststellen müssen, daß diese eher einem Schulstreber ähneln<br />

als einem draufgängerischen Heißsporn und Teufelskerl. Zu aktiven<br />

Zeiten von Nicki Lauda wäre das noch richtig geil gewesen, heute eher<br />

nicht mehr. Also auch nichts für uns, auch nichts für Honks.<br />

Ohne mich jetzt zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen, befürchte<br />

ich dann aber leider doch, daß eine Karriere als Profisportler für die<br />

meisten von uns nicht mehr in Betracht kommt. Mit vielen<br />

Randsportarten läßt sich eh keine Kohle verdienen. Zumindest nicht<br />

genug, um davon leben zu können. Und wenn man sich schon die<br />

Gesundheit ruiniert, dann sollte zumindest auf der finanziellen Ebene<br />

was dabei rumkommen. Das war ja unser primäres Anliegen dabei.<br />

Kohle verdienen. Weitestgehend jenseits des Kapitalismus. Und dies<br />

wird mit Sport nicht klappen können, weil wir bei den meisten<br />

Sportarten auf Sponsoren und Verträge angewiesen wären, um unser<br />

Leben finanzieren zu können. Also von Kapitalgebern abhängig, was<br />

wir ja gerade vermeiden wollten. So sieht`s mal leider aus. Und für die<br />

richtig geilen Sportarten, die uns Bewunderung, Ruhm und finanzielle<br />

Unabhängigkeit garantieren, sind wir bereits zu alt. Mit Ende 20 oder<br />

Anfang 30 werden wir kein Cristiano Ronaldo oder Roger Federer<br />

mehr. Also Sport bitte ganz schnell wieder vergessen, zumindest als<br />

Mittel zur Finanzierung des Lebensunterhalts.<br />

212


Einen Australier mit Känguru zu fotografieren, das ist ungefähr so, wie<br />

einen Deutschen mit einer Bratwurst im Arm abzulichten.<br />

213<br />

(Joshua Kennedy)<br />

Keine Ahnung, was man sonst noch anstellen könnte. Vielleicht eine<br />

Dönerbude aufmachen. Als Deutscher. Eine schöne, deutsche<br />

Dönerbude. Sehr zeitgemäß. Könnte klappen. Schön Schweinshaxe und<br />

Sauerkraut im Weißbrot, dazu Weizenbier. Altdeutscher Döner<br />

sozusagen. Und das Ganze am besten in Berlin-Kreuzberg. Standort-<br />

Optimierung. Lustige Vorstellung. Aber leider nicht realisierbar, denn<br />

ruckzuck hat man das ganze Pack am Hals. Und damit meine ich nicht<br />

unsere warmherzigen, ausländischen Freunde, sondern vielmehr<br />

Lebensmittelkontrolleure, Gesundheitsamt, GEZ und ähnliche<br />

Muffpoken. Auflagen, Abgaben, Beiträge. Voll zum Kotzen. Soviel<br />

Döner kann man gar nicht verkaufen. Zumindest nicht für drei Euro pro<br />

Stück. Selbst mit extrem kross angebratener Gammel-Haxe nicht. Da<br />

braucht man gar nicht erst losgehen, es wird nicht funktionieren.<br />

Und wenn dann auch noch so ein krummer Vogel auf der Matte steht<br />

und zwielichtig und unheilschwanger rumglotzt und rumnervt, ob denn<br />

auch das Rauchverbot eingehalten wird oder ob die sanitären Anlagen<br />

einem gewissen Standard entsprechen oder die hauseigene Kühlung in<br />

Ordnung ist, dann ist sowieso alles vorbei. Nachdem man den dann<br />

zusammenschlagen oder anderweitig mißhandeln mußte, wird einem der<br />

Laden eh dichtgemacht. Und zwar ratzfatz, und auch ohne mit der<br />

Wimper zu zucken. Zack, zu ist das Ding. Und vor allen Dingen dann<br />

auch ohne ein paar Milliönchen staatliche Subventionen vorher, sollte<br />

auch klar sein. Wir heißen nämlich leider nicht AIG oder xyz-Bank,<br />

nein, wir heißen Kreuzberger Preußen-Schänke oder Germanischer<br />

Haxen-Grill. Und können somit Subventionen jeder Art von Anfang an<br />

vergessen. Allein der Name ist schon viel zu tight für jedwede<br />

Subvention-Competition.


Wir müssen also leider feststellen, daß unser Unterfangen, Geld zu<br />

beschaffen, ohne uns dabei der Knechtschaft kapitalistischer<br />

Zwangsarbeit zu unterwerfen, nicht ganz einfach zu bewerkstelligen ist.<br />

Was natürlich auch Sinn und Zweck der Übung ist. Denn wenn es so<br />

simpel wäre, jenseits der Mauern des Kapitalismus eigenständig und<br />

unabhängig sein Geld zu verdienen, würden sicher viele von uns die<br />

Chance nutzen wollen, so viel steht mal fest. Dies ist aber gar nicht so<br />

sehr erwünscht und auch nicht so gern gesehen. Weil es den<br />

Kapitalismus aushebeln, schwächen und mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

letztendlich auch zugrunderichten könnte. Und das sehen unsere<br />

modernen Lehnsherren aus Politik und Wirtschaft natürlich nicht gern.<br />

Unsere Staats-, Politik- und Wirtschaftsoberhäupter sehen das sogar<br />

nicht nur nicht gern, sondern möchten das auch mit allen möglichen<br />

Mitteln verhindern. Was nur allzu gut verständlich ist, denn sie sind<br />

diejenigen, die am meisten vom Kapitalismus profitieren. Die großen<br />

Nutznießer, die charmanten Profiteure, die smarten Gewinner, unsere<br />

Helden auf der großen Bühne des Kapitalismus. Nur deswegen das<br />

ganze Theater, nur deswegen der ganze Zirkus. Nur darum geht es. The<br />

King of Bling-Bling, na klar. Die ganzen Ruhigstellungen,<br />

Reglementierungen, Besteuerungen, Verängstigungen und ähnlicher<br />

Wahnsinn. Alles zum Wohle des schönen Kapitalismus. Nein, sorry, es<br />

muß ja freie Marktwirtschaft heißen. Nein, nochmals sorry, es muß ja<br />

sogar soziale Marktwirtschaft heißen. Das ist ja noch viel besser. Weil<br />

das ja alles so durch und durch und so überaus sozial hier abgeht. Wer<br />

hätte das gedacht?! Auf die soziale Marktwirtschaft! Stößchen!<br />

Insoweit bleibt nur festzuhalten, daß es alles andere als einfach ist, in<br />

unserer tollen sozialen Marktwirtschaft eigenständig, zwangfrei und<br />

weitestgehend legal Geld zu beschaffen. Viele müssen sich leider in ein<br />

kapitalistisches Abhängigkeitsverhältnis begeben, um überleben zu<br />

können. Politik und Wirtschaft schüren die kapitalistischen<br />

Todesängste, weil sie davon am meisten profitieren. Rentable oder<br />

kreative eigene Ideen -beispielsweise eine Ein-Euro-Kornbrennerei oder<br />

professionelles Glücksspiel- werden durch staatliche Auflagen ganz<br />

bewußt und bereits im Keim erstickt. Und sollte jemand in größter Not<br />

auf illegale Mittel zur Beschaffung von Finanzen zurückgreifen, wird<br />

dies von Vater Nachtwächter drakonisch sanktioniert.<br />

214


Es wird also alles Menschenmögliche getan, um den Großteil der<br />

Bevölkerung in einem maroden System zu halten. Systembindung<br />

genießt höchste Priorität. Das funktioniert heute jedoch nicht mehr so<br />

einfach wie noch vor einigen Jahren. Es wird immer schwieriger, weil<br />

immer mehr Menschen anfangen, selbst zu denken. Also richtig selbst,<br />

nicht irgendeine fremdgesteuerte Pseudo-Meinung, die man sich<br />

vermeintlich objektiv aus dem Bullshit herauskristallisiert hat, den uns<br />

Politik, Wirtschaft und Medien tagtäglich auftischen. Nein, richtiges<br />

eigenes Denken. Man soll es nicht für möglich halten. Ich persönlich<br />

würde eher auswandern und eine Bratwurst-Bude in Kasachstan oder<br />

auf Teneriffa eröffnen. Oder Tasmanische Teufel in Australien<br />

beschneiden, ginge auch. Und es gibt einen Haufen Leute, die das lieber<br />

heute als morgen sehen würden. Und das ist auch gut so und vor allen<br />

Dingen auch völlig egal, solange der Weg nicht wieder zurück in die<br />

kapitalistische Matrix führt. Alles andere ist vorstellbar, aber keine<br />

Systembindung mehr für den Honk. Der Honk ist draußen. Und wem<br />

das jetzt aber nicht paßt, dem kann ich dann aber auch nicht helfen.<br />

Jeder kann sich also vermeintlich frei entscheiden. Vermeintlich<br />

deshalb, weil viele interne und mindestens genauso viele externe<br />

Faktoren bei der Entscheidung berücksichtigt werden müssen. Nur sehr<br />

wenige Fremdopfer trauen sich den doch recht radikalen Schritt zum<br />

Honk. Dieser sollte daher bereits im Vorfeld gründlichst überdacht sein.<br />

Wer allerdings einmal an dem Punkt angekommen ist, wo es für ihn fast<br />

täglich unerträglicher wird, ein immer ängstlicher werdender Teil eines<br />

immer unsicherer werdenden Systems zu sein, der sollte seinen letzten<br />

Rest Mut und seinen letzten Funken Hoffnung aufraffen und aussteigen.<br />

Dem System, dem Kapitalismus, dem Wahnsinn entsagen. Rigoros, mit<br />

allen dazugehörigen Konsequenzen. Honk werden. Frei werden.<br />

Bißchen verrückt vielleicht, aber frei. Oder vielmehr frei und ein ganz<br />

klein wenig verrückt. Nette Kombi, geile Kombi, irre Kombi. Ja, irre,<br />

völlig irre. Wie sonst könnte man wohl das literarische<br />

Kabinettstückchen bewerkstelligen, die Themen Kapitalismus und<br />

Doping im Leistungssport in ein und demselbem Kapitel abzuhandeln?!<br />

Einfach geil, einfach irre. Eine irre Kombi!<br />

Stößchen!<br />

215


Der Kapitalismus hat gesiegt! Was brauchen wir noch den kritischen<br />

Geist? Wir laben uns lieber am Senf von Verona Pooth, Udo Walz oder<br />

Dieter Bohlen.<br />

bb) In der Glotze<br />

216<br />

(Michael Müller)<br />

Okay, zugegeben: Die letzten Seiten zum Thema Kapitalismus waren<br />

ziemlich harter Tobak und sicherlich auch nicht für jeden gleich auf<br />

Anhieb verständlich. Ist aber auch gar nicht weiter schlimm, macht<br />

nichts. Es ist okay. Zumindest dann, wenn dem ein oder anderen gegen<br />

Ende der Exkursion dann doch aufgefallen sein könnte, daß der Honk<br />

nicht unbedingt ein Freund kapitalistischer Unterdrückung ist. Wenn<br />

wir das bitte als einschlägigen Tenor mitnehmen könnten. Das wäre<br />

ganz gut, damit wäre uns schon sehr geholfen. Denn nur darum ging es.<br />

Das war Sinn des Exkurses, Zweck der Phrasendrescherei, Ziel des<br />

Overselling. Wobei eigentlich gar nicht so viel gedroschen und oversold<br />

wurde, wenn ich es mir mal so recht überlege.<br />

Sei`s drum. Die letzten Seiten waren harter Tobak, böse Realität,<br />

traurige Wahrheit. Krasses Zeug. Zeit für ein wenig Antagonismus, Zeit<br />

für eine etwas seichtere Thematik. Und was könnte seichter sein als ein<br />

kleiner Ausflug nach Bizarro-World?! Nichts. Rein gar nichts. Ein<br />

letzter kleiner Ausflug in die große, bunte, weite Welt des televisionären<br />

Wahnsinns. Leider. Leider muß es wieder sein. Es führt kein Weg daran<br />

vorbei, der Zweck erfordert es. Denn es ist an der Zeit, zu eruieren, ob<br />

und wie sich unser Honk als Ignorant auf der großen Bühne von Aso-<br />

und Opfer-TV präsentieren kann. Was tut er? Tut er überhaupt etwas?<br />

Kann er es ignorieren? Will er es ignorieren? Darf er es überhaupt<br />

ignorieren? Oder muß er es letzten Endes sogar ignorieren? Diese und<br />

weiterführende Fragen werden im Laufe dieses Kapitels nun zu erörtern<br />

und zu beantworten sein.


Auf geht`s, Ladies and Gentlemen. Bitte schnallen Sie sich fest an,<br />

stellen Sie Ihren Sitz in eine aufrechte Position, wir starten in eine neue<br />

Runde telemedialen Dünnschiß. Für den Autor heute bitte nur einen<br />

doppelten Gin Tonic. Denn es ist erst 17 Uhr morgens, und er hat letzte<br />

Nacht nur 13 Stunden geschlafen. Fahr` ab die Scheiße:<br />

17.00 Uhr, PRO7, taff.<br />

Eine gerade volljährige Vollidioten hat sich 50 oder 100 schwarze<br />

Sterne mitten in die dumme Fresse tätowieren lassen und findet das jetzt<br />

aber gar nicht mehr gut, was ich aber gar nicht verstehen kann. Denn ich<br />

finde das total geil, endgeil, sieht total endgeil aus. Fast so endgeil wie<br />

Pubertäts-Akne. So endgeil sieht das mal aus. Anzahl der Sterne<br />

synchron zur Höhe des IQ. Boing. Egal. Kann und will ich mich heute<br />

nicht mit befassen. Auch Schwachsinn kennt Grenzen. Außerdem haben<br />

wir das ranzig-debil-banale taff-Format bereits im Rahmen der<br />

Abhandlung unseres Vollopfers erschöpfend analysiert. Muß reichen,<br />

mehr geht nicht. Andere Formate sollen auch ihre Chance bekommen.<br />

18.00 Uhr, RTL, Explosiv - Das Magazin<br />

Auch nicht besser. Eher noch schlechter. RTL halt. Thematisiert wird,<br />

wie irgendein Kerl namens Nico Schwanz mit irgendwelchen<br />

Nageltanten -sorry, Nail-Desingerinnen muß es ja heißen- abwechselnd<br />

in einem Whirlpool sitzt. Und mit denen über ihre hübschen, langen,<br />

bunt angemalten Plastik-Krallen -bei denen jeder halbwegs normale,<br />

unperverse Mann das krasse Kotzen kriegt- dummschwätzt. Besten<br />

Dank auch. Und herzlichen Glückwunsch, denn genau das hat der Welt<br />

noch gefehlt: Nageltanten und ein weiterer F-Promi. Stößchen.<br />

20.15 Uhr, VOX, Goodbye Deutschland! Die Auswanderer<br />

Vielleicht VOX? Vielleicht die Auswanderer? War doch eine Zeit mal<br />

ganz interessant und spannend anzusehen. Die Betonung liegt auf war.<br />

Denn seit gefühlten 500 Folgen berichten die da hauptsächlich über<br />

irgendeine extrem hohl-blondierte Plastik-Uschi so Anfang 20, die<br />

irgendwo in Amerika rumkaspert und deren Primärziel es ist, in den<br />

Puff dieses komischen alten Tattergreises vom Playboy einzuziehen.<br />

217


Und bis das dann irgendwann so weit ist oder auch nicht, wird der<br />

faszinierte Zuschauer mit jedem noch so bescheuerten Detail dieses<br />

spannenden Aufenthaltes beglückt. Denn wenn Amerika eines gefehlt<br />

hat, dann doch wohl eine hirn- und bauchfreie Plastik-Blondine, die<br />

singen, tanzen oder ficken will. Spitze. Und VOX läßt uns an diesem<br />

denkwürdigen Ereignis mit solch einer fulminanten Detailverleibtheit<br />

teilnehmen, daß einem die Haare zu Berge stehen. So dürfen wir also<br />

unter anderem Zeuge werden, wie die kleine Frutte in einem<br />

Freizeitpark Achterbahn fährt oder sich in ihrer Bude mit Aerobic-<br />

Übungen den Babyspeck wegtrainieren will, weil ein Fotoshooting<br />

bevorsteht. Danke, liebes VOX-Team. Und God bless America.<br />

Und während ich so etwas verdutzt in die Küche schlendere und<br />

schlurfe, um mir dort einen weiteren, diesmal dreifachen Gin Tonic<br />

zuzubereiten, drängt sich mir geradezu eine Frage auf. Eine etwas<br />

verwegene, für mich jedoch einzig logische Schlüsselfrage: Kann man<br />

die Dussel-Usch von VOX nicht einfach bei dem Schwanz-Mann auf<br />

RTL mit in den Pool reinsetzen? Würde doch Sinn machen, oder?!<br />

Merkt doch keiner den Unterschied. Eine Nageltante mehr oder weniger<br />

im Pool, fällt doch keinem auf. Dem RTL-Stammpublikum sowieso<br />

nicht. Zack, ab, rein da. Ab zu den anderen Uschis, ab in den Pool. Ab<br />

zum Schwanz-Mann! Und dafür dann auf VOX bei Goodbye<br />

Deutschland was zeigen, was dem Hirn nicht permanent den Anschein<br />

vermittelt, es befinde sich in der Endlos-Rille einer hauchdünnen und<br />

extrem flachen Langspielplatte. Geht aber ganz offensichtlich nicht, und<br />

deswegen beruhigen wir unser geschundenes Hirn lieber mit einem<br />

ordentlichen Schluck pur aus der Gin-Pulle und schalten um.<br />

22.15 Uhr, RTL, Extra - Magazin<br />

Zurück zu RTL. Auweia. Neuer Anlauf, diesmal Extra. Mit Birgit<br />

Schrowange. Mit Biggi. Komm` schon, Biggi-Baby, laß mich nicht<br />

hängen. Ich fand Dich schon immer ganz gut, insbesondere verglichen<br />

mit Deinen komischen Kolleginnen von RTL. Hilf mir, Baby, rette<br />

meine beknackte Geschichte. Hilfe! Und in der Tat, in der Tat, Biggi<br />

hilft mir wieder einmal. Einmal mehr zieht die Biggi meinen Hals aus<br />

der sprichwörtlichen Schlinge. Aber das habe ich mir schon vorher<br />

denken können. Und nur deshalb habe ich auf RTL umgeschaltet.<br />

218


Denn Biggi bzw. Extra bringt nun einen total lustigen Bericht über<br />

einen ehemaligen Promi-Friseur so um die 60, der seine ganze Kohle für<br />

eine Prostituierte verbraten hat. Wie geil ist das denn wieder?! Der war<br />

also mal mit Kollegen im Puff, hat dann da eine Nutte gesehen und sich<br />

in die verliebt. Phantastisch! Aber gar nicht mal so abwegig, ist einem<br />

Kumpel von mir auch mal passiert. Echt jetzt. Unser Friseur hat also<br />

gepimpert und gepimpert und gepimpert (genau wie unser Melvin) und<br />

gezahlt und gezahlt und gezahlt. Die Nutte ist dann irgendwann bei ihm<br />

eingezogen, unser Friseur hat all ihre Schulden bezahlt und ihr<br />

obendrein noch einen monatlichen Festbetrag überwiesen. So, und wie<br />

die Geschichte ausgegangen ist, kann sich jetzt wohl jeder Depp an fünf<br />

Fingern abzählen. Als kein Geld mehr da war, war die Nutte auch<br />

ruckzuck weg. Zack. Weg. Vorbei mit Stößchen, im wahrsten Sinne des<br />

Wortes. Wir eruieren hieraus eine weitere Kernthese, einen weiteren<br />

Leitsatz unseres schönen Buches:<br />

Geld weg, Nutte weg.<br />

Ursache und Wirkung. Unvermeidliche Kausalität. Und ein trauriges,<br />

zurückgelassenes Fremdopfer. Das jetzt wieder losgehen und Haare<br />

schnippeln muß. Was für ein Schicksal, der Kerl tut mir echt leid. Aber<br />

wie kann man denn auch so schräg drauf sein und einer Nutte ein paar<br />

hunderttausend Euro in den Arsch blasen?! Und als hätte man mich<br />

erhört, zeigen sie bei Extra auch gleich ein paar Nutten, die ganz offen<br />

zugeben, daß sie es gerade darauf anlegen. Also daß sich ein Stecher in<br />

sie verliebt. Der zahle dann großzügiger und sei generell auch<br />

spendabler als andere. Den könne man besser ausnehmen.<br />

Was für eine Farce! Sich von einer Nutte ausnehmen lassen. Das geht ja<br />

mal gar nicht. Ich kenne das nur umgekehrt. Also hinterher sagen, daß<br />

es voll übel war und nichts bezahlen. So kenne ich das, so muß das sein.<br />

Aber umgekehrt?! Ungeheuerlich. Armer Friseur. Muß nun auch noch<br />

sein letztes bißchen Würde verkaufen, indem er seine Story an RTL<br />

verhökert. Vielleicht für 2.000 oder 3.000 Euro, vielleicht weniger.<br />

Ganz traurige Geschichte. Und das ist ja nicht Sinn der Veranstaltung.<br />

Denn wenn der Honk traurig wird, muß er sich wieder besaufen. Also<br />

wie bei jeder anderen Gefühlsregung auch. Lieber schnell umschalten.<br />

Mal sehen, was SAT.1 so im Programm hat.<br />

219


23.20 Uhr, SAT.1, 24 Stunden<br />

Geiles Thema: Kids im Vollrausch. Saufen, bis der Arzt kommt.<br />

Endgeil. Endlich mal Stimmung. Aber auch nur, weil die Kids so krass<br />

geil besoffen sind. Total witzig. Ansonsten gleicht die Thematik eher<br />

einem alten Hut. Kennt jeder, weiß jeder, interessiert keinen. An der<br />

Wurzel der Problematik wird eh nicht angesetzt, und daher können sie<br />

noch so oft irgendwelche Kontrolleure zeigen, die den Kiddies den Stoff<br />

wegnehmen oder den Kiosk-Betreiber von nebenan verwarnen. Es nützt<br />

nichts, es nützt rein gar nicht, es ändert sich nicht das Geringste. Woher<br />

denn auch?! Solange Vater Nachtwächter unseren Kiddies keine<br />

Perspektiven bietet, wird weiter gesoffen, als gäbe es kein Morgen<br />

mehr. Das ist genauso sicher wie die Geld-Nutten-Thematik von eben.<br />

Also auf einen knappen Nenner gebracht:<br />

Wenig Perspektive, viel Suff.<br />

So, und wer jetzt aber extrem clever sein will, kann daraus ein ganz<br />

tolles positives Ziel ableiten. Im Idealfall könnten sogar unsere<br />

Halbleichen in Berlin mal ein kleines Äuglein hierauf riskieren. Zack:<br />

Mehr Perspektive, weniger Suff.<br />

Na, ist das zu fassen?! Wobei das jetzt natürlich auch sehr schwer zu<br />

eruieren war. Furchtbar schwer. Insoweit nur allzu gut verständlich, daß<br />

da noch keiner in Berlin von selbst drauf gekommen ist. Echt schwer.<br />

Und ich bin auch gar nicht mal sicher, ob das überhaupt alles stimmt.<br />

Denn irgendwie bringen ja diverse Kampagnen, Verbote und Kontrollen<br />

erheblich mehr. Sieht man ja ganz deutlich anhand unserer Kids und<br />

deren Koma-Saufen. Perspektiven für die Kids zu schaffen, wäre dann<br />

wohl doch zu einfach. Also besser weiter saufen, aber den erhobenen<br />

Zeigefinger beachten, den Fingerpoke of Doom. Denn ganz nebenbei<br />

muß ja auch die zukünftige prozentuale Alkoholiker-Rate gesichert<br />

werden. Also Stößchen! Auf die Zukunft, auf die Alkies!<br />

220


Na und, dann bin ich halt mit einem Alkoholiker zusammen und habe<br />

ein Kind mit ihm. Und weißt Du was?! Da bin ich stolz drauf, weil ich<br />

ihn liebe tue.<br />

221<br />

(15-jährige Vollidiotin auf PRO7)<br />

Neuer Tag, neues Glück? Schön wär`s. Neuer Tag, dieselbe Scheiße.<br />

Das trifft es schon eher. Ich weiß auch gar nicht mehr, warum ich es<br />

getan habe. Ich weiß nur noch, daß ich wie gewohnt gegen 16.10 Uhr<br />

auf Kabel1 die Serie Two and a half Men anschauen wollte. Mit Charlie<br />

Sheen, falls den noch einer kennt. Aus Wallstreet und so. Egal. Auf<br />

jeden Fall war es noch keine 16.10 Uhr, sondern erst 15.30 oder 15.40<br />

Uhr oder so. Keine Ahnung, irgendwas in der Richtung. Warum ich die<br />

Glotze schon so früh angestellt habe, entzieht sich komplett meiner<br />

Kenntnis. Wahrscheinlich Verwirrtheit oder Kopf-Kirmes oder sogar<br />

psychischer Burnout, von der ganzen irren Schreiberei hier. Wie auch<br />

immer, die Glotze war zu früh an und dazu auch noch falscher Kanal.<br />

Ich hätte es besser wissen müssen:<br />

15.00 Uhr, PRO7, U20 - Deutschland, deine Teenies<br />

Zack! Der Hauptnerv! Getroffen! Ich habe den Hauptnerv getroffen!<br />

Den Hauptnerv des Aso-TV. Zufällig und ungewollt. Aso-TV in seiner<br />

reinsten, unverfälschten Form. Halleluja! Aso-TV at it`s Best!<br />

Unglaubliche Szenen. Unfaßbare Protagonisten, unfaßbare Dialoge,<br />

unfaßbare Djangos. Djangos und Honchos. Ein Honcho geiler als der<br />

andere. Was für Honchos! Goon Honchos, leck` mich einer am Arsch.<br />

Alle voll auf irgendwas hängengeblieben. Aber auf nichts Gutem, so<br />

viel steht mal fest. Meine Fresse. Aber trotz aller Begeisterung und<br />

Euphorie schön der Reihe nach. Wie gesagt, glücklicherweise habe ich<br />

die Glotze erst so gegen 15.30 bis 15.40 Uhr eingeschaltet. Und<br />

wahrscheinlich sitze ich nur deshalb heute noch aufrecht hier und bin in<br />

der Lage, die Geschehnisse aufzuschreiben.


Und die Geschehnisse überschlagen sich, das kann man schon einmal<br />

vorwegnehmen. Zuerst dürfen wir miterleben, wie ein total tighte und<br />

tierisch taffe (wunderschöne T-Alliteration) 14-jährige Gangsta-<br />

Checka-Sista eine Art Entschuldigungsbrief an eine kleine 18-jährige<br />

Uschi schreibt, die im Krankenhaus liegt, weil sie ein paar Tage zuvor<br />

von der 14-jährigen und ihrer Gang verdroschen wurde. Soll<br />

vorkommen, kann passieren, Schwamm drüber. Beraten wird unsere 14jährige<br />

Killer-Queen dabei von ihrer 15-jährigen Schwester, die<br />

mindestens dreimal so viel wiegt und die Weisheit auch nicht gerade mit<br />

Löffeln gefressen hat, dafür aber -logisch- bereits stolze Mami ist.<br />

Führung, Stil und Inhalt des Dialoges zwischen den beiden<br />

geschwisterlichen Leuchten legen die Vermutung nahe, daß für beide<br />

ein Hauptschulabschluß in galaktisch weiter Ferne stehen dürfte.<br />

Das ist aber auch gar nicht weiter relevant oder schlimm, muß nämlich<br />

alles gar nicht sein. Gibt ja wohl auch noch was anderes als Schule im<br />

Leben. Und wie auf Kommando schwenkt die Kamera auf die<br />

gegenüberliegende Straßenseite, wo dem faszinierten Zuschauer eine<br />

Horde besoffener Penner mit Fusel-Pullen präsentiert wird. Die torkeln<br />

und blöken und blödeln herum, prosten sich zu, lallen umher. Was<br />

besoffene Penner eben so tun. Stößchen. Einer der Penner hält in der<br />

einen Hand seine leckere Pulle und in der anderen Hand ein kleines<br />

Baby. Ein schlichtes, jedoch höchst ergreifendes Bild.<br />

Und für all diejenigen, bei denen der Groschen etwas langsamer bis gar<br />

nicht fällt: Natürlich ist die arme Kreatur, die unser Schluckspecht da<br />

stolz und besoffen emporstreckt, sein Baby. Vielmehr gemeinsames<br />

Baby von ihm und der 15-jährigen Tonne. So wird es uns zumindest<br />

glaubhaft berichtet. Aber muß ja nicht zwangsläufig stimmen, ist bei<br />

den Protagonisten des Aso-TV ja manchmal nicht so ganz einfach.<br />

Sexuelle Ungereimtheiten stehen bei denen an der Tagesordnung, um es<br />

mal vorsichtig zu formulieren. Aber wir wollen das hier mal so<br />

hinnehmen und den glücklichen Eltern alles Gute wünschen. Prost. Eine<br />

glückliche Familie, eine sehr sinnvolle Konstellation. Und als hätte sie<br />

uns gehört, beendet unsere 15-jährige Gracia Patricia den Dialog mit<br />

ihrer leicht denkfaul anmutenden Schwester und gesellt sich nebst<br />

Kinderkarre zu der illustren Penner-Runde. Stößchen!<br />

222


Damit ist eigentlich alles gesagt. Saufen, schlagen, ficken, doof.<br />

Deutschland, Deine Teenies. Deutschland ihm seine Teenies.<br />

Phantastisch. Herzlichen Glückwunsch. Uns allen. Noch ein bißchen<br />

Kifferei und Ladendiebstahl dazu, und wir sind durch. Wie auch immer.<br />

Es kommt dann noch die Mutter der beiden smarten Sisters zu Wort, die<br />

natürlich furchtbar stolz auf den Brief ihrer kleinen Aggro-Queen ist,<br />

anstatt dieser ihr legasthenisches Meisterwerk ins Maul zu stopfen, weil<br />

das jeder 8-jährige Sonderschüler besser formulieren kann. Naja, woher<br />

soll`s denn auch kommen?!<br />

Ferner gibt es noch jede Menge Zoff zwischen den beiden cleveren<br />

Teenie-Sisters selbst, na klar. Zwischendurch wird die Kinder-Gang der<br />

14-jährigen aufgelöst, auch total klasse. Und letzten Endes kommt es<br />

dann noch zu einem ganz tollen, klärenden, hochintelligenten und vor<br />

Wortwitz sprühenden Gespräch zwischen unserer 14-jährigen Aggro-<br />

Brotha-Gangsta-Checka-Sista-Chica-Queen und der kleinen 18jährigen<br />

zukünftigen Friseuse, die vorher von ihr verdroschen wurde.<br />

Alles in allem durch die Bank weg komplett absurde, sinn- und hirnfreie<br />

und völlig nutzlose Dialoge, die mein 4-jähriger Neffe besser führen<br />

könnte, wenn er müßte. Muß er aber zum Glück nicht.<br />

Soviel also zu meiner Aso-TV-Grenzerfahrung nachmittags an einem<br />

stinknormalen Wochentag. Ätzend, voll ätzend. Als ich in der Lage war,<br />

zu verstehen, was da überhaupt vor meinen Augen abgeht, war es<br />

bereits zu spät. Da konnte ich dann nicht mehr umschalten, nur noch<br />

staunen. Wie gelähmt, wie hypnotisiert. Wie paralysiert, paralysiert vom<br />

Schwachsinn. Aber jetzt ist Schluß damit, Gott sei Dank, jetzt ist 16.00<br />

Uhr. Schnell auf Kabel1 schalten, schnell umschalten, bevor mich der<br />

nächste Dünnschiß in seinen behämmerten Bann zieht.<br />

223


Wenn ich nach Deinem Körper schiele, denk` ich nur an Doktorspiele.<br />

Es wär` so schön, wenn`s Dir gefiele, meine geilen Doktorspiele. Wenn<br />

ich nach Deinem Körper schiele, denk` ich nur an Do-Do-Do-Do-Do-<br />

Do-Do-Doktorspiele.<br />

224<br />

(Alex C. feat. Y-Ass)<br />

Nein, Scheiß auf Kabel1, mir wird das dann doch mal zu blöd mit der<br />

ganzen Zapperei hier. Also aus die Glotze, Feierabend. Kriege nämlich<br />

gleich so richtig schön fiese Laune von der ganzen Hin- und Her-<br />

Schalterei. Und bevor das passiert (und weil ich mich bei schlechter<br />

Laune auch gleich wieder voll besaufen muß), ziehe ich in einem<br />

besonders raffinierten Schachzug eine Konserve aus meinem Zauberhut.<br />

Ja, ganz recht, eine Konserve. Eine Aufzeichnung, eine Mitschrift, ein<br />

Skript des Wahnsinns. Oder kurz: An einem Sonntag irgendwann Mitte<br />

2009 war ich früh abends noch so besoffen von dem Exzess nachts<br />

zuvor, daß ich in einem besonders hellen Moment spontan zu Papier<br />

und Bleistift griff, um mal eben ganz ad hoc eine besonders gelungene<br />

Ausgabe von Exklusiv Weekend mitzuschreiben bzw. zu dokumentieren.<br />

Alles in der vagen Hoffnung, daß mir das zu irgendeinem späteren<br />

Zeitpunkt noch einmal von Nutzen sein könnte.<br />

Und zack, da haben wir`s! Da ist das Ding! Ich habe heute nämlich<br />

keine Zeit und Lust, mich total vollzusaufen, nur, um diversen<br />

Schwachsinn in der Glotze verfolgen und interpretieren zu können. Also<br />

zack, greife ich auf meine beknackte Mitschrift zurück. Ein<br />

Geniestreich! Ich kenne den Dreck bereits und muß ihn nur noch<br />

abtippen. Die absurde Gefahr, aufgrund einer unerwarteten und<br />

überdurchschnittlich behämmerten Thematik einen spontanen Hirntod<br />

zu erleiden, ist also gebannt. Der krasse Stoff kann mich nicht mehr<br />

vom Hocker reißen. Und insoweit kann heute auf den Aufbau und<br />

Erhalt eines gewissen Alkohol-Pegels zwecks Hirntod-Prophylaxe<br />

verzichtet werden. Also ausnahmsweise mal nüchtern in medias res:


„Exclusiv Weekend. Wir sind da, wo auch die Stars sind. Immer besser<br />

informiert über die Welt der Reichen und Schönen. Tauchen Sie ein in<br />

die Welt der VIPs.“ Alles klar, ich will eintauchen und an der Welt der<br />

Reichen und Schönen und VIPs und so partizipieren. Auf geht`s, Frauke<br />

Ludwig, let`s rock. Fahr` ab die Scheiße!<br />

Exclusiv Weekend startet erwartungsgemäß mit einem Bericht über den<br />

54. Eurovision Song Contest 2009 in Moskau, welcher nachts zuvor<br />

stattfand. Gewonnen hat irgendein Kerl mit Geige aus irgendeinem<br />

krassen Land, während Deutschland auf Platz 20 landete. Folglich<br />

möchte man bei Exclusiv nun der Frage nachgehen, was denn da wohl<br />

falsch gemacht wurde. Was für eine geniale Frage! Was haben wir denn<br />

da wohl falsch gemacht?! Eine selten dämliche, überflüssige und<br />

absolut sinnlose Frage, die sich für jeden Menschen mit einem IQ im<br />

halbwegs grünen Bereich vollkommen erübrigt. Aber wir sind ja hier<br />

bei RTL, und da kann man sowas ruhig mal fragen.<br />

Denn während jedem geistig annähernd normal situierten Menschen ein<br />

Blick auf das Ergebnis der letzten Jahre -und insbesondere des<br />

Vorjahres- genügt, muß man für das kongeniale RTL-Hauspublikum hier<br />

anscheinend etwas weiter ausholen. Sei`s drum. Denn in 2008 hatten<br />

wir mit den NoAngels und Disappear eine wirklich geile Band mit<br />

einem wirklich geilen Lied am Start. Das dürfte ja wohl unstrittig<br />

feststehen. Und was kam dabei raus?! Ein voll beschissener, absolut<br />

nicht nachvollziehbarer und in keinster Weise angemessener 23ster<br />

Kack-Platz. Glückwunsch. Glückwunsch am Arsch.<br />

Und daher sollte doch nun eigentlich jeder, der nicht komplett<br />

bescheuert ist, spätestens seit dem Abschneiden der Angels im letzten<br />

Jahr mitbekommen haben, daß es beim Eurovision Song Contest um<br />

eines definitiv nicht geht: Um gute Künstler mit guten Songs. Soll<br />

heißen, es gewinnt nicht der beste Interpret oder das netteste Liedchen,<br />

sondern irgendwer anders und nach irgendwelchen dubiosen und<br />

ominösen Kriterien, die sich mir nicht auf Anhieb erschließen.<br />

Vielleicht das Land mit den meisten Deppen nahe einer Grenze zum<br />

Nachbarland. Die dann ins Nachbarland fahren, kurz für den heimischen<br />

Kasper anrufen, und dann wieder zurück. Sowas in der Art dürfte es<br />

sein. Interessiert mich aber auch nicht.<br />

225


Meinetwegen können die untereinander alle munkeln und kunkeln, was<br />

und wie sie wollen. Mir persönlich total egal. Denn viel entscheidender<br />

ist doch der Umstand, daß Deutschland dabei immer so richtig schön<br />

auf die Fresse bekommt. Seit Jahren schon. Denn ganz gleich, welcher<br />

Sommer-Russe oder Exil-Usbeke gewinnt, Deutschland kriegt stets den<br />

kompletten Arschtritt von allen. Vorletzte Plätze stehen auf der<br />

Tagesordnung. Fiasko Grande. Platz 24, 15, 19 und 23 allein in den<br />

letzten vier Jahren. Und vor allen Dingen mit was für beschissenen<br />

Liedern von irgendwelchen Gurken-Gruppen noch vor uns, meine<br />

Fresse. Verkehrte Welt. Vielleicht mal ein paar Sympathie-Pünktchen<br />

von den Kiffern von nebenan oder von den lieben, solidarischen Türken.<br />

Oder letztes Jahr zwölf Punkte aus Bulgarien, weil Lucie von den<br />

Angels dort herkommt. Aber das war`s dann auch schon. Sonst nichts.<br />

Nix. Überhaupt nix.<br />

Diesem Umstand Tribut zollend, haben wir in 2009 dann auch ein As<br />

aus dem Ärmel geschüttelt und eine besonders sinnvolle Kombo für<br />

Deutschland ins Rennen geschickt: Alex „Das Boot“ Christensen<br />

zusammen mit einem bisexuellen Torero und einer Stripperin aus<br />

Amerika. Und spätestens jetzt muß doch bitte folgende Frage erlaubt<br />

sein: Wie geil ist das denn?! Endgeil, möchte man spontan und voller<br />

Verzückung aufschreien, geiler geht nicht mehr. Was für ein geiles Trio,<br />

heiliger Bimbam! Also wenn wir überhaupt irgendwann mal wieder<br />

irgendwas reißen könnten, dann wohl damit. Für mich im Vorfeld also<br />

klarer Titel-Aspirant, wenn nicht sogar Favorit.<br />

Und dann am Ende doch wieder nur Platz 20, was für eine<br />

Enttäuschung. Wie konnte das denn nur schiefgehen?! Ist mir völlig<br />

schleierhaft. Am Song selbst kann es nicht gelegen haben, denn der war<br />

mindestens mal genauso geil wie unser charismatisches Trio selbst.<br />

Mindestens. Ach woher denn, der war noch viel geiler. Meiner Meinung<br />

nach hätte Gang Bang 3000 locker die Top Five erreichen müssen,<br />

wenn nicht sogar noch mehr. Der Song ist an sich schon äußerst<br />

gelungen und auch besonders originell, aber der Text ist ein literarisches<br />

Meisterwerk. Pure Poesie, eine Hommage an die ganz großen Dichter<br />

und Denker unserer Zeit. Eben ein typischer Christensen, möchte man<br />

meinen. Also vergessen wir Ein bißchen Frieden, doofer Schnee von<br />

gestern, hier kommt:<br />

226


Miss Kiss Kiss Bang, come and let us sing<br />

Miss Kiss Kiss Bang, now let us swing<br />

Shake your sweet, sweet, sweet little thing<br />

Mrs Kiss, come on and let us sing<br />

Do the he-de hi-ho (Sing he-de hi-ho)<br />

Do the he-de hi hey (Sing he-de hi hey)<br />

Do the dip dip ded-de (Sing dip dip ded-de)<br />

Do the skiddly skiddly bo (Sing skiddly skiddly bo)<br />

Now do the gucci bang bang (Sing gucci bang bang)<br />

Do the skiddly buffely boodely bump (Sing skiddly buffely...)<br />

Do the oh (Sing oh)<br />

Abfeier! Ein geiler Text, geiler Text, extrem geiler Text, extrem geiles<br />

Lied. Keine Frage, dieses Meisterwerk hätte mit Lorbeeren gekrönt<br />

werden müssen. Und mit einem Platz auf dem Podium. Und zwar ganz<br />

oben. Aber stattdessen, was gibt es stattdessen?! Die goldene<br />

Luftpumpe! Zack. Einen unerhörten, vorletzten Platz. Ja, vorletzter<br />

Platz. Ungeheuerlich, kaum zu glauben. Ein skandalöser, vorletzter<br />

Platz. Skandal! Keine Frage, hier stimmt doch was nicht, hier wurde<br />

doch wieder was gemauschelt. Und wieder hat es uns erwischt, wieder<br />

war Deutschland dran. Und eigentlich weiß man das aber auch im<br />

Vorfeld schon. Und deswegen frage ich mich auch, warum wir zu<br />

diesem Scheiß-Contest überhaupt noch hinfahren?! Hat doch eh keinen<br />

Sinn, bringt doch eh nichts. Keine Ahnung.<br />

Keine Ahnung hinsichtlich des beschissenen Abschneidens hat auch<br />

Alex Christensen, der zwar vom Ergebnis sichtlich enttäuscht ist, sich<br />

aber neuerdings coolerweise nur noch Alex C. nennt. Und in seiner<br />

Funktion als Alex C. findet er das Ergebnis natürlich „mega-ungeil“ und<br />

kann sich das alles gar nicht erklären. Vor allen Dingen, weil man doch<br />

vorher so „tolle Resonanzen“ gehabt habe. Tja, Shit happens, kann man<br />

da nur sagen. Goldene Luftpumpe, zack. Einfach nächstes Jahr wieder<br />

probieren. Und wieder und wieder und wieder. Einfach mal ein Beispiel<br />

an Ralph Siegel nehmen, an Onkel Ralle. Onkel Ralle kennt sich aus mit<br />

goldenen Luftpumpen, Onkel Ralle hat auch schon ein paar ganz geile<br />

Gurken für uns ins Rennen geschickt. Einfach immer wieder versuchen.<br />

Oder auch nicht.<br />

227


Ähnlich gelassen sieht das dann auch Sänger Oscar de la Hoya, der das<br />

miese Abschneiden schon deutlich gefasster aufnimmt. Shit happens,<br />

wie gesagt. Schwamm drüber, kann man jetzt nicht mehr ändern. Zu<br />

guter Letzt darf Strip-Oma Dita von Teese auch noch ihr Maul<br />

aufmachen und ihren faden Senf zu den Geschehnissen der Nacht<br />

abgeben. Und -oh was Wunder- die findet das natürlich alles total<br />

amazing und exciting und hat da auch ganz toll dazu getanzt und<br />

sowieso und überhaupt. Schreckliches Geschwätz. Alles nicht so ganz<br />

leicht zu verdauen und insbesondere auch erstmal überhaupt nicht zu<br />

verstehen, weil die Tante beim Labern die Zähne kaum auseinander<br />

kriegt. Zum Glück wird der Blödsinn übersetzt.<br />

Überhaupt bekommt man als aufmerksamer Zuschauer so ein klein<br />

wenig das Gefühl, daß die Alte auf einer ganz anderen Veranstaltung<br />

war. Oder besoffen oder stoned ist. Oder ihr noch keiner die geile<br />

Platzierung mitgeteilt hat. Irgendwas davon muß es sein, anders ist ihr<br />

Dauergrinsen nicht zu erklären. Egal. Das war`s dann nämlich auch<br />

schon mit dem Eurovision Song Contest. Und bis auf die Erkenntnis,<br />

daß Alex C. mal eine neue Frisur vertragen könnte, bin ich genauso<br />

schlau wie vorher. Heißt konkret, daß ich mir den Scheißdreck auch im<br />

nächsten Jahr nicht angucken werde. Stößchen.<br />

Es folgen die Exclusiv Schlagzeilen, welche mit einem Bericht über<br />

irgendeinen unbedeutenden Fernsehpreis beginnen. Gefolgt vom Auftritt<br />

des Tages, den eine überdurchschnittlich fette Mariah Carey in Cannes<br />

hingelegt haben soll, und vom Schock des Tages, Jacko Jackson soll<br />

Hautkrebs haben. Dürfte ihn aktuell nicht mehr sonderlich stören... Die<br />

schönste Braut des Tages soll Madonna sein, obwohl die überhaupt<br />

nicht geheiratet hat, haha, total lustig. Und schönste Taufe des Tages ist<br />

eine Schiffstaufe in Hamburg, bei der auch Udo Lindenberg mit von der<br />

Partie ist. Aha. Alles gut zu wissen, alles sehr sinnvoll.<br />

228


Mein Busen hatte eine fabelhafte Karriere. Ich bin einfach nur<br />

mitgetrottet.<br />

229<br />

(Pamela Anderson)<br />

Aber so richtig sinnvoll soll es jetzt erst werden, denn es steht ein<br />

Bericht über Pamela Anderson und ihre Europa-Reise an. Wahnsinn.<br />

Selbst wenn man den geistigen Dünnpfiff nur noch abtippen muß, sitzt<br />

einem die Angst im Nacken. Vielleicht war nüchtern doch ein wenig<br />

überheblich? Keine Ahnung, zu spät zum Auftanken. Denn schon<br />

erörtert Pam dem gespannten Zuschauer, daß sie nicht koche und<br />

wasche wie andere Mütter. Ist das zu fassen?! Sensationell. Was für eine<br />

brandheiße Info! Heißt wahrscheinlich nichts anderes, als daß sie ihre<br />

dreckigen Unterhosen und Buchsen in einem Topf mit heißem Wasser<br />

auf dem Herd auswäscht und sich nebenbei mal eben ganz nonchalant<br />

ein paar Fünf-Minuten-Eier im 95°-Programm ihrer Waschmaschine<br />

kocht. Gut möglich, alles denkbar, alles vorstellbar. Zumindest bei Pam.<br />

Nach dieser unglaublich brisanten Info dürfen wir Zeuge werden, wie<br />

Pam am Flughafen von einem Kerl mit einer mindestens ebenso<br />

unglaublich geilen Frisur abgeholt wird, der sich als Prinz Markus von<br />

Anhalt entpuppt. Feine Herrschaften also. Es geht irgendwo hin, keine<br />

Ahnung, und abends ist man dann aber auch in irgendeinem Club und<br />

schwätzt ein wenig banales Zeug in die Kamera von RTL. Alles very<br />

important, alles very exclusive. Am nächsten Tag geht es dann zu<br />

irgendeiner Gala, und seitens Exclusiv wagt man die überaus tollkühne<br />

Vermutung, daß unsere Pam dann doch auch ein wenig high gewesen<br />

sein könnte, als sie über den roten Teppich gelatscht ist. Aber alles reine<br />

Spekulation. Vielleicht hat sich nur ein bißchen Botox irgendwo in der<br />

Fresse gelöst, zack. Kann auch gut sein, alles möglich. Alles möglich<br />

bei unserer Pam. Keine Spekulationen gibt es dagegen hinsichtlich der<br />

Abendgarderobe unseres Prinzen. Denn die besteht unstrittig aus einer<br />

unglaublich geil aussehenden roten Uniform.


Der Bericht schließt nun nicht etwa damit, daß sich unser Prinz in seiner<br />

smarten Uniform mit einem anderen Galan um die Gunst des holden<br />

Silikon-Weibes duelliert, beispielsweise mit Säbel oder gar Muskete.<br />

Nein, vielmehr wird der mittlerweile wie ein Flitzebogen gespannte<br />

Zuschauer mit der vermeintlichen Erkenntnis entlassen, daß unsere Pam<br />

in Europa noch immer der absolute Star sei und nach wie vor ein<br />

fleischgewordener Männertraum. Und das kann ich auch nur bestätigen.<br />

Denn bei mir ist das nämlich auch so, daß ich total auf durchgefeierte<br />

Uschis Mitte 40 stehe. Volle Kanne. Und insbesondere dann, wenn sie<br />

außer zwei Plastik-Titten und zwei schlechten Low-Budget-Pornos<br />

nichts Nennenswertes weiter vorzuweisen haben. Und ungeschminkt<br />

krasses Highlight jeder Geisterbahn sein könnten. Dann auf jeden Fall.<br />

Dann stehe ich da total drauf, dann gehe ich da voll drauf ab. Aber auch<br />

nur dann. Für heute bin ich einfach nur sichtlich erleichtert, daß dieser<br />

Beitrag jetzt endet. Ciao Pam, bis demnächst.<br />

Auf den nun folgenden Bericht habe ich mich bereits im Vorfeld ganz<br />

besonders gefreut, ich konnte es zuweilen gar nicht mehr aushalten.<br />

Man könnte hier ganz unverblümt und ruhigen Gewissens sogar von<br />

einer Art Vorfreude sprechen. Es geht um diverse C- bis J-Promis, die<br />

ihre ganze Kohle verzockt haben. Pleite-Promis, wie es bei Exclusiv so<br />

schön heißt. Eine Thematik, die eigentlich ganz interessant werden<br />

könnte. Zumindest verglichen mit dem anderen Dünnpfiff bisher. Mal<br />

schauen, ob was dabei rumkommt.<br />

Los geht`s mit Kati Karrenbauer, vielen wohl eher bekannt als Walter<br />

aus dem Frauenknast. Und Walter ist jetzt pleite, hat keine Kohle mehr.<br />

Keine Asche, kein Kies, kein Schotter, alles weg. Die ganze schöne<br />

Kohle ist futsch, verzockt bei einem Immobilien-Projekt. Ärgerlich.<br />

Und nicht nur, daß die ganze schöne Kohle futsch ist, ganz nebenbei hat<br />

unser Walter auch noch einen ziemlich smarten Schuldenberg<br />

angehäuft. Aber Walter steht nicht allein da, es folgt eine Aufzählung<br />

diverser anderer E- bis H-Promis, die ebenfalls pleite sind. Und zwar<br />

Tanja Schumann (kenne ich nicht), Nino de Angelo (Jenseits von Eden),<br />

Matze Reim (Verdammt ich lieb Dich), und auch der eine Dicke von<br />

den Wildecker Herzbuben hat leider kein Moos mehr in den Taschen<br />

seiner XXXXL-Hose. Bei ihm besonders verheerend, denn<br />

wahrscheinlich muß er jetzt verhungern.<br />

230


Kati erörtert derweil, daß sie Armut von früher kenne. Da habe sie Geld<br />

als Putze, als Aktmodell und mit Telefonsex verdienen müssen. Ja, ganz<br />

genau, Kati Karrenbauer und Aktmodell, den Witz schenken wir uns an<br />

dieser Stelle. Denn nun gibt irgendein Professor seinen Senf zu der<br />

Thematik ab. Und dessen Meinung nach tragen nicht die Promis selbst,<br />

sondern vielmehr deren Berater und Manager die Schuld an der ganzen<br />

Misere. Die hätten es eigentlich besser wissen müssen. Hingegen sei das<br />

Publikum in zwei Lager geteilt, so unser Professor: Die einen<br />

empfänden Mitleid, die anderen dann doch eher Schadenfreude, pfui.<br />

Und so smart ich unseren promovierten Experten auch finde, so<br />

entschieden muß ich an dieser Stelle intervenieren. Denn bei seiner<br />

Aufzählung hat er doch glatt das dritte Lager vergessen: Und zwar<br />

solche wie mich, denen das alles völlig am Arsch vorbei geht. Wie auch<br />

immer, Kati / Walter schreibt jetzt erstmal ein Buch, um ein bißchen<br />

Kohle zu machen, und das macht ja auch Sinn.<br />

Es folgt ein Beitrag über diese besonders hohlblondierte, mediengeile<br />

Frutte aus irgendeiner DSDS-Staffel, die bei Erscheinen dieses Buches<br />

eh kein Schwein mehr kennt. Also geschenkt.<br />

18.10 Uhr, Werbung. Danke. Reicht erstmal. Zeit für einen kleinen<br />

Drink und ein kleines Nickerchen. Wie, Nickerchen? Sind doch nur fünf<br />

Minuten Werbung. Sehr richtig, an sich sehr gut mitgedacht, meine<br />

lieben Freunde. Nur sind wir heute ja nicht live dabei, sondern per<br />

Aufzeichnung. Die Sendung selbst ist ja längst gelaufen, das Skript des<br />

Wahnsinns selbst entstand ja bereits vor einigen Wochen. Bitte nicht<br />

vergessen. Und da wir dabei seinerzeit bereits genug leiden mußten,<br />

können wir nun ganz keck und unverfroren und auch völlig spontan ein<br />

kleines Nickerchen einlegen. Eine Mußestunde sozusagen. Und darüber<br />

wird jetzt aber auch gar nicht weiter diskutiert, sonst ist hier auch gleich<br />

mal Feierabend. Kleines Nickerchen, und gut. Kann einem ja wohl<br />

kaum einer übel nehmen. Und vorher noch ein kleines Drinkchen,<br />

vielleicht mal einen Latte Macchiato. Nein, kleiner Spaß, der Tag ist<br />

noch nicht gekommen. Scheiß auf den Senseo-Moment. Wenn schon<br />

Werbung, dann lieber drei, vier Uozo 12, für mich und meine guten<br />

Freunde, na klar. Ab dafür. Und Stößchen.<br />

231


Ich muß auf meinen Input achten. Ich nehme heute nur gesunden,<br />

nahrhaften Alkohol zu mir.<br />

232<br />

(Bender Bieger Rodriguez)<br />

Gute vier Stunden später wache ich schweißgebadet neben einer halb<br />

leeren Flasche Uozo auf. Der kleine Radiowecker neben meinem Bett<br />

zeigt 22.17 Uhr an, und in meinem Schlafzimmer riecht es wie in einer<br />

katholischen Messe. Auweia! Filmriß! Spitze. Nicht schon wieder. Der<br />

Geschmack in meinem Mund ist unbeschreiblich fies. Als hätte ich mit<br />

meiner Zunge Intimpflege an einer toten bzw. vielmehr bereits<br />

verwesenden Bergziege betrieben. Widerlich, voll zum Kotzen, bäh.<br />

Kurzer Blick nach rechts, kurzer Blick nach links, kurzer Blick auf<br />

meinen Kadaver, alles sauber. Schnell raus aus dem Bett, kurzer Blick<br />

in die Einfahrt, Benz steht noch da und sieht unbeschädigt aus. Gott sei<br />

Dank, Super-GAU vermieden. Macht immer Sinn, den Autoschlüssel<br />

vor`m Saufen zu verstecken, kicher. Keine Sicherstellungen oder<br />

ähnlicher Quatsch, puh, den Rest werden mir meine Nachbarn beizeiten<br />

schon verklickern.<br />

Und wie ich so im Wachkoma zurück in Richtung Bett schlurfe, muß ich<br />

unerfreulicherweise feststellen, daß der Moment gekommen ist, wo ich<br />

mir ganz ernsthaft und selbstkritisch zwei Schlüsselfragen stellen muß:<br />

War das wirklich Uozo 12? Also der für die richtig guten Freunde?<br />

Kann ich mir kaum vorstellen. Wer seinen guten Freunden so einen<br />

krassen Fusel zu saufen gibt, der hat bald überhaupt keine Freunde<br />

mehr. Oder ist irgendwann nur noch von Blinden mit eklatanter<br />

Sprachstörung umgeben. Das ist mir spätestens eben klar geworden. Ist<br />

dann allerdings im Moment eher sekundär, denn die zweite Frage, die<br />

mir zeitgleich durch meinen perplexen Kopf schießt, macht mich<br />

wirklich fertig. Die brennt mir richtig unter den Nägeln:


Das nennen Sie schreiben? Wenn ich in meinen Füller kotze und ihn in<br />

ein Affenhaus schicke, kriege ich ein besseres Buch.<br />

233<br />

(Roger Myers jun.)<br />

Was ist eigentlich aus unserer wunderschönen Übersicht geworden, in<br />

die wir alle Charaktere so überaus explizit und trennscharf einordnen<br />

wollten? Also aus dieser hier:<br />

Bezeichnung<br />

Fremd-<br />

wahrnehmung<br />

Eigen-<br />

wahrnehmung<br />

tatsächlicher<br />

Status<br />

Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />

smart recht zufrieden recht zufrieden<br />

smart<br />

Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />

Fremdopfer normal dumm irgendwo clever fast clever<br />

positiv unzufrieden positiv<br />

tragisch tragisch<br />

Vollopfer sehr banal sehr wichtig sehr banal<br />

dümmlich clever überbewertet<br />

ungeil geil realitätsfremd<br />

Tja, ich würde mal meinen wollen, daß wir die vor etlichen Seiten aus<br />

den Augen verloren haben. Aus den Augen, aus dem Sinn, keine<br />

Ahnung. An sich eigentlich überhaupt nicht so schlimm, würde es sich<br />

dabei nicht rein zufällig um das zentrale Thema unseres Buches<br />

handeln. Kacke! Irgendwie fehlt hier sowieso und überhaupt komplett<br />

eine Art roter Faden oder sowas. Fällt mir gerade auf. Kein System<br />

erkennbar, nicht mal ansatzweise. Tolle Erkenntnis, leider ein bißchen<br />

spät. Und daher jetzt eigentlich auch egal. Wenn der rote Faden eh<br />

schon fehlt, müssen wir jetzt auch keinen mehr einfädeln. Da müssen<br />

wir jetzt nicht mehr mit anfangen, das wäre vergebliche Liebesmüh.<br />

Erweitern wir lieber unsere schöne Übersicht um den Honk. Bitteschön:


Bezeichnung<br />

Fremd-<br />

wahrnehmung<br />

234<br />

Eigen-<br />

wahrnehmung<br />

tatsächlicher<br />

Status<br />

Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />

smart recht zufrieden recht zufrieden<br />

smart<br />

Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />

Fremdopfer normal dumm irgendwo clever fast clever<br />

positiv unzufrieden positiv<br />

tragisch tragisch<br />

Vollopfer sehr banal sehr wichtig sehr banal<br />

dümmlich clever überbewertet<br />

ungeil geil realitätsfremd<br />

Honk Chaot Selbstbefreier Anarchist<br />

dumme Maulhure sozial. Materialist sozial. Materialist<br />

So sieht es bislang aus, nachdem wir die Themen Honk als Anarchist<br />

und Honk als Ignorant (im Kapitalismus) abgearbeitet haben. Zu<br />

gegebener Zeit ist diese Übersicht um weitere Charakteristika, welche<br />

wir zunächst allerdings erst noch herauskristallisieren müssen, zu<br />

ergänzen. Also zurück in medias res. Wo waren wir stehengeblieben,<br />

und wo stehen wir jetzt?<br />

Wir hatten irgendwo ein Päuschen einlegen wollen, um ein kleines<br />

Nickerchen zu halten. Weil wir nachts zuvor nur 11 oder 12 Stunden<br />

schlafen konnten. Und anstatt zwei, drei Uozo 12 zu trinken und dann<br />

flauschig-warm in das Reich der Träume zu entgleiten, haben wir uns<br />

mit einer halben Flasche Waschbenzin ins Wachkoma inklusive Filmriß<br />

geschossen. Alle Lampen aus, herzlichen Glückwunsch.<br />

Statt nun also frisch ausgeruht und voller enthusiastischer Vorfreude in<br />

unser hanebüchenes Exclusiv Weekend zurückzukehren, haben wir einen<br />

monströsen Schädel und eine schier unglaubliche Fackel aus dem Maul.<br />

Interessanterweise ist die Fackel im Maul schlimmer, als wenn man<br />

gekotzt hätte. Also schlimmer als Kotze-Geschmack! Pfui, wie kann<br />

denn sowas sein? Egal, haben wir uns selbst zuzuschreiben. Also auf<br />

Notstrom umschalten und mit voll zugeschissener Birne und dem<br />

Gefühl innerer Verwesung zurück ans Werk.


Ahhh, Muschi-Hamster hat `ne Runde im Rad gedreht!<br />

235<br />

(Dr. Gregory House)<br />

Bei Exclusiv Weekend scheint man nun die weise Entscheidung gefällt<br />

zu haben, den Rest der Sendung ausschließlich mit irgendwelchen<br />

Weiber-Geschichten zu füllen. Soll heißen, es folgen von nun an diverse<br />

Beiträge über diverse halbprominente Weiber für ein diverses, total<br />

begeistertes Publikum an den TV-Geräten zu Hause, welches<br />

logischerweise überwiegend aus diversen weiblichen Vollidiotinnen und<br />

Vollopfern besteht. Fernsehen von Weibern über Weiber für Weiber.<br />

Frutten-TV. Stößchen. Ist doch klar, daß das nicht hinhauen kann. Wie<br />

denn auch?! Mir ist sowieso kein einziger Mann bekannt, der sich<br />

diesen Boulevard-Rotz ungezwungen und aus freien Stücken ansieht.<br />

Geht auch gar nicht. Fußball ist manchmal schon langweilig genug,<br />

Autorennen auch. Warum um alles in der Welt sollte man als<br />

zurechnungsfähiger Mann dann wohl die ominöse Entscheidung treffen,<br />

freiwillig Exclusiv Weekend anzusehen?!<br />

Eben. Geht gar nicht. Also wird man gezwungen, ganz klar. Viele<br />

Männer müssen das nämlich mitverfolgen, bewußt oder unbewußt, weil<br />

es ansonsten wieder Streß mit der heimischen Grazie gibt. Weil die<br />

schon fast süchtig ist nach dem Schwachsinn und schlechte Laune<br />

bekommt, wenn ihr nicht täglich ihre Dosis Opfer-TV in die kleine<br />

Rübe eingedroschen wird. Ahh, Entzug, Entzug, schnell Opfer-TV!<br />

Mach` die Kiste an! Ganz toll. Möglicherweise hat man als Mann aber<br />

auch eher selbstsüchtige Motive. Also daß man sich den Rotz ansieht<br />

und idealerweise nebenbei sogar noch mit seiner postmodernen<br />

Amazone darüber diskutieren will:<br />

Du Schatz, ich hätte eher damit gerechnet, daß die Sabrina in die Band<br />

kommt. Daß es jetzt Candy wird, hätte ich nie im Leben gedacht. Die<br />

Jury entscheidet schon manchmal komisch, oder?!


Wahnsinn! Keine Frage, wer als Mann solch einen faulen Dialog mit<br />

seiner Alten startet, will hinterher einfach nur ficken. Oder ist schwul<br />

oder auf Crack. Oder nicht älter als 12, auf jeden Fall irgendwas in<br />

dieser Richtung. So viel steht mal fest. Und was soll ich sagen, was soll<br />

ich sagen, mit dem Rest der tollen Sendung können wir uns dann auch<br />

mal so richtig schön den Schritt shampoonieren. Nicht, daß wir das<br />

nicht eh könnten, aber heute dann eben ganz besonders.<br />

Es folgt nämlich ein Bericht über Caroline Beil, von der ich dann auch<br />

mal gar nicht weiß, welche Funktion sie überhaupt hat. Der Name sagt<br />

mir schon was, aber sie selbst habe ich außer im Dschungel-Camp noch<br />

nicht weiter gesehen. Ach ja, und ein paar Kommentare bei diesen<br />

Chart-Shows freitagabends auf RTL. Die 50 größten was-weiß-ichnicht-was.<br />

Da gibt sie auch manchmal ihren Senf dazu. Aber sonst?<br />

Keine Ahnung. Ist aber auch Latte, denn jetzt ist sie schwanger, und<br />

darum geht es im nächsten Beitrag. Unsere Caro ist mit ihren 42 Lenzen<br />

schwanger, irgendein Milchbubi Mitte 20 soll der Vater sein, und<br />

irgendwelche anderen Halbpromis kommentieren das positiv oder<br />

negativ. Unter anderem Mariella Ahrens, die sich -ähnlich wie Alex<br />

Christensen- mittlerweile auch umbenannt hat. Allerdings nicht in Mari<br />

A., sondern vielmehr in Mariella Gräfin von Faber-Castell, weil sie in<br />

irgendeine Adels-Sippe eingeheiratet hat. Phantastisch, Glückwunsch,<br />

Stößchen. So wird`s gemacht, und so muß das auch sein. Irgendeine<br />

reiche Oma so Ende 80 da draußen am Start, die einen gutaussehenden<br />

Honk Mitte 30 heiraten will? Nein, Späßchen, sowas machen wir nicht.<br />

Alles Spaß, Honks sind Selbstversorger.<br />

Exclusiv Weekend legt derweil eine weitere Werbepause ein, danach<br />

sollen dann Beiträge über den Deutschen Parfümpreis, Verona Pooth<br />

und Amy Winehouse folgen. Letztere soll doch tatsächlich bei einem<br />

ihrer Konzerte besoffen und stoned auf der Bühne gestanden haben, ist<br />

das zu fassen?! Das kann ich gar nicht glauben. Aber mal dahingestellt.<br />

Ich bin an dieser Stelle eher ein wenig traurig, daß die nicht mal einen<br />

Beitrag über richtig geile, besoffene Weiber bringen. Beispielsweise<br />

über Lily Allen oder Lindsay Lohan, die bestimmt voll geil abgehen in<br />

der Kiste, wenn sie den richtigen Pegelstand haben. Geil, geil, geil.<br />

Unfaßbar geil. Aber nein, stattdessen zeigt man uns lieber diese ekelige<br />

Amy Winehouse, und ich grusel` mich.<br />

236


Den Rest von Exclusiv Weekend können wir uns daher schenken.<br />

Richtig geil ist auch, daß genau derselbe tödlich banale Dünnpfiff fünf<br />

Stunden später auf VOX läuft. Genau derselbe Rotz, dieselben<br />

unerträglichen Themen, dieselbe heiße Luft. Heißt da nur anders, heißt<br />

da Prominent!, ganz originell. Können sich dann diejenigen reinziehen,<br />

die den Mist beim ersten Mal auf RTL noch nicht ganz verstanden<br />

haben. Das RTL-Stammpublikum, ich leg` mich ab.<br />

Amy Hauswein soll also wieder einmal besoffen gewesen sein.<br />

Besonders tragisch ist dabei, d ß es ni t z m ers en M l pas iert is , so<br />

de vi mehr m ttl r eil Ge oh hei b i ih i t.<br />

Heiliger Bimbam, was ist den nun schon wieder los?!?!?!<br />

Plötzlich läuft Wimbledon-Halbfinale in der Glotze. Federer gegen<br />

Haas, spannende Konstellation. Fünf zu vier für Haas im ersten Satz,<br />

sehr schön. Aber was ist denn da eben mit Exclusiv und Amy und so<br />

geschehen? Was ist denn hier bloß wieder los?<br />

Nein, meinen Verstand habe ich nicht gerade eben verloren. Das ist<br />

schon viel früher passiert, den habe ich längst versoffen, und das ist<br />

auch gut und richtig so. Anders ist der Wahnsinn dieser lustigen Welt<br />

nicht mehr zu ertragen. Spontane Legasthenie können wir auch sicher<br />

ausschließen, geht ja flüssig weiter voran hier.<br />

Was hier soeben passiert ist, grenzt an ein evolutionäres Meisterwerk:<br />

Mein Hirn hat sich voller Grausen von der unerträglichen Banalität des<br />

Opfer-TV abgewendet, ohne daß ich es selbst gleich bemerkt hätte.<br />

Wahnsinn. Außergewöhnlich. Amazing, exciting, sonstwas. Mein<br />

Verstand hat sich von den Geschehnissen gelöst, hat ohne ein bewußtes<br />

Agieren meinerseits angefangen, die Geschehnisse zu ignorieren.<br />

Uiuiui! Na, fällt der Groschen? Na klar, ignorieren, Ignoranz, Halleluja!<br />

Da sind wir wieder, phantastisch. Und da wollten wir auch hin. Das war<br />

alleiniger Sinn und Zweck des erneuten schwachsinnigen Ausflugs in<br />

die wunderbare Welt des Dünnpfiff. Geil, geil, geil. Endgeil. Diese<br />

Überleitung hier finde ich so grenzwertig endgeil, daß ich mich jetzt<br />

erstmal ein bißchen selbst feiern muß. Stößchen! Außerdem läuft<br />

Wimbledon, hurra!<br />

237


Das ist der Dreck, an dem unsere Gesellschaft mal ersticken wird.<br />

238<br />

(Uli Hoeneß)<br />

Ignoranz ist also das Wort der Stunde. Wir wollen diesen Dreck nicht<br />

sehen, können aber auch nicht ändern oder verhindern, daß er in der<br />

Scheiß-Glotze läuft. Wollen wir auch gar nicht. Jedem das Seine,<br />

chacun à son goût. So soll es sein. Den Asis das Aso-TV, den<br />

Vollopfern ihr Opfer-TV. Chacun à son goût. Wir sehen uns diesen Rotz<br />

nicht an, wir sehen uns was anderes an, wenn überhaupt. Es gibt<br />

etlichen Krams, den man sich ansehen kann, wenn man möchte.<br />

Tausend Sachen. Nur bitte unter gar keinen Umständen irgendwas im<br />

Aso- und Opfer-TV. Denn das macht voll bescheuert in der Birne, voll<br />

gaga, dürfte klar sein. Wir sehen uns das nicht nur nicht an, nein, für uns<br />

gibt es sowas erst gar nicht. Vollständige Ignoranz, na klar. Lassen wir<br />

doch diese ganzen Boulevard-Transen rumlabern, rumtanzen,<br />

rumhampeln und rumficken, wo, wie, wen oder was sie wollen, können,<br />

müssen oder dürfen. Geht uns komplett am Arsch ab.<br />

Völlig Latte, wer, wann, wo und warum sein letztes bißchen Restwürde<br />

für ein paar Euro oder einen madigen Auftritt im Aso-TV verhökert. Ist<br />

nicht unsere Welt, nicht unsere Realität, existiert nicht. Lassen wir den<br />

Vollidioten, Vollopfern und Vollasis ihre Bühne, ihre Lobby, ihr Leben.<br />

Ab dafür. Die geisteskranke Tochter von Onkel Ralle hampelt sich<br />

durch irgendein gehirnamputiertes PRO7-Format? Nein, wirklich?<br />

Völlig egal, die ist eh fertig mit der Welt. Komplett durch. Ach was,<br />

noch besser, wir kennen die überhaupt nicht. Wer ist Onkel Ralle? Und<br />

wer ist seine geisteskranke Tochter? Häh? Komplett an uns<br />

vorbeigegangen, und das ist gut so. Das ist nämlich Schritt Nr. 2 in ein<br />

freies, eigenes und selbstbestimmtes Leben fernab vom Bullshit unserer<br />

Gesellschaft. Glückwunsch, wir kommen dem Kern immer näher...


Ich trink` `nen Sekt vielleicht.<br />

cc) Und die Werbung? (Part II)<br />

Boah, Gott sei Dank, das war`s!!!<br />

239<br />

(Marco Vorbeck)<br />

Das war`s, das war`s, das war`s! Das war der letzte Ausflug in die Welt<br />

des Dünnpfiff. Puh! Geschafft. Nie wieder Aso- und Opfer-TV! Uff!<br />

Nie wieder Leid, Schmerz, Übel, nie wieder Brechreiz, Folter, Hirntod.<br />

Uff! Nie, nie wieder. Gott sei Dank. Uiuiui...<br />

Ach ja, und natürlich auch<br />

Stößchen!!!<br />

Stößchen für alle, soviel Zeit muß sein. Denn das war`s. Das war unsere<br />

allerletzte Aso-Opfer-TV-Abhandlung in diesem schönen Buch. Für<br />

mich wahrscheinlich sogar die allerletzte Abhandlung für den Rest<br />

meines Lebens, da ich nun keine Veranlassung mehr habe, diese Kacke<br />

in der Glotze gucken zu müssen. Hurra! Endlich wieder frei, Leben<br />

macht wieder Sinn, abfeier. Phantastisch. Naja, es sei denn, ich schreibe<br />

noch ein zweites Buch, also quasi so eine Art Fortsetzung. Also sowas<br />

wie Honkland II - Flora und Fauna in der Tundra. Oder aber auch<br />

Honkland II - Ein Quantum Bullshit. Kann alles sein, kann alles<br />

passieren. Ist alles möglich und auch besonders sinnvoll, aber dann doch<br />

eher unwahrscheinlich, weil ich keine Lust dazu habe.<br />

Naja, mal sehen. Bleiben wir zunächst erstmal bei der Dreckschleuder<br />

hier und schenken unser Augenmerk nun der Werbung.


Wir sind Konsumenten, wir sind Abfallprodukte der allgemeinen<br />

Lifestyle-Obsession.<br />

240<br />

(Tyler Durden)<br />

Und wie sollte es anders sein, auch die Werbung muß ignoriert werden.<br />

Ganz klare Angelegenheit. Insbesondere die Werbung in der Glotze. Die<br />

ganz besonders. Nicht, daß jeder Werbespot an sich schon schlecht,<br />

beschissen oder gar Verarsche wäre. Nein, so ist das dann aber mal auch<br />

nicht. Nur weiß man vorher leider nie, was als nächstes kommt. Mal<br />

angenommen, man schaut sich gerade den neuen TV-Werbespot von<br />

Coca Cola an. Daß die Coke-Spots tiptop sind, dürfte wohl unstrittig<br />

feststehen. Die Jungs und Mädels haben auf jeden Fall ihr Handwerk<br />

gelernt und auch verstanden, das ist klar. So, und jetzt ist der Coke-Spot<br />

vorbei, und als nächstes kommt dann irgendein schwachsinniger Mist,<br />

also so von wegen mit Extraportion Milch oder Knoppers<br />

Frühstückchen oder ähnliches Zeug. Tja, und dann haben wir den Salat,<br />

dann vergeht uns gleich mal wieder alles.<br />

Oder irgendein neuer, geiler Reisebus wird beworben. Ein Citroen C4<br />

Grand Picasso oder ein Renault Grand Scenic oder ein VW Touran.<br />

Uiuiui. Eben eine von diesen monströsen Schleudern, an deren Steuer<br />

unsere postmodernen Amazonen aussehen, als würden sie die Exxon<br />

Valdez oder gar die legendäre Enterprise steuern. Und zwar<br />

höchstpersönlich. Unglaublich geil, leck` mich einer am Arsch. Jede<br />

schwangere Frau Mitte / Ende 20 braucht so ein Ungetüm. Falls man<br />

mal zwei bis drei Fußball-Mannschaften durch die Gegend fahren muß<br />

und gleichzeitig noch umziehen will, logisch. Je größer, desto geiler.<br />

Auf jeden Fall, ganz meine Meinung, größer ist geiler. Wenn wir von<br />

Hubraum sprechen. Aber ansonsten nicht. Zumindest nicht bei<br />

Reisebussen. Aber völlig egal, die Werbung suggeriert es unserer<br />

postmodernen Amazone, und deswegen muß so ein Reisebus her. Und<br />

nichts anderes, damit das mal klar ist!


Richtig geil auch, wenn der Kerl dann mit dieser Gurke rumfahren muß.<br />

Schön die Scheiben schwarz getönt, und man ist der Rambo unter den<br />

Pampers-Bombern, keine Frage. Die Weiber selbst können diese<br />

Gurken nämlich kaum noch fahren. Oder vielmehr manövrieren. So ein<br />

Monster fährt man nämlich nicht mehr, so ein Monster muß man<br />

manövrieren. Endgeil. Die Mutter-und-Kind-Parkplätze beim<br />

Supermarkt resultieren nämlich nicht daraus, daß man unserem zumeist<br />

doch etwas korpulenteren Amazönchen einen kleinen Weg bis zum<br />

Eingang ersparen möchte. Pustekuchen. Ein kleiner Fußmarsch täte den<br />

meisten dann doch mal ganz gut, ist doch so. Nein, die Scheiß-Dinger<br />

haben Übergröße, das sind Parkplätze mit Übergröße. Weil unsere<br />

Amazone ihre Exxon Valdez in einen stinknormalen Parkplatz nicht<br />

mehr hinein manövrieren kann.<br />

So sieht`s aus, und das ist super-lustig, aber zugleich auch super-krass.<br />

Gleich in einer Reihe, in einer Reihe direkt neben den Behinderten-<br />

Parkis, stehen überdimensionale, extrabreite und speziell angelegte<br />

Parkboxen für Amazonen mit Container-Schiffen. Von wegen Mutter<br />

und Kind. Kapitän und Frachter, so müßte es richtigerweise heißen.<br />

Matrose und Smutje. Völlig selbstverständlich, daß unser Honk solche<br />

Parkplätze entgegen der Beschilderung für seinen flotten Flitzer nutzt.<br />

Völlig logisch und auch verständlich, und zwar aus zwei Gründen: Zum<br />

einen sind diese Parkboxen so riesig, daß jeder Penner mit seinem<br />

Einkaufswagen mühelos zwischen zwei dort parkenden PKW<br />

durchrollen kann, ohne dabei einen zu touchieren. Und zum anderen<br />

kann man sich immer voll kaputtlachen, wenn man den letzten freien<br />

Reisebus-Parki genommen hat und unsere grimmige, kleine Amazone<br />

mit ihrem Schlachtschiff auf einen normalen Parkplatz ausweichen muß.<br />

Grummel, grummel, manövrier, manövrier. Und quietsch, kratz,<br />

knirsch. Total witzig, muß man echt mal gesehen haben.<br />

Liebe, liebe Amazönchen und moderne Mütter, liebe junge Mamis und<br />

all diejenigen, die es bald werden, aber schon jetzt so einen schönen<br />

Reisebus in der Einfahrt stehen haben: Bitte verzeiht mir! Bitte kauft<br />

und lest mein Buch trotzdem, ich mache nur Spaß, alles nur Spaß. Ich<br />

liebe Euch, ich liebe Euch alle. Euch und Eure Exxon Valdez. Herrlich.<br />

Ich kann nicht mehr...<br />

241


So blöd kann keiner sein, daß er nicht merkt, daß von diesem<br />

Schweinefraß kein Mensch leben kann, so blöd kann keiner sein.<br />

242<br />

(Klaus Kinski)<br />

So viel zu unserem kleinen Multivan-Exkurs. Multivans sind zwar echt<br />

voll fies, aber zumindest verarscht uns die Werbung nicht, indem sie<br />

wohlwissentlich lügt oder uns falsche Tatsachen suggeriert. Natürlich<br />

wird so eine Möhre als Space Box oder Raumwunder oder sonstwas<br />

angepriesen. Das ist sie ja auch. Es wird ja wohl kaum ein<br />

Wahnsinniger daherkommen und so ein Vehikel als Porsche-Killer<br />

bewerben wollen. Nein, das sind nunmal Riesen-Gurken, und als<br />

Riesen-Gurken werden sie auch völlig zu Recht beworben. Einen<br />

anderen Fall bilden Produkte, die an sich vielleicht ganz okay sind, bei<br />

denen uns die Werbung allerdings verarschen will. Beziehungsweise bei<br />

denen die Art und Weise, wie das Produkt angepriesen wird, völlig<br />

falsche Illusionen beim Konsumenten hervorruft. Hier zum Beispiel:<br />

Kinder Schokolade ist die erste speziell für Kinder entwickelte<br />

Schokolade. Die Besonderheit liegt im außergewöhlich hohen<br />

Milchanteil, im einzigartigen milchigen Geschmack und in der leichten<br />

Portionierbarkeit durch einzeln verpackte Riegelchen.<br />

So steht es bei denen auf der Homepage. So und nicht anders. Und auch<br />

auf die Gefahr hin, mich jetzt mit der FERRERO-Mafia anzulegen,<br />

fühle ich mich als Konsument schlichtweg total verarscht, aber mal so<br />

richtig. Denn mit 550 Kalorien pro Tafel à 100 Gramm hat besagte<br />

speziell entwickelte (uiuiui...) Kinder-Schokolade nicht mehr und nicht<br />

weniger Kalorien als andere Schokoladen. Milka, Ritter-Sport, Alpia,<br />

sonstwas. Völlig Latte. Hauptbestandteile sind Zucker und Fett, wie es<br />

bei allen gängigen Schokoladen der Fall ist. Es handelt sich hierbei also<br />

um eine stinknormale, handelsübliche, leckere Schokolade. Und um<br />

nichts weiter. Damit das erstmal klar ist.


Der außergewöhnlich hohe Milchanteil dieser Spezial-Schokolade<br />

beträgt unglaubliche 33%! 33%!!! Das muß man sich jetzt mal<br />

vorstellen, wenn das überhaupt noch geht. 33%!!! In Worten:<br />

Dreiunddreißig Prozent. Unfaßbar! Also unfaßbar geile 33 Gramm<br />

Milchanteil pro Tafel. 33 Gramm pro Tafel! Hallo?! Geht`s noch?!<br />

Konkret heißt das, daß ich von den Dingern knapp acht Tafeln fressen<br />

muß, um auf so viel Milch zu kommen, wie in einem stinknormalen<br />

Glas à 250 ml steckt. Acht Tafeln, krasse acht Tafeln. In Zahlen: 8. Also<br />

acht extrem krasse Tafeln dieser speziell entwickelten, außergewöhnlich<br />

milchigen und ganz offensichtlich besonders gehirnbekömmlichen Hi-<br />

Tec-Schokolade. Und das kann ja wohl nicht mein Ernst sein. Also das<br />

kann ja wohl wirklich nicht mein Ernst sein. Also wirklich nicht.<br />

Und das ist auch nicht nur nicht mein Ernst, nein, da fühle ich mich<br />

schlichtweg verarscht. Verarscht, veralbert, verkackeiert,<br />

verhohnepipelt. An der Nase herumgeführt. Klar ist der Milchanteil<br />

höher als bei anderen Schokoladen. Aber trotzdem noch immer<br />

verschwindend gering. Nicht einmal zwei Kornglas voll Milch pro<br />

Tafel. Sauber, ganz sauber. Also völlig unbedeutend, geradezu absurd<br />

unbedeutend. Fast so banal unbedeutend wie GNT by Schnäuzchen<br />

Klum. Aber der normalen, unbedarften Hausfrau und Mutti will man<br />

hier suggerieren, daß es sich um eine ganz spezielle Schokolade für<br />

Kinder handelt, uiuiui, vielleicht ist die ja sogar noch gesund?! Ja klar,<br />

ganz bestimmt. Die ist sowas von gesund, man kann sich kaum noch<br />

vorstellen, wie gesund die ist. Aber sowas von. Und Rauchen macht<br />

schön und Alkohol schlau.<br />

Nein, das ist alles ganz großer Bullshit. Bullshit zum Quadrat.<br />

Mindestens. Sowas macht man einfach nicht. Man verarscht seine<br />

Kunden nicht. Beziehungsweise verarscht man seine Kunden nur dann,<br />

wenn man ohne die Verarsche keine Kunden hätte. Dann kann man das<br />

durchaus mal machen. Und das ist aber bei Kinder-Schokolade<br />

bestimmt nicht der Fall. Das Produkt ist nämlich ziemlich gut, das<br />

Produkt ist geschmackstechnisch gesehen sogar total lecker. Mjam.<br />

Aber die Werbung ist totaler Bullshit. Voll für`n Arsch, aber mal so<br />

richtig. Also laßt das doch bitte mal sein. Scheiß doch auf die geile<br />

Extraportion Milch, ist doch nur was für komplett Gehirnamputierte,<br />

mal echt jetzt. Muß doch nicht sein.<br />

243


Und wo wir gerade beim Thema gehirnamputiert sind: Liebe<br />

FERRERO-Werber, liebe Zucker-Püppchen und Riegel-Dreher der<br />

FERRERO-Marketing-Abteilung, laßt Euch für Euer tolles Raffaello<br />

doch bitte auch mal was anderes einfallen, ja?! Diese Werbung ist doch<br />

wohl auch mal so richtig schön schwachsinnig, mal echt jetzt. Früher<br />

hieß es Leichter Genuß, ganz ohne Schokolade, heute dagegen nur noch<br />

Vollkommen... ohne Schokolade. Ja Mensch, die Dinger haben 600<br />

Kalorien und 45 Gramm Fett auf 100 Gramm. Das sind 50 Kalorien und<br />

10 Gramm Fett mehr als jede normale Schokolade. Und Ihr suggeriert<br />

da leichten Genuß und ohne Schokolade und sonstwas. Das macht doch<br />

überhaupt keinen Sinn. Da könnt Ihr die Dinger auch<br />

Vollkommen... ohne Pferde-Scheiße<br />

oder<br />

Vollkommen... ohne Rheuma-Salbe<br />

nennen, ist mindestens genauso sinnvoll. Vollkommen sinnvoll,<br />

vollkommen ohne Verstand. Vollkommen Sockenschuß! Laßt doch bitte<br />

den Unsinn sein, müßt Ihr doch nicht machen. Ist doch alles ganz lecker<br />

und toll, aber veräppelt doch bitte die Leute nicht so, ja?! Die meisten<br />

haben eh schon so krass einen an der Waffel, da müßt Ihr das doch nicht<br />

noch machen. Grenzt ja an Körperverletzung sowas.<br />

Werft doch mal bitte die Leute aus Eurer Marketing-Abteilung raus, und<br />

stellt dafür ein paar neue ein. Bißchen frischer Wind wäre mal nicht<br />

schlecht. Allein diese ultimativ hanebüchenen Dialoge in Eurer<br />

Werbung, sei es Mon-Chéri oder Rocher oder Küßchen oder sonstwas.<br />

Völlig egal. Bei jeder FERRERO-Werbung kriegt man einen totalen<br />

Lattenschlag, echt jetzt. Euer Zeug muß ja geiler sein als Koks oder<br />

Ecstasy, mein lieber Mann. Das würde zumindest auch die grenzwertig<br />

beknackten Dialoge erklären. Boah! Ich dachte immer, ich würde schon<br />

ein ziemlich geiles Leben führen. Aber wenn ich mir das so angucke,<br />

dann wäre ich wohl doch lieber einer der lustigen Freunde aus Eurer<br />

Ferrero-Küßchen-Werbung. Oder zusammen mit der Raffaello-Tante<br />

auf den Malediven. Oder das Arschloch mit dem Kirschstand.<br />

Wahnsinn! Was für ein himmelschreiender Unsinn!<br />

244


Zu Eurer guten Milchschnitte sage ich jetzt mal lieber nichts mehr, sonst<br />

entsteht hier noch der Eindruck, ich hätte speziell was gegen<br />

FERRERO. Habe ich aber gar nicht. Andere machen nämlich ähnliche<br />

Augenwischerei, insbesondere im Süßigkeiten-Bereich, da regiert der<br />

Wahnsinn. Scheinbar muß man als Werber in der Süßigkeiten-Branche<br />

einen ganz fulminanten Sockenschuß haben, anders ist das nicht mehr<br />

zu erklären. Egal. Nehmen wir also mal einen anderen, nehmen wir mal<br />

STORCK und deren Knoppers. Knoppers, das Frühstückchen. Wird als<br />

Milch-Haselnuß-Schnitte mit wertvollen Zutaten beworben und als<br />

ideale kleine Stärkung für zwischendurch.<br />

Ist das mal kackfrech?! Das ist kackfrech. Freunde, was soll denn das?!<br />

Was soll denn dieser freche Unsinn?! Das Ding besteht hauptsächlich<br />

aus leeren Kalorien wie Zucker, Fett und Mehl und hat demzufolge auch<br />

einen ähnlichen Kalorien- und Fettanteil wie normale Schokolade. 528<br />

Kalorien und 32 Gramm Fett per 100 Gramm. Glückwunsch. Also wenn<br />

das keine ideale kleine Stärkung für zwischendurch ist, dann weiß ich es<br />

auch nicht mehr. Da geht mir doch echt der Hut hoch! Klar sind da auch<br />

ein oder zwei Gramm Nüsse und Milchanteil drin, ganz phantastisch,<br />

aber die kriege ich auch, wenn ich den Fußboden in meiner Küche<br />

ablecke. Mindestens.<br />

Hört doch bitte auf, den Eindruck erwecken zu wollen, daß sowas<br />

gesund oder wertvoll oder sonstwas sei. Ideale kleine Stärkung, na klar.<br />

Aber auch nur dann, wenn man als Alternative ansonsten nur noch einen<br />

plattgefahrenen Igel oder Cockpit-Spray zu fressen hätte. Dann ja, dann<br />

ideale kleine Stärkung, dann ganz toll. Aber auch nur dann. Ansonsten<br />

Süßigkeit. Nicht mehr, nicht weniger. Und genau wie die anderen hier<br />

erwähnten Produkte äußerst schmackhaft und lecker. Deswegen<br />

nochmal in aller Deutlichkeit: Hier geht es definitiv nicht darum,<br />

irgendein Produkt zu verunglimpfen. Nein, absolut nicht. Die Produkte<br />

an sich sind nämlich alle prima. Aber die Art und Weise, wie sie<br />

angepriesen werden, um ganz bewußt falsche Illusionen beim<br />

Konsumenten hervorzurufen, ist schlichtweg Affenkacke. Ganz, ganz<br />

fiese Affenkacke. Klingt komisch, ist es auch.<br />

Na, ist das mal sehr geil, was der Honk so alles weiß?!<br />

245


Ich kann machen, was immer zur Hölle ich will. Heute können mir alle<br />

mal den Buckel runterrutschen, verstehen Sie?!<br />

dd) Ergebnis<br />

246<br />

(Iggy Pop)<br />

Während wir unserem Honk unter Abschnitt a) dieses Kapitels<br />

vereinzelte anarchistische Charakterzüge nachweisen konnten, durften<br />

wir nun in Erfahrung bringen, daß er daneben auch ein ziemlich fieser<br />

Ignorant ist. Beziehungsweise Ignorant sein muß. Muß! Grundsätzlich<br />

sind hierbei zwei Fälle denkbar:<br />

Zum einen können Mißstände vorliegen, die der Honk nicht oder nur<br />

mit unverhältnismäßig hohem Aufwand ändern kann. An erster Stelle<br />

muß hierbei zwangsläufig unsere immer kapitalistischer und<br />

unmenschlicher werdende Gesellschaft genannt werden. Unsere sehr<br />

herrliche soziale Marktwirtschaft, na klar. Die Jobs werden tagtäglich<br />

knapper und beschissener, dafür wird im Gegenzug die Angst immer<br />

größer und die Kohle immer weniger bzw. auch noch weniger wert.<br />

Paßt also alles ganz toll. Auf einen gemeinsamen Nenner gebracht:<br />

Scheiß-Jobs � Scheiß-Kohle<br />

Toll. Sollte so halbwegs verständlich geworden sein. Ausbeutung des<br />

Menschen bzw. des Produktionsfaktors Mensch, in erster Linie unter<br />

Verwendung des Druckmittels Angst, bla, alles durchgekaut. Voll<br />

beschissen, voll zum Hinkotzen. Leider allerdings ein Mißstand, den der<br />

Honk nicht ändern kann. Ansatzweise höchstens für sich selbst. Also<br />

weitestgehend frei und eigenständig arbeiten, um gerade so viel Kohle<br />

zu verdienen, wie für den eigenen Lebensstil nach eigenem Ermessen<br />

benötigt wird. Und das Ganze nach Möglichkeit auch noch legal, was<br />

das Unterfangen zusätzlich und erheblich erschwert.


Zusammenfassend ist demnach also festzuhalten, daß der Honk den<br />

Kapitalismus weitestgehend ignoriert und diesen nur insoweit<br />

akzeptiert, als wie er für die Erfüllung eigener materialistischer Belange<br />

unvermeidlich ist. Idealerweise ist der Honk dabei dem Produkt seiner<br />

Arbeit nicht entfremdet. Indem er beispielsweise in irgendeiner<br />

Pommesbude irgendwelche Schrauben und Muffen verkauft oder in<br />

irgendeiner anderen Pommesbude an irgendeinem Scheiß-Fließband<br />

steht. Oder ähnlichen Blödsinn machen muß. Nein, das geht nicht, keine<br />

Entfremdung des Honk. Keine Austauschbarkeit, keine System-<br />

Anonymität, und vor allen Dingen auch keine total hirnverbrannten<br />

Tätigkeiten für schmales Moos. Nix da. Niemals.<br />

Und das ist auch gut und richtig und wichtig so, und deshalb muß unser<br />

Honk auch nicht kompensieren. Weder mit hanebüchenen<br />

Freundeskreisen voller Arschgeigen, noch mit sonderbaren Hobbies,<br />

noch mit übermäßigen Freß-, Sauf-, Sport- oder Koks-Attacken oder gar<br />

mit Aso-TV und Internet-Chat.<br />

Merke: Der Honk kompensiert nicht, der Honk säuft zum Spaß.<br />

Der zweite denkbare Fall sind Mißstände, die schlicht und einfach vom<br />

Format, von der Thematik und von den Protagonisten her schon so<br />

unfaßbar dämlich sind, daß für einen geistig halbwegs normal situierten<br />

Menschen keine andere Reaktion als Ignoranz in Betracht kommen<br />

kann. Oder konkret: Aso-TV und Opfer-TV. Also fast alles, was<br />

tagtäglich so im Privatfernsehen zwischen 8 und 18 Uhr läuft. Müssen<br />

wir ignorieren, wollen wir uns nicht mit befassen. Sonst wird unser<br />

armes Gehirn lang und schmerzfrei sterben müssen. Und das ist dann<br />

ein Vorgang, der für außenstehende Dritte sehr skurril anmutet.<br />

Letzten Endes müssen wir dann größtenteils auch die Werbung<br />

ignorieren. Die wird nämlich leider auch immer sinn- und hirnloser, wie<br />

dem ein oder anderen möglicherweise bereits selbst aufgefallen ist.<br />

Insbesondere die TV-Werbung, die ist besonders krass und gefährlich.<br />

Weil man bei dieser nicht abschätzen kann, wann der nächste Schlag an<br />

die Waffel kommt. Jeder Spot könnte der letzte sein. Dessen müssen wir<br />

uns stets bewußt sein. Insbesondere immer dann, wenn wir Süßigkeiten<br />

einkaufen gehen.<br />

247


Alles in allem wird man wohl zu dem Ergebnis kommen müssen, daß<br />

wir gegen Mißstände, die uns persönlich betreffen oder nahe gehen,<br />

immer dann kämpfen sollten oder sogar müssen, wenn eine realistische<br />

Aussicht auf Erfolg besteht. Also wenn wir die Mißstände ändern oder<br />

wenigstens einen vernünftigen Beitrag zur Veränderung leisten können.<br />

Dann müssen wir als Honk aktiv werden. Und zwar nach eigenem<br />

Ermessen und notfalls sogar unter Zugrundelegung eigener<br />

Vorstellungen von Moral und Ethik.<br />

Und damit ist nicht BILD lesen gemeint. Beziehungsweise BILD lesen<br />

und sich hinterher über das Gelesene ausscheißen. Oder zur Wahl gehen<br />

und irgendein besonders bizarres, linkes Früchtchen wählen. Oder<br />

Steine auf irgendwelche Leute oder in irgendwelche Scheiben werfen.<br />

Nein, das alles ist großer Kokolores und hat mit einem Honk und<br />

Honkland nicht das Geringste gemein. Honkland ist nicht Amok oder<br />

Chaos, Honkland ist zielgerichtetes, sinnvolles Leben. Weitestgehend<br />

an einer ferngesteuerten und fremdbestimmten Gesellschaft vorbei.<br />

Einer Gesellschaft, die der perfiden Illusion erlegen ist, frei zu sein.<br />

Einer Gesellschaft, die tagtäglich auf immer absurdere und groteskere<br />

Ideen kommt, um den unvermeidlichen großen Knall noch etwas weiter<br />

hinauszuzögern. Bizarro-World! Land of Confusion! Klappsland!<br />

Geisteskrankenhausen! Wie auch immer. Auf jeden Fall Wahnsinn und<br />

somit selbstverständlich nichts für einen Honk.<br />

Im Umkehrschluß heißt das also schlichtweg, daß Mißstände, die nicht<br />

geändert werden können, ignoriert werden müssen. Nicht Toleranz oder<br />

gar Akzeptanz, nein, Bullshit, Ignoranz muß es sein. Ignorieren macht<br />

frei, Ignoranz ist geil. Also komplett an einem vorbei, komplett am<br />

Arsch ab, zack. Keine Notiznahme, keine Aufmerksamkeit, weil nicht<br />

existent. Phantastisch! Und durch und durch logisch. Wer es einmal<br />

ausprobiert hat, wird mehr als begeistert sein. Fresse halten und<br />

ignorieren. Das Non-plus-ultra in unserer lustigen Zeit. Das macht Sinn,<br />

das macht frei, das kommt gut.<br />

248


Hey, willst Du Dir ein bißchen Geld verdienen nebenbei? Schau` hier,<br />

20 Mark, guck` mal. Siehst Du dort diese grünlich schimmernde, alte,<br />

fiese Opa-Unke? Dieses Miststück? Dieses verdammte, aus dem<br />

Altenstift gezogene, hierhin gebrachte, verworrene Stück Blödheit?<br />

Scheiß ihm in die Stiefel! Scheiß sie ihm randvoll kaputt! Hol` alles raus<br />

aus Deinen Schläuchen, laß alles fahren! Und noch eines geb` ich Dir<br />

mit auf den Weg: Putz` Dir nachher den Popo schön ab!<br />

c) Der Honk als Sackgesicht<br />

249<br />

(Doc Snyder)<br />

Anarchist, Ignorant, Sackgesicht. Damit ist eigentlich alles gesagt.<br />

Honk eben. Da weiß jeder gleich Bescheid, was Sache ist. Anarchist,<br />

Ignorant, Sackgesicht. Ähnlich wie Vater, Sohn, Heiliger Geist. Da<br />

weiß dann auch jeder gleich Bescheid. Keine Fragen mehr offen, alles<br />

geklärt. Was gesagt werden mußte, wurde gesagt. Widmen wir uns<br />

abschließend also der Charakterisierung des Honk als Sackgesicht. Und<br />

zwar nicht bloß als irgendein x-beliebiges Sackgesicht, nein, sondern<br />

vielmehr als Germany`s Biggest Sackgesicht, so wie es der Titel des<br />

Buches bereits so furchtbar verheißungsvoll andeutet.<br />

Nun ist die Sache mit der Charakterisierung als Sackgesicht natürlich<br />

erheblich leichter gesagt als getan. Denn wie können wir jemanden als<br />

etwas charakterisieren, dessen Bedeutung sich uns noch gar nicht<br />

erschließt?! Oder anders gefragt: Was ist überhaupt ein Sackgesicht?<br />

Gemäß herrschender Meinung im Internet ist bei Herleitung der<br />

Definition der Titulierung Sackgesicht in erster Linie auf äußere<br />

Merkmale abzustellen. Hierbei muß grundsätzlich zwischen zwei Fällen<br />

unterschieden werden: Zwischen dem tatsächlichen und dem optischen<br />

Sackgesicht.


Das tatsächliche Sackgesicht ist dadurch klassifiziert, daß es eine Art<br />

Stofftüte oder Jutesack über den Kopf gestülpt trägt, ähnlich einem<br />

Henker oder einem Mitglied des Ku-Klux-Klans. Dies kann einerseits<br />

aus Gründen der Anonymität geschehen, andererseits aus Gründen der<br />

eigenen Einsicht des Trägers in seine schier unglaubliche und<br />

abgrundtiefe Häßlichkeit. Letztere Motivation kommt beispielsweise bei<br />

Jason Vorhees in Freitag der 13. Teil II zum Tragen: Boah, sehe ich<br />

vielleicht mal voll Scheiße aus! Zack, Tüte über`n Kopp, Machete in die<br />

Hand, gleich viel besser. Respekt! Ferner existieren Gruppierungen, bei<br />

denen eine Mischung aus beiden Motiven vorliegt, also Wahren der<br />

Anonymität und Verbergen der fiesen Hackfresse. Ein Beispiel hierfür<br />

sind die Jungs und Mädels von Al-Qaida & Co. oder auch das Osama-<br />

Survival-Camp.<br />

Dieser Definition kann der Honk allerdings nicht zugeordnet werden.<br />

Zum einen zieht er seinen Wahnsinn aus ehrlicher Überzeugung durch,<br />

was dem Prinzip einer Maskierung aus Anonymitäts-Gründen<br />

grundlegend widerspricht. Wenn schon Honkytonk, dann auch richtig.<br />

Da kann dann jeder auch gleich mal sehen, von wem es kommt. Und<br />

zum anderen sieht unser Honk einfach so unglaublich gut aus, daß er<br />

seine Schönheit und seinen Glanz unter gar keinen Umständen unter<br />

einem Jutesack verbergen dürfte. Da hätte keiner was von.<br />

Das optische Sackgesicht definiert sich dagegen durch eine untypische,<br />

auf Nase und Kinn fokussierte, optische Abnormalität. Hierbei<br />

symbolisiert eine überdurchschnittlich lange und bananenförmig<br />

gebogene Schlauchnase den männlichen Penis, während zudem ein<br />

stark der Norm abweichendes, übermäßig hängendes und extrem<br />

faltiges Doppelkinn als Metapher für den männlichen Hodensack<br />

anzusehen ist. Das Gesicht als Ganzes ähnelt somit stark einem<br />

männlichen Genitalbereich.<br />

Auch diese Definition erweist sich im Falle unseres Honk als<br />

unbrauchbar. Das optische Sackgesicht ist zumeist vielmehr fiktiver<br />

Natur und kommt daher eher bei komödiantischen Illustrationen oder<br />

grotesken Karikaturen zur Anwendung. In der Realität -und auch<br />

insbesondere im Honkland- wird man ein optisches Sackgesicht<br />

dagegen kaum finden können.<br />

250


Aufgrund genannter Umstände, also Ablehnen einer anonymen<br />

Maskierung bei ansonsten optischer Einwandfreiheit ohne dominante<br />

Merkmale an Nase oder Kinn, kommt eine Typisierung unseres Honk<br />

als tatsächliches oder optisches Sackgesicht nicht in Betracht. Bleibt<br />

daher lediglich noch zu prüfen, ob unser Honk als metaphorisches<br />

Sackgesicht typisiert werden kann. Also eine Einordnung als<br />

sinnbildliches Sackgesicht, welches eher auf charakterliche Attribute<br />

abstellt. Dies wäre dann der Fall, wenn unser Honk innerlich so madig<br />

und ranzig und zugeschissen wäre, daß man sich das eigentlich gar nicht<br />

mehr vorstellen kann. Und auch gar nicht will. Also eine extrem madige<br />

Extrem-Made, eine Napf-Birne, ein gammeliger Gimp, ein Oimel, ein<br />

ranziger Schakal und natürlich auch noch ein riesengroßer Peniskopf.<br />

Mindestens. Natürlich alles rein charakterlich gesehen. Charakterlich<br />

also voll krass fehlgeleitet. Dann, ja dann spräche man zweifelsohne<br />

von einem Sackgesicht. Natürlich alles rein metaphorisch, aber trotzdem<br />

Sackgesicht. Sackgesicht ist Sackgesicht, und nur darum geht es hier.<br />

Insoweit erscheint es nur logisch, an dieser Stelle zu hinterfragen, ob<br />

unser Honk vielleicht generell und komplett und voll krass fehlgeleitet<br />

ist. Im gesellschaftlichen Leben, also als Anarchist und Ignorant, scheint<br />

dies umstritten. Böse Zungen mögen es Amok und Chaos und Pfui<br />

nennen, der Honk nennt es Fortschritt. Und natürlich Freiheit, klar.<br />

Aber wie sieht es beim Honk intern aus? Also in seiner Rübe, in seiner<br />

Birne, in seinem Kürbis. Ist dort Amok, Chaos und Pfui oder vielleicht<br />

sogar Matsch? Holz, Stroh, Erde, Torf, Sand? Oder ist dort Fortschritt?<br />

Innovation, Freiheit, Leben? Sonne, Mond, Sterne?<br />

Um dem auf den Grund zu gehen, erscheint es sinnvoll, zunächst<br />

diverse alltägliche Lebensbereiche und -situationen unseres Honk zu<br />

beleuchten. Und selbstverständlich schenken wir hierbei den Frauen als<br />

erstes unser Augenmerk. Na klar, unseren Frauen, wem denn auch<br />

sonst?! Unseren Amazonen, unseren Kapitänen, unseren Grazien,<br />

unseren Hühnern. Unseren Frauen eben, ich freu` mich.<br />

251


Betrachte die Anwesenheit von Frauen als eine notwendige<br />

Unannehmlichkeit im Leben, und vermeide sie so weit als möglich.<br />

252<br />

(Leo Tolstoi)<br />

Wonderland, wonderland, shining stars, jingle bells, this time is filled<br />

with magic. Wonderland, wonderland, shining stars, jingle bells, all<br />

over the world.<br />

aa) Honk und Frauen<br />

(Heidi Klum)<br />

Mit den Frauen ist das so eine Sache. Selbstverständlich ist der Honk<br />

ein absoluter Frauen-Versteher. Das sollte mittlerweile klar geworden<br />

sein. Niemand kann Frauen so gut verstehen wie der Honk. Die ganze<br />

Sache hat nur einen Haken: Je mehr man die Frauen versteht, desto<br />

weniger wird man aus ihnen schlau. Man versteht quasi alles, nur ergibt<br />

es einfach keinen Sinn. Es fehlt die Logik, und wie sie fehlt, sie fehlt an<br />

allen Ecken und Enden. Einfach keine da.<br />

Das geht ja schonmal bei der Bezeichnung als schwaches Geschlecht<br />

los. Schwaches Geschlecht, wie kann denn das wohl noch gemeint sein?<br />

Wo kommt denn das mal bitte her? Das kann ja wohl höchstens ein<br />

Überbleibsel aus alten Zeiten sein. Als der feine Herr noch hoch zu<br />

Pferde saß und in die Schlacht ritt. Von da muß das noch übrig sein.<br />

Denn wenn man sich unsere moderne Amazone von heute ansieht, wie<br />

sie stolz und grimmig ihre Exxon Valdez durch den Straßenverkehr<br />

manövriert, dann sind doch Kapitän Kirk und Luke Skywalker ein<br />

Scheißdreck dagegen, mal echt jetzt.


Hier, nur mal so als zum Beispiel:<br />

Luke, Obi-Wan hat Dir nie erzählt, was mit Deinem Vater passiert ist.<br />

Nein, aber mit meiner Mutter, die steuert einen Sternen-Zerstörer.<br />

So sieht`s doch nunmal aus. Also Pustekuchen von wegen schwaches<br />

Geschlecht. Die moderne Frau von heute hat den weinerlichen Mann<br />

längst überholt, sogar beim Testosteron. Man muß sich das Elend nur<br />

einmal angucken. Haarsträubend. Besorgniserregend. Und vor allen<br />

Dingen: Es gibt kein Zurück mehr. Hat unser Amazönchen erst einmal<br />

das Ruder übernommen, gibt sie es nicht wieder her. Nie, nie mehr.<br />

Und das ist auch gut so, das ist sogar richtig lustig so. Denn nun kann<br />

man sich als Mann -und insbesondere als Honk- zurücklehnen und<br />

höchst amüsiert beobachten, was unser Amazönchen als nächstes tut.<br />

Also wenn sie ihr Primärziel, den Mann zu unterjochen, erreicht hat.<br />

Dann hat sie auf ganzer Linie gesiegt, und zwar für immer. Denn ein<br />

nachträglicher Aufstand oder gar eine Meuterei des Mannes ist gänzlich<br />

ausgeschlossen. Sowas endet immer übel, und immer für den Mann. Für<br />

das moderne Männlein, das Männchen. Ganz übel, und daher läßt man<br />

es lieber gleich bleiben und harret der Dinge, die denn da nun folgen<br />

werden. Und die sind lustig, richtig lustig.<br />

Denkbar ist fast alles. Den tonnenschweren Reisebus haben wir<br />

ausreichend durchgekaut. Was auch immer total geil kommt, sind diese<br />

doppelten Nachnamen. Uiuiui. Sehr extravagant, très chic. Très<br />

magnificent. Also so wie bei den Politikerinnen und Berufsschul-<br />

Lehrerinnen. Um die Eigenständigkeit und Importanz und sonstwas<br />

ganz brachial und völlig unumstritten hervorzuheben. Zack. Sabine<br />

Leutheusser-Schnarrenberger. Der macht fast eine ganze Zeile voll,<br />

meine Fresse. Herta Däubler-Gmelin. Kling auch sehr geil. Oder hier,<br />

mal einer aus dem Bereich Sport: Gunda Niemann-Stirnemann. Mann,<br />

Mann, Mann. Mein lieber Mann. Keine Ahnung, was da in den Hühnern<br />

vorgeht, aber als Mann hält man da auch lieber die Fresse, ist besser.<br />

Langeweile, Komplexe oder einfach nur Bock auf einem beschissenen<br />

Nachnamen. Alles möglich, alles denkbar. Bloß nicht nachfragen, bloß<br />

nicht laut aussprechen.<br />

253


Denn bei der Wahl extrem raffinierter Kinder-Namen ist unsere<br />

moderne Amazone nicht minder kreativ: Maurice-Joel, Jason-Leon,<br />

Finn-Ole, Leon-Pascal, Chiara-Sophie, Mia-Marie. Endgeil. Liest sich<br />

wie die Darsteller-Liste eines holländischen Low-Budget-Pornos. Und<br />

zack, gleich noch zwei, drei geile Aufkleber an die Exxon Valdez hinten<br />

dran. Zack. Vivienne-Leonore on Tour. Natürlich. Tyler-Finn on Board.<br />

Auch schön. Und so zeitlos und elegant und sinnvoll. Selbstverständlich<br />

viel zeitloser und eleganter und natürlich auch viel sinnvoller als die<br />

Aufkleber Show-Stopper und Pussy-Wagon, die an meinem Benz hinten<br />

dran kleben. Das steht natürlich völlig außer Frage. Sollte ich einmal<br />

ungewollt eigene Kinder haben, wird der Junge Ulf-Wulf-Ralf-Rolf-Wolf<br />

und das Mädchen Mandy-Sandy-Handy-Candy heißen. Kein Scherz.<br />

Auch immer sehr geil anzusehen: Wenn unsere dann meist doch etwas<br />

korpulentere Grazie unter Zuhilfenahme von zwei dürren, klapprigen<br />

Metall-Krückstöcken ganz dynamisch mit ihren anderthalb Zentnern<br />

durch Wald, Wiese und Feld schlurft. Nennt sich Nordic Walking und<br />

macht überhaupt keinen Sinn. Sieht dafür aber völlig beknackt aus. Also<br />

ideal für Frauen. Kommt gleich nach Joga und Esoterik-Kram. Hat<br />

wahrscheinlich alles ein und derselbe Kerl erfunden. Wahrscheinlich<br />

derselbe Arsch, dem wir den Multivan zu verdanken haben. Besten<br />

Dank dafür. Stößchen.<br />

Man könnte die Liste endlos fortführen, denkbar sind die skurrilsten und<br />

bizarrsten Dinge. Denn wenn unser Amazönchen erstmal außer Rand<br />

und Band geraten ist, können die merkwürdigsten Sachen geschehen.<br />

Frau Mandy-Candy Schultz-Schulz-Schultz läßt sich von ihrem Mann<br />

Randy in deren Ford Galaxy zum Nordic Walking bringen und<br />

anschließend ins Nagelstudio zum Fuß-French. Heiliger Bimbam!<br />

Gänsehaut. Geisterbahn. Als wenn das noch irgendwas nützen würde.<br />

Geht mal alles gar nicht! Und jetzt könnte man als lebensmüder Randy<br />

daherkommen und seiner Grazie erzählen, daß sie ihren fetten Arsch<br />

mal lieber zwei, drei Stunden pro Woche auf sinnvollen Sportgeräten<br />

wie Ergometer oder Crosstrainer bewegen könnte. Statt albern mit<br />

Krücken durch die Gegend zu latschen und sich ihre pottenhäßlichen<br />

Stinkemauken und Hammerzehen auch noch für teure Kohle anpinseln<br />

zu lassen. Das könnte unser lebensmüder Randy seiner Mandy-Candy<br />

nun erzählen, und Recht hätte er. Und wie er das hätte.<br />

254


Aber Recht haben und Recht bekommen sind zwei paar Schuhe.<br />

Konnten wir ja bei unseren kleinen Ausflügen in die bunte Welt der<br />

Justiz bereits erschöpfend eruieren. Und während die Justiz vereinzelt<br />

noch Milde walten läßt, kennt unser modernes Weibchen bei sowas<br />

keine Gnade. Keine Gnade, niemals, und es wird auch nicht lange<br />

gefackelt. Ein dezenter Hinweis auf den positiven Nutzen eines<br />

modernen Fitness-Gerätes hätte -insbesondere in Verbindung mit dem<br />

Schlüsselwort fetter Arsch- verheerende Konsequenzen für unseren<br />

Randy. Ließe er sich zu solch einem kecken Hinweis hinreißen, wäre für<br />

ihn alles verloren. Alles. Und nichts wäre mehr wie früher. Ganz<br />

verheerend. Mit ein bißchen Pech wird unser Randy sogar sterben<br />

müssen, denn mit ein bißchen Pech frißt ihn das Weibchen jetzt auf.<br />

Und das ist auch einer der Gründe, warum sich unser Honk kein<br />

Weibchen ins Haus holt, zumindest nicht dauerhaft. Deswegen, na klar,<br />

und weil er noch nicht komplett bescheuert ist. Beim Honk muß man<br />

sich das nämlich so vorstellen, daß die Hühner kommen und gehen.<br />

Eines von beiden manchmal öfter, aber am Ende gehen sie alle. So viel<br />

ist mal sicher. Ganz viel Spaß, ganz wenig Verpflichtung. So soll es<br />

sein, und so muß es auch sein. Warum auch nicht, schließlich sind wir<br />

alle weitestgehend erwachsen. Naja, die meisten zumindest. Und wenn<br />

wir mal ganz ehrlich zu uns selbst sind, gibt es heutzutage auch keinen<br />

einzigen rationalen Grund mehr, sich fest zu binden.<br />

Liebe? Sollte es tatsächlich etwas wie Liebe sein? Ach woher denn!<br />

Abstriche, Zugeständnisse, Gewohnheiten. Nicht mehr, nicht weniger.<br />

Als würde man einen zehn Jahre alten Polo mit 60 PS kaufen und dann<br />

anderen Vollidioten erzählen, man führe die Schleuder lieber als einen<br />

Porsche oder SL500. Kompletter Blödsinn, völliger Nonsens.<br />

Hanebüchenes Hühner-Gegacker, wie so oft. Und spätestens jetzt sei<br />

doch bitte mal eine Frage gestattet. Ein elementare Frage, fürwahr,<br />

geradezu eine Fangfrage. Sozusagen die 500.000-Euro-Frage: Warum<br />

zur Hölle sind eigentlich so viele total hübsche Frauen mit solchen<br />

totalen Voll-Gurken zusammen?! Mit absoluten Ladenhütern und<br />

Gesichts-Petern. Unfaßbar. Und für einen normalen Menschen bzw. für<br />

einen normalen Mann nicht nachvollziehbar. Frauen-Logik eben. Steigt<br />

kein Mann durch, weil kein Sinn dahinter. Nur der Honk als besonderer<br />

Frauen-Versteher weiß es: Gewöhnung heißt das Wort der Stunde.<br />

255


Gewöhnung. Phantastisch. Und auch ganz einfach. Gewöhnung tritt<br />

nämlich immer dann ein, wenn unser kleines Amazönchen einen Mann<br />

kennenlernen muß. Beispielsweise als Arbeitskollegen oder als Mitglied<br />

des bis zur Perversion aufgeblähten Bekanntenkreises. Dann passiert<br />

etwas ganz Tolles, etwas ganz Außergewöhnliches. Denn dann gewöhnt<br />

sich unser Amazönchen mit der Zeit an diesen Mann. Völlig egal, wie<br />

beschissen, ekelhaft, abstoßend und widerlich sie ihn anfangs fand.<br />

Irgendwann tritt Gewöhnung ein. Und es wird relativiert, und zwar im<br />

ganz großen Stil. Abstriche werden gemacht, es wird schöngeredet. Et<br />

voilà, irgendwann findet unser Amazönchen den anfänglichen<br />

Kotzbrocken gar nicht mehr so ekelhaft und widerlich und häßlich.<br />

Lernt ihn kennen und schätzen. Sieht seine guten Seiten, seinen<br />

Charakter. Verliebt sich irgendwann.<br />

Tja, und dann haben wir den Salat. Die hübsche, kleine Fee und die<br />

Voll-Gurke. Was für ein Paar, was für ein Bullshit. Bullshit hoch<br />

sonstwas. Auf sowas können echt nur Hühner kommen. Während sich<br />

der Mann die Frau schön-saufen kann, muß sich die Frau den Mann<br />

schön-kennenlernen bzw. schön-abstreichen. Oh Mann. Und dann hat<br />

man irgendwann das lustige und mittlerweile gängige Bild, daß ein<br />

absoluter Gurken-Knecht und Gesichts-Peter mit einer richtig geilen<br />

Tante zusammen ist. Und damit meine ich richtig geil, nicht irgendein<br />

dusseliges Casting-Opfer oder eine dummblondierte Plastik-Frutte.<br />

Man möchte unsere Amazönchen geradezu rütteln und schütteln und<br />

ihnen ins Gesicht schreien:<br />

Höret her, höret her, liebe Amazonen und Amazönchen da draußen!<br />

Nicht jeder geil aussehende Kerl mit Charakter ist schwul.<br />

Läßt man aber lieber, hat eh keinen Sinn. Sie können es nicht hören, sie<br />

wollen es nicht hören. Und selbst wenn sie es hören könnten, verständen<br />

sie es nicht. Und wenn sie es verständen, würden sie es nicht wahrhaben<br />

wollen. So sieht es nunmal leider aus. Die meisten Mädels sind so<br />

festgefahren in ihren mittelmäßigen Beziehungen, daß sie überhaupt<br />

nichts mehr merken. Kriegen nichts mehr mit. Mittelmäßigkeit als Maß<br />

der Dinge. Mittelmaß im Job, Mittelmaß in der Beziehung, Mittelmaß<br />

im Leben. Ätzend. Aber wer`s mag.<br />

256


Als Honk mag man sowas natürlich überhaupt nicht. Als Honk findet<br />

man sowas vielmehr völlig inakzeptabel. Denn für einen Honk gibt es<br />

kein Mittelmaß. Entweder geil oder nicht geil. Eines von beiden. Aber<br />

gewiß nicht geil mit Abstrichen. Halbgeil. Partiell geil. Bullshit! Sowas<br />

gibt es nicht. Keine Ahnung, warum die Hühner das tun, aber sie tun es.<br />

Machen Abstriche und Abstriche und Abstriche und haben dann<br />

irgendwann den absoluten Lackkasper zum Kerl. Glückwunsch, ganz<br />

herzlichen Glückwunsch. Voll das Abstrich-Männchen, voll die<br />

Zwiebel, voll für`n Arsch. Stößchen. Dabei könnten sie stattdessen<br />

richtig geile Typen haben. Ja, richtig geile Typen, liebe Hühner.<br />

Vielleicht sogar einen Honk! Ja, ganz genau, einen Honk. Kein Witz.<br />

Vielmehr Drama. Was für ein Drama, was für eine Tragik. Furchtbar.<br />

Aber egal, man kann nicht alles haben. Und die Hühner wollen das ganz<br />

offensichtlich auch nicht, die lieben Mittelmaß und Gurken.<br />

Und genau deswegen geht man als Honk keine dauerhafte und feste<br />

Bindung ein: Weil man als Honk gar nicht so viele Macken haben kann,<br />

wie die Hühner bräuchten, um genügend Abstriche machen zu können,<br />

um sich so schön sicher und so komfortabel mittelmäßig fühlen zu<br />

können. Naja, und weil man dann doch auch ganz gern mal ein wenig<br />

Abwechselung in der Kiste haben möchte. Wer will schon tagein tagaus<br />

mittelmäßigen, halbgeilen Hackbraten?! Also der Honk schonmal nicht,<br />

bäh. Der Honk braucht Abwechslung, auf dem Tisch und auch in der<br />

Kiste, das hat er gern. Und nein, der Honk geht auch nicht mit Fräulein<br />

Schnäuzchen und irgendwelchen Casting-Opfern in irgendeine Mäckes-<br />

Bude und bestellt dort mit gewohnt dämlichem Grinsen einen<br />

American-Sonstwas-Burger mit Fritten. Das macht der Honk dann aber<br />

mal nicht, denn er ist nicht komplett bescheuert. Abwechslung ja,<br />

Schwachsinn nein. Also alles wie gehabt.<br />

257


Who doesn`t look for someone to hold, who knows how to love you<br />

without being told. Somebody tell me why I`m on my own, if there`s a<br />

soulmate for everyone.<br />

bb) Honk allein zu Haus<br />

258<br />

(Natasha Bedingfield)<br />

Insoweit bleibt man als Honk lieber allein zu Haus. Abstriche mag man<br />

keine machen, und die Chance, irgendwann einmal die Richtige zu<br />

finden, ist ähnlich hoch, als träfe man einen Vollidioten auf dem Uni-<br />

Campus. Also eher nicht so hoch. Eher gering. Den Rest erledigt der<br />

Umstand, daß die meisten richtig geilen Frauen in jahrelangen,<br />

mittelmäßigen, stinklangweiligen Beziehungen mit diversen<br />

mitteprächtigen Gurken feststecken. Ätzend. Voll ätzend. Aber nicht zu<br />

ändern. Abstreichen ist das Motto der Stunde, Gewöhnung das Wort der<br />

Woche. Zumindest bei den Hühnern. Krah!<br />

Und wenn der moderne Gurken-Mann nicht irgendwann mal fremdgeht<br />

oder beim wöchentlichen Spiele-Abend vor Aufregung ganz spontan an<br />

einem Herzinfarkt verstirbt, ändert sich auch nichts daran. Dann halten<br />

diese optisch divergenten Beziehungen zwischen geilem Hühnchen und<br />

ungeiler Gurke scheinbar ewig. Sie halten und halten und halten. Gähn.<br />

Denn daß unser Gurken-Mann eines Tages fremdgeht, ist fast gänzlich<br />

auszuschließen. Vielleicht mit einer Wahrscheinlichkeit von unter 0,01<br />

Prozent. Eher noch geringer. Also eher unwahrscheinlich. Sehr<br />

unwahrscheinlich sogar. Höchst unwahrscheinlich. Unwahrscheinlich,<br />

aber nur logisch. Denn keine andere Frau -außer seiner eigenen,<br />

gewöhnten, abstreichenden Frau- guckt den modernen Gurken-Mann so<br />

Mitte 20 bis Anfang 40 auch nur mit dem Arsch an. Und das<br />

vollkommen zu Recht, vollkommen verständlich. Fremdgehen völlig<br />

ausgeschlossen, weil Mann einfach zu gurkig. Keine andere Olle will<br />

sowas, und das völlig zu Recht.


Na, wenn da mal nicht sogar System dahintersteckt?! Also seitens des<br />

Hühnchens. Hühnchen-System sozusagen. Also absichtlich einen<br />

Gurken-Mann suchen, diesen schön-abstreichen, sich an ihn gewöhnen<br />

und sich dann sicher fühlen. Sicherheit vor Geilheit. Sagt bitte, liebe<br />

Hühnchen, ist das Euer System? Dieses hier:<br />

Gurken-Mann � Abstreichen � Sicherheit<br />

Na, das ist ja mal ein geiles System. Geiles System, geiles System. Ein<br />

brillantes, tollkühnes und einzigartiges System. Hieb- und stichfest.<br />

Dagegen läßt sich nichts mehr einwenden. Außer dem hier vielleicht:<br />

Scheiße � Scheiße � Scheiße<br />

Also Scheiße, einfach nur Scheiße. Es ist ein Scheiß-System, es ist ein<br />

Hühnchen-System. Ohne Sinn und Verstand, eben aufgebaut auf<br />

Hühnchen-Logik. Das ist ähnlich bescheuert und hirnfrei, als würde<br />

man mit drei anderen Vollopfern im Schlepptau mit folgendem,<br />

gewohnt epochalem Statement in einen Mäckes reinlatschen:<br />

Regel Nummer Eins: Models lächeln immer!<br />

Ja natürlich, wie konnte ich das nur vergessen?! Immer lächeln!<br />

Lächeln, lächeln, lächeln. Denn wenn es unserer lustigen Gesellschaft<br />

an einem mangelt, dann ja wohl an noch mehr Dauergrinsen. Job<br />

verloren? Frau weg? Ganz egal, immer schön lächeln, hahaha, Leben<br />

geht weiter, alles schön. Dauergrinsen, Dauergrinsen, Dauergrinsen.<br />

Nur darum geht es. Idealerweise immer von den gleichen Hackfressen,<br />

das ist auch ganz wichtig. Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb. Die<br />

einen grinsen sich um ihr letztes bißchen Resthirn und casten sich zu<br />

Tode, während die anderen der Sicherheit wegen Gurken-Männer<br />

abstreichen. Halleluja! Man könnte laut auflachen, wenn es nicht so<br />

bescheuert wäre. Immer lächeln. Eine lustige Welt, eine bunte Welt,<br />

eine schöne Welt, und natürlich auch eine heile Welt. Glückwunsch.<br />

Glückwunsch an uns alle, na klar. Und Stößchen.<br />

Die erste Regel des Fightclub lautet:<br />

Ihr verliert kein Wort über den Fightclub!<br />

259


Das wäre doch mal etwas zeitgemäßer und realistischer. Fightclub.<br />

Fightclub für alle. Statt dämlichem Dauergrinsen. Lieber ein paar<br />

ehrliche Fäuste in die Fresse, als sich ununterbrochen und besonders<br />

hirnverbrannt irgendwann ins Koma zu grinsen. Jeder kann mitmachen.<br />

Die ganze Familie. Fightclub für alle. Wie im Heidepark. Nur nicht<br />

ganz so lustig. Also eher Aggro-Park, der Freizeit-Park für die etwas<br />

andere Familie. Für die etwas zeitgemäßere Familie von heute. Die<br />

Aggro-Familie, wie geil. In der die Dinge etwas anders gehandhabt<br />

werden. Etwas fortschrittlicher. Smile, grins, lach? Und Peace? Und<br />

vielleicht noch Victory? Und zack! Paar auf`s Maul. Zack. Etwas keck,<br />

aber hilft. Durchaus tollkühn. Stoppt im Bruchteil einer Sekunde<br />

jedwedes Dauer- und Komagrinsen beliebiger Art.<br />

Regel Nummer Eins: Debiles Dauergrinsen gibt was in die Fresse!<br />

Unbelievable, ganz klar, jedoch reines Wunschdenken. Der Honk als<br />

illusionärer Zweckoptimist. Aggro-Park, eine schöne Idee. Lustige<br />

Vorstellung, interessante Vorstellung. Aber leider umsonst. Aggro-Park<br />

wird es leider so schnell nicht geben. Es wäre auch zu schön gewesen.<br />

Nicht mehr Hau` den Lukas, sondern Kick` das Klümchen. Hach, wie<br />

geil das denn nun wieder wäre. Aber unrealistisch, viel zu unrealistisch,<br />

und deswegen wird dämlich weiter gegrinst. Egal.<br />

Aggro-Park ist also leider etwas unrealistisch. Aber genauso<br />

unrealistisch ist oben erwähntes Hühnchen-System des Abstreichens.<br />

Also Gurken-Mann angeln, schön-abstreichen, sicher fühlen.<br />

Beziehungsweise Scheiße, Scheiße, Scheiße. Es ist nun nicht so, daß das<br />

System nicht nur an sich schon total Scheiße ist. Nein, zudem ist es<br />

völlig irrational. Ja wie, irrational? Ist doch klar. Eben Hühnchen-<br />

System. Also völlig irrational und von vornherein zum Scheitern<br />

verurteilt, weil es die grundlegendste aller männlichen Eigenschaften<br />

komplett unberücksichtigt läßt: Das Testosteron! Auch auf die Gefahr<br />

hin, nie wieder eine Frau für länger als zwei oder drei Nächte zu finden:<br />

Liebe Hühnchen, jeder Mann geht fremd. Ohne Wenn und Aber. Er<br />

muß es geradezu tun, es liegt in seinen Hormonen. In seinen Trieben. In<br />

seinem Testo. In seinem Sack. Und zwar in seiner Sack-Suppe. Und<br />

Sack und zack, ist die Katze auch gleich mal aus dem Sack. Die Bombe<br />

ist geplatzt, und das ist auch gut und richtig so.<br />

260


Liebe Hühnchen, bitte glaubt Euren Gurken-Männern nicht alles.<br />

Beziehungsweise könnt Ihr meinetwegen glauben, was Ihr wollt. Ihr<br />

glaubt ja auch an Nordic Walking, Exxon Valdez, Kinder-Schokolade<br />

und den ganzen Wahnsinn. Also glaubt und macht, was Ihr wollt. Tut<br />

Ihr eh, ich weiß, ich weiß, Ihr seid ja so verdammt endgeil emanzipiert<br />

und souverän und überhaupt. Na klar, ist doch auch alles ganz toll so.<br />

Aber an all diejenigen Hühnchen an draußen, die noch nicht komplett<br />

gaga obenrum sind: Liebe Hühnchen, auch Eure abgestrichenen, äußerst<br />

holden und sehr edlen Gurken-Männchen gehen fremd. Eure Gürkchen.<br />

Und zwar, sobald sich ihnen die Gelegenheit dazu bietet. Ausnahmslos.<br />

Diejenigen, die Euch ewige Treue heucheln, hängen bei entsprechender<br />

Gelegenheit auf dem nächstbesten geilen Hühnchen drauf. Zack. Drauf<br />

da. Zack, hopp, drauf. Amazing. Stößchen.<br />

Nein, nein, ach woher denn. Alles reine Angst- und Bangemacherei vom<br />

blöden Honk. Alles Schikane, alles Neid, alles sonstwas. Ist alles gar<br />

nicht so. Bei meinem Gürkchen nicht. Mein Gurken-Männlein ist ganz<br />

toll treu. Okay, wenn Ihr Euch dann besser fühlt. Dann nur zu. Dann ist<br />

Euer Gürkchen eben treu, dann reiht Euer Gürkchen doch bitte in Eure<br />

Phantasiewelt ein. Irgendwo zwischen Container-Schiff und Pilates.<br />

Paßt ganz gut. Paßt ganz gut da rein. In den Wahnsinn. Zack und rein.<br />

Abgestrichen und eingereiht. Und ab dafür. Stößchen.<br />

Sollte ein Mann tatsächlich über einen längeren Zeitraum treu sein<br />

können (von wollen kann eh keine Rede sein), dann liegt dies nicht am<br />

Mann selbst oder an irgendeinem schwülstigen Treueschwur oder an<br />

ähnlichem komischen Kokolores, sondern am Mangel sich bietender<br />

Möglichkeiten. Und Mangel sich bietender Möglichkeiten heißt in den<br />

meisten Fällen einfach nur, daß der Mann zu gurkig ist. Zu gurkig,<br />

schlichtweg zu gurkig. Und zwar so elementar und übelst abgrundtief<br />

gurkig, daß ihn kein anderes Hühnchen auch nur im Entferntesten mit<br />

dem Arsch angucken will. Keine Chance, nichts geht. Gelegenheiten<br />

und Hühnchen gäbe es en masse, nur bringt unser Abstreich-Gürkchen<br />

nicht die erforderlichen Voraussetzungen optischer und sonstiger Natur<br />

mit. So einfach ist das. Alles ganz einfach, alles kein Zauber, alles kein<br />

Hexenwerk. So, und auf diesem Bullshit baut nun ganz offensichtlich<br />

das komplette Hühnchen-Abstreich-System auf. Bewußt bzw.<br />

wahrscheinlich meist eher unbewußt.<br />

261


Bewußt hieße ja nichts weiter, als daß sich unser modernes Hühnchen<br />

eingestehen müßte, einen so fiesen Gurken-Knecht am Start zu haben,<br />

daß sich alle anderen Hühnchen entsetzt und voller Grausen von seinem<br />

Anblick abwenden. Puh, geht der mal gar nicht. Widerlicher Typ. Igitt,<br />

geh` weg! Na, und das möchte unser modernes Hühnchen ja nun auch<br />

wieder nicht. Also ist vielmehr davon auszugehen, daß das ganze<br />

schöne Abstreich-System eher unbewußter Natur ist. Unser modernes<br />

Hühnchen streicht also unbewußt ab. Bildet sich ein, daß ihr Gürkchen<br />

an sich eigentlich doch ganz geil und smart und so wäre. Und natürlich<br />

treu. Treu noch dazu, treu ist auch ganz wichtig, treu muß sein.<br />

Zumindest in der Phantasiewelt des modernen Hühnchens. Denn in der<br />

Realität sieht es mit treu ganz anders aus.<br />

Böte sich unserem modernen Gürkchen in der Realität die Gelegenheit<br />

zwangloser Fremdvögelei, dann ginge die Post ab, aber mal so richtig.<br />

Und zwar nicht zu knapp. Vielleicht auf einer Party. Unser Gürkchen<br />

fährt zu einer Party. Alles ehemalige Schulkollegen von früher, vom<br />

Abi, egal. Vielleicht sogar so eine Abi-Revival-Party. Und unser<br />

Gürkchen übernachtet da. Weil die Party in Hamburg ist. Und Gürkchen<br />

vielleicht aus Hannover oder Kassel kommt und keine Lust hat, nachts<br />

dorthin zurück zu gurken. Nach Hause, zum Hühnchen. Nein, Gürkchen<br />

übernachtet beim Kumpel in Hamburg, und das ist auch in Ordnung so,<br />

denn Gürkchen ist ja treu. Und sobald Gürkchen im Zug sitzt, kann er<br />

nur noch an die geile Brünette denken, die er damals beim Abi-Ball<br />

geknattert hat. Die geile Brünette mit den feisten Hupen. Hoffentlich ist<br />

die auch da, hoffentlich ist die auch da.<br />

Und die ist dann mal auch da, und zwar sowas von. Zwar 15 Jahre älter<br />

und ein, zwei Falten und Haare etwas kürzer, aber noch immer<br />

dieselben geilen, feisten Hupen. Halleluja. Der Rest dürfte eigentlich<br />

jedem klar sein. Zwei, drei Drinks, um die Unsicherheit und Angst zu<br />

glätten, danach geht unser Gürkchen zum Brünettchen hinüber. Eine<br />

bißchen Blablabla und Hahaha und Tralala. Und dann Tschüß, wir<br />

müssen heim, teilen uns ein Taxi zum Bahnhof. Sicher, sicher, zum<br />

Bahnhof. Logischerweise geht es nicht zum Bahnhof, sondern in ein<br />

Hotel. Vielleicht sogar ins Grand Elysée, falls unser Gürkchen den<br />

nötigen Stil und das nötige Kleingeld hat. Mindestens Park-Süd-<br />

Zimmer, sehr geil, aber zum Vögeln besser noch eine Eck-Suite.<br />

262


Und damit genug der Hotelführung, denn darum geht es hier gerade<br />

nicht. Hier geht es gerade vielmehr darum, daß sich unser Gürkchen mit<br />

dem Brünettchen im Grand Elysée eine Eck-Suite im fünften Stock<br />

klarmacht, um das Brünettchen dort über Nacht und auch am nächsten<br />

Morgen nach allen Regeln der Kunst mal so richtig schön zu vögeln.<br />

Kompromißlos durchgevögelt. Schließlich sieht man sich nur alle paar<br />

Jahre, während man das Muttchen daheim jeden Samstag durchnagelt.<br />

Und zu besonderen Anlässen auch ausnahmsweise mal unter der<br />

Woche. Aber besser nicht, bringt nix.<br />

Also die rare Gelegenheit mit dem geilen Brünettchen voll ausnutzen<br />

und die komplette Eck-Suite kurz und klein vögeln. Bett, Sofa,<br />

Sideboard, Klo, Dusche, Garderobe, Konferenz-Zimmer, alles. Zack.<br />

Stößchen. Von vorne bis hinten und von hinten bis vorne und von oben<br />

nach unten und von unten nach oben und wieder von vorn und<br />

überhaupt.<br />

Liebe Hühnchen und Amazönchen, das ist die Realität. Setzt dem<br />

modernen Gürkchen-Mann einen heißen Fick-Schlitten vor, wägt ihn in<br />

der Sicherheit, daß alles unentdeckt bleibt und nichts auffliegt, vielleicht<br />

noch ein, zwei Drinks dazu, und er wird es tun. Er wird es tun, definitiv.<br />

Er muß es sogar tun, Testosteron sei Dank. Die Natur hat uns Männer<br />

mit Testosteron gesegnet, uns Honks geradezu damit überschüttet. Und<br />

das ist auch gut und richtig und sehr geil so. Kompromißlose Fick-<br />

Maschinen, notgeile Affen-Menschen, abartige Latten-Monster. Sobald<br />

sich eine flauschig-buschige Möse in unmittelbarer Sicht- bzw.<br />

Penetrierweite befindet, setzt der männliche Verstand aus, und es geht<br />

scharf. Geil, geil, geil. Endgeil.<br />

Es ist so, liebe Hühnchen, es ist so. Glaubt es, oder laßt es bleiben. Aber<br />

gebt bitte nicht dem Honk die Schuld, der ist dafür nicht verantwortlich.<br />

Der kann da nichts zu, echt nicht. Der Honk ist nicht der Anti-Christ.<br />

Der Honk nennt nur das Kind beim Namen, spricht das Offensichtliche<br />

und Unvermeidliche aus. Sorry, falls das irgendwelche Illusionen von<br />

Sicherheit und Treue zerstört. Ihr kommt drüber weg. Ganz bestimmt.<br />

Notfalls noch einmal zu Punkt b) dieses Kapitels zurückblättern,<br />

Ignoranz üben, kommt gut. Bringt Sicherheit und Treue sofort zurück,<br />

abfeier...<br />

263


Und weil das alles so schön und lustig und witzig ist, und zudem der<br />

Honk seine naturgegebene Geilheit nicht verleugnen kann und aber<br />

auch gar nicht will, bleibt er lieber gleich mit dem Arsch zu Hause. Und<br />

zwar allein. Zack. Ist besser so. Honk allein zu Haus. Meistens<br />

jedenfalls. Ist besser. Keine mittelmäßigen Alibi-Beziehungen, keine<br />

ausgelutschten Pseudo-Partnerschaften, keine langweiligen Abstreich-<br />

Bindungen. Die allesamt dann enden, wenn einer der Partner<br />

fremdvögelt und sich idealerweise auch noch in den neuen Bums-<br />

Partner verknallt. Dann ist auf jeden Fall mal Stößchen angesagt. Und<br />

ganz besonders herzlichen Glückwunsch. Nee, so eine Scheiße gibt`s<br />

dann aber auch mal nicht im Honkland.<br />

Was jetzt allerdings nicht heißt, daß unser Honk ein Eremit ist. Das auf<br />

keinen Fall. Zwar vermeidet unser Honk diverse Gesellschaft so weit als<br />

möglich. Das heißt jetzt aber nicht, daß er völlig isoliert lebt. Im<br />

Gegenteil, der Honk liebt flüchtige zwischenmenschliche Beziehungen.<br />

Insbesondere mit Frauen. Und über Nacht. Also Honk und Frau und<br />

Nacht. Das kommt gut, da ist der Honk dabei, das macht Laune. Paar<br />

Pullen Sekt oder Wein dazu, zack, Stößchen, besser geht nicht.<br />

Mittlerweile hat der Honk im Grand Elysée sogar Hausverbot, ein<br />

Jammer. Aber nicht zu ändern, denn so verlangt es die Natur. Und den<br />

Naturgesetzen muß auch ein Honk folgen.<br />

Aber bitte nichts Dauerhaftes. Wenn das bitte auch klar sein dürfte.<br />

Zumindest nichts, was man sich vorher erst noch abstreichen muß. Das<br />

ist nichts. Nichts für den Honk. Wozu auch?! Warum sich an die<br />

Macken der einen gewöhnen, wenn man morgen eine andere haben<br />

kann, deren Macken man noch gar nicht kennt?! Na? Na? Fällt der<br />

Groschen? Ja, er fällt und fällt und fällt, denn das hat System, das ist<br />

Logik. Das strotzt nur so vor System und Logik. Honk-System, Honk-<br />

Logik. Honkland eben. Und der Groschen fällt weiter.<br />

264


Hör` mal, Ert, es war ein langer Abend. Ich hab` die ganze Nacht<br />

herumgehurt. Ich hab` 12 Pullen Whisky hinter mir. Mein Sack brennt<br />

wie Sau. Und jetzt willst Du mir weismachen, Du seiest der Nikolaus?<br />

Was ist Dein Problem, Mann?! Hier, trink` mal `nen anständigen<br />

Schluck, dann geht`s Dir vielleicht besser, Du Freak.<br />

Und der Groschen fällt und fällt und fällt...<br />

Und fällt weiter...<br />

Stößchen!<br />

265<br />

(Bernie)


Ganz er selbst sein darf jeder nur, solange er allein ist. Wer also nicht<br />

die Einsamkeit liebt, der liebt auch nicht die Freiheit. Denn nur wenn<br />

man allein ist, ist man frei.<br />

cc) Honk in Gesellschaft<br />

266<br />

(Arthur Schopenhauer)<br />

Mit dem Honk in Gesellschaft ist das auch so eine Sache bzw. vielmehr<br />

auch so ein Problem. Hauptproblem hierbei ist nicht die Gesellschaft<br />

anderer Menschen an sich, beispielsweise in Form einer Sozialphobie<br />

oder ähnlichen Wahnsinns, sondern vielmehr banales Geschwätz.<br />

Banalstes Geschwätz sogar. Und der Honk steht aber mal gar nicht auf<br />

Geschwätz. Schon gar nicht auf banales und banalstes Geschwätz. Da<br />

sträuben sich ihm die Nackenhaare, und zack, geht ihm der Hut hoch.<br />

Zack, hoch, ab. Solch banales und banalstes Blabla bringt die<br />

Gesellschaft anderer Menschen jedoch zwangsläufig mit sich. Je mehr<br />

Menschen, desto mehr schreckliches Geschwätz. Ist leider so, kann ich<br />

nicht ändern. Proportionales Verhältnis zueinander. Teilweise sogar<br />

überproportional, wenn sich die Leute untereinander erstmal in Rage<br />

gesülzt haben. Dann ist guter Rat teuer.<br />

Ich habe es versucht. Oh mein Gott, was habe ich es doch versucht.<br />

Beziehungsweise hat es meine Ex-Frau mit mir versucht. Den<br />

wahnwitzigen und von vornherein zum Scheitern verurteilten Versuch<br />

unternommen, den Honk in eine bessere Gesellschaft einzuführen. In<br />

eine feine Gesellschaft, feine Herrschaften, alle ganz fein. Hurra! Eine<br />

feine Gesellschaft, eine Gesellschaft des Sülz und Bla und Gähn und so.<br />

Phantastisch. Amazing. Was soll ich sagen, was soll ich sagen, es endete<br />

im Fiasko. Fiasko Grande. Weil voll ätzend. Voll zum Kotzen. In<br />

meinem ganzen Leben habe ich noch nie so viele todlangweilige<br />

Profilneurotiker und Frutten auf einem Haufen ertragen müssen. Meet<br />

and see, see and go, fuck forever. Bla, sülz, kotz.


Und ich habe mich bemüht. Was habe ich mich bemüht! Es soll also<br />

keiner daherkommen und sagen, daß ich mich nicht bemüht hätte.<br />

Wahnsinn, wie ich mich bemüht habe. Ich habe mich so wahnsinnig<br />

bemüht, daß man sich das gar nicht mehr vorstellen kann. So sehr habe<br />

ich mich bemüht. Allenfalls noch eine Metapher kann hier ausdrücken,<br />

wie wahnsinnig ich mich bemüht habe. Also wenn ich beispielsweise<br />

ein Auto hätte, mit dem man maximal 250 km/h fahren kann, dann habe<br />

ich mich so sehr bemüht, als hätte ich versucht, mit diesem Auto 400<br />

km/h zu fahren, obwohl das ja gar nicht geht. Also geradezu aberwitzige<br />

Bemühungen. Es soll mir also keiner kommen und sagen, ich hätte mich<br />

nicht bemüht. Denn das stimmt dann nicht.<br />

Einmal mußte ich mit meiner Ex-Frau zur Eröffnung eines neuen<br />

Kosmetik- und Nagel-Studios. Soll heißen, eine mit meiner Ex-Frau<br />

befreundete Kosmuschi (loool...) hat von ihren Eltern einen dieser<br />

pompös-possierlichen Pinsel-Paläste angemietet und eingerichtet<br />

bekommen. Und das völlig zu Recht, weil es ja heutzutage noch nicht<br />

genug von diesen Dingern gibt. Also ähnlich wie mit F-Promis, Casting-<br />

Opfern und Arbeitslosigkeit. Gibt es auch leider viel zu wenig von,<br />

brauchen wir auch ganz dringend mehr von. Immer her damit, immer<br />

her mit den Nagel-Butzen. Herrliche Butzen, vollgestopft mit allem,<br />

was das postmoderne Amazönchen-Herz mit zu viel Zeit, Geld und<br />

Langeweile begehrt. Plastik statt Laufband, das ist die Devise. Und das<br />

ist auch gut und richtig so, denn der Honk steht total auf fette Ärsche<br />

und bunte Krallen.<br />

Kosmuschi ist übrigens eine Honk-Eigenkreation. Und zwar eine<br />

Kombination aus den Worten Kosmetikerin und Uschi. Kosmuschi! Hat<br />

der Honk im Laufe seiner zweijährigen Ehe selbst kreiert, paßt<br />

irgendwie ganz gut, klingt putzig. Honks Ex-Frau war nämlich auch<br />

eine kleine Kosmuschi, wer hätte das gedacht?! Aber egal, die halten<br />

wir da raus. Zum einen war die Kleine zumindest eine Zeit lang echt süß<br />

und cool, zum anderen ziemt es sich für einen Honk nicht, seine Ex-<br />

Partner zu verunglimpfen. Das gehört sich einfach nicht, denn das ist<br />

äußerst bäh und zudem auch noch pfui. Und deshalb möchte der Honk<br />

sowas nicht machen. Keine müden Kalauer über Ex-Partner. Ja, so ist<br />

das im Honkland. Ein weiterer, äußerst charmanter, wenn auch nicht<br />

gänzlich unerwarteter Charakterzug unseres Honk.<br />

267


Egal. Drauf geschissen. Wir mußten also zu einer anderen Kosmuschi,<br />

zur Eröffnung derer neuen Nagel-Butze. Boah, super. Da hatte ich mich<br />

schon acht Wochen vorher voll drauf gefreut. Seit ich das nämlich<br />

wußte. Und zwar so sehr drauf gefreut, daß ich kaum noch schlafen<br />

konnte. Amazing, exciting, disgusting. Acht Wochen ohne Schlaf. Kein<br />

Schlaf! Entsprechend beschissen war dann auch meine Laune. Voll zum<br />

Kotzen. Sehr ärgerlich. Mit solch immenser Vorfreude um den<br />

notwendigen Schlaf gebracht, daß im Umkehrschluß durch den<br />

Schlafentzug meine Laune übelst beschissen war. Unfaßbar. Was für<br />

eine Tragödie, was für eine Ironie. Leider konnten daran auch die<br />

Akteure und Gäste der großen Eröffnungs-Party nicht viel ändern.<br />

Meine Laune blieb beschissen.<br />

Nicht einmal der Auftritt eines extrem smarten Schmalspur-Barden, der<br />

irgendwann mal in irgendeiner Staffel von DSDS oder sowas in den<br />

Top-Ten war und den man nun eigens und höchstpersönlich für diese<br />

very importante Opening-Party hergeschafft hatte, damit er ein schönes<br />

Liedchen trällert, konnte an meiner unvorstellbar miesen Laune etwas<br />

ändern. Leider nicht. Denn so unbelievable und herrlich und sonstwas<br />

das ganze Theater auch war, meine Laune war leider unwiederbringlich<br />

voll im Arsch. Schlimmer noch, durch den sagenhaften Auftritt des<br />

DSDS-Kaspers wurde meine Laune zusehends noch fieser. Dadurch und<br />

logischerweise auch durch die unerträglichen Qualen, die das<br />

beängstigend banal-absurde Geschwätz und Gesabbel der anderen Gäste<br />

und Akteure in meinem armen Gehirn verursachte. Das machte nicht<br />

nur meine Laune noch schlechter, das machte mich sogar mal richtig<br />

aggro. So, und wer das jetzt nicht glauben will, der kann ja mal selbst<br />

acht Wochen nicht schlafen und dann zu so einer Kacke hin. Viel Spaß<br />

dabei. Aber Ihr werdet ihn nicht haben.<br />

Und während ich dann da also so sitze und mir die Eier kraule und der<br />

kommenden Dinge harre und eine Pulle Sekt nach der anderen<br />

reinkippe, in der Hoffnung, meinen Hirnschmerz zu lindern oder im<br />

Idealfall sogar auf dem Stuhl einzuschlafen oder zu sterben, trifft es<br />

mich mal wieder wie der Blitz. Zack, Blitz! Wie von der Tarantel<br />

gestochen und mit dem lauten Aufschrei “Und jetzt, und hoooooch!“<br />

springe ich -sehr zur Verunsicherung und Irritation der anderen<br />

anwesenden Figuren und Vollopfer- von meinem Stuhl auf und gerate<br />

268


schlagartig in ekstatische Verzückung. Zack. Boing. Voll verzückt. Très<br />

chic. Allerdings auch wieder mal voll besoffen, von dem ganzen Sekt,<br />

versteht sich. Très besoffen, oh là là. Und insoweit auch nicht weiter<br />

verwunderlich, daß ich -mittlerweile auf meinem Stuhl stehend- voll an<br />

mir selber runterkotze. Bäh! Das hatte ich so nicht im Programm gehabt.<br />

Voll an der Hose runter, voll auf die Schuhe, voll auf den Stuhl. Alles<br />

voll vollgekotzt, alles voller Kotze. Vollkotze, voll zum Kotzen.<br />

Komplett widerlich, bäh, bäh, bäh.<br />

Aber zu diesem Zeitpunkt völlig sekundär. Widerlich, ganz klar, bäh<br />

auch, ganz bäh sogar. Alles sehr bäh, bäh-bäh, aber egal. Denn was<br />

soeben passiert war, sollte sich im nachhinein betrachtet als exorbitant<br />

elementar für mein weiteres Leben als Honk erweisen. Denn wie so oft<br />

traf mich nicht der Blitz, sondern vielmehr eine grundlegende<br />

Erkenntnis. Und zwar die grundlegende Erkenntnis, daß ich mich<br />

zukünftig ganz einfach nur von solchen Scheiß-Veranstaltungen<br />

fernhalten muß. Ganz einfach wegbleiben, gar nicht erst hingehen zu so<br />

einer Kacke. Oder vorher submaximal auftanken. Eines von beiden.<br />

Wegbleiben oder auftanken. Wobei das Auftanken ja eigentlich auch<br />

wieder nur eine Notlösung ist. Besser gleich solche Veranstaltungen und<br />

Gesellschaften von vornherein vermeiden, dann muß man nicht<br />

zwangsweise auftanken und vollsaufen. Denn wie hatten wir so schön<br />

im Ergebnis des letzten Kapitels festhalten können:<br />

Der Honk kompensiert nicht, der Honk säuft zum Spaß.<br />

269


Weißt Du, was heute für ein Tag ist?! Sonntag. Weißt Du, was das<br />

bedeutet?! Das bedeutet, daß ich gestern Abend total besoffen war.<br />

Das sind Sie doch jeden Abend.<br />

270<br />

(Captain Mike)<br />

(Benjamin Button)<br />

Ja, so sieht das mal aus. Und so soll es auch sein, so ist es auch richtig.<br />

Und so muß es auch bleiben. Suff ist immer sehr zu begrüßen, aber<br />

idealerweise wird zum Spaß gesoffen. Meinetwegen kann hier jeder von<br />

morgens bis abends uns von abends bis morgens und wieder von vorn<br />

saufen, solange es zur Belustigung und Erheiterung dient. Jedoch nicht<br />

zur Kompensation. Das ist dann nicht so gut. Stößchen!<br />

Deshalb also lieber gleich von solchem und ähnlichem Kaspertheater<br />

fernhalten. Wenn es denn möglich ist. Was aber, wenn man hin muß?!<br />

Weil das Amazönchen drauf besteht und man lieber keinen Streß mit ihr<br />

haben möchte. Oder weil es sich um eine Familien-Feier handelt,<br />

irgendein ätzender Geburtstag irgendeines fetten Onkels oder<br />

Weihnachten oder sowas in der Richtung. Ja, dann muß man dann auch<br />

mal Fünf gerade sein lassen und da durch. Augen zu, und Ohren zu, und<br />

Mund auf. Weil voll besaufen. Zack! Zu, zu, auf. Nix sehen, nicht<br />

hören, und rein mit der Medizin. Hilft, hilft immer. Aber eben nur als<br />

Notlösung. Vermeiden ist und bleibt erste Wahl.


Was denkst Du von mir, Ert?! Ich bin doch kein egoistisches, kleines<br />

Arschloch. Immerhin habe ich über 10.000 Ocken gespendet. An die<br />

Popo-Club-Stiftung für Ledermasken-Träger, die die Steuer bescheißen<br />

wollen.<br />

271<br />

(Bernie)<br />

In Honkland existiert neben Vermeiden und notfalls Vollsaufen noch<br />

eine dritte und aber auch höchst begrüßens- und erstrebenswerte<br />

Methode im Umgang mit Gesellschaft:<br />

Selektieren.<br />

Selektieren ist die Königs-Disziplin. Selektieren ist ganz großes Tennis.<br />

Denn da extremst dusselige und sinnlose Gesellschaft extremst<br />

dusselige und sinnlose Dummschwätzerei mit sich bringt, selektiert der<br />

Honk. Er sucht sich also die Gesellschaft, in die er sich begeben möchte,<br />

freiwillig und eigenständig aus. Na? Na? Ist das mal was?! Das ist doch<br />

mal was. Das macht Sinn, das hat Verstand, das gebührt der Logik.<br />

Selektieren! Was für ein Geniestreich! Ein Bubenstück geradezu!<br />

Also Hut ab vor dem selektierenden Honk. Vor dem Selektor-Honk.<br />

Endgeil, Respekt. Weiter vorn also erst Skeletor-Honk, später dann<br />

Elektro-Honk, und jetzt auch noch Selektor-Honk. Unglaublich. Und<br />

endgeil, ganz klar. Aber durchaus sehr simpel. So simpel wie es sich<br />

anhört, so simpel ist es auch. Also auch hier wieder keine Zauberei, kein<br />

Hexenwerk. Logik heißt mal wieder das Wort der Stunde. Zur<br />

Verdeutlichung hier mal ein ganz plakatives Praxis-Beispiel für eine<br />

Scheiß-Gesellschaft, die man als Honk unbedingt meiden sollte:


Regel Nummer Zwei: Ihr seid Stars. Und was essen Stars?<br />

Natürlich Stars. Stars of America.<br />

(Heidi Klum, Mäckes-Werbespot Mitte 2009)<br />

(Antwort diverser Casting-Opfer, gleicher Werbespot)<br />

Aber natürlich, was denn auch sonst?! Alles Stars hier, nur Stars. Alles<br />

Stars, alles total amazing und important und eigentlich auch noch ganz<br />

schön unbelievable. Ich Star, Du Star, er / sie / es Star, uns Star, ihm<br />

sein Star, Patrick Star, Star Wars. Halleluja! Alles Stars hier, und so<br />

muß das auch sein. Und Dauergrinsen. Dauergrinsen muß auch sein,<br />

ohne Dauergrinsen geht auch mal gar nichts. Denn Dauergrinsen ist<br />

mindestens genauso elementar wichtig. Stars und Dauergrinsen, nur<br />

darum geht es. Und Stars fressen Stars, na klar. Ein Dialog, wie er<br />

origineller und sinnvoller definitiv nicht mehr vorstellbar sein könnte.<br />

Wir alle sind Stars, wir müssen Stars sein, und wir fressen Stars.<br />

Was uns dann irgendwie aber auch noch zu Kannibalen macht, wenn<br />

ich es mir so richtig überlege. Vielleicht sollte McDonald`s seinen<br />

nächsten Werbespot lieber mit Armin Meiwes drehen, dem smarten<br />

Kannibalen von Rotenburg. Würde eigentlich mehr Sinn machen.<br />

Zumal Uschi Augenroll die dritte Regel eh vergessen hat. Aber natürlich<br />

nicht dauerhaft. Glaubt mir, meine lieben Freunde, Regel Nummer Drei<br />

wird ihr wieder einfallen! Definitiv. Und dann wird sie uns einfache<br />

Proletarier unter Verwendung einer besonders ausgefallenen Grimasse<br />

wieder daran teilhaben lassen. Wobei es sehr schwer werden dürfte,<br />

diese beiden ersten, besonders gelungenen und unfaßbar originellen<br />

Epochal-Statements noch zu überbieten.<br />

272


Regel Nummer Drei: Models sind lächelnde Stars!<br />

Das ginge noch. Wäre zumindest ein sehr folgerichtiger Schluß aus<br />

Regel Nummer Eins und Regel Nummer Zwei mit ähnlich sinnvoller<br />

Intention. Besonders sinnvoll sogar, und irgendwie passend und überaus<br />

logisch. Ähnlich passend und logisch wie die hier:<br />

Regel Nummer Drei: Nachts ist es kälter als zu Fuß!<br />

Auch recht logisch, keine Frage. Und irgendwie auch total passend.<br />

Schönes Kuß-Schnäuzchen und ein lustiges Handzeichen oder<br />

Augenrollen dazu, paßt. Wobei diese hier erheblich realistischer wäre:<br />

Regel Nummer Drei: Nach dem Fraß schön Finger in Hals!<br />

Das wäre dann doch mal pure Realität. Zumindest dann, wenn unsere<br />

grinsenden Protagonistinnen den fiesen Mäckes-Fraß überhaupt<br />

anrühren würden, was stark zu bezweifeln ist. Dann wäre da was<br />

Wahres dran. Und dann wäre Regel Nummer Vier folgerichtig:<br />

Regel Nummer Vier: Nach dem Kotzen gleich wieder weitergrinsen!<br />

Okay, okay, vielleicht wieder ein wenig oversold. Aber wer kann das<br />

heute noch mit Gewißheit sagen?! Vielleicht können wir uns auf dies<br />

hier einigen, das ergäbe den größten Sinn für alle Beteiligten:<br />

Regel Nummer Drei: Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!<br />

Unfaßbar. Unbelievable. Disgusting. Aber egal. Scheißegal. Für uns<br />

zumindest. Und warum? Logisch, weil wir derart hanebüchene und<br />

selten schwachsinnige Gesellschaft meiden. Wir selektieren, an welcher<br />

Gesellschaft wir partizipieren möchten. Wir selektieren, und zwar sehr<br />

gründlich. Und dümmstschwätzendes, dauergrinsendes, augenrollendes<br />

Laien-Kaspertheater banalster Art gehört nicht dazu. Das wird<br />

ausselektiert, das wird vermieden, ganz klar. Klar wie Kloßbrühe. Man<br />

muß kein Genie sein, um das eruieren zu können. Jedem Dorftrottel,<br />

jedem Schimpansen, jedem 6-jährigen dürfte das klar sein. Wir könnten<br />

uns eher was in dieser Richtung hier vorstellen:<br />

273


Die zweite Regel des Fightclub lautet:<br />

Ihr verliert kein Wort über den Fightclub!<br />

Beziehungsweise analog dazu dieses hier:<br />

Dritte Regel: Wenn jemand „Stop!“ ruft,<br />

schlappmacht, abklopft, ist der Kampf vorbei.<br />

Ja, das kommt voll gut. Und auch voll krass. Also eine äußerst<br />

angemessene Gesellschaft für einen Honk. Und eigentlich auch für<br />

unser Fräulein Schnäuzchen. Könnte unter Umständen für kurze Zeit<br />

mal das ewige Grinsen und Fratzen-Ziehen stoppen. Tatsächlich?! Nein,<br />

eher doch nicht. Eher unwahrscheinlich.<br />

Regel Nummer Drei: Schnäuzchen, Schnäuzchen,<br />

ich bin ganz aus dem Häuschen!<br />

Eher unwahrscheinlich, daß diese Grimassen überhaupt jemals<br />

irgendwer oder irgendwas stoppen kann. Atomkrieg? Pustekuchen. Wird<br />

eben im Bunker weitergegrinst und gerollt. HIV? Grins, grins grins.<br />

Weltuntergang? Ach woher denn, wir sind doch alle Stars, das ficht uns<br />

nicht an. Atomkrieg und Weltuntergang passen nicht in unser Format. In<br />

unser Casting-Format. Nein, das möchten wir nicht, das wollen wir<br />

nicht haben. Da rümpfen wir dann lieber die Nase und rollen<br />

abwechselnd mit rechtem und linkem Auge. Denn wir sind Stars. Alles<br />

Stars hier, nur Stars. Also eine selten feine Gesellschaft, eine pittoreskpompöse<br />

Gesellschaft. Geradezu eine prädestinierte Prädikats-<br />

Gesellschaft, man ziehe seinen Hut, Stößchen.<br />

Was für eine beschissene Gesellschaft! Eine absolut beschissene,<br />

maximal gehirnamputierte und völlig unzumutbare Kack-Gesellschaft.<br />

Und auf jeden Fall keine Honk-Gesellschaft. Mitnichten. Für einen<br />

Honk völlig unzulänglich. Nicht auszudenken. Unvorstellbar. Denn ein<br />

Honk begibt sich nicht nur nicht in jedwede Scheiß-Gesellschaft, nein,<br />

ein Honk begibt sich zudem auch nur in solche Gesellschaft, von der er<br />

auch was hat. Die ihm was bringt. Von der er sozusagen intellektuell<br />

stimuliert wird. Sinnvolle Gesellschaft also. Aber nicht sowas, nicht so<br />

eine Flitzekacke hier.<br />

274


Der höchste Berg der Welt? Das ist der Mountain Avenue.<br />

Das kann ja wohl nicht mein Ernst sein.<br />

275<br />

(Vollidiotin auf GIMP7)<br />

(Werner Lorant)<br />

Also eine unbeschreiblich beschissene Gesellschaft. Im wahrsten Sinne<br />

des Wortes. Eine Scheiß-Gesellschaft. Interessanterweise verhält es sich<br />

bei solchen Scheiß-Gesellschaften zumeist so, daß sie mit Aso- und<br />

Opfer-TV Hand in Hand gehen. Je beschissener die Gesellschaft, desto<br />

höher die Wahrscheinlichkeit, daß diverse Bereiche aus Aso- und<br />

Opfer-TV thematisiert werden. Ist wirklich so, kann ja jeder selbst mal<br />

für sich ausprobieren. Oftmals liegt sogar das Hauptaugenmerk hierauf.<br />

Klingt komisch, ist aber auch komisch.<br />

Es ist Freitag, 14.20 Uhr. Die letzte Nacht war hart, sehr hart, hartes<br />

Business. Äußerst hartes Business. Hard and tricky, hard and slippy.<br />

Ungewöhnlich viele Drinks, harte Drinks, ferner eine schier<br />

unersättliche Pussy. Und damit meine ich auch unersättlich, puh! Wie<br />

ein Braunbär nach acht Monaten Winterschlaf. Was soll ich sagen, was<br />

soll ich sagen, alles in allem also mal wieder eine unfaßbare Nummer.<br />

Die Bezeichnung Sport-Pimpern wäre etwas übertrieben und leicht<br />

oversold und natürlich auch ein wenig uncharmant, aber es kommt nahe<br />

dran. Die Richtung paßt, eine unfaßbare Nacht, keine Frage. Aber<br />

charmanterweise vermeiden wir solche Begriffe wie Sport-Pimpern.<br />

Das gehört sich nicht, das ziemt sich nicht. Zumindest nicht hier in<br />

Honkland. Honkland ist anständig. Hochanständig sogar. Und charmant.<br />

Charmant, charmant, charmant. Charmant, charmant, Honkland.


Und wie ich hier so sitze und schreibe und schreibe und sitze, aber auch<br />

schreibe und sitze und sitze und schreibe, wird mir spontan ein wenig<br />

langweilig. Was für eine Überraschung. Vielleicht auch etwas<br />

Übermüdung dabei, keine Ahnung. Zu viele Drinks, zu viel Sex, gepaart<br />

mit zu wenig Kokain und viel zu wenig Schlaf. Und Hunger habe ich<br />

aber auch noch. Eine seltsame Mischung, fast schon eine amüsante<br />

Mischung. Ja, tatsächlich, sehr amüsant. Und aber auch verheerend.<br />

Eine amüsant-verheerende Kombo. Keine Frage, wer so mischt und<br />

kombiniert, der darf sich dann nicht wundern, unter Umständen tags<br />

darauf einen kleinen Hänger zu haben. Und Hunger.<br />

Also lieber erstmal nicht mehr schreiben. Lieber erstmal eine schöne<br />

ALDI-Pizza in Ofen. Ach komm` her, gleich mal zwei rein, kann nicht<br />

schaden. Zack, ab. Kriege in spätestens zwei Stunden, wenn ich<br />

besoffen bin, eh wieder Hunger. Also ab dafür. Und Dose Warsteiner<br />

aufgerissen, zack, auf ex, ist ja immerhin schon 14.30 Uhr. Zweite Dose<br />

auf und ab vor die Glotze, solange die beiden Salami-Frisbees im Ofen<br />

brutzeln. Also Glotze an und mal so richtig schön nach Herzenslust<br />

durchzappen. Mal sehen, was so läuft. Laufen ja einige sehr gute,<br />

niveauvolle Sachen um die Mittagszeit. Insbesondere im<br />

Privatfernsehen, ganz klar. Konnten wir ja bereits diverse Male<br />

eruieren. Und wie sich der ein oder andere höchstwahrscheinlich<br />

mittlerweile wieder selbst denken kann, bin ich dann auch auf PRO7<br />

hängengeblieben. Und das völlig zu Recht.<br />

Nicht schlecht, Herr Specht, denke ich mir so, da müßte ja jetzt gerade<br />

U20 Deutschlands Asi-Teenies laufen. War ja das letzte Mal nicht übel,<br />

irgendwie unfreiwillig komisch. Also mit der kleinen, süßen Brotha-<br />

Sista-Gangsta-Playa-Checkerin und ihrer fetten 15-jährigen Schwester<br />

mit Kind und Alki und ohne Hirn. Bißchen unbelievable, bißchen viel<br />

Overselling, aber durchaus lustig. Und solange die Frisbees 15 Minuten<br />

im Ofen schmoren, könnte man sich den Scheiß doch eigentlich mal<br />

reinziehen. Quasi als eine Art 15-minütigen Brain-Kicker. Der einem<br />

nochmal ganz unmißverständlich aufzeigt, wie geil im Umkehrschluß<br />

doch das eigene Leben sein muß. Telemediales Augen-Koks sozusagen.<br />

Wirkt und wirkt und wirkt, und nach 15 Minuten ist der ganze Zauber<br />

vorbei, der Spuk beendet. Doch was ist denn da los?! Was muß ich<br />

sehen, was muß ich sehen?!<br />

276


Keine Asi-Teenies. Zumindest nicht solche, auf die ich gehofft hatte.<br />

Beispielsweise eine 13-jährige 180-Pfund-Grazie mit ihren gerade<br />

neugeborenen Zwillingen im Bett liegend. Und gleich daneben die<br />

stolze 29-jährige Oma. Oder vergleichbarer Schwachsinn. Nein, das<br />

läuft hier heute leider nicht. Denn aus gegebenem Anlaß sucht PRO7<br />

das Sommermädchen 2009. Das Sommermädchen 2009! Und das aber<br />

in der U20-Sendung. Also im Bild und im Teletext steht weiterhin U20,<br />

aber wir sehen diverse dummgecastete Dussel-Uschis und Hohl-Frutten<br />

beim kläglichen Beantworten selten beknackter Fragen und beim<br />

Absolvieren nicht minder beknackter Spielchen an irgendeinem Pool.<br />

Sensationell! Was für ein erneuter Geniestreich! Immer wenn ich denke,<br />

daß es nicht mehr bescheuerter werden kann, dann ziehen die so ein<br />

Ding aus dem Hut und beweisen, daß sie wirklich was auf dem Kasten<br />

haben. Sensationell! Also keine Ahnung, worum es dabei geht oder was<br />

das Ganze soll. Auf jeden Fall wird dem grenzdebilen PRO7-Zuschauer<br />

die Möglichkeit eröffnet, mitzuverfolgen, wie sich irgendwelche<br />

dusseligen Frutten zu Voll-Gimps machen bzw. machen lassen.<br />

Besonders hirnfreie Fragen werden von den besonders hirnfreien<br />

Protagonistinnen noch viel hirnfreier beantwortet, abgerundet durch<br />

diverse Aufgaben und Spielchen, die an Albernheit und<br />

Schwachsinnigkeit nicht mehr zu überbieten sind.<br />

Und natürlich wird dieses grandiose Format auch von jemandem<br />

moderiert. Und von wem wohl? Natürlich, von Charlotte Engelhardt,<br />

was für eine Überraschung. Von wem denn auch sonst?! Niemand sonst<br />

außer Charlotte käme in Frage, um solch ein geniales Format<br />

moderierend zu begleiten?! Niemand. Kein Mensch. Außer Charlotte.<br />

Und vielleicht noch einige Mädels von 9Live. Glückwunsch, Stößchen.<br />

Charlotte Engelhardt, die Wunderwaffe von PRO7. Die Antwort auf<br />

eine Frage, die nie gestellt wurde. Das blonde Anhängsel von Formaten,<br />

die jeden geistig halbwegs normal situierten Menschen zum Kotzen und<br />

Gehirn-Kollaps bringen. Würg und zack. Charlotte, der Niveau-Joker<br />

von PRO7. Immer dann ausgespielt, wenn mal wieder ein besonders<br />

anspruchsvolles neues Format zur Disposition steht. Unsere Charlotte<br />

eben. Und noch irgendein anderer Grinsekasper, den ich aber nicht<br />

kenne, was aber auch besser so ist. Meine Fresse...<br />

277


Lieber Herr Geschäftsführer von PRO7, ich hätte da mal eine Idee: Es<br />

geht da um ein revolutionäres, etwa einstündiges, neues Format für<br />

Euch. In zwölf Folgen, jeweils wöchentlich, suchen wir den oder die<br />

Gimp 2009. Gimp steht hierbei für GehIrnaMPutiert, und das ist auch<br />

das Motto der Show. Sollte also ein passendes Format für Euch sein.<br />

Moderiert natürlich von Charlotte Engelhardt, na klar, und mit<br />

Annemarie Warnkross als Spezial-VIP-Außenreporterin, aber das sollte<br />

eigentlich auch klar sein. Der Inhalt des Formates ist dabei völlig egal<br />

und sinnleer, also genau wie die Hirne aller Beteiligten. Wichtig ist nur,<br />

daß wir am Ende aus ein paar Handvoll besonders schwachsinniger<br />

Vollopfer und Vollidioten den oder die Gimp 2009 gevotet haben.<br />

Gevotet! Und den oder die machen wir dann zum neuen Geschäftsführer<br />

von PRO7, setzen ihm / ihr eine besonders tight-taffe K-Promi-Jury zur<br />

Seite und benennen den Sender dann um. Von PRO7 in GIMP7. Oder<br />

besser GIMP3000, klingt noch tighter, noch moderner. Na, wäre das<br />

nichts?! Das wäre doch was für Euch, das sollte doch passen. Würde<br />

mich sehr freuen, wenn wir da irgendwie ins Geschäft kommen<br />

könnten, da hätten wir doch alle was von. Alle! Und deshalb schonmal<br />

Stößchen im voraus. Und Grüßchen an Charlotte und Annemarie.<br />

Gott sei Dank, die Pizza ist fertig, der Wahnsinn hat ein Ende. Was für<br />

eine beschissene Gesellschaft. Denke ich mir so, während ich die erste<br />

Pizza fresse. Was für eine beschissene Gesellschaft! Würde ich mein<br />

waghalsiges neues Format tatsächlich an GIMP7 bzw. GIMP3000<br />

verhökern, müßte ich dann nicht zu denen hin? Zu denen hin, mit denen<br />

reden, mit denen arbeiten? Ein furcheinflößender Gedanke. Ein<br />

furchteinflößender, angstbringender, besorgniserregender Gedanke. Ein<br />

schauderhafter, bizarrer Gedanke. Nein, da will ich auf keinen Fall hin,<br />

diese Gesellschaft möchte ich meiden. Um jeden Preis. Also sollte<br />

Interesse an meinem Format bestehen, dann nur zu. Aber dann besorge<br />

ich mir einen Manager, der das alles regelt. Ich will damit nichts zu tun<br />

haben, ich will nicht in solche Gesellschaft. Auch nicht volltrunken.<br />

Oder high. Nicht einmal auf Ecstasy. Dann doch lieber einen Manager,<br />

vielleicht wäre ja Willi Weber abkömmlich. Aber auch eher<br />

unwahrscheinlich, jetzt, wo Schumi wieder Vollgas gibt. Mal gucken.<br />

Vielleicht rufe ich den später mal an. Aber erst später. Denn alles zu<br />

seiner Zeit. Zunächst hat das Buch hier höchste Priorität. Und das ist<br />

auch gut so, denn wir sind bald durch, und das ist dann aber auch gut so.<br />

278


Den Honk in Gesellschaft hätten wir somit fast abgehandelt. Naja,<br />

zumindest so zur Hälfte, so ungefähr. Wir konnten nämlich bereits<br />

eruieren, welche Gesellschaft ein Honk meidet. Bleibt also lediglich<br />

noch darauf abzustellen, welche Gesellschaft ein Honk denn nicht<br />

meidet bzw. sogar bevorzugt. Wie gesagt, der Honk bevorzugt<br />

Gesellschaft, die ihm was bringt. Die ihm was nützt, von der er<br />

profitiert, von der er was hat. Die ihn irgendwie irgendwo stimuliert.<br />

Denkbar sind hierbei diverseste Gesellschaften.<br />

An erster Stelle steht -was Wunder- selbstverständlich Glücksspiel in<br />

jeder erdenklichen Form. Idealerweise noch in Verbindung mit Suff.<br />

Eine verwegene Zocker-Gesellschaft, eine illustre Poker-Runde,<br />

Roulette, Black Jack oder ähnliches im Casino, irgendein Turnier um<br />

dicke Kohle, diverse Wetten auf dieses und jenes und welches, einfach<br />

alles. Also einfach alles, wobei man mit anderen Personen um Kohle<br />

zockt. Das ist Gesellschaft. Gute Gesellschaft, sehr gute Gesellschaft,<br />

und vor allen Dingen auch äußerst sinnvolle Gesellschaft. Kurz: Honk-<br />

Gesellschaft. Ob wir dabei Kohle gewinnen oder verlieren, ist eher<br />

sekundärer Natur. Solange wir nicht Haus und Hof verzocken, was dann<br />

aber doch nicht mehr so gut wäre. Ansonsten also eher sekundär.<br />

Beziehungsweise im Falle eines Gewinnes vielmehr eine Art<br />

Sahnehäubchen. Reich wird mit dem Scheiß sowieso keiner.<br />

Nehmen wir doch mal die gute, alte, illustre Poker-Runde. Sehr schön!<br />

Gepokert haben wir Honks schon vor ungefähr 20 Jahren. So als<br />

Teenies, mit 14 oder 15 oder so. Zwar wohl nicht immer unter<br />

Beachtung des kompletten Regelwerkes, aber egal, wir waren uns einig.<br />

Meistens jedenfalls. Und nur darum ging es. Mal gewann der eine, mal<br />

der andere. Und letzten Endes waren wir alle Gewinner. Gewinner eines<br />

Abends voller Emotionen, Spannung, Nervenkitzel und Adrenalin.<br />

Gewinner einer Woche voller Vorfreude und Hoffnung auf die nächste<br />

Poker-Runde. Geile Gewinner, smarte Typen. Und besoffen, na klar.<br />

Hach, war das aber mal eine schöne Zeit. Eine unglaublich schöne Zeit.<br />

Fast so schön wie die Zeit, als wir vier oder fünf Jahre später unsere<br />

ersten Ecstasy einfuhren. Aber auch nur fast. Trotzdem eine<br />

wunderschöne Zeit und auch eine sehr sinnvolle und lehrreiche Zeit.<br />

Nachträgliches Stößchen.<br />

279


Schon der Knabe saß im Garten und spielte mit der Mutter Karten.<br />

280<br />

(Johnny Firpo)<br />

Heute pokert jeder Kretin. Jeder. Fast ausnahmslos. Denn als Poker vor<br />

ein paar Jahren dann auch irgendwann bei uns in Mode kam, wollte<br />

natürlich jeder ganz toll trendy sein und auf den Zug mit aufspringen.<br />

Amazing. Exciting. Aha, also ganz offensichtlich auch sehr viele<br />

Vollopfer. Na klar, ganz besonders Vollopfer. Man möchte ja immer im<br />

Trend liegen, das ist ganz wichtig. Das ist sozusagen das A und O.<br />

Selbst dann, wenn man eigentlich überhaupt keinen blassen Dunst und<br />

nicht den entferntesten Schimmer von dem hat, was da überhaupt<br />

abläuft. Völlig egal, völlig sekundär, interessiert nicht. Hauptsache<br />

trendy, Hauptsache Vollopfer. Hauptsache Stößchen.<br />

Hört sich erstmal alles wieder ziemlich negativ an. Sehr negativ. Böse<br />

Zungen könnten an dieser Stelle sogar behaupten, der Honk sei eine Art<br />

Maul-Hure. Könnten sie, wäre aber falsch, ätsch. Ist nämlich alles gar<br />

nicht negativ hier, ist alles voll positiv. Für den Honk ist das alles total<br />

positiv hier. Ehrlich. Positiver geht kaum. Denn wenn man jemandem<br />

beim Zocken ganz leicht und ganz schnell ganz viel Kohle abziehen<br />

kann, dann doch wohl dem Vollopfer. Also bißchen amazing, exciting,<br />

hahaha und tralala. Und zack, Kohle weg. Ganz ohne miese Tricks oder<br />

gar Betrug, mitnichten. Nein, alles ganz regelkonform und sauber. Denn<br />

ein Vollopfer muß man nicht betrügen oder bescheißen, ein Vollopfer<br />

ist auch so leichteste Beute. Vollopfer eben.<br />

Prinzip sollte verstanden sein. Möglich ist also eine emotionsgeladene,<br />

spannende Poker-Partie mit ähnlichen Honks. Oder stupides Abzocken<br />

von Vollidioten und Vollopfern. Ersteres bringt Adrenalin, letzteres<br />

leicht verdientes Geld. Also beides eine höchst noble und besonders<br />

empfehlenswerte Gesellschaft für den Honk. Eine Gesellschaft, mit der<br />

sich ein Honk stets gern umgeben sollte.


Eine bunte Sauf-Runde mit erlesenen Getränken und leckeren Zigarren<br />

(Davidoff Classic No. 2 oder 3 kann man ganz gut qualmen) kann<br />

ebenfalls als bevorzugte Gesellschaft indiziert sein. Also lauter lustige,<br />

bunte, irre Honks, die sich kollektiv voll einen reinbrettern und<br />

reinpaffen und dabei über ihren Honkytonk philosophieren. Ganz<br />

klassische Gesellschaft, ganz klassischer Austausch unter Honks.<br />

Saufen und dabei gegenseitige Erfahrungen austauschen. Sehr gesellig,<br />

sehr gemütlich, höchst bodenständig. Und selbstverständlich äußerst<br />

niveauvoll und oftmals dann aber auch sehr frivol.<br />

Erstrebenswerte Gesellschaft kann aber auch der Besuch eines netten<br />

Clubs oder einer geilen Party mit sich bringen. Idealerweise ein<br />

opferfreier Club mit heißen, trinkfesten Hühnern, entsprechender Musik<br />

und genügend Chill-Out-Möglichkeiten, zwinker, geifer. Oder eine<br />

Party, eine endgeile Open-Air-Party, im Wald oder auf einem<br />

weitläufigen Gelände. Auch sehr geil. Und mit geiler Party ist dann<br />

aber auch mal eine geile Party gemeint. Nicht irgendein bizarres Pillen-<br />

Klinker- und Verpeilten-Treffen mit beschissener Musik, zu dem auch<br />

ja jeder Asi hinkommt. Oder gar die Loveparade. Völlig undenkbar,<br />

geht mal gar nicht. Abgelehnt.<br />

Okay, Prinzip sollte verstanden sein. Denkbar sind noch etliche weitere<br />

Gesellschaften oder Gruppierungen, in die sich ein Honk freiwillig und<br />

auch sehr gern begibt. Für uns sollte das an dieser Stelle allerdings<br />

genügen, um das gesellschaftliche Verhalten des Honk ausreichend<br />

portraitiert zu haben. Schließlich wollen wir ja keine psychoanalytische<br />

Grundlagen-Begutachtung durchführen. Hätte eh keinen Sinn, wäre<br />

aufgrund des Facetten-Reichtums und der Skurrilität unseres Honk eh<br />

von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Unser Honk selektiert seine<br />

Gesellschaft also. Selektierten ist die Königs-Disziplin, und unser Honk<br />

ist darin wahnsinnig gut. Er ist quasi der Selektor. Und in dieser<br />

Funktion als Selektor (nicht zu verwechseln mit Skeletor) wählt er frei<br />

und nach Belieben aus, ob und in welche Gesellschaft er sich begeben<br />

möchte, oder ob er eine Gesellschaft lieber meiden möchte. Ist unser<br />

Honk aus diversen Gründen dann aber doch gezwungen, sich in eine<br />

Gesellschaft zu begeben, die er eigentlich lieber meiden würde, muß er<br />

sich kompromißlos mit einer beinahe tödlichen Menge Alkohol<br />

besaufen, was dann aber auch zu begrüßen ist.<br />

281


Dabei muß es dem Honk stets sehr egal bis scheißegal sein, was diverse<br />

Gesellschaften oder Personen über ihn denken und mutmaßen und<br />

munkeln und kunkeln. Denn wie sich mittlerweile sicher jeder selbst<br />

denken kann, wird der Honk aufgrund seines innovativen, angstfreien,<br />

ausschweifenden und weitestgehend systemunabhängigen Lebensstils<br />

von vielen anderen Figuren beneidet, und das völlig zu Recht. An sich<br />

keine besonders große Sache sowas, an sich sogar ganz gut so. Lob<br />

kriegt jeder Penner umsonst, Neid muß man sich verdienen. Nun ist es<br />

in unserer smarten Pavian-Gesellschaft jedoch leider so, daß Neid zu<br />

Mißgunst und Mißgunst vereinzelt sogar zu Haß führen kann. Klingt<br />

komisch, ist es auch. Ziemlich komisch, ziemlich behämmert. Muß aber<br />

scheinbar so sein, liegt scheinbar in der Natur des Homo Sapiens. Daß<br />

er andere lieber in negativen als in positiven Situationen sieht. Weil dies<br />

sein eigenes Scheiß-Leben relativiert. Andere in positiven Situationen<br />

oder gar in einem positiven Leben zu sehen, ist kaum zu ertragen bis<br />

unerträglich.<br />

Hieraus können dann unter Umständen diverse Verunglimpfungen, böse<br />

Nachreden und allerlei hanebüchenes Geschwätz resultieren, von<br />

diversen Gruppierungen, Gesellschaften und anderem Gesockse.<br />

Vereinzelt sogar über liebe Honks. Ja, richtig gelesen, sogar über liebe<br />

Honks. Eigentlich schwer nachvollziehbar, aber es ist nunmal so.<br />

Natürlich völlig klar, daß man als moderner Honk von heute solche<br />

Gesellschaften meiden muß. Und deren krankes Geschwätz komplett<br />

ignorieren muß. Es muß einem komplett am Arsch vorbei gehen, zack,<br />

ab. Ignorieren macht frei, und Freiheit ist Honkland. Wobei es auch bei<br />

beknacktem Geschwätz Grenzen geben muß, die man dann besser doch<br />

nicht überschreiten sollte. Weil es ansonsten mal eben ganz nonchalant<br />

ein paar in die Fresse geben kann. Kann auch passieren, ist auch gut<br />

möglich. Kann alles passieren.<br />

Kann alles passieren im Honkland.<br />

282


Ich werde Dich vor eine Wahl stellen, die ich selbst nie hatte.<br />

dd) Honk ist der Beste!<br />

283<br />

(Lestat de Lioncourt)<br />

Eine Frage brennt mir derzeit wie keine zweite unter den Nägeln: Wie<br />

verändert sich mein Leben eigentlich, wenn ich von einem Vampir<br />

gebissen werde? Also jetzt nur mal rein hypothetisch gefragt. Wie<br />

verändert sich mein Leben dadurch? Durch einen direkten, diskreten<br />

und völlig unverbindlichen Vampirbiß? Welche Dinge bleiben, wie sie<br />

sind? Was wird alles anders? Und überhaupt?<br />

Sicher, sicher, auf den ersten Blick eine Frage, die wir uns alle<br />

mehrmals täglich stellen. Eine Frage, die die meisten von uns oftmals<br />

nachts nicht einschlafen läßt. Kurz: Eine ziemlich knifflige Frage. Etwas<br />

verwegen, zugegeben, aber durchaus berechtigt. Etwas obskure<br />

Thematik, zweifelsohne. Und so viele von uns sich diese und ähnlich<br />

verzwickte Fragen auch permanent stellen, so wenige denken sie leider<br />

konsequent bis zum Schluß durch. Was ziemlich unverständlich und<br />

verwunderlich ist, weil es durchaus Sinn macht, das ganze Szenario<br />

einmal bis zum Ende der Fahnenstange durchzuspielen.<br />

Tun wir mal so, als ob: Wir kommen gewohnt volltrunken nachts aus<br />

irgendeinem Club und möchten nach Hause fahren, was auch sehr zu<br />

begrüßen ist. Und während wir so zu unserem Auto schlurfen und<br />

torkeln und uns auf dem Weg dorthin noch eben schnell mal auf die<br />

Fresse legen und danach eine anstecken, steht plötzlich wie aus dem<br />

Nichts ein Vampir vor uns. Zack! Heiliger Bimbam! Auf einmal steht<br />

der da. Keine Ahnung, woher der kam. Vielleicht aus dem Nichts,<br />

vielleicht aus dem Gebüsch, keine Ahnung. Denn wir selbst sind ja auch<br />

mal wieder voll wie ein Putzeimer, was die Beurteilung der<br />

Gesamtsituation nicht gerade erleichtert.


Aber egal. Ein Vampir steht also urplötzlich vor uns und glotzt uns an.<br />

Sagen wir mal, es ist Lestat. Lestat aus Interview mit einem Vampir.<br />

Also der Vampir, der von Tom Cruise verkörpert wird. Wat nu? Wat<br />

jetzt? Was würden wir zu dem jetzt wohl sagen?<br />

Ey Du, ich kenne Dich aus`m Fernsehen.<br />

Unwahrscheinlich, höchst unwahrscheinlich. Denn so breit, wie wir<br />

schon wieder sind, können wir froh sein, wenn wir noch Männlein und<br />

Weiblein voneinander unterscheiden können.<br />

Boah Alter, coole Klamotten, krasse Frisur.<br />

Lieber auch nicht. Könnte nämlich auch ein Rumäne oder Albaner sein,<br />

und zack, haben wir ein, zwei Messer in der Leber stecken. Tut höllisch<br />

weh, bringt nichts, können wir gern drauf verzichten.<br />

Auch `ne Kippe?<br />

Ach, ist doch auch Scheiße. Völlig egal, was wir sagen oder fragen, es<br />

nützt eh nichts. Hat alles keinen Sinn. Denn wenn der uns dann sagt,<br />

daß er Lestat sei, schnallen wir das eh nicht.<br />

Ich bin Lestat, der Vampir, und ich werde Dich vor eine Wahl stellen,<br />

die ich selbst nie hatte.<br />

Na super, schönen Dank auch. Was kann das denn wohl schon für eine<br />

tolle Wahl sein? Uns nach Hause zu fahren? Um uns dann unsere Porte<br />

und das schöne Boss Bottled abzuziehen? Nein, besten Dank, bitte kein<br />

Déjà-vu. Oder uns ein Taxi zu rufen? Auch nicht nötig, wir können<br />

selbst noch ganz gut fahren. Oder uns ein paar Nutten anzubieten? Wäre<br />

nicht schlecht, aber dann hätten wir vorher nicht so viel saufen dürfen<br />

bzw. die pakistanischen Viagras einstecken müssen. Man kann es<br />

drehen und wenden, wie man will, es kommt einfach kein sinnvoller<br />

Dialog zwischen uns und dem Vampir zustande. Also dann doch besser<br />

gleich das dumme Gelaber lassen, besser gleich in medias res gehen.<br />

Gleich Karten auf den Tisch, zack. Denkbar sind zwei Fälle: Er schafft<br />

es nicht, uns zu beißen, oder er schafft es doch.<br />

284


Ersteres wäre beispielsweise dann der Fall, wenn der sein Maul<br />

aufmacht und flotten Schrittes auf uns zukommt. Spätestens dann, wenn<br />

der seine Lippen an unserem Hals hat, kriegt der voll einen in die<br />

Fresse. Zack, Faust in die Fresse, bamm. Und zack, liegt der dann da.<br />

Auf dem Rücken, wie ein Maikäfer. Und zwar nicht, weil wir uns vor<br />

einem Vampirbiß fürchten, sondern vielmehr, weil wir glauben, daß uns<br />

ein völlig durchgeknallter, bisexueller Laien-Schauspieler einen<br />

Zungenkuß geben will. Bäh! Sowas wollen wir nicht, für sowas sind wir<br />

nicht zu haben. Für sowas gibt es ein paar auf`s Maul, zack.<br />

Die zweite Variante wäre für unseren Vampir, unseren Lestat, noch viel<br />

verheerender. Denn für den wahrscheinlichen Fall, daß wir das gar nicht<br />

schaffen, dem eine zu knallen, weil der ja immerhin Vampir-Superkräfte<br />

hat, ist er trotzdem voll am Arsch. Denn während der saugt und saugt<br />

und saugt (also am Hals...), merkt er auf einmal, wie er immer<br />

besoffener wird. Logisch, unser lieber Lestat ist ja nicht so trainiert wie<br />

wir. Der ist das Saufen ja gar nicht gewöhnt. Zumindest nicht krasses<br />

Alk-Saufen, und noch dazu im ganz großen Stil. Ferner ist sein Körper ja<br />

de facto gestorben. Also kein Herzschlag mehr, kein pinkeln und kacken<br />

mehr, nichts. Logischerweise auch keine Leberfunktion mehr. Na<br />

herzlichen Glückwunsch! Keine Leberfunktion, ergo kein<br />

Alkoholabbau. Sternhagelvoll bis in alle Ewigkeit. Stößchen!<br />

Wunderbar, sternhagelvoll bis zum jüngsten Tag. Ohne jemals<br />

nachtanken zu müssen, herrlich. Famos, famos. An sich ein schöner, ein<br />

wunderschöner, ja ein famoser Gedanke, wenn man es denn drauf<br />

angelegt hat. Dann ja, dann auf jeden Fall. Dann ein überaus<br />

begrüßenswerter Zustand. Für unseren armen Lestat, den der Suff so<br />

unvorbereitet trifft wie einen 13-jährigen Konfirmanden, dann aber mal<br />

doch nicht so schön. Eher unschön. Sehr unschön, denn es wird ihn voll<br />

aus den Socken schießen, den armen Vogel. Was wir also auch tun oder<br />

lassen, es findet ein unschönes bzw. gar kein Ende. Scheinbar müssen<br />

wir ein wenig umdenken. Verschwenden wir also unsere Zeit und Mühe<br />

nicht darauf, zu eruieren, ob ein Dialog zwischen uns und dem Vampir<br />

tatsächlich oder eher durch konkludentes Handeln zustande kommen<br />

kann, sondern setzen diesen Dialog einfach mal als gegeben voraus.<br />

Klingt komisch, ist es aber nicht, denn es bringt uns zum Kern der<br />

Sache.<br />

285


Wir stehen als unserem Lestat gegenüber, Face to Face. Und wir sind<br />

beide im Bilde. Also wir, daß er ein Vampir ist, und er, daß wir<br />

sturzbesoffen sind. Eine Patt-Situation sozusagen. Und was nun? Was<br />

kommt jetzt? Denkbar wäre folgender Dialog:<br />

Hi, ich bin Lestat, der Vampir.<br />

Nee, biste nicht, Du bist Luke, und ich bin Dein Vater.<br />

Lol!!! Abfeier! Wie geil wäre das denn?! Endgeil. Vampir-Verarsche.<br />

Auf höchstem Niveau. Nicht mehr zu toppen. Das Non-plus-ultra des<br />

schwarzen Humors, da geht nichts mehr. Der würde sich aufgrund der<br />

besonders gelungenen Pointe wahrscheinlich kaputtlachen. Oder uns<br />

blitzschnell den Kopf abschlagen, damit wir bloß unsere dumme Fresse<br />

halten. Zack, ab. Nein, sowas machen wir dann lieber doch nicht,<br />

Vampir-Verarsche ist nichts für schwache oder gar besoffene Nerven.<br />

Wir führen dann doch eher einen Dialog in dieser Richtung:<br />

Hi, ich bin Lestat, der Vampir.<br />

Glückwunsch. Und ich bin breit wie eine Trompete.<br />

Ja, das sehe ich wohl. Mist. Bockmist. Und nu?<br />

Keine Ahnung, ist ja für beide irgendwie nicht so toll gelaufen.<br />

Machen wir doch morgen, selbe Zeit, selber Ort, nüchtern.<br />

Nüchtern? Dann eher übermorgen. Oder besser in drei Monaten.<br />

Drei Monaten?<br />

Ja, ganz genau, in drei Monaten. Ich will mich vorbereiten.<br />

Na dann viel Erfolg, Mann. Wir sehen uns in drei Monaten.<br />

286


Ein unfaßbarer, tollkühner und unglaublich offener Dialog zwischen uns<br />

und dem Vampir. Geradezu warmherzig-brisant. Gäbe es tatsächlich<br />

Vampire, und wären wir tatsächlich im Honkland, dann, ja dann würde<br />

ein Dialog dieser Art genau nach diesem Schema ablaufen. So, und<br />

nicht anders. Was für ein Dialog! Wahnsinn!<br />

Die Intention dieses unfaßbaren Dialoges jetzt mal dahingestellt, halten<br />

wir bitte fest: Wir haben nun drei Monate Zeit, um uns darauf<br />

vorzubereiten, selbst ein Vampir zu werden. Wir haben einen Deal mit<br />

dem smarten Lestat, und diesen wollen wir auch erfüllen. Weil wir<br />

nämlich voll geil und scharf darauf sind, auch ein Vampir zu werden.<br />

Ewiges Leben, Supermann-Kräfte, kein Älterwerden, phantastisch.<br />

Unser hübsches, jugendliches Antlitz bleibt für immer erhalten. Weil<br />

wir uns von dem Zeitpunkt an, an dem wir gebissen und selbst zum<br />

Vampir werden, optisch nicht mehr verändern werden.<br />

Und? Und? Fällt der Groschen langsam? Ja natürlich, dafür brauchen<br />

wir die drei Monate. Um uns in Topform zu bringen, für was denn<br />

sonst?! Um zum Zeitpunkt des Bisses in der Form unseres Leben zu<br />

sein. Endgeil zu sein. Denn so werden wir die nächsten paar Tausend<br />

Jahre rumlaufen. Konkret bedeutet das: Sofort ab in die Mucki-Bude.<br />

Trainieren, Steroide fressen, Schlankmacher-Pillen. Volle Kanne. In<br />

drei Monaten stirbt unser Körper eh, also Scheiß auf Herz, Leber,<br />

Nieren und den ganzen Blödsinn. Alles voll rein, zack, rein in Hals, und<br />

ab dafür. Wir müssen in atemberaubender Konstitution sein, also<br />

Vollgas. Waschbrettbauch und 45er Oberarme sind angesagt.<br />

Nach dem Training dann sofort ab ins Solarium, ordentlich<br />

durchbräunen. Keiner steht auf Kalkleisten, und als Vampir ist man eh<br />

schon immer so bleich, äußerst blasser Teint. Danach ab zur Kosmuschi,<br />

alles entfernen und richten lassen, was entfernt und gerichtet werden<br />

muß. Augenbrauen zupfen, Pickel wegdrücken, Beine enthaaren.<br />

Eventuell sogar noch zum Schönheits-Chirurgen, den ein oder anderen<br />

Makel wegoperieren lassen. Kurz vor Ablauf der drei Monate dann noch<br />

einmal zum Friseur und eine spitzenmäßige Frisur machen lassen.<br />

Wobei es in erster Linie auf die Länge der Haare ankommt, denn stylen<br />

kann man die ja auch als Vampir noch nach Belieben. Also nur nicht zu<br />

kurz, die wachsen dann nicht mehr.<br />

287


Und ganz wichtig, wenn dann die Nacht des Bisses gekommen ist: Kurz<br />

vorher extrem fett mit Sunblocker einschmieren. Und zwar mit dem<br />

stärksten Blocker, den es auf der ganzen Welt gibt. Der Grund dafür ist<br />

ebenso simpel wie logisch. Denn als Vampir kann man ja kein<br />

Sonnenlicht vertragen. Es tötet einen sogar, es verbrennt einen<br />

regelrecht. Also echt heftig. Schmiert man sich jedoch kurz vor dem Biß<br />

mit ultra-fiesem Sunblock 10.000 ein, wird dieser Sonnenschutz ja<br />

zwangsläufig mit dem Biß konserviert. Heißt schlichtweg, daß wir als<br />

Vampir dann auch permanent sonnengeschützt sind und eigentlich den<br />

ganzen Tag frei herumlaufen können, was ziemlich revolutionär wäre.<br />

Wir wären dann die neuen Daywalker, die Elite, das Who-is-who unter<br />

den Saugern. Sensationell, Stößchen.<br />

Theoretisch also durchaus recht brillant gedacht, fürwahr, fürwahr. Ob<br />

das Ganze dann aber auch in der Praxis funktioniert, bleibt erst noch<br />

abzuwarten. Ist aber momentan auch nicht ganz so wichtig. Viel<br />

wichtiger ist, daß wir festhalten, in der Nacht des Bisses in der geilsten<br />

Konstitution unseres Lebens zu sein. Weil wir nämlich ein endgeiler<br />

Vampir sein wollen. Wir wollen der geilste, der innovativste, der<br />

hübscheste, eben der beste Vampir sein. Wir wollen der Hans Meiser<br />

unter den Vampiren sein!<br />

Kleiner Wermutstropfen dabei: Sobald Lestats Kumpel Louis, gespielt<br />

von Brad Pitt, auftaucht, hat sich der Traum ausgeträumt. Zack, aus der<br />

Traum. Dann fällt unser schönes Kartenhaus zusammen, dann ist Essig<br />

mit Bester und Tollster und Schönster und so. Denn gegen Louis<br />

können wir nicht anstinken. Trotz dreimonatiger Vorbereitung nicht.<br />

Niemals. Und der steht frisch aus dem Sarg auf und sieht trotzdem<br />

geiler aus als wir mit unseren Scheiß-Anabolika und Solarium und<br />

Frisur und dem ganzen Mist. Voll zum Kotzen, aber mal echt jetzt. Was<br />

für eine Enttäuschung. Eine ganz große und besonders herbe<br />

Enttäuschung. Aber sowas von. Eine ganz bittere Pille, die wir da<br />

sprichwörtlich schlucken müssen. Ganz bitter. Und furchtbar, ganz,<br />

ganz furchtbar. Und es geht uns schlecht. Sehr schlecht. Man kann sich<br />

unter diesen Umständen kaum noch vorstellen, wie schlecht es uns geht.<br />

288


Ich bin immer dann am besten, wenn`s mir eigentlich egal ist. Ich bin<br />

immer dann am besten, wenn mir keiner ins Regal pißt. Ich bin immer<br />

dann am besten, am zweit-, dritt- oder zehntbesten. Von mir aus auch<br />

mal nicht am besten. Ich muß das nicht austesten, nicht noch mal. Mein<br />

Spiegelbild ist anderen egal.<br />

289<br />

(Die Ärzte)<br />

Schöne Überleitung jetzt hier, schön aufpassen jetzt. Denn jetzt haben<br />

wir den Salat. Le Salat. El Salato! Salato Grande. Klar wollen wir der<br />

Beste sein, was denn auch sonst?! Natürlich wollen wir ein ganz<br />

besonderer, ein ganz außergewöhlicher, ein geradezu unglaublicher<br />

Vampir sein. Wir wollen besser sein als all die anderen, uns von der<br />

breiten Masse der anderen Vampire abheben, ist doch logisch. Und<br />

dabei scheitern wir ganz grandios, ganz furios, ganz famos. Und<br />

natürlich auch ganz klar. Glasklar sogar, von vornherein. Hätte uns<br />

eigentlich von Anfang an bewußt sein müssen. Sobald Louis um die<br />

Ecke spaziert oder geflogen kommt, ist Feierabend. Zack. Ende der<br />

Illusionen, grandioses Scheitern vorprogrammiert. Und zwar von<br />

Anfang an. Fiasko. Fiasko Grande. Stößchen.<br />

Aber genau das sollte uns unser kleiner Vampir-Exkurs verdeutlichen:<br />

Immer nur einer kann der Beste sein. Natürlich rein objektiv betrachtet.<br />

Subjektiv betrachtet kann natürlich jeder Trottel der oder die Beste sein,<br />

ganz klar. Auf Wunsch und mit genügend Kohle erzählt einem jede<br />

Prostituierte, daß man der Beste ist. Oooh, so einen geilen Stecher wie<br />

Dich habe ich ja noch nie gehabt! Nee, ist klar. Oder jeder<br />

Autoverkäufer, daß er noch nie so einen harten Verhandlungspartner<br />

hatte. Also wenn ich noch so einen Kunden wie Sie hätte, müßte ich den<br />

Laden hier zumachen! Auch sehr wahrscheinlich. Jeder Junkie, daß er<br />

noch nie von jemandem so guten Stoff wie diesen gekriegt hat. Boah,<br />

geilster Stoff wo gibt, geil, geil, sniff, sniff, drück, drück! Sicher, sicher.<br />

Etcetera, etcetera, bla.


Objektiv betrachtet kann selbstverständlich immer nur einer der Beste<br />

sein. Und alle andern nicht. Nur einer rennt die 100 Meter schneller als<br />

alle anderen. Nur einer ist der Reichste, hat mehr Geld bzw. Vermögen<br />

als alle anderen. Nur einer kann am längsten Luft anhalten, die größte<br />

Menge Bratwurst oder Schnitzel in einer bestimmten Zeit fressen, die<br />

dicksten Arme haben, die meisten Kokosnüsse mit dem Schädel oder<br />

mit dem Penis knacken, egal. Völlig egal. Es kann immer nur einen<br />

geben. Wie beim Highlander. In allen Wettbewerben, Disziplinen,<br />

Bereichen. Immer nur einen Ersten, immer nur einen Besten. Alle<br />

anderen danach logischerweise nicht mehr.<br />

Und das ist auch gut und richtig so, weil uns das nämlich gar nicht<br />

interessiert. Nicht die Bohne. Ist uns völlig egal, wer irgendwo in<br />

irgendwas Bester ist oder auch nicht. Geht uns voll am Arsch ab, zack.<br />

Und warum? Logisch, weil es völlig banal ist, in irgendwas der oder die<br />

Beste zu sein. Völlig banal. Banal und aber auch scheißegal. Banal und<br />

geradezu absurd. Gucke an, banal und absurd, wer hätte das gedacht?!<br />

Kaum jemand. Zumindest nicht die armen Irren, die Tag für Tag ihr<br />

komplettes Leben verkacken, um in irgendwas der oder die Beste zu<br />

sein. Idealerweise noch in irgendeiner brotlosen Kunst, von der alle<br />

Beteiligten nicht das Geringste haben. Die wissen meist gar nicht, wie<br />

banal und absurd der ganze Zirkus ist. Andererseits wissen die aber<br />

auch nicht, was sie überhaupt davon haben.<br />

Man wage nur einmal einen flüchtigen Blick in das sagenumwobene<br />

Guiness-Buch der Rekorde. Was für ein Bullshit! Mal abgesehen von<br />

ein paar Handvoll nützlicher und sinnvoller Informationen, steht da nur<br />

Bullshit drin. Banalster Bullshit, banal bis zum geht nicht mehr.<br />

Irgendwelche Leute machen irgendwelchen Blödsinn, nur um in dieses<br />

komische Buch aufgenommen zu werden. 250 Stunden Achterbahn<br />

fahren am Stück. 150 ml Tabasco in 30 Sekunden trinken. 11 Tage und<br />

Nächte ohne Schlaf. In 12 Minuten 60 Hot Dogs fressen. Aus Millionen<br />

von Zündhölzern das größte Modell-Schiff der Welt bauen. Und<br />

ähnlicher Schwachsinn. Undenkbarer, hanebüchenster Quatsch und<br />

Kokolores. Nur für einen Eintrag in dieses hohle Buch. Hauptsache<br />

einmal im Leben in irgendwas der Beste sein. Und sei es noch so<br />

beknackt. Völlig egal. Hauptsache einmal von der breiten Masse<br />

abheben, einmal jemand ganz besonderes sein.<br />

290


Auf der einen Seite ist das natürlich alles sehr verständlich. Die meisten<br />

von uns führen nämlich ein bedenklich mittelmäßiges, todlangweiliges,<br />

gähnendes Durchschnitts-Leben. Mittelmäßiger Job, mittelmäßiges<br />

Gehalt, mittelmäßige Beziehung, mittelmäßige Bude, bla, gähn. Haben<br />

wir ausreichend durchgekaut. Mittelmaß als Maß der Dinge. Eine<br />

Nummer im System, ein Ersetzbarer, ein Austauschbarer. Citizen Dildo!<br />

Der Steuerzahler, der Sperrmüll-Anmelder, der BILD-Leser. Einer wie<br />

alle. Wie aufregend. Was für ein aufregendes, einzigartiges,<br />

individuelles und selbstgesteuertes Leben. Phantastisch, gähn. Kein<br />

Wunder, daß so viele Menschen depressiv sind.<br />

Und jetzt ist es nämlich so, daß nur ganz wenige von uns diesen<br />

Mittelmaß-Blödsinn hinterfragen. Einige sind bereits zu sehr in das<br />

System eingebunden, um Fragen zu stellen. Aber die überwältigende<br />

Mehrheit ist schlichtweg zu blöd oder zu faul. Man spürt zwar<br />

irgendwie instinktiv und intuitiv, daß irgendwas nicht stimmt bzw. das<br />

eigene Leben zu Tode langweilt, ist aber zu blöd oder zu faul, um etwas<br />

Grundlegendes dagegen zu tun. Also das Übel an der Wurzel zu packen.<br />

Nein, das dann doch lieber nicht. Lieber weiter eine Nummer im System<br />

bleiben, lieber weiter Citizen Dildo bleiben. Ist sicherer, machen alle,<br />

sind wir gewöhnt dran. Bloß nicht Neues, lieber irgendwie ab- bzw.<br />

umlenken. Et voilà, haben wir den Scheiß.<br />

So einfach ist die ganze Kiste. Kompensieren heißt mal wieder das Wort<br />

der Woche. Man ist zu faul oder zu doof oder zu feige, sein eigenes,<br />

trostloses, mittelmäßiges Durschschnitts-Leben zu ändern, also fängt<br />

man mit irgendeinem anderen Scheiß zu kompensieren an. Mit<br />

irgendeiner besonderen Leistung. Et voilà, et zack, haben wir schon<br />

wieder den Salat. Kopf-Salat. Kompensations-Salat. Aber leider, leider<br />

klappt Kompensieren mal wieder nicht. Wie immer. Denn dadurch, daß<br />

ich an einem bescheuerten Ironman partizipiere, wird mein Leben nicht<br />

besser. Dadurch, daß ich 20 Kilo Thüringer Mett in einer Stunde fressen<br />

kann, auch nicht. Auch wird mein Leben nicht besser, wenn ich einen<br />

Monat Achterbahn fahre oder Benzin saufe oder meinen Schädel im<br />

Türrahmen einklemme. Oder mich mit Stoff zudröhne, an einer<br />

regionalen Bodybuilding-Meisterschaft teilnehme und da dann sogar<br />

einen beschissenen Pokal und eine Büchse Eiweiß-Pulver gewinne.<br />

Nein, auch dann nicht, auweia.<br />

291


Ist alles Scheiße, ist alles Mist. Alles Kompensation, macht alles keinen<br />

Sinn. Ändert nichts Grundlegendes, lenkt nur ab. Als würde man sich<br />

den Arm brechen und den dann nicht eingipsen, um den Bruch zu<br />

heilen, sondern stattdessen jahrelang Schmerz-Tabletten fressen. Macht<br />

ähnlich viel Sinn. Oder vielmehr ähnlich wenig Sinn. Macht eigentlich<br />

gar kein Sinn, ist Blödsinn. Also wie in unserem kleinen Vampir-<br />

Exkurs: Wenn mein Leben eh schon Scheiße ist, dann muß ich selbst<br />

etwas daran ändern. Etwas Grundlegendes. Neue Frisur und<br />

Marathonlauf nützen da nichts. Auch Saufen ist keine Lösung auf<br />

Dauer. Und warten, bis mich ein Vampir beißt, auch nicht. Denn dann<br />

wird es auch als Vampir nicht besser. Im Gegenteil, sehr wahrscheinlich<br />

wird man dann sogar ein ziemlich verbitterter Vampir. Ein ganz<br />

trauriger, ja gar ein depressiver Vampir. So von wegen schön bis 2 Uhr<br />

nachts im Sarg liegen bleiben, während die Kollegen schon seit vier<br />

Stunden jagen. Stattdessen nur noch Blutkonserven trinken, Zähne<br />

nicht mehr putzen im Internet chatten und dergleichen.<br />

Oder man dreht gleich voll durch und läuft Amok. Als Vampir. Also<br />

Glatze rasieren, Tarnklamotten an und ab. Ab, zack, Amok. Die denkbar<br />

ungünstigste Variante für alle Beteiligten. Vampir-Amok! Horror-<br />

Szenario, Super-GAU. Da möchte ich nicht in der Nähe sein, wenn das<br />

losgeht. Ganz bestimmt nicht. Ein total angepißter, zugedröhnter,<br />

unsterblicher Blutsauger mit Supermann-Kräften auf mega-fiesem<br />

Aggro-Trip. Wie mag sowas wohl enden?! Wenn dann beispielsweise<br />

auch noch die Rennleitung (also die Grün-Weißen) antanzt und wie<br />

gewohnt besonders hohle Phrasen drischt:<br />

In Ihrem Personalausweis steht 1842 als Geburtsjahr. Das kann ja wohl<br />

irgendwie nicht ganz hinkommen. Sie kommen jetzt mal mit auf die<br />

Wache, zwecks Feststellung Ihrer richtigen Personalien.<br />

Auweia! Ganz dumme Idee. Sollte man lieber sein lassen. Oder wenn<br />

die den dann vielleicht noch nach seinem Führerschein fragen.<br />

Beziehungsweise nach seinem Flug- und Jagdschein. Weil er ja<br />

schließlich angeflogen kam und kurz vor der Landung noch einen<br />

Ausgesaugten ins Gebüsch fallen ließ. Völlig egal, nach irgendeinem<br />

Schein eben, den man sicherstellen kann.<br />

292


Schönen guten Abend, allgemeine Verkehrskontrolle. Was haben Sie<br />

denn da eben beim Lande-Anflug ins Gebüsch geschmissen? Drogen?<br />

Bitte einmal Flug- und Jagdschein.<br />

Na schönen Tag auch! Besonders schönen Tag. Auf jeden Fall ein<br />

unvergeßlicher Tag für unsere arme Rennleitung. Sicherstellungs-<br />

Versuch kläglich gescheitert, schöner Mist. Zielperson hat uns<br />

stattdessen volles Rohr die Fresse poliert und ist dann wieder<br />

weggeflogen, Neo aus der Matrix ist ein Dreck dagegen.<br />

Wir können also festhalten, daß wir bei Unzufriedenheit in oder mit<br />

unserem eigenen Leben nicht erst darauf warten sollten, daß uns ein<br />

Vampir beißt. Oder uns der Himmel auf den Kopf fällt und uns die<br />

Sonne küßt. Da können wir dann nämlich ziemlich lange drauf warten,<br />

denn soweit wird es nicht kommen. Und selbst wenn, ändert das an<br />

unserem Mütchen nicht viel. Zumindest nicht dauerhaft. Die<br />

Unzufriedenheit verschwindet -wenn überhaupt- nur kurzfristig und<br />

stellt sich über kurz oder lang wieder ein, wenn wir unser Kern-Problem<br />

nicht irgendwann beheben. Da werden wir nicht umhin kommen. Wie<br />

das jeweilige Kern-Problem eines jedes einzelnen von uns aussieht,<br />

entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Woher denn auch?! Es gibt<br />

halt diverse gängige Symptome. Viele haben Angst vor Verlust,<br />

beispielsweise vor Verlust der Partners, des Jobs, der Gesundheit.<br />

Andere sind nicht frei, können sich nicht frei entfalten, sind vielleicht<br />

innerlich irgendwo gefangen, irgendwo psychisch oder so. Wiederum<br />

andere sind unzufrieden, weil sie keine Lebensaufgabe haben oder stets<br />

unter ihren Möglichkeiten bleiben müssen oder einfach nur gelangweilt<br />

und frustriert sind, vom Job, von der Beziehung, von sich selbst, vom<br />

Leben.<br />

Es gibt etliche Symptome, fast alles ist vorstellbar, fast alles ist möglich.<br />

Nur muß das jeder individuell für sich selbst feststellen. Es gibt keine<br />

generelle Lösung, kein Patent-Rezept, kein Allheil-Mittel. So etwas gibt<br />

es nicht, und auch Honkland ist das nicht. Honkland ist keine General-<br />

Lösung, Honkland ist nur der Weg, nur der Ansatz. Der Honk kann den<br />

Weg nur zeigen, gehen muß ihn jeder selbst. Falls er oder sie denn<br />

überhaupt diesen Weg gehen möchte. Denn nur darauf kommt es am<br />

Ende an, nur das zählt.<br />

293


Nur eines kann ich mit absoluter Gewißheit sagen: Ablenkung und<br />

Kompensation machen auf Dauer nicht glücklich. Mal ganz plakativ:<br />

Das hier wäre bewußtes Auseinandersetzen mit einem Problem:<br />

Ich bin zu fett geworden, also muß ich entweder weniger fressen oder<br />

mehr Sport treiben.<br />

Zack! Und das hier wäre dann Scheiß-Kompensation:<br />

Ich bin zu fett geworden, also gehe ich mal lieber zum Friseur.<br />

Okay, Prinzip sollte jetzt annähernd verstanden sein. Läßt sich auf<br />

ausnahmslos alle anderen Lebensbereiche übertragen. Ebenso simpel<br />

wie logisch. Kompensation funktioniert nicht. Durch nichts. Und schon<br />

gar nicht durch irgendeinen ominösen Eintrag in dieses bescheuerte<br />

Guiness-Buch aufgrund irgendeiner hanebüchenen Bestleistung in<br />

irgendeinem schwachsinnigen Bereich. Das dann aber auch mal gar<br />

nicht. Ausgenommen einige ganz wenige Bereiche, in denen man<br />

tatsächlich ordentlich Kohle damit verdienen kann, gut oder sogar der<br />

Beste in irgendwas zu sein, macht das ansonsten alles keinen Sinn. Nur<br />

Ablenkung, nur Kompensation. Nur Shit.<br />

Und deshalb ist dieser ganze Kompensations-Zirkus unserem Honk<br />

auch sehr egal. Unser Honk muß nicht kompensieren, und schon gar<br />

nicht kompensieren durch profilieren. Also sich irgendwie irgendwo<br />

und aus irgendwelchen Gründen hervortun oder präsentieren. Muß nicht<br />

sein, ist albern. Kann ganz böse enden, nicht umsonst haben wir so viele<br />

Profil-Neurotiker in unserer lustigen Gesellschaft. Und Profil-Neurosen<br />

sind in Honkland aber mal sowas von gar nicht angesagt, daß sich das<br />

wohl jeder Schimpanse an fünf Fingern abzählen kann. Denn Profil-<br />

Neurosen gibt es in Honkland nicht, sowas braucht unser Honk nicht,<br />

und sowas will er auch nicht haben. Alles überflüssig. Keine<br />

Profilierung, keine Show. Keine Show im Honkland, kein Stößchen für<br />

sowas. Als Honk ist man sogar eher der Show-Stopper. Man muß<br />

nämlich gar nicht immer so weit in die Ferne schweifen, um<br />

Selbstdarstellung, um Profilierung, um Show zu bekommen. Ein kurzer<br />

Abstecher in unser geliebtes Internet reicht da völlig aus, wenn man die<br />

richtige Seite wählt.<br />

294


Ich sage nur StudiVZ. Heiliger Bimbam! So, jetzt ist die Bombe<br />

geplatzt, die Katze aus dem Sack, der Fisch gegessen. StudiVZ! Mehr<br />

muß man da nicht sagen. Reicht. Ist alles gesagt mit, fällt einem nichts<br />

mehr zu ein. StudiVZ ist geil, richtig geil, endgeil. Endgeil und aber<br />

auch besonders wert- und sinnvoll. Erwachsene Menschen, die noch nie<br />

in ihrem Leben eine Uni von innen gesehen haben, präsentieren sich<br />

selbst auf Dutzenden von Photos. Beschreiben ihre Vorlieben und<br />

Interessen. Schließen interaktive Freundschaften mit anderen Pansen.<br />

Treten besonders lustigen Gruppierungen mit total witzigen Namen bei.<br />

Malen sich gegenseitig lustige Blümchen und Bildchen und Herzchen<br />

auf die interaktiven Pinnwände. Phantastisch. Ganz phantastisch. Und<br />

süß. Ganz, ganz süß. Nein, wie ist das wieder süß. Zumindest dann,<br />

wenn unsere Protagonisten acht Jahre alt wären. Dann ja, dann süß.<br />

Ansonsten nicht. Ansonsten eher peinlich.<br />

Erinnert mich irgendwie an diese kleinen Bücher, die man in der dritten<br />

Klasse hatte. In die andere Schulkinder reinschreiben mußten. Also so<br />

von wegen Name, Geburtstag, was ich mag, was ich nicht mag,<br />

Lieblingslied, Hobby, Schwarm, und noch Photo rein, zack, fertig.<br />

Daran erinnert mich das. Und an Pubertäts-Akne. Und an diese kleinen,<br />

lustigen Zettelchen. Na an diese hier:<br />

Willst Du mit mir gehen?<br />

Ja<br />

Nein<br />

Vielleicht<br />

Daran erinnert mich das auch, das schöne StudiVZ, das herrliche<br />

StudiVZ, das wunderbare StudiVZ. Erinnert mich irgendwie an jede<br />

erdenkliche Kinder-Kacke, nur an eines nicht: An erwachsene<br />

Menschen, die eine Universität besuchen. Irgendwie nicht. Aber egal,<br />

ich kann es nicht ändern. Will ich ja auch gar nicht, geht mir nämlich<br />

komplett am Arsch ab, vgl. unter Punkt b) dieses Kapitels. Wird von mir<br />

ansonsten komplett ignoriert, existiert für mich nicht. Dient in diesem<br />

Fall nur ausnahmsweise als Beispiel zur Veranschaulichung. Zur<br />

Veranschaulichung dessen, daß es in unserer lustigen Gesellschaft<br />

mittlerweile beängstigend viele erwachsene Menschen mit<br />

Profilierungs-Zwang bzw. komplettem Lattenschlag gibt. Stößchen.<br />

295


Ja sorry, was geht denn, was geht denn?! Ich kann es doch nicht ändern,<br />

ich habe das Kaspertheater doch nicht erfunden. Ist nicht meine Show,<br />

nicht mein Business. Obwohl ich wenigstens noch ein Diplom an der<br />

Wand hängen habe, sogar eines von der Uni, gucke mal einer an. Aber<br />

nee, besten Dank, nicht nötig. Zumindest stellt man als Honk da bei<br />

denen von Studi- oder Sonstwas-Fuck-Facebook-VZ nicht irgendwelche<br />

beknackten Photos von seiner dummen Fresse, seinem fetten Arsch oder<br />

seinem letzten Mauritius-Urlaub oder sonstwas rein. Oder gründet<br />

irgendwelche albernen Gruppen, damit auch irgendwann der letzte<br />

Hoschi mitkriegt, was für eine Proll-Karre man fährt oder mit welcher<br />

Frutte man gerade poppt. Na super. Und das dann alles in der Hoffnung,<br />

daß irgendein anderer Hoschi oder irgendeine andere Frutte dazu seine /<br />

ihre Meinung oder Bewertung abgibt?! Uns ein Blümchen auf die<br />

Pinnwand malt?! Oder daß wir vielleicht sogar entdeckt werden und<br />

dann noch ganz groß rauskommen?! Also so von wegen Superstar-<br />

Topmodel oder sogar Miss Wintersemester, lol?!<br />

Uiuiui, wäre das nicht alles zu schön, um wahr zu sein?!<br />

Nee, eher nicht so. Eher zu wahr, um schön zu sein. Beziehungsweise<br />

zu Scheiße, um wahr zu sein. Denn in Honkland gibt es keine<br />

Selbstdarstellung, und das ist auch gut und richtig und höchst<br />

begrüßenswert so. Entweder ist man geil, oder man ist es nicht. So<br />

einfach ist das. Und sonst nix. Und daher überlassen wir zwanghaften<br />

Pseudo-Exhibitionismus und alberne Internet-Selbstdarstellung<br />

denjenigen, die es ganz offensichtlich nötig haben. Aber bitte nicht in<br />

Honkland. In Honkland existiert solcher Blödsinn nicht, in Honkland<br />

machen wir uns davon frei. In Honkland wollen wir das nicht haben.<br />

So, hätten wir das dann auch mal geklärt. Und ganz nebenbei noch diese<br />

ganze alberne Facebook-Kacke verrissen. Phantastisch, Glückwunsch,<br />

Stößchen. In Honkland muß also niemand der oder die Beste sein, in<br />

Honkland muß sich keiner selbst darstellen. Denn in Honkland will das<br />

nämlich auch gar keiner. In Honkland ist es scheißegal, wer das dickste<br />

Auto fährt, wer den tollsten Job hat, wer die meisten imaginären<br />

Freunde irgendwo im Internet oder sonstwo hat. Völlig egal, völlig<br />

Latte. Völlig unglaublich, was?! Unglaublich, aber wahr. Unglaublich,<br />

aber Stößchen!<br />

296


So hat der Herr mir, dem Bruder Franziskus, gegeben, das Leben der<br />

Buße zu beginnen: Denn als ich in Sünden war, kam es mir sehr bitter<br />

vor, Aussätzige zu sehen. Und der Herr selbst hat mich unter sie<br />

geführt, und ich habe ihnen Barmherzigkeit erwiesen. Und da ich<br />

fortging von ihnen, wurde mir das, was mir bitter vorkam, in Süßigkeit<br />

der Seele und des Leibes verwandelt.<br />

Da ist das Ding!<br />

ee) Und was kommt jetzt noch?<br />

297<br />

(Franziskus von Assisi)<br />

(Oliver Kahn)<br />

Tja, eigentlich wären wir durch. Eigentlich hätten wir alles durch den<br />

Kakao gezogen, was man nur durch den Kakao ziehen kann. Eigentlich<br />

könnten wir an dieser Stelle Feierabend machen. Den ganzen Mist hier<br />

ausdrucken, eintüten, wegschicken. Und hoffen und warten, ob sich<br />

irgendein Verleger findet, der wahnsinnig genug ist, diesen Mist hier zu<br />

veröffentlichen. Also eigentlich können wir jetzt nur noch abwarten und<br />

Bier trinken. Eigentlich. Aber auch nur eigentlich. Denn irgendwas ist ja<br />

immer. Und siehe da, siehe da, als hätte man uns gehört, wurde in der<br />

Zwischenzeit auch das Geheimnis um Fräulein Schnäuzchen und Regel<br />

Nummer Drei gelüftet. Also die Rede ist hier von dieser selten<br />

dämlichen Mc-Donald`s-American-sonstwas-Werbung mit Klum plus<br />

Opfern. Und das Geheimnis lautet: Es gibt keine! Keine Regel Nummer<br />

Drei. Keine da. Ihr verrückten Hunde, Ihr! Aber nicht mit mir. Denn ich<br />

habe von Anfang an gewußt, daß es überhaupt keine dritte Regel gibt.<br />

Nicht geben kann.


Ist doch völlig logisch. Und zwar mit umgekehrter Logik: Weil es<br />

nämlich einfach nicht vorstellbar ist, daß unser exorbitant cleveres<br />

Schnäuzchen Regel Nummer Drei vergessen haben könnte.<br />

Unvorstellbar, nicht möglich, geht nicht. Unser Schnäuzchen vergißt<br />

nichts, viel zu clever. Also kann der logische Umkehrschluß nur lauten,<br />

daß es überhaupt und zu keiner Zeit und noch nie irgendeine Regel<br />

Nummer Drei gab. Klingt logisch, ist es auch. Was sich uns stattdessen<br />

offenbart, ist nur sehr schwer mit normalen Worten zu beschrieben:<br />

Unser Schnäuzchen betritt zusammen mit ihren paar Casting-Opfern die<br />

Burger-Bude, sabbelt irgendwas vor sich hin, von wegen Stars und<br />

Models und bla, geht dann an den Bestelltresen und stupst den Burger-<br />

Buben, der hinter dem Tresen an der Kasse steht, mit einem an Keckheit<br />

nicht mehr zu überbietenden<br />

Na, Du!<br />

mit dem rechten Zeigefinger an die Nase. Bis dahin also gewohnt selten<br />

dämlich und besonders sinnfrei. Aber jetzt kommt`s: Der sichtlich<br />

gerührte Burger-Bube möchte es daraufhin Fräulein Schnäuzchen<br />

gleichtun und sie ebenfalls mit dem Finger an die Nase stupsen. An ihr<br />

putziges, kleines, süßes, freches Topmodel-Superstar-Näschen. Dies<br />

wird jedoch von Fräulein Schnäuzchen unterbunden. Und zwar ganz<br />

vehement, gewohnt souverän und mit einer sehr ausdrucksstarken 3fach-Kombo:<br />

Zuerst ein undefinierbarer, leise zischender Laut,<br />

Insindern auch besser als Whisper of Doom bekannt. Also eine Art<br />

Ankündigung dessen, was da gleich folgen wird.<br />

Denn nun folgt nämlich zeitgleich ein doppelter Augen-Aufreißer in<br />

Kombination mit einem senkrecht erhobenen Zeigefinger. Eine äußerst<br />

gelungene, unmißverständliche und leider viel zu selten gezeigte<br />

Kombo, die Insidern und eingefleischten Klümchen-Fans eher unter<br />

dem Namen Fingerpoke of Doom oder Thunder in Paradise geläufig<br />

sein dürfte. Versteht sich wohl von selbst, daß unser Burger-Bube wie<br />

vom Blitz getroffen seine Aktion sofort abbricht, innehält und in stiller<br />

Ehrfurcht verharrt. Und während sich der normale Proletarier aufgrund<br />

des soeben Gesehenen noch voller Verzückung die Augen reibt, kommt<br />

der Honk nicht umhin, diesen Sachverhalt zu hinterfragen: Na, war da<br />

jetzt nicht mehr dahinter?<br />

298


Und ob, und ob! Vergeßt Regel Nummer Drei, vergeßt die ganzen<br />

Casting-Opfer, vergeßt einfach alles. Alles! Wir durften soeben an<br />

etwas viel Außergewöhnlicherem teilnehmen. Wir durften soeben<br />

Zeuge eines monumentalen Ereignisses epischen Ausmaßes werden.<br />

Mal rekapitulieren: Schnäuzchen kommt da rein, und der Burger-Bube<br />

strahlt schon. Spricht ihn an, berührt ihn sogar, und der ist völlig hin<br />

und weg. Während der selbst sie nicht berühren darf oder kann. Na, was<br />

ist denn wieder los mit dem Groschen? Fällt er mal wieder nicht? Ja<br />

meine Fresse, das kann ja wohl nicht wahr sein, der muß doch mal<br />

irgendwann fallen?! Klarer geht es doch nun wirklich nicht mehr:<br />

Ein offensichtlich überirdisches Wesen (Klum) betritt eine x-beliebige<br />

Umgebung (Mäckes) und läßt diese Umgebung sofort mit seiner Aura in<br />

unbeschreiblichem Glanz und vollkommener Pracht erstrahlen. Nun<br />

spricht dieses Wesen auch noch zu einem (zum Burger-Buben). Berührt<br />

diesen. Segnet ihn, erleuchtet ihn, weist ihm den Weg. Während er<br />

selbst dieses sehr herrliche Wesen nicht berühren, nicht greifen, sondern<br />

nur huldigen, anbeten und fasziniert bestaunen kann.<br />

Na, jetzt aber. Ist ja wohl klar wie Kloßbrühe, daß McDonald`s hier eine<br />

moderne Variante des Heiligen Franziskus von Assisi und dessen<br />

Begegnung mit Gott nachstellt. Viel klarer geht das ja nun wirklich<br />

nicht mehr. Fehlen nur noch Heiligenschein und Orgelmusik. Der<br />

Burger-Bube also in der denkwürdigen Rolle des Franz von Assisi, und<br />

Heidi Klum natürlich als Gott.<br />

So, das war`s, das war`s. Aus, Schluß, Feierabend. Ende im Gelände,<br />

fertig, weg. Eigentlich wollten wir bloß ein stinknormales, dusseliges<br />

Buch schreiben. Ein bißchen polarisieren, ein paar Handvoll<br />

Arschlöcher durch den Kakao ziehen, auf ein paar Mißstände<br />

aufmerksam machen und dergleichen. Sollte doch alles so schön trendy<br />

und amazing und exciting hier werden. So schön sophisticated. Und<br />

dann sowas! Jetzt haben wir völlig unbewußt und ungewollt einen<br />

Beweis für etwas erbracht, wonach die Menschheit schon seit<br />

Ewigkeiten sucht. Einen Beweis für die Existenz von Gott. Nein, nicht<br />

nur für dessen Existenz, wir konnten ihn / sie sogar personifizieren:<br />

Heidi Klum = Gott<br />

299


Ach Du Scheiße!<br />

Na das ist ja jetzt mal eine schöne Überraschung. Stößchen, Stößchen,<br />

Stößchen. Wer hätte das gedacht?! Ich ganz offensichtlich nicht. Denn<br />

hätte ich das vorher gewußt, hätte ich doch nie im Leben so<br />

abgestänkert über unser göttliches Fräulein Schnäuzchen. Über unser<br />

Schnäuzchen Gottes. Mist. Bockmist. Also da bin ich ja dann doch jetzt<br />

wieder in eine -sagen wir mal- etwas mißliche Situation geraten. Aber<br />

das hat so aber auch gar keiner gewußt. Was soll ich denn jetzt bloß<br />

machen, wie stehe ich denn jetzt da?! Buch umbenennen? Von<br />

Honkland - Germany`s Biggest Sackgesicht in World of Schnäuzchen?<br />

Oder in Superstar, Superstar - Grins, grins, grins, Wonderland?<br />

Ach Du Scheiße!<br />

Und die ganzen Passagen im Buch, in denen ich unser Schnäuzchen und<br />

ihr tolles GNT so explizit und trennscharf und teilweise das ein oder<br />

andere Mal unter Umständen auch ein klein wenig kritisch analysiert<br />

habe. Was ist denn jetzt damit? Soll ich das jetzt alles nochmal<br />

umschreiben? Oder sogar positiv formulieren? Also lügen? Heucheln?<br />

Mit gespaltener Zunge sprechen? Ach, komm` her, drauf geschissen, in<br />

Honkland wird nicht geheuchelt. Was wahr ist, muß wahr bleiben.<br />

Komme ich eben in die Hölle, Pech gehabt. Bin ich bestimmt nicht der<br />

einzige Honk dort. Und schön warm ist es auch.<br />

Nein, ich hätte da dann doch noch eine Idee:<br />

Anmerkung: Bitte nun zurückblättern, die Seiten 85 und 86 lesen,<br />

und danach dann wieder hier weiter.<br />

300


Na? Na? Habe ich zuviel versprochen? War das jetzt gerissen, oder war<br />

das jetzt mal gerissen?! Unfaßbar gerissen war das. Ein genialer<br />

Schachzug. Honk eben. Gewußt wie, Hut ab, zack. Honkland. Man kann<br />

sich noch so übelst daneben benehmen, wichtig ist nur, daß man weiß,<br />

wie man hinterher aus der Nummer wieder rauskommt. Und da muß<br />

man dann auch manchmal Wiesel sein, so wie eben. Da muß man<br />

manchmal sogar ein ganz linkes Radieschen sein, ungelogen. So sieht<br />

das nämlich aus. Wobei ich in meinem Fall hier doch stark bezweifeln<br />

muß, daß mir dieser billige Taschenspieler-Trick jetzt noch den Arsch<br />

retten kann. Dazu habe ich es einfach zu weit getrieben, viel zu weit.<br />

Sozusagen das Schnäuzchen auf die Spitze getrieben. Ist jetzt aber auch<br />

egal, nützt eh nichts mehr. Muß man jetzt zu stehen, denn Honkland<br />

bedeutet auch Rückgrat. Was mich allerdings dann doch ein bißchen<br />

wurmt, ist der Umstand, daß ich das alles nicht schon viel eher<br />

durchschaut habe. Das wurmt mich, und das wurmt mich richtig.<br />

Ich hätte es wissen müssen, ich hätte es wissen müssen. Scheiße, ich<br />

hätte es ganz einfach wissen müssen. Allein der Umstand, daß dieses<br />

GNT-Kaspertheater schon bald die fünfte oder sechste Staffel läuft,<br />

hätte eigentlich jeden Vollidioten hellhörig machen müssen. Aber auch<br />

wirklich jeden. Denn nur in einem Universum of Bullshit mit Fräulein<br />

Schnäuzchen als höchstem Wesen konnte es jemals so weit kommen. In<br />

einer normalen Welt bzw. in einem Universum, was nicht voll<br />

Dünnpfiff und Hirntod ist, wäre dieser Zirkus bereits zur Hälfte der<br />

ersten Staffel abgesetzt und eingestampft worden. Spätestens. Wenn<br />

nicht sogar noch eher. Und ich hätte erst gar nicht so ein Scheiß-Buch<br />

hier schreiben müssen. Verdammte Kacke!<br />

Aber denkste, nicht mit Fräulein Schnäuzchen als Gott. Mit unserem<br />

göttlichen Schnäuzchen läuft dieses Kaspertheater weiter. Es läuft und<br />

läuft und läuft. Und wir büßen und leiden und leiden und büßen. Und<br />

leiden und büßen und büßen und leiden. Meine Fresse, was müssen wir<br />

nur leiden! Sodom und Gomorrha, ganz toll. Voll für`n Arsch, voll<br />

ätzend. Für uns zumindest. Aber nicht für Fräulein Schnäuzchen. Denn<br />

für die macht das alles Sinn, für die ist das alles Teil ihres<br />

allumfassenden, göttlichen Schnäuzchen-Plans.<br />

301


Du bist so geisteskrank in meinen Augen.<br />

302<br />

(Nadja Abd el Farrag)<br />

Meine Ex-Frau hat es immer gewußt. Bereits ab der ersten Staffel. Mehr<br />

als einmal ließ sie mich wissen, daß sie GNT „einfach nur göttlich“<br />

finde. Halleluja! Hätte ich damals nur auf sie gehört. Denn für mich<br />

stand GNT von Anfang an nicht nur für Germany`s Next Topmodel,<br />

sondern logischerweise -genau wie GIMP- auch noch für<br />

GehirNampuTiert.<br />

Na? Na? Na? Kann ja wohl alles kein Zufall mehr sein. Ganz bestimmt<br />

nicht. Aber darum geht es auch gerade nicht. Denn trotz alledem hat<br />

GNT natürlich ein beachtliches Publikum. Eine Fanbase, wie man so<br />

schön sagt. Soll heißen, es gibt genügend GIMPs, die GNT gucken und<br />

sich daran erfreuen und frohlocken. Es gibt sogar diverse Topmodel-<br />

Internet-Foren, in denen diverse GIMPs und Vollopfer (meist fruttigen<br />

und minderjährigen Geschlechts) über GNT und ähnlichen Rotz<br />

diskutieren, ja geradezu philosophieren. Ist kein Scherz, ist hammerhart,<br />

kann jeder gern mal selbst nachschauen. Und daher liegt es für uns auch<br />

geradezu auf der Hand, an dieser Stelle unsere nächste hierarchische<br />

Beziehungsebene zu eruieren:<br />

GNT � GIMP<br />

Und zack, paßt. Paßt wie die Faust auf`s Auge. Zack. Also durchaus<br />

eine beachtliche Zielgruppe vorhanden. Zwar keine besonders<br />

zurechnungsfähige Zielgruppe (und daher für geistig halbwegs normal<br />

situierte Personen auch nur sehr schwer nachvollziehbar), aber eben<br />

nunmal vorhanden. Zielgruppe ist Zielgruppe, Publikum ist Publikum,<br />

und sei es noch so bekloppt bzw. vergimpt. Ich weiß, ich weiß, bis<br />

hierhin nichts Neues. Aber jetzt wird es interessant, bitte Obacht!


Wir haben also eine durchaus beachtliche Zielgruppe, und genau<br />

deshalb läuft diese beinahe tödlich banale Kacke auch weiter. Und läuft<br />

und läuft und läuft. Und läuft weiter. Wir haben also ein Angebot an<br />

Kacke und eine Nachfrage nach Kacke. Also läuft Kacke. Angebot und<br />

Nachfrage, wie so oft im Leben. Was aber, wenn solche Kacke zwar<br />

angeboten, aber nicht oder nicht mehr nachgefragt wird? Also<br />

beispielsweise in solchen Fällen, in denen wir ein neues und besonders<br />

behämmertes TV-Format anzubieten haben, welches jedoch kein<br />

Schwein interessiert und daher auch weitestgehend ungesehen bleibt.<br />

Also kaum Publikum, kaum Einschaltquote, nichts. Dann müßte dieses<br />

Format doch eigentlich binnen kürzester Zeit wieder eingestampft<br />

werden, oder etwa nicht?! Doch, eigentlich schon.<br />

Ja, eigentlich schon. Im normalen Leben eigentlich schon. Aber nicht<br />

bei PRO7, sorry, GIMP3000 natürlich. Und jeder, der jetzt nicht sofort<br />

wie vom Blitz getroffen aufspringt und Giulia in Love?! aufschreit, hat<br />

das Buch hier nicht verstanden und sollte sich jetzt lieber hinlegen oder<br />

umbringen. Denn gern erinnern wir uns zurück: GIMP3000, unser<br />

Lieblingssender, lief da nicht irgendwann mal Giulia in Love?! oder<br />

sowas? Also diese alberne und besonders gehirnbekömmliche Fake-<br />

Kuppelshow rund um die geisteskranke (nur Zitat, siehe oben) Tochter<br />

von Onkel Ralle und irgendwelche Hampelmänner, die sie<br />

unverständlicherweise gern mal pimpern würden? Na klar lief das. Und<br />

wir erinnern uns alle stets sehr gern daran. Stößchen, Kopfschuß.<br />

Aber mal dahingestellt. Also dieser Mist lief, und er lief übelst<br />

beschissen. Übelst beschissene Einschaltquoten. Völlig zu Recht,<br />

möchte man meinen, irgendwann ist auch mal gut. Auch Schwachsinn<br />

muß Grenzen haben. Und wer will schon dauerhaft sehen, wie Onkel<br />

Ralles stumpfsinnige Lendenfrucht da mit irgendwelchen Lachkaspern<br />

und Trotteln im Opfer-TV rumhampelt und dummschwätzt?! Nicht<br />

viele. Zumindest nicht viele gesunde Menschen. Und daher auch ganz<br />

miserable Einschaltquoten, die immer gerade so im Bereich um 4%<br />

lagen. So, und jetzt kommt der Knüller: Trotz dieser beschissenen<br />

Einschaltquoten hat GIMP3000 diese absurde Scheiße nicht abgesetzt.<br />

Nein, nicht abgesetzt. Durchgezogen, voll durchgezogen. Also völlig<br />

irrationales, seltsames und höchst ominöses Verhalten. Komplett nicht<br />

nachvollziehbar. Hierfür kann es nur zwei Gründe geben:<br />

303


Erste Variante:<br />

Denen bei GIMP3000 ist mittlerweile alles komplett scheißegal. Alles!<br />

Alles komplett voll scheißegal. Weil der Sender trotz genialster Formate<br />

wie beispielsweise U20, taff, Sommermädchen, GNT, red und ähnlich<br />

geilen Dingern eh bald dichtmacht. Insolvenz, Konkurs, zugeschissen,<br />

whatever. Und bis das dann hoffentlich demnächst auch mal soweit ist,<br />

wollen die uns nochmal voll verarschen und nochmal so richtig schön<br />

auf die Palme bringen. Uns nochmal volle Kanne in die hohlen Birnen<br />

scheißen. Zack! Aus Frust, aus Rache, aus Spaß, keine Ahnung. Kann<br />

alles gut hinkommen, ist alles gut möglich bei GIMP3000. Kann ich an<br />

dieser Stelle aber auch nicht weiter beurteilen, weil ich nicht Finanz-<br />

Buchhalter bei denen bin und zudem auch deren Bilanz nicht kenne,<br />

was aber auch besser so ist. Viel wahrscheinlicher erscheint mir nämlich<br />

sowieso die zweite Variante:<br />

Zweite Variante:<br />

Das göttliche Schnäuzchen versucht derzeit, menschliche Gestalt<br />

anzunehmen, um dann die Weltherrschaft zu erlangen. Hierzu hat das<br />

Schnäuzchen zunächst irdische Gestalt in Form von amazing Heidi<br />

Klum angenommen, sich des exciting Senders GIMP3000 bemächtigt<br />

und versucht nun, die Menschheit zu vergimpen, damit es leichteres<br />

Spiel hat, diese dann nach erfolgreicher Vergimpung zu unterjochen. Ja,<br />

ganz schön harter Tobak, nicht wahr?! Sehr krass. Macht aber in meinen<br />

Augen deutlich mehr Sinn als die erste Variante, mal rein objektiv<br />

betrachtet. Und ist anders sonst auch nicht mehr zu erklären, wieso man<br />

den Leuten so viel Scheiße in die hohlen Birnen dreschen will. Ergibt<br />

ansonsten alles keinen Sinn mehr. Sommermädchen 2009 zum Schluß<br />

als zweistündige Primetime-Sendung, Samstagabend um 20.15 Uhr!<br />

Na? Na? Noch irgendwelche Fragen? Nein? Habe ich mir fast gedacht.<br />

Eigentlich sind damit alle Fragen beantwortet.<br />

Also mal dahingestellt, ob es wirklich das göttliche Schnäuzchen in<br />

Gestalt von Heidi Klum ist, aber irgendwas haben GIMP3000 und<br />

Konsorten mit uns vor. Daran besteht keinerlei Zweifel. Für irgendwas<br />

versuchen die, unsere Hirne abzutöten. Zack, Schlick in die Birnen, ab.<br />

Kopfsalat und Bregenwurst, bäh. Und das Schlimme daran ist, daß wir<br />

304


nicht einmal ansatzweise wissen, warum. Das ist nämlich mittlerweile<br />

keine Unterhaltung oder Entertainment oder sonstwas mehr, das ist<br />

vorsätzliche schwere Körperverletzung. Versuchter, heimtückischer<br />

Hirn-Mord. We love to entertain you? Von wegen. We love to butt-fuck<br />

your brain! So müßte es eigentlich heißen. Bißchen verwegen, bißchen<br />

obszön, aber wenigstes ehrlich. Keine Ahnung, warum die das machen<br />

wollen. Ist aber auch für mich als Honk mehr oder weniger scheißegal.<br />

Denn der Honk ignoriert sowas. Und ihr anderen da draußen solltet auch<br />

langsam anfangen, Euch Sorgen zu machen. Um Eure Birnen. Um Eure<br />

Rüben, Eure Kürbisse, Eure Waffeln. Wenn es denn dafür nicht schon<br />

zu spät ist. Wenn Eure Hirne nicht schon so heftig krass gelitten haben,<br />

daß die Scheiße schon bald aus den Ohren rausquillt. Was leider fast zu<br />

befürchten ist.<br />

Für den Honk nicht, dem ist das alles komplett egal. Der ignoriert das,<br />

den kümmert das nicht, der ist ein Sackgesicht. Ja, ganz genau, ein<br />

Sackgesicht. Dem geht das alles komplett am Arsch vorbei. Und das ist<br />

auch gut so, denn einer muß ja den Durchblick behalten. Um<br />

irgendwann gegebenenfalls einschreiten zu können. Um intervenieren<br />

zu können, wenn der ganze Wahnsinn noch extremere Formen annimmt.<br />

Auch wenn das kaum noch vorstellbar ist. Sollte der Honk erkennen<br />

müssen, daß hinter diesem ganzen Wahnsinn ein System steckt, daß die<br />

irgendwas ganz Gravierendes mit uns armen Irren vorhaben, etwas von<br />

langer Hand Geplantes, dann, ja dann wird der Honk intervenieren.<br />

Intervenieren müssen. Und zwar mit Feuer. Ja, sehr richtig, mit Feuer,<br />

schönem Feuer! Honk-Anarchie als Notwehr und aber auch zum Wohle<br />

der Allgemeinheit, die größtenteils leider nicht mehr so ganz<br />

zurechnungsfähig ist. Ja, leider. Leider, leider. Leider muß es dann so<br />

sein. Leider wird der Honk dann wieder etwas anzünden müssen, und<br />

das ist dann aber auch gut und richtig so und aber auch sehr zu<br />

begrüßen. Stößchen.<br />

Wobei ich mir dann doch gerade nicht so ganz sicher bin, ob ich das mit<br />

dem Anzünden dann auch wirklich hier schreiben sollte. Hmm...<br />

305


I hurt myself today, to see if I still feel. I focus on the pain, the only<br />

thing that`s real.<br />

ff) Ergebnis<br />

306<br />

(Trent Reznor, Nine Inch Nails)<br />

So genug des Schwachsinns, kommen wir mal langsam zum Ergebnis.<br />

Wobei das mit dem Ergebnis auch schon wieder so eine Sache ist.<br />

Eigentlich ist das ja hier nur so eine Art Teilergebnis. Ein Teilergebnis<br />

zu der Thematik c) Der Honk als Sackgesicht, wir erinnern uns. Es folgt<br />

ja immerhin noch das Ergebnis zu Unterpunkt IV. Der Honk und<br />

darüber hinaus noch ein Gesamtergebnis, welches das komplette Buch<br />

rekapituliert und für das ich mir Punkt V. als Unterpunkt ganz gut<br />

vorstellen könnte. Es wäre also schlichtweg Wahnsinn, an dieser Stelle<br />

bereits von einem Ergebnis zu sprechen, was mir aber eigentlich auch<br />

egal ist. Verwirrt?! Verunsichert?! Macht nix. Weiter.<br />

Gerade eben waren zwei gute Kumpels bei mir. Maurice-Pascal und<br />

Pascal-Maurice. Nein, Späßchen, Justin und Dustin waren es. Nein, lol,<br />

auch nicht, noch so ein kleines Späßchen. Bißchen Spaß muß auch mal<br />

sein. Auf jeden Fall zwei richtig gute Kumpels. Bernie & Ert. Also zwei<br />

Kollegen, denen man ruhig mal einen Uozo12 geben kann. Oder auch<br />

zwei oder drei. Oder gleich mal die ganze Pulle, meistens dann doch<br />

gleich die ganze Pulle, völlig egal, Pulle hin. Wollten nur mal kurz<br />

vorbeischauen, die beiden guten Jungens. Nichts Aufregendes, kein<br />

besonderer Anlaß oder sowas. Nur ein bißchen im Garten sitzen, ein<br />

paar Bier saufen und beratschlagen, was man dieses Wochenende denn<br />

wohl Schönes unternehmen könnte. Wurde auch höchste Zeit, denn<br />

immerhin hatten wir schon Freitag, und es war mittlerweile auch schon<br />

gute 13 Uhr. Sogar schon durch! Also allerhöchste Zeit für ein paar Bier<br />

und einen Plan. Man kennt sich schließlich, Stößchen.


Wie immer konnten wir innerhalb kürzester Zeit eine Einigung erzielen.<br />

Wie das eben so ist unter Männern und mit Uozo12 und so. Heute<br />

Abend wird bei mir gegrillt, da fahre ich dann auch gleich mal los,<br />

bißchen Bratwurst, Weißbrot und Tsatziki kaufen. Kein großer Aufriß,<br />

alles schön grillig und chillig und so. Bißl vollsaufen, vielleicht noch<br />

bißl die Hecke anrauchen, wer weiß. Kann alles gut passieren, ist alles<br />

möglich. Alles vorstellbar. Morgen Abend geht das dann schon etwas<br />

schärfer, da ist eine relativ große Open-Air-Party angesagt, von 89.0<br />

RTL, dem Radiosender. Die kommen ab und an mal in unsere komische<br />

Region und veranstalten hier so ein mittelprächtiges Spektakel. Also<br />

schön einen reinballern, bißchen tanzen und ein paar flotte, besoffene<br />

Hühnchen abschleppen. Klappt immer ganz ausgezeichnet auf solchen<br />

Veranstaltungen, ist kein großes Hexenwerk, kann eigentlich jeder.<br />

Keine große Kunst. Also unbedingt mal hingehen zu sowas, bißchen<br />

saufen, paar juckige Fruttchen abschleppen, macht Laune. Und man<br />

kommt auch mal wieder raus.<br />

Wie auch immer. Dadurch, daß wir uns so schnell mit unseren Plänen<br />

für unser Wochenende einig geworden sind, meinte einer meiner<br />

Kumpels wohl, mich ein klein wenig verarschen bzw. sogar leicht<br />

verärgern zu müssen. Keine Ahnung, warum. Lebensmüde, Langeweile,<br />

besoffen, sonstwas. Heißt schlichtweg, daß der aufsteht, reingeht und<br />

mein wunderbares Gäste-WC aufsucht. An sich kein Problem, macht ja<br />

jeder ganz gern. Also eigentlich null Problemo. Eigentlich. Wenn dieser<br />

dumme Peniskopf nicht 15 Minuten später wieder rausgekommen wäre<br />

und gefragt hätte, ob ich denn keine Klobürste habe. Hammer!<br />

Ausgerechnet diese Frage! Warum keine Klobürste! Und ausgerechnet<br />

von dem. Höchst unverschämt, höchst dummdreist, sehr nonchalant.<br />

Und besonders kackfrech obendrein, versteht sich, weil der nämlich<br />

ganz genau weiß, daß ich über solch ein widerliches Kacke-Zepter nicht<br />

verfüge. Und der weiß auch ganz genau, warum das so ist. Ferner weiß<br />

der aber auch ganz genau, was dann immer passiert, wenn mir irgendein<br />

Hornochse diese Frage stellt. Deswegen hat der das ja auch gemacht.<br />

Um mich zu veräppeln, mich zu verärgern, mich zu verhohnepiepeln,<br />

mir meinen Start ins Wochenende zu versauen, was auch immer.<br />

Wahrscheinlich, weil die beiden sich immer so schön daran verlustigen<br />

können, wenn ich mal wieder voll auf 180 bin. Komische Freunde sind<br />

das manchmal.<br />

307


Naja, was soll ich sagen, was soll ich sagen, der Rest ist dann mal<br />

wieder Geschichte. Reine Formsache. Standard-Programm. Die übliche<br />

Prozedur eben. Nachdem ich also diese beiden Rindviecher mit irrem<br />

Blick, Schweiß auf der Stirn, einer Trittleiter in der rechten Hand und<br />

einer halben Habanero-Chili im Auge aus dem Haus getreten und gejagt<br />

habe, bin ich nun, da das Morphium-Zäpfchen in meinem Arsch schön<br />

langsam zu wirken beginnt, tight und smoothie genug, um unser dann<br />

doch sehr illustres Sackgesicht-Kapitel hier besonders stilsicher und<br />

sinnvoll, ja fast schon mit einer leicht elegant-arrogant anmutenden<br />

Note abschließen zu können. Was dann aber auch langsam mal Zeit<br />

wird.<br />

Wir erinnern uns bitte: Die Ausgangsfrage, die anfangs dieses Kapitels<br />

gestellt wurde, war ja die, ob unser Honk unter Umständen als<br />

metaphorisches Sackgesicht charakterisiert werden könnte. Wir waren<br />

uns einig, daß dies dann zuträfe, wenn unser Honk innerlich krass madig<br />

und ranzig und zugeschissen wäre, zudem noch eine extrem madige<br />

Extrem-Made, eine Napf-Birne, ein gammeliger Gimp, ein Oimel, ein<br />

ranziger Schakal, ferner ein riesengroßer Peniskopf und ähnlich fieses<br />

Zeug. Alles in allem also zumeist eher unschöne Attribute, und natürlich<br />

alles rein charakterlich gesehen. Träfe dies alles zu, dann, ja dann -und<br />

nur dann- müßten wir unseren Honk leider als metaphorisches<br />

Sackgesicht einordnen.<br />

Mal rekapitulieren, was wir so alles in Erfahrung bringen konnten. Was<br />

hatten wir denn alles so im Laufe dieses lustigen Kapitels? Wir hatten<br />

Exxon Valdez, Nordic Walking und Gurken-Männchen. Wir hatten<br />

Regel Nummer Eins, Fremdgehen und Hausverbot im Grand Elysée.<br />

Wir hatten Kosmuschis, Regel Nummer Zwei und GIMP3000. Und<br />

natürlich besoffene Vampire, Citizen Dildo und StudiVZ. Gefolgt von<br />

Regel Nummer Drei, Whisper of Doom und Schnäuzchen Gottes. Ja,<br />

das hatten wir alles. Lauter solch beknacktes Zeug. Irgendwas<br />

vergessen? Denke nicht. Und nachdem wir das alles haben und hatten<br />

und überhaupt und sowieso, können wir nur zu einer logischen<br />

Schlußfolgerung gelangen. Es kann nur eine ganz klare Antwort auf die<br />

Frage geben, ob unser Honk ein Sackgesicht ist. Nämlich:<br />

Ja und nein.<br />

308


Was für ein Scheiß, loool!<br />

Keine Frage, der Honk ist ein Sackgesicht. Und zwar ein ganz großes.<br />

Was denn wohl sonst?! Er verunglimpft unser Vorzeige-Heidi der<br />

Nation, belustigt sich über praktische, formschöne Multivans, tituliert<br />

Männer als Gurken und notorische Fremdgeher, fuckt diese trendy<br />

Facebook-Dingsbums ab und dergleichen. Meine Fresse, ist der mal ein<br />

Sackgesicht. Das sollte mittlerweile unumstritten feststehen. Der Honk<br />

als Sackgesicht, und so wird er auch wahrgenommen, und das völlig zu<br />

Recht. Allerdings lediglich durch außenstehende Dritte bzw. Nicht-<br />

Honks. Für außenstehende Dritte und Nicht-Honks ist unser Honk<br />

madig und ranzig und zugeschissen. Und ja, für außenstehende Dritte<br />

und Nicht-Honks ist unser Honk auch eine extrem madige Extrem-<br />

Made, eine Napf-Birne, ein gammeliger Gimp, ein Oimel, ein ranziger<br />

Schakal, ferner ein riesengroßer Peniskopf und ähnlich ätzendes Zeug.<br />

Natürlich alles rein metaphorisch, aber dafür umso krasser, unglaublich<br />

krass ist das.<br />

Dies gilt jedoch immer nur für die Fremdwahrnehmung durch Dritte<br />

und Nicht-Honks. Denn daß sich unser Honk selbst nicht als Made und<br />

Gimp und Oimel oder gar als Schakal sieht, sollte auch klar sein. Wäre<br />

ja wohl sonst auch ein klein wenig schizo, gelle?! Schließlich sind wir<br />

hier in Honkland und nicht in Schizo-World oder im Irrenhaus oder so.<br />

Der Honk sieht sich als Honk, und das ist er auch, und das bleibt er<br />

auch, und sonst mal gar nichts. Vielleicht noch als Ober-Honk, Voll-<br />

Honk, Selektor-, Skeletor- oder Elektro-Honk, kann alles sein, alles gut<br />

möglich. Oder eines Tages sogar noch Honkytonk, wer weiß, jedoch<br />

stets und ständig Honk. Fremdwahrnehmung also Sackgesicht,<br />

Eigenwahrnehmung Honk.<br />

309


Ich habe kein Geld überwiesen, was soll`n die doofe Frage? Sind Sie im<br />

Kopp net normal, oder was? Unverschämtheit, mir so `ne Frage zu<br />

stellen. Ich hau` Ihnen in die Fresse, mehr sind Sie nicht wert. Das ist<br />

eine Unverschämtheit, das habe ich ja noch nicht erlebt, sowas<br />

Dreckiges! Schicken Sie mir einen Chefredakteur. Wie können Sie mich<br />

überhaupt auf sowas ansprechen? Ich hab` in meinem Leben noch kein<br />

Geld in die Schweiz überwiesen. Dreckschwein!<br />

3. Ergebnis<br />

310<br />

(Willi Konrad)<br />

Sooo, damit haben wir`s, damit ist die Kih vom Eis. Damit hätten wir<br />

unseren Honk also charakterisiert und kategorisiert. Hier, bitteschön:<br />

Bezeichnung<br />

Fremd-<br />

wahrnehmung<br />

Eigen-<br />

wahrnehmung<br />

tatsächlicher<br />

Status<br />

Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />

smart recht zufrieden recht zufrieden<br />

smart<br />

Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />

Fremdopfer normal dumm irgendwo clever fast clever<br />

positiv unzufrieden positiv<br />

tragisch tragisch<br />

Vollopfer sehr banal sehr wichtig sehr banal<br />

dümmlich clever überbewertet<br />

ungeil geil realitätsfremd<br />

Honk Chaot Selbstbefreier Anarchist<br />

dumme Maulhure sozial. Materialist sozial. Materialist<br />

Sackgesicht Honk ???<br />

Stößchen! Damit ist unsere tolle Übersicht über unsere Charaktere und<br />

Figuren in und um Honkland herum fertig. Phantastisch, ich ejakuliere!


Unser Honk nimmt dabei eine Rolle ein, die ihm viele anfangs vielleicht<br />

noch nicht zugetraut hätten, also rein vom tatsächlichen Status her:<br />

Erstes Teilergebnis war Anarchist, zweites Teilergebnis war sozialer<br />

Materialist bzw. Ignorant, und drittes Teilergebnis, tja, ein drittes<br />

Teilergebnis konnten wir bislang noch nicht herausarbeiten. Ist unser<br />

Honk nun ein Honk, oder ist er möglicherweise vielmehr ein übles<br />

Sackgesicht? Wie sieht sein tatsächlicher Status aus?<br />

Wieder eine ganz klare Antwort: Keine Ahnung.<br />

Schlichtweg keine Ahnung. Keinen blassen Schimmer, keinen Dunst.<br />

Vielleicht beides, also Honk und Sackgesicht. Vielleicht auch keines<br />

von beiden oder von beidem ein bißchen. Vielleicht auch ganz was<br />

anderes, keine Ahnung. Alles denkbar, alles möglich. Kann alles gut<br />

hinkommen, alles gut möglich im Honkland. Alles gut möglich, und<br />

aber eigentlich auch alles völlig egal. Denn wie immer kommt es<br />

einfach nur auf die jeweilige Betrachtungsweise an. Klar, mögen einige<br />

denken, so ein blasierter Fatzke, so ein Sackgesicht, so ein<br />

aufgeblasenes Pestmaul hat uns gerade noch gefehlt. Als hätten wir<br />

keine anderen Sorgen im Leben, kommt der noch mit so einem Scheiß<br />

daher. So ein Scheiß! Scheiß-Honk! Scheißkopf! Affenkopf!<br />

Naja, könnten dann andere wiederum denken, vielleicht ist Honkland ja<br />

gar nicht mal so abwegig. Also wenn man mal die Intention dahinter<br />

betrachtet und so. Vielleicht muß man ja manchmal ein klein wenig<br />

polarisieren, ein klein wenig übertreiben und oversellen, damit es auch<br />

der letzte Sepp mitkriegt. Vielleicht sind ja einige unserer Ansätze hier<br />

bei objektiver Betrachtung gar nicht mal so schlecht. Einen Blitzer<br />

anzünden, weil der einen stört. Warum denn nicht?! Eine altdeutsche<br />

Dönerbude eröffnen. Ist doch auch nicht schlecht, mal was Neues. Den<br />

Nachbarn zusammenschlagen. Unbedingt! Auf jeden Fall besser als<br />

jahrelange Jaulerei und Klagerei. Oder, oder, oder. Den Kapitalismus<br />

mal ein bißl kritischer betrachten. Heizöl tanken. Viele Dinge einfach<br />

mal voll am Arsch abgehen lassen. Öfter mal einen saufen. Ist doch<br />

eigentlich alles ganz gut. Und wer weiß, wer weiß, vielleicht könnte<br />

sich der ein oder andere Ansatz bei näherer, objektiverer und<br />

unverfänglicherer Betrachtung ja doch als ganz brauchbar erweisen für<br />

den ein oder anderen hier.<br />

311


Zumindest die Grundintentionen sollten klar sein und auf breite<br />

Zustimmung stoßen. Also wenn die nicht klar sind und auf Zustimmung<br />

stoßen, möge mir auf der Stelle eine Niere explodieren, und ich wandere<br />

dann auch noch aus nach Rudschadinedschad.<br />

Kampf der Armut war beispielsweise eine Grundintention. Da kann ja<br />

wohl keiner was gegen sagen. Echt nicht. Höchstens einer, der komplett<br />

einen an der Waffel hat und gar nicht mehr klarkommt in der Welt. Der<br />

kann da was gegen sagen. Eine andere Intention war etwas höhere<br />

Ansprüche an Moral und Ethik. Ist ja wohl auch nicht schlecht,<br />

könnten ja wohl auch die meisten hier ein bißchen mehr von vertragen.<br />

Und stattdessen etwas weniger Neid, Mißgunst und Haß. Das wäre<br />

doch mal was. Wäre ein ganz guter Tausch, hätten wir alle was von.<br />

Ebenso ein bißchen weniger Habgier im wunderschönen Kapitalismus,<br />

auch wenn das an sich ein Paradoxon ist. Möglich ist alles, einfach mal<br />

ausprobieren, kommt gut. Macht unser ferngesteuertes und<br />

fremdbestimmtes Leben gleich viel lebenswerter, soviel steht mal fest.<br />

Hier, richtig gut kommt auch, generell die Dinge mal ein wenig lockerer<br />

und unverkrampfter angehen zu lassen. Mal den Stock aus dem Arsch<br />

raus, zack, raus. Täte den meisten eigentlich auch mal ganz gut, echt<br />

jetzt. Mal sich selbst nicht ganz so wichtig nehmen. Als schönes<br />

Beispiel hierfür könnten wir an dieser Stelle mal unsere besonders<br />

trendy-taffen Karriere-Frauen Ende 20 bis Mitte 30 nehmen. Genau, die<br />

nehmen wir jetzt mal. Vorhin hatten wir unsere grazilen Kampf-<br />

Amazönchen in ihren Sternen-Zerstörern, lol, nehmen wir jetzt mal<br />

unsere taffen Business-Girls. Unsere Business-Früttchen!<br />

Liebe Karriere-Mädels, liebe Business-Girls, liebe Früttchen: Es ist<br />

wirklich ganz, ganz toll, daß Ihr irgendeinen ganz, ganz tollen<br />

Hochschul-Abschluß in irgendwas habt und jetzt Personal-Referentin<br />

oder Sonstwas-Assistant bei SAP oder VW seid. Oder bei SIEMENS<br />

oder BMW Konferenzen vorbereiten dürft, vielleicht sogar mit ganz<br />

tollen ausländischen Teilnehmern und mit Schaltung nach sonstwo,<br />

uiuiui. Oder Powerpoint-Präsentationen vorstellen dürft. Oder<br />

irgendeinem dummen Arschloch irgendein bescheuertes Mäppchen<br />

hinterhertragen dürft. Oder, oder, oder... Alles gaaanz toll.<br />

312


Interessiert im normalen Leben allerdings keine Sau. Nicht die Bohne.<br />

Ist nur ein Job, nichts weiter. Nur ein dusseliger Job. Von den paar<br />

hundert Euretten mehr im Monat oder von Eurer super-trendy 60- oder<br />

80-Stunden-Woche oder Firmenwagen oder Hosenanzug oder<br />

ähnlichem Scheiß werdet Ihr nicht wichtiger. Auf keinsten. Und vor<br />

allen Dingen auch nicht geiler. Also das dann schonmal gar nicht.<br />

Insoweit bitte auch nicht wundern, wenn es denn -falls überhaupt- nur<br />

Gurken-Männchen für Euch gibt. Ja woher denn auch?!<br />

Ist eben nicht jedermanns Sache, mit einem aufgescheuchten Hühnchen<br />

zusammen zu sein, dem beim Vorbereiten einer Telefon-Konferenz oder<br />

Präsentieren einer GuV-Tabelle voll einer abgeht. Sorry, Mädels, ich<br />

kann es doch nicht ändern. Ist nunmal leider so. Mal ein bißchen<br />

weniger wichtig nehmen, Stock aus dem Arsch raus, bißchen<br />

klarkommen, und schon scheint auch im realen Leben die Sonne für<br />

Euch. Hier, Sonne, zack, bling! Und vor allen Dingen braucht Ihr dann<br />

mit Ende 30 auch nicht irgendein albernes Sabbatical oder<br />

vergleichbaren Quatsch einlegen. Ist doch albern, laßt doch den Scheiß.<br />

Mal echt jetzt. Also easy, Mädels, ganz easy. Entspannt Euch, Ihr<br />

Süßen, und behebt mal ganz spontan Euren Vögel-Notstand. Dann sieht<br />

die Welt auch wieder ganz anders aus. Wetten?!<br />

Okay, einer für die Damen, jetzt mal wieder einer für die Herren. Wir<br />

wollen ja schließlich fair bleiben, alle gleichberechtigt hier. Und deshalb<br />

an dieser Stelle nur ein Stichwort: Hobby-Sportler. Männliche Hobby-<br />

Sportler. Männliche Hobby-Sportler jedweder Altersgruppe. Heiliger<br />

Bimbam! Meine Fresse, was können die Jungs abgehen. Unfaßbar krass<br />

können die mal abgehen. Keine Ahnung, warum die so abgehen, aber<br />

auf jeden Fall hammerhart! Hammerhart, wie krass die drauf sind.<br />

Allein schon deren Equipment, sensationell. Läßt jeden Profi-Sportler<br />

vor Neid erblassen, garantiert. Und ich rede hier nicht von Pulsmesser,<br />

Getränke-Gürtel, Bandagen und ähnlichem Blödsinn, sondern von ganz<br />

speziellen Gerätschaften und Gimmicks und Gadgets, deren Namen und<br />

Funktion ich nicht einmal kenne. Sensationell, wie geil die Jungs drauf<br />

sein können.<br />

Und schon haben wir wieder eine endgeile Überleitung...<br />

313


Und die Jahre ziehen ins Land, und wir trinken immer noch ohne<br />

Verstand. Denn eines, das wissen wir ganz genau, ohne Alk da wäre der<br />

Alltag zu grau. Korn, Bier, Schnaps und Wein, und wir hören unsere<br />

Leber schreien. Und wenn einmal der Abschied naht, sagen alle: „Das<br />

hab` ich schon immer geahnt.“<br />

314<br />

(Die Toten Hosen)<br />

In Honkland ist sowas natürlich furchtbarer Quatsch. In Honkland dient<br />

jedwede sportliche Betätigung allein der Freude am Sport und der<br />

körperlichen Ertüchtigung. Sport ist wichtig, Sport ist toll, Sport muß<br />

sein. Echt jetzt. In Honkland wird nämlich so viel geraucht, gesoffen,<br />

gehurt und sonstwas, daß es einer sportlichen Betätigung als Ausgleich<br />

dafür bedarf. Zwingend erforderlich sozusagen. Sonst sieht es nämlich<br />

irgendwann ganz schön düster für uns aus. Zum einen wollen wir ja<br />

nicht fett und ranzig und gurkig werden, zum anderen wollen wir auch<br />

nicht schon mit 50 in die Kiste springen. Nicht auszudenken, was wir<br />

dann alles verpassen würden. Zum Beispiel die 800ste Staffel von GNT,<br />

wie exciting. Oder Detlef D-Ausrufezeichen Soost als Bundespräsident,<br />

wie tight. Und natürlich auch den chicen Jumbo-Multivan mit vier<br />

Achsen und 600 PS für die moderne Patchwork-Familie der Zukunft,<br />

wie riesig. Unglaublich riesig.<br />

Nein, das alles möchten wir noch erleben, und deswegen gehen wir zum<br />

Sport. Unser Honk trainiert also, und das macht er auch sehr gern. Als<br />

sinnvollen Ausgleich und zum Spaß. Na klar, zum Spaß. Zum<br />

Vergnügen, wozu denn wohl sonst?! Also nicht wie rein ins Fitness-<br />

Studio und ab auf die Flachbank oder an die Rudermaschine. Und<br />

pumpen wie ein Maikäfer, es dient der Gesundheit! Danach rauf auf<br />

Stepper oder Laufband und Vollgas. Alles ganz easy, aber alles volle<br />

Kanne. Turnvater Jahn würde sich im Grabe umdrehen. Eine<br />

Ertüchtigung, die ihresgleichen sucht und nebenbei auch noch den<br />

Spaßfaktor betont. Irre, einfach nur irre. Eine irre Ertüchtigung.


So, und um das Ganze jetzt noch richtig irre bzw. sogar schon etwas<br />

abenteuerlich und waghalsig zu gestalten, empfiehlt es sich, zu<br />

besonderen Trainings-Einheiten auch ein besonderes Getränk<br />

mitzunehmen. Wenn man beispielsweise in ein Fitness-Studio geht,<br />

dann hat man ja auch so eine wiederbefüllbare Trinkflasche, die man<br />

sich dort auffüllen lassen kann. Mit Wasser, mit isotonischem Getränk,<br />

ganz nach Belieben. Ganz toll lecker, ganz toll erfrischend, immer viel<br />

trinken beim Sport, ist wichtig.<br />

Jetzt kann man als Honk aber auch von Zeit zu Zeit dahergehen und sich<br />

das Ding bereits zu Hause mit einem Getränk befüllen. Na, ahnt es<br />

schon der ein oder andere? Richtig, der Honk knallt sich das Ding<br />

bereits zu Hause voll. Und zwar mit 200 ml Gin und 500 ml Tonic-<br />

Water. Macht 700 ml extrem charmante Mische, nicht zu taff, nicht zu<br />

tight und auch nicht zu low. Also genau richtig für schweres<br />

Krafttraining, Mischverhältnis 2,5 zu 1, paßt. Und jetzt ist der Punkt<br />

gekommen, an dem man genau von drei positiven Aspekten dieser<br />

Vorgehensweise profitiert: Zum einen enthemmt einen der leckere Gin-<br />

Tonic, soll heißen, daß man Gewichte auf die Hantel ballert, an die man<br />

sonst im Traum nicht denkt. Und oftmals schafft man die dann sogar.<br />

120 Kilo Bankdrücken, zack. Nüchtern unvorstellbar, mit der richtigen<br />

Mische kein Problem. Zack, hoch, Stößchen.<br />

Ferner wird die Schweiß-Produktion durch den Alkohol bis ins<br />

Aberwitzige gesteigert, was aber auch gut so ist, denn man soll ja beim<br />

Sport viel schwitzen. Und zu guter Letzt geht der Alkohol bei dieser<br />

Konstellation sofort und bretthart in die Birne. Kompromißlos rein. Und<br />

bretthart. Drei Sätze Bankdrücken bis zur Schmerzgrenze, Puls auf 160,<br />

und in der Pause jeweils einen Schluck von der Mische. Und Boing, der<br />

Rest ist Formsache. Reine Routine. Und natürlich eine Mords-Gaudi,<br />

keine Frage. Da soll nochmal einer sagen, Sport mache keinen Spaß.<br />

Pustekuchen, dem huste ich einen. Also easy, liebe Hobby-Sportler,<br />

ganz easy. Entspannt Euch, das Leben ist zuweilen verbissen genug. Da<br />

müßt Ihr doch nicht noch beim Sport so einen Burner draus machen, als<br />

wäre der Leibhaftige hinter Euch her. Ist doch Blödsinn. Schön<br />

trainieren, schön schwitzen, schön ertüchtigen. Aber die Kirche im Dorf<br />

lassen. Schön Freude am Training haben, gern auch mal mit einer<br />

schönen Mische. Stößchen.<br />

315


Und jetzt, liebe Kinder, geht fleißig einkaufen. Für jeden Dollar, den Ihr<br />

für ein Krusty-Produkt ausgebt, muß ich nett zu einem kranken Kind<br />

sein. Laut Gesetz zählen dazu auch Nutten mit Erkältung.<br />

316<br />

(Krusty the Clown)<br />

Alles klar hier? Alle bedient? Männlein und Weiblein gleichermaßen<br />

bedient? Fehlt noch was? Aber ja, das Wichtigste kommt fehlt noch.<br />

Natürlich, es sind die Kinder. Die fehlen noch, die wurden noch nicht<br />

bedient. Die Kinder. Denk` doch mal bitte einer an die Kinder! An<br />

die Kinder, die lieben Kinderchen. Alles klar, mache ich, mache ich<br />

gerne. Onkel Honk denkt auch an die Kinder, sehr gern. Vielmehr an die<br />

Zielgruppe der Kinder. Denn die will man jetzt ganz offensichtlich auch<br />

schon so früh wie möglich weich im Keks machen.<br />

Was haben die sich bei PLAYMOBIL denn wohl dabei gedacht?! Hier,<br />

zack, ganz neu im Sortiment: Artikel 4144, Familyvan mit<br />

Bootsanhänger! Leck` mich am Arsch, was geht denn jetzt?! Ein<br />

Familyvan mit Bootsanhänger. Mit Anhänger! Für Kinder. Zum<br />

Spielen! Wie endgeil ist das denn nun wieder?! Als würde es nicht<br />

reichen, den armen Kinderchen so einen Schweine-Hobel, so eine Exxon<br />

Valdez aus Plastik zu verhökern, nein, da muß jetzt sogar noch ein<br />

Anhänger mit bei. Ich kann nicht mehr. Hilfe!<br />

Exxon Valdez mit Klauen-AHK! Für Kinder!!!<br />

Alles klar, geht wieder. Aber trotzdem unfaßbar krass. Was soll denn da<br />

der Gedanke dahinter sein? Liebe Kinderchen, in 20 Jahren gibt es eh<br />

nur noch solche Klumpen auf Rädern? Keine Ahnung. Will ich aber<br />

auch gar nicht wissen. Wir hatten früher Piraten-Schiff und sowas, das<br />

war noch geil. Da konnte man als Kind noch Phantasien ausleben, von<br />

wegen Abenteuer und so. Aber was soll man denn bitte bei so einer<br />

Plastik-Gurke mit AHK an Phantasien haben?!


Entzieht sich komplett meiner Kenntnis, was der Quatsch soll. Ist mir<br />

völlig schleierhaft. Wahrscheinlich will man das demanzipierte,<br />

männliche Kind schonmal auf seine Zukunft unter den Fittichen der<br />

postmodernen Amazone vorbereiten. Also nichts da von wegen Porsche<br />

und Tennis und geile Frutten und so. Amazonen-Herrschaft und<br />

Monster-Gurke und Kinderkarre sind stattdessen angesagt. Und sonst<br />

gar nichts. Könnt Ihr Euch gleich mal drauf einstellen, gibt es hinterher<br />

wenigstens nicht das böse Erwachen. Weiß der kleine Malte-Sören-<br />

Tjark gleich, wo und wie der Hase läuft.<br />

Also keine Ahnung, was der Blödsinn soll. Wenn man den Kids etwas<br />

mehr Realitätsnähe vermitteln möchte, dann sollte man doch lieber was<br />

Sinnvolles rausbringen. Etwas, woraus die Kleinen was für später lernen<br />

können. Schlagartig fällt mir da das große PLAYMOBIL<br />

Sicherstellungs-Set ein, abfeier. Na das wäre doch mal was. Das wäre<br />

ein durch und durch sinnvolles Spielzeug für jede Altersklasse.<br />

Pädagogisch besonders wertvoll. Das große Sicherstellungs-Set, einfach<br />

nur geil. So schön mit winzig kleinen Grün-Weißen aus Hartplastik und<br />

Grüner Minna mit abnehmbarem Dach. Und natürlich ein wackeliges,<br />

kleines Männchen mit krummen Beinen und zugekniffenen Augen, also<br />

der Fahrer. Und als Zubehör ein klitzekleines Atemalkohol-Meßgerät<br />

und eine winzige CD-Hülle mit Koks-Resten und einem gerollten<br />

Zehner. Wie geil!<br />

Naja, und auf jeden Fall auch noch so ein ganz, ganz winzig kleiner<br />

Führerschein, der dann sichergestellt werden kann. Sichergestellt!<br />

Darum geht es ja bei dem Spielzeug. Und darum geht es ja auch im<br />

realen Leben. Eigentlich geht es überall und immer nur darum. Um<br />

Sicherstellungen! Ein winziger Führerschein zum Sicherstellen muß<br />

also unbedingt dabei sein. Und Plastik-Kotze, die darf auch nicht fehlen.<br />

Was für ein geiles Spiel-Set. Unheimlich geiles Set, geil, geil, geil. Sehr<br />

geil, geiles Set, würde ich sofort drei Stück von kaufen. Eines für mich,<br />

zwei für meine beiden kleinen Neffen, damit die dann auch gleich<br />

wissen, wie es im realen Leben abgeht. Phantastisch. Also bitte kickt<br />

diese Scheiß-Family-Möhre mit Boot und Anhänger und Einbauküche<br />

zum Mond oder sonstwo hin, mir scheißegal. Und dafür dann im<br />

Gegenzug her mit dem PLAYMOBIL Sicherstellungs-Set!!! Ich will es<br />

haben, ich will es unbedingt.<br />

317


Ich muß das unbedingt haben, das krasse Zeug.<br />

Ansonsten auch hier wieder ganz klar gleiches Thema:<br />

Bitte selbst nicht immer ganz so wichtig nehmen!<br />

Laßt doch die Kinderchens Kinderchens sein, die werden doch eh schon<br />

viel zu früh mit dem Wahnsinn dieses sehr lustigen Lebens konfrontiert.<br />

Guckt Euch doch bitte mal die ganzen 3- bis 8-jährigen Topmodels und<br />

Superstars und ähnlich gestörte Blagen an, die haben doch eh schon<br />

mittelschwer bis hochgradig einen an der Waffel durch diesen ganzen<br />

Zirkus. Und das in dem Alter schon. Was soll denn da dann mal raus<br />

werden?! Da kann doch nichts Gescheites mehr bei rumkommen. Ist<br />

doch auch so schon alles schlimm genug, da müßt Ihr doch nicht noch<br />

einen draufsetzen mit so einem absurden Plastik-Schrott. Laßt das doch<br />

bitte mal sein, ja?! Das kann doch nun wirklich nicht mehr so ganz<br />

gesund sein.<br />

Legt doch stattdessen lieber mal die Masters of the Universe aus den<br />

Achtzigern neu auf. Die endgeilen Masters! So schön mit He-Man und<br />

Skeletor und Teela und Orko und Fisto und so. Mit Fisto! Ich hätte da<br />

auch schon eine Idee, wer den bzw. vielmehr die moderne Fisto bzw.<br />

die moderne Fisti verkörpern könnte, also so von wegen Fist und<br />

Double-Fist und Reverse-Fist und so, aber da gehe ich jetzt mal lieber<br />

nicht näher drauf ein. Meine Wunsch-Kandidatin wäre da eh mehr<br />

geeignet für den postmodernen Man-E-Faces bzw. die postmoderne<br />

Woman-E-Faces, lol. Woman-E-Faces, ich leg` mich ab! Obwohl so<br />

rein vom Namen her klingt Fräulein Fisti dann doch noch ein paar<br />

Nummern härter. Fräulein Fisti! Aus dem besonders renommierten und<br />

erhabenen Königreich von und zu GIMP3000. So schön mit einer<br />

überdimensionalen, völlig flexiblen und im Dunklen leuchtenden<br />

Plastik-Faust, das wäre ja wohl der Hammer, der Hammer schlechthin.<br />

Und selbstverständlich auch noch mit rollbaren Augen und rümpfbarer<br />

Nase, das ist auch noch ganz wichtig, das darf auch nicht fehlen. Würde<br />

ich sofort kaufen. Zusammen mit dem Sicherstellungs-Set. Echt jetzt.<br />

Aber ist jetzt auch egal, wir schweifen schon wieder ab.<br />

Zusammenfassend und ohne weitere Entgleisungen können wir also das<br />

hier als weitere Grundintention resumieren:<br />

318


Bitte alle mal so richtig schön locker machen! Mal so richtig schön<br />

locker, auch -bzw. insbesondere auch- im Sinne der armen Kinder. Mal<br />

so richtig schön den Stock aus dem Arsch raus, zack, raus, mal halb so<br />

wichtig, und gut ist. Breathe easy. Kommt gut. Und falls das wider<br />

Erwarten dann doch nicht so gut klappen sollte:<br />

Einfach mal die Fresse halten. Und sich selbst mal hinterfragen, woran<br />

das denn wohl liegen könnte, daß der Stock schon gar nicht mehr raus<br />

geht aus dem Arsch. Na? Na? Na? Ja! Fällt und fällt und fällt.<br />

Und fällt auf jeden Fall immer noch, denn eine weitere Grundintention<br />

dieses total geilen Groschen-Romans ist die hier:<br />

Die Glotze raus aus dem Fenster!<br />

Zack, raus. Raus aus dem Fenster, hier, zack, ab. Kick raus die Scheiß-<br />

Glotze! Den Stock raus aus dem Arsch, und die Glotze raus aus dem<br />

Fenster. Beides muß raus. Also Fenster auf, und raus das Ding. Oder<br />

gleich durch das geschlossene Fenster schmeißen, geht auch. Voll durch<br />

die Scheibe, äußerst symbolträchtige Aktion für alle Beteiligten. Oder<br />

alternativ einfach mal ausschalten. Ja, ganz recht, ausschalten, aus.<br />

Wäre auch mal eine interessante Möglichkeit. Einfach mal<br />

ausprobieren. Oder hier, mal was Gescheites glotzen. Tiersendung oder<br />

so. Oder, oder, oder. Kann man alles machen, alles total sinnvoll. Raus,<br />

aus, weg, Fenster auf, Fenster zu, völlig egal.<br />

Aber doch bitte nicht permanente und konsequente Dauer-Berieselung<br />

mit diesem hirnverbrannten Telemedial-Kot. Ja meine Fresse, was geht<br />

denn?! Oder besser, wie viel geht denn?! Wie viel Kot geht noch rein in<br />

die Rüben?! In die Zwiebeln, in die Kürbisse, in die Pfirsiche?! In die<br />

winzigen Schrumpfköpfe?! Oder alle schon durch da oben? Futsch, putt,<br />

hin? Flatline, Braindead, Game over? Lampe dunkel, Ofen aus, Küche<br />

zu? Die Lunte abgebrannt? Wie kann man seine wertvolle Zeit, sein<br />

wertvolles Hirn, ja sein wertvolles Leben mit so einer banalen Kacke<br />

vergurken?! Sein schönes, kostbares Leben?! Tagein, tagaus, mit so<br />

einer visuellen Dauer-Monatsblutung?! Kann mir das mal einer<br />

erklären?! Bitte?! Ich will es doch nur verstehen...<br />

319


Ein bißchen Gras ins Polster schmieren, daß die Hunde reagieren.<br />

Ein Briefumschlag voll Rosmarin, ein Gramm zerriebenes Aspirin.<br />

Ich hab` vieles ausprobiert, heut` weiß ich, was mich amüsiert.<br />

Mein Sonntagnachmittags-Pläsier ist Zöllner vom Vollzug abhalten auf<br />

der A4.<br />

320<br />

(Götz Widmann)<br />

Aber ich werde es niemals verstehen können, und das ist aber auch gut<br />

so. Ist gut so, ist besser so. Ja, in der Tat, ist besser so, viel besser. Ist<br />

viel besser so, und eigentlich will ich es dann aber auch doch nicht<br />

verstehen können. Ein Teufelskreis.<br />

Dabei kann man so viele andere tolle Sachen machen, in seiner Freizeit<br />

und so. Man kann schön Sport treiben oder Freunde treffen oder vögeln<br />

gehen oder einen saufen oder beides zusammen, man kann ein lustiges<br />

Buch lesen oder schreiben, ins Kino gehen, in den Zoo, zum Minigolf,<br />

ganz egal. Ist völlig egal, und kostet auch alles nicht viel Kohle. Alles<br />

ganz easy. Oder man ist mal innovativ. Malt ein schönes Bild, schreibt<br />

ein flottes Gedicht, dichtet ein Sonett, zündet etwas an, alles ganz<br />

einfach. Ist alles ganz einfach, kann jeder.<br />

Man kann auch einen Fightclub veranstalten oder in der Armenküche<br />

helfen oder am See oder im Park oder sonstwo grillen. Kann man alles<br />

machen, macht alles Spaß, macht auch alles Sinn. Oder hier, mein<br />

Geheimtipp: Klebt Euch einen Aufkleber mit der witzigen Aufschrift<br />

Smoke Marihuana oder Coca-Connection hinten in die Heckscheibe<br />

Eures Autos rein, setzt Euch Sonnenbrille und Pudelmütze auf, und<br />

dann fahrt Ihr auf der A30 Richtung Holland immer schön hin und her.<br />

Immer schön hin und her, idealerweise mit vollbesetzter Karre, vier<br />

oder fünf Leute rein. Und alle schön Kippe im Maul, auch ganz wichtig,<br />

muß ordentlich qualmen aus der Karre und um die Karre herum.<br />

Äußerst kreativ, kommt voll gut. Ein Garant für gute Laune.


Ach ja, Frank-Zappa-CD oder Masters-of-Schranz-MP3 sollte dabei<br />

bitte auch nicht fehlen, ferner Bassbox hinten rein, volle Kanne<br />

aufgedreht. Und der Fahrer bitte noch eine mit Apfelsaft befüllte<br />

Weinbrand-Pulle in die linke Hand und beim Fahren aus dem Fenster<br />

rausgehalten. Endgeile Aktion. Verschärfter geht es bald wirklich nicht<br />

mehr. Machen wir immer gern, wenn wir zuviel Langeweile haben. Für<br />

den zusätzlichen Kick schließen wir dabei noch Wetten darauf ab, wie<br />

lange es wohl dauert, bis uns die Rennleitung anhält. Sozusagen Spaß<br />

und Spiel in einem. Purer Nervenkitzel, endgeil, sagenhaft. Und wer auf<br />

dem Dorf wohnt, der kann aber auch so im Dorf hin und her fahren,<br />

kommt auch gut. Sieht ziemlich lässig aus, und vor allen Dingen bleibt<br />

man auch im Gespräch.<br />

Also völlig egal, was man so macht, Hauptsache, man macht dann<br />

überhaupt mal was. Oder wenn man schon -warum auch immer- den<br />

ganzen Tag vor der Aso-Glotze sitzen will oder muß, dann kann man<br />

doch wenigstens mal was Gescheites einschalten. Etwas, das dem<br />

verbliebenen Fitzelchen Resthirn nicht pausenlos suggeriert, es würde<br />

von einem LKW überrollt oder mit dem Vorschlaghammer malträtiert<br />

oder sogar in eine mit Salpetersäure befüllte Petri-Schale getaucht.<br />

Vielleicht mal ein paar Nachrichten oder bißchen Sport, irgendwelche<br />

Dokus, irgendwas mit Sinn und Verstand. Man kann Spongebob<br />

anschalten, da lernt man dann wenigstens noch, wie man eine Schleife<br />

bindet, einen Krabben-Burger zubereitet und eine Ananas oder einen<br />

Stein bewohnbar einrichten kann. Oder diverse andere Cartoons,<br />

vielleicht mal Tom und Jerry, kommt auch immer gut. Da erfährt man<br />

dann beispielsweise, wie man eine Katze zusammenfalten muß, damit<br />

die durch den Briefschlitz paßt. Und ähnlich nützliche Informationen.<br />

Völlig egal, guckt, was Ihr wollt. Glotzt meinetwegen 24 Stunden am<br />

Tag TV, sieben Tage die Woche. Meinetwegen sogar Frauen-Fußball<br />

oder arte oder ähnlichen besonders krassen Stoff. Glotzt, bis Ihr<br />

rechteckige Augen bekommt oder sogar irgendwann zu einem feisten<br />

Mainzelmännchen mutiert. Zu Anton, Berti, Conni, Det, Edi oder sogar<br />

zu Fritzchen. Zieht Euch alles rein, was die fiese Glotze so hergibt. Nur<br />

bitte nicht permanent Aso- und Opfer-TV bzw. deren besonders<br />

perverse Mischformen. Alles andere ist scheißegal. Und mir sowieso.<br />

Und überhaupt. Stößchen.<br />

321


Ich will raus aus dieser Scheiße hier, doch ich weiß nicht, wie das gehen<br />

soll. Raus aus diesem Scheiß-Revier, doch ich weiß nicht, wie das gehen<br />

soll. Man sperrt mich hier in diesen Bezirk, weil ich den Rest der Welt<br />

nicht sehen soll. Ich werde aus diesem Knast herausspazieren, wenn ich<br />

weiß, wohin ich gehen soll.<br />

Das Leben war schlecht. Aber jetzt ist es gut. Für immer.<br />

322<br />

(Xavier Naidoo)<br />

(Dr. John Zoidberg)<br />

Soviel also zu den diversen Grundintentionen hier. Fehlt quasi nur noch<br />

unsere Hauptintention, falls es denn überhaupt eine gibt. Aber wir<br />

wären nicht in Honkland, wenn es denn keine Hauptintention gäbe.<br />

Denn selbstverständlich gibt es eine. Hier, die hier, zack:<br />

Laßt Euch nicht anpissen!<br />

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Amazönchen und Gürkchen,<br />

liebe Frutten und Früttchen, laßt Euch nicht anpissen. Also im<br />

übertragenen Sinne gesehen. Laßt Euch nicht anpissen, nicht an die<br />

Karre, nicht ins Regal, nirgendwo hin. Lebt Euer Leben. Euer eigenes.<br />

Lebt es glücklich, lebt es gut, lebt es fair. Lebt es vorbildlich. Lebt es<br />

frei von Neid, Mißgunst, Habgier und Haß. Macht das Beste daraus, für<br />

Euch und auch für andere. Lebt es nach bestem Wissen und Gewissen,<br />

nach besten Vorstellungen und Ansprüchen an Moral und Ethik, und<br />

verneigt Euch vor nichts und niemandem! Verneigt Euch vor rein gar<br />

nichts, unterwerft Euch nicht. In Honkland verneigen und unterwerfen<br />

wir uns nicht. Vor nichts und niemandem und überhaupt.


Weder vor dem total endgeil abgefahrenen Kapitalismus mit all seinem<br />

schnellen Mammon und all seinen fiesen Fratzen, noch vor<br />

irgendwelchen fremden Meinungen irgendwelcher Arschlöcher, denen<br />

man am liebsten den Schritt shampoonieren würde, noch vor<br />

irgendwelchen dubiosen Meinungsmachern und deren Mittelchen und<br />

Wegen zur Fremd- und Fernsteuerung. Nein, nein, nein, sowas machen<br />

wir nicht, und sowas wollen wir auch nicht haben. Nicht heute, nicht<br />

morgen, und übermorgen aber auch nicht. Niemals, kein Bedarf, kein<br />

Interesse. Zumindest nicht in Honkland.<br />

Denn Honkland ist Realität. Pure Realität. Also leben wir unser Leben<br />

doch gefälligst in der Realität. Auch wenn das nicht immer ganz so<br />

leicht zu ertragen ist. Aber immerhin noch um Längen besser, als unser<br />

Leben in irgendeiner banal-beschissenen Scheinwelt zu verkacken. Wir<br />

haben nur dieses, also sollten wir es richtig leben. Mutig sein.<br />

Entschlossen und aufrichtig. Und weitestgehend ehrlich, anständig und<br />

frei von Lügen. Auch wenn das in dieser immer beschissener werdenden<br />

Gesellschaft von Tag zu Tag immer schwieriger wird. Drauf geschissen,<br />

zack, da kacken wir doch einen monströsen Haufen drauf. Zack! Wir<br />

werden nicht zulassen, daß uns diese Gesellschaft mit ihren<br />

fremdbestimmten Meinungen, ihren ferngesteuerten Lakaien und ihren<br />

unzumutbaren Ungerechtigkeiten traurig oder gar depressiv macht.<br />

Keine Chance. Diese Scheiße funktioniert bei uns nicht, diese Scheiße<br />

wird ignoriert.<br />

Und wenn Ignoranz nicht funktioniert, dann erheben wir uns. Aber mal<br />

so richtig. Wir schreien es ihnen ins Gesicht, schlagen mit der Faust auf<br />

den Tisch, treten ihnen in den Arsch. Schrei, zack, kick! Und nicht<br />

anders. Wir erheben uns gegen Arschlöcher und Unterdrücker, helfen<br />

Schwachen, respektieren Tiere. Insbesondere Tiere, denn an denen<br />

versündigt sich der Mensch heute am meisten. Wir lassen uns nicht<br />

ablenken, irreführen oder mit irgendeinem Mist ruhigstellen. Und ganz<br />

besonders wichtig: Nicht kompensieren! Wir kompensieren nicht bzw.<br />

nicht mehr. Denn nur wer sich den Grundproblemen stellt und daran<br />

arbeitet, kann irgendwann frei sein. Und Freiheit ist Honkland, und<br />

Honkland ist Freiheit.<br />

323


The question isn`t who is going to let me. It`s who is going to stop me.<br />

Freiiiiiiiiiiheiiiiiiiiiit!!!<br />

324<br />

(Ayn Rand)<br />

(William Wallace)<br />

Wir sind Honks! Und in unserer Funktion als Honks sind wir die neue<br />

Generation von Alpha-Tierchen. Ja, ganz genau, wir Honks. Wer denn<br />

wohl auch sonst?! Wer da draußen könnte wohl sonst das neue Alpha-<br />

Tierchen sein?! Das postmoderne Alpha-Männchen, das postmoderne<br />

Alpha-Amazönchen?! Wer könnte das wohl sonst sein?! Also das wüßte<br />

ich dann doch mal ganz gern.<br />

Etwa diese Armee von Mitläufern und Ja-Sagern?! Mitlaufende Ja-<br />

Sager und ja-sagende Mitläufer?! Arschkriecher?! Die in Arschlöcher<br />

von Arschlöchern kriechenden Arschkriecher?! Wohl kaum. Oder etwa<br />

diese ganzen Dummschwätzer?! Die Ferngesteuerten?! Die<br />

dummschwätzenden Ferngesteuerten bzw. die ferngesteuerten<br />

Dummschwätzer?! Nee, eher nicht. Oder all die Heulsusen und<br />

Jammerlappen?! Die jammernden Heulsusen und die heulenden<br />

Jammerlappen?! Nein, die nun wirklich nicht, die kann man alle in der<br />

Pfeife rauchen, voll ätzend. Ab in die Pfeife, zack, ist das Beste, was<br />

denen passieren kann. Denn das sind keine Alpha-Tierchen, das sind<br />

Evolutions-Verweigerer. Nein, schlimmer noch, das sind sogar<br />

Evolutions-Rückentwickler. Entwickeln sich nicht nur nicht weiter,<br />

entwickeln sich wieder zurück. Entwickeln sich zurück, zurück zu<br />

Vierfüßlern, zurück zu Amöben, zurück zu unheimlichen Pansen und<br />

niedersten Kreaturen. Zu extrem amöbigen Extrem-Amöben!


Ganz einfach, es dauert jetzt noch ungefähr, äh, anderthalb, äh,<br />

Minuten und dann, äh, ich kenn` ja meine Platten, hier Madonna mit<br />

Justin Timberlake, and, äh, Du weißt ja, wie die Nummer funktioniert,<br />

anderthalb Minuten, und dann geht`s weiter. Ja, dann geht`s weiter. Es<br />

geht immer weiter, immer undurchbrechlich... Du kannst jetzt nicht<br />

immer 30 Sekunden spielen und dann, äh, abbrechen und wieder mit der<br />

nächsten anfangen. Das funktioniert nicht. Man muß auch ein bißchen<br />

abwarten, und dann kommt die nächste, äh, Platte, und dann kommt die<br />

nächste...<br />

Oder vielleicht die hier?!<br />

Nee, auch nicht.<br />

Eher ein Parade-Beispiel für evolutionäre Rückentwicklung.<br />

Schlimme Sache sowas, dumm gelaufen.<br />

325<br />

(Nadja Abd el Farrag)


You can`t do shit without your balls! Damn it! Holy shit! Oh shit! Piss!<br />

Kiss my ass! Oh shit! Oh fuck! Buttfuck!<br />

326<br />

(Danny, the Tourettes Guy)<br />

Natürlich kommt solch eine hanebüchene Rückentwicklung für einen<br />

Honk nicht in Betracht. Weil sie schlichtweg keinen Sinn macht. Allein<br />

deswegen schonmal nicht. Kein Sinn dahinter. Denn als Honk<br />

entwickelt man sich ununterbrochen weiter. Pausenlos, und ohne, daß<br />

man es selbst immer merkt. Es ist eine Art verselbständigter<br />

Entwicklungsprozeß, und das ist auch gut und richtig und besonders<br />

sinnvoll so, und deshalb läuft das auch genau so ab.<br />

So, und deshalb sind wir Honks auch die moderne Lebensform der<br />

Zukunft. Also wir aktuellen Honks, die schon heute Honks sind, und<br />

selbstverständlich auch all diejenigen, die auf bestem Wege zum Honk<br />

und nach Honkland sind. Quasi die Honks von morgen und übermorgen.<br />

Honk-Anwärter. Die Jungs und Mädels mit Eiern in der Hose! Groß wie<br />

Kokosnüsse. Und nur die. Und sonst aber auch keiner. Und das ist aber<br />

auch alles gar kein großes Hexenwerk, das ist nämlich alles ganz easy.<br />

Läuft alles ganz easy ab hier, ist alles ganz easy. Ist alles ganz Stößchen,<br />

ein Stößchen auf die Kokosnüsse.<br />

Honkland ist keine Utopie, Honkland hat längst begonnen.<br />

Fuck forever. Stößchen.


All around me are familiar faces, worn out places, worn out faces.<br />

Bright and early for their daily races, going nowhere, going nowhere.<br />

Their tears are filling up their glasses, no expression, no expression.<br />

Hide my head, I wanna drown my sorrow, no tomorrow, no tomorrow.<br />

And I find it kind of funny, I find it kind of sad. The dreams in which I`m<br />

dying, are the best I`ve ever had. I find it hard to tell you, I find it hard<br />

to take. When people run in circles, it`s a very, very mad world.<br />

Mad world.<br />

V. Gesamtergebnis<br />

Uiuiui. Gesamtergebnis.<br />

Mal rekapitulieren, was wir hier haben.<br />

327<br />

(Tears for Fears)<br />

Unsere Großeltern hatten einiges. Der Wiederaufbau unserer tollen<br />

Bananen-Republik nach dem Zweiten Weltkrieg erforderte etliche<br />

Tugenden. Allen voran Fleiß, Disziplin, Entschlossenheit. Heutzutage<br />

weitestgehend Fremdwörter. Gibt es nämlich noch nicht als Apps.<br />

Unsere Eltern hatten auch einiges, allen voran die bunten 68er. Diese<br />

waren größtenteils geprägt durch Visionen und Vorstellungen von<br />

Frieden, Gleichheit, Aufbruch. Und als Krönung noch ein paar Handvoll<br />

extrem geiler Drogen oben drauf, zack. Kam voll gut. Irgendwann kam<br />

dann die Wiedervereinigung, 1989 glaube ich, die Wende. Schönes<br />

Ding, zumindest zu der Zeit noch. Auch wenn man das heute kaum<br />

noch glauben kann. War aber damals so. Damals war das echt ein<br />

schönes Ding. Und die Worte der Stunde waren seinerzeit Solidarität,<br />

Einheit, Freiheit. Bla.<br />

So, und jetzt? Was haben wir heute?


Ein Drittel starrt mit offenem Mund auf ihre Playstations, das zweite<br />

Drittel feiert im Exzess als Rave-Nation. Abhängig von teuflischen<br />

pharmazeutischen Erzeugnissen, weil sie nicht wußten, was diese<br />

Scheiß-Drogen bedeuteten. Das dritte Drittel hängt perspektivlos rum<br />

auf deutschen Straßen, Kids mit dreizehn Jahren ziehen sich schon<br />

dieses weiße Zeug in die Nase. Die keine Ziele, aber nur Träume haben,<br />

und das sind meist teure Wagen. Sie planen ihr Leben nicht weiter als<br />

heute Abend. Denken, zur Not geht es wie bei Nintendo noch neu zu<br />

starten. Scheißen drauf, ob sie bald sterben - wer will schon alt werden?<br />

... Darum rauchen wir täglich Weed, und deshalb sind ich und meine<br />

ganze Generation so depressiv.<br />

1. Was haben wir?<br />

Heute haben wir einen monströsen Pott voll Affenkacke!<br />

328<br />

(Samy Deluxe)<br />

Ja wie, zu subtil?! Alles klar, dann vielleicht so: Man nehme einen<br />

gemeinen Guinea-Pavian, der eh schon von sich aus voll krass zum<br />

Kotzen stinkt. Diesem näht man dann den Arsch zu und füttert ihn für<br />

volle sechs Wochen ausschließlich mit Labskaus, frischem Pansen,<br />

saurer Milch, Testikeln, Kopfsülze, dicken Bohnen und ähnlichen<br />

Leckereien. So, und dann nach ca. sechs Wochen -bzw. wenn der<br />

Pavian gelbe Augen und grünes Fell bekommen hat- macht man dem<br />

die Naht am Arsch wieder auf, kippt ihm noch schnell einen Cocktail<br />

aus Sauerkrautsaft, Bockbier, Ziegenpisse und Schlachtebrühe rein,<br />

zack, und tritt ihn dann mit voller Wucht in die Magengegend. Zack!<br />

So, und das, was da dann rauskommt - genau das haben wir.<br />

Rausgedrückt, abgeseilt, zugeschissen!


Konkret:<br />

Allem voran die drei schönen, großen A: Armut, Angst, Ausbeutung.<br />

Nein, wirklich? Da wäre ja jetzt wohl keiner von selbst drauf<br />

gekommen, insbesondere nach Lektüre der letzten 300 Seiten nicht.<br />

Drauf geschissen. Denn wir haben noch viel, viel mehr. Ganz tolle<br />

Sachen kommen da noch. Geht schon los, hier, zack:<br />

Arbeitslosigkeit, Ein-Euro-Jobs, Zeitarbeit. Die Erfüllung beruflicher<br />

Träume, phantastisch. Genau das war nämlich auch meine Vorstellung,<br />

als ich damals mein beknacktes BWL-Diplom in die Hand gedrückt<br />

bekam: Super, damit stehen Dir jetzt aber mal alle Möglichkeiten offen.<br />

Also auf, auf zur nächsten Zeitarbeits-Firma, bißchen Kisten stapeln<br />

oder Kartons falten oder Taxi fahren oder sowas. Oder zum Arbeitsamt,<br />

was besonders Sinnvolles vermitteln lassen. So für drei oder sogar vier<br />

Euro die Stunde Schrauben sortieren oder an die Wand gucken oder<br />

vergleichbar sinnvolle Tätigkeiten. Hurra! Nein, Blödsinn, alles nur<br />

Spaß. Alles Späßchen. Natürlich geht es nicht zum Arbeitsamt, natürlich<br />

geht es gleich eine Tür weiter, zack, ab zu Onkel Peter. Ab zu Onkel<br />

Peterchen, schön HartzIV, HartzV, HartzVI, das volle Programm, macht<br />

eh den größten Sinn. Hut ab, Hut ab für Onkel Peterchen! Und<br />

Stößchen!<br />

Ach, wir haben ganz viele tolle Sachen. Was haben wir nicht für viele<br />

tolle Sachen. Endgeile Sachen. Hier, wir haben Riester-Rente,<br />

Rechtschreib-Reform, Raucher-Gesetz. Die drei Großen R. Fast so geil<br />

wie die drei großen A. Aber auch nur fast. Dafür mindestens genauso<br />

sinnvoll. Wobei das ja nicht so ganz stimmt, letzteres heißt nämlich<br />

nicht Raucher-Gesetz, sondern Nichtraucher-Schutzgesetz. Klingt total<br />

geil, total abgefahren. Und ist es auch. Scheiß Raucherei, sollen die<br />

Kids zum Koma-Saufen und Waschbenzin-Schnüffeln mal lieber ein<br />

paar Chips fressen. Denk` doch mal einer an die Kinder!<br />

Also alles ganz toll, und macht auch alles ganz toll viel Sinn. Ganz toll<br />

viel Sinn, ganz toll viel Schwachsinn. Apropos Schwachsinn, wir hätten<br />

da noch Halbleichen, Pseudo-Manager, Inkompetenz im Angebot.<br />

Recht schönen Dank auch. Und natürlich Kapitalismus, Egoismus,<br />

Nihilismus. Auch sehr schön.<br />

329


Korruption, Habgier, Lügen hätte ich fast vergessen. Das wäre aber<br />

schade gewesen, denn das ist ja auch eigentlich alles ganz schön schön.<br />

Kriminalität, Ghettos, Drogen. Auch sehr schön, darf auch nicht fehlen<br />

in unserer bunten Sammlung hier. Oder hier, zack: Neukölln, Kreuzberg,<br />

Tempelhof. Metropolen dieser Welt. Sehen und sterben. Im wahrsten<br />

Sinne des Wortes. Oder umgekehrt.<br />

Und daß mir ja keiner unsere Vollidioten, Vollopfer, GIMP3000 vergißt.<br />

Phantastisch. Aber haben wir nicht noch mehr?<br />

Aber ja, sicher, geht jetzt erst richtig los: Multivan, Nordic Walking,<br />

Fuß-French. Für mich ganz klar die Gadgets der Woche, wenn nicht<br />

sogar des Monats. Ferner haben wir Bunte, Gala, BILD. Wer das hat,<br />

der braucht eigentlich sonst nicht mehr viel. Nicht wirklich. Außer<br />

vielleicht noch Peace, Victory, Gipsy King. Keine Frage. Und natürlich<br />

Fußpilz, Hämorrhoiden, Dünnschiß. Auch sehr geil.<br />

Apropos Dünnschiß und so, wir haben Schnäuzchen, Dauergrinsen,<br />

Casting-Opfer. Was bin ich froh, daß wir das haben. Denn daher weiß<br />

ich mittlerweile auch, wer Lisa Gina ist. Ja, genau, Lisa Gina oder Gina<br />

Lisa oder drauf geschissen. Hat da auf jeden Fall irgendwann beim<br />

Schnäuzchen-Kaspertheater mal mit rumgeturnt. Und zudem den wohl<br />

schlechtesten Amateur-Porno der Welt ins Netz gestellt. Unfaßbar<br />

schlecht, wußte gar nicht, daß man überhaupt so schlecht vögeln kann.<br />

Meine Fresse! Man sagt ja immer, dumm fickt gut, aber sowas?!<br />

Ausnahmen bestätigen offensichtlich auch hier die Regel.<br />

Und wo wir gerade bei beim Thema sind: Terenzi, tritt mit Würde ab.<br />

Verschwinde stilvoll in der Versenkung. Oder mach` was Neues, `ne<br />

neue Platte oder CD oder sonstwas. Geh` zu Sarah with Love zurück<br />

oder sonstwo hin, mir persönlich total scheißegal. Aber baller` nicht<br />

eine dummblondierte, mediennotgeile Plastik-Frutte nach der anderen<br />

durch, nur, um nochmal ein paar billige Schlagzeilen zu machen. Geht<br />

einem ja langsam mal sowas von auf den Sack, dieses ganze F-Promi-<br />

Friseusen-Bums-Ballett, boah. Heftig, echt heftig. Laß es bitte sein.<br />

Unser Bedarf an Vollopfern ist gedeckt. Bis obenhin. Echt jetzt. Also<br />

laß bitte stecken. Vielen Dank für Dein Verständnis.<br />

330


Marc Terenzi, der Lothar Matthäus der Popmusik.<br />

Aber back to business, hier, zack:<br />

Diäten-Anpassung, Abwrack-Prämie, Solidaritäts-Zuschlag. Haben wir<br />

auch noch. Und die dürfen aber auch auf keiner Party fehlen, die sind<br />

nämlich der absolute Knaller.<br />

Auch sehr geil, auch immer ein fetter Knaller: Gewinnwarnung,<br />

Outsourcing, Ich-AG. Very amazing und mindestens ähnlich very<br />

exciting. Nicht ganz so exciting wie CO2-Austoß, Umweltplakette,<br />

Gesundheitsreform, aber fast. Endgeil. Ich frage mich gerade ganz<br />

ernsthaft, wie man so viele geile Sachen haben kann. Unglaublich. Hier,<br />

die drei nehmen wir noch mit, dann muß das auch mal reichen:<br />

Besserverdiener, Bausparer, Mittelstand. Da weiß man gar nicht, was<br />

man davon lieber wäre. Am besten alles auf einmal.<br />

Ach, drauf geschissen, hier kommen jetzt die richtig geilen Teile, die<br />

ganz krassen Dinger. Hier, zack, nimm hin: Ehrenmord, Ground Zero,<br />

Achse des Bösen. Uiuiui. Ob das alles noch politisch korrekt ist? Keine<br />

Ahnung, aber das haben wir ja nunmal. Und wir wollen ja schließlich<br />

kein Blatt vor den Mund nehmen. Also weiter mit Israel, Irak,<br />

Afghanistan. Zack, jetzt ist es raus, und jetzt muß ich aber auch gleich<br />

Schluß hier machen, sonst landet mein Buch sofort auf dem Index.<br />

Zack, ab, Index, Feierabend. Und wenn ich dann auch noch so<br />

lebensmüde wäre, den Islam zu erwähnen, dann wäre eh alles vorbei.<br />

Also lieber wieder etwas seichter weiter, ist besser für alle.<br />

Denn natürlich haben wir mittlerweile auch unser Sommermädchen,<br />

unser erstes Sommermädchen, unser Sommermädchen 2009! Hurra!<br />

Keine Ahnung, wer das Rennen gemacht hat, ich habe die Scheiße nicht<br />

geguckt. Aber irgendeine Dussel-Usch wird da wohl am Ende<br />

gewonnen haben. Mal Terenzi oder Matthäus anrufen, die wissen das<br />

bestimmt. Loool... Auf jeden Fall besten Dank an Gimp3000, denn<br />

darauf hat die Welt lange warten müssen. Also Glückwunsch und ein<br />

wahnsinnig dickes Stößchen, denn wir freuen uns. Wir alle, die ganze<br />

Welt. Und wir Honks sowieso, und ich aber auch ganz besonders. Also<br />

phantastisch, Glückwunsch, Stößchen. Bla.<br />

331


Fast bleibt mir die Zunge im Halse stecken, auweia, weil ich gar nicht<br />

ausdrücken kann, wie sehr ich mich freue. Man könnte hier also ganz<br />

unverblümt und unübertrieben von einer unheimlichen Freude sprechen.<br />

Ich freue mich so sehr, vor lauter Freude hätte ich fast Eisbär Knut<br />

vergessen, das dumme Arschloch.<br />

Daneben haben wir noch etliche ähnlich geile Sachen. Vom Prinzip her<br />

alles dieselbe Scheiße, muß man ja nur mal Zeitung lesen, Glotze<br />

anmachen oder aus dem Fenster gucken. Oder eine App dafür besorgen.<br />

Mir persönlich vollkommen Latte.<br />

Aber ein paar gute Sachen haben wir wirklich. Schumi Schumacher<br />

fährt jetzt wieder Rennen, und das auch noch in einem Benz. Geil, geil,<br />

geil. Sehr geil. Ein seltener Lichtblick zwischen der ganzen Kacke, mit<br />

der wir uns tagtäglich auseinandersetzen müssen.<br />

Abschließend, jedoch nicht erschöpfend aufzuführen: Natürlich Idioten,<br />

Fremdopfer, Honks. Ganz klar. Honks bzw. der Honk. Der Honk, das<br />

zwangs- und vorläufige Endprodukt einer beschissenen Evolutions-<br />

Kette. Keine Ahnung, ob das nun gut oder schlecht oder egal ist. Aber<br />

irgendwer muß es ja sein, einer muß es ja machen. Stößchen für den<br />

Honk.<br />

Wir haben also -mal abgesehen von Schumi und dem Honk- lauter<br />

Scheiße, die wir nicht brauchen. Völlig geil, völlig absurd. Völlig<br />

absurde Scheiße. Das ist ähnlich geil und absurd, als kaufte man ein<br />

Auto mit einem eingepflanzten Kirschbaum im Kofferraum. Das wäre<br />

ähnlich sinnvoll, das braucht eigentlich auch jeder. Oder man baut ein<br />

Haus mit einer inneren Deckenhöhe von 80 cm, durch das man dann<br />

gerade noch so auf allen Vieren krabbeln kann und andauernd mit der<br />

Birne an die Decke knallt. Das wäre auch eine besonders gute Idee. Das<br />

hat man dann, aber eigentlich ist das total absurd und Scheiße und<br />

macht aber auch gar keinen Sinn. Total beknackt.<br />

332


I`m starting with the man in the mirror. I`m asking him to change his<br />

way. And no message could have been any clearer: If you wanna make<br />

the world a better place, take a look at yourself and make a change.<br />

2. Und was fehlt uns?<br />

333<br />

(Michael Jackson)<br />

Keine Ahnung, was uns fehlt. Mir auf jeden Fall die Lust, hier noch<br />

groß was weiter zu schreiben. Kein Bock mehr. Feierabend. Uns ist eh<br />

nicht mehr zu helfen.<br />

Allein der traurige Umstand, wie sich unsere feine Spezies an<br />

Schwächeren vergeht, ohne daß irgendwer einschreitet oder irgendwas<br />

passiert, kann nur noch die logische Schlußfolgerung zulassen, daß wir<br />

bereits in Sodom und Gomorrha leben. Und wer das jetzt aber ein wenig<br />

weit hergeholt oder schräg oder gar witzig findet, der kann sich ja gern<br />

mal auf Youtube chinesische Haifisch-Fänger bei der Arbeit angucken.<br />

Oder ähnliche Sauereien, Mensch ist da sehr flexibel.<br />

Oder hier, mal ganz aktuell: Michael Jackson. Von einer perversen<br />

Gesellschaft, von geldgeilem Dreckspack, von karrieregeilen Anwälten<br />

und ähnlichem Gesindel in den Tod gehetzt. Verunglimpft, geschändet,<br />

ans Kreuz genagelt. Mensch nagelt scheinbar alle 2000 Jahre mal einen<br />

Guten ans Kreuz. Nein, viel schlimmer, Mensch macht das tagtäglich.<br />

Nur nicht immer so offensichtlich.<br />

Denkt mal drüber nach, liebe Brüder und Schwestern der Sonne, denkt<br />

mal drüber nach...<br />

So, und jetzt habe ich aber wirklich keine Lust mehr.


Deine Zweifel waren groß, niemand hat sich interessiert. Du spürst,<br />

wie`s langsam leichter wird, das Schlimmste ist jetzt hinter Dir. Du bist<br />

noch ganz benommen, wir sind bald angekommen. Du brauchst jetzt<br />

nicht mehr zu weinen, denn ich hab` Dich an die Hand genommen.<br />

Manchmal muß man einfach raus, denn manchmal ist die Welt zu klein.<br />

Willst Du die Unendlichkeit, dann laß Dich fallen und steig` mit ein. Ich<br />

zeig` Dir wahre Liebe und wie gut es tut, die Faust zu ballen. Wir<br />

fliegen vom Dunklen ins Sonnenlicht bis wir zu Staub zerfallen...<br />

VI. Epilog<br />

334<br />

(Deichkind, Luftbahn)<br />

Ladies and Gentlemen, bitte stellen Sie ihre Sitze in eine waagrechte<br />

Position und schnallen Sie sich ab. Beginnen Sie mit dem Saufen und<br />

Rauchen, wir setzen zur Landung an. Wir wünschen Ihnen einen<br />

angenehmen Aufenthalt in der Realität und würden uns freuen, Sie bald<br />

wieder an Bord der Honk-Airlines begrüßen zu dürfen.<br />

Ladies and Gentlemen, willkommen im Honkland.<br />

Stößchen.

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