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<strong>NICKI</strong> <strong>ENGEL</strong><br />
<strong>HONKLAND</strong><br />
Germany`s Biggest Sackgesicht
And here we go...<br />
2<br />
HL - GBS<br />
April 2009 - Januar 2010<br />
Honkland-Verlag, Honkland<br />
nicki.engel@freenet.de
Eine ganze Generation zapft Benzin, räumt Tische ab, schuftet als<br />
Schreibtischsklaven. Durch die Werbung sind wir heiß auf Klamotten<br />
und Autos. Machen Jobs, die wir hassen, und kaufen dann Scheiße, die<br />
wir nicht brauchen. Wir sind die Zweitgeborenen in der Geschichte.<br />
Männer ohne Zweck, ohne Ziel. Wir haben keinen großen Krieg, keine<br />
große Depression. Unser großer Krieg ist ein spiritueller. Unsere große<br />
Depression ist unser Leben. Wir wurden durch das Fernsehen<br />
aufgezogen in dem Glauben, daß wir alle irgendwann mal Millionäre<br />
werden, Filmgötter, Rockstars. Werden wir aber nicht. Und das wird<br />
uns langsam klar. Und wir sind kurz, ganz kurz vor`m Ausrasten.<br />
Bisexuelle wollen mich töten!<br />
Vorwort<br />
3<br />
(Tyler Durden)<br />
(Dr. Gonzo)<br />
Herzlichen Glückwunsch! Mit dem Kauf / Download dieses Buches<br />
haben Sie eine sehr gute Wahl getroffen, soviel steht mal fest. Sicher, es<br />
gibt bestimmt einige Bücher, die besser sind als dieses hier. Aber dafür<br />
kaum welche, die noch schlechter sind. Da bin ich mir ziemlich sicher.<br />
Ferner unterstützen Sie mit Ihrem Kauf eine vom Aussterben bedrohte<br />
Spezies, nämlich den Honk. Ja, ganz genau, den Honk. Denn ich bin ein<br />
Honk. Aus Überzeugung. Aus Leidenschaft. Vielleicht auch ein klein<br />
wenig aus Protest, wer weiß. Ein obsessiver Honk, möglicherweise<br />
sogar ein Vollhonk. Tollkühnheit und Skurrilität stehen bei mir ganz<br />
oben auf der Liste. Ich honke mich durch diese lustige Welt.
Honk for life, Honk forever, Honkytonk. Unglaubliche Szenarien<br />
bestimmen mein Leben. Für mich gibt es sogar 20% auf Tiernahrung,<br />
ist das zu glauben?! Eigentlich nicht. Aber es stimmt.<br />
Da wohl nur die wenigsten von uns wissen, was denn überhaupt ein<br />
Honk ist, werden wir die nächsten gut 300 Seiten damit verbringen,<br />
dieses Mysterium zu lüften. Und auch noch andere Sachen. Wir werden<br />
uns auf eine Reise begeben, begeben müssen, eine Reise nach<br />
Honkland. Ich kann nur hoffen, daß jeder genügend Alkohol, Zigaretten<br />
und Tabletten im Gepäck hat, denn das kann zuweilen eine recht<br />
haarsträubende, ja geradezu hanebüchene Reise werden. Aber es nützt<br />
nichts, da müssen wir jetzt gemeinsam durch, Hand in Hand.<br />
Leider muß ich bereits jetzt vorwegnehmen, daß nicht jeder von uns von<br />
dieser Reise gesund zurückkommen kann. Also obenrum. Einige<br />
können überhaupt nicht mehr zurückkommen, darüber sollten wir uns<br />
bitte gleich von Anfang an im klaren sein. Wiederum andere wollen<br />
vielleicht gar nicht mehr zurück, so wie bei einem besonders<br />
zauberhaften Malediven-Urlaub. Kann auch passieren, kann alles sein<br />
im Honkland, ist alles möglich. Ich weise nur lieber gleich darauf hin.<br />
Gleich die Karten auf den Tisch, zack, gleich die Hosen runter. Gibt<br />
dann hinterher wenigstens keine bösen Überraschungen.<br />
Der Begriff des Honk läßt sich am ehesten durch Vergleich mit bzw.<br />
Abgrenzung von anderen Charakteren definieren. Mit an Sicherheit<br />
grenzender Wahrscheinlichkeit ist in unserer heutigen, überaus lustigen<br />
Gesellschaft von vier dominanten Charakteren auszugehen:<br />
Idioten – Vollidioten – Opfer – Honks<br />
Liest sich zugegebenermaßen auf den ersten Blick ein wenig negativ.<br />
Eigentlich sogar ziemlich negativ, ziemlich unerfreulich, wenn wir mal<br />
ehrlich sind. Etwas unerquicklich. Ist es aber nicht. Ist alles überhaupt<br />
nicht negativ und unerfreulich und so, ist nämlich alles ziemlich positiv,<br />
ziemlich erfreulich. Teilweise sogar total positiv und höchst erfreulich,<br />
wie sich im Laufe des Buches herausstellen wird.<br />
4
Neben oben erwähnten vier Haupt-Charakteren existieren vereinzelt<br />
noch diverse Randgruppen wie beispielsweise intelligente Menschen.<br />
Mit Intelligenz ist an dieser Stelle eine praxisnahe Intelligenz gemeint.<br />
Also eine Intelligenz, die dem Inhaber -und im Idealfall noch weiteren<br />
Personen- einen gewissen praktischen, lebensnahen Nutzen beschert.<br />
Nicht etwa ein Trottel, der ein Telefonbuch auswendig lernt oder<br />
mathematische Wurzeln im Kopf zieht oder ein feistes Sudoku löst oder<br />
ähnlichen Blödsinn macht. Nein, hier ist eine lebensrelevante<br />
Intelligenz gefragt. Eine lebensrelevante, praxistaugliche Intelligenz.<br />
Beispielsweise so wie bei dem Kerl, der die Glühbirne erfunden hat.<br />
Das hat doch irgendwie Sinn gemacht, da konnten wir doch alle großen<br />
Nutzen daraus ziehen. Oder der erste Kokabauer. Mal eben schön paar<br />
Palmen angebaut und gemolken, davon profitieren doch auch ganz<br />
viele. Oder hier, der Erfinder des Fernsehens, meine Fresse. Vielen<br />
Menschen würde ohne die Erfindung der Glotze jedweder Lebensinhalt<br />
entzogen. Ferner stelle man sich nur einmal vor, wie viele C- bis F-<br />
Promis auf einmal arbeitslos wären. Schauderhafter Gedanke. Also ich<br />
bin jedenfalls heilfroh, daß die schöne Glotze erfunden wurde. Und<br />
zwar von einer Person, die bestimmt ganz schön intelligent war.<br />
Menschen mit solch einer Intelligenz sind in der heutigen Zeit und<br />
Gesellschaft allerdings in so verschwindend geringer Anzahl vertreten,<br />
daß auf sie nicht näher eingegangen werden muß. Sie können komplett<br />
unberücksichtigt bleiben, so selten sind sie vertreten. Die<br />
Wahrscheinlichkeit, einem richtig intelligenten Menschen zu begegnen,<br />
ist ungefähr vergleichbar hoch mit der Wahrscheinlichkeit, eine<br />
Nuklearexplosion direkt auf dem eigenen Schädel zu überleben. Also<br />
nicht so hoch. Eigentlich überhaupt nicht hoch. Eher gering.<br />
Beschränken wir unsere Abhandlung also auf oben genannte<br />
Hauptcharaktere: Idioten, Vollidioten, Opfer und Honks.<br />
Bitte anschnallen.<br />
5
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort 3<br />
Inhaltsverzeichnis 6<br />
I. Der Idiot 9<br />
II. Der Vollidiot 13<br />
1. Definition 13<br />
2. Vorgehensweise im Umgang mit einem Vollidioten 16<br />
3. Alternative Vorgehensweise 19<br />
4. Dialog mit dem Vollidioten 22<br />
a) Ignorieren 23<br />
b) Beleidigen 25<br />
c) Gewalt androhen 27<br />
d) Zwischenergebnis 28<br />
5. Exkurs: Melvin 29<br />
6. Gesellschaftliche Bedeutung des Vollidioten 33<br />
7. Telemediale Bedeutung des Vollidioten 35<br />
8. Ergebnis 40<br />
6
III. Das Opfer 41<br />
1. Das Fremdopfer 42<br />
a) Definition 42<br />
aa) Angst 42<br />
bb) Logik 44<br />
cc) Erfahrung 48<br />
aaa) Früher 50<br />
bbb) Heute 51<br />
dd) Weitere Gründe 55<br />
b) Eingliederung 57<br />
aa) Fremdwahrnehmung 58<br />
bb) Eigenwahrnehmung 61<br />
cc) Tatsächlicher Status 68<br />
aaa) Mentale Ebene 68<br />
bbb) Emotionale Ebene 69<br />
c) Prominente Fremdopfer 71<br />
d) Ergebnis 75<br />
2. Das Eigenopfer (Vollopfer) 78<br />
a) Definition 78<br />
b) Alternative Definition 85<br />
c) Eingliederung 87<br />
aa) Eigenwahrnehmung 89<br />
aaa) Eigene Eigenwahrnehmung 90<br />
bbb) Eigenwahrnehmung untereinander 93<br />
bb) Fremdwahrnehmung 99<br />
cc) Tatsächlicher Status 111<br />
aaa) Warum keine Klobürste? 114<br />
bbb) Und die Werbung? 118<br />
ccc) Ergebnis 121<br />
dd) Ergebnis 123<br />
ee) Metamorphose 125<br />
7
IV. Der Honk 128<br />
1. Definition 128<br />
2. Eingliederung 132<br />
a) Der Honk als Anarchist 133<br />
aa) Zum Wohle der Allgemeinheit 135<br />
bb) Zum Wohle des Honk 144<br />
aaa) Wo sind denn die Grün-Weißen? 146<br />
bbb) Heizöl kommt noch krasser 157<br />
ccc) Und was sagen die Nachbarn? 168<br />
cc) Ergebnis 184<br />
b) Der Honk als Ignorant 186<br />
aa) Im Kapitalismus 188<br />
bb) In der Glotze 216<br />
cc) Und die Werbung? (Part II) 239<br />
dd) Ergebnis 246<br />
c) Der Honk als Sackgesicht 249<br />
aa) Honk und Frauen 252<br />
bb) Honk allein zu Haus 258<br />
cc) Honk in Gesellschaft 266<br />
dd) Honk ist der Beste! 283<br />
ee) Und was kommt jetzt noch? 297<br />
ff) Ergebnis 306<br />
3. Ergebnis 310<br />
V. Gesamtergebnis 327<br />
VI. Epilog 334<br />
8
Die Vorsehung beschützt Kinder und Idioten. Ich weiß das, weil ich es<br />
ausprobiert habe.<br />
I. Der Idiot<br />
9<br />
(Mark Twain)<br />
(griechisch: idiotes (eigentümlich, seltsam); lateinisch: idiota<br />
(Unwissender, Laie))<br />
Die Figur der Idioten ist relativ simpel gestrickt und infolgedessen<br />
einfach zu charakterisieren und flott abzuhandeln.<br />
In der früheren Medizin differenzierte man zwischen drei verschiedenen<br />
Graden des Schwachsinns: Debilität, Imbezillität und Idiotie. Debilität<br />
verkörperte einen leichten, Imbezillität einen mittleren bis schweren und<br />
Idiotie den schwersten Grad an Intelligenzminderung. Diese Definition<br />
ist jedoch über die Jahre veraltet und wird heute in der Medizin nicht<br />
mehr angewandt.<br />
In der heutigen Zeit ist der Begriff des Idioten gemäß herrschender<br />
Meinung als Synonym für einen Dummkopf erhalten geblieben. Ein<br />
Idiot ist demnach umgangssprachlich eine Bezeichnung für eine Person,<br />
welche -an der Allgemeinheit gemessen- überdurchschnittlich dumm<br />
oder ungeschickt agiert. Dies beschreibt die Figur unseres Idioten<br />
allerdings viel zu oberflächlich und völlig unzureichend, wenn nicht gar<br />
komplett falsch. Unser heutiger Idiot ist viel facettenreicher.<br />
Entgegen herrschender Meinung ist der moderne Idiot ziemlich smart.<br />
Unerwartet smart sozusagen. Er ist dumm, und das weiß er auch. Er<br />
akzeptiert sein Schicksal und kann bzw. will nicht nach Höherem<br />
streben. Manchmal soll er auch nicht. Aber er hadert diesbezüglich nicht<br />
mit sich selbst oder anderen. Der Idiot ist sozusagen einsichtig.
Nicht besonders weitsichtig, aber zumindest einsichtig. Die Einsicht in<br />
seine Dummheit und deren radikale Akzeptanz macht ihn so unerwartet<br />
smart. Folglich kann man dem Idioten kaum nachtragend oder gar bös<br />
gesonnen sein. Was er tut, tut er nach bestem Wissen und Gewissen,<br />
wobei sein Gewissen zumeist etwas markanter ausgeprägt ist als sein<br />
Wissen. Der Idiot weiß also recht gut zwischen Recht und Unrecht zu<br />
unterscheiden, wogegen sein Differenzierungsvermögen zwischen Gut<br />
und Böse oftmals eher getrübt ist.<br />
Was nicht heißen soll, daß der Idiot nicht weiß, was Gut und was Böse<br />
ist. Nein, er weiß sehr wohl, was Gut und Böse ist. Nur läßt er sich<br />
aufgrund seiner offensichtlichen Einfältigkeit durch andere oftmals<br />
täuschen oder benutzen. Unser Idiot erkennt also eine dritte Person, die<br />
ihm unter Umständen bös gesonnen sein könnte, zu spät bzw. überhaupt<br />
nicht. Was man ihm aber nicht übel nehmen darf, weil er es ja nicht<br />
besser wissen kann.<br />
Merke: Unser Idiot ist meist gutgläubig.<br />
Man kann unseren Idioten also am ehesten mit einem Alzheimerkranken<br />
in einem Bordell vergleichen: Er wundert sich stets darüber, auf`s Kreuz<br />
gelegt zu werden und kann zudem überhaupt nicht verstehen, dafür auch<br />
noch bezahlen zu müssen. So oder so ähnlich muß man sich das<br />
vorstellen. Also durch und durch ein braves Schaf.<br />
Wer mit einem modernen Idioten nicht zurechtkommt, ist selbst schuld.<br />
Denn so negativ die herrschende Meinung den Begriff des Idioten auch<br />
definieren mag, so positiv ist der Idiot als Gesamtfigur zu sehen. Die<br />
Bezeichnung „dumm“ sollte daher auch eher relativ gesehen werden.<br />
Dumm ist dumm. Nicht mehr, nicht weniger. Dumm ist an sich gar nicht<br />
mal so schlecht in unserer heutigen Zeit und Gesellschaft. Saudumm<br />
wäre da schon schlechter. Oder doof. Doof wäre auch nicht so gut.<br />
Strohdoof. Debil. Schwachsinnig. Bekloppt. Behämmert. Alles nicht so<br />
gut. Mit einer Intelligenz gesegnet, die einen sogar unter dummen<br />
Schweinen zur dümmsten Sau macht. Also das wäre dann aber auch<br />
nicht so gut, das wäre ganz schön krass. Dann spräche man auch nicht<br />
mehr von einem normalen Idioten, sondern schon von einem ziemlich<br />
krassen Vollidioten.<br />
10
Oder wenn man rein hypothetisch eine Person nimmt und über Wochen<br />
hinweg mit dem Kopf in einen Türrahmen hält und die Tür dann die<br />
ganze Zeit zuknallt. Zack. Pausenlos. Volle Pulle. Ohne Unterbrechung,<br />
zack, die ganze Zeit die Tür volle Pulle an die Birne. Und nach drei<br />
Wochen oder so steht diese Person dann auf und geht zu einer anderen<br />
Person hin und sagt zu dieser, daß sie die dümmste Sau auf der ganzen<br />
Welt sei. Das wäre dann aber auch ganz schön krass. Das wäre bald<br />
schon besorgniserregend. Ziemlich deprimierend für denjenigen, der das<br />
dann zu hören kriegt. Und dann auch noch von jemandem, der drei<br />
Wochen stillhält, während ihm ein anderer Knecht permanent eine Tür<br />
vor die Rübe knallt. Da sollte man sich dann aber mal lieber ein paar<br />
Gedanken darüber machen. Aber ist ja alles zum Glück hier nicht der<br />
Fall, ist ja zum Glück nur hypothetisch.<br />
Dumm könnte man hier vielmehr so verstehen, als daß es<br />
voraussichtlich wohl nicht so schnell zu einer Situation kommen wird,<br />
in welcher ein Idiot den Nobelpreis verliehen bekommt. Oder einen<br />
Doktortitel in Atomphysik erhält. Wie gesagt, dumm ist in unserer<br />
modernen Gesellschaft gar nicht mal so übel. Es gibt einige, die cleverer<br />
sind, logisch, und das ist auch gut so. Aber die Anzahl derer, die richtig<br />
dumm oder sogar komplett geistig derangiert sind, ist viel größer.<br />
Dumm ist also eigentlich ziemlich gut. Nur, daß wir uns mal über den<br />
Gesamtkontext hier im klaren sind. Ich selbst würde mich auch als<br />
dumm bezeichnen. Und ja, natürlich bin auch ich ein Idiot. Vielmehr<br />
war ich ein Idiot, der in Laufe der Jahre eine Metamorphose zum Honk<br />
vollzogen hat. Doch dazu später mehr.<br />
Der Idiot zieht sich beruflich gesehen durch alle Schichten. Von der<br />
Friseuse zum Freiberufler, von der Arzthelferin zum Akademiker, vom<br />
Weiblein zum Männlein und umgekehrt, ganz egal. Der Idiot hat<br />
Freunde und Hobbys. Er trifft sich mit anderen Idioten und hat einen<br />
überschaubaren Bekanntenkreis, welcher größtenteils auch aus Idioten<br />
besteht. Man schaut zusammen fern, trinkt gemeinsam ein Bier, leiht<br />
sich gegenseitig Werkzeug aus, feiert Geburtstage, läßt die Kinder<br />
zusammen spielen und dergleichen. Vielleicht engagiert man sich sozial<br />
oder sitzt im Elternrat, ist alles denkbar. Es ist ein überwiegend<br />
positives und angenehm angepaßtes Leben, welches unser Idiot führt.<br />
Und er ist zufrieden damit.<br />
11
Für die Aufrechterhaltung unserer Gesellschaft ist der Idiot<br />
unverzichtbar. Er ist fleißig, arbeitet im Rahmen seiner Möglichkeiten<br />
und strebt Tugendhaftigkeit an. Letzteres mal bewußt, mal unbewußt. Er<br />
trägt zum Bruttoinlandprodukt bei, zahlt brav seine Steuern und geht<br />
natürlich auch zur Wahl. Das Leben unseres Idioten verläuft<br />
phasenweise und nach folgendem Schema: Geburt, Schule, Ausbildung,<br />
Job, Frau, Haus, Kind, Enkelkind, Rente, Tod. Hierbei handelt es sich<br />
um eine grobe Darstellung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit<br />
erhebt. Üblicherweise wird irgendwo zwischen Haus und Kind auf<br />
Drängen der Idiotin noch ein feister Multivan (Ford Galaxy oder<br />
vergleichbare Schüssel) gekauft. Oder vereinzelt zwischen Job und Frau<br />
noch ein Sabbatical eingelegt, beispielsweise sechs Monate lang<br />
Mantelpavianen in Südwestafrika die Klöten kraulen, phantastisch. Aber<br />
eine solch detaillierte Differenzierung sprengt an dieser Stelle unseren<br />
Rahmen.<br />
Zunächst sollte unser Idiot also ausreichend beschrieben sein: Ein liebes<br />
Schaf wie Du und ich. Oft vertreten, gern gesehen und unverzichtbar für<br />
die Gesellschaft. Wir werden in den Folgekapiteln noch häufiger auf<br />
unseren Idioten als Referenz oder zum Vergleich zurückgreifen müssen.<br />
Und das werden wir auch unheimlich gern tun, weil unser Idiot so eine<br />
smarte Figur ist. Daher können wir es an dieser Stelle mit seiner<br />
Charakterisierung belassen und uns einer etwas heikleren, ja geradezu<br />
delikaten Thematik widmen: Nämlich der Charakterisierung unseres<br />
Vollidioten.<br />
Ach ja, kleine Ansage vorab, falls sich einer wundert: In Honkland<br />
werden die alten Rechtschreibe- und Grammatikregeln benutzt, weil die<br />
neuen Scheiße sind. Ist so. Oder es wird gleich so geschrieben, wie man<br />
gerade lustig ist. Kann auch sein, kann alles sein, macht alles Sinn.<br />
Ganz nach Lust und Laune, nur eben nicht der neue Schrott.<br />
Weiter.<br />
12
Homer, Du bist dümmer als ein Esel und zweimal so häßlich. Wenn ein<br />
Fremder Dich fragt, ob er Dich mitnehmen soll, nimm die Chance wahr,<br />
und steig` ein.<br />
II. Der Vollidiot<br />
1. Definition<br />
(vgl. Idiot, gesteigerte Form von Idiot)<br />
Jetzt wird`s schon ganz krass:<br />
13<br />
(Abraham Jay Simpson)<br />
Unser Vollidiot unterscheidet sich vom Idioten lediglich durch zwei<br />
Eigenschaften: Unser moderner Idiot weiß, duldet und billigt, daß er ein<br />
Idiot ist. Es erscheint bisweilen sogar so, als würde er es mit einem<br />
spitzbübigen Augenzwinkern geradezu darauf anlegen, als Idiot entdeckt<br />
und katalogisiert zu werden. Diese Eigenschaft fehlt dem Vollidioten<br />
gänzlich.<br />
Der Vollidiot ist zu keiner Zeit bereit und in der Lage, seine<br />
verheerende Debilität zu erkennen oder sich gar mit dieser Thematik<br />
auseinanderzusetzen. Ihm fehlt bereits von vornherein jedes<br />
Grundverständnis, jede Sensibilität für das Dilemma. Ja nicht einmal<br />
eine Art Vorahnung hat er. Alles komplett nicht vorhanden. Klingt<br />
etwas vermessen, sicher, ist aber leider nunmal so. Denn besäße unser<br />
Vollidiot die Fähigkeit zur Erkenntnis, Duldung oder gar Billigung<br />
seines Status, stiege er unweigerlich in der Rangfolge auf. Und zwar in<br />
den Rang des normalen Idioten. Falls sein Hirn nicht schon zu sehr<br />
gelitten hat, was aber meist der Fall ist. Dies ist ein signifikanter<br />
Unterschied zwischen dem landläufigen, oben beschriebenen Idioten<br />
und dem hier beschriebenen Vollidioten.
Ferner hat unser Vollidiot überhaupt keine Latten mehr am Zaun.<br />
Während unser Idiot noch angenehm positiv dumm ist, ist der Vollidiot<br />
komplett am Arsch. Er hat nicht nur keine Latten mehr am Zaun,<br />
vielmehr ist der komplette Zaun weg. Zack, weg. Komplett weg. Nicht<br />
einmal mehr die Pfosten da. Alles weg. Als wäre nie einer da gewesen.<br />
War er wahrscheinlich auch nicht. Weiß keiner so genau, ganz<br />
undurchsichtig. Es fehlt also an allen Ecken und Enden, alles paßt<br />
hinten und vorne nicht. Kopf-Kirmes ist die Devise, Kabel-Salat das<br />
Motto, und völlig zu Recht ist man geneigt, mal eben lieber die<br />
Feuerwehr zu rufen. 112, Hilfe, Vollidiot. Tatü-tata.<br />
Unser Vollidiot ist also gänzlich unbefangen, um es mal freundlich<br />
auszudrücken. Er sticht durch das vollständige Ignorieren jedweder<br />
Logik aus der Masse hervor. Vollidioten verständigen sich<br />
untereinander in der Regel auf eine recht primitive Art und Weise. Um<br />
es mal ganz direkt und nonchalant auszudrücken, steht die<br />
Kommunikationsebene unseres Vollidioten nur ganz knapp über der<br />
Kommunikationsebene von Schweinen. Grunz, grunz, quiek. Und furz.<br />
Furz nicht zu vergessen. Das beschreibt es im Großen und Ganzen auch<br />
schon inhaltlich.<br />
Wer je in den Genuß kam, eine zur Mittagszeit ausgestrahlte Talkshow<br />
im Privatfernsehen verfolgen zu dürfen (vielleicht, weil er einen Tag<br />
Urlaub hat oder so hart gearbeitet hat, daß er eine Woche krank ist),<br />
weiß, wovon hier die Rede ist.<br />
14
Ich habe in vielen Mistfilmen gespielt, weil ich die Welt kennenlernen<br />
wollte. Aber Talkshow im Fernsehen? Mein Gott, da kann man ja gleich<br />
auf den Strich gehen.<br />
15<br />
(Richard Widmark)<br />
Ein Praxisbeispiel: Jacqueline (Hausfrau, 23) will von Vera am<br />
Nachmittag wissen, welcher Penner sie im Vollrausch geschwängert<br />
und zur glücklichen Mutter ihres vierten Sohnes Justin gemacht hat.<br />
Bevor das Geheimnis mittels eines vom Sender bezahlten<br />
Vaterschaftstests gelüftet wird, diskutieren drei bis sechs potentielle<br />
Erzeuger die Problematik untereinander und mit der glücklichen<br />
Hausfrau und Mutter. Hierbei kommt es teilweise zu erheblichen<br />
verbalen Entgleisungen. Diese Entgleisungen werden vom anwesenden<br />
Publikum, welches zu 90% ebenfalls aus Vollidioten und auch einigen<br />
Alkoholikern besteht, gern gesehen und auch vereinzelt sehr sinnvoll<br />
kommentiert oder sogar analysiert. Einem unbefangenen Betrachter<br />
erscheint diese Konversation ziemlich skurril und nur ansatzweise<br />
nachvollziehbar, was größtenteils an der Primitivität des eingesetzten<br />
Vokabulars und an den abenteuerlichen grammatikalischen<br />
Formulierungen liegen dürfte.<br />
Ein weiteres Praxisbeispiel: Ali (Schüler, 21) erzählt bei Oli Geissen<br />
einer fetten Kuh, daß sie fett ist. Herzlichen Glückwunsch! Prinzip<br />
sollte jetzt klar sein.<br />
Nichts gegen Talkshows. Talkshows sind toll, Talkshow sind klasse. Ich<br />
stehe total auf Talkshows, da werde ich total geil von. Geil, geil, sehr<br />
geil. Geile Talkshows. Sie dienen uns hier als sehr nützliches und<br />
anschauliches Fallbeispiel, um das Portrait des Vollidioten allgemein<br />
verständlich zu illustrieren.
Ich werde Vitali die Fresse polieren!<br />
2. Vorgehensweise im Umgang mit einem Vollidioten<br />
16<br />
(Juan Carlos Gomez)<br />
Okay, Spaß beiseite. Gehen wir in medias res. Wie sollten wir mit<br />
einem Vollidioten umgehen? Was ist im Umgang mit einem Vollidioten<br />
zu beachten?<br />
Die sinnvollste Vorgehensweise im Umgang mit einem Vollidioten<br />
besteht darin, ihm permanent und konsequent die Fresse zu polieren. In<br />
der Praxis könnte das so aussehen, daß man dem Vollidioten einen<br />
Wecker stellt, zum Beispiel auf 6 Uhr morgens. Nee, wird nix. Besser<br />
stellt man sich gleich selbst den Wecker auf 5.30 Uhr, macht sich dann<br />
frisch, frühstückt, und dann weckt man den Vollidioten um Punkt 6 Uhr<br />
direkt mit einem Schlag in die Fresse, zack.<br />
Es kann sein, daß unsere frühmorgendliche Vorgehensweise bei<br />
unserem Vollidioten Irritation hervorruft. Diese Irritation könnte daraus<br />
resultieren, daß er acht Stunden früher wach wird als sonst, noch dazu<br />
mit einer Faust in der Fresse statt einer Marihuana-Tüte. Oder er nur<br />
zwei Stunden schlafen konnte, weil er bis 4 Uhr morgens WOW im<br />
Netz gezockt hat oder anderen sinnvollen Aufgaben nachgegangen ist.<br />
Weiß man nicht, tut aber auch nicht zur Sache.<br />
Der größte Fehler, den wir jetzt begehen können, besteht darin, unserem<br />
Vollidioten die ungewohnte Situation erklären zu wollen. Das hätte<br />
überhaupt keinen Sinn, denn er verstände uns überhaupt nicht. Und<br />
selbst wenn er uns verstände, würde er uns die Geschichte nicht<br />
glauben. Also keine große Debatte, keine große Diskussion, Ruhe.<br />
Stattdessen sollten wir ihm nach dem Weck-Schlag in die Fresse etwas<br />
Zeit für ein Frühstück oder eine Flasche Bier geben.
Nach dieser besonders opulenten Stärkung geht`s dann aber los. Das<br />
Prinzip ist ganz einfach und für alle verständlich, es entspricht dem<br />
eines typischen Arbeitstages. Der Vollidiot bekommt jetzt von 6.30 Uhr<br />
bis 9 Uhr die Fresse poliert. Rechts und links und oben drauf auf die<br />
Birne, zack, immer volle Kanne, Spencer und Hill lassen grüßen. Es<br />
folgt dann um 9 Uhr eine viertelstündige Pause, die dem Vollidioten zur<br />
freien Verfügung steht. Er kann nun beispielsweise etwas Marihuana<br />
rauchen, ein zweites Bier trinken oder kurz ein wenig im Netz mit<br />
anderen Vollidioten chatten, ganz nach Belieben.<br />
Nach dieser kleinen Pause geht es weiter bis 12.30 Uhr, immer voll rein,<br />
auch ab und an mal mit Backpfeiffen, um den Handrücken zu entlasten.<br />
Zack, zack, klatsch. Wer Probleme mit den Sehnen im Handgelenk hat,<br />
sollte sich in der Mittagspause besser die Handgelenke kühlen und dann<br />
bandagieren. Dadurch wird gewährleistet, daß man nach der<br />
Mittagspause wieder voll durchstarten kann. Man kann sich auch gleich<br />
frühmorgens ein bißchen Voltaren draufschmieren und bandagieren,<br />
dann geht man auf Nummer sicher.<br />
Um 13 Uhr ist Mittag vorbei, weiter geht`s, gleiches Spiel, gleiche<br />
Kandidaten. Unser Vollidiot sollte ab 13 Uhr ziemlich entspannt sein.<br />
Zum einen ist er jetzt an die Behandlung gewöhnt. Er weiß also, was ihn<br />
erwartet und erlebt nicht erneut sein blaues Wunder wie am frühen<br />
Morgen. Und zum anderen hat er seine halbstündige Mittagspause mit<br />
allerlei Ferkeleien verbracht, die hier lieber nicht detailliert beschrieben<br />
werden sollten. Ist besser so. Aber egal, volle Kraft voraus, in die Fresse<br />
bis 16 Uhr. Und zack.<br />
16 Uhr. Feierabend. Uff. Was für ein Tag, Halleluja! Was für ein Tag.<br />
Und das Schlimmste dabei ist, daß es absolut nichts gebracht hat.<br />
Nichts, gar nichts, überhaupt nichts. Njet, nada, nitschewo. Man selbst<br />
hat sich völlig verausgabt, ist völlig fertig, total kaputt. Und der<br />
Vollidiot hat nach dem nun folgenden allabendlichen Vollrausch am<br />
nächsten Tag nur das Gefühl eines Déjà-vu, wenn er ab 6.30 Uhr wieder<br />
in die Fresse gedroschen bekommt. Ätzend! Man müßte diese Prozedur<br />
wahrscheinlich über Wochen oder gar Monate fortsetzen, bis erste<br />
Erfolge erkennbar wären. Super ätzend, voll zum Kotzen.<br />
17
Und nicht nur voll zum Kotzen, sondern auch überhaupt nicht zu<br />
bewerkstelligen. Unmöglich. Zum einen gibt es einfach viel zu viele<br />
Vollidioten in unserer Gesellschaft. Schätzungsweise 15 bis 20 Prozent,<br />
Tendenz dramatisch steigend. Auf der anderen Seite gibt es leider viel<br />
zu wenige von denen, die das Fresse-Polieren übernehmen könnten und<br />
auch wollten. In erster Linie wahrscheinlich aus Zeitgründen. Vielleicht<br />
auch mangels physischer Voraussetzungen. Zu dünne Arme, zu wenig<br />
Kondition, kann alles sein. Man kann also ruhigen Gewissens<br />
behaupten, daß die potentielle Nachfrage das Angebot bei weitem<br />
übersteigt.<br />
Wir sind also nicht in der Lage, die überproportional ansteigende<br />
Nachfrage zu befriedigen. Allein schon die Vorstellung, welch immens<br />
hohe konditionelle Anforderungen an den menschlichen Körper gestellt<br />
würden, wenn man den ganzen Tag einer anderen Person in die Fresse<br />
dreschen müßte. Hochleistungssport! Im Endeffekt für denjenigen, der<br />
ununterbrochen dreschen muß, viel anstrengender als für den, der die<br />
ganze Zeit nur die Fresse hinhält. Ein hammerharter Fulltime-Job. Man<br />
selbst verausgabt sich total, während der Vollidiot sich irgendwann an<br />
die Situation gewöhnt hat und nichts mehr merkt. Wenn er denn<br />
überhaupt was merkt.<br />
Vom Zeitfaktor her also eher eine Möglichkeit zum Abbau von<br />
Arbeitslosigkeit. Statt Blödsinn wie Ein-Euro-Jobs oder HartzIV lieber<br />
Fressen-Politur auf 400-Euro-Basis. Das wäre doch mal was, was ganz<br />
Feines wäre das. Und die Kilojoules, die dabei an Energie freigesetzt<br />
würden, könnte der Polierende in einem am Körper befestigten Akku,<br />
beispielsweise in einem aufgeschulterten Rucksack, speichern. Und<br />
hinterher in das Energienetz einspeisen. Zack, ab, rein ins Netz.<br />
Sozusagen ein handfester Beitrag zur Gewinnung erneuerbarer<br />
Energien. Von der Fresse direkt in die Leitung, phantastisch. Geradezu<br />
revolutionär in der heutigen Zeit. Großer Haken an der Sache: Alle drei<br />
bis sechs Monate müßte derjenige, der pausenlos poliert, für mindestens<br />
ein Jahr ins Sabbatical. Beispielsweise ein Jahr Kühe melken in<br />
Schottland, als Erholung für die geschundenen Hände. Ran an die Euter,<br />
zack, immer schön mit Melkfett. Lustige Vorstellung, allerdings<br />
unfinanzierbar.<br />
18
Nimm nie einen Menschen, wenn Du eine Maschine dafür nehmen<br />
kannst.<br />
3. Alternative Vorgehensweise<br />
19<br />
(Agent Smith)<br />
Manuelles Fresse-Polieren wird also aus den genannten Gründen<br />
verworfen. Ist schade, aber geht halt nicht. Bleibt eigentlich nur noch<br />
automatisches Fresse-Polieren. Also schön mit einer Maschine und so.<br />
Womit wir auch schon beim nächsten Problem ständen: Wer baut uns so<br />
eine Poliermaschine? Und wie wird gewährleistet, daß diese von<br />
unserem Vollidioten dann auch konsequent angewendet wird? Wir<br />
wollen ja schließlich nicht mit Bohnen kalkulieren.<br />
Die Finanzierung des Baus einer solchen Maschine stellt hier die größte<br />
Herausforderung dar. Es gibt so etwas noch nicht, und etwas<br />
Vergleichbares gibt es auch nicht. Sicher, die Maschine müßte mit<br />
einem Elektromotor betrieben werden. Es müßte ein Schalt- bzw.<br />
Steuergerät eingesetzt werden. Eine Menge Kabel, Verschraubungen<br />
und ähnliches. Eine Kupplung, um das Drehmoment entsprechend in die<br />
Fresse zu übertragen. Das sollte alles klar sein. Aber das wissen wir<br />
vom Automobil auch. Und trotzdem können nur wenige von uns ein<br />
Automobil bauen. Und das, obwohl man von anderen Automobilbauern<br />
kopieren könnte.<br />
Ein Fresse-Politur-Apparat ist also etwas völlig Neues. Eine Menge<br />
Zeit, Arbeit und somit Geld wird für die Forschung und Entwicklung<br />
dieser Spezialapparatur vonnöten sein. Es werden Probleme zu lösen<br />
sein, an die bis dato noch gar nicht gedacht wurde. Wie sieht es<br />
beispielsweise mit dem Schallschutz aus? Acht bis neun Stunden<br />
Geklatsche täglich, die daraus resultieren, daß eine Maschine einem<br />
Vollidioten die Fresse poliert, stellen ein ernstzunehmendes
Lärmproblem für die Allgemeinheit dar. Wie kann man hier vorgehen?<br />
Findet man die Lösung hierfür etwa im Bereich Lärmschutz? Ist unter<br />
Umständen eine individuell auf Maschine und Vollidioten angepaßte<br />
Schallschutzhaube der Weisheit letzter Schluß? Oder entwickelt man<br />
gleich eine Apparatur, die imstande ist, mehrere Vollidioten gleichzeitig<br />
zu behandeln? Das könnte in der Praxis so aussehen, daß beispielsweise<br />
15 Vollidioten an einem runden Tisch sitzen. In der Mitte des Tisches<br />
ist an einer senkrechten Achse waagrecht ein rotierender, mechanischer<br />
Arm angebracht, der die gesellige Runde am Tisch gleichmäßig bedient.<br />
Zack, zack, zack, immer schön im Kreis, jeder bekommt seinen Anteil.<br />
Eine sehr faire und zugleich auch sehr illustre Methode.<br />
Fragen über Fragen werden auftauchen, Fragen über Fragen müssen von<br />
hiesigen Experten beantwortet und umgesetzt werden. Und das kostet.<br />
Geld. Viel Geld. Es kostet viel Geld. Man könnte sich sogar zu der<br />
Aussage hinreißen lassen, daß es sehr viel Geld kosten wird. Eine<br />
unglaublich kostspielige Angelegenheit. Geld, welches man vielleicht<br />
hätte, aber besser nicht zur Verfügung stellen möchte. Vielleicht<br />
deshalb, weil man dem Vollidioten das Leben durch immense direkte<br />
und indirekte Staatsabgaben, die der Staat dann auch ganz gern und<br />
schnell weiterleitet, bereits zu Genüge versüßt. Keine Ahnung.<br />
Also sind Sponsoren für das Vorhaben zu begeistern. Aber die Mühe<br />
kann man sich gleich sparen, hat keinen Sinn. Es wird in einer Farce<br />
enden. Allein das Vortragen der Idee der Entwicklung eines Fresse-<br />
Politur-Apparates wird bei potentiellen Sponsoren auf Unverständnis<br />
stoßen. Suspekt wird man unser Vorhaben finden. Zwielichtig.<br />
Vielleicht sogar ominös. Unethisch. Die Präsentation unserer Idee vor<br />
Sponsoren ersparen wir uns also besser. Und daß der Vollidiot selbst die<br />
Kohle für den Polier-Apparat aufbringt, kann man auch gleich mal<br />
wieder vergessen. Zum einen hat er kaum Geld, zum anderen investiert<br />
er dieses wenige Geld lieber in Alkohol, Tabak und Pornographie. Und<br />
man wird den Vollidioten kaum dazu bringen können, sein geliebtes<br />
Saufen, Rauchen und Onanieren gegen ein paar in die Fresse<br />
einzutauschen. Wozu auch?! Läuft ja wie geschmiert für ihn. Daher<br />
sollten wir zunächst von der Idee des Fresse-Polierens Abstand nehmen.<br />
Es muß also eine andere Alternative her. Aber was kann man nur tun?!<br />
Bin ich fasr ein bißchen überfragt jetzt gerade.<br />
20
Vielleicht einfach unsere Vollidioten irgendwo aussetzen? Also<br />
Reisebus mieten, alle Vollidioten, die man greifbar hat, rein, und<br />
Abfahrt, zack. Reiseziel eigentlich egal, könnte Italien sein. Norditalien.<br />
Ja, Norditalien kommt gut. Vielleicht ins beschauliche, relativ nahe<br />
gelegene Aosta-Tal. Hübsche Gegend. Sehr pittoresk. Und in 2009<br />
aufgrund diverser Geschehnisse total bekannt und beliebt geworden.<br />
Ganz beliebtes Reiseziel für Vollidioten, geradezu prädestiniert. Also<br />
nichts wie los, ab ins Aosta-Tal!<br />
Im Aosta-Tal angekommen, könnten wir mit unserer grenzwertig<br />
debilen Reisegruppe vielleicht schön zum Essen gehen, schön happihappi<br />
machen. Es soll dort einige sehr empfehlenswerte Pizzerien<br />
geben, die kulinarischen Höchstgenuß versprechen. Besonders<br />
empfehlenswert ist die direkt in Aosta gelegene Pizzeria Il Capanno.<br />
Quasi ein echter Insider-Tip. Den ich von einem bekannten Paar<br />
bekommen habe. Von Ina-Caterina R. und Sascha S., einem absoluten<br />
Vorzeige-Paar. Im Il Capanno soll man ganz gut Leute aussetzen<br />
können. Insbesondere Kinder. Könnten wir ja auch mal mit unserer<br />
Vollidioten-Gruppe versuchen. Einfach kurz nach draußen gehen, eine<br />
rauchen, und dann einfach abhauen. Ganz einfach. Zack und weg.<br />
Einfach Fersengeld geben.<br />
Lustige Idee, aber es wird nicht klappen. Zumindest nicht dauerhaft.<br />
Das Problem dabei ist, daß man uns unsere lustige Truppe wieder<br />
zurückbringen wird. Wahrscheinlich sogar noch auf unsere Kosten. Nee,<br />
ganz sicher sogar auf unsere Kosten. Und oben drauf noch ein paar<br />
Tausend Euro Pizza-Rechnung, von wegen literweise Grappa und so.<br />
Voll ätzend. Nein, das sind alles keine praktikablen und dauerhaften<br />
Lösungen. Anscheinend ist hier etwas mehr Sachverstand und<br />
Feingefühl gefragt. Vielleicht können wir ja auf kommunikativer Ebene<br />
etwas erreichen?! Im Dialog quasi. Sollten wir tatsächlich den<br />
wahnwitzigen Versuch unternehmen wollen, mit unserem Vollidioten in<br />
einen Dialog zu treten?!<br />
21
Unsere Vibrations wurden langsam unangenehm. Aber warum? Gab es<br />
in diesem Wagen keine Kommunikation? Waren wir auf das Niveau<br />
dumpfer Kreaturen gesunken?<br />
4. Dialog mit dem Vollidioten<br />
22<br />
(Raoul Duke)<br />
Man verfügt also nicht immer über die erforderliche Zeit, Motivation<br />
und Energie, um einem Vollidioten mit der notwendigen Intensität<br />
ganztätig die Fresse zu polieren. Die Entwicklung einer entsprechenden<br />
Apparatur scheitert am lieben Geld, wie so oft. Aussetzen ist auch keine<br />
dauerhafte Lösung, sondern vielmehr ein ziemlich kostspieliger<br />
Erholungsurlaub für unsere Rasselbande.<br />
Ungeachtet dessen wird der Tag kommen, an dem wir mit einem<br />
Vollidioten kommunizieren müssen. Zwangsweise sozusagen. Es ist<br />
unvermeidlich. Vielleicht in der U-Bahn, an der Kasse im Supermarkt,<br />
im Fitness-Studio, wo auch immer. Der Tag wird kommen. Nein, der<br />
Tag ist längst schon da gewesen. Nein, noch schlimmer: Bei 15 bis 20<br />
Prozent Vollidioten-Bevölkerungsanteil werden wir sogar täglich mit<br />
Vollidioten konfrontiert! Auweia! Naja, nun wissen wir es wenigstens.<br />
Aber das macht es auch nicht besser. Eher sogar noch schlimmer.<br />
Wir stehen nun also einem waschechten Vollidioten gegenüber. Statt<br />
ihm die Fresse zu polieren, möchten wir ihn gern verbal oder manuell<br />
(per Handzeichen, z. B. Vogel zeigen oder Scheibenwischer) auf seinen<br />
geistig labilen Zustand hinweisen. Wir wollen zum Ausdruck bringen,<br />
daß wir den Dialog suchen. Wie wird der Vollidiot reagieren? Was wird<br />
er tun? Drei Alternativen sind vorstellbar: Ignorieren, beleidigen,<br />
Gewalt androhen.
Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente,<br />
Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente,<br />
Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente.<br />
a) Ignorieren<br />
23<br />
(Ralph Wiggum)<br />
Erste Möglichkeit: Der Vollidiot ignoriert unseren Einwand komplett!<br />
Nicht, weil er es nicht hören oder glauben will oder mag; er kann den<br />
Einwand schlichtweg nicht verstehen. Es ist ihm zu hoch, die<br />
Gesamtsituation überfordert ihn, was auch immer. Folglich antwortet er<br />
instinktiv mit einem Argument zu einer völlig anderen Thematik.<br />
Gern wird hierbei eine Thematik ausgewählt, die bis zu diesem<br />
Zeitpunkt überhaupt noch nicht zur Diskussion stand bzw. mit dem<br />
eigentlichen Thema nicht das Geringste zu tun hat. Vermutlich handelt<br />
es sich um eine Antwort, die sich der Vollidiot als eine Art<br />
Musterantwort zurechtgelegt hat, um in einer delikaten oder sich<br />
zuspitzenden Situation blitzschnell schlagfertig kontern zu können.<br />
Hier bitte noch einmal das Ganze anhand unseres gern genommenen<br />
Talkshow-Beispiels, weil es so schön einfach verständlich ist:<br />
RTL, Montag, 14 Uhr, Oli-Geissen-Show, zwei Vollidioten zu Gast,<br />
Thema: Du asoziale Drecksau, mach` endlich Deine zugeschissene<br />
Gammelbude sauber!<br />
Gast 1: „Bei Dir in die Wohnung ist alles verdreckt!“<br />
Gast 2 (als Antwort darauf): „Wegen Dir hat der Ulf neun Monate in<br />
Knast gesessen!“
Ein äußerst gelungener Einwand unseres zweiten Gastes. Die seitens des<br />
ersten Gastes aufgestellte These, daß sich die Wohnung des zweiten<br />
Gastes allem Anschein nach in einem desaströsen Hygiene-Zustand<br />
befindet, wird seitens des zweiten Gastes komplett ignoriert. Vielmehr<br />
legt es unser zweiter Gast darauf an, blitzschnell zu kontern. Was ihm<br />
auch gelingt. Auf Kosten der Logik, klar, aber alle Beteiligten werden<br />
ihm folgen können (wir sind in einer Talkshow). Denn die eigentliche<br />
Aussage des zweiten Gastes, daß eine gewisse Person namens Ulf<br />
scheinbar durch Verschulden des ersten Gastes eine gewisse Zeit hinter<br />
schwedischen Gardinen verbracht haben soll, muß ja nicht zwangsläufig<br />
falsch sein. Die mangelnde Logik in der Argumentationskette impliziert<br />
nicht automatisch die Falschheit der Aussage.<br />
Wäre unser zweiter Gast jetzt nicht komplett gehirnamputiert, hätte er<br />
auf die seitens des ersten Gastes aufgestellte These antworten können:<br />
„Da hast Du nicht ganz Unrecht. Zuweilen weist meine Behausung in<br />
der Tat einige hygienische Mängel auf. Wenn Du Dich dadurch bei mir<br />
nicht mehr so wohl fühlst wie früher, können wir ja vielleicht<br />
gemeinsam nach einer Lösung suchen, um die vorliegenden Mißstände<br />
zu beseitigen.“<br />
Dies wäre eine mögliche Antwort, die wir dem ersten Vollidioten-Gast<br />
entgegenbringen könnten. Rein hypothetisch natürlich, denn wir sitzen<br />
ja nicht in der hirnverbrannten Talkshow. Zudem sind wir auch keine<br />
Vollidioten.<br />
Versteht sich von selbst, daß Gast 1 mit dieser Antwort komplett<br />
überfordert wäre und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit<br />
nun von sich aus den Ulf ins Spiel bringen würde:<br />
„Da kann ja auch der Ulf mal um 12 aus dem Bett aufstehen!“<br />
Alles klar?!<br />
24
Grobe Menschen, welche sich beleidigt fühlen, pflegen den Grad der<br />
Beleidigung so hoch als möglich zu nehmen und erzählen die Ursache<br />
mit stark übertreibenden Worten, um nur in dem einmal erweckten Haß-<br />
und Rachegefühl sich recht ausschwelgen zu können.<br />
b) Beleidigen<br />
25<br />
(Friedrich Wilhelm Nietzsche)<br />
Zweite Möglichkeit: Es wird mit einer Beleidigung geantwortet.<br />
Effiziente Methode. Schnell und direkt. Zack. Wie aus der Pistole<br />
geschossen. Zwar unerfreulich bzw. in vielen Fällen sogar ärgerlich für<br />
den Gegenüber, aber egal.<br />
Gast 1: „Bei Dir in die Wohnung ist alles verdreckt!“<br />
Gast 2 (als Antwort darauf): „Du bist doch selbst die allergrößte<br />
Drecksau wo gibt!“<br />
Im Gegensatz zur ersten Möglichkeit, dem Ignorieren, greift unser<br />
zweiter Gast in diesem Fall zumindest die Thematik des Einwandes des<br />
ersten Gastes auf. Hieraus läßt sich schließen, daß Gast 2 an sich keine<br />
Einwände gegen die Aussage des ersten Gastes hat. Zumindest blockt er<br />
die Aussage des ersten Gastes nicht ad hoc ab, sondern kontert vielmehr<br />
im Gegenzug mit der Verwendung eines Superlativs.<br />
Der Superlativ „allergrößte“ impliziert in diesem Fall, daß sich unser<br />
zweiter Gast zwar darüber im klaren ist, gewisse Hygienemängel in<br />
seinen eigenen vier Wänden vorliegen zu haben. Diese sind seiner<br />
Ansicht nach jedoch nicht so gravierend wie die Hygienemängel in der<br />
Behausung des ersten Gastes. Ein genialer Schachzug! Mit an Sicherheit<br />
grenzender Wahrscheinlichkeit nicht bewußt gebracht, aber trotzdem<br />
schlichtweg genial.
Denn unter Vollidioten ist dies die Idealform der Kommunikation.<br />
Beide sind sich instinktiv bewußt, daß sie über geistig streng limitierte<br />
Kapazitäten verfügen, und sind dabei trotzdem in der Lage, sich den<br />
Ball gegenseitig zuzuspielen. Zack, hier, Ball. Denn nun hat sich das<br />
Blatt gewendet, Gast 1 steht in der Pflicht. Er sieht sich jetzt mit der<br />
problematischen Situation konfrontiert, den Einwand, daß er selbst in<br />
einem noch größeren Schweinestall wohne, entweder zu entkräften oder<br />
so anzunehmen. Eines von beiden. Eine Steigerung ist hier nicht mehr<br />
möglich, da Gast 2 in einem selten hellen Moment den Superlativ-Joker<br />
bereits ausgespielt hat.<br />
Vermutlich wird nun Gast 1 die Sachebene verlassen und etwas<br />
antworten, was mit der bisherigen Diskussion eigentlich nicht viel zu<br />
tun hat. Beispielsweise:<br />
„Und die Tatty kriegt auch schon wieder ein Blag von Dein Ulf.“<br />
Womit wir wieder bei Punkt a), dem Ignorieren, angelangt wären.<br />
Allerdings wurde uns mit der Beleidigung eine potentielle<br />
Reaktionsmöglichkeit in der Kommunikation mit einem Vollidioten<br />
aufgezeigt. Allem Anschein nach handelt es sich hierbei um ein sehr<br />
probates Mittel. Der Vollidiot versteht die Beleidigung an sich und ist<br />
nun in einer Art Bringschuld. Und das geht selbstverständlich komplett<br />
in die Hose, was wiederum sehr zu unserer Belustigung beitragen kann.<br />
Merke: In der Kommunikation mit einem Vollidioten stellt eine<br />
Beleidigung -im Idealfall unter Verwendung eines Superlativs- stets ein<br />
geeignetes Mittel dar. Als Antwort, siehe oben, gern aber auch gleich<br />
als Eröffnung der Diskussion.<br />
26
Wenn ich einen Film drehe, dann schrei` ich oder schrei` ich nicht. Und<br />
Du sagst es mir nicht, ob ich schreie oder nicht. Leck` mich doch am<br />
Arsch, Mensch! Der Moment ist überhaupt gekommen, wo ich Dir in die<br />
Fresse haue. Diesmal schlag` ich Dir in die Fresse, darauf kannst Du<br />
Dich verlassen, Du. Diesmal sitz` ich in dem Kostüm in Deiner Scheiß-<br />
Karre in Holland. Diesmal schlag` ich Dich zusammen, Du. Weil du zu<br />
frech wirst.<br />
c) Gewalt androhen<br />
27<br />
(Klaus Kinski)<br />
Dritte Möglichkeit: Es wird angedeutet, im Ernstfall auch die verbale<br />
Ebene verlassen zu können.<br />
Gast 1: „Bei Dir in die Wohnung ist alles verdreckt!“<br />
Gast 2 (als Antwort darauf): „Ich hau` Dir gleich in Deine Scheißfresse<br />
rein!“<br />
Herrlich! Vollidiot poliert Vollidiot die Fresse!<br />
Womit wir wieder beim Ausgangspunkt (Fresse-Polieren) angekommen<br />
sind. Ein Teufelskreis! Aber wenn Vollidioten unter sich sind, ist nichts<br />
dagegen einzuwenden.<br />
Für uns stellt die Androhung von Gewalt allerdings keine Option dar.<br />
Denn es besteht ja immerhin die Möglichkeit, daß unser Vollidiot das<br />
Angebot, einen in seine „Scheißfresse rein“ zu bekommen, annimmt.<br />
Was uns dann wieder zum Ende von Punkt 3 dieses Kapitels führen<br />
würde, als wir das Fresse-Polieren nach ausführlichem Abwägen von<br />
Pro und Contra leider verwerfen mußten.
Es erfordert zuweilen mehr Mut, dem Gegner zu entfliehen, als ihn<br />
anzugreifen.<br />
d) Zwischenergebnis<br />
28<br />
(Heinrich Waggerl)<br />
Demnach bieten sich uns zwei Möglichkeiten im Umgang mit einem<br />
Vollidioten: Prophylaxe ist das vorzuziehende Mittel. Also stets darauf<br />
achten, keinem Vollidioten zu begegnen. Den direkten Kontakt<br />
vermeiden. Notfalls weglaufen. Flüchten. Das ist für alle Beteiligten am<br />
besten, ergibt den größen Sinn. Feige Flucht, ganz feige. Aber immer<br />
noch besser als hirntot. Der sichere Hirntod. Braindead. Flatline.<br />
Auweia. Bloß weg hier, Vollidiot in Sicht, zack, ab.<br />
Wird man jedoch mit einem Vollidioten konfrontiert, empfiehlt es sich,<br />
ihn (oder sie) von der ersten Sekunde an mit primitivstem Fäkal-<br />
Vokabular zu bombardieren. Gleich voll durchstarten. Volle Kanne.<br />
Kompromißlos durchbeleidigen. Nicht zögern. Nicht erst abwarten, ob<br />
der / die etwas sagt, kommt eh nichts Gescheites bei raus. Gleich voll<br />
ran an die Buletten, gleich voll die Fäkalschleuder raus und immer volle<br />
Kanne drauf. Zack, drauf, ab dafür.<br />
Okay, Prinzip sollte verstanden sein, gehen wir ein bißl vögeln...
Ich ficke, Du fickst, er fickt, wir alle ficken, wir müssen ficken, warum<br />
fickt er nicht mit ihr?!<br />
Fuck forever.<br />
5. Exkurs: Melvin<br />
29<br />
(Marcel Reich-Ranicki)<br />
(Pete Doherty)<br />
Eine krasse Ausnahme dessen bildet mein Kumpel Melvin. Melvin ist<br />
ein absoluter Vollidiot, das steht außer Frage. Aber er trägt das Herz am<br />
rechten Fleck. Man möchte meinen, der Herrgott habe ihn mit einem<br />
großen Herzen und einem kleinen Hirn gesegnet. Oder bestraft. Kommt<br />
ganz auf die Betrachtungsweise an.<br />
Da ich Melvin nun schon etliche Jahre kenne und irgendwo auch ins<br />
Herz geschlossen habe, kann ich ihn unmöglich meiden oder gar<br />
tagtäglich konsequent beleidigen. Das wäre irgendwo nicht fair, zumal<br />
man Melvin ganz ausgezeichnet beobachten und studieren kann, was bei<br />
der Charakterisierung der Figur des Vollidioten von unschätzbarem<br />
Wert ist. Es wäre also nicht gänzlich falsch, zu behaupten, daß ich in<br />
gewisser Art und Weise von Melvin profitiere.<br />
Und von einem Vollidioten zu profitieren, stellt die oben angesprochene<br />
krasse Ausnahme dar. Zumindest, wenn man eine Privatperson ist. Denn<br />
daß die Medien von der Zielgruppe des Vollidioten profitieren, sollte<br />
jedem klar sein. Der Vollidiot als denkbar dankbarer Konsument jedes<br />
erdenklichen telemedialen Schwachsinns. Etlichen Medien würde ohne
die Zielgruppe der Vollidioten sogar jedwede Existenz entzogen, so viel<br />
ist mal sicher. Sie gingen sang- und klanglos unter, wie die Titanic.<br />
Dieser Thematik werden wir uns später noch sehr detailliert widmen<br />
müssen, ob uns das gefällt oder nicht. Aber erstmal wollen wir hier mit<br />
Melvin weitermachen, das kommt schon krass genug.<br />
Melvin ist Anfang 30. Er hat keinen Schulabschluß, hat nichts gelernt<br />
und auch das Arbeiten nicht gerade erfunden. Hier und da mal ein<br />
Gelegenheitsjob oder ein wenig Schwarzarbeit, um seine HartzIV-<br />
Bezüge aufzustocken. Chronischer Geldmangel ist angesagt, tote Hose<br />
in der Brieftasche, und er ist andauernd krank oder depressiv.<br />
Deswegen entschloß sich Melvin in einem besonders seltenen und<br />
hellen Moment, daß es doch sehr sinnvoll sein könnte, seine Freundin<br />
Daniela zu schwängern. Immerhin kannte er sie zu dem Zeitpunkt schon<br />
zwei Monate. Und wenn unsere Vollidioten eines können, dann ist das<br />
knattern und Kinder kriegen. Darin sind sie unschlagbar. Königinnen<br />
der Empfängnis. Könige des Ejakulates! Fick & Foxy. Wahnwitzige<br />
Bumsgranaten, die komplett die Kontrolle über ihre Genitalien verloren<br />
haben. Wenn irgendwo irgendwie irgendwas reinpaßt, dann rein damit!<br />
Zack, ab, rein. Heiliger Bimbam! Kein Wunder, daß bei der ganzen<br />
Bumserei keine Zeit und Energie mehr für Arbeit übrig bleibt.<br />
Melvin rammelte und rammelte und rammelte seine Daniela, aber nichts<br />
passierte. Unerwarteterweise blieb der gewünschte Kindersegen trotz<br />
aller Rammelei aus. Ein hieraus resultierender Arztbesuch ergab<br />
nämlich, daß unser Melvin nur mit Platzpatronen schießt, wenn Ihr wißt,<br />
was ich meine. Tja, und dann war auch die Beziehung plötzlich im<br />
Arsch. Melvin zog aus, zurück in seine geile HartzIV-WG. Und Daniela<br />
hatte ruckzuck einen neuen Blitzficker am Start und war keinen Monat<br />
später schwanger. Herzlichen Glückwunsch.<br />
Ich sehe jetzt schon Daniela mit Melvin und dem anderen Kasper bei<br />
Vera am Nachmittag. Vaterschaftstest! Halleluja! Scheiß auf das<br />
Ergebnis, Hauptsache, hinterher geht wieder die Post ab. Wer mit wem<br />
ist völlig egal, alles Glücksspiel, wie beim Roulette. Oder zu dritt. Fick,<br />
Fick und Fack. Hauptsache, die Lenden zucken und der Lattenrost<br />
knarrt! Alles andere ist sekundär, alles andere ist völlig egal.<br />
30
Wie auch immer, Melvin ist jetzt erstmal bei Mandy eingezogen.<br />
Mandy ist -im Gegensatz zu den anderen Protagonisten hier- keine<br />
Vollidiotin. Wobei sich das durch den Einzug Melvins bei ihr schnell<br />
ändern dürfte. Nein, Mandy ist eine ganz normale Idiotin.<br />
Geschlechtsverkehr steht für sie zwar auch ganz oben auf der Liste,<br />
jedoch neben anderen Dingen. Mandy geht ihrer -zugegeben recht<br />
einfach gestalteten- Arbeit nach, zahlt ihre Rechnungen pünktlich und<br />
ist mit ihren 25 Jahren noch nicht glückliche Mutter eines oder mehrerer<br />
Kinder. Wobei sich auch das durch den Einzug Melvins bei ihr schnell<br />
ändern dürfte, herzlichen Glückwunsch im voraus.<br />
Melvin läßt sich jetzt also erst einmal schön aushalten von Mandy.<br />
Vielleicht steuert er 20 oder 30 Euro zum wöchentlichen<br />
Haushaltsbudget bei. Ist aber eher unwahrscheinlich, denn sein Geld<br />
weiß unser Melvin besser anzulegen.<br />
Wenn Mandy also morgens gegen 7 Uhr die Wohnung verläßt, um zur<br />
Arbeit zu gehen, dreht sich unser Melvin noch einmal seelenruhig im<br />
Bettchen um, wohlwissend, noch mindestens sechs Stunden Schlaf vor<br />
sich zu haben. Gegen 13 oder 14 Uhr ist dann aufstehen angesagt, und<br />
nach ein bißchen Internet-Surfen und Cannabis-Rauchen kommt die<br />
Playstation zum Einsatz, die natürlich in allen drei Versionen zur<br />
Verfügung steht.<br />
Vielleicht trinkt Melvin auch zunächst erst einmal ein, zwei Bier, um<br />
dann bei der grazilen Nachbarin zu klingeln und diese durch<br />
einstweilige Penetration von der Verfolgung einer spannenden TV-<br />
Gerichtssendung abzuhalten. Penetration unter den wachsamen Augen<br />
von Staatsanwalt Römer, wie geil. Kann alles passieren, Melvin ist da<br />
flexibel. Schön erstmal rüber über den lustigen Zweitonner von<br />
nebenan, alles andere kann warten. Wenn Mandy viel Pech hat, fickt<br />
unser Melvin das nette Monster von nebenan sogar in ihrer Bude,<br />
wahrscheinlich sogar in ihrem Bett. Äußerst delikat, das Ganze.<br />
Wenn Melvin so weiterfickt, wird er spätestens mit Mitte 30 ins<br />
Sabbatical müssen. Schön sechs Monate Camping in der Antarktis,<br />
schön die Klöten im Polarmeer kühlen. Zack, rein da, schön Klöten rein<br />
ins Polarmeer. Ahh! Herrlich.<br />
31
Um Melvin von seiner Vögelei abzuhalten, müßte man ihm einen<br />
Keuschheitsgürtel anlegen, so ein Ding aus dem Mittelalter. Aber<br />
Pustekuchen, den würde unser Melvin mit seiner genialen Genitalkraft<br />
aufsprengen. Zack! Bamm! Oder wenn man ihn stattdessen einsperren<br />
würde, beispielsweise in einen Stahlkäfig, dann würde er die Stahlstäbe<br />
durch Penetration aufbiegen. Wie Supermann. Nur mit dem Pimmel.<br />
Boing. Quasi als Pimmelmann. Alles andere ist labil, nur der Riemen<br />
hat Zauberkräfte.<br />
Kein Medikament, beispielsweise eine Art Anti-Viagra, kann seinen<br />
Geschlechtstrieb stoppen. Das macht ihn nur noch geiler. Man müßte<br />
ihm mit einem Hammer auf den Penis schlagen. Aber dann würde dieser<br />
nur noch stärker anschwellen. Man müßte ihm also den Penis<br />
abschneiden. Und selbst dann würde dieser noch zucken und zucken<br />
und zucken. Es ist zum Verzweifeln, man kriegt das verdammte Ding<br />
einfach nicht kaputt. Wie bei Jason aus Freitag der 13. oder Freddy<br />
Krueger. Unkaputtbar, nichts geht. Stehen immer wieder auf.<br />
Man müßte also Melvin den Penis abschneiden, diesen dann in einem<br />
Mixer pürieren, die pürierte Masse lufttrocknen und dann gesiebt ins<br />
offene Meer streuen. Aber dann wären Flipper & Friends auf<br />
Dauerlatte. Unfaßbar, wie krass das Zeug ist. Unfaßbar krasses Zeug.<br />
Vielleicht sollten wir das krasse Zeug dann doch lieber zusammen mit<br />
Backpulver im Ofen aufbacken und dann rauchen. Eine Spitzenidee.<br />
Das gibt den absoluten Kick, das bringt den Flash der Woche. Den<br />
Royal-Flash sozusagen.<br />
Schmeckt aber beschissen, bah, kann ich aus Erfahrung sagen. Also<br />
lieber ganz weg mit dem Zeug, schießen wir die Pimmelmasse in einer<br />
Kapsel zum Mond. Das ist die Lösung. Zack, ab auf den Mond. Guter<br />
Mond, Du stehst! Bekommt gleich eine ganz andere Bedeutung. Der<br />
geht dann überhaupt nicht mehr unter. Nur noch auf und auf und auf.<br />
Wahrscheinlich dreht sich dann irgendwann die Sonne um ihn. Nein,<br />
das ist jetzt doch ein wenig weit hergeholt.<br />
32
Ich grüße meinen Vater, meine Mutter und ganz besonders meine<br />
Eltern.<br />
6. Gesellschaftliche Bedeutung des Vollidioten<br />
33<br />
(Toni Polster)<br />
Irgendetwas müssen wir also tun. Irgendwas. Denn wenn wir Melvin<br />
und seinen kongenialen Zeitgenossen nicht den Penis abschneiden,<br />
passiert folgendes Fiasko: Sie vermehren sich explosionsartig und<br />
unaufhaltsam. Sie setzen überproportional viele Kinder in die Welt. Ihre<br />
Geburtenrate -bzw. die ihrer überaus cleveren Weibchen- verhält sich<br />
umgekehrt proportional zu ihrer geistigen Kapazität.<br />
Während der normale, in Kapitel 1 beschriebene Idiot noch Herr über<br />
seine Genitalien ist und sich auch damit auseinandersetzt, wie viele<br />
Kinder er überhaupt unterhalten bzw. finanzieren kann (in der Regel ein<br />
bis zwei), spielt diese Thematik für unseren Vollidioten überhaupt keine<br />
Rolle. Da wird munter drauflos gepoppt, scheißegal, was, wie, wann<br />
und von wem dabei rauskommt. Poppen, poppen, poppen, alles andere<br />
ist völlig sekundär. Insoweit wird man keinen repräsentativen<br />
Vollidioten-Haushalt mit weniger als drei Kindern finden können.<br />
Wahrscheinlicher sind vier, eher noch fünf mittelprächtige Blagen.<br />
Bei Melvin wird das ungefähr so ablaufen: Erst eines mit Mandy, dann<br />
völlig unerwartet eines von / mit der lustigen Tonne von nebenan, dann<br />
wieder eines von Mandy, und irgendwann erfährt er via TV, daß eines<br />
der mittlerweile fünf Bälger seiner Ex Daniela nun doch von ihm ist.<br />
Vielleicht aus der vergangenen Beziehung, vielleicht hat man sich auch<br />
später noch einmal zufällig getroffen, und dabei ist es passiert. Ist alles<br />
möglich, alles denkbar, geht ja schnell. Ich schätze Melvin später mal so<br />
bei insgesamt sechs Kindern, mit drei bis vier dazugehörigen<br />
glücklichen Müttern.
Ist doch phantastisch, möchte man spontan aufschreien. Viele kleine<br />
Krümelmonster, die später mal meine Rente zahlen werden.<br />
Pustekuchen! Bullshit! Demjenigen, der das glaubt, muß man sofort den<br />
Kopf aufschneiden und fünf Fischerman`s Friend reinstecken. Damit er<br />
klarkommt. Denn daß von Melvins Kreaturen später einmal auch nur<br />
eine einzige einen einzigen Cent zu meiner Rente beiträgt, ist so<br />
wahrscheinlich, also würde ich mich auf meine Schüssel setzen,<br />
ordentlich einen abseilen, hinterher den Kopf in die Schüssel stecken<br />
und dort statt Scheiße Gold finden.<br />
Es dürfte ja wohl jedem Einfaltspinsel klar sein, daß ich der<br />
Rasselbande für die nächsten 40 Jahre die Stütze zahle. Ohne Wenn und<br />
Aber. Kompromißlos durchgezahlt, zack. Der Apfel fällt nicht weit vom<br />
Stamm, so sieht es dann doch mal aus. Und dafür kann ich denen nicht<br />
einmal die Fresse polieren, siehe Punkt 3 dieses Kapitels. Unfaßbar<br />
haarsträubend, man möchte am liebsten aufstampfen. Eine<br />
Hochrechnung, wie unsere Gesellschaft in 50 oder 60 Jahren aussieht,<br />
erspare ich uns lieber. Denn daß bei der Paarung eines Vollidioten mit<br />
einer Vollidiotin kein Genie hervorkommt, sollte dann auch mal klar<br />
sein. Minus und Minus ergibt Plus. Aber leider nur in der Mathematik,<br />
in der Physik. Nicht im realen Leben. Hier wird leider nicht aus dumm<br />
und dumm schlau. Eher nicht. Eher genauso dumm, schlimmstenfalls<br />
noch dümmer.<br />
Ist ja auch logisch, wir können der Evolution kein Schnippchen<br />
schlagen. Wenn Melvin (mit einem geschätzten IQ von 50) seine Mandy<br />
oder Daniela oder wen oder was auch immer (auch mit einem IQ von<br />
50) schwängert, warum sollte dann daraus was mit mehr Grips in der<br />
Birne entstehen?! Die IQs addieren sich ja nicht auf, schön wär`s. Also<br />
50 plus 50 macht 100. Oder besser noch multipliziert. 50 mal 50 macht<br />
2.500! Dann hätten Melvin und Geschlechtspartnerin quasi The Brain<br />
schlechthin gezeugt. Haut aber nicht hin, und vielleicht ist das aber auch<br />
besser so.<br />
Wie auch immer, trotzdem habe ich Melvin gern. Soll er sich um Kopf<br />
und Kragen poppen, ich kann und will es nicht ändern. Soll er die ganze<br />
Welt mit seinem Gen-Müll überschwemmen, mir scheißegal, ich kann<br />
es nicht ändern.<br />
34
Der mündige Bürger soll selbstverständlich selbst entscheiden, welche<br />
Fernsehsendungen er ein- oder ausschaltet, aber man soll ihm diese<br />
Entscheidung erleichtern, indem man einige Sendungen nicht herstellt,<br />
die er dann abschalten könnte.<br />
Normales Fernseh` brauch` kei` Sau, mer habbe ASO-TV.<br />
7. Telemediale Bedeutung des Vollidioten<br />
35<br />
(Dieter Hildebrandt)<br />
(Badesalz)<br />
Daneben hat Melvin aber auch eine positive Funktion. Zwar passiv, aber<br />
durchaus positiv. Denn ohne die Zielgruppe der Melvins gäbe es diverse<br />
sinnvolle, überwiegend telemediale Phänomene nicht. RTL2!!! möchte<br />
man spontan aufschreien, sich nackt ausziehen und dann -sich selbst mit<br />
einer Peitsche geißelnd- durch den Stadtpark rennen. Aber so einfach ist<br />
es leider nicht. Man kann nicht einen einzelnen Sender an sich als Aso-<br />
TV schlechthin ausmachen. Vielmehr sind es die verschiedenen<br />
Formate aller privatisierten Sender. RTL2 an sich ist nicht Scheiße. Nur<br />
die meisten Formate, die dort laufen, sind es.<br />
Als Flaggschiff ist ganz klar der Asi-Container anzuführen. Eine Anzahl<br />
grenzdebiler Vollidioten wird über einen gewissen Zeitraum eingesperrt<br />
und widmet sich überaus anspruchsvollen Zeitvertreiben wie Scheiße<br />
labern und vögeln. Das Ganze wird von diversen Kameras<br />
aufgezeichnet und dann direkt auf den 128er Plasma im Vollidioten-<br />
Haushalt projiziert. Der aufmerksame Zuschauer darf von Zeit zu Zeit<br />
eine der Hackfressen aus dem Bumscontainer rauswählen, und der letzte
Verbleibende bekommt dann 200.000 Euro oder sowas. Und liegt dann<br />
für ca. 18 Monate mal nicht Vater Staat auf der Tasche, ganz toll.<br />
Versorgt sich mit dem Gewinn also selbst für eine gewisse Zeit mit<br />
Alkohol, Tabak, Marihuana und Pornographie. Vielleicht probiert er<br />
auch etwas ganz Neues aus. Filterzigaretten statt Selbstgedrehte. Oder<br />
Kokain anstelle von oder kombiniert mit Marihuana. Man stellt ja jetzt<br />
jemanden dar, feine Herrschaften. Vielleicht kann man sogar einige<br />
Wochen Gastmoderator bei 9Live werden oder einen Porno drehen.<br />
Kann alles sein, ist alles möglich.<br />
Wesentlich günstiger kommt man beim Frauentausch weg:<br />
Schätzungsweise 3.000 Euro bekommt unser Vollidiot dafür, daß er<br />
seine Zweieinhalb-Zentner-Grazie für eine gewisse Zeit gegen die<br />
verschrumpelte Hardcore-Friseuse mit den hübschen bunten Plastik-<br />
Fingernägeln und polnischen Hairextensions des anderen Vollidioten<br />
eintauscht. Oder gegen eine ganz bezaubernde 26-jährige 8-fach- Mutter<br />
aus Chemnitz. Kann auch sein, ist alles möglich im Aso-TV.<br />
Es sind also nicht die Sender, sondern deren Formate. Generell läßt sich<br />
wie folgt differenzieren: Die ganzen Eigenformate und<br />
Eigenproduktionen der Sender sind absolute Gehirnrotze. Voll zum<br />
Kotzen. Bei allen Privatsendern. Ohne Ausnahme. Als hätte das Gehirn<br />
Dünnschiß und wüßte sich nicht anders zu helfen, als die ganze Kacke<br />
auf den TV-Schirm zu ballern. Grundgütiger, was für ein geistiger<br />
Dünnschiß. Cerebral-Diarrhoe, der Verstand wendet sich mit Grausen<br />
ab! Richter Salesch und Konsorten. Angelika Kallwass! Ingo Lenßen.<br />
U20 Asi-Teenies. Jamba-TV (früher Viva). Katharina Saalfrank und die<br />
stille Ecke. We Are Family! Das Grausen kennt kein Ende!<br />
Peter Zwegat, Raus aus den Schulden. Hier mal die Beschreibung einer<br />
Folge (O-Ton TV Digital): „Christian (25) und Nadine (24) leben schon<br />
seit Jahren über ihre Verhältnisse. Die arbeitslosen Eltern eines Kindes<br />
sind HartzIV-Empfänger, wollen aber auf nichts verzichten. Kann Peter<br />
Zwegat die beiden zur Vernunft bringen?“ Nein, nein, kann er natürlich<br />
nicht! Und soll er auch nicht. Er soll sie lieber zur Fickerei animieren,<br />
um Himmels Willen! Mit 24 bzw. 25 Jahren erst ein Kind, wo soll das<br />
denn enden?!<br />
36
Also Pille absetzen. Falls überhaupt eingenommen. Denn die meisten<br />
Vollidioten nutzen weitsichtigerweise den Coitus Interruptus zur<br />
Verhütung. Also kurz vorher rausziehen. Eine sehr sinnvolle Methode,<br />
eine der sichersten Verhütungsmethoden überhaupt.<br />
Wie auch immer, für den unwahrscheinlichen Fall, daß die Vollidiotin<br />
die Pille einnimmt, kann sie diese jetzt absetzen. Für die gesparten 20<br />
oder 30 Euro monatlich kann man sich Premiere ziehen, falls man<br />
keinen geknackten Decoder hat. Und gleich Blue Movie freischalten<br />
lassen, das lenkt die Gedanken vom Elend im eigenen Bett ab. Dann<br />
können die Lenden wieder schön zucken, zack-zack. Das alte Rein-<br />
Raus-Spielchen, rund um die Uhr, den ganzen Tag. Wenn die beiden 29<br />
und 30 sind und acht Kinder haben, dann, ja dann kann Zwegat nochmal<br />
anklingeln. Bis dahin soll er sich um andere Pflegefälle kümmern. Oder<br />
ein bißchen Gras rauchen, vielleicht zusammen mit Jugendcoach Oliver<br />
Lück. Oder mit einem der besonders cleveren Vorzeige-Sonderschüler<br />
von Die Superlehrer, mir scheißegal.<br />
Oder hier, die dürre Tante mit der stillen Ecke (auch O-Ton TV Digital):<br />
„Marianne hat vier Kinder von zwei Männern, zu den Vätern von Kris<br />
(10), Justine (9), Alizee (6) und Felix (1) aber kaum Kontakt. Die 31jährige<br />
lebt von HartzIV, ist verschuldet und oft schlecht drauf. Auch<br />
die Gören zoffen sich permanent. Die Familie braucht eindeutig mehr<br />
Ruhe und Routine im Alltag. Katharina Saalfrank versucht, Einfluß zu<br />
nehmen.“<br />
Ja herrlich, ganz wunderbar, bitte nimm Einfluß, liebe Katharina, bitte<br />
nimm Einfluß. Sonst bekomme ich nämlich bald Ausfluß, dicklichhellroten<br />
Ausfluß. Und zwar aus den Ohren, denn mein Bregen wird<br />
auslaufen, und ich werde sterben müssen. Flatline, Braindead, Hirntod.<br />
Aus, Schluß, vorbei. Was für ein Wahnsinn, was für ein Bullshit. Was<br />
für eine gequirlt-gekräuselte Affenkacke!<br />
Und dann geht die Saalfrank hin in die Asi-Bude und läßt die fünf<br />
Gehirnamputierten irgendwelche bekloppten Schilder malen und auf<br />
eine Pinnwand tackern. Na phantastisch, genau das hat denen gefehlt.<br />
Also wenn die irgendwas brauchen, dann das. Das wird helfen, das wird<br />
die Probleme lösen, wunderbar, Glückwunsch. Vielleicht sollte man hier<br />
37
mal präventiv und etwas eher ansetzen. Damit es erst gar nicht so weit<br />
kommt, daß uns die fünf Pflegefälle ein Leben lang auf der Tasche<br />
liegen und dabei trotzdem noch unglücklich und mit ihrem verkorksten<br />
Leben völlig überfordert sind. Ganz offensichtlich hat da doch keiner<br />
der Beteiligten was von. Die nicht, ich nicht, keiner. Aber nee, das wäre<br />
ja zu einfach. Außerdem hätten wir dann gar keinen Stoff mehr für<br />
unser geliebtes Aso-TV, und das wäre ja wohl für viele Vollidioten der<br />
absolute Super-GAU.<br />
Also lieber alle völlig plan- und hirnlos querbeet rumvögeln lassen, und<br />
hinterher, wenn eh alles am Arsch ist, Saalfrank, Zwegat, Lück und<br />
Konsorten hinschicken. Und die ganze Kacke aufzeichnen, damit andere<br />
Voll-Asis wieder was in der Glotze zu sehen haben. Hammerharter<br />
Tobak, extremst krass. Man könnte laut auflachen, wenn das alles nicht<br />
so traurig wäre. Hammerharter Tobak.<br />
Und dann dieser ganze Boulevard-Bullshit. Überflüssig wie ein Kropf,<br />
leck` mich einer am Arsch, aber echt jetzt. Völlig sinn- und<br />
bedeutungslos, völlig nutzlose Informationen, komplett beknackt.<br />
Komplett bescheuerte, banalstmögliche und besonders hirnfreie<br />
Thematiken von und mit eben solchen Protagonisten und<br />
Protagonistinnen. Kein Anspruch an nichts, an gar nichts, an absolut<br />
und überhaupt rein gar nichts.<br />
Frauke Ludowig, Sybille Weischenberg, Annemarie Warnkross,<br />
Constanze Rick und wie sie nicht alle heißen. Verkäuferinnen des<br />
telemedialen Dünnpfiffs, Banalitäten-Dealerinnen, Ausgeburten der<br />
Boulevard-Hölle. Heiliger Bimbam, Grundgütiger! Nicht mit<br />
Weihwasser, Knoblauch oder Sonnenlicht beizukommen. Bei denen<br />
hilft nur hoffen und beten. Und natürlich bei Vollmond den Besen gut<br />
wegschließen. Sonst fliegen sie darauf weg. Zack, weg, ab. Auf zur<br />
Walpurgisnacht. Oder zu irgendeinem anderen beschissen-banalen C-<br />
Promi-Event. Zisch und weg. Echt gruselig.<br />
Exclusiv, taff, Prominent, red und wie sie nicht alle heißen. Was für<br />
eine banale Affenkacke, da stehen mir doch echt die Haare zu Berge.<br />
Mal abgesehen vom beschissenen Inhalt, wird Exclusiv genialerweise<br />
gleich mal falsch geschrieben. Im Deutschen wäre es mit k, also<br />
38
Exklusiv. Womöglich will man hier den unbedarften RTL-Zuschauer<br />
ans Englische heranführen? Nein, dann hätte man ein e am Ende<br />
ergänzen müssen, also Exclusive. Französisch fällt auch flach, hier wäre<br />
es Exclusif, also mit f am Ende. Was ist denn bloß los hier?<br />
Legasthenie? Unglaublich, ungeheuerlich. Legasthenie im Aso-TV, das<br />
paßt ja irgendwie überhaupt nicht zusammen, abfeier. Oder will sich<br />
RTL hier etwa insgeheim über sein hauseigenes, extrem cleveres<br />
Stamm-Publikum belustigen?! Denkbar wäre es. Interessiert aber auch<br />
nicht wirklich. Keine Ahnung, wer da wem und warum in den Kopf<br />
kacken will.<br />
Man kann diese ganze Boulevard-Gülle nur den ganz abgewichsten<br />
Hardlinern unter den Vollidioten empfehlen. Mit einer für normale<br />
Menschen absolut nicht mehr nachvollziehbaren Detailverliebtheit wird<br />
ausgeschmückt, wie irgendein toller F-Promi auf irgendeiner tollen D-<br />
Promi-Party irgendwas total Spannendes tut oder läßt. Also<br />
beispielsweise zeigt, was er / sie in der Handtasche hat. Nein, wie<br />
interessant, endlich wissen wir das auch. Oder wenn Blöd-Bumse Paris<br />
Hilton gerade etwas total Nobelpreisverdächtiges über ein total<br />
wichtiges Thema faselt, beispielsweise, wie anstrengend doch Shopping<br />
in New York sein kann. Wow, wie aufregend, kaum zu glauben. Oder<br />
wen oder was Boris Becker gerade vögelt. Oder, oder, oder. Als i-<br />
Tüpfelchen noch mit einer selten dämlichen Grimasse von Vorzeige-<br />
Fratzenzieherin Heidi Klum garniert, fertig ist die Soße. Die banale<br />
Boulevard-Soße, die fiese Soße für`s Gehirn, bah.<br />
Okay, Schnauze voll, Prinzip sollte verstanden sein. Wir verdanken<br />
unseren Melvins also viele geniale TV-Formate, welchen wir uns später<br />
noch konkreter widmen werden. Für die Veranschaulichung der<br />
gesellschaftlichen und telemedialen Bedeutung unseres Vollidioten<br />
reicht dies zunächst.<br />
Ich kann nicht mehr. Und ich will aber auch nicht mehr.<br />
39
Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche<br />
Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher.<br />
8. Ergebnis<br />
Wir kommen also zu folgendem Ergebnis:<br />
40<br />
(Albert Einstein)<br />
15 bis 20 Prozent unserer Gesellschaft sind Vollidioten, also krass<br />
beknackte Schwachsinnige und Pansen ohne jedwede Einsicht in<br />
irgendetwas. Diese schwachsinnigen Pansen sollte man unbedingt<br />
meiden. Ist der Kontakt mit ihnen unvermeidbar, nützt es nichts, ihnen<br />
die Fresse zu polieren. Auch der Versuch einer Kommunikation schlägt<br />
fehl. Stattdessen ist es zwingend notwendig, sie ex tunc konsequent mit<br />
primitivstem Fäkal-Vokabular zu bombardieren. Das wissen sie zu<br />
schätzen, und das wird auch gern gesehen.<br />
Unser Vollidiot stürzt sich auf eine Möse wie ein Penner auf eine Pulle<br />
Fusel und überschwemmt infolgedessen die ganze Welt mit den<br />
stumpfsinnigen Früchten seiner Lenden. Glückwunsch und besten Dank<br />
dafür! Zu unserer Gesellschaft selbst trägt der Vollidiot samt seiner<br />
Höllenbrut außer Aso-TV nichts bei. Nicht das Geringste. Er will nicht,<br />
und er kann wohl auch nicht, und vielleicht ist das aber auch besser so.<br />
Mir persönlich ist das scheißegal.
Unter Jungen und männlichen Jugendlichen ist es im übrigen<br />
inzwischen verbreitet, das Wort „Opfer“ auch als Schimpfwort zu<br />
gebrauchen, und es gibt Schulen, die unter anderem als „Opferschulen“<br />
bezeichnet werden. Der Begriff „Opfer“ löst offenbar nicht mehr<br />
selbstverständlich Empfindungen aus, die von Empathie gekennzeichnet<br />
sind, sondern er wird benutzt, um sich der eigenen Identität zu<br />
versichern und alles abzuwehren, was mit dem Opfersein verbunden<br />
wird.<br />
III. Das Opfer<br />
41<br />
(Stephan Voß)<br />
Nunmehr haben wir zwei unserer insgesamt vier Hauptcharaktere<br />
kennengelernt: Den Idioten und den Vollidioten. Tabellarisch<br />
strukturiert sieht das Ganze so aus:<br />
Bezeichnung<br />
Fremd-<br />
wahrnehmung<br />
Eigen-<br />
wahrnehmung<br />
tatsächlicher<br />
Status<br />
Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />
smart recht zufrieden recht zufrieden<br />
smart<br />
Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />
Hierzu addiert sich nun das Opfer, unsere dritte Figur. Gemäß<br />
Definition im Duden versteht man unter einem Opfer etwas, das man<br />
hergibt oder auf das man verzichtet, obwohl es sehr schwerfällt. Dies<br />
trifft es in unserem Fall nur zur Hälfte: Wir müssen nämlich äußerst<br />
trennscharf zwischen Eigenopfern und Fremdopfern differenzieren.<br />
Obenstehende Beschreibung aus dem Duden definiert in unserem Fall<br />
das Fremdopfer. Widmen wir uns zunächst also diesem.
Das ist so, als wenn Dir einer ein Messer in den Bauch rammt, und Du<br />
mußt noch dabei lächeln.<br />
1. Das Fremdopfer<br />
(auch passives Opfer oder tatsächliches Opfer)<br />
a) Definition<br />
42<br />
(Christoph Daum)<br />
Unter einem Fremdopfer versteht man ein tatsächliches Opfer im Sinne<br />
der klassischen Definition. Also eine Person, die schweren Herzens<br />
etwas hergeben oder auf etwas verzichten muß, obwohl sie es eigentlich<br />
nicht möchte.<br />
aa) Angst<br />
Das Hergeben bzw. der Verzicht erfolgt hierbei nicht aus freien<br />
Stücken, wie es beispielsweise bei einer Geldspende der Fall sein kann.<br />
Im Falle einer Spende gibt der Spender freiwillig, ungezwungen und aus<br />
edlen, tugendhaften Gründen. Zumindest sollte das so sein. Das<br />
Fremdopfer dagegen gibt bzw. verzichtet passiv. Hierbei sind zwei<br />
Varianten denkbar:<br />
Das Fremdopfer wird tatsächlich zur Hergabe oder zum Verzicht<br />
gezwungen, also durch das Einwirken dritter Personen. Dies kann auf<br />
vielfältige Art und Weise geschehen, fast alles ist vorstellbar. So kann<br />
beispielsweise eine Mutter das Kind zwingen, den Teller aufzuessen.<br />
Weil es sonst Dresche mit dem Nudelholz bekommt. Oder eines der vier<br />
Handys eingezogen wird. Beispielsweise könnte auch ein
Abfallentsorgungsbetrieb einen Kunden dazu zwingen, seinen Hausmüll<br />
vorbildlicher zu trennen. Indem einfach die gelben Säcke nicht mehr<br />
mitgenommen werden. Und zwar so lange, bis sie keine alten Batterien,<br />
benutzte Tampons oder tote Katzen mehr enthalten. Unser Kunde wäre<br />
in diesem Fall Fremdopfer, da er durch Dritte (hier die Müllabfuhr)<br />
dazu gezwungen wird, etwas herzugeben (vernünftig sortierte gelbe<br />
Säcke) bzw. auf etwas zu verzichten (tote Katzen in gelbe Säcke zu<br />
stecken). Ein klassisches Fremdopfer.<br />
Die zweite denkbare Variante ist, daß unser Fremdopfer scheinbar<br />
freiwillig etwas hergibt oder auf etwas verzichtet, etwas unterläßt. Weil<br />
es befürchtet, daß es ansonsten eine negative Konsequenz erwarten<br />
muß. Es wird also aus Angst gehandelt, man läßt es besser erst gar nicht<br />
so weit kommen wie in der ersten Alternative beschrieben. Das Kind ißt<br />
von vornherein den Teller leer. Weil es weiß, daß der Arsch sonst<br />
Kirmes hat oder ein Handy weg ist. Oder der Kunde unterläßt es von<br />
Anfang an, Schweinskram in den gelben Sack zu stecken. Weil er weiß,<br />
daß die Sauerei sonst nicht mitgenommen wird und ihm dann noch<br />
weitere vier Wochen die Bude vollstinkt. Das ist die zweite denkbare<br />
Variante.<br />
In beiden Varianten wird also durch Dritte Zwang auf unser Fremdopfer<br />
ausgeübt, daher auch die Bezeichnung Fremdopfer. Der Verzicht ist in<br />
beiden Fällen passiver Natur. Im ersten Fall weiß das Fremdopfer, was<br />
es erwartet, im zweiten Fall malt es sich aus, was es erwarten könnte.<br />
Motiv für den Verzicht ist demnach in beiden Fällen Angst. Unser<br />
Fremdopfer muß also ausgesprochen subtil agieren.<br />
43
Philosophen verderben die Sprache, Poeten die Logik, und mit dem<br />
Menschenverstand kommt man durchs Leben nicht mehr.<br />
bb) Logik<br />
44<br />
(Friedrich von Schiller)<br />
Neben Angst kann es weitere, andere Motive geben. Logik<br />
beispielsweise. Also wenn ich weiß, daß in einer Ortschaft ein fest<br />
installiertes Blitzgerät steht. Dann fahre ich dort natürlich nicht<br />
schneller als 50 km/h. Aus Angst vor einer negativen Konsequenz, also<br />
einer Geldbuße oder schlimmstenfalls sogar einem Fahrverbot, je nach<br />
Geschwindigkeit. Denkbar wäre auch, daß ich mit 140 km/h durch den<br />
Blitzer ballere. Aus Versehen, mit Absicht, völlig egal. Und nachts dann<br />
mit dem Fahrrad erneut dorthin fahre, den Blitzer hochklettere, ihn mit<br />
einem Metallbohrer aufbohre, mit Shell V-Power (100 Oktan) befülle<br />
und dann anzünde.<br />
Ganz klassisches Fremdopfermuster. Das Wissen, daß ich dabei<br />
photographiert wurde, wie ich recht sportlich mit einem<br />
Geschwindigkeitsüberschuß von ca. 90 km/h durch die Ortschaft<br />
gefahren bin, zwingt mich dazu, nachts den Blitzer abzufackeln. Ganz<br />
typisches Fremdopfer. Ganz radikales Zwangverhalten. Ansonsten hätte<br />
ein saftiges Bußgeld plus drei Monate Fahrverbot gedroht. Sozusagen<br />
die einzig logische und zwingend erforderliche Vorgehensweise zur<br />
Vermeidung der negativen Folge.<br />
Für den Fall, daß das Ganze in die Hose geht, beispielsweise weil uns<br />
die Polizei beim Zündeln erwischt und infolgedessen vom Radargerät<br />
runterschießt, sollte man bereits im Vorfeld eine schlüssige Strategie<br />
und Argumentationskette vorbereitet haben. Unter Umständen werden<br />
wir uns dann nämlich vor Gericht wegen des abgefackelten Blitzers<br />
verantworten müssen. Also besser auf alles vorbereitet sein.
Vor Gericht sollten wir uns dann zunächst ganz frech und flapsig auf<br />
den § 32 StGB (Notwehr) berufen:<br />
(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist,<br />
handelt nicht rechtswidrig.<br />
(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um<br />
einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder<br />
einem anderen abzuwenden.<br />
Als Hobbyjurist vermute ich allerdings, daß wir hier Probleme mit dem<br />
Nachweis eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs hätten. Nicht,<br />
daß es uns nicht gelingen könnte, eine Radarkontrolle als rechtswidrig<br />
feststellen zu lassen. Das sollte klappen. Allerdings wäre hierfür ein<br />
Fachanwalt vonnöten. Und zwar ein ganz gewitzter. Ein ganz<br />
abgebrühter Winkeladvokat, ein schlitzohriges kleines Kerlchen<br />
ominöser Herkunft, ein mieser, gemeiner und selten ausgebuffter<br />
Rechtsverdreher. Ein Hans Meiser des Verkehrsrechts sozusagen<br />
Völlig überflüssig, zu erwähnen, daß wir so einen Anwalt nicht finden<br />
werden. Vielleicht bei Salesch, Hold und Konsorten, wenn wir unserem<br />
Nachbarn im Schlaf den Penis abgeschnitten hätten. Oder einen GEZ-<br />
Fahnder mit einem Staubsauger verprügelt hätten. Dann vielleicht. Aber<br />
nicht in solch einem brisanten Fall wie dem unseren. Davon ab würde es<br />
viel zu lange dauern, bis wir uns durch die ganzen Instanzen geklagt<br />
hätten. Denn Recht haben und Recht bekommen sind zwei paar Schuhe.<br />
Wir müßten klagen und klagen und nochmals klagen, eine aberwitzige<br />
Klagerei wäre das. Zudem eine enorme finanzielle, zeitliche und vor<br />
allen Dingen psychische Belastung, ganz klar. Stets auch in der Angst<br />
lebend, man könnte eines Tages als Exzentriker bezeichnet werden. Sehr<br />
unerfreulich, sehr ernüchternd.<br />
Nein, das wäre es nicht wert. Dann doch lieber ex tunc ganz penibel<br />
darauf achten, beim Anzünden des Radarkontrollgerätes erst gar nicht<br />
erwischt zu werden. Oder besser gleich einen guten Bekannten, dem<br />
man vielleicht auch schon einmal aus der Patsche geholfen hat, zu der<br />
Tat überreden bzw. anstiften. Eine kleine Gefälligkeit, ein kleiner<br />
Freundschaftsdienst. Eine Hand wäscht die andere, man kennt sich ja.<br />
45
Sollte das alles nicht klappen, und wir werden doch bei unserer<br />
nächtlichen Zündelei erwischt, könnten wir uns vielleicht auf § 20 StGB<br />
(Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen) berufen:<br />
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer<br />
krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden<br />
Bewußtseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer<br />
schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das<br />
Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu<br />
handeln.<br />
Was für ein Fest, meine Herren! Abfeier! Allein beim Verlesen des<br />
Textes läge man quer unter der Anklagebank. Tiefgreifende<br />
Bewußtseinsstörung. Schwachsinn. Andere seelische Abartigkeit. Leck`<br />
mich am Arsch, seit wann sind denn Gesetzestexte so lustig?! Total<br />
abgefahren, man wird doch wohl nicht ernsthaft von uns erwarten<br />
können, beim Verlesen eines solch hanebüchenen Kokolores nicht in<br />
Lachkrämpfe ausbrechen zu müssen?! Unfaßbar amüsant, geradezu<br />
höchstrichterlich amüsant. Also wir werden uns auf gar keinen Fall auf<br />
§ 20 berufen können. Völlig ausgeschlossen. Der ganze Gerichtssaal<br />
würde frohlocken und sich halb bis voll totlachen.<br />
§ 20 wäre also eine Mordsgaudi, hilft uns aber auch nicht wirklich<br />
weiter. Mist. Bockmist. Was kann uns jetzt noch retten? Wie können<br />
wir unseren Arsch noch aus der Schlinge ziehen? Wonach kann man<br />
noch suchen? Wir müssen uns nun ganz unverblümt folgende Frage<br />
stellen: Was ist stets eine sinnvolle Lösung in verzwickten Situationen<br />
und Lebenslagen? Wenn man kurz davorsteht, auszurasten, alles<br />
hinzuschmeißen und vielleicht sogar aufzustampfen? Wenn einem alles<br />
bis hier oben steht? Richtig, § 323a StGB (Vollrausch):<br />
(1) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische<br />
Getränke oder andere berauschende Mittel in einen Rausch<br />
versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit<br />
Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine<br />
rechtswidrige Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden<br />
kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil<br />
dies nicht auszuschließen ist.<br />
46
Hurra, der gute, alte Vollrausch. Auf den ist immer Verlaß, der läßt<br />
einen nie hängen, phantastisch. Nervennahrung, Wunderwaffe,<br />
Allheilmittel. Medizin! Wir werden also an dieser Stelle glaubhaft<br />
machen müssen, daß wir zu besoffen waren, um mitzukriegen, was wir<br />
da überhaupt getan haben. Wir waren so sternhagelvoll, daß wir uns<br />
sowieso an nichts mehr erinnern können. Es ist uns von vornherein<br />
schon entgangen, daß wir überhaupt durch diese ominöse Ortschaft<br />
gefahren sind und dort geblitzt wurden. Weil wir schon vormittags voll<br />
einen im Arsch hatten. Bis zur Unterkante aufgetankt. Und überhaupt<br />
haben wir das Gefühl, daß man uns da was anhängen will.<br />
So plausibel diese Argumentation auf den ersten Blick erscheint, so<br />
schnell fällt das ganze Kartenhaus leider auch schon wieder in sich<br />
zusammen. Nicht, daß Alkohol keine Lösung wäre. Nein, Alkohol ist<br />
immer eine sehr sinnvolle Lösung. Nur bekommen wir in unserem Fall<br />
trotzdem ordentlich aufgebrummt. Und das nicht zu knapp.<br />
Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Wahnsinn! Fünf Jahre! Das darf man<br />
sich jetzt gar nicht vorstellen, wie lange das ist. Schlagartig ist alles<br />
Vertrauen in Justitia dahin. Was muß man denn da gemacht haben? Mit<br />
2,6 Promille eine Atombombe auf der Loveparade gezündet? Im<br />
Kokswahn einen Angriffkrieg gegen die USA vorbereitet? Voll auf<br />
Ecstasy Saddam Hussein bei StudiVZ als Freund eingeladen? Keine<br />
Ahnung, will ich aber auch gar nicht wissen.<br />
Ist aber auch Jacke wie Hose, denn wir wissen jetzt, daß wir mit<br />
unserem schönen Vollrausch leider nicht ungestraft davon kommen. Wir<br />
werden also einsitzen oder ordentlich blechen müssen. Bei unseren<br />
Vorstrafen also eher einsitzen, was für eine Schande, was für eine<br />
Ironie, bah. Es lohnt sich heutzutage offensichtlich nicht mehr, besoffen<br />
zu sein. Der blanke Hohn! Da wird doch regelrecht der Hund in der<br />
Pfanne verrückt, eine Farce! Salopp ausgedrückt: Man fühlt sich ganz<br />
schön verhohnepiepelt. Als Ergebnis müssen wir demnach<br />
traurigerweise festhalten, daß Gesetzgebung und Rechtsprechung ganz<br />
offensichtlich nicht an Logik anknüpfen bzw. auf Logik basieren, und<br />
daß man als Fremdopfer weitestgehend schutzlos den langsam<br />
mahlenden Mühlen der Justiz ausgeliefert ist. Furchtbar.<br />
47
Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln: Erstens durch<br />
Nachdenken, das ist der edelste. Zweitens durch Nachahmen, das ist der<br />
leichteste. Und drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste.<br />
cc) Erfahrung<br />
48<br />
(Konfuzius)<br />
Erfahrung kann ein weiterer Grund für die Erbringung eines Opfers<br />
sein. Man verzichtet also bewußt und aus Erfahrung auf ein Handeln,<br />
auf ein Unterlassen oder auf irgendein anderes Verhaltenmuster. Weil<br />
man weiß, daß es eh keinen Sinn macht. Daß es zu nichts führt, nichts<br />
bringt, sich nicht lohnt. Unter Umständen die ganze Angelegenheit<br />
vielleicht sogar noch verschlimmert.<br />
Die Gründe für einen Verzicht aus Erfahrung sind mannigfaltig. So<br />
kann eine Sache an sich schon aussichtslos bzw. mit wenig Aussicht auf<br />
Erfolg behaftet sein. Beispielsweise eine politische Diskussion mit<br />
irgendeinem x-beliebigen Politiker, völlig egal, welcher Partei dieser<br />
angehört. Aus Erfahrung weiß man, daß das in 99% aller Fälle zu<br />
keinem befriedigenden oder gar vernünftigen Ergebnis führt. Daß man<br />
hinterher sogar verärgert ist, überhaupt auf die Diskussion eingestiegen<br />
zu sein. Sehr ärgerlich sowas, sehr unerfreulich. Also läßt man es gleich<br />
bleiben. Von Anfang an und aus Erfahrung.<br />
Man verzichtet bewußt auf das Darlegen der eigenen Meinung, man<br />
verzichtet bewußt auf die komplette Diskussion. Und das macht auch<br />
Sinn. Man fängt erst gar nicht damit an, man läßt es von vornherein<br />
bleiben. Nichts als Zeitverschwendung. Zeit, die man erheblich<br />
sinnvoller nutzen könnte, beispielsweise mit einem schönen Vollrausch<br />
oder einer Radtour. Insoweit also keine politische Diskussion. Ein<br />
Opfer, daß man aus Erfahrung bringt. Und in diesem Fall zugleich auch<br />
eine sehr vernünftige Entscheidung.
Oder man hat bereits die Erfahrung machen dürfen, daß ein gewisses<br />
Tun oder Unterlassen durch den Staat sanktioniert wird. Also die<br />
übliche Leier: Zuerst die Polizei. Guten Tag, die Herren, man kennt<br />
sich. Dann eigentlich immer die Staatsanwaltschaft, kennt man auch<br />
schon ganz gut. Besser, als einem eigentlich lieb ist. Zumindest, wenn<br />
man nicht selbst Staatsanwalt ist. Dann ab vor`s Amtsgericht, mit viel<br />
Pech vor`s Landgericht. Hier kennt man uns noch nicht, und das ist aber<br />
auch gut so. Leider kennt man aber unsere Akte, denn die hat man mal<br />
eben ganz nonchalant angefordert, und das ist dann aber auch wieder<br />
nicht so gut. Egal. Wir haben also die Erfahrung gemacht, daß wir für<br />
gewisses Handeln staatliche Sanktionen zu erwarten haben. Deswegen<br />
erbringen wir das ein oder andere Opfer.<br />
Beispielsweise würde ich nie wieder auf einem vollbesetzten Disco-<br />
Parkplatz auf der Motorhaube meines Mercedes eine Nase Koks ziehen<br />
und diese dann mit einer halben Pulle Sambuca runterspülen. Zumindest<br />
nicht als Fahrer. Oder wenn der Benz gerade neu ist. Oder unter einer<br />
Laterne geparkt steht.<br />
Die Erfahrung hat mich gelehrt, daß dies mit Sanktionen vergolten<br />
werden kann. Nicht immer, aber irgendwann hat man eben mal Pech.<br />
Also bringe ich ganz bewußt und aus Erfahrung das Opfer, nicht mehr<br />
öffentlich auf Motorhauben zu koksen. Zumindest dann nicht, wenn<br />
zwei Autos weiter die Zivilbullen stehen.<br />
Merke: Selbstinfektion mit kolumbianischer Grippe, landläufig auch<br />
Hollywood-Schnupfen genannt, kann staatlich sanktioniert werden.<br />
Insbesondere auf Motorhauben.<br />
Neben staatlicher Sanktion existiert die Möglichkeit der Sanktion durch<br />
Dritte. Unter Dritten ist in der überwiegenden Zahl aller Fälle der Ehe-<br />
bzw. Lebenspartner zu verstehen. War eigentlich klar, oder?! Wer sollte<br />
es sonst sein?!<br />
49
Haß gehört nicht ins Stadion, solche Gefühle soll man gemeinsam mit<br />
seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben.<br />
aaa) Früher<br />
50<br />
(Berti Vogts)<br />
Zu Opas Zeiten war ganz klar die Frau das klassische Opfer. Ihr<br />
Mitspracherecht im Haushalt war stets gering bis nicht vorhanden. Der<br />
Opa -also der Mann- schaffte das Geld ins Haus, und die Oma -also die<br />
Frau- mußte sich fügen. Sie mußte das Essen rechtzeitig auf den Tisch<br />
bringen, die Kinder betreuen, Bude und Hof sauber halten und<br />
gelegentlich sexuellen Pflichten nachkommen. Freizeit gab es für sie<br />
keine, während sich der Mann das Recht herausnahm, sich nach<br />
verrichteter Arbeit sonntags nach der Kirche volles Programm und<br />
kompromißlos zu besaufen. Die Frau hatte also nur Pflichten und so gut<br />
wie keine Rechte.<br />
Dies nahm die Frau als gegeben hin. Sie opferte also ein eigenständiges,<br />
gleichberechtigtes Leben mit allen Rechten und Pflichten. Aus<br />
Erfahrung. Weil sie wußte, daß ihr Handeln sanktioniert würde. Daß der<br />
Alte die Kohle nach Hause bringt und die ganze Bude zusammenschreit,<br />
wenn nicht Punkt 18 Uhr sein Fressen auf dem Tisch steht. Mahlzeit!
Auch nach meinem 30-jährigen Studium habe ich immer noch nicht<br />
herausgefunden, was Frauen überhaupt wollen.<br />
bbb) Heute<br />
51<br />
(Sigmund Freud)<br />
Glücklicherweise hat sich das im Laufe der Jahre durch die<br />
Emanzipation der Frau geändert. Die Frau wurde zum<br />
gleichberechtigten Lebenspartner mit einer eigenständigen<br />
Persönlichkeit. Und das ist auch gut und richtig und wichtig so, weil sie<br />
das ja auch ist. Allerdings ging die ganze Emanzipationskiste viel zu<br />
weit, so daß wir heute genau das gegenteilige Bild verzeichnen müssen:<br />
Den Mann als klassisches Fremdopfer.<br />
Das Ganze ist irgendwann vor 15 oder 20 Jahren komplett aus dem<br />
Ruder gelaufen. So gegen Ende der 80er hatten wir ein schönes,<br />
harmonisches, gleichberechtigtes Mit- und auch Nebeneinander von<br />
Mann und Frau, ganz im Sinne der Emanzipation. Der Höhepunkt der<br />
gleichberechtigten Evolution war erreicht. Konnte man wirklich sagen.<br />
Die alten Sitten und Bräuche waren begraben, und Mann war gespannt,<br />
wie es sich mit der neuen, gleichberechtigten, dauergewellten Frau so<br />
leben läßt. Es war der erste Schritt in ein neues, modernes und besseres<br />
Zeitalter.<br />
Doch dann wollten die kleinen Carries, Mirandas, Samanthas und<br />
Charlottes mehr! Viel mehr. Sie wollten alles. Im Zuge der 90er und zu<br />
Beginn des neuen Jahrtausends wurde die Emanzipation zunehmend<br />
umgedreht. Und zwar gleich in zweifacher Hinsicht: Zum einen ging es<br />
nicht mehr positiv gleichberechtigt voran, sondern steil bergab. Und<br />
zum anderen war diesmal der Mann betroffen und nicht mehr die Frau.<br />
Das Zeitalter der Demanzipation des Mannes wurde eingeleitet. The<br />
Age of Kastration! Zack!
Schrittweise wurde dem Mann fast alles genommen, was ihn vormals<br />
als Mann ausmachte. Elementare Eigenschaften, männliche Attribute.<br />
Eigene Meinung, Kompetenz, Entscheidungsfreudigkeit, Souveränität,<br />
Entschlossenheit, Mut, Stärke und vieles mehr. Alles irgendwie<br />
irgendwann weg, irgendwo hin. Der Mann wurde gezwungen, sein<br />
Testosteron zu unterdrücken, ja sogar zu verleugnen. Wahrscheinlich ist<br />
der Großteil seines Testosterons bis heute dann auch verschwunden.<br />
Unwiederbringlich fort, futsch, weg. Oder noch viel schlimmer: Ersetzt<br />
durch Östrogen!<br />
Es wird also keine 20 Jahre mehr dauern, und dem modernen,<br />
demanzipierten Mann wächst ein gescheites paar Titten. Feiste Glocken,<br />
prachtvolle Tüten, super Dinger. Natürlich nicht so prachtvoll wie die<br />
Tüten der Frau, versteht sich. Denn selbst die Evolution weiß<br />
mittlerweile, daß sie sich beim Männchen etwas zurückhalten muß, weil<br />
es sonst wieder Rambazamba mit der Ollen gibt. Die Evolution schützt<br />
unser Männchen also. Indem sie kleine optische Abstriche bei seinen<br />
Tüten macht.<br />
Das ist allerdings vollkommen nebensächlich. Wichtig ist nur, daß die<br />
Dinger funktionieren. Also zum Stillen und so. Denn eines sollte<br />
mittlerweile auch klar sein: Nach den Titten wird es keine weiteren 20<br />
Jahre dauern, bis unser ehemaliges Alpha-Männchen diese auch<br />
benutzen muß. Zum Stillen, kein Witz. Nachdem er die Kinder<br />
ausgetragen hat. Keine Ahnung, wie oder wodurch. Aber Carrie & Co.<br />
werden uns schon Mittel und Wege aufzeigen, so viel ist mal sicher.<br />
Aus heutiger Sicht käme da nur ein Kaiserschnitt in Betracht. Aber das<br />
wird in der Zukunft -also dann, wenn der Mann mit dem Gebären an der<br />
Reihe ist- mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom Alpha-<br />
Weibchen als unethisch verworfen. Bleibt also nur noch Geburt aus dem<br />
Arschloch. Hinten raus. Hinten unten. Rausgefurzt sozusagen.<br />
Rausgedrückt und abgeseilt. In die Welt geschissen. Hat auch Vorzüge.<br />
Befindet sich das neugeborene Kind gleich auf dem Boden der<br />
Tatsachen. Wird gleich mit der rauen Realität konfrontiert. Was für eine<br />
Scheiß-Welt, möchte es aufschreien, wenn es könnte. Kann es aber noch<br />
nicht, und das ist aber auch besser so. Es wird durch das Stillen an<br />
behaarten Männerbrüsten später gestört genug sein.<br />
52
Wie auch immer: Der Mann trägt die Kinder aus. Furzt sie in die Welt.<br />
Wickelt sie, stillt sie, zieht sie auf. Und wird danach vom Weibchen<br />
aufgefressen. Oder darf niedere Dienste verrichten. Ganz wie es dem<br />
Weibchen beliebt.<br />
Der heutige Mann ist also zumeist Fremdopfer. Seine Opferrolle liegt<br />
unter anderem darin bekräftigt, daß er dem Weibchen überhaupt nicht<br />
mehr widerspricht. Es findet also eine einseitige Einigung zwischen<br />
beiden statt. Ansage und Annahme. Die moderne Frau sagt an, der<br />
moderne Mann nimmt an. Aus Angst vor Sanktionen, wie<br />
beispielsweise sexueller Verweigerung auf unbestimmte Zeit.<br />
Verdeutlichen wir uns das Gesagte an einem Praxisbeispiel: Sie will mit<br />
ihm am Sonntagnachmittag zu ihren Eltern, Kaffee und Kuchen oder<br />
vergleichbarer Mist. Er hingegen will sich lieber die schöne Bundesliga-<br />
Konferenz auf Premiere anschauen. Ohne sie, ohne ihre Eltern und ohne<br />
Kaffee. Aber mit Bier. Und es liegt ihm sehr am Herzen. Folgender<br />
Dialog findet dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit<br />
irgendwann im Laufe des Samstages statt:<br />
Sie: „Wir sind morgen zum Kaffee bei meinen Eltern eingeladen.“<br />
Er: „Alles klar.“<br />
Wahrscheinlich sogar noch eine Nummer krasser, noch eine Nummer<br />
schwuler:<br />
Sie: „Wir sind morgen zum Kaffee bei meinen Eltern eingeladen.“<br />
Er: „Freu` mich.“<br />
Hier opfert unser Mann also ganz bewußt und aus Erfahrung ein<br />
gewisses Verhaltenmuster (hier: das Widersprechen), aus Angst vor den<br />
potentiellen, bekannten Sanktionen (hier: Vorenthaltung des Beischlafs<br />
oder einen in die Fresse). Er weiß, daß es nichts bringt, seiner Frau zu<br />
erörtern, daß er lieber mit einem Sechserpack Krombacher vor der<br />
Glotze säße, um sich zwei stupide Sonntags-Fußballspiele anzusehen.<br />
Die Frau würde es nicht dulden. Allein der Einwand würde mit hoher<br />
53
Wahrscheinlichkeit bereits sanktioniert. Bereits ein skeptischer oder<br />
erschrockener Blick wäre zu viel des Guten. Also lieber nicht blicken,<br />
lieber einfach geradeaus gucken, einfach dummdreist an die Wand<br />
gucken. Mit den Augen konzentriert einen Punkt an der Wand fixieren.<br />
Und dann ganz schnell antworten. „Alles klar.“ oder „Freu` mich.“ und<br />
dabei unabläßlich die Wand anstarren. Ganz unterbelichtet. Im Idealfall<br />
dabei noch etwas Sabber im Mundwinkel und ein leises, langgezogenes<br />
„Öööööhhhhh...“ auf den Lippen. So wie Patrick Star, der knuffige<br />
Seestern bei Spongebob. Öööööhhhhh...<br />
Vor 15 bis 20 Jahren wäre dieser Dialog richtigerweise komplett anders<br />
abgelaufen. Und zwar so:<br />
Sie: „Wir sind morgen zum Kaffee bei meinen Eltern eingeladen.“<br />
Er: „Du Schatz, fahr` doch bitte allein hin und richte schöne Grüße aus.<br />
Sag` ihnen, ich läge mit Grippe im Bett, Du weißt doch, sonntags ist<br />
immer Konferenz.“<br />
Die Idealform des Dialogs, was für ein Fest! Zu einer Zeit, als die Welt<br />
noch in Ordnung war. Eine freundliche, aber bestimmte Antwort. Das<br />
absolute Non-plus-ultra der zivilisierten Kommunikation, Hut ab!<br />
Heutzutage allerdings völlig undenkbar. Allein der Gedanke ist schon<br />
vermessen. Solch eine schnippische Antwort würde unsere postmoderne<br />
Amazone komplett auf die Palme bringen. Also bitte auf keinen Fall<br />
nachmachen, gibt Ärger.<br />
Und vor 50 Jahren wäre es mit an Sicherheit grenzender<br />
Wahrscheinlichkeit zu folgendem Dialog gekommen:<br />
Sie: „Wir sind morgen zum Kaffee bei meinen Eltern eingeladen.“<br />
Er: „WAAAAAS?!“<br />
Egal. Wir wollen also festhalten, daß in der heutigen Zeit zumeist ein<br />
Mann die Rolle des klassischen Fremdopfers besetzt.<br />
54
Weshalb sollte Gier gut für uns sein, wenn sie auf Zellebene zur<br />
Zerstörung führt?! Denn schließlich ist Gier der Grundfehler der<br />
Krebszellen.<br />
dd) Weitere Gründe<br />
55<br />
(Deepak Chopra)<br />
Wir haben mit Angst, Logik und Erfahrung nunmehr drei plausible<br />
Gründe für die Motivation zur Erbringung eines Opfers definiert. Wir<br />
haben ferner feststellen können, daß jeder dieser drei Gründe selten für<br />
sich allein steht, sondern vielmehr in einer Art Koexistenz zu den beiden<br />
anderen. Also Angst gepaart mit Erfahrung oder Logik gepaart mit<br />
Angst oder was weiß ich.<br />
Bei dem Kerl mit der toten Katze am Anfang dieses Kapitels ist es nicht<br />
nur Angst, die ihn von seinem perversen Treiben abhält. Daneben ist es<br />
vielleicht auch Erfahrung. Weil die Müllabfuhr die Whiskas-Säcke<br />
schon dreimal stehen ließ. Oder auch noch Logik. Weil die Säcke<br />
mittlerweile so stinken, daß man eine krasse Gasmaske im Haus tragen<br />
muß. Logischerweise wird unser Kerl die Säcke dann in den Kofferraum<br />
packen und nachts an irgendeiner Autobahnabfahrt entsorgen.<br />
Oder der Blitzer in dem anderen Beispiel. Ich habe ihn seinerzeit aus<br />
tiefgehender, logischer Überzeugung anzünden müssen, keine Frage.<br />
Doch neben dieser Logik auch aus Angst und Erfahrung. Angst, den<br />
Führerschein entzogen zu bekommen. Zu Fuß gehen zu müssen. Das<br />
Rad zu nehmen. Oder irgendeine bekackte Mitfahrgelegenheit,<br />
womöglich noch den Scheiß-Bus. Vielleicht auch aus Erfahrung. Daß<br />
die Pappe gewiß weg ist, weil ich da nicht zum ersten Mal mit 140<br />
Sachen durchgeballert bin. Daß ich vielmehr kurz vor einem<br />
hochoffiziellen Schreiben aus Flensburg stehe. Die Motive vermischen<br />
sich also, und das ist auch gut und richtig so, aber eigentlich auch egal.
Neben Angst, Logik und Erfahrung gibt es weitere Gründe für die<br />
Motivation zur Erbringung eines Opfers. Geilheit zum Beispiel. Geilheit<br />
ist auch oft Motivation. Ein Mann ist beispielsweise so besoffen und<br />
notgeil, daß er eine ganz fiese Schabracke pimpert. Ganz klassisches<br />
Fremdopfer-Verhalten. Der eigene Anspruch an eine halbwegs<br />
gescheite Frau wird im Vollrausch zugunsten banaler Vögelei mit einer<br />
x-beliebigen, absurden Dorfmatratze geopfert.<br />
Oder Gier. Das naive, kleine Girlie läßt sich ganz fein casten. Bei<br />
Topschnute Heidi Klum zum Beispiel. Es hüpft mit ihren 40 Kilo<br />
Lebendgewicht im Bikini und vor Kälte zitternd nachts irgendwo in<br />
Manhattan im Regen herum, und irgendein Starfotograf knipst es dabei.<br />
Es nimmt an einem Fotoshooting teil! Hach, sind wir heute wichtig.<br />
Very professional! Ist das alles aufregend! Uiuiui... Unser Girlie opfert<br />
also jedwedes Selbstwertgefühl für die schizophrene Vorstellung, durch<br />
ein grenzdebiles TV-Format berühmt oder sogar reich zu werden.<br />
Vielleicht auch nur, um die eigene dumme Fresse mal im TV zu sehen.<br />
Und den ganzen Bullshit aufzuzeichnen. Kann man ja später mal den<br />
Kindern zeigen. Seht her, Mama war mal im Fernsehen. Meine Fresse.<br />
Leider doch ein ganz schlechtes Beispiel. Unser seichtes Girlie ist<br />
nämlich vielmehr Eigen- als Fremdopfer. Dazu im Folgekapitel mehr.<br />
Nichtsdestotrotz kann auch Gier Motivation für die Erbringung eines<br />
Opfers sein. Geldgier, Drogengier, Machtgier, Sonstwasgier. Im<br />
Endeffekt kann nahezu jedes menschliche Bedürfnis, jedes Verlangen,<br />
jedes Gefühl Motivation zur Erbringung eines Opfers sein.<br />
Für uns ist damit die Motivation und die charakterliche Definition des<br />
Fremdopfers ausreichend beschrieben. Unser Fremdopfer muß also<br />
etwas hergeben oder auf etwas verzichten, obwohl es (eigentlich)<br />
überhaupt nicht möchte.<br />
56
Wenn ein Intelligenter die falsche Sache vertritt, ist das noch<br />
schlimmer, als wenn ein Dummkopf für die richtige eintritt.<br />
b) Eingliederung<br />
57<br />
(George Clemenceau)<br />
Halten wir uns unsere bisherige Hierarchie noch einmal vor Augen. Wir<br />
haben den Idioten und den Vollidioten charakterisiert:<br />
Bezeichnung<br />
Fremd-<br />
wahrnehmung<br />
Eigen-<br />
wahrnehmung<br />
tatsächlicher<br />
Status<br />
Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />
smart recht zufrieden recht zufrieden<br />
smart<br />
Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />
Mit unserem Fremdopfer taucht nun eine dritte Figur auf, die es in<br />
diesen Rahmen einzuordnen gilt.<br />
Da unser Fremdopfer bereit und in der Lage ist, sich mit einer kritischen<br />
Situation auseinanderzusetzen bzw. sogar schlußfolgern kann, daß es in<br />
einer gewissen Situation unumgänglich ist, aus diversen Gründen ein<br />
Opfer zu erbringen, muß von einer gewissen Grundintelligenz<br />
ausgegangen werden.<br />
Es verhält sich hier also nicht wie bei unserem stets sehr dummen bis<br />
völlig debilen Vollidioten mit nicht vorhandener Eigenwahrnehmung,<br />
sondern eher wie bei unserem smarten, normalen Idioten. Im einzelnen<br />
verhält es sich wie folgt:
Ein guter Chef nimmt heute von seinen Mitarbeitern weitaus mehr<br />
Belehrungen entgegen, als er diesen erteilt. Das ist jedenfalls meine<br />
Erfahrung. Und das ist auch unvermeidlich. Denn erstens sind die<br />
Mitarbeiter, wie es auf bayerisch heißt, „die Mehreren“. Und zweitens<br />
kennt sich der mit einem Spezialgebiet befaßte Mitarbeiter im Zweifel in<br />
diesem besser aus als sein Chef. Jedenfalls ist es seine Aufgabe, sich<br />
besser auszukennen.<br />
aa) Fremdwahrnehmung<br />
58<br />
(Manfred Rommel)<br />
Unser Fremdopfer wir von unbeteiligten Dritten meist auch als solches<br />
erkannt und bemitleidet. Man sieht eine normal dumme bis zuweilen<br />
recht clevere Person vor sich, die nicht so kann bzw. soll, wie sie gern<br />
könnte oder möchte. Eine überaus tragische Figur, fürwahr. „Hey Du,<br />
mach` zu, mach` zu, trau` Dich nur!“ möchte man unser Fremdopfer<br />
ermutigen. Aber es wird nichts nützen. Einmal drinnen, kommt man aus<br />
der Fremdopferrolle so gut wie nicht mehr raus. Es wird sehr schwer,<br />
sogar sehr, sehr schwer. Es läßt sich kaum in Worte fassen, wie schwer<br />
das wird. Es ist nahezu unmöglich.<br />
Den größten Fremdopferanteil findet man traurigerweise im normalen<br />
Berufsalltag. Wer kennt sie nicht, die Situation: Man hat einen<br />
todlangweiligen Drecksjob als kaufmännischer Angestellter in<br />
irgendeiner lohlappigen 08-15-Klitsche. Eine ausgemachte Mistbude,<br />
die irgendeinen Scheißdreck herstellt und vertreibt. Vielleicht<br />
irgendwelche Rohre oder Muffen. Oder Schrauben. Zurrgurte vielleicht.<br />
Irgendwas total Spannendes eben. Und man ist persönlich für die<br />
Beschaffung des dazugehörigen Materials zuständig. Man kauft also<br />
Blech oder Garn oder sowas ein, damit andere Knechte daraus<br />
irgendeinen Blödsinn basteln können. Vielleicht ist man ja sogar ein<br />
kaufmännischer Sachbearbeiter. Unfaßbar, wie geil das ist.
Und als wäre das eigene, tagtägliche Leid in diesem Drecksjob nicht<br />
schon Bestrafung genug, muß man sich in den meisten Fällen auch noch<br />
permanent mit irgendeinem völlig inkompetenten und inkontinenten<br />
kackfrechen Riesen-Arschloch von Vorgesetzten oder Abteilungsleiter<br />
auseinandersetzen. Eine Witzfigur, die von Tuten und Blasen keine<br />
Ahnung hat. Ein Mistviech. Das man eigentlich auf den Hinterhof<br />
zerren und erschießen müßte. Ein ganz großer Peniskopf mit einer<br />
monumental großen Schnauze. Und null Peilung noch dazu. Ein<br />
vehementer Schwachkopf, ein Hoschi, ein Oimel, ein Affenkopf.<br />
Den man am liebsten mit der hohlen Birne zuerst in Zuckerguß tauchen<br />
und danach kopfüber in einen Ameisenbau stecken möchte. Und danach<br />
noch einen Ameisenbär auf den Kopf drauf, zack. Eine bizarre<br />
Vorstellung! Aber durchaus lustig. Und angemessen. Oder einen Mett-<br />
Igel auf den Kopf drauf, schön Halb und Halb, und dann ab ins<br />
Löwengehege. Wäre auch eine überaus angebrachte Behandlung.<br />
Allerdings nicht so lustig wie die Geschichte mit dem Ameisenbären,<br />
das sollte vorher klar sein.<br />
Alles in allem also ein selten dummes Schwein.<br />
Vielleicht sollten wir ihm lieber die Genitalien in ein Salzfaß tunken<br />
und ihn dann nackt ausziehen und mit Sekundenkleber am Arsch an den<br />
Innenzaun eines Ziegenbock-Geheges kleben. Der würde johlen, mäh.<br />
Vielleicht hat der da auch noch Spaß dran?! Das gibt`s doch wohl nicht,<br />
so eine alte Sau! Da hört der Spaß jetzt aber auf!<br />
Also dann doch lieber den guten, alten LSD-Trip im Nudelsalat, und<br />
danach schön ins Kino zum großen Splatter-Marathon. Saw 1 bis 5 oder<br />
die ganze Zombie-Holocaust-Reihe oder so. Das sollte eigentlich<br />
reichen. Danach wird sich unser Affenkopf mal ein paar Gedanken über<br />
alles machen. Nein, Späßchen: Nach acht Stunden Saw oder Texas<br />
Chainsaw auf LSD wird sich unser Affenkopf nie wieder irgendeinen<br />
Gedanken über irgendetwas machen können, so viel ist mal sicher. Aber<br />
ist ja auch nicht das Schlechteste. Also machen wir es so, ziehen wir es<br />
so durch. Und zack, wieder einmal konnte ein grundlegendes,<br />
zwischenmenschliches Problem durch die Anwendung hochdosierter,<br />
synthetischer Drogen behoben werden. Glückwunsch.<br />
59
Nein, Spaß beiseite. Denn genau hier haben wir eines der größten<br />
Fremdopfer unserer modernen Gesellschaft vorliegen: Wir erschießen<br />
die Ameisen-Birne nicht. Wir ziehen ihr auch nicht unser 9er-Eisen<br />
durch die Visage oder das sprichwörtliche Fell über die Ohren. Und<br />
auch nicht zu den Ziegenböcken oder auf Crack in einen besonders<br />
ausgefallenen Kannibalen-Film. Nein, das unterlassen wir alles. Wir<br />
bleiben lieber höflich und freundlich sitzen und machen gar nichts.<br />
Überhaupt nichts. Wir erzählen dem Mett-Igel sogar noch ganz keck<br />
und unverfroren, wie froh und dankbar wir doch sind, daß wir so einen<br />
ejakulationsverdächtig geilen Job haben dürfen. Daß es schon immer<br />
unser größter Wunsch war, eines Tages mal Garne oder Sockelleisten<br />
oder sogar Aluminium-Zuschnitte für so eine überaus tolle und<br />
sensationell renommierte Firma einkaufen zu dürfen. Unser<br />
Lebenstraum, echt jetzt. Sachbearbeiter aus Leidenschaft, heiliger<br />
Bimbam. Geil, geil, geil. Endgeil, geiler geht nicht mehr. Besten Dank<br />
dafür, Glückwunsch, bla.<br />
Das war jetzt zugegebenermaßen etwas ironisch portraitiert. Fakt bleibt<br />
jedoch, daß unsere normalen Angestellten und Arbeiter heutzutage ganz<br />
tragische Fremdopfer sind, denen zudem noch größte Opfer abverlangt<br />
werden. Allem voran, Vorgesetzte nicht abzustrafen oder zu<br />
mißhandeln, wie sie es eigentlich verdient hätten. Dieses Verhalten bzw.<br />
dieses Opfer erkennen und honorieren Außenstehende, was das<br />
Fremdopfer insgesamt zu einer tragischen, jedoch positiven Figur<br />
macht. Sozusagen zu einer positiv-tragischen Figur.<br />
Und eines dürfte spätestens jetzt auch langsam klar werden: Ohne<br />
unsere Fremdopfer wäre die komplette Gesellschaft und insbesondere<br />
unsere Wirtschaft voll am und im Arsch.<br />
Merke: Das Fremdopfer ist -genau wie der Idiot- immens wichtig für die<br />
Aufrechterhaltung unserer zivilisierten Gesellschaft. Unter<br />
Berücksichtigung der beängstigend stark ansteigenden Vollidioten-<br />
Quote hätten wir sonst ganz schnell sehr bizarre und obskure Zustände,<br />
fast wie in Holland.<br />
60
Bender, Du mußt mir hoch und heilig versprechen, daß Du Dich nicht<br />
hinter`s Steuer setzt ohne ein alkoholisches Getränk in Deiner Hand.<br />
bb) Eigenwahrnehmung<br />
61<br />
(Turanga Leela)<br />
Leider nimmt sich das Fremdopfer selbst nicht als solch positive Figur<br />
wahr. Leider, leider. Aber wer will es ihm verübeln?<br />
Im Gegensatz zum normalen Idioten, der sich selbst als recht zufrieden<br />
wahrnimmt, ist unser Fremdopfer eher unzufrieden. Was auch völlig in<br />
Ordnung ist, angesichts oben beschriebener Zustände. Unser<br />
Fremdopfer merkt aufgrund vorhandener Grundintelligenz, daß es<br />
irgendwie durch irgendwas oder irgendwen gebremst wird. Daß alles<br />
viel besser laufen könnte, wen man unser Fremdopfer nur mal machen<br />
ließe. Bisweilen neigt unser Fremdopfer also zu einem leichten Anflug<br />
von Anarchie. Natürlich nur innerlich. Nach außen hin darf man so<br />
etwas nämlich nicht zeigen.<br />
Unser Fremdopfer stellt sich demzufolge immer öfter die Was-wärewenn-Frage.<br />
Was würde denn passieren, wenn man mal so dürfte, wie<br />
man könnte. Wenn man mal sein volles Potential, welches permanent<br />
aus nicht nachvollziehbaren Gründen unterdrückt bzw. geopfert werden<br />
muß, entfalten könnte?<br />
Nehmen wir mal die Polizei. Polizisten sind ganz klassische Fremdopfer<br />
mit entsprechender Eigenwahrnehmung. Meist sind sie dazu<br />
gezwungen, vernünftiges Handeln zu verwerfen (also zu opfern), weil es<br />
ihnen ganz einfach untersagt ist. Durch Gesetz, durch ihren Polizisten-<br />
Eid, durch sonstwas. Der durchschnittliche Polizist weiß nämlich meist<br />
ganz genau, wie in einer Situation vernünftig zu handeln wäre, gäbe es<br />
nicht Gesetz oder diesen komischen Eid.
Tun wir mal so, als ob: Wir fahren mit unserem Auto in eine Disco, in<br />
einen Club oder zu einem Event in einer Location, wie man so schön<br />
sagt. Nachdem wir die ersten ein, zwei Stunden Cola getrunken haben,<br />
weil wir heute Fahrer sind, treffen wir dann doch den Entschluß, auf<br />
alkoholische Getränke umzusteigen. Was natürlich auch Sinn macht.<br />
Bestimmt hat sich jeder von uns schon einmal gefragt bzw. gewundert,<br />
was das für schräge Vögel sind, die von 23 Uhr nachts bis 5 Uhr<br />
morgens komplett ohne Alkohol und Drogen in der Disse durchfeieren.<br />
Also nüchtern! Vielleicht zwei kleine Cola in den sechs Stunden. Sonst<br />
nichts. Wie kann denn sowas sein? Also entweder haben die keine<br />
Kohle für Stoff oder einen kompletten Lattenschlag. Eines von beiden.<br />
Wir haben bei Geldknappheit früher mit Hansa-Pils oder Rotwein aus<br />
dem Tetrapack vorgeglüht, aber sowas?! Keine Ahnung, aber wir<br />
schweifen auch langsam ab.<br />
Der Konsum von Alkohol und synthetischen Drogen jeder Art ist also<br />
elementares Grundbedürfnis bei unserem Disco-Besuch. Weiß man<br />
eigentlich auch vorher schon. Die ein, zwei Stunden Cola-Saufen am<br />
Anfang sind nur für die Galerie. Man hätte ja gekonnt, wenn man<br />
gewollt hätte und so weiter, bla. Also ballern wir uns mit allerlei<br />
verfügbarem Material die Birne zu, bis wir ganz winzig kleine Augen<br />
haben und wie eine Spitzmaus aus der Wäsche gucken. Und entscheiden<br />
dann sternhagelvoll, trotzdem selbst mit dem Auto nach Hause zu<br />
fahren, was auch zu begrüßen ist.<br />
Die Gründe für unsere Fahrt im Vollrausch können vielschichtig sein.<br />
Vielleicht hat man sich ab 1,8 Promille getraut, Kontakt zu einem<br />
Weibchen aufzunehmen. Und möchte dieses dann schnellstmöglich in<br />
den eigenen vier Wänden besteigen. Bevor es zu besoffen ist oder ein<br />
anderer Asi es tut. Also rein ins Auto und ab nach Hause. Oder es<br />
hängen zwielichtige Figuren ausländischer Herkunft auf dem Parkplatz<br />
herum, und man hat deshalb Angst, das Auto über Nacht dort stehen zu<br />
lassen. Üblicherweise fehlt nämlich tags darauf der Mercedes-Stern.<br />
Oder der ganze Benz ist weg. Soll auch vorkommen.<br />
Wie auch immer, man entscheidet sich klaren Verstandes und reinen<br />
Gewissens nach langem Überlegen zu einer sogenannten<br />
Trunkenheitsfahrt. Zum einen geht das in 99,9% aller Fälle gut. Zum<br />
62
anderen können wir als Gewohnheitstrinker mit 2,2 Promille eh immer<br />
noch besser fahren als andere nüchtern. Außerdem ist unser Verstand<br />
durch den exzessiven Konsum von Kokain und Amphetamin so klar und<br />
wachsam wie schon lange nicht mehr. Sogar unser Taxigeld haben wir<br />
verkokst, was für eine Überraschung. Es liegen also ideale<br />
Voraussetzungen für eine Trunkenheitsfahrt vor.<br />
Also versuchen wir, unser Auto zu finden, um dann selbst nach Hause<br />
zu fahren. Dagegen ist nichts einzuwenden. Findet eigentlich auch die<br />
Polizei. Eigentlich. Doch was wird tatsächlich passieren, wenn wir 200<br />
m vor unserer Haustür am Steuer angehalten werden?<br />
Wäre unser Polizist nicht Fremdopfer, käme es zwischen ihm und uns<br />
nun zu einem charmanten, vor Wortwitz sprühenden und aufgrund<br />
unseres Drogenkonsums sehr warmherzigen Dialog. Nach einer<br />
freundlichen Begrüßung und dem obligatorischen Vorzeigen von<br />
Führerschein und Fahrzeugschein würde unser Polizist nun nicht die<br />
selten dämliche Frage stellen, ob wir Alkohol getrunken oder Drogen<br />
genommen hätten. Wozu auch?! In unserer Karre stinkt es wie in einer<br />
drittklassigen Hafenkneipe, wir selbst haben eine Fackel wie ein toter<br />
Russe, und beim Leuchten der Taschenlampe in unsere Augen zucken<br />
wir zurück wie ein Vampir im Sonnenlicht.<br />
Deswegen erspart sich unser moderner Polizist diese dilettantische<br />
Frage. Was sollten wir auch antworten? „Nein.“? „Weiß nicht.“? „Ist<br />
das eine Fangfrage?!“? So dämlich die Frage, so dämlich sind auch die<br />
potentiellen Antworten.<br />
Unser moderner Polizist bittet uns nun, auszusteigen, um mit uns in<br />
einen Dialog zu treten. Auf den Einsatz des Atemalkohol-Meßgerätes<br />
wird zunächst verzichtet, weil dies uns schlagartig unsere gute Laune<br />
verderben könnte. Und das gehört sich nicht an einem schönen<br />
Samstagabend, das paßt nicht. Und unser Polizist weiß das auch, weil er<br />
sehr gute Manieren hat. Gegenüber uns zumindest. Also versucht unser<br />
Polizist zunächst, unseren Trunkenheitsgrad auf andere Art und Weise<br />
festzustellen, nämlich im Gespräch. Vielleicht danach noch ein wenig<br />
geradeaus gehen oder einen Kopfstand machen, aber zunächst wird sich<br />
unterhalten. Das könnte so aussehen:<br />
63
Polizist: Schönen guten Abend. Polizei. Leider müssen wir Sie<br />
anhalten, weil Ihr linkes Bremslicht defekt ist.<br />
Fahrer: Ja, weiß ich, ist schon seit zwei Wochen kaputt.<br />
Polizist: Ach so. Na dann will ich mal nichts gesagt haben. Dann<br />
wissen Sie es ja schon.<br />
Fahrer: Genau.<br />
Polizist: Um ehrlich zu sein, haben wir Sie schon im Visier, seit<br />
Sie vorhin die Disco ... verlassen haben. Ihr Gang war<br />
stark schwankend, sie haben lauthals gesungen, und kurz<br />
vor Ihrem Auto haben Sie beim Urinieren in die Büsche<br />
erbrochen. Was war denn da los? Fühlen Sie sich nicht<br />
gut? Haben Sie vielleicht etwas Falsches gegessen?<br />
Fahrer: Ach iwo, mir geht`s blendend. Ich bin sturzbesoffen,<br />
und vorhin beim Pissen lief mir die letzte Nase Koks so<br />
bitter den Hals runter, daß ich kotzen mußte. Aber sonst<br />
ist alles in Ordnung, alles im grünen Bereich, Chef.<br />
Polizist: Ja, das hört man auch ganz klar an Ihrem glasklaren<br />
Artikulationsvermögen. Überhaupt ist Ihr Fahrstil die<br />
ganze Zeit sehr gut und sicher gewesen. Sehr<br />
vorbildlich, Hut ab.<br />
Fahrer: Na klar, ist ja auch nicht das erste Mal.<br />
Polizist: Na dann weiterhin noch gute Fahrt und einen schönen<br />
Abend mit der heißen Biene da neben Ihnen. Treiben<br />
Sie`s nicht zu dolle. Auf Wiedersehen.<br />
Fahrer: Bis dann. Tschö.<br />
64
Phantastisch! Ein Dialog, wie er sinnvoller nicht mehr sein kann.<br />
Unglaublich. Überhaupt war die ganze Situation sehr entspannt und<br />
kollegial. Wir waren ehrlich und konnten den Polizeibeamten damit<br />
überzeugen. Aufgrund unseres ehrlichen und souveränen Auftretens hat<br />
unser lieber Polizist dann auch instinktiv richtig gehandelt und uns<br />
weiterfahren lassen. Eine schöne Geste, eine sehr faire Geste. Quasi als<br />
Belohnung für unsere Aufrichtigkeit und unseren vorbildlichen Fahrstil.<br />
So sollte es sein, und in Honkland wäre das auch so.<br />
Leider sind wir aber (noch) nicht in Honkland, sondern in der Realität.<br />
Und die sieht dann doch nicht mehr ganz so rosig aus. Denn in der<br />
Realität ist unser Polizist Fremdopfer und darf wie eben beschrieben<br />
nicht agieren. Nicht mehr. Denn vor ein, zwei Jahrzehnten hätten wir<br />
nach einer ernsten Ermahnung und dem feierlichen Gelöbnis, nie wieder<br />
besoffen zu fahren, die restlichen 200 m bis nach Hause fahren dürfen,<br />
um dort unseren Vollrausch auszuschlafen. Aber heute geht das so nicht<br />
mehr. Heutzutage geht es gleich voll scharf, und das ist ungeheuerlich<br />
und sehr ärgerlich. Weil sich im Laufe der letzten Jahre immer mehr<br />
Vollidioten, Asis, Teenies und andere Gehirnakrobaten besoffen hinter`s<br />
Steuer gesetzt und dann irgendeinen Bockmist verzapft haben, mußte<br />
der Gesetzgeber irgendwann einschreiten. Und die ehemals so<br />
populären und gern gesehenen Trunkenheitsfahrten ganz radikal<br />
reglementieren. Und das kann einen als souveränen und abgebrühten<br />
Trunkenheitsfahrer echt auf die Palme bringen.<br />
Als müßte man nicht schon genug büßen, indem man Vollidioten und<br />
Konsorten die ganze Vögelei und Kinderkriegerei und den ganzen<br />
anderen Blödsinn finanziert. Jetzt nehmen sie einem auch noch das<br />
schöne Privileg der Trunkenheitsfahrt, ja quasi das Recht auf<br />
Trunkenheitsfahrt. Teilweise sogar die Pflicht zur Trunkenheitsfahrt,<br />
wenn alle anderen noch besoffener sind. Ist doch so. Echt voll zum<br />
Kotzen. Irgendwo ist man da auch schon fast so eine Art Fremdopfer.<br />
Unsere Begegnung mit der Polizei wird also ziemlich ernüchternd<br />
verlaufen. Erschreckend ernüchternd sogar. Ernüchternd aber leider nur<br />
im Hinblick auf das Ergebnis, denn wir selbst bleiben weiterhin voll wie<br />
ein Putzeimer, was uns nun ärgerlicherweise zum Verhängnis wird. Wir<br />
werden also sternhagelvoll und abgespeeded wie ein Radieschen von<br />
der Polizei angehalten. Glückwunsch, Jackpot.<br />
65
Diskutiert wird von Anfang an gleich mal gar nicht. Vielmehr spielt<br />
sich eine Szenerie ab, die an ein frühes Stasi-Verhör in der DDR<br />
erinnert. Zackige Begrüßung. Salut! Führerschein & Fahrzeugschein.<br />
Zack, zack. Pusten. Auweia. Scheiße. Zu viel. Sicherstellung unseres<br />
Führerscheines. Sicherstellung! Und zack, ab in die grüne Minna. Auf<br />
zur Wache. Endlos viele dumme Fragen. Fahrzeugschlüssel weg. Arzt<br />
kommt. Blutabnahme. Noch mehr dumme Fragen. Abenteuerliche<br />
Rumhampelei. Dann Taxi, nach Hause, noch fünf Weizenbier rein, und<br />
ab ins Bett. Am nächsten Morgen: Fuck! Haßkappe! Ein ganz schlechter<br />
Film. Pay-TV. Kopfsalat. Ist das wirklich alles passiert?!<br />
Ja, tragischerweise ist alles genau so passiert. Und die grün-weißen<br />
Spitzbuben haben uns nicht nur Autoschlüssel und Restkoks<br />
weggenommen. Vielmehr müssen wir bei einem flüchtigen Blick in<br />
unsere Brieftasche erschrocken feststellen, daß auch unser Lappen fehlt!<br />
Den haben die auch, der wurde nämlich sichergestellt! Was für ein Fest.<br />
Sichergestellt! Uiuiui! Saddams Plutonium kann man sicherstellen.<br />
Oder irgendwelche Sowjet-Geheimpläne zum Bau einer<br />
Strahlenkanone. Aber nein, unser Lappen wird sichergestellt. Und unser<br />
Auto steht auch nicht da, wo es eigentlich stehen sollte. Ätzend.<br />
Es ist nun eine Situation eingetreten, die für alle Beteiligen völlig<br />
unbefriedigend ist: Wir mußten bis frühmorgens vollbreit auf der<br />
Polizeiwache rumkaspern, statt ordentlich zugedröhnt eine geile<br />
Brünette zu vögeln. Denn der geilen Brünetten war das dann auch mal<br />
irgendwann zu blöd. Dieser ganze Tamtam mit den Grün-Weißen und<br />
die ganze hohle Phrasendrescherei, von wegen Sicherstellung und so.<br />
Da ist ihr mal so richtig schön alles vergangen. Aber gründlich. Also hat<br />
sie sich irgendwann aus dem Kaspertheater ausgeklinkt, ist allein zu<br />
sich nach Hause gegangen und hat es sich dort dann ganz fein selbst<br />
besorgt. Was für eine Verschwendung, was für eine Ironie.<br />
Naja, und der betroffene Polizist hätte natürlich auch viel lieber mal ein<br />
Auge zugedrückt. Wohlwissend, was da gleich für eine Sauerei bei mir<br />
zu Hause mit dem Brünettchen abgegangen wäre. Meine Fresse. Aber er<br />
ist ja nun einmal Fremdopfer. Und als solches darf er eben nicht. Als<br />
Fremdopfer muß er leider den sprichwörtlichen Stock im Arsch haben,<br />
ob er will oder nicht. Was für eine Tragik.<br />
66
Am nächsten Morgen wird sich unser Polizist dann auch selbst als<br />
Fremdopfer wahrnehmen. Beim Frühstück ist er total übel gelaunt. Er<br />
könnte glatt drauflos heulen. Am liebsten wäre er sogar im Bett<br />
liegengeblieben und hätte sich krank gemeldet, so übel ist er jetzt<br />
gelaunt. Er muß sich sogar richtig zusammenreißen, um nicht mit seiner<br />
Dienstwaffe einen Warnschuß abzugeben. So fies ist der jetzt drauf, so<br />
schlecht steht es um sein Mütchen. Und man kann es ihm nicht einmal<br />
übel nehmen.<br />
Denn gerade wird ihm bewußt, daß er letzte Nacht mal wieder gegen<br />
seinen Willen zum wehrlosen Fremdopfer prostituiert wurde. Indem er<br />
einem zwar alkoholisierten, aber jederzeit charmanten und vorbildlichen<br />
Autofahrer die Fahrerlaubnis entziehen mußte. Bei dem Gedanken daran<br />
steht ihm die Schamröte ins Gesicht geschrieben. Es wurmt unseren<br />
Polizisten an diesem Morgen so heftig, daß ihm die frisch gewaschenen<br />
Haare zu Berge stehen, als er sich zu seiner Frau an den reichhaltig<br />
gedeckten Frühstückstisch setzt. Was für ein Drama, er könnte glatt aus<br />
der Haut fahren.<br />
Und wenn seine Frau ihn jetzt fragt, was denn los sei, wird er ihr unter<br />
Tränen die ganze Geschichte erzählen. Daß er mal wieder Dienst nach<br />
Vorschrift machen mußte. Schluchz. Daß er ein notgeiles, besoffenes<br />
und zugekokstes Paar durch das starre Befolgen nicht mehr zeitgemäßer<br />
Vorschriften um eine endgeil verschärfte Nacht gebracht hat. Heul. Und<br />
daß er sich selbst auch gern mal wieder ordentlich die Nase pudern und<br />
dann mit seiner Alten wie ein Kesselflicker hökern möchte. Jaul. Denn<br />
so schlecht, wie alle immer sagen, findet unser Polizist das dann doch<br />
wieder nicht. Snief. Aber das darf er lieber keinem sagen.<br />
Tut aber alles auch nicht weiter zur Sache, sowas geht nämlich nicht,<br />
denn unser Polizist ist und bleibt Fremdopfer. Das muß er in dieser<br />
Sekunde leider wieder selbst erkennen. Und er ist nicht sehr zufrieden<br />
damit. Er ist absolut nicht zufrieden damit. Er ist sogar ziemlich<br />
unzufrieden damit.<br />
67
Laß die Leute reden, und lächle einfach mild, die meisten Leute haben<br />
ihre Bildung aus der BILD. Und die besteht nunmal, wer wüßte das<br />
nicht, aus Angst, Haß, Titten und dem Wetterbericht.<br />
cc) Tatsächlicher Status<br />
In unserer Tabelle sieht unser Fremdopfer bislang also so aus:<br />
Bezeichnung<br />
Fremd-<br />
wahrnehmung<br />
68<br />
Eigen-<br />
wahrnehmung<br />
(Die Ärzte)<br />
tatsächlicher<br />
Status<br />
Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />
smart recht zufrieden recht zufrieden<br />
smart<br />
Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />
Fremdopfer normal dumm irgendwie clever<br />
positiv unzufrieden<br />
tragisch<br />
Bleibt demnach nur noch der tatsächliche Status unseres Fremdopfers<br />
festzustellen. Dieser liegt irgendwo in der Mitte zwischen Eigen- und<br />
Fremdwahrnehmung.<br />
aaa) Mentale Ebene<br />
Unter Punkt bb) dieses Kapitels haben wir bereits feststellen können,<br />
daß unser Fremdopfer über eine gewisse Grundintelligenz verfügt. Weil<br />
es bereit und in der Lage ist, zu erkennen, daß es irgendwie durch<br />
irgendwas oder irgendwen gebremst wird. Diese Grundintelligenz liegt<br />
demnach irgendwo zwischen normal dumm und irgendwie clever.
Irgendwie clever insoweit, daß unser Fremdopfer seine Lage erkennt.<br />
Und normal dumm andererseits, weil es nichts daran ändert. So einfach<br />
ist das. Nicht mehr, nicht weniger. Daher sollten wir uns auf die<br />
Charakterisierung fast clever einigen, wenn keiner was dagegen hat, was<br />
aber wohl nicht der Fall sein dürfte.<br />
bbb) Emotionale Ebene<br />
Auf der emotionalen Ebene haben wir positiv und tragisch als<br />
Fremdwahrnehmung und unzufrieden als Eigenwahrnehmung. Wie sieht<br />
es hier tatsächlich aus? Wie steht es tatsächlich um unser Fremdopfer?<br />
Von den genannten Attributen trifft positiv am ehesten den Kern. Allein<br />
schon die unter Punkt aa) herauskristallisierte Theorie, daß die<br />
komplette Wirtschaft bzw. sogar die ganze Gesellschaft ohne<br />
Fremdopfer voll am und im Arsch wäre, wiegt so schwer, daß jede<br />
andere Attribution jenseits von positiv an sich schon als ziemlich<br />
schlechter Witz bezeichnet werden muß<br />
Und bei aller Tragik und Unzufriedenheit wollen wir doch nicht<br />
vergessen, daß sich die dargestellten Personen nicht komplett in ihrer<br />
Rolle als Fremdopfer verlieren. Obwohl sie es sicher könnten. Und man<br />
könnte es ihnen nicht einmal verübeln. Doch nein, nichts da. Sie stehen<br />
erhobenen Hauptes, wie der Fels in der Brandung, zumindest innerlich.<br />
Sie trotzen ihrem Schicksal, ohne sich komplett zu fügen, ohne sich<br />
selbst zu verleugnen. Na, wenn das nicht positiv ist! Wenn wir da nicht<br />
noch alle was von lernen können.<br />
Der tatsächliche Status des Fremdopfers ist so radikal positiv, daß sich<br />
eine ziemlich bekannte Tageszeitung mit vier großen Buchstaben<br />
komplett auf die Zielgruppe der Fremdopfer eingeschossen hat. Kleiner<br />
Tip: Der Name der Zeitung beginnt mit B und endet mit D. Und<br />
Herausgeber ist der Axel-Springer-Verlag. Ach ja, und meist finden sich<br />
sehr sinnvolle Schlagzeilen wie diese auf der ersten Seite:<br />
Elektriker verhaftet! Jetzt ist es aus mit der Schwarzarbeit!<br />
69
Hurra! Welches Fremdopfer liest so etwas nicht gern?! Denn es<br />
bestätigt unser Fremdopfer auf seinem Weg. Weil es selbst vorbildlich<br />
Steuern zahlt und alles akkurat abrechnet. Weil es selbst auf<br />
Schwarzarbeit verzichtet, obwohl es weiß, daß Schwarzarbeit an sich<br />
eine feine und äußerst lukrative Sache ist. Und nun zu sehen, wie ein<br />
anderer Arsch eben wegen Schwarzarbeit inhaftiert wird, bestätigt unser<br />
Fremdopfer auf seinem Pfad der Tugend. Ganz klar, daß unser<br />
Fremdopfer bei der Lektüre dieser anspruchsvollen Schlagzeile<br />
innerlich frohlockt und ihm aber auch ein Stein vom Herzen fällt.<br />
Skandal! Polnische Billigarbeiter klauen unsere Arbeitsplätze!<br />
Auch eine gern gelesene Schlagzeile, die unsere Fremdopfer sehr<br />
wohlwollend zur Kenntnis nimmt. In dem Wissen, selbst einen<br />
absoluten Kackjob zu haben. Aber daneben scheint es ja wohl noch Jobs<br />
zu geben, die noch viel beschissener sind. Ja sogar Jobs, die geklaut<br />
werden. Ist das zu fassen?! Blitzartig relativiert sich das eigene Übel im<br />
eigenen Drecksjob. Ist ja dann doch alles nicht ganz so schlimm, gibt ja<br />
noch viel größeren Mist. Und das macht unserem Fremdopfer Mut, ja,<br />
das gibt Hoffnung, das gibt die Vitamine zurück!<br />
Unser Fremdopfer kann also tatsächlich nur als positiv charakterisiert<br />
werden, wobei gewisse tragische Grundzüge nicht vernachlässigt<br />
werden dürfen. Die tabellarische Eingliederung unseres Fremdopfers ist<br />
damit abgeschlossen:<br />
Bezeichnung<br />
Fremd-<br />
wahrnehmung<br />
70<br />
Eigen-<br />
wahrnehmung<br />
tatsächlicher<br />
Status<br />
Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />
smart recht zufrieden recht zufrieden<br />
smart<br />
Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />
Fremdopfer normal dumm irgendwie clever fast clever<br />
positiv unzufrieden positiv<br />
tragisch tragisch<br />
Phantastisch!
Dir Federn in den Arsch zu stecken, macht Dich noch nicht zum Huhn.<br />
c) Prominente Fremdopfer<br />
Ja genau, phantastisch.<br />
Ganz, ganz doll phantastisch.<br />
71<br />
(Tyler Durden)<br />
Höchst phantastisch, aber zum besseren Verständnis hier jetzt noch<br />
einige Beispiele an prominenten Fremdopfern. Also Fremdopfer, die<br />
mehr oder weniger reich oder berühmt oder sonstwas sind.<br />
Jeder, der jetzt nicht sofort Verona Feldbusch aufschreit, hat das Prinzip<br />
von eben nicht verstanden. Oder Verona Pooth. Kann man auch<br />
aufschreien. Völlig egal, jeder weiß, wer gemeint ist. Man kann jetzt<br />
also beides aufschreien, ergibt beides Sinn, ist beides richtig. Denn<br />
Verona ist das prominente Fremdopfer schlechthin. Der Prototyp des<br />
modernen Promi-Fremdopfers.<br />
Verona machte dies und das, heiratete dann 1996 Dietze Bohlen und<br />
hatte danach einige schlechte TV-Formate wie Peep! und Veronas Welt.<br />
Trotzdem mauserte sie sich im Laufe der Jahre immer mehr zur<br />
ultimativen Werbe-Ikone mit breitgestreuter, gesellschaftlicher<br />
Akzeptanz, was auch gut und richtig so war. Eine sympathische,<br />
hübsche und liebenswerte kleine Lady, die ganz charmant zu ihrem<br />
kleinen Naivitäts-Makel steht. Phantastisch. Gäbe es mehr solcher<br />
Frauen, müßten nicht so viele Männer schwul werden. Gibt es aber<br />
leider nicht. Und die wenigen, die es gibt, heiraten dann Typen wie<br />
Bontempi-Dietze oder Maxfield-Franjo. Tragisch, tragisch, echt jetzt.<br />
Sehr tragisch, äußerst tragisch, ist aber nunmal so. Und ich kann es aber<br />
auch nicht ändern. Sehr tragisch.
Ein Fremdopfer par excellence also.<br />
Veronas Eigenwahrnehmung sollte demnach auch bei irgendwie clever<br />
und unzufrieden liegen. Na klar, sie weiß, daß die mittlerweile echt was<br />
auf dem Kasten hat. Tolle Mutter, clevere Geschäftsfrau, sonstwas. Also<br />
echt irgendwie clever. Tragischerweise aber ebenso unzufrieden. Was<br />
nicht an ihr liegt, sondern an den Luftpumpen, die sie heiratet. Mal<br />
ehrlich, die Süße hätte echt mehr Glück bei ihrer Männerwahl verdient.<br />
Mich zum Beispiel. Verona und Honk, das absolute Traumpaar. Verona<br />
Honk hieße sie dann, klingt doch nicht schlecht. Aber nein, stattdessen<br />
kriegt sie den Super-Dietze und den Inkasso-Franjo. Das ist mal krass,<br />
das ist mal ganz krass. Und wo wir gerade beim Thema sind: Ich kriege<br />
auch noch Geld von Franjo Pooth!<br />
Bei der Fremdwahrnehmung läuft es auf normal dumm, positiv und<br />
tragisch hinaus. Tragisch wegen der eben beschriebenen Ehemänner.<br />
Normal dumm, weil die meisten Gehirnakrobaten nicht in der Lage sind,<br />
Veronas Cleverness auch nur annähernd zu erkennen. Deswegen stufen<br />
sie sie eher in die Dummchen-Sparte ein. Und positiv dürfte wohl auch<br />
jedem klar sein. Denn wenn unsere Vroni kein kleiner Sonnenschein ist,<br />
wer denn wohl dann?!<br />
Veronas tatsächlicher Status ist demnach auch fast clever und positiv.<br />
Positiv ist klar, kleiner Sonnenschein und so. Sympathisch, liebenswert,<br />
einfach nur gut, haben will. Und fast clever, eben leider nur fast clever,<br />
eben wegen ihrer dubiosen Männerwahl. Wäre sie hinsichtlich der<br />
Auswahl ihrer Männer etwas geschickter gewesen, wäre sie schlichtweg<br />
genial. Klingt komisch, ist es auch.<br />
Im Ergebnis also Verona als Paradebeispiel für unser prominentes<br />
Fremdopfer. Daneben gibt es natürlich zuhauf weitere prominente<br />
Fremdopfer, ganz viele, wie Sand am Meer. Allein schon diese ganzen<br />
D- bis F-Promis, leck` mich einer am Arsch. Wobei diese wohl eher der<br />
Vollopfer-Sparte zugeordnet werden müßten, doch dazu kommen wir<br />
gleich. Zunächst nochmal einige prominente Fremdopfer, die wir aber<br />
nicht mehr ganz so ausführlich abhandeln wollen. Denn das Prinzip<br />
sollte mittlerweile verstanden sein. Also hier, zack:<br />
72
Nehmen wir doch gleich mal die männliche Verona: Oliver Kahn!<br />
Unser Oli, Halleluja! Da trifft das Gesagte nämlich alles genau so zu<br />
wie bei der Verona, alles total synchron. Oli wäre echt genial, wenn, ja<br />
wenn er nicht diese Blitzleuchte abgeschleppt hätte. Wobei ein- bis<br />
dreimal Abschleppen ja noch okay gewesen wäre. Aber der läßt seine<br />
scharfe Ehefrau sitzen. Und ist jetzt immer noch mit der Blitzleuchte<br />
zusammen, trotz Fremdvögelei ihrerseits mit so einem komischen<br />
Volltrottel. Oder auch mit mehreren, keine Ahnung, irgendwas muß die<br />
ja schließlich auch können. Auf jeden Fall ist unser Oli immer noch ihr<br />
Stamm-Stecher. Ach Oli! Vorher Stamm-Keeper beim FC Hollywood<br />
und in der Nationalelf, jetzt Stamm-Stecher eines dummblondierten<br />
Wanderpokals, den jeder H-Promi schon ein- oder mehrmal hatte.<br />
Armer Oli, was für eine Tragik, was für ein Drama. Was für ein<br />
Fremdopfer, unser armer Oli.<br />
Oder Bill Clinton, mal ganz andere Sparte. Eigentlich auch clever,<br />
positiv, ziemlich smart sogar. Und steckt dann einer pottenhäßlichen<br />
Unke von Praktikantin einen Stumpen in die Möse. Ja leck` mich am<br />
Arsch! Wieso Bill, wieso??? Wieso gerade die Lewinsky? Was ging da<br />
in Deiner Birne bzw. in Deinen Eiern vor? Warst Du high? Sind die<br />
anderen Praktikantinnen noch fieser? Schwer vorstellbar. Du warst<br />
besoffen, stimmt`s?! Voll wie ein Putzeimer, na klar. Deswegen auch<br />
die Zigarre in die Muschi. Hast den kleinen Bill nicht mehr hoch<br />
gekriegt, was?! Oder Du warst nüchtern und hast beim Ausziehen des<br />
kleinen Monsters etwas Grauenvolles entdeckt. Etwas so Grauenvolles<br />
und Ekelerregendes, daß Little Bill nicht mehr konnte. Vielleicht<br />
Filzläuse in Monikas Pelz? Ach woher denn, das würde einen echten<br />
Kerl nicht stören. Ein echter Kerl hält auch bei Filzläusen rein!<br />
Menstruation vielleicht? Schnickschnack, das macht alle Beteiligten nur<br />
noch geiler. Ganz egal, was es war, Bill und Little Bill konnten oder<br />
wollten nicht mehr. Und um die kleine Kröte nicht komplett zu<br />
verstören und abzuweisen, gab es eine von Fidels Besten in die Büchse,<br />
abfeier. Endgeil. Allein die Vorstellung, was ein Fest! Geil, geil, geil,<br />
Bill. Sehr geil. Aber eben auch dumm. Sehr dumm. Und echt tragisch,<br />
und deswegen ist Bill Clinton leider auch echt Fremdopfer. Und muß<br />
heute zusehen, wie seine Gattin politische Karriere macht, während er<br />
allen nur als Stumpen-Billy in Erinnerung bleiben wird. Tragisch, Bill,<br />
echt tragisch. Ganz üble Geschichte.<br />
73
Bleiben wir in der Politik. Arnold Schwarzenegger. Arnie. Die coolste<br />
Sau der 70er Jahre, der beste Bodybuilder der Welt. Siebenfacher Mr.<br />
Olympia im Bodybuilding: 1970 bis 1975 und dann nochmal 1980.<br />
Yeah, Baby! 1982 dann Conan, 1984 der Terminator. Hasta la vista,<br />
Baby, der Rest ist Geschichte. Für viele ist Arnie die absolute Ikone<br />
überhaupt. Es gab keinen Besseren, und es wird auch in Zukunft keinen<br />
Besseren geben. Und dabei hätte es unser Arnie dann auch belassen<br />
sollen. Hat er aber nicht. Tragischer- und dummerweise ging er<br />
irgendwann in die Politik. Und wurde damit zum Fremdopfer. Denn als<br />
Gouverneur von Kalifornien wird er niemals wieder die Freiheiten und<br />
die Popularität genießen können, die er als King of Bodybuilding und<br />
Mr. Terminator bzw. sogar Mr. Hollywood innehatte. Schade für uns,<br />
tragisch für alle, daher Fremdopfer.<br />
Wir könnten diese Aufzählung beliebig fortführen, teilweise mit den<br />
bizarrsten, schillerndsten und zwielichtigsten Persönlichkeiten. Sie alle<br />
sind irgendwo Fremdopfer aufgrund irgendeiner Tragik:<br />
Donald Duck. Opfer seiner eigenen Aggressionen. Osama Bin Laden.<br />
Opfer von George W. Bush. Boris Becker. Unser Bobbele. Opfer von<br />
irgendwem oder irgendwas, keine Ahnung, was da schief lief. Ralf<br />
Schumacher. Opfer von Cora. Und in sportlicher Hinsicht natürlich von<br />
Michael. Doppelopfer! VW und Porsche. Opfer von Herrn Wendelin<br />
Wiedeking. Also Splitopfer! Xavier Naidoo. Opfer des Marihuanas.<br />
Frau Schaeffler. Maria-Elisabeth Schaeffler. Opfer des Größenwahns.<br />
Die Continental AG. Opfer von Frau Schaeffler. Profisportler. Opfer<br />
des Dopings. Tick. Opfer von Trick und Track. Christoph Daum. Opfer<br />
von Uli und Koka. Auch Doppelopfer, uiuiui! Die Deutsche Bank.<br />
Opfer von Josef Ackermann. Seal. Seal Klum. Opfer von Heidi Klum,<br />
ganz schlimme Sache sowas. Oder hier, die SPD. Opfer von Gesine<br />
Schwan. Noch irgendwer? Ja, Kleinaktionäre. Nein, doch nicht.<br />
Kleinaktionäre sind immer voll am Arsch.<br />
Undsoweiter, undsoweiter, undsoweiter. Die Liste wäre beliebig lang<br />
fortführbar. Für uns an dieser Stelle jedoch völlig ausreichend, um unser<br />
Fremdopfer erschöpfend kategorisiert zu haben. Wir wollen ja<br />
schließlich nicht zu doll auf den Bus(c)h klopfen.<br />
74
Also Du mußt doch schrecklich frustriert sein?! Wie schaffst Du es,<br />
nicht irgendwann über `ne rote Ampel zu fahren und einen Bullen so<br />
lange zu reizen, bis er Dich abknallt?<br />
d) Ergebnis<br />
75<br />
(Charlie Harper)<br />
Mit unserem Fremdopfer (auch passives Opfer oder tatsächliches<br />
Opfer) haben wir nunmehr den zweiten signifikanten Grundpfeiler<br />
unserer Gesellschaft definiert. Unser Fremdopfer kann als clever und<br />
positiv charakterisiert werden, zugleich aber auch als tragische Figur.<br />
Diese Tragik ist es dann letztlich auch, die den Hauptunterschied<br />
zwischen unserem Idioten und unserem Fremdopfer ausmacht, wer hätte<br />
das gedacht?!<br />
Unser Idiot akzeptiert sein Schicksal mehr oder weniger als gegeben. Er<br />
weiß, es ginge vielleicht das ein oder andere mehr oder besser oder<br />
anders, aber nicht für ihn. Ihm reicht das. Vielleicht muß es ihm auch<br />
reichen, vielleicht soll es ihm reichen, alles denkbar. Dies akzeptiert<br />
unser Idiot, damit hadert er nicht. Und daher lebt er eben auch recht<br />
zufrieden, wird von Dritten sogar häufig als smart angesehen.<br />
Vergleichbare Umstände liegen beim Fremdopfer vor. Mit dem<br />
relevanten Unterschied, daß unser Fremdopfer sein Schicksal nicht als<br />
gegeben ansieht, jedoch auch nicht in der Lage ist, etwas dagegen zu<br />
unternehmen. Das Fremdopfer trägt sein Schicksal vielleicht, aber es<br />
akzeptiert es nicht bzw. nur dem Anschein nach. Unser Fremdopfer<br />
hadert geradezu mit seinem Schicksal. Das ist die Tragik, ja die<br />
Dramatik, die das Fremdopfer vom Idioten differenziert. Man könnte<br />
diese Tragik geradezu als ausschlaggebendes Kriterium bezeichnen.<br />
Und diese Tragik macht unser Fremdopfer unzufrieden, sehr<br />
unzufrieden, es wird regelrecht frustriert.
An diversen fiktiven Sachverhalten haben wir diese Unzufriedenheit<br />
bzw. Frustration erörtern können. Da war der in Brand geratene Blitzer,<br />
bei dem uns die Justiz komplett im Stich ließ. Voll zum Kotzen. Wir<br />
hatten unsere postmoderne Amazone, der man unter keinen Umständen<br />
widersprechen sollte. Besser warten, bis uns die Evolution mit<br />
prachtvollen Glocken segnet. Es gab die tote Katze im gelben Sack, es<br />
gab die Ameisen-Birne, es gab den Mett-Igel. Alles Dinge, die wir<br />
opfern mußten, ob wir wollten oder nicht.<br />
Ganz übel wurde auch dem armen Polizisten mitgespielt, der unsere<br />
souveräne Trunkenheitsfahrt auf Kokain unterbinden mußte. Ganz<br />
derbes Opfer. Für ihn, für uns, für alle. Ganz schlimme Sache. Allesamt<br />
Sachverhalte, aus denen die Beteiligten sehr frustriert als Fremdopfer<br />
herausgehen. Alles ganz, ganz schade.<br />
Unser Fremdopfer möchte also aufgrund dieser eklatanten<br />
Unzufriedenheit am eigenen Zustand ganz dringend etwas verändern,<br />
traut sich aber aus diversen Gründen (noch) nicht. In den meisten Fällen<br />
frißt unser Fremdopfer diese Frustration in sich hinein. Und wird<br />
dadurch zwangsläufig irgendwann depressiv. Was dann richtig tragisch<br />
und auch nicht mehr witzig ist, logisch. Ich möchte nicht wissen, wie<br />
hoch die Depressiven-Quote unter normalen Angestellten derzeit ist.<br />
Alle Opfer des Mett-Igels. Oder der arme Polizist, der kurz vor`m<br />
Warnschuß steht. Sehr beunruhigend. Für alle Beteiligten.<br />
Unheilschwanger. Geradezu prekär. Die Situation hat sich zugespitzt. Es<br />
ist also nicht ratsam, die Unzufriedenheit in sich hineinfressen.<br />
Kompensation ist auch Scheiße. Extrem viel Sport. Andauernd neue<br />
Klamotten. Oder ein ziemlich voluminöser Pseudo-Freundeskreis, der<br />
überwiegend aus Arschlöchern besteht, denen man eigentlich lieber<br />
Fußpilz oder Vaginitis gönnt. Alles Scheiße. Bringt alles nichts, löst<br />
alles nicht das Kernproblem. Unser Fremdopfer muß sich trauen, eine<br />
grundlegende Veränderung einzuleiten und diese Veränderung dann<br />
voller Überzeugung auch umzusetzen. Es muß die Umstände, die es in<br />
seiner Fremdopfer-Rolle gefangen halten bzw. es überhaupt erst zum<br />
Fremdopfer machen, mit allen dazugehörigen Konsequenzen abstellen.<br />
Sobald unser Fremdopfer sich einmal dazu entschlossen hat, diesen<br />
steinigen Pfad zu beschreiten, gibt es kein Zurück mehr:<br />
76
Es wird zum Honk! Das ist ganz klar. Das kann man jetzt schonmal<br />
ganz klar sagen. Ohne etwas vorwegnehmen zu wollen. Auf der<br />
emotional-kreativen bzw. vielmehr auf der emotional-aggressiven<br />
Ebene findet folgende Metamorphose statt (so sie denn stattfindet):<br />
Idiot � Fremdopfer � Honk<br />
Heißt ganz einfach: Unser Idiot wird vielleicht eines Tages mit seinem<br />
Idioten-Status unzufrieden, warum auch immer. Und mutiert dann aus<br />
dieser Unzufriedenheit heraus zwangsläufig und völlig frustriert zum<br />
Fremdopfer. Kann so sein, muß aber nicht. Er kann auch glücklich bis<br />
an sein Lebensende als Idiot leben, geht auch. Einmal in der<br />
Fremdopfer-Rolle drin, kommt der Idiot jedoch nicht mehr aus ihr<br />
heraus. Außer durch erneute Mutation. Zum Honk.<br />
Brisanterweise läßt sich also festhalten, daß Idiot, Fremdopfer und Honk<br />
hierarchisch eine Ebene bilden, wobei die Entwicklung vom Idioten<br />
zum Honk zwingend notwendig über die Stufe des Fremdopfers erfolgen<br />
muß. Eine direkte Entwicklung vom Idioten zum Honk ist<br />
evolutionsbedingt völlig ausgeschlossen. Logisch. Denn wieso sollte ein<br />
normaler Idiot, der mit seinem Leben zufrieden ist, quasi über Nacht<br />
zum Honk mutieren?! Das wäre geradezu lächerlich, wenn es nicht eh<br />
schon unmöglich wäre. Zudem völlig unspektakulär. Zum Honk also<br />
immer über das Fremdopfer. Doch dazu später mehr.<br />
Nachdem wir nun den hierarchischen Kontext von Idiot, Fremdopfer<br />
und Honk verifiziert haben bzw. im Rahmen der Behandlung der Honk-<br />
Thematik später noch verifizieren werden, sollte uns aufgefallen sein,<br />
daß unser Vollidiot noch völlig ohne hierarchische Bindung dasteht.<br />
Nicht, daß ihn das sonderlich stören würde. Nein, den stört das nicht,<br />
der kommt eh nicht klar. Wir aber. Wir kommen klar, glasklar, klarer<br />
geht kaum noch. Und da wir besonders klar klarkommen und zudem<br />
noch faire Sportsfreunde sind, suchen wir unserem Vollidioten nun<br />
einen hierarchischen Bezugspunkt. Ja, ganz recht. Das tun wir, denn so<br />
sind wir. Hut ab!<br />
77
Life`s about filmstars and less about mothers, it`s all about fast cars and<br />
cussing each other. But it doesn`t matter `cause I`m packing plastic, and<br />
that`s what makes my life so fucking fantastic. I am a weapon of massive<br />
consumption, and it`s not my fault, it`s how I`m programmed to<br />
function. I look at the sun, and I look in the mirror, I`m on the right<br />
track, yeah I`m on to a winner.<br />
2. Das Eigenopfer<br />
(auch aktives Opfer oder Vollopfer)<br />
a) Definition<br />
78<br />
(Lily Allen)<br />
Irgendwie wache ich morgens mit einer Scheiß-Laune auf. Augen auf,<br />
zack, gleich alles Scheiße. Ätzend. Aber wieso? Kater? Nein, gestern<br />
Abend war ich früh zu Hause. Und ausnahmsweise auch mal nüchtern,<br />
unfaßbar. Vielleicht krank? Erkältung, Infekt? Nein, auch nicht, das<br />
hätte sich irgendwie angekündigt, von wegen kratziger Hals und so.<br />
Aber was ist denn nur los? Warum ist mir denn so flau im Magen? Liegt<br />
heute vielleicht irgendetwas Unangenehmes an? Nee. Nicht, daß ich<br />
wüßte. Eigentlich nicht. Oder doch? War da nicht doch noch was?!<br />
Plötzlich trifft`s mich wie der Schlag!<br />
Sofort springe ich auf und flitze ins Bad. Hose weg, zack, rauf auf die<br />
Schüssel! Und Abfahrt! Dünnpfiff. Dünnpfiff der allerübelsten Sorte.<br />
Wie aus einem voll aufgedrehten Wasserhahn schießt es hinaus.<br />
Genauso stark, genauso flüssig. Es schwallt geradezu aus meinem<br />
winzigen Popoloch heraus. Ganz wässrige Konsistenz, extrem fies dünn.<br />
Bah. Glücklicherweise befindet sich direkt gegenüber der Kloschüssel<br />
die Badewanne, vielleicht 60 cm Luftlinie. Und das ist auch gut und
sehr sinnvoll, das wurde beim Hausbau damals in weiser Voraussicht so<br />
geplant. Denn just im selbem Augenblick kotze ich dort hinein. Voll in<br />
die Wanne. Derselbe Schwall wie der aus dem Arsch. Bah! Das ist ja<br />
widerlich. Zumindest frühmorgens um 11 Uhr.<br />
Es ist nun nicht so, daß beides genau gleichzeitig geschieht, also<br />
Dünnpfiff und Kotzerei im selben Moment. Nein, eher abwechselnd.<br />
Alternierend sozusagen. Also erst hinten raus, dann oben raus. Dann<br />
wieder hinten raus, nochmal hinten raus und wieder oben raus. Arsch,<br />
Mund. Arsch, Arsch, Mund. Und wieder von vorn, hurra. Könnte man<br />
ein hübsches Liedchen draus komponieren, wenn man musikalisch<br />
etwas begabter wäre. C-D-C-C-D. Freude schöner Götterfunken, was<br />
für eine Ironie. Aber egal. Darüber kann ich mir gerade keine Gedanken<br />
machen, weil mir diese alternierende Arschkotzerei alles abverlangt.<br />
Wirklich alles. Die Grenzen physischer und psychischer Belastbarkeit<br />
werden ausgelotet.<br />
Gerade als ich mich daran gewöhnt habe, ist es auch schon wieder<br />
vorbei. Aus, Schluß, Feierabend, ganz toll. Oben kommt nichts mehr<br />
raus, und hinten unten tropft es auch langsam ab. Was für ein<br />
beschissener Start in den Tag! Fieser geht`s kaum noch, aber mal echt<br />
jetzt. Ich fühle mich wie nach einem Exorzismus. Als hätte man mir den<br />
Leibhaftigen ausgetrieben. Die Waage neben dem Klo zeigt vier Kilo<br />
weniger an als gestern. Doch was ist denn nur los? Was soll denn der<br />
ganze Zirkus bloß?<br />
Der Blick in den Kalender läßt die schlimmsten Befürchtungen brutale<br />
Realität werden. Heute ist Donnerstag. Meine Hände zittern. In der 20-<br />
Uhr-Spalte steht etwas eingetragen. Tränen rinnen mir aus den Augen.<br />
Der Würgreiz kommt wieder hoch, doch es kommt nichts mehr raus.<br />
Hinten unten allerdings schon noch. Was ziemlich unpassend und<br />
unangenehm und auch etwas ärgerlich ist, weil ich mir mittlerweile<br />
meine Shorts angezogen hatte. Egal, kann man waschen. Notfalls ihm<br />
Garten abfackeln oder verbuddeln.<br />
Mein zitternder rechter Zeigefinger fährt unterhalb der in der 20-Uhr-<br />
Spalte eingetragenen Worte entlang, während mein Verstand sich<br />
sträubt, die Signale, die ihm meine Augen senden, zu akzeptieren:<br />
79
G - e - r - m -<br />
Scheiße, das war`s. Nur ein instinktiv und blitzschnell eingeschenkter<br />
doppelter Bacardi verhindert meinen plötzlichen Hirntod.<br />
Germany`s Next Topmodel<br />
Und noch ein doppelter Bacardi hinterher. Instinktiv. Zack. Eigentlich<br />
könnte man sich jetzt gleich einen Mixer voll Mai Tai machen und<br />
wieder ins Bett legen. Aber drauf geschissen, Verdrängen ist was für<br />
Früh-Ejakulierer, Flucht was für Feiglinge. Aber nicht für mich, nicht<br />
für den Honk. Und so werde ich mich meinem Schicksal stellen. Stellen<br />
müssen. Und mein Schicksal liegt heute eben darin, um 20.15 Uhr<br />
PRO7 einzuschalten und Germany`s Next Topmodel zu verfolgen. Es<br />
aufzusaugen. Zu analysieren. Vielleicht sogar zu verstehen.<br />
Meine Motivation hierfür ist ebenso simpel wie logisch: Denn wie soll<br />
man höchst professionell und völlig neutral und wertungsfrei ein TV-<br />
Format beurteilen können, wenn man es noch nicht einmal selbst<br />
gesehen hat?! Plumpes Abstänkern kann jeder Pansen. Sarkastisch sein<br />
auch, ist auch nicht besonders schwer. Aber eine persönliche,<br />
professionelle und unabhängige Studie eines modernen TV-Formats<br />
erfordert schon etwas mehr. Sowas erfordert nämlich ein ganz explizites<br />
und kompromißloses Auseinandersetzen mit der zu bewertenden<br />
Materie. Knallharte Recherche! Brilliante Analyse! Und dem werde ich<br />
mich heute Abend stellen. Ich ziehe es durch. Bis 20.15 Uhr habe ich ja<br />
noch genug Zeit, einen der speziellen Situation angemessenen und<br />
gehirnbekömmlichen Promillepegel aufzubauen.<br />
Der Rest des Tages verläuft dann eigentlich ganz normal. Nach zwei<br />
Mai Tai und weiteren sieben Stunden Schlaf bin ich bereit, mich der<br />
abendlichen Herausforderung zu stellen.<br />
Und dann ist es auch schon so weit. 20.15 Uhr. Fahr` ab die Scheiße!<br />
Schnell noch einen Jim Beam rein, und schon werden unsere<br />
potentiellen Topmodels mit einer Hummer-Stretch-Limo abgeholt. Es<br />
geht zu einem Casting mit anschließendem Fotoshooting, Wahnsinn.<br />
80
Mit von der Partie ist auch Rolf, der in der Limo zwischen den Hühnern<br />
sitzt. Und sich auf dem Weg zur Casting-Location ganz spontan zu<br />
einem kecken Hinweis auf die größte Modelagentur von Los Angeles,<br />
an welcher man gerade vorbeifährt, hinreißen läßt. Weitere spannende<br />
Details der Fahrt werden dem Zuschauer dann aber leider vorenthalten.<br />
Noch ein Jim Beam, und wir sind da. In unserer Casting-Location<br />
warten bereits drei Typen mit schlechten Frisuren auf die Models. Einer<br />
von denen soll ein Shootingstar irgendeiner Designerszene sein. Kann<br />
sein, kann nicht sein, keine Ahnung. Ich kenne ihn nicht. Ist mir aber<br />
eigentlich auch ziemlich scheißegal, ich kaufe meine Klamotten bei<br />
Karstadt. Es wird dann kurz erklärt, daß man sich in einer äußerst<br />
denkwürdigen Location befinde, die schon Filmen wie Big Lebowski<br />
und Charlie`s Angels als Kulisse diente. Aha. Gut zu wissen.<br />
Der Zeitpunkt ist gekommen, an dem ich das ganze Kaspertheater<br />
eigentlich schon wieder ganz lustig finde, was aber einzig und allein auf<br />
den Pegel, den ich mir mittlerweile angesoffen habe, zurückzuführen ist.<br />
Bei entsprechendem Pegelstand schleppe ich auch Hühner ab, die ich<br />
nüchtern nicht mal mit dem Arsch angucken würde. Ist nunmal so. Aber<br />
back to Business. Jetzt wird nämlich das große Geheimnis gelüftet, jetzt<br />
kommt der große Paukenschlag: Und zwar darf heute eines unserer<br />
putzigen Teenie-Models anläßlich des fünfzigsten Geburtstags der<br />
Barbie-Puppe von Mattel eben diese in einem Fotoshooting<br />
repräsentieren. Wahnsinn! Die kommen immer auf verrückte Ideen. Das<br />
sind mir doch ein paar verrückte Hunde. Vor lauter Verzückung muckt<br />
mein Arsch schon wieder auf.<br />
Bevor es allerdings soweit ist, kommt es zu einem Go-and-See mit<br />
anschließendem Testshooting. Soll heißen, unsere Mädels müssen sich<br />
zunächst einzeln vor den drei Aushilfsfriseuren in der Jury präsentieren.<br />
Ein bißchen smalltalken. Die kesse Frage, warum man denn glaube, die<br />
perfekte Barbie darstellen zu können, beantworten. Banale<br />
Dummschwätzerei eben, bla. Ein Mädchen gibt vor, bestens für die<br />
Besetzung der Rolle der Barbie geeignet zu sein, weil es als Kind früher<br />
immer mit Barbie-Puppen gespielt habe.<br />
Ein äußerst gelungener Einwand!<br />
81
Bei mir ist das nämlich ganz genauso: Weil ich früher immer mit<br />
Skeletor von den Masters of the Universe gespielt habe, bin ich heute<br />
ein 130-Kilo-Bodybuilder mit hellblauer Haut und Knochengesicht und<br />
reite mit einem halbierten Zauberschwert -dessen andere Hälfte He-Man<br />
besitzt- auf einem lila Panther durch die Innenstadt. Und in den Krieg<br />
gegen andere bunte Bodybuilder, allen voran gegen besagten He-Man.<br />
Und auch gegen Man-At-Arms. Gegen das ganze Gesockse halt, das<br />
sich so auf Castle Grayskull rumtreibt. Oder ich setze mir einen<br />
überdimensionalen, schwarzen Helm auf und fuchtele mit einem roten<br />
Lichtschwert in der Gegend herum. Luke, Obi-Wan hat Dir nie erzählt,<br />
was wirklich mit Deinem Vater passiert ist.<br />
Hach, wie geil das wäre...<br />
Egal. Unsere Girlies müssen nun unter anderem ein Puppengesicht<br />
simulieren. Wat? Ein Puppengesicht? Erste Zweifel kommen in mir auf.<br />
Wie soll denn das bitte gehen? Wie soll man denn bitte ein<br />
Puppengesicht simulieren? Ein Arschgesicht vielleicht. Das ginge. Oder<br />
ein Backpfeiffengesicht. Ginge auch. Ein Blockflötengesicht. So mit<br />
ganz spitzem Schnäuzchen. Das könnte man auch sehr gut simulieren.<br />
Aber ein Puppengesicht? Entsprechend sinnfrei blicken auch einige der<br />
Mädels aus der Wäsche.<br />
Nachdem das dann aber auch irgendwie geklärt wird, ist das See-and-<br />
Go vorbei, und die erste Entscheidung steht an: Welche drei Mädels<br />
dürfen am nun folgenden, heißbegehrten Testshooting teilnehmen?<br />
Die Auswahl unserer drei smarten Friseure fällt auf Marie, Sarah und<br />
Mandy! Ich persönlich hatte zwar gedacht, daß Sarah, Mandy und<br />
Larissa das Rennen machen, aber egal. Die Jury wird sich schon ihre<br />
Gedanken gemacht haben, so viel steht fest. Große Enttäuschung<br />
natürlich bei den anderen Mädels. Ein Mädchen ist traurig, daß es nicht<br />
mit ausgewählt wurde, weil dieses Testshooting ja doch eine ziemlich<br />
große Sache sei. Doch plötzlich läßt die Jury die Bombe platzen: Heute<br />
darf ausnahmsweise ein viertes Mädel mit dabei sein. Ist das zu fassen?!<br />
Ihr verrückten Hunde, Ihr! Immer für eine Überraschung gut. Ein viertes<br />
Mädel, genial! Und es ist Larissa, hurra! Alles wieder gut, alles wieder<br />
toll, Leben macht wieder Sinn.<br />
82
Und Schnitt. Es folgt das erste Highlight der Sendung. Ach was, es folgt<br />
das Highlight schlechthin. Der Bildschirm erstrahlt in hellem Glanze,<br />
denn nun gibt Heidi Klum ihr erstes Statement ab. Ja, ganz recht, Heidi<br />
Klum herself. Amazing! Exciting! Unbelievable! Heidi Klum! Die<br />
Grandmother of Grimasse. Die Königin des Schnute-Ziehens und<br />
Augen-Rollens. Die Göttin der geilen Gestiken. Das Schnäuzchen, unser<br />
Schnäuzchen. Die Maske. The Face. Uschi Augenroll. Unser Klümchen<br />
eben. Nie zu schade für eine alberne Grimasse oder ein super-trendy<br />
Handzeichen.<br />
Aber schade, heute zeigt Frau Klum keine lustige Grimasse, wie sie es<br />
sonst immer so gern tut, wenn sie ihre Schnute in irgendeine Kamera<br />
hält. Schade, schade, sehr schade. Denn ich hatte mich sehr auf eine<br />
Grimasse gefreut. Doch leider gibt es heute keine. Heute gibt es nicht<br />
einmal eines ihrer beliebten Handzeichen, wie zum Beispiel den Peace<br />
oder das Victory, vom doppelten Victory ganz zu schweigen. Auch nicht<br />
den hohen Daumen, nicht den Schumi und erst Recht nicht den Alonso.<br />
Mist. Bockmist. Also letzteren hätte sie ruhig mal bringen können.<br />
Immerhin hat sie mit Vorzeige-Lustgreis Flavio Briatore ein Kind<br />
zusammen. Aus den guten, alten Zeiten. Als auf Flavios Porno-Yacht<br />
noch so richtig schön die Post abging, heiliger Bimbam. Aber nee, auch<br />
den Alonso gibt es heute nicht.<br />
Ferner gibt es nicht den Colt, den Revolver, den doppelten Revolver<br />
(weder parallel, noch versetzt), den Ackermann, den Ackermann light,<br />
die Fist, die Double-Fist, die Reverse-Fist, die Reverse-Double-Fist,<br />
den Vader, den Van-Vader, den Big-Van-Vader, den Tomahawk, den<br />
Gipsy King, die Säge, die doppelte Säge, die Handsäge, die Kettensäge<br />
und leider auch nicht die Kreissäge oder die Laubsäge. Und schonmal<br />
gar nicht den Hacksaw bzw. die Jigsaw. Ja nicht einmal den Spaceball,<br />
die Air-Fist oder den Mitsubishi. Und aber auch den Last-Ride und den<br />
Big-Trouble-in-little-China nicht. Nein, nein, nein, das alles gibt es<br />
heute nicht. Und das ist sehr, sehr schade. Und zudem sehr, sehr<br />
ungewohnt. Geradezu beunruhigend ungewohnt. Ein ungewohntes Bild,<br />
denn Frau Klum ist heute sehr, sehr ernst. Ungewohnt ernst, könnte man<br />
sagen. Und so gibt es heute weder Grimassen, noch Handzeichen, noch<br />
Kombinationen hieraus. Und das ist aber auch gar nicht weiter<br />
verwunderlich, wenn wir mal ganz ehrlich zu uns selbst sind:<br />
83
Denn schließlich sind wir ja hier nicht in irgendeiner beliebigen<br />
Boulevard-Zeitung oder irgendeiner Katjes-, Douglas-, McDonald`s-<br />
oder Sonstwas-Reklame. Nein, wir sind hier bei Germany`s Next<br />
Topmodel. Bei GNT! Und das ist hartes Business. Hammerhartes<br />
Business. Keine Mätzchen, keine Faxen! Wir suchen hier unser nächstes<br />
Supermodel, die neue Repräsentantin unserer Nation auf den<br />
internationalen Laufstegen. Die Angela Merkel des Catwalk. Ich glaube,<br />
den meisten von uns ist gar nicht klar, wie wichtig das ganze Format ist.<br />
Und deswegen ist dann auch mal Schluß mit lustig hier.<br />
Also ganz klar: Das ganze Format ist so impertinent wichtig, daß eine<br />
lustige Grimasse von Frau Klum völlig unangemessen und deplatziert<br />
wäre. Und das weiß sie auch, deswegen läßt sie es ja bleiben. Vielmehr<br />
schlüpft sie in die Rolle der eiskalten Pseudo-Domina, wenn die<br />
Bewertung eines ihrer Mädchen ansteht. Zack. Rohrstock raus und<br />
drauf. Zack! Ein Schauer läuft mir den Rücken runter. Mein Blut<br />
gefriert in den Adern. Kurz: Ich grusel` mich ganz fürchterlich. Ich<br />
grusel` mich so sehr, daß ich schon wieder einen feuchten Futzi in der<br />
frischen Unterhose habe. Also hinten unten. Vor Angst. Nicht vorne und<br />
vor Glück. Leider nicht. Hinten unten, vor Angst. Obwohl mich die<br />
Vorstellung mit dem geilen Rohrstock dann doch auch noch ein bißchen<br />
scharf gemacht hat.<br />
Egal. Ich habe genug gesehen. Mehr als genug, wenn ich ganz ehrlich<br />
bin. Es ist also an der Zeit, die Glotze abzuschalten. Und sich mal<br />
ordentlich den Arsch abzuwischen. Eigentlich könnte man auch mal<br />
unter die Dusche gehen. Den Mischmasch aus frischer Kacke von eben<br />
und den Überresten des morgendlichen Dünnpfiffs, die nunmehr<br />
verkrustet und verkräuselt in den Arschhaaren kleben, mal schön heiß<br />
abduschen. Naja, vielleicht später. Denn ohne es zu wissen, haben wir<br />
soeben unser Eigenopfer charakterisiert. Unser Vollopfer. Vielmehr den<br />
Prototypen des modernen Vollopfers. Das Vollopfer schlechthin.<br />
Anmerkung: Bitte die zwei Folgeseiten zunächst überspringen und<br />
mit der Lektüre auf Seite 87 fortfahren.<br />
84
Ohhh... Du bist wundervoll, egal was Du machst. Es ist wundervoll,<br />
wenn Du weinst, weil Du lachst. Was ich sagen soll, weiß ich selbst<br />
nicht mehr. Du bist geboren, um wundervoll zu sein.<br />
b) Alternative Definition (Ich will nicht in die Hölle!)<br />
85<br />
(Giovanni Zarrella)<br />
Also irgendwie wache ich morgens mit einer spitzenmäßigen Laune auf.<br />
Augen auf, gleich alles spitze, alles total geil. Was für ein total endgeiler<br />
Tag das heute wird, das weiß ich jetzt schon. Denn heute ist Donnerstag.<br />
Und Donnerstag bedeutet Topmodel-Tag für mich. Ja, ganz richtig,<br />
Topmodel-Tag. Und zwar nicht nur für mich, sondern für unsere<br />
gesamte Nation. Für uns alle. Denn jeder von uns fiebert dem<br />
Donnerstag entgegen. Und wer da nicht mitfiebert, dem ist dann aber<br />
auch nicht mehr zu helfen. Früher freute man sich auf Freitag, auf<br />
Wochenende, heute freut man sich auf Donnerstag. Scheiß auf Freitag,<br />
wir freuen uns auf Donnerstag. Auf Donnerstag, 20.15 Uhr. Auf die<br />
nächste brandheiße, megatrendyge und topaktuelle Ausgabe von<br />
Germany`s Next Topmodel!!!<br />
Yeah, Baby, das ist der geile Stoff! Scheiße, ich bin so geil drauf und<br />
aufgeregt und so voller Vorfreude, daß mir gleich voll einer abgeht. So<br />
geil bin ich morgens schon drauf, wenn ich weiß, daß abends meine<br />
Stars von GNT wieder meinen TV-Bildschirm voller Glanz und Gloria<br />
erstrahlen lassen. Wenn ich weiß, daß ich abends wieder das Klümchen<br />
sehe. Das Klümchen, unser Klümchen, mein Klümchen! Unfaßbar, wie<br />
geil das Leben sein kann. Und unser Klümchen läßt uns voller Gnade an<br />
diesem geilen Leben teilhaben. Mann, Mann, Mann, mal lieber ganz<br />
schnell einen doppelten Bacardi rein, bißchen runterkommen. Sonst<br />
schnalle ich noch ab vor lauter Vorfreude und guter Laune. Mann, ist<br />
das wieder sowas von geil heute.
Und wer mich jetzt ein bißchen besser kennt, der weiß auch, daß ich das<br />
völlig ernst meine. Daß ich der absolute Hardcore-GNT-Fetischist bin.<br />
GNT ist mein Leben! Also zack, schön Bacardi rein und hoffen, daß es<br />
so schnell wir möglich 20.15 Uhr wird.<br />
Der Rest des Tages verläuft dann eigentlich ganz normal. Nach acht<br />
Stunden Internet-Chat mit meinen Freundinnen und Freunden aus dem<br />
GNT-Forum und dem daraus einhergehenden Konsens, daß Larissa<br />
unsere absolute Favoritin ist (und zwar vor Mandy und Sandy), ist es<br />
dann endlich so weit. 20.15 Uhr, hurra!<br />
Unsere bezaubernden Mädels werden heute zusammen mit Rolf in einer<br />
atemberaubenden Hummer-Stretch-Limo zu einer international<br />
bekannten Casting-Location gefahren. Dort werden Sie von drei<br />
gutaussehenden Superstars der aktuellen Mode- und Designerszene<br />
empfangen. Hintergrund ist nämlich der, daß unsere Mädels nach einem<br />
kurzen Meet-and-Greet die legendäre Barbie-Puppe von Mattel<br />
repräsentieren sollen. In diesem Hide-and-Seek geht es dann zunächst<br />
darum, ein Puppengesicht zu simulieren. Meiner Meinung nach ein<br />
besonders genialer Schachzug, denn so kann man am ehesten erkennen,<br />
wer die beste Besetzung für den Barbie-Job sein könnte. Und so kommt<br />
es dann auch, daß das Rest-in-Peace vorbei ist und Marie, Sarah, Mandy<br />
und auch noch Larissa das Casting für das begehrte Barbie-Shooting<br />
bekommen. Ich freue mich riesig, obwohl ich nicht sonderlich<br />
überrascht bin. Denn diese Reihenfolge hatten wir heute Nachmittag im<br />
GNT-Forum bereits intern online gevotet.<br />
Es folgt das erste Highlight der Sendung, denn nun gibt Heidi Klum ihr<br />
erstes Statement ab. Unsere Heidi, endlich! Sofort erstrahlt mein<br />
Gesicht ebenso hell wie der Fernsehschirm. Der ganze Raum ist von<br />
einer Aura erfüllt, die mit normalen Worten nicht mehr zu beschreiben<br />
ist. Halleluja! Heidi Klum, unser Klümchen, unser Topmodel. Vergeßt<br />
Naomi, vergeßt Claudia, vergeßt Gisele. Klümchen, sonst keine.<br />
Klümchen, ich liebe Dich! Peace, Victory, Knutschmaul.<br />
Muß reichen...<br />
86
Wenn es um Eitelkeit und das Versprechen von Popularität geht,<br />
nehmen diese Menschen alles auf sich: Die größte Demütigung, den<br />
größten Schmerz, die größte Lächerlichkeit und tiefe Häme.<br />
c) Eingliederung<br />
87<br />
(Wolfgang Joop)<br />
„Was ist denn mit dem los?“ höre ich die Leute schon aufschreien. „Der<br />
ist wohl vom Wickeltisch gefallen?!“ Mitnichten! Weder vom<br />
Wickeltisch gefallen, noch zu heiß gebadet, noch mit dem Kopf in den<br />
Mixer, noch sonstwas. Daß ich heute so ein verdorbenes und asoziales<br />
Subjekt bin, verdanke ich einzig und allein Klümchen und Konsorten.<br />
Die haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Eine niedere<br />
Kreatur. Ein Asozialer. Ein Pansen! Ein exzentrischer Wirrkopf. Ein<br />
ausgemachtes Stück Blödheit. Ein Lump, ein Oimel, ein Schakal. Ein<br />
Kretin, eine miese Kröte. Ein Honk! Ja genau, ein Honk. Ist aber alles<br />
nicht meine Schuld, alles deren Schuld. Ich kann da mal gar nichts für.<br />
Mein Leben war so schön, ich war sogar auf der Uni!<br />
Alles hätte so richtig gut laufen können, so richtig schön. Aber nein. Es<br />
lief nicht gut. Nichts lief gut. Und auch nicht schön. Es lief komplett<br />
anders. Es lief schlecht, es lief ziemlich schlecht. Es lief eigentlich total<br />
beschissen, es ging voll in die Hose. Denn irgendwann hat es im Kopf<br />
Klick gemacht. Klick, Flatline, Braindead, hurra. Und jetzt haben wir<br />
den Salat. Jetzt bin ich voll am Arsch. Aber so richtig. Mal so richtig<br />
schön voll am Arsch, aber sowas von. Nichts geht mehr, rien ne va plus.<br />
Sendepause. Eigentlich ein ganz klassisches Fremdopfer. Ganz<br />
klassisch. Wenn ich nicht bereits der Honk wäre. Ziemlich komisch<br />
gelaufen, die ganze Geschichte. Ziemlich crazy, könnte man sagen.<br />
Amazing. Exciting. Nein, eigentlich doch nicht. Eigentlich dann doch<br />
eher etwas disgusting. Denn ganz so lustig ist das dann auch wieder<br />
nicht. Egal.
Halten wir also fest, daß dieser ganze Topmodel-Zirkus nicht nur selten<br />
hohl und an Banalität nicht mehr zu überbieten ist, sondern ferner<br />
anständige und unbescholtene Zeitgenossen zu Vorzeige-Asis und<br />
Hobby-Gangstern mutieren läßt. Schlimmer noch, zu Honks! Ich habe<br />
die Transformation am eigenen Leib erfahren. Erfahren müssen, denn<br />
das hier ist ein Tatsachenbericht. Ein Tatsachenbericht! Allein die<br />
Folge, in der die olle Transe vom Beckham da war. Leck` mich am<br />
Arsch. Victoria Beckham. Was für eine Nebelkrähe. Voll die Mumie,<br />
und das in dem Alter. Und selbstverständlich auch absolutes Vollopfer.<br />
Das sollte mittlerweile aber jeder selbst eruieren können. Auf jeden Fall<br />
paßt die da bestens rein bei Klum und Konsorten. Wie die Faust auf`s<br />
Auge. Die ist sogar doppelt schuldig. Hat aus ihrem Mann, der einst ein<br />
echt geiler Typ und klasse Fußballer war, ein Fremdopfer par excellence<br />
gemacht. Schämen sollte die sich!<br />
Stattdessen turnt die da mit ihren 32 Kilo Lebendgewicht im Opfer-TV<br />
rum. Superkrass. Also Fernsehen von Opfern und mit Opfern, für Opfer<br />
und mit Opfer-Gästen. Also wir reden hier über reine Vollopfer, damit<br />
es keine Mißverständnisse gibt. Komplettes Vollopfer-TV. Imbezillität.<br />
Unfaßbar. Allein die Folge mit Posh Spice Beckham hat mich mehr<br />
Gehirnzellen gekostet als 80 Flaschen Sambuca. Wahnsinn. Habe ich<br />
alles recherchiert, alles absoluter Wahnsinn. Und Posh Spice sieht<br />
mittlerweile aus wie ein lebendig gewordener Headknocker, also eine<br />
Wackelfigur aus Kunstharz, bei der ein riesiger, überdimensionaler<br />
Schädel auf einem verhältnismäßig extrem kleinen Körper sitzt.<br />
Beziehungsweise aufgrund der Schwere des Kopfes im Verhältnis zum<br />
Rumpf aus physikalischen Gründen unentwegt hin und her wackelt. Die<br />
ganze Zeit. Völlig absurd.<br />
Tja, und da verwundert es kaum, daß Tante Heidi heute keine Lust auf<br />
einen Augenroller oder eine lustige Grimasse hat. Einen Mundwinkel<br />
hoch, den anderen runter, dabei frech nach außen geschielt. Und dazu<br />
ein Victory-Zeichen und mit der anderen Hand den doppelten Schumi.<br />
Nein, der Spaß ist ihr mal ganz gründlich vergangen. Denn sie weiß<br />
über den Wahnsinn Bescheid, sie weiß über die Headknocker Bescheid,<br />
über alles! Sie ist sich ihrer Schuld voll bewußt. Und deswegen erfriert<br />
ihr heute jede Grimasse bereits im Ansatz. Schade für uns, also für uns<br />
Grimassen-Liebhaber, aber nicht zu ändern.<br />
88
Ein Topmodel ist sie nicht, sondern ein Werbegirl. Wo in der High<br />
Fashion hat jemand dieses Dauergrinsen? Heidi Klum ist ein<br />
Musterbeispiel einer gewissen Perfektion, aber in der Mode suchen wir<br />
nicht den Mainstream, sondern das Einzigartige, das Individuelle. Sie<br />
hingegen ist der Durchschnitt in Perfektion.<br />
aa) Eigenwahrnehmung<br />
89<br />
(Wolfgang Joop)<br />
Okay, der Spaß ist ihr natürlich nicht vergangen. Unser Klümchen muß<br />
deshalb so fies und schnippisch sein und auf lustige Grimassen<br />
verzichten, weil das zum Konzept der Sendung gehört. Ist doch klar.<br />
Stichwort Pseudo-Domina. Und zack.<br />
Sie kann ja wohl kaum einen auf Grinsekasper machen und dann eines<br />
ihrer epochalen Statements ablassen. „Trallali, trallala, Du bist zu fett<br />
und damit jetzt auch draußen. Ätschi-Bätsch und Bussi-Bussi.“ Und<br />
Knutschmund dazu. Das wäre ziemlich unpassend. Und ein bißchen<br />
schizo obendrein.<br />
Wir stellen also fest, daß sich die ganze Thematik offensichtlich<br />
ziemlich diffizil und verzwickt gestaltet. Daher müssen wir jetzt auch<br />
bei unserer Analyse der Eigenwahrnehmung des Vollopfers sehr penibel<br />
zwischen eigener Eigenwahrnehmung des Vollopfers und<br />
Eigenwahrnehmung der Vollopfer untereinander differenzieren.<br />
Ist nunmal so.
Heidi Klum kenne ich nicht. In Frankreich hat es sie nie gegeben. Auch<br />
Claudia Schiffer kennt Heidi Klum nicht.<br />
aaa) Eigene Eigenwahrnehmung des Vollopfers<br />
90<br />
(Karl Lagerfeld)<br />
Der Spaß ist ihr also nicht vergangen. Keineswegs, nicht im geringsten.<br />
Niemals. Wie sollte er auch?! Voraussetzung hierfür wäre ein bewußtes<br />
Auseinandersetzen mit der Realität. Also Realität insoweit, als daß man<br />
selbst nicht annähernd so endgeil und oberwichtig ist, wie man immer<br />
tut bzw. wie man es gern wäre. Daß man eigentlich nichts weiter tut, als<br />
unentwegt heiße Luft in die Welt zu furzen. Und zwar aus dem Maul<br />
raus, nicht aus dem Arsch. Daß es bis auf ein paar Handvoll<br />
fehlgeleiteter Teenies und Aushilfs-Nageltanten absolut kein Schwein<br />
interessiert, was man da ständig rausposaunt. Daß man eigentlich nervt<br />
und bei der überwiegenden Mehrheit derer, die man pausenlos mit der<br />
Darstellung der eigenen Selbstgeilheit malträtiert, diverse Mißstände<br />
und Kotzkrämpfe und sogar Suizid-Gedanken verursacht.<br />
Das wäre doch mal ein bewußtes Auseinandersetzen. Ein bewußtes und<br />
ehrliches Auseinandersezen mit der Realität. Doch dazu kann und wird<br />
es nie kommen. Denn unser Vollopfer wiegt sich selbst in permanenter,<br />
allumfassender und vollkommener Sicherheit. Es käme nie auf die Idee,<br />
daß es auf diesem Planeten auch nur einen einzigen Menschen geben<br />
könnte, der es nicht total endgeil und very important findet und sofort<br />
wie vom Blitz getroffen in Verzückung gerät. Es fehlt also von Anfang<br />
an bereits jedwede Erkenntnis in alles. Zumindest in alles, was mit der<br />
Realität zu tun hat. Man müßte unser Vollopfer zu solch einer<br />
Erkenntnis geradezu zwingen. Leider. Wahrscheinlich sogar mit<br />
Gewalt. Denn Gewalt ist immer eine sehr gute Lösung. Und leider geht<br />
es hier auch nicht anders.
Um also die Verantwortlichen auf die Mißstände und Kotzkrämpfe und<br />
Suizid-Gedanken aufmerksam zu machen, die deren grenzdebiles<br />
Model-Format bei uns verursacht, müßten wir folgerichtig erstmal bei<br />
PRO7 auftauchen. Zack, da wären wir. Dann bei denen die Tür<br />
eintreten. Und mit der bis zum Anschlag vollgeladenen, polnischen<br />
Pumpgun eines der 40-Kilo-Surfbretter in Geiselhaft nehmen. Amazing!<br />
Nein, nicht die Pumpgun. Besser ein Nutella-Brot. Die krass fette<br />
Nutella-Stulle! Wer mir zu nahe kommt, kriegt das Ding hier in die<br />
Fresse! Exciting! Oder hier, die Sahnetorte. Zack! Nimm hin.<br />
Unbelievable! Oder noch besser, gleich Peyman und den anderen<br />
Hampelmann als Geisel. Knüppel auf den Kopp und ab in Sack. Kann<br />
man alles machen, macht alles Sinn, alles sehr positive Gewalt. Ist alles<br />
vertretbar, wenn man auf diverse Mißstände aufmerksam machen<br />
möchte. Ist sozusagen Notwehr, können wir uns wieder drauf berufen.<br />
Klümchen selbst könnten wir allerdings nicht als Geisel nehmen,<br />
versteht sich wohl von selbst. Weil dabei stets die Gefahr bestände, daß<br />
sie uns völlig überraschend mit einer besonders ausgefallenen, uns bis<br />
dato nicht bekannten Grimasse um den Finger wickeln könnte. Oder<br />
sogar mit einer Grimassen-Handzeichen-Kombo. Beispielsweise Zunge<br />
raus und Augen zu, dazu den rechten kleinen Finger hoch und in die<br />
Luft gepiekst. Oder den Gipsy-King voll aus der Hüfte geschossen. Und<br />
zack, wär`s um uns geschehen.<br />
Also Klümchen nicht als Geisel. Nein, natürlich nicht. Ist doch auch eh<br />
alles nur Spaß hier. Alles nur Jux. Klümchen ist cool, ihre Sendung ist<br />
cool, und die Alte vom Beckham natürlich auch, na klar. Alle cool, alle<br />
geil. Ich aber leider nicht. Und deswegen bin ich eigentlich auch nur<br />
neidisch. Weil ich niemals so geil sein werde bzw. werden kann wie<br />
Heidi & Friends. Alles Neid, purer Neid, blanker Neid. Und<br />
Hochachtung. Krasse Hochachtung. Echt jetzt. Im wahren Leben bin ich<br />
sogar Klümchen-Fan! Ehrlich. Denn unser Klümchen kann man nur<br />
beneiden. Es hat alles, was ein Mensch sich nur wünschen kann.<br />
Einfach alles. Viele kleine Kinder, ein paar originelle Väter dazu,<br />
Kohle, Ruhm, blonde Haare, einfach alles. Bestimmt auch zwei, drei<br />
schöne Häuser, vielleicht sogar in Malibu. Und bestimmt auch den<br />
größten und schnellsten Multivan der Welt, so von wegen 20 Sitzplätze<br />
und 650 PS. Wahnsinn, absoluter Wahnsinn.<br />
91
Einfach nur Wahnsinn. Wahnsinn auch, was unsere Heidi da immer für<br />
außergewöhnlich krasse Typen und besonders schillernde<br />
Persönlichkeiten als Lover am Start hat. Mein lieber Herr<br />
Gesangsverein! Selbst verglichen mit mir finde ich die Jungs echt<br />
hammerhart und übelst krass. Und das soll mal was heißen.<br />
Ric Pipino, ein völlig bizarrer Friseur. Habt Ihr den schonmal gesehen?<br />
Müßt Ihr Euch unbedingt mal im Netz angucken, kann ich nur<br />
empfehlen. Immens smarter Spitzbube, vom Feinsten. Dann Affäre und<br />
Kind von Porno-Opa Flavio Briatore. Von Briatore! Allein der<br />
Gedanke! Boah. Heftig. Zwischendurch noch ein bißchen was mit<br />
Sexmaniac Anthony Kiedis, dem verschnupften Frontmann der Red Hot<br />
Chili Peppers. Heiliger Bimbam! Und jetzt ist Seal an der Reihe.<br />
Ja was ist denn da los?! Grundgütiger, ist das eine fiese Mischung. Da<br />
ist ja gar kein System erkennbar. Ist ja schlimmer als ein Kleinkind in<br />
Disney-World. Erst Pommes, dann Karussell, dann Zuckerwatte, dann<br />
Achterbahn. Wer kommt als nächstes? Udo Lindenberg? Krusty der<br />
Clown? Mahatma Gandhi? Alf? Keine Ahnung, will ich nicht wissen.<br />
Irgendwer wird es sein. Tut für unsere Bewertung aber auch nicht weiter<br />
zur Sache.<br />
Denn zumindest haben wir nun mit an Sicherheit grenzender<br />
Wahrscheinlichkeit feststellen können, daß sich unser Vollopfer<br />
mittelschwer bis komplett realitätsfremd selbst wahrnimmt. Anders ist<br />
der ganze Wahnsinn hier nicht mehr zu erklären. Im schlimmsten Fall<br />
muß man sogar mit Schizophrenie rechnen. Schwere Schizophrenie<br />
sogar, allein schon die Beckham, unglaublich.<br />
Unser Vollopfer selbst ist dabei weitestgehend schmerzfrei, und das ist<br />
auch gut so. Es hat in seinem Größenwahn um sich herum eine Art<br />
Scheinwelt aufgebaut, die weitestgehend mit ähnlich realitätsfremden<br />
bzw. schizophrenen Individuen bevölkert ist. Widmen wir dieser<br />
Scheinwelt nun unser Augenmerk, bevor wir völlig den Verstand<br />
verloren haben. Wahnsinn, einfach nur Wahnsinn.<br />
92
I don`t know what it is, that makes me feel like this. I don`t know who<br />
you are, but you must be some kind of superstar. `Cause all got their<br />
eyes on you, no matter where you are.<br />
bbb) Eigenwahrnehmung der Vollopfer untereinander<br />
93<br />
(Jamelia)<br />
Die Vollopfer-Scheinwelt ist also durch das Miteinander mehrerer<br />
Vollopfer in einer nicht realen bzw. vielmehr surrealen Phantasiewelt<br />
gekennzeichnet. Die Protagonisten dieser Phantasiewelt nehmen sich<br />
selbst natürlich nicht als Vollopfer wahr. Sie könnten es auch gar nicht,<br />
selbst nicht, wenn sie wollten. Stattdessen feiern sie sich selbst.<br />
Pausenlos und unabläßlich wir gefeiert. Man feiert sich selbst, man<br />
feiert die eigene, grenzenlose Tollkühnheit. Man feiert die epochale<br />
Feistigkeit. Und die der anderen, koexistierenden Vollopfer. Nicht ganz<br />
so heftig wie die eigene, aber immerhin. Die ganze Society feiert sich<br />
selbst. Unermüdlich. Unabläßlich. Unbeirrbar. Unfehlbar. Und<br />
unerreichbar, na klar. Prosecco, Baby. Einem außenstehenden Dritten<br />
erscheint die ganze Szenerie dagegen ziemlich skurril.<br />
Tun wir noch einmal so, als ob: Es ist Samstagabend. Es ist spät, aber<br />
noch nicht so spät. Vielleicht ist es 23 Uhr. Und wir wollen ausgehen.<br />
Nicht chic zum Essen oder auf ein Cocktailchen oder sowas. Nein, wir<br />
wollen mal wieder so richtig die Kuh fliegen lassen. Wir wollen voll<br />
abgehen. Also einen Jumbo-Kopf Crack geraucht und ab in Puff! Nein,<br />
Späßchen, nur Späßchen. So sind wir nicht, sowas machen andere. Wir<br />
nicht. Denn wir wollen in die Disse, in den Club, in eine very angesagte<br />
Party-Location, yeah! Wir wollen krasse Beats und softe Drogen, harte<br />
Drinks und leichte Mädchen. Doch wo bekommen wir das? Klar, auf<br />
der Reeperbahn, ganz toll. Aber wo sonst noch, wenn wir keinen Bock<br />
darauf haben, jedes Wochenende auf den Kiez zu ballern? Mal sehen,<br />
machen wir mal eine kleine, fiktive Disco-Tour:
Zuerst könnten wir ja mal bei der Teenie-Disco um die Ecke anklopfen.<br />
Um uns dort mit ein paar 12- bis 16-jährigen Kids, deren Eltern wir sein<br />
könnten, per Flatrate volles Rohr ins Koma zu saufen. Und drei bis vier<br />
Tage später auf der Intensivstation mit einem Mordskater und 1,6<br />
Promille Restalkohol aufzuwachen. Gute Idee? Mitnichten. Nee, das<br />
wollen wir doch lieber sein lassen. Es reicht, daß all diese Kiddies in<br />
fünf bis zehn Jahren schwerste Alkoholiker sind. Wir können uns das<br />
nicht leisten. Wir dürfen uns das auch gar nicht leisten. Wir müssen<br />
halbwegs klar in der Birne bleiben. Wer soll die ganzen Alki-Kids denn<br />
sonst pflegen und mit Stoff versorgen, wenn es so weit ist?! Bleibt ja<br />
außer uns wohl kaum noch jemand übrig. Nein, in die Teenie-Disco<br />
können wir also nicht gehen.<br />
Wir gehen auch nicht in einen dieser angesagten Black-Clubs oder in<br />
eine trendy Russen-Disco oder ähnliche Hottentotten-Hütte. Die Gefahr,<br />
daß wir im Vollrausch eine heiße Alte anquatschen und dies nicht<br />
überleben bzw. am nächsten Morgen mit einem Messer im Kopf und<br />
fünf Fingern weniger an jeder Hand aufwachen, ist einfach zu groß.<br />
Nein, das möchten wir dann auch nicht, und deshalb lassen wir unsere<br />
sympathischen ausländischen Mitbürger lieber in Ruhe unter sich bzw.<br />
mit unseren Frauen feiern. Wir haben dort nichts verloren, wir bleiben<br />
da weg. Doch wo können wir hin? Wir wollten doch ordentlich auf den<br />
Putz hauen. Was bleibt uns denn noch?<br />
Vielleicht sollten wir in eine dieser populären Hütten-Gaudi- und Après-<br />
Ski-Butzen einkehren? Das wäre doch was für uns. So schön mit Vodka-<br />
Energy in der einen und einer 80-Kilo-Beauty-Queen oder einem Hartz-<br />
IV-Groupie in der andern Hand zu Michael Wendler abdancen? Also zu<br />
dem Wendler. Wäre das nicht ganz geil? Nein, das wäre überhaupt nicht<br />
geil, das wäre mal so richtig schön voll beschissen. Ich möchte nicht<br />
wissen, wie viel Ecstasy wir einschieben müßten, um diese groteske<br />
Pißnelken-Trällerei und die extrem fiesen Low-Budget-Matratzen auch<br />
nur annähernd halbwegs akzeptabel bzw. vögelbar finden zu können.<br />
Und morgens darauf dann völlig verkatert und immer noch voll<br />
verbimmelt neben so einer 80-Kilo-Granate oder der kleinen Zahnfee<br />
vom Vorabend aufwachen? Oder mit viel Pech sogar neben dem<br />
Wendler höchstpersönlich? Igitt. Geht alles mal gar nicht. Und daher<br />
auch nicht in die Hüttenzauber-Zauberhütte.<br />
94
Nein, wir gehen jetzt in einen richtigen Trend-Schuppen. So mit richtig<br />
Schickimicki und VIP und so. Wie das legendäre P-1 in München. Nur<br />
eben nicht in München, sondern in einer total abgefuckten und<br />
zugeschissenen Studenten-Stadt wie Göttingen. Voll angesagt, voll<br />
verschärft, ganz klar. Also ab in den Schicki-Bunker, denn hier geht`s<br />
voll scharf:<br />
Auf drei Etagen wird uns hier alles geboten, was das Herz begehrt: Im<br />
Keller ein Dancefloor mit Lounge und VIP-Bereich. Im Erdgeschoß<br />
dann der Mainfloor mit einer kleinen Stage. Und im ersten Stock dann<br />
eine Galerie, von der man auf den Mainfloor herabsehen kann. Und<br />
natürlich einen viel zu kleinen, stinkigen Raucher-Bereich. Das hört sich<br />
doch geil an, das ist unser Laden, das wird unsere Nacht!<br />
Also mischen wir uns unter die Party-People. Yeah! Wir feiern<br />
ordentlich ab, geben uns das volle Programm. Es wird gedanced,<br />
gefeiert, alle drei Etagen werden unsicher gemacht. Flasche Jim Beam<br />
mit Flasche Cola bestellt, noch `ne Flasche Sambuca dazu, für die<br />
Schnallen Pulle Sekt auf Eis, volles Programm eben. Alles super-coole,<br />
trendy People, die hier mit uns feiern. Oder? Oder etwa nicht? Vielleicht<br />
sollten wir uns doch einmal etwas genauer umschauen?! Die Party-<br />
Posse etwas genauer unter die Lupe nehmen?! Fuck! Schlagartig wird<br />
uns bewußt, was uns schon beim Eintritt hätte bewußt werden müssen.<br />
Wenn wir nicht schon wieder so besoffen und abgedichtet gewesen<br />
wären. Wir sind hier unter lauter Vollopfern! In einer Vollopfer-Disse.<br />
Heiliger Bimbam! Hilfe!<br />
Schmächtige kleine Kerlchen in C&A-Jackets und mit modifizierten, an<br />
den Seiten kurzrasierten VoKuHiLas umgeben uns. Sie unterhalten sich<br />
oder tanzen mit gestiefelten Dumpfbacken, denen vorher ganz<br />
offensichtlich mit einer Make-Up-Pumpgun aus 30 cm Entfernung voll<br />
übelst in die Fresse geschossen wurde. Übel. Echt übel, ganz übel.<br />
Überschwängliche Cola-Laune. Hier und da sogar ein Prosecco.<br />
Stößchen!!! Unglaublich. Eine Armee von Friseusen, Arzthelferinnen<br />
und Kosmetikerinnen in Ed-Hardy-Uniformen. Machen Prösterchen mit<br />
70-Kilo-Männchen, die stolz ihren 30 cm Bizeps im CK-Shirt Größe S<br />
präsentieren. Bereit für das letzte Gefecht. Die letzte Bastion. Die finale<br />
Vollklatsche. Man muß uns umgehend hier rausholen.<br />
95
Dummerweise holt uns aber niemand da raus. Keiner da, keine Hilfe in<br />
Sicht. Und wir sind jetzt sogar noch so bescheuert und gehen in den<br />
Keller. In den Keller! Also zack, Treppe runter, Keller, spitze. Und da<br />
wird es richtig heftig. Da kommt es jetzt besonders krass. Noch krasser<br />
als oben sogar. Immens krass. Wir werden es wahrscheinlich nicht<br />
überleben können. Nein, ganz bestimmt sogar werden wir es nicht<br />
überleben können. Kurz: Wir werden sterben müssen.<br />
Also ab in den Keller, Richtung VIP-Area. Vor der geilen VIP-Area, die<br />
sich als zugequalmte 3x4m-Stinkebutze entpuppt, steht schonmal das<br />
geilste Toastbrot überhaupt. Bauch- und hirnfrei, nichts gelernt, blond.<br />
Kompromißloses Toastbrot eben. Ist jetzt hier aber gerade besonders<br />
wichtig. Darf hier nämlich jetzt die VIP-Area-Managerin mimen.<br />
Exciting. Weil sie sich von einem der Teilhaber des Ladens schön<br />
durchknattern läßt. Disgusting. Während ihr armer, planloser Boyfriend<br />
in dem Scheißladen die Gläser abräumen darf. Amazing. Und die ist<br />
jetzt vielleicht mal wichtig, meine Fresse! Was für eine steile Karriere.<br />
Die ist ja mal sowas von wichtig, das kann man mit Worten schon bald<br />
nicht mehr beschreiben, so wichtig ist die mal. Very important,<br />
importanter geht kaum noch. Kurz gesagt: Wenn hier und jetzt<br />
überhaupt irgendjemand wichtig ist, dann die.<br />
In der VIP-Area selbst wird aber alles noch geiler, viel geiler, auch<br />
wenn man sich das jetzt eigentlich nicht mehr vorstellen kann. Hier geht<br />
jetzt mal so richtig High-Society. Hühnerbrüstige Frühejakulierer im<br />
galanten D&G-Shirt von Ebay, die heute mal mit Papas Benz oder dem<br />
geleasten Boxter unterwegs sein dürfen, geben vor lauter Euphorie und<br />
Selbstgeilheit gleich mal eine Runde Veuve Clicquot aus. Oder sogar<br />
eine ganze Flasche, mein lieber Mann, Stößchen. Vielleicht sogar<br />
Schälchen Erdbeeren dazu, wer weiß. Was uns und die anwesenden<br />
Plastik-Uschis natürlich schwer beeindruckt, denn diese Leute haben es<br />
geschafft. Hut ab! Stars der regionalen Regional-Szene. Provinz-<br />
Prominenz könnte man sagen. Also die richtig guten Jungens und<br />
Mädels unter sich, alle geil, alle VIP, alle Stößchen.<br />
Es werden Gespräche geführt, die an Belanglosigkeit nicht mehr zu<br />
überbieten sind. Oder vielmehr zu unterbieten. Kommt ganz auf den<br />
Standpunkt des Betrachters an. Wie hart man doch in seinem very<br />
96
interesting Job arbeitet. Perhaps 60 Stunden per week. Oder wo und wie<br />
geil man doch die letzten Holidays gespendet hat. Exciting. Und die<br />
sexy VIP-Uschis präsentieren stolz ihre besonders chicen, neuen<br />
Handtäschchen, neue trendy Wampen-Piercings und die hübschen, bunt<br />
angepinselten Krallen aus Plastik. Unbelievable. Da kann einem glatt<br />
einer abgehen, so geil und VIP sind die Leute hier. Styling and Profiling<br />
ist also angesagt, es ist phantastisch.<br />
Daß unser Abend nun aber komplett verschissen ist, dürfte wohl jedem<br />
klar sein. Zum einen haben wir absolut null Ambitionen, eine<br />
dummblondierte Plastikfrau zu vögeln. Zum anderen hätten wir gegen<br />
die anwesenden C&A-Poser eh keine Chance, weil die echt wirklich<br />
richtig geil sind. Ich wüßte auch überhaupt nicht, was ich mit so einer<br />
Schranse machen sollte. Also nachts dann bei mir zu Hause und so.<br />
Wenn ich die dann schön auf acht doppelten Jägermeister und zwei<br />
pakistanischen Viagras nach allen Regeln der Kunst mal so richtig<br />
ordentlich durchballern würde, ohne Wenn und Aber. Kompromißlos<br />
durchzwiebeln. Ein, zwei, drei Stunden, ganz wie es der Dame beliebt.<br />
Keine halben Sachen, richtig soft rangegangen und dann knallhart<br />
durchgezogen, zack. Der sanfte Vulkan! Also mal so richtig ordentlich<br />
das Getriebe schmieren und den Kolben ölen. Die Innenwände<br />
streichen, den Igel kämmen, die Büchse stopfen. Alles ganz easy, völlig<br />
easy, alles kein Problem. Und alles gratis, Stößchen!<br />
Das wäre ein Fest. Unsere kleine VIP-Uschi würde wahrscheinlich<br />
ziemlich dumm aus der Wäsche gucken. Weil die gar nicht glauben<br />
kann, was ihr da widerfährt. Beziehungsweise was ihr da einfährt. Wie<br />
Rotkäppchen, nachdem der böse, geile Wolf über sie rüber ist. Eher<br />
noch wie ein Blinder im Porno-Kino. Oder ein ADHS-Kind auf Speed.<br />
So in etwa. Weil die das so gar nicht kennt und gewohnt ist, was da<br />
gerade abgeht. Also von den VIP-Hampelmännern, mit denen die sonst<br />
so hökert. Schön zehn Minuten die Salami in die Turnhalle, na klar,<br />
besten Dank auch. Motorschaden im ersten Gang. Super. Viel mehr<br />
kommt da nämlich nicht rum bei den Luftpumpen. Das kann man dann<br />
auch gleich bleiben lassen, wäre zumindest ehrlicher.<br />
„Hey Baby, ich mache hier zwar ziemlich einen auf dicke Tasche, aber<br />
untenrum ist eher dünnes Lüftchen angesagt.“<br />
97
Das wäre doch mal eine ehrliche Ansage. Sehr solides Statement. Und<br />
ziemlich cool obendrein. Meinen Respekt hätte er.<br />
„Süße, meiner ist zwar nicht besonders lang, aber dafür echt dünn.“<br />
Nein, so weit wird es nie kommen, sowas gibt keiner gern zu. Ist aber<br />
vielleicht auch besser so. Also für den Fall, daß wir mal so eine VIPse<br />
abschleppen. Dann haben wir zumindest das Überraschungsmoment auf<br />
unserer Seite. Gleich am Anfang, wenn unser Aal rausguckt. „Guten<br />
Abend, die Dame, ich bin Herr Aal und werde Sie durch diese Nacht<br />
begleiten.“ Uiii... Oder wenn unser Aal dann loslegt. Und zack, bricht<br />
unserer kleinen VIPse doch glatt ein Zacken aus der Krone. Oder<br />
vielmehr aus der Dose. Aus ihrem kleinen VIP-Döschen.<br />
Und wenn die dann am nächsten Morgen mit knallroter Birne und<br />
Muskelzerrung in den Adduktoren bei uns aufwacht. Was erzählt man<br />
denn mit so einer morgens? „Willste auch ein Krombacher zum<br />
Frühstück?“ Wohl kaum. „Na Schwester, haste ordentlich Schlacke auf<br />
der Dose?“ Wäre auch ganz geil. Wäre total lustig, aber nicht für sie.<br />
Also auch nicht. „Hast was von der Ecstasy gemerkt, die ich Dir letzte<br />
Nacht in den Sekt gebröselt habe?“ Also das sollten wir dann wohl<br />
besser mal auch nicht fragen. Man kann sich drehen, wie man will, es<br />
kommt einfach kein sinnvoller Dialog zustande. Es macht überhaupt<br />
keinen Sinn, irgendeine Unterhaltung anfangen zu wollen. Es ist fast so<br />
wie mit unserem Vollidioten aus Kapitel 2. Mit dem muß man auch<br />
nicht reden wollen. Kann man ja auch gar nicht. Kommt bestenfalls<br />
Schwachsinn und / oder ein paar auf`s Maul bei raus.<br />
Also lassen wir unsere kleine Zaubermaus lieber gleich da, wo sie ist.<br />
Nämlich bei ihren VIPs. Ist für alle Beteiligten am besten so. Unser<br />
Abend ist eh gelaufen, drauf geschissen. Denn zumindest konnten wir<br />
nun die Eigenwahrnehmung der Vollopfer untereinander abgrenzen.<br />
Was ja auch Primär-Ziel dieses kleinen VIP-Exkurses war. Unsere<br />
Vollopfer nehmen sich demnach untereinander als impertinent wichtige<br />
und einzigartige, vor Selbstgeilheit hell erstrahlende Schneeflöckchen<br />
wahr, deren banale Scheiß-Laberei als der Weisheit finaler Schluß<br />
untereinander und auch vor Dritten präsentiert wird. Herzlichen<br />
Glückwunsch dazu. Und natürlich Stößchen!<br />
98
Solange man lebt, soll man rauchen.<br />
bb) Fremdwahrnehmung<br />
99<br />
(Helmut Körschgen)<br />
Die Fremdwahrnehmung unseres Vollopfers -also wie unser Vollopfer<br />
durch eine außenstehende dritte Person wahrgenommen wird- hätten wir<br />
somit ansatzweise auch bereits analysiert. Denn unser Vollopfer nimmt<br />
sich selbst und andere Vollopfer komplett realitätsfremd wahr. Also<br />
geil, einzigartig, clever, important, blabla. Haben wir alles zu Genüge<br />
durchgekaut, mehr als uns lieb ist, muß reichen. Und daß unser<br />
Vollidiot das ähnlich sieht, sollte auch klar sein. Unserem Vollidioten<br />
reicht schon der Anblick von ein paar blondierten Haaren oder<br />
aufgepolsterten Hupen. Am besten noch ein paar Stiefel oder<br />
sogenannte High Heels dazu, und zack, ist es wieder geschehen. Schon<br />
hat unser Vollidiot wieder die Hand an seinem Genital und muß<br />
onanieren. Ahhh! Er streichelt den Aal, zähmt die Natter, macht die<br />
Nudel al dente, na klar. War nicht anders zu erwarten gewesen.<br />
Aber er kann nichts dafür, wir dürfen es ihm nicht übel nehmen. Er muß<br />
es tun, er kann nicht anders. Sein Hirn sitzt nunmal knapp 90 cm tiefer<br />
als bei anderen Menschen, und es ist voll mit weißer, nutzloser Grütze.<br />
Folglich muß unser Vollidiot das Vollopfer anhimmeln. Er findet es also<br />
auch sehr geil, einzigartig, clever, important, amazing, exciting,<br />
sonstwas. Wodurch sich unser Vollopfer dann natürlich noch geiler<br />
findet, soweit das überhaupt noch möglich ist. Ein Teufelskreis! Zudem<br />
allerdings auch die erste Verbindung zwischen Vollidioten und<br />
Vollopfer. Der Erstkontakt, in der Tat. Später mehr dazu. Uns soll an<br />
dieser Stelle vielmehr interessieren, wie andere Menschen unser<br />
Vollopfer wahrnehmen. Andere, normale Menschen, die nicht<br />
irgendwas mit Voll zu tun haben. Also eben ganz normale Idioten,<br />
Fremdopfer und Honks wie Du und ich.
Und wie gehen wir hierbei am besten vor?! Wie kriegen wir das am<br />
ehesten raus?! Wie können wir diese Fremdwahrnehmung am<br />
schnellsten eruieren?! Richtig, mit dem Konsum von TV. Und zwar mit<br />
dem Konsum von Aso-TV und Opfer-TV. Also von beidem. Beides<br />
muß konsumiert werden, idealerweise in einer Art Mischform. Ist zwar<br />
voll Scheiße, aber muß sein. Denn es dient einem höheren Zweck. Es<br />
dient der Recherche. Ätzend, voll ätzend. Aber nicht zu ändern. Also<br />
Augen auf, Arsch zu, und durch!<br />
Zwei Wodka-RedBull rein, Glotze an, Abfahrt. Idealerweise an einem<br />
Sonntagabend. Da hat man noch genug Rest-Alk von Freitag und<br />
Samstag drin. Da ist man quasi noch ziemlich sediert, da puckert es<br />
nicht ganz so doll im Kopf. Eventuell noch 25 bis 50 mg Doxepin dazu,<br />
Hardliner können auch Tetrazepam anwenden, ganz nach Belieben. Uns<br />
reicht heute der Rest-Alk zuzüglich der leckeren zwei Wodka. Man muß<br />
sich auch mal quälen können. Sagt man doch immer so schön bei<br />
Sportlern. Und wir sind dann heute halt mal Sportler. Extrem-Sportler<br />
sogar. Gehirn-Akrobaten. Also Glotze an, heute gucken wir mal VOX,<br />
mal was anderes.<br />
Nachdem wir vier C-Promis gefühlte sechs Stunden und weiteren vier<br />
Wodka-RedBull beim Kochen, Fressen und Dummschwätzen zusehen<br />
durften, folgt unser Highlight des Abends: Prominent! Hurra! Mit<br />
Constanze Rick, ganz toll. „Guten Abend und herzlich Willkommen zu<br />
einer neuen Ausgabe von Prominent. Mein Name ist Constanze Rick,<br />
und das sind heute unsere Themen.“ Und schon wird kurz aufgezählt,<br />
welche spannenden Themen heute behandelt werden:<br />
Der Wendler hat irgendwelche Schulden für seine Eltern bezahlt.<br />
Glückwunsch, schönes Ding, interessiert mich einen Scheißdreck. Von<br />
mir aus kann sich der Wendler auch in das Wendler oder ihm sein<br />
Wendler oder Wum & Wendolin umbenennen, mir völlig Latte. Solange<br />
er mich mit seiner Kirmes-Mucke verschont, kann er tun und lassen,<br />
was er will. Soll er meinetwegen Nadja von den NoAngels knattern,<br />
denn über die folgt der nächste Beitrag. Nadja hat scheinbar HIV und<br />
wohl auch die ein oder andere Person damit infiziert. Glückwunsch,<br />
Stößchen. Und daß bald die ganze Dritte Welt an AIDS abnippelt,<br />
interessiert kein Schwein. Aber egal.<br />
100
Denn als nächstes will man jetzt analysieren, wie man prominente<br />
Personen beim Lügen ertappt. Uiii, also das wollte ich ja schon immer<br />
wissen, da bin ich ja total gespannt drauf. Und das ist bestimmt auch<br />
ganz anders als bei nicht-prominenten Personen. Denn während eine<br />
normale Person errötet oder verlegen nach unten blickt, sieht das bei<br />
Promis nämlich gleich ganz anders aus. Man denke da nur an Jim<br />
Carrey in Der Dummschwätzer. Da hat man es ja gleich bemerkt. Der<br />
hat sich ja nur noch verhaspelt und verplappert. Oder an Pinocchio. Mit<br />
der langen Nase, die alte Sau. Auch ziemlich offensichtlich. Oder<br />
beispielsweise Osama Bin Laden. Bei dem geht bestimmt der Turban<br />
hoch, wenn er lügt. Ich hab` mit dem 11. September nix zu tun! Und<br />
zack, klebt er mit der Birne an der Höhlen-Decke, abfeier.<br />
So, und diese sensationellen Erkenntnisse will man uns dann an der<br />
hiesigen Promenaden-Prominenz verdeutlichen. Super, ich freue mich<br />
jetzt schon auf diesen besonders sinnvollen Beitrag. Einen Beitrag, auf<br />
den die Welt lange hat warten müssen. Und ganz besonders ich. Man<br />
kann mit normalen Worten bald nicht mehr umschreiben, wie lange ich<br />
schon auf solch einen Beitrag gewartet habe. Echt jetzt, kein Witz.<br />
Wahrscheinlich saufe ich deshalb auch immer so viel. Weil ich die<br />
Ungewißheit, ob ein Promi lügt oder nicht, anders nicht mehr ertragen<br />
kann. Ganz toll, hätten wir das also auch endlich geklärt.<br />
Letztes spannendes Thema soll dann ein Beitrag zu Chiara Ohrhovens<br />
neuer Frisur sein. Okay, darauf hat die Welt noch viel länger warten<br />
müssen. Endlich! Chiara Ohrhovens neue Frisur! Ich vermute mal, daß<br />
das die Olle von dem Ich-muß-weg!-Typen von Stefan Raab ist?! Oder?<br />
Ist aber eigentlich auch komplett scheißegal, denn die Glotze muß<br />
wieder aus. Ich muß nämlich auch weg. Und zwar sofort. Runter in den<br />
Garten. Sofort. Bißchen Hecke rauchen, runterkommen. Ganz schnell<br />
jetzt. Hecke kommt jetzt gut, gute Hecke, lecker Hecke. Ich hätte die<br />
zweieinhalb Stunden Promi-Dinner vorher nicht gucken dürfen. Und<br />
davor noch den feisten Klops auf PRO7, der sonntags immer für Galileo<br />
in einem winzigen Auto durch die Gegend fährt und irgendeinen XXL-<br />
Schweinefraß testet. Auweia, der gute Galileo Galilei würde sich im<br />
Grabe umdrehen, wenn er wüßte, daß er gut 350 Jahre nach seinem Tod<br />
Namens-Pate für so einen Nonsens ist. Galileo, das Wissensmagazin. Na<br />
ganz toll, ganz tolles Wissensmagazin.<br />
101
In besagter Folge zeigen sie erst 40 Minuten lang den Dicken, wie er<br />
drei Pizzerien testet und sich dabei mit allerlei absurden Spar-Witzen<br />
um Kopf und Kragen kalauert. Nachdem das dann geklärt ist, dürfen für<br />
den Rest der Sendezeit die Zwillinge Pia und Tinka irgendwelche<br />
schwachsinnigen Gartengeräte testen. Nein, sorry, Garten-Gadgets muß<br />
es ja heißen. Weil Inspektor Gadget die gebaut hat. Und weil es<br />
besonders trendy klingt. Wobei ich mich an dieser Stelle vielmehr frage,<br />
wo man eigentlich solche Leute wie die Zwillinge Pia & Tinka<br />
herkriegt?! Die müssen ja von irgendwo her sein. Aber von wo? Spricht<br />
der Sender die irgendwo auf der Straße an? Oder fotografieren die ihre<br />
Fressen und bewerben sich dann bei diversen Sendern, um bei<br />
entsprechender Gelegenheit für irgendeinen blödsinnigen Beitrag<br />
sinnloses, schmückendes Beiwerk darzustellen? Um Bafög oder Stütze<br />
aufzustocken? Oder auch endlich mal im TV zu sein? Keine Ahnung,<br />
auf jeden Fall sind die nun da und grinsen und testen diverse besonders<br />
sinnvolle Garten-Gadgets.<br />
Wahrscheinlich züchtet PRO7 solche Leute per Gentechnik im<br />
hauseigenen Untergrund-Labor. Direkt unter dem Sender. Und Daniel<br />
Aminati klingelt dann kurz telefonisch durch, wenn er mal wieder<br />
welche braucht. „Hallo, hier ist der Daniel von Galileo, ich bräuchte mal<br />
wieder zwei eineiige Männchen für die nächste Folge G, braune Haare,<br />
schläulich dreinblickend, so um die Mitte 20. Besten Dank.“<br />
Schauderhafter Gedanke.<br />
Wobei der arme Aminati ja derzeit taff moderieren muß. Ja, ganz<br />
richtig, taff. Der Ärmste. Was hat der denn wohl verbrochen? Keinen<br />
blassen Schimmer, aber es muß irgendwas ganz Furchbares gewesen<br />
sein, irgendwas unfaßbar Entsetzliches. Ansonsten wäre diese<br />
Strafversetzung nicht erklärbar. Bei PRO7 wird man nämlich nicht<br />
abgemahnt, bei PRO7 wird man gleich strafversetzt. Und taff ist die<br />
Höchststrafe, taff ist Zuchthaus, Arbeitslager, ganz klar. Im Gegenzug<br />
darf Lachkasper Stefan Gödde jetzt Galileo moderieren. Na klar, Stefan<br />
Gödde und ein Wissensmagazin. Wie authentisch. Und ich gewinne<br />
morgen mit dem Drecksbuch hier den Pulitzer-Preis. Und feiere dann<br />
drei Wochen Koks-Party mit den Zwillingen Pia & Tinka. Ein absurd<br />
geiler Gedanke, abfeier. Und der Dicke von Galileo darf uns den Stoff<br />
in XXL-Paketen anliefern. Stößchen!<br />
102
Wie auch immer, ich hätte das alles vorher nicht ansehen dürfen. Das<br />
alles hat mich schon zu weit ans Limit gebracht. Man könnte durchaus<br />
behaupten, daß ich mich in diesem Fall etwas zu weit aus dem Fenster<br />
gelehnt habe. Was für eine Überraschung. Erst Galileo, dann Promi-<br />
Dinner, und dann auch noch Prominent! Unmöglich. Nicht zu schaffen.<br />
Eine ausgemachte Torheit war es von mir, sich der Illusion hinzugeben,<br />
nach diesem ganzen Kaspertheater noch eine komplette Ausgabe<br />
Prominent! verfolgen zu können. Was bin ich doch für ein wirrer<br />
Schafskopf. Denke ich mir beim Rauchen der frischen Hecke. Ein<br />
ausgemachter, überheblicher Hornochse. Aber was soll`s, jetzt ist es zu<br />
spät. Muß ich das eben morgen nachholen, muß ich mir morgen eben<br />
taff reinziehen. Auf PRO7.<br />
Oh nein, nicht schon wieder PRO7. Die haben doch schon mit GNT den<br />
Vogel abgeschossen. Was ist denn bloß aus meinem schönen PRO7<br />
geworden?! PRO7 war doch mal PRO7! Und jetzt?! Jetzt haben wir<br />
PRO-BLÖD. Nur blöd. Na toll. Wahrscheinlich mußte man auch bei<br />
PRO7 dem Zeitgeist Tribut zollen. Beziehungsweise dem Umstand, daß<br />
von 8 bis 18 Uhr nur Goons und Pansen vor der Glotze sitzen. Wäre für<br />
mich die einzige plausible Erklärung. Genau, so muß es sein. Mit dieser<br />
weisen Erkenntnis -und umnebelt von der schönen Hecke- kippe ich<br />
bewußtlos in Garten um. Endlich. Was für ein Tag.<br />
Mein Vater weckt mich gegen 14 Uhr mit einem Eimer Wasser über den<br />
Kopf, weil ich ihm die freie Fahrt beim Rasenmähen versperre.<br />
Unerhört, was für ein uncharmantes Vorgehen. Und das am frühen<br />
Morgen. Wutentbrannt springe ich auf und will ihm dafür gerade eine<br />
Ermahnung aussprechen, da kriege ich einen Mords-Nachdurst von der<br />
doch sehr würzigen Vorabend-Hecke. Also verlasse ich zunächst den<br />
Garten und gehe zielstrebig ins Haus, um den nassen Klamotten zu<br />
entsteigen und mir einen Durstlöscher zuzubereiten.<br />
Richtig gut kommt bei so einem Nachdurst immer ein leckerer Eistee.<br />
Also ran an den Mixer. Jeweils 12 cl Tequila, Cointreau, Gin, weißer<br />
Rum, Wodka, Zitronen- und Orangensaft rein, und das Ganze mit etwas<br />
Cola aufmixen. Nach Belieben noch ein wenig Eis dazu, fertig. Schon<br />
hat man einen guten Liter leckeren Eistee. Für mich sowieso der<br />
absolute Eistee-Klassiker. Rezept ist aus Long Island. Sehr isotonisch,<br />
103
sehr vitaminreich. Unerhört aromatisch noch dazu, fast schon<br />
unverschämt aromatisch. Und der Pegel ist auch gleich wieder auf<br />
einem erträglichen Level. Das Aroma schmeichelt eben noch dem<br />
Gaumen, und zack, schon ist der Stoff im Kopf. Ein sehr ehrliches<br />
Getränk, moralisch einwandfrei. Eben ein absoluter Klassiker.<br />
Es folgt ein opulentes Frühstück. Zwei Long-Island-Eistee und eine<br />
vom letzten Grillabend übrig gebliebene grobe Bratwurst lassen den<br />
Nachdurst unglaublich schnell verschwinden. Den dritten Eistee fülle<br />
ich mir in einen trendy To-go-Pappbecher mit Plastikdeckel und<br />
Strohhalm, wie man ihn von McDonald`s und so kennt. Nur ist mein<br />
Pappbecher nicht To-go, sondern To-ausflipp, weil ich dies just im<br />
selben Moment leider schon wieder tun muß. Soll heißen, daß ich<br />
meinen rasenmähenden Vater schon wieder rügen muß. Daß der nie<br />
wieder meinen Rasen mähen darf, wenn er das mit dem Eimer Wasser<br />
noch einmal macht. Aber er wird es doch wieder tun. Ungeheuerlich. Er<br />
tut es immer wieder! Im Sommer ist das ja nicht so schlimm, aber wenn<br />
er das im Winter tut, kann es sehr verheerende Folgen nach sich ziehen.<br />
Geradezu irreparable Schäden verursachen. Von der Kopfgrippe anno<br />
1998 habe ich mich bis heute nicht erholt. Behaupten zumindest böse<br />
Zungen. Das dürfte dann auch einiges hier erklären.<br />
Aber damit kann ich mich jetzt leider nicht befassen. Denn es liegt<br />
Arbeit vor mir. Viel Arbeit, harte Arbeit. Also schnell wieder ab ins<br />
Haus. Und ab ins Bett. Ich schaffe es gerade noch, den Wecker auf<br />
16.45 Uhr zu stellen. Danach falle ich erschöpft ins Bett. Dieser<br />
Vormittag hat mir alles abverlangt. Ich habe mich total verausgabt.<br />
16.45 Uhr. Das ging mir aber viel zu schnell, und ich bin auch noch<br />
wahnsinnig müde. Also zügig zwei Eistee rein, die ich in weiser<br />
Voraussicht bereits neben das Bett gestellt habe. Die helfen natürlich<br />
sofort. Glotze an, Popo-Loch zugekniffen, und ab dafür.<br />
taff startet um 17 Uhr und wird derzeit von Annemarie Warnkross<br />
(logisch) und vom strafversetzten Daniel Aminati moderiert. Wobei<br />
moderieren wohl eher das falsche Wort ist. Ganz großes Tennis<br />
umschriebe es besser. Epochalstes Laienschauspiel. Luke, ich bin Dein<br />
Vater. Und Annemarie hier ist Deine Mutter. Neeeeeeiiiiiin!!!!!<br />
104
Egal. Los geht`s mit einem Bericht über den Deutschen Filmpreis 2009.<br />
Zwei Hauptfragestellungen sollen dem interessierten Zuschauer hierbei<br />
erörtert werden. Erstens: Wie wird man eigentlich Filmstar? Und<br />
zweitens: Warum gibt es bei dieser Veranstaltung so wenig zu essen?<br />
Diesen beiden Fragestellungen wird mit dem anwesenden Catering-<br />
Personal und einigen mir nicht näher bekannten Promis auf den Grund<br />
gegangen. Schöner Eröffnungsbeitrag, reicht.<br />
Es folgt eine sehr gelungene Schauspiel-Einlage der Moderatorin<br />
Warnkross, die aus einem hysterischen Kreischen besteht. Aha. Wir<br />
erfahren dann nämlich, daß es im nächsten Beitrag um die spannende<br />
Frage gehen soll, wo die Fans am lautesten kreischen: Bei Zac Efron in<br />
Berlin oder bei Ciley Myrus in München. Und noch einmal hysterisch<br />
aufgekreischt von Fräulein Warnkross, sehr schön, sehr talentiert.<br />
Spricht mich total an, weiter so. Während ich mir allerdings die<br />
brennende Frage stelle: Who the Fuck sind Zac Efron und Ciley Myrus?<br />
Wird hoffentlich in dem nun folgenden Beitrag geklärt. Und tatsächlich,<br />
Zac Efron ist ein junger Schauspieler, der gerade einen Film abgedreht<br />
hat und diesen nun in München vorstellt. Man erfährt, daß seine Fans<br />
hauptsächlich Teenies sind. Oho! Dagegen stellt Ciley Myrus gerade<br />
einen Film in München vor, und ihr Publikum besteht hauptsächlich aus<br />
Kindern. Soso. Die spannende, themeneröffnende Frage, welche Fans<br />
denn nun lauter kreischen, wird dann aber leider irgendwie doch nicht<br />
erörtert.<br />
Ist egal, weiter geht`s mit dem taff-Klatsch. Aha, jetzt kommt Klatsch.<br />
Ach so! Und was war der andere Mist bis jetzt? Wirtschaftswoche? Das<br />
literarische Quartett? Bildungsfernsehen? Unglaublich. Auf jeden Fall<br />
wird nun festgestellt, daß Sharon Stone viel zu dünn ist (vgl. Posh-<br />
Spice-Headknocker), ganz toll. Und daß Mark Terenzi, der süße, kleine<br />
Ex-Stecher von Sarah Connor, nun mit einer gewissen Lisa Gina<br />
zusammen ist, die ich aber auch nicht kenne. Die dafür aber ganz tolle<br />
Hairextensions hat, die auch total echt aussehen, echter geht schon bald<br />
nicht mehr. Und deren Stimme sich anhört, als würde Axl Rose voll auf<br />
Crack ein Duett mit Alf singen. So oder ähnlich. Auf jeden Fall<br />
stimmlich absolut kein Vergleich zum Delmenhorster Nasenbär, so viel<br />
steht mal fest. Wobei mir persönlich die ganze Kiste völlig am Arsch<br />
abgeht. Sorry, ist aber nunmal so.<br />
105
Als nächstes erfahren wir, daß Englands Vorzeige-Plastik-Bumse Katie<br />
Price nun Marathon läuft, was auch besonders viel Sinn macht.<br />
Während der Schwangerschaft schön saufen und koksen, um dann<br />
logischerweise ein schwerbehindertes Kind zur Welt zu bringen, und<br />
jetzt Marathon laufen. Kopfschuß! Kann die bitte mal jemand von ihrem<br />
Leid erlösen?! Bitte irgendjemand?! Irgendeiner hier?! Nein? Dann muß<br />
ich es wohl machen. Gewährt mir vollständige Amnestie, und ich mache<br />
es. Kein Witz, versprochen. Viel schlimmer aber noch, daß selbst taff<br />
sich nicht zu schade ist, über diese Transe zu berichten. Herr, bitte<br />
schmeiß Hirn vom Himmel. Bitte schnell. Und für alle Beteiligten.<br />
Grenzenloses Aso-Opfer-TV, nichts ist mehr heilig.<br />
Und als wäre das alles nicht schon pervers genug, nimmt man<br />
Moderator Aminati jetzt noch den letzten Funken Würde und gibt ihn<br />
vollends der Lächerlichkeit preis, indem man ihn den nächsten Beitrag<br />
in Unterhose anmoderieren läßt. Es geht nämlich um die neueste Mode<br />
der Saison für Männer. The latest Fashion quasi. Yeah, Baby! Und laut<br />
Dolce & Gabbana soll es in diesem Frühjahr besonders chic aussehen,<br />
sich mit Cowboyhut, Hemd, Krawatte, Hot Pants und Kniestrümpfen zu<br />
kleiden. Lächerlich. Ich laufe schon seit Jahren so rum. Das ist schon<br />
seit Jahren Trend bei mir. Man kennt mich schon gar nicht mehr anders.<br />
Schön Strohhut auf den Kopf, Unterhemd, weite Buchse mit schön<br />
Klöten raus an einer Seite und weiße Tennissocken schön hoch bis in<br />
die Kniekehle. Yeah, Baby! Und bei der Gartenarbeit noch ein paar<br />
schöne Biker-Boots dazu an, das kommt krass. Voll krass. Alles in<br />
allem also der erste Beitrag, den ich nachvollziehen kann. Weil ich ein<br />
Fashion-Victim bin. Wenn ich auch nicht damit übereinstimme, daß das<br />
erst jetzt Trend geworden ist.<br />
Ein weiteres Laienschauspiel unserer beiden Moderatoren, diesmal<br />
beide mit Hut, Sonnenbrille und Mundschutz. Der Witz an der Sache<br />
soll wohl sein, daß man nun einen Beitrag anmoderiert, der sich mit der<br />
Thematik auseinandersetzt, wie man sich wohl als Promi fühlt. Meines<br />
Erachtens ein sehr gelungener Scherz. Wirklich sehr gelungen, zudem<br />
eine besonders kecke Anmoderation. Voller Jux rümpfe ich die Nase,<br />
denn das hat mir äußerst gut gefallen. Und im PRO7-Untergrund-Labor<br />
hat man dazu auch gleich einen Witzbold geklont, der das alles testen<br />
soll, indem er sich als Jacko Jackson verkleidet.<br />
106
Okay Freunde, gönnt mir eine kleine Pause. Ich habe ja wohl ziemlich<br />
gut durchgehalten bis hierhin, oder?! Bis hierhin, und erstmal nicht<br />
weiter. Erstmal bitte Pause, kurzes Päuschen, ja?! Also nur kurz runter<br />
in Garten, bißchen Rest-Hecke, bißchen Wodka, dann geht`s gleich<br />
weiter. Bißchen Nervennahrung, kleines Gehirn-Knoppers, kurz den<br />
Kanal freiblasen. Meine Kapazitäten sind limitiert, bis gleich.<br />
Mann, war das mal erfrischend! Unfaßbar erfrischend! Und auf PRO7<br />
ist auch gerade Pause gewesen, so daß wir nicht allzu viel verpaßt<br />
haben. Weiter geht`s mit Lady Gaga, die nach eigener Aussage „die<br />
Welt mit Glitzer und Glamour verändern“ will und sich unter anderem<br />
mit Paris Hilton unterhält. Ein löbliches Unterfangen, sehr edel. Denn<br />
wenn man heutzutage mit irgendetwas die Welt verändern kann, dann ja<br />
wohl mit Glitzer und Glamour. Gut zu wissen. Ich Naivling hatte<br />
nämlich gedacht, daß das eher mit Macht, Geld und Waffen ginge. Aber<br />
jetzt weiß ich es besser. Und mit dem Gedanken im Kopf, wie 1683 die<br />
Türken vor Wien Paris Hilton in eine Kanone stecken und gegen die<br />
Stadttore Wiens abschießen, lache ich laut auf und widme mich dem<br />
nächsten Beitrag. Hach, wie geil das nun wieder wäre.<br />
Es folgt eine Vorschau auf die nächste GNT-Folge, in der sich die<br />
Mädels unter anderem in Zweier-Paaren selbst fotografieren sollen. Bei<br />
einem Paar klappt das aber nicht so gut, und Peyman und Rolf gefallen<br />
die Photos dann auch überhaupt nicht. Dafür wird den beiden Mädels<br />
dann auch eine Rüge erteilt. Peyman kann das alles nicht mehr mit<br />
ansehen und geht sogar noch einen Schritt weiter: Nach eigener<br />
Aussage würde er sich jetzt am liebsten die Haare raufen, wenn er denn<br />
welche hätte. Amazing, Peyman, ganz amazing. Und natürlich auch<br />
Overselling to the extreme, wie sich das für GNT eben gehört.<br />
Es folgt eine weitere Werbepause, in der unter anderem ein neues<br />
Show-Format von PRO7 beworben wird. Es ist ein Format mit DJ Bobo<br />
und trägt den sehr originellen Titel Germany`s Next Showstars. Da wäre<br />
ich ja nie drauf gekommen. Ihr verrückten Hunde, Ihr! Wie originell ist<br />
das denn bitte?! Ihr kommt immer auf Ideen, verrückt. Und sensationell<br />
originell, phantastisch. Auf jeden Fall ist nach der Werbung bei GNT<br />
dann wohl auch alles wieder in Ordnung, denn abermals wird albern<br />
und dummdreist rumgekreischt, sehr schön.<br />
107
Es folgt der taff-Trend, welcher mit ganz wichtigen News über Ciley<br />
Myrus beginnt. Wat? Ciley Myrus? Schon wieder? Déjà-vu? Besoffen?<br />
Nein, es geht tatsächlich schon wieder um Ciley. Irgendwas besonders<br />
Wichtiges, das ich mir aber nicht merken konnte. Sorry.<br />
Wir erfahren dann, daß pink und blau die Farben dieses Frühlings sind,<br />
ferner Keilabsätze und selbst angepinselte T-Shirts, die total beschissen<br />
aussehen. Ach ja, und bauchfrei ist auch wieder total in. Na klar,<br />
bauchfrei. Ist ja wieder sowas von in, das glaubt man gar nicht mehr.<br />
War aber eigentlich auch nie out. Genau wie hirnfrei. Ist ganz<br />
offensichtlich auch wieder voll in. Bauchfrei tragen ja zum Glück auch<br />
nur die, die es sich wirklich leisten können. Also vorne schön gepiercte<br />
Wampe, an den Seiten ordentlich Hüftgold, und hinten als Krönung ein<br />
hübsches Arschgeweih, sorry, Steißtribal. Ich stehe total auf bauchfrei,<br />
bin ein absoluter Bauch-Fetischist. Zumindest beim Vorliegen eben<br />
beschriebener Wampe-Hüftgold-Arschgeweih-Kombo. Ahh, da werde<br />
ich schon wieder scharf wie ein Radieschen.<br />
Top der Woche sind Hippie-Klamotten, logisch. Flop der Woche sind<br />
irgendwelche pottenhäßlichen Louis-Vuitton-Latschen für 2.000 Euro,<br />
wie sie Headknocker Posh Beckham trägt. Da fällt mir ja ein Stein vom<br />
Herzen. Denn diese Louis-Vuitton-Latschen standen ganz oben auf<br />
meiner Must-have-Liste. Glücklicherweise schicke ich den Boten immer<br />
erst mittwochs los, um meine Besorgungen zu erledigen. Kann ich die<br />
Latschen erstmal von der Liste streichen, ruckzuck mal eben schön<br />
2.000 Euro gespart. Vielen Dank, liebes taff-Team.<br />
Und damit endet taff auch schon für heute. Ufff!!! Vor lauter<br />
Verzückung pfeifft mein Arschloch die schönsten Töne, die man sich<br />
vorstellen kann. Melodien für Millionen! Beethovens Für Elise. Nein,<br />
sogar Beethovens Neunte. Komplett. Freude, schöner Götterfunken,<br />
Tochter aus Elysium. Herrlich. Ich bin happy! Vor lauter Euphorie<br />
merke ich gar nicht, wie die Nachrichten noch an mir vorbei rauschen.<br />
Nein, sorry, bei PRO7 muß es ja Newstime heißen. Klinsi bei den<br />
Bayern raus, Schweinegrippe in Europa, billige Fahrradhelme sind<br />
besser als gar keine. Dankeschön, Danke für nix. Schnell noch das<br />
Wetter, und dann die Simpsons. Freude, schöner Götterfunken, ich bin<br />
gerettet. Ab durch die Hecke! Herzlichen Glückwunsch. Stößchen!<br />
108
Alles in allem ein unfaßbarer Abend. Beziehungsweise später<br />
Nachmittag. Ein unfaßbarer später Nachmittag also. Es ist ja erst kurz<br />
nach 18 Uhr. So früh noch, und schon alles erledigt. Morgenstund hat<br />
Gold im Mund. Eine überaus angebrachte Bemerkung. Zumindest, wenn<br />
man um 16.45 Uhr aufgestanden ist. Und anderthalb Stunden später<br />
bereits sein komplettes Tageswerk vollbracht hat. Insoweit eigentlich<br />
vielmehr ein unfaßbarer früher Morgen. Also jetzt mal rein von der<br />
inneren Uhr betrachtet. Phantastisch. Zur Feier des Tages werde ich<br />
heute wohl mal einen trinken. Stößchen!<br />
Stößchen? Von wegen. Nix da, nix Stößchen, hat sich was mit<br />
Stößchen. Kein Stößchen mehr, hat sich ausgestößelt. Denn jetzt ist es<br />
vorbei mit Stößchen, jetzt gibt es nämlich den Stoß. Den Kopfstoß. Den<br />
krassen Kopfstoß, den Headbutt. Zack! Es gibt den Zidane!<br />
Denn nicht nur, daß wir bereits unser Tageswerk verrichtet haben und<br />
nun ganz ad hoc ein Saufgelage am frühen Abend veranstalten können,<br />
was sehr ungewöhnlich ist. Nein, vielmehr haben wir eben gerade ganz<br />
unbewußt die Fremdwahrnehmung unseres Vollopfers durch Dritte<br />
illustriert. Ein ganz entscheidender Schritt, geradezu bahnbrechend für<br />
die folgende Analyse. Welche nun lediglich noch darin besteht, eine<br />
Attribution für das soeben Illustrierte zu finden. Nur noch eine<br />
abschließende Frage zu beantworten:<br />
Wie bewertet ein geistig relativ normal gebliebenes Individuum (z. B.<br />
Idiot, Fremdopfer, Honk) das auf den letzten Seiten beschriebene,<br />
hanebüchene Szenario? Wie beurteilt also ein normales Individuum<br />
soeben erschöpfend beschriebenes Aso- bzw. Vollopfer-TV bzw. diesen<br />
ominösen Mischmasch daraus inkl. der Protagonisten?<br />
Klare Antwort: Absurd, banal, beschissen.<br />
Sonst noch ein Wunsch?! Damit sollte eigentlich alles gesagt sein.<br />
Einfach nur Scheiße. Hingekackt und hingeschissen. Abgeseilt,<br />
weggedrückt, rausgequetscht. Bah! Für einen halbwegs normalen<br />
Menschen unerträglich. Unwichtiger als ein Mückenfurz. Und nicht<br />
einmal halb so aussagekräftig. Die banalste Gülle auf der ganzen Welt,<br />
jedem Bauern ginge Kraut und Rüben ein, würde er damit seinen Acker<br />
109
düngen. Bah, voll zum Kotzen. Nichts als heiße Luft und Maulfürze von<br />
und mit und über irgendwelche Hampelmänner und Orgelpfeifen, die<br />
keiner kennt. Die man auch gar nicht kennen will. Die nur einschlägigen<br />
Toastbroten und Gehirnakrobaten bekannt sind. Aus suspekten, niederen<br />
und nicht mehr nachvollziehbaren Gründen.<br />
Und wenn dann doch mal einer / eine mit dabei ist, den / die man kennt,<br />
wird der / die dann scheinbar schlichtweg von irgendwem zum Scheiße-<br />
Labern genötigt. Meist durch irgendeine selten dämliche Frage<br />
irgendeiner selten dämlichen Grinse-Hackfresse mit einem Mikro in der<br />
Hand. Ätzend, voll ätzend. Ein total ätzendes Szenario. Und GNT toppt<br />
alles. Alles! Allein die fratzenziehende Protagonistin, reicht schon. Und<br />
wenn die dann auch noch ihr dummes Maul aufmacht, um unentwegt<br />
und unaufgefordert banalsten Verbal-Diarrhoe in die Welt zu kotzen, na<br />
dann gute Nacht. Das ist das absolute Non-plus-ultra, das ist der Super-<br />
GAU. GNT toppt alles!<br />
Für uns läßt sich das Gesagte tabellarisch also wie folgt einordnen:<br />
Bezeichnung<br />
Fremd-<br />
wahrnehmung<br />
110<br />
Eigen-<br />
wahrnehmung<br />
tatsächlicher<br />
Status<br />
Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />
smart recht zufrieden recht zufrieden<br />
smart<br />
Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />
Fremdopfer normal dumm irgendwo clever fast clever<br />
positiv unzufrieden positiv<br />
tragisch tragisch<br />
Vollopfer sehr banal sehr wichtig<br />
dümmlich clever<br />
ungeil geil<br />
So, jetzt ist es raus. Die Bombe ist geplatzt, der Drops gelutscht.<br />
Herrlich! Endlich! Einmal mußte es gesagt werden, und jetzt wurde es<br />
gesagt, abfeier! Ahh! Ich fühle mich komplett erleichtert. Genau wie<br />
nach der Arschkotzerei zu Beginn dieses Kapitels. Doch diesmal nicht<br />
physisch, sondern psychisch. Ahh! Phantastisch, Stößchen! Bleibt nur<br />
noch der tatsächliche Status unseres Vollopfers zu klären.
Wo haben Sie eigentlich gelernt, so zu reden? In Panama-City, in einer<br />
Du-Ficki-Ficki-Seemans-Bar? Oder machen Sie heute Ihren Abflug und<br />
haben sich mit seinem Whisky vollgetankt? Verkaufen Sie diesen<br />
Wahnsinn woanders. Wir sind damit eingedeckt, bis obenhin.<br />
cc) Tatsächlicher Status<br />
111<br />
(Melvin Udall)<br />
Die Leute fragen mich immer, ob ich keine Klobürste habe. „Sag` mal,<br />
hast Du eigentlich keine Klobürste?“ Tolle Frage. Eigentlich eine selten<br />
dumme Frage, weil komplett überflüssig. Denn die Person, die mir diese<br />
Frage stellt, kommt ja zwangsläufig gerade von meinem Lokus und hat<br />
dort feststellen müssen, daß es keine Klobürste gibt. Es existiert keine.<br />
Nicht auf dem Lokus und sonst natürlich auch nirgendwo im Haus. Also<br />
eine ziemlich dumme und unnötige Frage, ganz klar. Okay, wäre die<br />
Person, die mir diese Frage stellt, Vertreter für WC-Artikel, dann<br />
meinetwegen. Dann kann man das ruhig mal fragen. Quasi als Offerte<br />
für ein folgendes Verkaufsgespräch. Dann ja, dann macht das Sinn.<br />
Oder wenn diese Frage von einer mittelschwer schizophrenen Person<br />
käme, die in ihrem paranoiden Schädel vermutet, daß die Klobürste<br />
vielleicht irgendwo versteckt ist, weil es in Wirklichkeit gar nicht die<br />
Klobürste ist, sondern das Zepter des Heiligen Benjamin von Persien, ja<br />
dann könnte man diese Frage auch sehr gut nachvollziehen. Dann wäre<br />
das sogar eine äußerst sinnvolle Frage. Aber unter normalen Umständen<br />
eben nicht. Unter normalen Umständen bzw. bei normalen Gästen<br />
absolut nicht nachvollziehbar.<br />
Unter normalen Umständen ist diese Frage sogar richtig hohl und<br />
unverschämt und kackfrech noch obendrein. Ich muß mich dann immer<br />
richtig zusammenreißen, damit ich dem Fragesteller nicht eine reinhaue.<br />
Weil ich nämlich überhaupt nicht weiß, ob der tatsächlich so bescheuert<br />
ist, oder ob er mich nur verarschen will.
Um nicht stets in Verlegenheit zu geraten, meinen Gästen eine<br />
reinhauen zu müssen, habe ich mir seinerzeit für solche und ähnliche<br />
Notfälle bzw. überflüssige Fragen, die mich wütend machen, eine Art<br />
Erste-Hilfe-Box zusammengestellt. Ein Survival Kit, um selten dämliche<br />
Fragen gewaltfrei meistern zu können. So könnte man es nennen, das<br />
umschreibt es ziemlich gut. Vielmehr sind es mehrere, identische<br />
Boxen, die allesamt denselben Inhalt aufweisen, und von denen ich stets<br />
eine in greifbarer Nähe haben muß.<br />
So habe ich beispielsweise in meinem Haus in jedem Zimmer eine<br />
solche Box positioniert. Im Wohnzimmer zwei, im Flur sogar drei. Für<br />
den Fall der Fälle. Wenn`s mal wieder soweit ist, wenn`s mal wieder<br />
brennt. Um dann blitzschnell reagieren zu können. Also beispielsweise<br />
für den kritischen Moment, wenn mich einer meiner Gäste nach dem<br />
Besuch meines WC fragt, ob ich denn keine Klobürste hätte. Auweia!<br />
Reflexartig greife ich dann in diese besagte First-Aid-Box, deren Inhalt<br />
aus zwei Tabletten Diazepam, einem Fläschchen Jägermeister 10 cl,<br />
einem Morphium-Zäpfchen und einer kleinen Habanero-Chili besteht.<br />
Das ist eine vom mir mittlerweile zum Patent angemeldete Spezial-<br />
Kombination, die ich in jahrelanger, mühsamer und liebevoller<br />
Kleinarbeit selbst entwickelt habe. Die Anwendung muß stets nach<br />
folgendem Schema verlaufen:<br />
Sobald man den belastenden Sachverhalt (hier also die unnötige<br />
Klobürsten-Frage) zur Kenntnis genommen hat und merkt, daß man<br />
gleich ausflippen wird, muß man zunächst die Habanero-Chili in zwei<br />
gleich große Teile zerbrechen. Dadurch entfaltet sich ihr Aroma<br />
besonders intensiv. Und das ist auch gut so, denn sie ist eine der<br />
schärfsten Chili-Arten der Welt. Sehr pikant. Mit der linken Hand jetzt<br />
sofort die eine Hälfte in den Mund stecken und gründlich durchkauen.<br />
Die andere Hälfte zeitgleich mit der rechten Hand ins eigene Auge<br />
stecken und ordentlich verreiben. Aber nur in ein Auge, nicht in beide.<br />
Schön draufhalten, zack. Das hört sich im ersten Moment vielleicht<br />
etwas unangenehm an, ist es aber nicht. Denn unser Körper befindet<br />
sich nun sehr ausgewogen in einer Art Yin-Yang-Situation: Die<br />
unerträglichen Schmerzen im Mund harmonieren nämlich ganz<br />
vortrefflich mit den Höllenqualen des gerade erblindenden Auges. Eine<br />
Art Win-Win-Situation für den Körper, phantastisch.<br />
112
Also alles in allem eine sehr harmonische, erquickende und überaus<br />
effiziente Methode, um sich von der haarsträubenden, kackfrechen<br />
Klobürsten-Frage abzulenken. Und sich auf die nächsten Schritte der<br />
Anwendung unserer First-Aid-Box konzentrieren zu können, denn diese<br />
haben es jetzt wirklich in sich.<br />
Nachdem ein Teil der Chili nun verspeist oder auf den Boden<br />
ausgespuckt wurde, können wir auch den anderen Teil aus dem Auge<br />
nehmen. Unverzüglich hierauf spülen wir die zwei Diazepam mit dem<br />
Fläschchen Jägermeister runter. Dadurch, daß Mund und Rachenraum<br />
durch das Chili-Fiasko total verbrannt sind, schmeckt der Jägi wie<br />
Malzbier und sollte mühelos in einem Schluck zu trinken sein. Im<br />
Magen wirkt unser Jägi dann schön beruhigend. Ferner geht er sofort in<br />
die Birne, was ja auch Sinn der Veranstaltung ist. Er hält uns also ruhig<br />
und bei Laune, bis die Diazepam wirken, während wir zwischenzeitig<br />
den letzten Schritt der Prozedur vollziehen und uns das Morphium-<br />
Zäpfchen in den Arsch stecken. Und zwar zusammen mit dem Teil der<br />
Chili-Schote, den wir zuvor im Auge stecken hatten. Beides rein, ganz<br />
wichtig. Und zack, ab ins Rosettchen! Halleluja! Wer je dachte, daß<br />
Geschlechtsverkehr unter Homosexuellen schlimm sei, wird nun eines<br />
besseren belehrt. Garantiert. Wobei man bei unserer Prozedur leider nur<br />
ansatzweise erfährt, welche Qualen der menschliche Körper aushalten<br />
kann, da der sanfte Schleier des Morphiums den analen Todes-Schmerz<br />
schnell verfliegen läßt.<br />
Wie gesagt, diese besondere Methode ist mittlerweile zum Patent<br />
angemeldet. Kann aber jeder gern mal ausprobieren, hilft wirklich.<br />
Höchst effizient. Denn daß uns nach Durchführung dieser Prozedur am<br />
eigenen Körper nun die Klobürsten-Frage im wahrsten Sinne des<br />
Wortes total scheißegal ist, kann sich wohl jeder denken. Viel<br />
wahrscheinlicher ist, daß wir hiernach gar nicht mehr wissen, wo unser<br />
Klo überhaupt ist. Ob es überhaupt ein Klo im Haus gibt. Oder ob noch<br />
im Garten über den Balken geschissen wird. Und das ist auch gut und<br />
richtig so, das war ja Sinn der Sache. Wir haben nun also ganz andere<br />
Sorgen und müssen unserem Gast für seine unerfreuliche Frage nicht<br />
mehr ohrfeigen. Unser Mittel hat gewirkt, uns ist geholfen. Bei riesigen<br />
Nebenwirkungen fressen Sie die Packungsbeilage und schlagen Sie<br />
Ihren Arzt oder Apotheker. Stößchen.<br />
113
Kriegste nix mehr zu fressen, kannste Deine eigene Scheiße fressen.<br />
aaa) Warum keine Klobürste?<br />
114<br />
(Walter Saxer)<br />
Ich bin nun also bereit und auch in der Lage, meinen Gast verbal auf<br />
dessen unverschämte, anmaßende und völlig überflüssige Frage, ob ich<br />
denn keine Klobürste hätte, hinzuweisen. Vielmehr vermittle ich ihm,<br />
daß er mich doch lieber fragen solle, warum ich keine Klobürste habe.<br />
Er hat ja gesehen, daß keine da ist, aber warum ist denn wohl keine da?!<br />
Das wäre mal eine kecke Frage. Ganz unverblümt, ohne um den heißen<br />
Brei herumzureden. Denn während man die überflüssige Frage, ob man<br />
denn keine Klobürste habe, mit einem schlichten Nein beantworten<br />
kann, gerät man bei der Frage nach dem Warum schon eher in<br />
Erklärungsnot.<br />
Die Gründe, warum ich keine Klobürste habe, sind vielschichtig. Allen<br />
voran erschließt sich mir nicht der Sinn eines solchen Utensils. In<br />
meinen Augen macht eine Klobürste keinen wirklichen Sinn, sie macht<br />
sogar Unsinn. Ein unsinniges WC-Utensil. Zumindest für mich. Für<br />
meine Gäste vielleicht nicht, aber für mich auf jeden Fall. Und letzten<br />
Endes ist es ja wohl immer noch mein Lokus.<br />
Wenn also ein Gast bei mir vom Lokus kommt und mir die an sich<br />
richtige Frage stellt, warum ich denn keine Klobürste habe, dann<br />
vergeht mir gleich mal alles. Angewidert zucke ich dann zurück,<br />
zuweilen schreie ich unbeabsichtigt kurz und schrill auf. Aiii! Denn was<br />
jetzt gerade passiert ist, kann man sich wohl an fünf Fingern abzählen:<br />
Da hat einer gerade meinen Thron bestiegen und voll abgeseilt.<br />
Kompromißlos abgeseilt, alles zugeschissen. Und zwar so heftig krass,<br />
daß die Hälfte des Abgeseilten selbst nach dem Spülen noch unten in<br />
der Schüssel hängt. Bäh. Und diese Abseil-Reste hätte unser Gast nun
gern unter Zuhilfenahme einer Klobürste beseitigt. Das muß man sich<br />
jetzt wirklich einmal vorstellen. Also bildlich. Denn wenn es bis hierhin<br />
lediglich widerlich gewesen ist, wird es nun völlig abartig. Unser Gast<br />
schrubbelt jetzt also schön mit der Klobürste die Restkacke in der<br />
Schüssel hin und her und hoch und runter, voll bäh, und dann?! Genau,<br />
dann stellt er die schöne Klobürste wieder zurück in das dazugehörige<br />
Behältnis. Ins Behältnis! Also in irgendein geschlossenes Behältnis, das<br />
der Aufbewahrung der Klobürste dient und irgendwo auf dem Boden<br />
neben der Schüssel steht oder an die Wand geschraubt ist. Na, fällt der<br />
Groschen langsam?!<br />
Das ist ja wohl die mit Abstand perverseste Sauerei im Haushalt, seit<br />
der Mensch nicht mehr mit den Schweinen unter einem Dach lebt.<br />
Einfach nur widerlich, aber echt jetzt. Bei dem Gedanken daran<br />
sträuben sich mir die Nackenhaare. Ein Schauer läuft mir den Rücken<br />
runter. Ich ekle mich so doll, daß ich gar nicht weiß, ob ich mich<br />
überhaupt schon jemals in meinem Leben so geekelt habe wie jetzt<br />
gerade jetzt. Wie bei dem Gedanken daran, daß man permanent ein<br />
Behältnis mit Anteilen von Restkacke diverser Personen in seinem<br />
Haushalt aufbewahrt. Ein Behältnis, welches vor sich hin siecht, sifft,<br />
gammelt, müffelt, gimpt. Unfaßbar. Und die ganzen Baktereien bzw.<br />
vielmehr Bakterien-Kulturen, die darin wachsen und gedeihen und stets<br />
und ständig mit neuer Kacke genährt werden. Igitt. Es verschlägt mir<br />
schlichtweg die Sprache, und das soll mal was heißen. Mir fehlen die<br />
Worte. Kurz: Es schlägt dem Faß den Boden aus! Widerlich.<br />
Denn im Normalfall läuft es nämlich so: Person X kackt ab, benutzt die<br />
Bürste und stellt sie dann wieder zurück. Die gröbsten Brocken<br />
vielleicht abgeklopft oder abgespült, muß aber nicht sein. Und selbst<br />
wenn, dann ist trotzdem noch genug dran, ganz klar. Durch das bißchen<br />
Abspülen mit Wasser aus der Klospülung kann das Ding ja nicht<br />
besonders sauber werden, leuchtet ja wohl ein. Person Y verfährt<br />
ebenso, Person Z auch, alle verfahren so. Weil sie die Bremsspuren in<br />
der Schüssel eben gern beseitigt hätten. Ist ja auch verständlich, ist sonst<br />
nämlich peinlich. Was für eine Schrubbelei, sensationell, pfui.<br />
Generationen von Gästen und Besuchern schrubbeln und schrubbeln<br />
und schrubbeln ihren Kot mit ein und derselben Bürste aus unserem<br />
Pott. Da muß man jetzt nur noch Eins uns Eins zusammenzählen.<br />
115
Somit entsteht im Laufe der Zeit eine Art Kacke-Zepter, welches in<br />
einem Gülle-Behälter vor sich hin siecht. Zwangsläufig. Selbst dann,<br />
wenn man das Ding ab und an erneuern würde. Selbst dann würde es<br />
innerhalb kürzester Zeit wieder zum heiligen Kacke-Zepter. Denn man<br />
käme ja wohl nie im Leben auf die schwachsinnige Idee, die bekackte<br />
Klobürste mal von Grund auf zu reinigen. Also so richtig schön mit den<br />
Fingern zwischen die Borsten und die Bröselchen da rauspulen. Selbst<br />
mit Haushaltshandschuhen nicht. Definitiv nicht. Und wer jetzt doch<br />
was anderes behauptet, ist verrückt. Und ziemlich pervers noch dazu.<br />
Allein der Gedanke daran ist schon ziemlich verdächtig.<br />
Es ist also völlig unmöglich, die Klobürste dahingehend zu reinigen,<br />
daß sie einem gewissen Hygiene-Anspruch genügt. Ausgeschlossen. Es<br />
ist und bleibt eine fiese Fäkal-Schleuder. Und am besten geht man dann<br />
eines Tages selbst noch bei und will mit dieser Fäkal-Schleuder sein<br />
WC putzen. Also so richtig, schön mit Putzmittel und WC-Ente und so.<br />
Das ist dann der Super-GAU. Pure Perversion. Das ist so pervers, daß es<br />
fast schon wieder lustig ist. Aber leider nur fast, es bleibt unvorstellbar<br />
ekelig. Das miefende, vor sich hin siechende und mit vielfacher<br />
Fremdkacke besudelte Fäkal-Zepter als Zauberstab für eine generelle<br />
WC-Säuberung. Was für ein Paradoxon! Scheiße zu Gold. Schön mit<br />
der WC-Ente in die Schüssel reinhalten, und dann die Kacke-Fackel<br />
nehmen und alles hübsch verteilen und einmassieren. Grundgütiger, was<br />
für ein Fiasko. Als würde man seinen nagelneuen Mercedes mit einem<br />
Lappen polieren, mit dem man zuvor das Restöl vom Ölwechsel<br />
aufgewischt hat. Mindesten genauso schwachsinnig.<br />
Und vielleicht könnte diese kleine Illustration nun auch die Frage<br />
beantwortet haben, warum ich denn wohl keine Klobürste habe. Eben<br />
genau darum habe ich keine. Weil`s unvorstellbar pervers ist. Ein<br />
überflüssiges, widerliches und völlig überbewertetes Utensil. Und wenn<br />
so ein Ding dann erstmal neben der Schüssel steht, ist es nur eine Frage<br />
der Zeit, bis irgendein Stinker es auch benutzt. Und damit den Stein ins<br />
Rollen bringt. Beziehungsweise das Zepter zum Stinken.<br />
Für Anwendungen der Grundreinigung ist so eine Klobürste demnach<br />
vollkommen ungeeignet. Also wenn ich meinen Dampfer mal wieder<br />
auf Hochglanz polieren will, also so von Grund auf, dann wird die<br />
116
ganze Schüssel erstmal bis zum Anschlag mit Sagrotan vollgepumpt.<br />
Voll rein, bis nichts mehr geht. Und dann gehe ich da mit dem Scheuer-<br />
Schwamm bei. Und zwar volle Kanne. Bis mir der Schweiß auf der Stirn<br />
steht. Bis der Thron strahlt und funkelt. Bis der so hell erleuchtet, daß<br />
ich ihn nicht mehr direkt ansehen kann. Dann ist der sauber. Richtig<br />
sauber. Der ist dann chemisch rein. Und zwar so krass, daß es einem<br />
beim nächsten Stuhlgang die Arschhaare wegätzt. Also ganz was<br />
anderes, als mit einer Klobürste rumzufuchteln, selbst wenn diese<br />
sauber oder gar neu ist. Die Gewalt, die man über einen Scheuer-<br />
Schwamm hat, könnte man niemals auf eine Klobürste ausüben.<br />
Physikalisch schonmal gar nicht, der Stiel bräche durch. Also in der Tat<br />
denkbar ungeeignet.<br />
Und für Fremd-Scheißer habe ich seit einiger Zeit statt einer Klobürste<br />
irgendeine chemische Keule neben der Schüssel stehen. Irgendein<br />
Granulat, ein hochätzendes Pulver oder sogar Drano Power Gel. Das<br />
kann dann derjenige bei etwaigen Bremsspuren in der Schüssel<br />
problemlos anwenden. Einfach was davon rein in die Schüssel, zack, 30<br />
Sekunden warten, abermals spülen und gut. Alles weggeätzt, alles blitzt<br />
und blinkt. Hygienisch vorbildlich, hygienisch einwandfrei. Denn<br />
schlimm war früher auch immer, wenn ich mal ein Mädel abgeschleppt<br />
hatte. Und die dann sagte, sie müsse mal für kleine Mädchen. Und dann<br />
nach fünf Minuten vom Lokus wiederkam und fragte, ob ich denn keine<br />
Klobürste hätte. Bah, das ging dann mal gar nicht. Da wußte man<br />
gleich, daß die Stunde geschlagen hat. Daß die Süße nicht für kleine<br />
Mädchen war, sondern vielmehr einen großen Fisch in den Teich gelegt<br />
hatte. Und zwar so groß, daß der Teich braun genug war, um eine<br />
Klobürste benutzen zu wollen. Bäh, das ging dann mal gar nicht. Dieses<br />
Mädchen mußte dann leider wieder nach Hause fahren, denn an Sex war<br />
nun nicht mehr zu denken.<br />
Vielleicht rührt daher meine Antipathie gegen die Klobürste. Ruinierte<br />
Sex-Phantasien. Das könnte es sein. Ist aber auch egal, wird nie wieder<br />
vorkommen. Nie, nie wieder. Denn seit ich das ätzende Zeug neben der<br />
Schüssel stehen habe, noch dazu mit der aufgeklebten Notiz, dieses bitte<br />
bei Restkacke und Kackeresten in die Schüssel zu kippen, hat nie<br />
wieder eine Lady nach der Scheiß-Klobürste gefragt. Und das ist auch<br />
gut so, denn davon profitieren alle! Stößchen!<br />
117
Du hast `ne Stimme wie `ne alte Oma. Aber beim Kacken.<br />
bbb) Und die Werbung?<br />
118<br />
(Dieter Bohlen)<br />
Manchmal beschleicht mich sogar das dumpfe Gefühl, daß einige Leute<br />
nur zum Kacken zu mir kommen. Nicht, daß ich das nicht irgendwo<br />
nachvollziehen könnte. Ich würde es wahrscheinlich genauso machen,<br />
wenn ich nicht bereits so ein monumentales, preisgekröntes, ja geradezu<br />
epochales Gäste-WC hätte. Alles vom Feinsten. Alles feinster Marmor,<br />
edelste Grohe-Wasserhähne, eine höhenverstellbare Schüssel von<br />
Villeroy & Boch, ebenso wie Bidet und Waschbecken. Zwar alles ohne<br />
Klobürste, logisch, dafür aber mit vielen anderen tollen Extras.<br />
Wahlweise Paul Kalkbrenner oder Chillout-Musik, sobald man den<br />
Lichtschalter bedient, je nach Geschmack. Peruanische Handseife.<br />
Seidene Vorhänge. Beistelltische im Biedermann-Stil. Zwei<br />
rombenförmige Kronleuchter. Porzellanfiguren aus der Ming-Dynastie.<br />
Und, und, und. Keine Frage, dieses WC hat Stil.<br />
Vierlagiges Toilettenpapier vom Charmin-Bär, wahnsinnig soft, der<br />
absolute Arsch-Schmeichler. Hakle Feucht, falls die Wurst mal wieder<br />
ein bißchen dünner war und man sich untenrum hygienisch noch nicht<br />
ganz einwandfrei fühlt. Dann ein schönes Hakle Feucht, zack, und die<br />
Welt ist wieder in Ordnung. Und natürlich auch Brise Airwick, den<br />
Geruchsbeseitiger. Beseitigt Stinkerei jeder Art und hinterläßt einen<br />
sehr zarten und leicht blumigen Hauch von Minze, ganz tolle Sache. Mir<br />
fällt dabei gerade auf, daß es mir eigentlich exakt so ergeht, wie den<br />
Figuren aus der Brise-Airwick-Werbung im TV. Wo das Kind nicht zu<br />
Hause kacken will, sondern lieber bei Paul. Weil es zu Hause scheinbar<br />
ganz gewaltig stinkt auf dem Lokus. Zur besseren Veranschauung hier<br />
mal kurz der zugegebenermaßen etwas hanebüchene Dialog zwischen<br />
der Brise-Mutter und dem Brise-Kind:
Kind: Mama, ich muß mal groß.<br />
Mama: Na dann komm`.<br />
Kind: Nee, ich geh` lieber bei Paul auf`s Klo.<br />
Mama: Sei` nicht albern.<br />
Kind: Ich geh` aber lieber bei Paul auf`s Klo.<br />
Mama: (überlegt) Hmmm.<br />
Soviel dazu. Im wahrsten Sinne des Wortes ein total beschissener und<br />
völlig absurder Dialog. Realistischer geht es kaum, meine Fresse.<br />
Herzlichen Glückwunsch dazu. Und natürlich Stößchen. Aber egal, das<br />
Produkt ist gut. Umgekehrt wäre schlimmer. Also toller Dialog und<br />
Scheiß-Produkt. Das wäre schlimmer, unbestritten.<br />
So, und mich beschleicht so schön langsam mal das unheilschwangere<br />
Gefühl, daß ich scheinbar Paul bin. Mal eben schön zu Paul, mal schön<br />
gepflegt einen abkacken, zack. So wird`s doch gemacht. Manche<br />
kommen doch tatsächlich nur zum Abseilen zu mir, kaum zu glauben.<br />
Guten Tag, abgeseilt, auf Wiedersehen. Kack-and-go. Meine Fresse, ich<br />
bin tatsächlich Paul! Mist. Und ich dachte, ich wäre der Honk.<br />
Bockmist. So kann man sich täuschen. Wobei das ja eigentlich Blödsinn<br />
ist, fällt mir gerade auf. Es existiert ja überhaupt keine umgekehrte<br />
Kausalitätskette zwischen Paul und Honk. Wenn ich der eine bin, heißt<br />
das ja nicht zwangsläufig, daß ich nicht zugleich auch der andere sein<br />
kann. Schließt sich ja gegenseitig nicht aus. Ich bin ja auch Honk und<br />
Sohn, Honk und Autofahrer, Honk und Raucher. Kann ja alles<br />
koexistieren, schließt sich ja nicht aus. Gott sei Dank.<br />
Okay, um die Sache abzukürzen: Ich bin und bleibe der Honk, fühle<br />
mich aber zuweilen wie Paul. Das trifft es am ehesten und vermeidet<br />
unnötige Haarspaltereien. Dabei belassen wir es. Wobei aber immer<br />
noch die Frage im Raum steht, ob dieser ominöse Paul überhaupt<br />
mitkriegt, daß das andere Kind ihn nur zum Kacken besucht. Lassen wir<br />
119
jetzt aber auch mal dahingestellt, die Werbung läßt das ja schließlich<br />
auch offen. Ich krieg`s auf jeden Fall mit, wenn hier einer nur zum<br />
Abdrücken herkommt. Und ich bin darüber nicht sehr erfreut, not<br />
amused, wie man sich sicher denken kann.<br />
Auf jeden Fall ein völlig haarsträubender und absurder Dialog zwischen<br />
der Brise-Mutter und dem Brise-Kind. Im realen Leben unvorstellbar.<br />
Im realen Leben würde das Kind von vornherein gar nichts sagen und<br />
dann bei Paul abkoffern. Und zwar kommentarlos. Oder es ginge gleich<br />
in den Garten. Hinter den Busch. Um die Ecke. In Nachbars Garten.<br />
Oder sonstwo hin. Irgendwo hin, egal. Alles viel wahrscheinlicher als<br />
dieser absurde Dialog. Käme es dann aber doch zu einem Dialog, dann<br />
sähe dieser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so aus:<br />
Kind: Mama, ich muß mal groß.<br />
Mama: Na dann komm`.<br />
Kind: Nee, ich geh` lieber bei Paul auf`s Klo.<br />
Mama: Geht`s noch?! Wenn Du kacken mußt, dann kack`. Oder<br />
halt` den Rand und warte, bis Du bei Paul bist, und kack`<br />
dann da. Aber erzähl` mir nicht, daß Du kacken mußt und<br />
hier aber nicht willst oder kannst, Du komisches Kind. Was<br />
paßt Dir denn an unserem Lokus nicht?!<br />
Kind: Hast eigentlich Recht, war blöd.<br />
Keine Frage, dieser Dialog läge etwas näher an der Realität. Also wenn<br />
überhaupt irgendein Dialog, dann dieser. Oder ein ähnlicher mit<br />
entsprechendem Inhalt. Fakt aber bleibt, daß viele Menschen meine<br />
naive Gastfreundschaft scheinbar ausnutzen, nur um ihr Geschäft in<br />
vollendeter Atmosphäre verrichten zu können. Und obwohl ich das als<br />
Hommage an mein schönes WC verstehen könnte, mich vielleicht sogar<br />
geehrt fühlen könnte, fühle ich mich schlichtweg verarscht.<br />
120
Spieler haben Scheiße gespielt. Tut mir leid, kann ich nichts für, würde<br />
ich auch gerne anders sagen. Aber Spieler haben Scheiße gespielt.<br />
Absolute Scheiße.<br />
ccc) Ergebnis<br />
121<br />
(Aleksandar Ristic)<br />
Na was ist denn jetzt los? Hat der jetzt völlig den Verstand verloren?<br />
Mag sein. Wozu das alles? Wen interessiert der Scheiß? Und was hat<br />
das alles überhaupt mit dem Thema zu tun? Mit der Festlegung des<br />
tatsächlichen Staus unseres Vollopfers?<br />
Einiges. Vieles sogar. Eigentlich alles. Ja genau, alles. Metaphorisch<br />
gesehen haben wir nämlich auf den letzten paar Seiten nichts anderes<br />
gemacht, als den tatsächlichen Status unseres Vollopfers zu definieren.<br />
Rein metaphorisch natürlich. Die fehlende Klobürste, der<br />
haarsträubende Brise-Dialog, unser pompöses Klosett. Das alles ist<br />
unser Vollopfer. Das alles entspricht dem tatsächlichen Status unsers<br />
Vollopfers. Alles natürlich rein metaphorisch, versteht sich.<br />
Zuerst die überflüssige Frage, ob ich denn keine Klobürste habe. Eine<br />
haarsträubende Frage, die ich nur durch Selbstverletzung (Habanero in<br />
Auge und Arsch) und unter Zufuhr diverser Betäubungsmittel gewaltfrei<br />
beantworten konnte. Alles in allem also ganz genau so wie beim<br />
Vollopfer-TV: Überflüssig, haarsträubend, nüchtern nicht zu ertragen.<br />
Man möchte den Protagonisten und Protagonistinnen am liebsten<br />
permanent in die Fresse hauen oder sich selbst geißeln.<br />
Dann die unheilschwangere Frage nach dem Warum. Warum ich denn<br />
wohl keine Klobürste habe. Ganz klar, weil sie unsinnig, widerlich,<br />
schauderhaft und überbewertet ist. Bah, bah, bah. Also auch Eins zu<br />
Eins mit unserem voll geilen Opfer-TV und dessen bizarren Figuren,
alles identisch: Widerliche, schauderhafte TV-Formate, allen voran<br />
GNT, bah. Eine völlig überbewertete Protagonistin, überbewerteter geht<br />
es nicht mehr. Inmitten einer Horde völlig verwirrter und<br />
orientierungsloser Kinderchen. Kleine, liebe Mädchen, die permanent<br />
irgendeinen unfaßbar hanebüchenen Schwachsinn in irgendeine Kamera<br />
posaunen, als hinge die Existenz der Menschheit davon ab. Als stände<br />
das Jüngste Gericht kurz bevor. Die Apokalypse. Auweia! Aber alles<br />
schön analog zu unserer fiesen Klobürste, alles original übertragbar.<br />
Alles dieselbe Thematik. Warum? Möchte man aufschreien. Wozu das<br />
alles? Wozu der ganze Zirkus? Es macht doch keinen Sinn?!<br />
Man möchte den fehlgeleiteten Darstellern und Teilnehmern am liebsten<br />
dieses ätzende Scheißhaus-Granulat aus meinem Lokus in die Rübe<br />
kippen, damit ganz oben mal wieder ordentlich durchgespült werden<br />
kann. Das würde helfen, genau wie es in meiner Schüssel auch hilft.<br />
Man möchte helfen, einfach nur helfen, aber es geht nicht. Jede Hilfe<br />
kommt da zu spät, es ist leider so. Einem Vollopfer kann nicht mehr<br />
geholfen werden, so tragisch es auch ist. Keine Chance, der Zug ist<br />
abgefahren.<br />
Und dann diese Brise-Familie. Heiliger Bimbam. Was für ein geiler<br />
Dialog! Völlig banal und absurd. Voll an der Realität vorbei<br />
geschossen. Aber sowas von. Endgeil. Und dazu mein Ärgernis über<br />
Gäste, die nur zum Scheißen zu mir kommen. Von denen ich mich<br />
verarscht fühle. Die ich teilweise nicht einmal kenne! Alles genau wie<br />
bei unseren Vollopfern. Die leben auch in einer Scheinwelt jenseits jeder<br />
Realität, auch alle endgeil. Banalstes Geschwätz, absurdeste Themen.<br />
Absolut nicht mehr nachvollziehbar, jeder geistig halbwegs normal<br />
situierte Mensch kommt sich da komplett verarscht vor.<br />
So sieht`s jetzt mal aus. Das ist der Stand der Dinge. Also keine banale<br />
Phrasendrescherei über Klobürsten und ähnlichen Mist, sondern<br />
vielmehr metaphorisches Eruieren des tatsächlichen Status unseres<br />
Vollopfers. Und zwar als überbewertet, sehr banal und realitätsfremd.<br />
Oder kurz: Voll Scheiße! Womit die Charakterisierung unseres<br />
Vollopfers dann übrigens auch abgeschlossen wäre. Phantastisch, ganz<br />
phantastisch, ganz großes Tennis hier. Und -na klar- Stößchen!<br />
122
You sit there and you thump your bible and you say your prayers. And it<br />
didn`t get you anywhere. Talk about your psalms, talk about Johannes<br />
3:16. Well, Austin 3:16 says: I just kicked your ass!<br />
dd) Ergebnis<br />
123<br />
(Stone Cold Steve Austin)<br />
Was für ein Fest! Ich möchte nicht wissen, in wie viele Ärsche ich<br />
gerade getreten habe. Also die letzten 40 Seiten. Wie viele Vollopfer<br />
sind jetzt not amused? Wie viele Vollopfer halten das alles hier für very<br />
disgusting? Na? Ist mir scheißegal, ist mir total Latte. Von mir aus kann<br />
allen ein Zacken aus der Krone brechen. Abfeier! Zack, hier:<br />
Bezeichnung<br />
Fremd-<br />
wahrnehmung<br />
Eigen-<br />
wahrnehmung<br />
tatsächlicher<br />
Status<br />
Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />
smart recht zufrieden recht zufrieden<br />
smart<br />
Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />
Fremdopfer normal dumm irgendwo clever fast clever<br />
positiv unzufrieden positiv<br />
tragisch tragisch<br />
Vollopfer sehr banal sehr wichtig sehr banal<br />
dümmlich clever überbewertet<br />
ungeil geil realitätsfremd<br />
Bitteschön! Da habt Ihr`s. Schwarz auf weiß. Und es gehört alles Euch!<br />
Es war mir ein Vergnügen, the pleasure was all mine. Was für ein Fest!<br />
Amazing! Stößchen! Wahrscheinlich war`s das jetzt für mich mit Heidis<br />
Halloween-Party. Egal, drauf geschissen. Mir hat es da eh noch nie<br />
gefallen zwischen den ganzen Voll- und Halbvollopfern. War eh nichts<br />
für mich, immer dieses Hin und Her, mal LA, mal New York...
Und es ist noch nicht vorbei, das Leiden hat noch kein Ende. Im Laufe<br />
des nächsten Kapitels werden wir uns noch einmal mit Opfer-TV<br />
auseinandersetzen müssen. Allerdings nur noch sehr kurz und knapp.<br />
Wir wollen ja nicht, daß unser schönes Sachbuch hier zu einem<br />
kommerziellen Boulevard-Schundheftchen verkommt. Nein, das wollen<br />
wir mal nicht. Aber keine Bange, schlimmer wird`s eh nicht mehr.<br />
Schlimmer geht`s auch gar nicht mehr. Hoffe ich zumindest.<br />
Mit dem Vollopfer haben wir nun also ein hierarchisches Pendant zu<br />
unserem Vollidioten aus dem zweiten Kapitel gefunden. Gesucht,<br />
gefunden. Wobei wir bei dem telemedialen Dünnpfiff, den unsere<br />
Vollopfer tagtäglich verzapfen, nicht lange suchen mußten. Während<br />
wir also auf der einen Ebene den Idioten, das Fremdopfer und den Honk<br />
haben, erschließt sich uns auf der anderen Ebene dieses Bild:<br />
Vollidiot � Vollopfer<br />
Hierbei verhält es sich aber nicht zwangsläufig so, daß der Vollidiot<br />
irgendwann eine Metamorphose zum Vollopfer durchläuft oder<br />
umgekehrt. Das kann in einigen Fällen geschehen, ist aber eher selten.<br />
Vielmehr existiert eine Art Abhängigkeits-Verhältnis zwischen beiden.<br />
Beide sind aufeinander angewiesen und zwar recht stark: Ohne den<br />
Vollidioten hätte unser Vollopfer nur noch identische Vollopfer und das<br />
ganze Casting-Gesocks als Publikum. Und umgekehrt hätte unser<br />
Vollidiot ohne das Vollopfer nur noch Aso-TV, während sein geliebtes<br />
Opfer-TV komplett wegfiele. Leuchtet ein, oder?! Also ein sehr stark<br />
ausgeprägtes Abhängigkeits-Verhältnis.<br />
Und das ist auch gut so. Denn immerhin hatten wir uns ja am Schluß des<br />
Fremdopfer-Kapitels vorgenommen, unserem Vollidioten einen<br />
hierarchischen Bezugspunkt, vielmehr sogar einen Freund zu suchen.<br />
Diesen Freund haben wir nun in unserem Vollopfer gefunden. Unser<br />
Vollopfer weist nämlich alle grundlegenden Eigenschaften auf, die sich<br />
unser Vollidiot nur wünschen kann. Und umgekehrt verhält es sich<br />
genauso. Alles in allem also ein ziemlich runde Sache, sehr harmonisch,<br />
sehr ausgeglichen, ich freu` mich.<br />
124
Das Gefühl der inneren Leere ist eine Form der chronischen<br />
Depression, so als trauere man ständig um den Verlust des eigenen,<br />
wahren Selbst.<br />
ee) Metamorphose<br />
125<br />
(John Bradshaw)<br />
Bleibt abschließend nur noch zu klären, welche unserer bisher<br />
charakterisierten Figuren zum Vollopfer mutieren können, und warum<br />
bzw. wodurch eine solche Mutation vollzogen wird. Wer wird wann und<br />
warum zum Vollopfer? Und was passiert dann?<br />
Unser landläufiger Idiot eher nicht. Dazu ist er viel zu bodenständig und<br />
in das bestehende System eingegliedert. Gott sei Dank! Sollte unser<br />
Idiot durch irgendeine Gegebenheit eines Tages Reichtum oder Ruhm<br />
erlangen, oder sollte ein anderer Umstand eintreten, der ihm Tür und<br />
Tor zur Vollopfer-Welt öffnet, würde er diesem Umstand mit<br />
angemessener Achtung begegnen. Und die Offerte zur Vollopfer-<br />
Transformation gebührend ablehnen. Dazu ist das Idioten-Dasein in<br />
seinem Inneren viel zu tief verwurzelt. Klar, Ausnahmen gibt es immer.<br />
Auch unter unseren Idioten wird es einige geben, die dann in die<br />
Vollopfer-Rolle abdriften, völlig den Verstand verlieren und dann einen<br />
auf Baron Zitzewitz von Bad Sacksausen machen.<br />
Aber solche Spinner gibt es überall und in allen Schichten. Unter den<br />
Idioten sind sie dann aber doch eher die Ausnahme, und das ist auch gut<br />
und richtig und wichtig so. Eine Metamorphose unseres Idioten zum<br />
Vollopfer kann daher weitestgehend ausgeschlossen werden. Die<br />
Wahrscheinlichkeit liegt unter einem Prozent, nur um mal eine Zahl in<br />
den Raum zu werfen. Wenn unser Idiot überhaupt zu irgendetwas<br />
mutiert, dann zum Fremdopfer. Und dann darüber hinaus in seltenen<br />
Fällen vielleicht zum Honk, was dann aber auch sehr zu begrüßen ist.
Bei unserem Fremdopfer selbst sieht das schon etwas anders aus.<br />
Während bei unserem Vollopfer der Begriff des Opfers als Synonym für<br />
eine Pappnase steht, die in ihrer durch Banalitäten geprägten, eigenen,<br />
absurden Welt lebt, verhält es sich diesbezüglich bei unserem<br />
Fremdopfer komplett anders. Wie wir feststellen konnten, steht bei<br />
unserem Fremdopfer der Begriff des Opfers vielmehr für ein<br />
tatsächliches Opfer im Sinne der klassischen Definition. Also für einen<br />
widerwilligen Verzicht auf etwas aus diversen Gründen.<br />
Die hieraus resultierende Unzufriedenheit treibt unser Fremdopfer oft in<br />
Frustration und macht es damit anfällig für eine Mutation. Diese<br />
Mutation kann einerseits zum Honk, anderseits jedoch auch zum<br />
Vollopfer erfolgen. Wenn denn überhaupt mal eine Mutation erfolgt.<br />
Denn in schätzungsweise 97% aller Fälle verharrt unser Fremdopfer in<br />
seiner Fremdopfer-Rolle und wird dann irgendwann, nachdem alle<br />
Kompensations-Versuche kläglich gescheitert sind, depressiv. Da<br />
müssen wir uns nichts vormachen, das ist so sicher wie das Amen in der<br />
Kirche.<br />
Von den verbleibenden, mutationswilligen drei Prozent transformieren<br />
zwei Prozent zum Vollopfer und vielleicht ein Prozent zum Honk, wenn<br />
überhaupt. Denn die Transformation zum Honk ist ein steiniger Weg,<br />
der mit viel Skepsis und vielen Rückschlägen gepflastert ist. Den<br />
meisten Fremdopfern ist so eine Transformation einfach viel zu krass.<br />
Sie fürchten sich schlichtweg davor. Was dann der Mutation zum<br />
Vollopfer Tür und Tor öffnet, weil dies ein vergleichsweise einfacher<br />
und allgemein bekannter Weg ist. Die meisten Fremdopfer wissen<br />
nämlich gar nicht, daß es überhaupt einen Honk-Weg gibt. Die kennen<br />
nicht einmal einen Honk. Beziehungsweise kennen schon, wissen aber<br />
nicht, das es ein Honk ist. Die erkennen den Honk also erstmal gar<br />
nicht. Was wir unseren Fremdopfern allerdings nicht übel nehmen<br />
dürfen. Die meisten Fremdopfer merken nicht einmal, wie sie im Laufe<br />
der Jahre depressiv werden bzw. geworden sind. Die Rolle des<br />
Fremdopfers ist daher eine sehr tragische und oftmals verkannte Rolle.<br />
Deshalb verharrt unser Fremdopfer auch zumeist in ihr. Im Ergebnis<br />
halten wir also fest, daß immerhin zwei Prozent der Fremdopfer zum<br />
Vollopfer mutieren. Und daß es sich dabei fast ausschließlich um<br />
Frauen handelt, sollte auch jedem klar sein.<br />
126
Dagegen beträgt bei unserem Vollidioten die anzunehmende<br />
Metamorphose-Wahrscheinlichkeit nahezu 100%. Soll heißen, sobald<br />
ein Umstand eintritt, der unserem Vollidioten die Möglichkeit bietet,<br />
seinen Status in den eines Vollopfers umzuwandeln, wird dieser keine<br />
Sekunde zögern und sofort mutieren. Kompromißlos mutieren. Zack.<br />
Blitzschnelle Transformation. Also beispielsweise, wenn unser Vollidiot<br />
eine Million im Lotto gewinnt. Die Zusatzzahl ist noch nicht ganz<br />
gezogen, zack, steht der SL 500 vor der Tür. Oder vergleichbarer<br />
Luxus-Schlitten. Und zack, ist man in prominenter Gesellschaft, na klar.<br />
Dauert keinen Abend, ruckzuck ist man wer, Stößchen.<br />
Überflüssig zu erwähnen, daß das Vollopfer-Dasein unseres Vollidioten<br />
dann auch nicht allzu lange andauert. Geht alles ziemlich schnell. Die<br />
Kohle ist logischerweise schnell durchgebracht, und da unser neues<br />
Vollopfer außer Kohle nicht viel zu präsentieren hat in der sexy High<br />
Society, mutiert sein Status ähnlich rasant zum Vollidioten zurück, wie<br />
sein Konto ins Minus schießt. Was nichts daran ändert, daß unser<br />
Vollidiot jede Chance zur Metamorphose nutzen wird, so sie sich ihm<br />
denn anbietet. Metamorphose-Prognose zum Vollopfer also bei 100%.<br />
Fehlt nur noch unser Honk. Unser Honk, le Honk, il Honko. Und die<br />
Wahrscheinlichkeit, daß ein Honk bei sich bietender Gelegenheit zum<br />
Vollopfer mutiert, beträgt schlanke 0%. Ja, in der Tat, schlanke 0%. Ein<br />
glatter Nuller, was für eine Überraschung! Nein, nicht wirklich. Sollte<br />
sich mittlerweile eigentlich jeder selbst denken können. Und wer sich<br />
das aber jetzt doch noch nicht selbst denken kann, dem kann ich dann<br />
auch nicht mehr helfen. Vielleicht sollte der- oder diejenige dann die<br />
letzten 50 Seiten, auf denen die Figur des Vollopfers äußerst subtil von<br />
einem Honk charakterisiert worden ist, lieber doch noch einmal lesen.<br />
Könnte vielleicht Sinn machen.<br />
Alle anderen möchten bitte gewarnt sein:<br />
Jetzt wird scharf geschossen!<br />
127
Da geht er hin. Einer von Gottes eigenen Prototypen. Ein aufgemotzter<br />
Mutant von der Sorte, die nie zur Massenproduktion in Betracht<br />
gezogen wurde. Zu spleenig zum Leben, und zu selten zum Sterben.<br />
128<br />
(Raoul Duke)<br />
Da siehst Du endlich mal, was in mir steckt: Ich bin `ne Bourbon<br />
durchtränkte, nach Zigarren stinkende Kotztüte, wozu Gott mich in<br />
seiner unendlichen Weisheit berufen hat. Wozu er alle Männer berufen<br />
hat!<br />
IV. Der Honk<br />
1. Definition<br />
(englisch: to honk (hupen; ugs. auch kotzen))<br />
(Charlie Harper)<br />
Der Begriff des Honk leitet sich aus dem englischen to honk ab, was<br />
übersetzt soviel wie hupen oder umgangssprachlich auch kotzen<br />
bedeutet und identisch ist mit dem Begriff des Honk in diesem Buch. An<br />
die wörtliche Übersetzung angelehnt, können wir unseren Honk<br />
demnach als eine Art lärmende Kotztüte verstehen. Also ein kecker<br />
bzw. zuweilen sogar ziemlich frecher Stinkstiefel, der oftmals vorlaut ist<br />
und irgendwelche mehr oder weniger sinnvollen Formen von Lärm und<br />
Krawall jeder erdenklichen Art produziert. Eine lärmende Kotztüte halt.<br />
So könnte man es am ehesten beschrieben, das träfe so den Punkt<br />
ziemlich genau. Punktgenau sozusagen. Und deswegen wollen wir das<br />
hier auch so handhaben.
Mit der gängigen, umgangssprachlichen und vorwiegend im Internet<br />
vertretenen Definition des Honk hat unser Honk demnach nicht viel<br />
gemein. Dort wird der Honk zumeist als Synonym für einen „Trottel,<br />
Dummkopf oder Versager“ verwendet, aber auch für „eine<br />
Dumpfbacke, einen Primitivo oder einen niedrig gebildeten Rüpel“.<br />
Vereinzelt wird der Begriff des Honk auch als Abkürzung verstanden.<br />
Hierbei sind „Hauptschüler Ohne Nennenswerte Kenntnisse“ und „Hirn<br />
Ohne Nennenswerte Kapazität“ am häufigsten zu finden. Diese<br />
Definition ist für unsere Zwecke jedoch abzulehnen, da sie<br />
fälschlicherweise und ohne erkennbaren Grund die geistigen Ressourcen<br />
unseres Honk limitiert.<br />
Denn die geistigen Ressourcen eines Honk sind keineswegs limitiert.<br />
Vielmehr kann ein Honk über ein ganzes Spektrum an Intelligenz<br />
indizierenden Parametern verfügen. Kann, muß nicht. Alles geht, nichts<br />
muß. Vorstellbar ist hierbei auch, daß ein Honk lediglich über ein<br />
einziges Intelligenz-Parameter verfügt, welches bei ihm jedoch so<br />
außergewöhnlich markant ausgeprägt ist, daß es sein ansonsten<br />
vielleicht eher schlichtes Gemüt vollends in den Schatten stellt. Also ein<br />
sogenannter Mega-Skill bzw. Mega-Soft-Skill, wie es so schön important<br />
im Yuppie-Neudeutsch heißt.<br />
Mich zum Beispiel hat der Herrgott mit einem Kopf voll Scheiße<br />
bedacht. Die ganze Birne voll Kot, voll zugeschissen, bis obenhin. Paßt<br />
nichts mehr rein, alles voll, besten Dank auch. Ich habe sogar schon<br />
ganz braune Augen bekommen, so voll zugeschissen ist der Kürbis.<br />
Bäh. Gleichzeitig wurde ich jedoch mit einem fulminanten, ja geradezu<br />
exorbitanten Artikulations-Vermögen gesegnet, dessen voluminöse<br />
Bandbreite situationsspezifisch von sehr subtil bis hin zu<br />
Vorschlaghammer reichen kann. Und noch dazu mit der Gabe, beides<br />
kombinieren zu können.<br />
Ja, und das macht Laune, das macht Spaß. Wunderbar. Das ist Honk<br />
live, Honk uncensored. Den ganzen Tag hübsch verpackte Scheiße<br />
sabbeln. Laber, laber, Rhabarber. Und sülz, bla. Phantastisch. Als würde<br />
man bunte Blümchen furzen. Für mich ganz klar der Soft-Skill der<br />
Woche, wenn nicht sogar des Monats. Zugegebenermaßen etwas<br />
verwegen, keine Frage, aber durchaus interessant. Hochinteressant.<br />
129
Unter`m Strich ist das eigentlich nichts anders als das Tagesgeschäft<br />
eines Politikers. Der macht das nämlich auch so, falls es jemanden gibt,<br />
dem das noch nicht aufgefallen sein sollte. Den ganzen Tag<br />
irgendwelche mehr oder weniger zusammenhängenden Sprachbrocken<br />
auskotzen, deren hanebüchene Intention -falls überhaupt vorhanden- nur<br />
noch von der Unverschämtheit übertroffen wird, diesen Quatsch<br />
überhaupt laut auszusprechen. Und so kackfreck zu verfloskulieren, daß<br />
ein normaler Durchschnitts-Idiot bestenfalls im Ansatz erahnen kann,<br />
worum es überhaupt geht. Ist das zum Kotzen?! Ist das frech?!<br />
Für solche und ähnliche Frechheiten müßte es eigentlich direkt einen<br />
Schlag in die Fresse geben, zack. Machen wir aber nicht, wir wollen ja<br />
gewaltfrei leben, wie bereits mehrfach erörtert. Anarchie ja, Gewalt<br />
nein. Der einzige Unterschied ist, daß bei uns im Ergebnis wenigstens<br />
was bei rauskommt, nämlich ein sehr schönes Sachbuch, während die<br />
Kalkleisten in Berlin nichts als kostspielige Totalausfälle vorzuweisen<br />
haben, die sie sich auch noch fürstlich entlohnen lassen. Aber egal, die<br />
können nicht anders, die müssen so. Lassen wir sie machen, uns als<br />
Honk geht dieses ganze politische Kapertheater eh voll am Arsch ab. Es<br />
interessiert uns Honks nicht. In keinster Weise. Ein Honk geht allenfalls<br />
zur Wahl, um sich zu amüsieren. Erststimme PDS, Zweitstimme NPD,<br />
ist das geil?! Viel geiler kann man gar nicht mehr wählen. Und viel<br />
besser eigentlich auch nicht. Darüber könnte ich mich jedesmal<br />
kaputtlachen. Immer das bedepperte Gesicht des armen Knechtes, der<br />
diesen Scheiß hinterher auszählen muß, im Hinterkopf. Der arme<br />
Teufel. Was dem wohl durch den Kopf geht, wenn er sowas auswerten<br />
muß?! Aber das ist ja gerade Ziel der Sache, das macht es ja gerade so<br />
lustig, so amüsant. Amok-Wahl könnte man es nennen. Der Honk ist ein<br />
Amok-Wähler. Ein amüsierter Amok-Wähler, was zugleich in diesem<br />
Kontext auch eine Art Schlüsselwort darstellt.<br />
Daneben finden wir einen weiteren Indikator für die Annahme einer<br />
gewissen Intelligenz in der Metamorphose-Fähigkeit des Honk: Auch<br />
hier müssen wir zumindest von einer gewissen Grundintelligenz<br />
ausgehen, ohne welche der Honk gar nicht in der Lage gewesen wäre,<br />
überhaupt zum Honk zu mutieren. Denn als Honk wird man nicht<br />
geboren, zum Honk muß man sich erst entwickeln. Den Honk muß man<br />
sich quasi erst verdienen, könnten böse Zungen munkeln.<br />
130
Folgenden, zwangsläufigen Evolutionsverlauf hatten wir bei unserer<br />
Fremdopfer-Charakterisierung herausgearbeitet:<br />
Idiot � Fremdopfer � Honk<br />
Und daran hat sich auch nichts geändert.<br />
Der Idiot kann also irgendwann unzufrieden werden mit seinem Status<br />
als Idiot und mutiert aufgrund eben dieser Unzufriedenheit dann<br />
zwangsläufig zum Fremdopfer. Und aus der Fremdopfer-Rolle heraus<br />
dann weiter zum Honk, wenn er mutig genug ist, die daraus<br />
resultierenden Strapazen auf sich zu nehmen. Der Honk ist somit stets<br />
als das Endprodukt zu betrachten.<br />
Diesem Endprodukt einer beschissenen Evolutionskette wollen wir nun<br />
unser Augenmerk schenken. Was ist ein Honk? Klar, per Definition eine<br />
lärmende Kotztüte. Aber was heißt das? Wie ist der Honk zu<br />
charakterisieren? Was zeichnet ihn aus? Wie kann man ihn von anderen<br />
Charakteren abgrenzen und unterscheiden? Und vor allen Dingen: Wie<br />
und warum wird man Honk? Was tut so ein Honk? Wie lebt, liebt und<br />
arbeitet er? Und dann die alles entscheidende Schlüsselfrage: Ist es<br />
überhaupt erstrebenswert, Honk zu werden?<br />
Diese und andere Fragestellungen werden wir auf den folgenden Seiten<br />
ausgiebig erörtern müssen. Pro und Contra abwägen. Vor- und<br />
Nachteile aufzeigen. Mythen und Vorurteile ausräumen. Und zu einem<br />
höchst überraschenden Ergebnis kommen, nach welchem dann jeder frei<br />
und subjektiv selbst entscheiden können sollte, ob er auch ein Honk<br />
werden möchte oder lieber nicht.<br />
131
Rede nicht so wie die, so bist Du nicht. Auch wenn Du`s gerne wärst.<br />
Für die bist Du nur ein Freak, wie ich. Im Moment brauchen sie Dich.<br />
Aber wenn nicht, verstoßen sie Dich wieder. Wie einen Aussätzigen.<br />
Weißt Du, ihre Moral, ihr Kodex ist ein schlechter Witz. Verworfen<br />
beim ersten Anzeichen von Ärger. Sie sind nur so gut, wie die Welt<br />
ihnen erlaubt zu sein. Ist doch so. Es kommt hart auf hart, und diese<br />
zivilisierten Menschen fressen sich gegenseitig. Weißt Du, ich bin kein<br />
Monster. Nur der Zeit voraus.<br />
2. Eingliederung<br />
132<br />
(The Joker)<br />
Die Eingliederung unseres Honk verläuft divergent zur Eingliederung<br />
unserer bisherigen Figuren. Denn aufgrund seines Facetten-Reichtums<br />
ist es unmöglich, den Honk nach irgendeinem festgelegten Schema zu<br />
charakterisieren. Also beispielsweise nach unserem gewohnten Schema<br />
Eigenwahrnehmung, Fremdwahrnehmung, tatsächlicher Status und dann<br />
Feierabend. Das hat vielleicht bisher ganz gut so geklappt, aber bei<br />
unserem Honk klappt das dann aber auch mal nicht. Klingt komisch, ist<br />
es auch. Aber nicht zu ändern. Und ich erwähne es lieber auch gleich,<br />
nicht, daß hinterher einer traurig ist oder so.<br />
Womit natürlich nicht automatisch ausgeschlossen ist, daß wir<br />
letztendlich nicht doch mit einem finalen Vergleich unseres Honk mit<br />
unseren anderen bereits charakterisierten Figuren abschließen werden.<br />
Nein, so ist das jetzt nicht gemeint, so darf man sich das jetzt nicht<br />
vorstellen. Ein abschließender Vergleich muß und wird auf jeden Fall<br />
erfolgen, soviel steht fest. Ohne geht es auch gar nicht. Nur ist eben der<br />
Weg bis dorthin ein dem bisherigen Schema abweichender Weg. Zudem<br />
ein etwas skurriler Weg, keine Frage, aber eben auch einer, der dem<br />
facettenreichen Honk den gebührenden Tribut zollt. Also auf!
Die Anarchisten sind völlig im Recht, nur nicht in der Frage der<br />
Gewalt. Eine erstaunliche Geistesverwirrung. Wie können die<br />
Anarchisten nur die Schädlichkeit der Gewalt nicht erkennen?!<br />
a) Der Honk als Anarchist<br />
133<br />
(Leo Tolstoi)<br />
Wie sich der ein oder andere nach den bisherigen Ausführungen<br />
vielleicht bereits selbst denken kann, ist unser Honk ein Anarchist. Ein<br />
überzeugter Anarchist. Und das völlig zu Recht!<br />
Wat? Ein Anarchist? Ach Du meine Güte! Ein pöbelnder Proletarier, der<br />
sich nicht an Recht und Ordnung hält? Ein Lump? Ein mit Steinen<br />
schmeißender Fusel-Penner? Ein Erster-Mai-Krawallbruder? Ein Asi?<br />
Mitnichten! Der Honk als Anarchist lehnt Gewalt -insbesondere gegen<br />
Lebewesen- weitestgehend ab. Gewalt ist nur dann eine akzeptable<br />
Lösung, wenn alle anderen Bemühungen fruchtlos verlaufen, die Sache<br />
an sich aber eine Durchsetzung erfordert. Da den wenigsten hier eine<br />
grundlegende Definition des Anarchie-Begriffs geläufig sein dürfte,<br />
werden wir hierüber zunächst ein paar Worte verlieren müssen:<br />
Der Begriff Anarchie ist aus dem Griechischen abgeleitet und beschreibt<br />
einen Zustand der Abwesenheit jedweder Herrschaft. Unter Herrschaft<br />
ist hierbei eine Art Macht durch Unterdrückung zu verstehen. Ein<br />
Anarchist lehnt demnach Machtverhältnisse nicht grundlegend ab,<br />
sondern nur solche, die auf Unterdrückung anderer basieren.<br />
Grundlegende Werte und Normen existieren auch für den Anarchisten.<br />
Im Idealfall verfügt der Anarchist sogar über einen sehr hohen<br />
Anspruch an Moral und Ethik, ferner über ein ausgeprägtes Bewußtsein<br />
von Gut und Böse. Mit der durch die Medien geprägten Definition von<br />
Anarchie als Chaos, Gewalt und Gesetzlosigkeit hat unser Verständnis<br />
von Anarchie demnach nichts zu tun.
Anarchie bedeutet vielmehr, daß sich jedes Individuum ohne<br />
unterdrückende Autorität und in freier Assoziation mit anderen<br />
Individuen entfalten kann. Hierbei wird in Kooperation mit anderen<br />
Individuen Verantwortung für die eigenen Lebensumstände<br />
übernommen, ohne daß dabei eine lenkende zentrale Gewalt (wie<br />
beispielsweise ein Staat oder sonstwer) eingreifen muß. Folglich können<br />
wir Anarchie als eine Art Ordnung ohne Herrschaft bzw. Ordnung ohne<br />
Zwang verstehen. Und diese Definition entspricht dann auch dem<br />
Anarchie-Verständnis unseres Honk, ganz klar. Also kein besoffener<br />
Wirrkopf, der ein paar Mal im Jahr irgendwas anzündet oder irgendwen<br />
mit Steinen bewirft. Nein, das auf jeden Fall nicht. Wozu auch?! Macht<br />
doch keinen erkennbaren Sinn. Außer der Befriedigung seltsamer, im<br />
Suff aufkommender Aggro-Phantasien bringt das absolut rein gar<br />
nichts. Zeit- und Energieverschwendung. Absurder, überflüssiger<br />
Krawall. Nicht mehr, nicht weniger. Unser Honk lehnt das<br />
selbstverständlich ab, weil kein mittelbarer oder unmittelbarer Sinn oder<br />
Nutzen dahinter zu erkennen ist. Niemand profitiert davon. Und deshalb<br />
tut und billigt unser Honk sowas nicht.<br />
Unser Honk ist vielmehr eine Art moderner, verantwortungsvoller<br />
Selbstversorger mit hohen ethischen und moralischen Ansprüchen an<br />
sich selbst, der staatliche Interventionen einerseits und Gewalt<br />
andererseits so weit als möglich ablehnt. Unser Honk lenkt und ordnet<br />
sein Leben selbst und sorgt zuweilen auch in seinem Lebensumfeld für<br />
Recht und Ordnung. In der Praxis sieht das so aus, daß Gesetze und<br />
Rechtsprechung nur dann eingehalten werden können, wenn sie dem<br />
hohen Ethik- und Moralkodex des Honk genügen. Sollte dies einmal<br />
nicht der Fall sein, muß der Honk in einer kontroversen Situation also<br />
eher nach seinem Verständnis von Recht und Unrecht als nach dem<br />
Gesetz handeln, was dann aber auch sehr zu begrüßen ist. Grundsätzlich<br />
können hierbei zwei Motivationen vorliegen: Zum einen kann der Honk<br />
sein Handeln zum Wohle der Allgemeinheit über Recht und Ordnung<br />
stellen. Zum anderen kann der Honk auch völlig eigennützig<br />
anarchistisch handeln.<br />
134
Ich lege hier für den Fall meines Todes das Bekenntnis ab, daß ich die<br />
deutsche Nation wegen ihrer überschwänglichen Dummheit verachte<br />
und mich schäme, ihr anzugehören.<br />
aa) Zum Wohle der Allgemeinheit<br />
135<br />
(Arthur Schopenhauer)<br />
Vorweg gleich der Super-GAU: Wenn man beispielsweise einen Kerl<br />
auf frischer Tat ertappt, wie er sich gerade an einer Frau oder einem<br />
Kind vergehen will, sollte man umgehend die Polizei verständigen und<br />
die Sache somit in die Hände des Staates legen. Und das tut man als<br />
Honk auch, keine Frage. Unser Honk alarmiert die Polizei. Anonym.<br />
Und auch erst, nachdem der ertappte Typ seine eigenen Eier fressen<br />
durfte. Roh und ungewürzt. Kein Witz. Nicht bei solch einem Thema.<br />
Denn die staatlichen Sanktionen für solch eine verwerfliche Tat sind<br />
vielmehr ein schlechter Witz. Sie genügen den moralischen und<br />
ethischen Ansprüchen unseres Honk in keinster Weise. Am besten noch<br />
so ein seelen- und gewissenloses Mistviech von Anwalt dazu, und der<br />
perverse Typ muß nicht einmal in den Knast. Glückwunsch.<br />
Da dies völlig inakzeptabel ist, muß hier ganz entschieden interveniert<br />
werden. Und da unser schöner Nachtwächter-Staat hierzu ganz<br />
offensichtlich außerstande zu sein scheint, muß jemand anders<br />
intervenieren. Beispielsweise ein Honk. Ja genau, ein Honk. Der Honk<br />
wird geradezu zu solch einer Intervention gezwungen. Wo der Staat<br />
versagt, ist Zivilcourage gefragt. Beziehungsweise Honk-Anarchie.<br />
Denn genau das ist Honk-Anarchie, genau das muß man sich darunter<br />
vorstellen. Soll der Typ doch zwei Jahre auf Bewährung kriegen. Drauf<br />
geschissen. Seine gefressenen Eier sind nicht auf Bewährung. Die sind<br />
real, die sind echt. Echt weg, echt futsch. Unwiederbringlich fort, Gott<br />
sei Dank. Reduziert die Rückfallquote gleich auf Null. Und das ist in<br />
solchen Fällen das Primär-Ziel. Spezial-Prävention.
Spezialpräventive Maßnahmen sprechen eine überaus deutliche<br />
Sprache. Das sind ganz klare, unmißverständliche Ansagen, die keinen<br />
Spielraum für sinnlose Endlos-Diskussionen und schwammige<br />
Ausreden jedweder Natur lassen. Und zack. Wieder einer weniger. So<br />
soll es sein. So muß es sein. Hätte sich derjenige ja vorher überlegen<br />
können. Und zack. Honk-Anarchie zum Wohle der Allgemeinheit. Ein<br />
sehr ernstes Thema, keine Frage. Ein sehr ernstes Thema, bei dem uns<br />
Vater Staat leider im Stich bzw. im Regen stehen läßt.<br />
Doch nicht nur Gewalt gegen schwächere oder ältere Menschen zwingt<br />
einen Honk zum Einschreiten. Auch Gewalt gegen Tiere kollidiert ganz<br />
erheblich mit den ethischen und moralischen Grundsätzen unseres<br />
Honk. Als Praxisbeispiel könnte man hier die Abstrafung eines<br />
Tierquälers anführen. Als Honk ist man da nämlich sehr sensibel, wenn<br />
wehrlosen Tieren Leid zugefügt wird. Wenn der tierliebe Honk<br />
beispielsweise sieht, wie ein Typ einen Hund schlägt, schlägt der Honk<br />
im Gegenzug den Typen und nimmt ihm den Hund weg. Zack, paar in<br />
die Fresse, Feierabend. So schnell kann das gehen. Ohne Ansage, ohne<br />
Diskussion, Sachverhalt ist ja klar. Und zack, und weg ist der Hund.<br />
Ganz klare Angelegenheit.<br />
Welche Option hätte man denn sonst? Die Grün-Weißen anrufen?! Oder<br />
vielmehr die Blau-Weißen?! Sind ja jetzt nicht mehr grün-weiß, sind ja<br />
jetzt blau-weiß oder so. Egal. Gemeint ist die Polizei, bleiben wir bei<br />
grün-weiß. Also was tun? Die Grün-Weißen anrufen?! Nein, nicht die<br />
Grün-Weißen. Hier, viel geiler, das Ordnungsamt! Wir rufen das<br />
Ordnungsamt an, abfeier. Das Ordnungsamt! Und die kommen dann<br />
natürlich auch gleich raus und sülzen allen Beteiligten in gewohnt<br />
spannender Manier erstmal ein Sülz-Kotelett ans Ohr. Sülz, bla, gähn.<br />
Irgendwelchen Kram, irgendwelchen Nonsens, den die selbst nicht<br />
verstehen. Total abgefahren. Da kommt man dann allenfalls in<br />
Verlegenheit, denen auch gleich mal noch eine kleben zu müssen. Zack!<br />
Und dann geht`s wieder ab in die grüne Minna! Nein, besten Dank,<br />
nicht schon wieder. Nicht schon wieder die grüne Minna, das hilft hier<br />
keinem. Denn hier muß gehandelt werden. Hier ist keine alberne<br />
Phrasendrescherei gefragt, hier ist ein Honk gefragt. Hier muß der<br />
Honk wieder selbst aktiv werden, und das ist auch gut so. Also paar in<br />
die Fresse, Hund mitgenommen, fertig. Stößchen.<br />
136
Oder hier, wenn ein Kind Kleintiere quält. Machen meist kleine Jungs.<br />
Kleine Jungs mit genetisch vorprogrammiertem Lattenschlag, siehe<br />
RTL-Super-Nanny. Solche Blagen halt. Fiese Blagen, die haarscharf am<br />
positiven ADHS-Test vorbeigeschlittert sind. Völlig ätzend. Und wenn<br />
dann so ein kleines Rotzbalg beispielsweise einer Fliege die Flügel<br />
ausreißt oder einen Regenwurm zerschnippelt oder Schnecken zertritt<br />
und dann darin rumpatscht. Keine Frage, dieses schreckliche Kind muß<br />
vom Honk zur Räson gebracht werden, bevor es zu spät ist. Diesem<br />
Kind muß professionell geholfen werden. Und das stellt der Honk dann<br />
auch mal sicher, denn dieses Kind bekommt nun vom Onkel Honk eine<br />
private Nachhilfestunde im Sachen Werte und Normen. Also ein paar<br />
Backpfeifen, einen Satz heiße Ohren und den höchst gutgemeinten<br />
Insider-Tipp, daß es beim nächsten Mal nicht nur bei ein paar<br />
Backpfeifen und heißen Ohren bleiben wird. Das hilft, das wirkt.<br />
Immer. Denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird es<br />
danach kein nächstes Mal geben. Und das ist auch sehr gut so. Ein<br />
weiterer Honk-Beitrag zu einer besseren Welt. Gern geschehen.<br />
Auch krass: Wenn ein Mistblag an einem Zaun steht und Steine nach<br />
Weidetieren wirft. Nach Kühen und kleinen Kälbchen. Oder vielleicht<br />
nach Pferden und ganz kleinen Fohlen. Nach Schäfchen, Lämmern,<br />
Ziegenböcken, alles denkbar, alles möglich. Also das sollte der Honk<br />
dann lieber auch nicht sehen. Allein das Werfen ist bereits höchst<br />
verächtlich und muß sanktioniert werden. Und dabei sollte das Kind<br />
beten, daß es keines der Tiere trifft. Beziehungsweise wenn es trifft,<br />
sollte es sich ganz schnell umdrehen und versuchen, den Honk ebenfalls<br />
mit einem Stein an die Birne außer Gefecht zu setzen. Denn die<br />
Sanktionen, die unser gestörtes Kind nun zu erwarten hat, sind nicht von<br />
schlechten Eltern. Und auch nicht von guten Eltern. Die sind von gar<br />
keinen Eltern, die sind nämlich vom Honk. Und somit auch sehr<br />
angemessen, denn das Kind bekommt nun zunächst Ohrfeigen mittlerer<br />
Intensität. Mittlerer Intensität deshalb, weil es nicht zu erschöpft sein<br />
darf, wenn es gleich laufen muß. Und es wird gleich laufen müssen, das<br />
ist sicher. Denn das, was das feine Kind gerade mit den armen Tieren<br />
gemacht hat, macht der Honk nun mit dem feinen Kind. Im Klartext:<br />
Das mäßig geohrfeigte Kind bekommt nun kurz Zeit, durchzupusten<br />
und seine Sinne etwas zu ordnen. Diese Zeit nutzt der Honk, um ein<br />
paar Handvoll mittelgroßer Steine zu sammeln.<br />
137
Und dann geht das eigentlich alles ziemlich schnell. Der Honk trägt die<br />
Steine, die in etwa die Größe von Golfbällen haben sollten, zusammen<br />
zu einem kleinen Häufchen. Das Kind wird daraufhin ordentlich<br />
durchgeschüttelt, um seine Adrenalin-Ausschüttung zu maximieren.<br />
Und dann startet mit den Worten<br />
Lauf Forrest, lauf!!!<br />
ein fünfsekündiger Countdown, den unser Kind zur freien Verfügung<br />
nutzen kann. Idealerweise nutzt es diesen Countdown allerdings, um<br />
wegzurennen, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Denn nach<br />
Ablauf dieser fünf Sekunden wird scharf geschossen. Im wahrsten<br />
Sinne des Wortes. Dann fliegen wieder Steine. Aber diesmal in eine<br />
andere Richtung. Also nicht mehr vom Kind in Richtung Tiere, sondern<br />
jetzt vom Honk in Richtung Kind, was auch sehr zu begrüßen ist. Denn<br />
diese Vorgehensweise ermöglicht es unserem Kind, sich einmal in die<br />
Rolle des armen Tieres hineinzuversetzen. Es verschafft ihm eine<br />
ausgezeichnete Gelegenheit, zu sehen und insbesondere auch zu fühlen,<br />
wie es ist, auf der anderen Seite des Zauns zu stehen.<br />
Völlig unbestritten eine pädagogisch besonders wertvolle Maßnahme.<br />
Unschätzbar wertvoll geradezu. Learning by doing heißt es doch immer<br />
so schön. Feeling by throwing trifft es in unserem Fall wohl besser.<br />
Witzigerweise hat noch nie ein Kind nachgefragt, was es denn wohl auf<br />
sich hat mit dem Lauf Forrest, lauf!!! Nein, noch nie. Die nutzen ihre<br />
Zeit lieber sinnvoller. Hat sich wohl schon rumgesprochen, was danach<br />
passiert. Gut so. Werden andere Kids gleich abgeschreckt. Außerdem<br />
sagt ein Blick in die irren Augen unseres Honk bei diesem Ausruf<br />
scheinbar mehr als 1.000 Worte. Und es entbehrt auch jedweder<br />
Ermahnung an das Kind in Bezug auf eine potentielle Wiederholungstat.<br />
Mach` das nie wieder, Du Asi-Kind! Muß man dann gar nicht mehr<br />
sagen. Denn eines ist sicher: Jedes Kind, daß den pädagogischen Wert<br />
meiner Forrest-Methode am eigenen Leib schätzen lernen durfte, wird<br />
niemals wieder in seinem ganzen Leben einem Tier Leid zufügen. So<br />
viel steht fest. Die meisten entwickeln dadurch sogar eine so hohe<br />
Wertschätzung gegenüber den Tieren, daß sie Vegetarier werden. So<br />
effektiv und prägend ist diese Methode. Honk-Anarchie zum Wohle<br />
aller. Bitte sehr. Stößchen<br />
138
Unter Umständen wird man dann den aufgebrachten Eltern des<br />
sanktionierten Kindes noch ein paar auf`s Maul hauen müssen, falls die<br />
wahnsinnig genug sein sollten, diese wertvollen erzieherischen<br />
Maßnahmen des Honk zu reklamieren. Aber halb so wild. Die Sache<br />
erfordert es, nehmt hin. Und zack. Paar auf`s Maul haben noch keinem<br />
geschadet. Im Gegenteil, vielleicht rüttelt das die grenz-devoten Eltern<br />
dann auch gleich mal ein bißchen mit wach. Und veranlaßt sie, ihren<br />
anti-autoritären Versager-Erziehungsstil einmal ganz unverbindlich und<br />
selbstkritisch zu überdenken. Das wäre doch mal was. Also unter<br />
Umständen sogar eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Für das<br />
Kind und dessen Eltern, für die Tiere, für den Honk und für die<br />
Allgemeinheit. Der einzige, der da wieder was dran zu scheißen haben<br />
könnte, wäre Vater Staat. Nachtwächter Staat. Und deswegen muß ein<br />
Honk hier auch überstaatlich handeln. Sollte einleuchten.<br />
Und weil unser schöner Nachtwächter-Staat bei solchen und ähnlichen<br />
Banalitäten stets mit entschiedenster Härte interveniert, sollten wir<br />
zwingend notwendig sicherstellen, daß unser überstaatliches Handeln<br />
hier gänzlich unbemerkt bleibt. Was sich eigentlich immer ganz gut<br />
bewerkstelligen läßt, indem man nachhaltige Drohungen mit<br />
entsprechender Entschlossenheit gegenüber den potentiellen<br />
Denunzianten ausspricht. Also beispielsweise dem geohrfeigten Kind<br />
und dessen Eltern ganz unverblümt und ebenso unmißverständlich<br />
klarmacht, welche Konsequenzen sie zu erwarten hätten, wenn sie<br />
unsere kleine Handgreiflichkeit zum Wohle der Allgemeinheit bei den<br />
Grün-Weißen petzen gingen. Da muß man denen dann nämlich mal<br />
ganz plakativ und völlig unerschrocken und abgebrüht suggerieren, was<br />
denn da so alles passieren kann. Also so kleine Unfälle im alltäglichen<br />
Leben und so. Das wirkt. Und das muß es auch, denn ansonsten kennt<br />
Vater Nachtwächter mit uns keine Gnade. Da wird dann gnadenlos<br />
abgestraft, drakonisch abgestraft, ohne Sinn und Verstand. Unter<br />
Umständen sogar Knast, Glückwunsch, Stößchen.<br />
Vater Nachtwächter kann aber auch sehr milde sein. Äußerst milde.<br />
Erschreckend milde geradezu. Mir fällt da spontan ein, wie Ende 2006<br />
so ein ekeliger Kerl, der wegen einer einschlägigen, bewiesenen und<br />
wiederholten Sexualstraftat an einer Minderjährigen in der JVA<br />
Dresden einsaß, irgendwie auf das Dach der JVA geklettert war. Und da<br />
139
dann rumposiert und auch noch große Fresse gehabt hat. Hat da richtig<br />
die Welle gemacht, hat da die ganze Presse und Psychologen und ein<br />
ganzes Polizei-Aufgebot antanzen lassen. Und als wäre das nicht schon<br />
pervers und bizarr genug, haben die ganzen angetanzten Nachtwächter<br />
und Weihnachtsmänner mit dem Penner auch noch lang und breit<br />
rumdiskutiert. Keine Ahnung, worum es da eigentlich ging. Ist aber<br />
auch scheißegal. Denn anstatt den mit einem Gummi-Geschoß da oben<br />
runter zu schießen, wurde diskutiert. Stundenlang diskutiert. Meine<br />
Fresse! 20 Stunden haben die den da oben auf dem Dach gelassen.<br />
Unfaßbare 20 Stunden! Das muß man sich jetzt mal vorstellen. Eine<br />
Decke und Tee haben sie ihm noch gereicht. Könnte ja kalt werden da<br />
oben auf dem Dach, feine Herrschaften.<br />
Und nach 20 Stunden ist das Mistviech dann freiwillig vom Dach<br />
runtergekommen, weil ihm dann doch zu kalt wurde. Zu kalt! Mit einer<br />
Hebebühne hat er sich dann da oben runterholen lassen, Gott sei Dank<br />
ist ihm nichts passiert. Wäre dem nicht zu kalt geworden, säße der da<br />
heute noch, und Dutzende Nachtwächter und Weihnachtmänner würden<br />
mit dem rumdebattieren. Was für eine Bananenrepublik! Ich bin mir<br />
auch ziemlich sicher, daß der gar nicht vor Kälte da oben runter ist. Ach<br />
was, dann hätten sie ihm eher einen Schlafsack und einen Wintermantel<br />
hingegeben. Nein, die haben den plattgelabert. Dem lief das Blut aus<br />
den Ohren raus. Der ist da oben runter, weil der keinen Bock mehr auf<br />
diese unsägliche Sabbelei hatte. Deshalb ist der da runter. Runtergesülzt.<br />
Krass, sehr krass, aber leider wahr.<br />
In Honkland bekäme der nach einer Minute da oben auf dem Dach die<br />
erste Warnung. Und dann schone keine zweite mehr. Wäre der<br />
wahnsinnig genug, nach knapp zwei Minuten immer noch da oben<br />
rumturnen zu wollen, bekäme er ein Gummi-Geschoß an die hohle<br />
Birne. Zack. Oder einen Betäubungs-Schuß irgendwo hin. Und zack. So<br />
einfach ist das. Ist gar nicht schwer. Zack. Und runter. Ab dafür. 20<br />
Stunden diskutieren? Ach woher denn! Nicht einmal 20 Minuten. Zwei<br />
Minuten, und dann ist Feierabend. Zumindest in Honkland. In<br />
Bananenland leider nicht, in Bananenland wird lieber debattiert und<br />
diskutiert und analysiert. Völlig schizophren, absurder geht es nicht.<br />
Und deswegen wäre ein Honk auch eingeschritten, wenn denn einer in<br />
der Nähe gewesen wäre. War wohl aber leider keiner.<br />
140
Deshalb mußten wir diesen grotesken Schwachsinn auch stundenlang<br />
mit ansehen. Furchtbar. Wenn das ganze Kaspertheater nicht mehrere<br />
Autostunden weit von meinem Wohnort entfernt gewesen wäre und ich<br />
gewußt hätte, daß man den Penner so lange da oben sitzen läßt, hätte ich<br />
mich ins Auto gesetzt und wäre selbst dahin gefahren. Hätte mich an der<br />
versammelten, diskutierenden Nachtwächterschaft vorbei geschlichen<br />
und wäre über die Regenrinne ebenfalls auf das Dach der JVA<br />
geklettert. Schön hoch auf`s Dach, schön hoch zum Mistviech.<br />
Und dann wäre Achterbahn gewesen. Ich hätte dem sowas von die<br />
Fresse poliert, das kann man sich überhaupt nicht mehr vorstellen.<br />
Unvorstellbar, wie ich dem die Fresse poliert hätte. Ja, und dann hätte<br />
ich den ganz einfach vom Dach runtergeklatscht. Ganz einfach. Zack.<br />
Und runter. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Und zack. Ich<br />
kann`s doch nicht ändern, er hätte ja nicht raufklettern müssen. Also<br />
zack, ab, runter. Das wäre eine adäquate Vorgehensweise gewesen.<br />
Angemessen sicherlich auch aus dem Blickwinkel des Opfers. Aber<br />
leider völlig unangemessen und unadäquat aus Vater Nachtwächters<br />
Bananen-Blickwinkel. Denn Vater Nachtwächter läßt in solch einem<br />
Fall lieber Milde walten. Vater Nachtwächter läßt den Penner lieber so<br />
lange auf dem Dach rumhampeln, bis sogar dem die schwachsinnige<br />
Laberei bei Kaffee und Kuchen zu blöd wird und der sich freiwillig da<br />
oben runterholen läßt. Herzlichen Glückwunsch!<br />
Wir können also festhalten, daß immer dann, wenn Vater Staat mal<br />
wieder einen absoluten Totalausfall produziert und seinem Synonym als<br />
Vater Nachtwächter alle Ehre erweist, ein Honk gefragt ist. Zumeist<br />
handelt es sich dabei um Fälle, in denen ein starkes Individuum einem<br />
schwächeren Leid zufügt. Oder um ein perverses Szenario wie zuletzt<br />
beschrieben, in dem sich Vater Staat komplett handlungsunfähig der<br />
Lächerlichkeit preisgibt. Wenn man als Honk in solchen Fällen die<br />
Möglichkeit hat, einzuschreiten, dann muß man es auch tun. Denn es<br />
gibt genug Weihnachtsmänner, die sich um die armen Täter kümmern.<br />
Möchte nicht wissen, wie viele Leute da unten rumstanden und dem<br />
Kasper vom Dach stundenlang ihre volle Aufmerksamkeit geschenkt<br />
haben. Möchte ich echt nicht wissen. Ist aber eigentlich auch scheißegal.<br />
Denn die Aufmerksamkeit eines Honk gilt niemals dem Täter, sondern<br />
stets dem Opfer.<br />
141
Ja wie, was ist denn jetzt los? War vorhin nicht von gewaltfrei die<br />
Rede? Von Gewalt weitestgehend vermeiden? Na? Und jetzt das? Jetzt<br />
sogar Selbstjustiz? Aber hallo! Auf jeden Fall! In den beschriebenen<br />
Fällen handelt es sich um so gravierende moralisch-ethische<br />
Verwerflichkeiten, daß man mit jedem erdenklichen Zögern selbst eine<br />
Teilschuld auf sich nimmt. Wer zusieht, obwohl er / sie in der Lage<br />
wäre, vehement gegen das Unrecht vorzugehen, macht sich mit<br />
schuldig. Die ganzen Hampelmänner, die 20 Stunden mit Karlsson vom<br />
Dach diskutiert haben. Alle schuldig. Schuldig im Namen der Opfer.<br />
Schuldig voll am Arsch! Die Medien, die dem Szenario<br />
uneingeschränkte Aufmerksamkeit schenkten. Auch schuldig, alle<br />
schuldig. Der Befehlshabende, der Betäubungs-Schuß oder Gummi-<br />
Granate hätte befehlen können. Schuldig. Schuldig durch Unterlassen.<br />
Und die größte Schuld? Die tragen wir. Ja, ganz richtig, wir. Wir alle,<br />
die diese kranke Scheiße in der Glotze sehen oder in der BILD lesen<br />
wollen. Wir alle, die diesen medialen Bullshit nachfragen. Wir<br />
Nachfrager, wir Konsumenten. Die Medien trifft dabei keine direkte<br />
Schuld. Die können machen, was sie wollen. Die haben Pressefreiheit,<br />
wie es so schön im tollen Grundgesetz heißt. Hier, zack:<br />
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und<br />
Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein<br />
zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die<br />
Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch<br />
Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet<br />
nicht statt.<br />
Die dürfen diese Kacke drucken oder zeigen, kein Thema. Die müssen<br />
das sogar zeigen. Weil es sonst nämlich ein anderer tut. Bling-Bling, nur<br />
darum geht es. Um Geld, um Kohle, um Umsatz. Und um nichts weiter.<br />
Um Verkaufszahlen. Denn ruckzuck liest morgen kein Schwein mehr<br />
die BILD, sondern ein vergleichbares Drecksblatt, das diese kranke<br />
Scheiße bis ins letzte Detail auseinanderfummelt. Logisch, denn wir<br />
wollen das lesen, wir müssen das wissen. Unsere tolle BILD muß sich<br />
höchstens ankreiden lassen, diesen Rotz auch noch so marktschreierisch<br />
anzupreisen. Aber auch das wollen wir so, auch das brauchen wir so. Je<br />
perverser, je skandalöser, desto besser.<br />
142
Oder diese tollen, unglaublich seriösen Nachrichten auf RTL, PRO7 und<br />
Co., phantastisch. Zeigen die den Dreck nicht, zeigt es ein anderer<br />
Sender im Aso-TV. Aso-TV macht`s möglich, na klar. ARD und ZDF<br />
werden das sicher nicht zeigen, zumindest nicht so reißerisch<br />
aufgemotzt. Aber ansonsten macht doch die Asi-Klitsche das Rennen,<br />
die unsere perverse Nachfrage am krassesten bedient. Die Klitsche, die<br />
die reißerischste Aufmachung von dem Mistviech vom Dach bringt.<br />
Würde mich auch gar nicht wundern, wenn unser Karlsson vom Dach in<br />
ein paar Jahren, wenn er aus dem Knast draußen ist, in den beschissen<br />
Big-Brother-Container einziehen dürfte. Na, das würde uns doch<br />
gefallen in unseren kleinen, kranken Hirnen?! Oder wenn der mich dann<br />
verklagt, weil ich seine gehirnamputierte Aktion in meinem Scheiß-<br />
Buch hier verarbeitet habe. Ohne ihn zu fragen, ohne seine<br />
Einwilligung. Drauf geschissen. Kann er ja mal auf mein Dach klettern,<br />
wenn er darüber pikiert ist. Falls er sich das traut. Denn auf meinem<br />
Dach gibt es keine Decken und keinen Tee. Und der Abgang kommt<br />
auch sehr viel krasser, so viel steht mal fest.<br />
Wie auch immer, Drecksschleudern wie BILD, RTL Und Co. mußten<br />
also darüber berichten. Die mußten diese Scheiße seiten- und<br />
wochenlang bis ins kleinste Detail ausquetschen. Weil wir das so<br />
wollen, weil wir das so brauchen. Ja, wir, und daher Glückwunsch!<br />
Glückwunsch an uns alle. Denn Karlsson vom Dach hat insoweit nur<br />
unsere perverse Nachfrage befriedigt. Nicht mehr, nicht weniger.<br />
Angebot und Nachfrage. Und uns Nachfrager trifft daher auch die<br />
größte Schuld, uns trifft die sogenannte Hauptschuld. Denn wir sind die<br />
Ferngesteuerten, wir sind die Fehlgeleiteten. Wir sind die Perversen, wir<br />
sind die Sensationsgeilen. Die Scheiße ist in unseren Köpfen. Und<br />
dessen sind wir uns nicht einmal bewußt, was für eine Ironie. Und selbst<br />
wenn, dann verdrängen wir es lieber. Ist ja nicht so schlimm, ein anderer<br />
hat ja immer noch mehr Dreck am Stecken als wir selbst. Irgendwer<br />
treibt es doch immer noch derber, wunderbar. Denn schließlich wird<br />
niemand gern aus seiner kleinen, persönlichen Scheiß-Matrix gerissen.<br />
Ist doch alles okay, lebt sich doch so schön angenehm und<br />
unkompliziert. Herrlich, Stößchen.<br />
143
Die Matrix ist ein System, Neo. Dieses System ist unser Feind. Was aber<br />
siehst Du, wenn Du Dich innerhalb des Systems bewegst?<br />
Geschäftsleute, Lehrer, Anwälte, Tischler. Die mentalen Projektionen<br />
der Menschen, die wir zu retten versuchen. Bis es dazu kommt, sind<br />
diese Menschen immer noch Teil des Systems. Und das macht sie zu<br />
unseren Feinden. Du mußt wissen, daß die meisten von ihnen noch nicht<br />
so weit sind, abgekoppelt zu werden. Viele dieser Menschen sind so<br />
angepaßt und vom System abhängig, daß sie alles dafür tun, um es zu<br />
schützen. Hörst Du zu, Neo, oder siehst Du der Frau in dem roten Kleid<br />
nach?!<br />
bb) Zum Wohle des Honk<br />
144<br />
(Morpheus)<br />
Ja, krass, was?! Sowas mag keiner gern hören. Ziemlich harter Tobak.<br />
Und bißchen viel Realität auf einmal, nicht wahr?! Ja, Realität ist nicht<br />
immer schön, Realität kann echt krass kommen. Und deswegen<br />
verzichten wir alle im gegenseitigen Einverständnis auch gern auf<br />
Realität. Schließlich wollen wir keine schlechte Laune kriegen. Nein,<br />
schlechte Laune wollen wir heute nicht haben. Und sonst aber auch<br />
nicht. Bestimmt hat Onkel Honk nur zu viele schlechte Filme gesehen.<br />
Ja, so muß es sein. Eine andere Erklärung kann es dafür nicht geben.<br />
Und deswegen war das alles auch nur Spaß. Nur dummes Geschwätz,<br />
nur Gesülz, nur Bla. Alles Pustekuchen, Onkel Honk hat nur Spaß<br />
gemacht. BILD ist toll, Aso-TV auch, und wir alle sind eh am<br />
allergeilsten, ganz klar. Ist alles tiptop hier, hurra, keiner muß sich über<br />
irgendwas Sorgen machen. Weil das ja hier auch eh nur ein<br />
Märchenbuch ist. Alles frei erfunden, alles gar nicht da. Ganz feines<br />
Märchenbuch, hurra. Tante Heidi und die bösen Topmodels, trallala,<br />
Peace, Knutschi. Alles nur Spaß, alles erfunden vom Onkel Honk.<br />
Onkel Honk ist ein richtiger Spaßvogel!
Aber irgendwann muß der Spaß dann auch mal aufhören, irgendwann<br />
muß dann auch mal Schluß mit lustig sein. Normalerweise hätten wir<br />
diesen Dreck eh von Anfang an komplett ignoriert, wenn es nicht zur<br />
Bestimmung unseres Vollopfers erforderlich gewesen wäre. Aber jetzt<br />
ist Schluß mit dem Zirkus, jetzt sind wir beim Honk. Jetzt gehen wir in<br />
medias res, jetzt ist Feierabend mit seichter Lektüre. Wir sind jetzt<br />
nämlich beim Honk. Im Honkland. Und Honkland ist Realität. Für mich<br />
zumindest.<br />
Ja, und im Honkland muß man sich das jetzt so vorstellen, daß nicht<br />
immer nur die Sonne scheint, so wie es uns im Opfer-TV stets so total<br />
lustig und hirnfrei suggeriert wird. Nein, im Honkland regnet es auch ab<br />
und an mal. Dunkle Wölkchen können aufziehen, kann alles sein, ist<br />
alles möglich. Manchmal stürmt es geradezu, es donnert und blitzt, und<br />
es wird alles ganz düster und finster und unheimlich und so.<br />
Für mich wurde es seinerzeit mal wieder ziemlich düster und finster und<br />
unheimlich, als ich auf die regionale Polizei angewiesen war. Ja mein<br />
Gott, ich kann`s doch nicht ändern, immer die arme Polizei. Aber da<br />
gehören ja wohl immer noch zwei dazu. Egal. Es wurde eigentlich nicht<br />
nur ziemlich düster, sondern dunkel. Stockdunkel. Ein rabenschwarzer<br />
Tag. Inklusive Spätfolgen. Aber der Reihe nach.<br />
Fahr` ab die Scheiße:<br />
145
Besser, es wird einem nichts gestohlen. Dann hat man wenigstens keine<br />
Scherereien mit der Polizei.<br />
aaa) Wo sind denn die Grün-Weißen?<br />
146<br />
(Karl Kraus)<br />
Es war irgendwann Samstagnacht bzw. früher Sonntagmorgen,<br />
vielleicht war es 4 Uhr. So in dem Dreh muß es gewesen sein. Nach viel<br />
zu vielen viel zu teuren und viel zu laschen Drinks verlasse ich eine<br />
Party-Location. Allein. Und breit, klar. Ziemlich breit. Vollbreit. Also<br />
zu breit für Begleitung. Muß ja auch nicht immer sein, allein ist auch<br />
mal ganz nett. Meine beiden Kumpels wollen noch bleiben und dann<br />
mit zwei Schnallen, die sie gerade ordentlich mit Sekt abfüllen,<br />
heimfahren. Kein Thema, ich gönne es ihnen. Man muß auch mal<br />
gönnen können. Ich selbst habe dazu heute keine Lust. Ich will lieber zu<br />
Hause noch einen Topf Chili con Carne fressen und dann ab ins<br />
Bettchen. Eventuell irgendwo dazwischen noch kotzen, aber auf jeden<br />
Fall heute keine Vögelei.<br />
Ich möchte heute also allein heimfahren. Beziehungsweise gefahren<br />
werden. Denn als verantwortungsbewußter Teilnehmer des<br />
Straßenverkehrs weiß man, daß man total besoffen nicht mehr selbst<br />
Auto fahren darf. Können schon, keine Frage. Besser als die meisten<br />
Schnarchnasen nüchtern, ganz klar. Aber dürfen nicht. Und aus Angst<br />
vor staatlichen Sanktionen hält man sich auch daran. Stichwort<br />
Sicherstellung. Auweia! Also immer Auto stehen lassen. Oder besser<br />
Auto erst gar nicht mitnehmen. Genau, Auto von vornherein nicht<br />
mitnehmen. So handhabe ich das immer, wenn ich mir einen hinter die<br />
Mütze kippe. Auto gleich daheim lassen, und hinterher mit einer heißen<br />
Mieze und Taxe nach Hause düsen. Hat sich bewährt, ist besser so.<br />
Oftmals weiß ich sonst am nächsten Morgen auch gar nicht mehr, wo<br />
mein Auto überhaupt steht. Ey Mann, wo ist mein Auto?!
Also heute kein eigenes Auto, und heute auch keine Mieze. Lieber<br />
Chili. Lecker. Dummerweise aber auch kein Taxi in Sichtweite. Kein<br />
Problem, fragt man einfach andere Party-Besucher, die auch gerade<br />
heimfahren wollen, ob sie einen mitnehmen können. Muß man ja nur<br />
bei denen auf`s Nummernschild gucken und ob die Kiste noch einen<br />
Platz frei hat, dann geht das. Gesagt, getan. Zwei sympathische kleine<br />
Südländer nehmen mich mit. Angenehme Fahrt, gute Jungs, paßt. Zehn<br />
Euro drücke ich dem Fahrer dafür hinterher in die Hand und stecke<br />
mein Portemonnaie wieder in meine Jacke. Selbstverständlich dürfen<br />
die beiden Jungs bei mir zu Hause dann auch noch auf mein Klo. Aber<br />
nur, weil sie so zuvorkommend waren und so lieb gefragt haben.<br />
Ansonsten nimmt das mit meinem Lokus echt bald Formen an.<br />
Ich nehme die beiden also mit in mein Haus, zeige dem einen mein Klo<br />
und bringe dann dem anderen eine Pulle Cola, um die er mich gebeten<br />
hat. Der muß dann auch mal pullern, und solange, bis der andere fertig<br />
ist, darf er im Wohnzimmer Platz nehmen und Cola trinken. Kein<br />
Problem, alles ganz easy. Bis jetzt. Ich ziehe schonmal Jacke und<br />
Schuhe aus, hänge die Jacke an meine Garderobe und stelle die Schuhe<br />
in den Ständer. Reiße mir noch ein Veltins auf, zack, freue mich auf<br />
mein Chili. So, die beiden Ziegenhirten tauschen die Plätze, einer ins<br />
Wohnzimmer, der andere im Gegenzug auf den Pott. Denke ich<br />
zumindest. Denn während ich mit dem einen im Wohnzimmer sitze,<br />
pullert der andere nicht so schön, wie er angekündigt hat, sondern<br />
durchsucht vielmehr im Flur meine Jacke nach meiner Kohle. Und<br />
findet die dann dummerweise auch. Findet meine ganze Porte und<br />
nimmt diese mal eben ganz treuhändisch an sich. Zack.<br />
Danach geht er selbstverständlich noch auf mein Klo. Aber nicht, um zu<br />
pullern oder um hinterher die blöde Frage zu stellen, ob ich denn keine<br />
Klobürste hätte. Nein, vielmehr um meine nagelneue Flasche BOSS<br />
Bottled 125 ml ebenso treuhändisch wie die Porte an sich zu nehmen.<br />
Besten Dank auch. Ich sitze währenddessen seelenruhig mit seinem<br />
Kumpel im Wohnzimmer und erzähle dem in meinem wirren Suffkopp<br />
auch noch, wie teuer mein neuer Mercedes war. Völlig gutgläubig sitze<br />
ich da, völlig behämmert. Keinerlei Mißtrauen, keine bösen Gedanken,<br />
nichts. Wozu auch?! Man erwartet ja grundsätzlich nichts Schlechtes<br />
von einem Menschen. Ich zumindest nicht.<br />
147
Etwas mißtrauisch werde ich dann erst, als das Handy des Kollegen im<br />
Wohnzimmer klingelt und dieser wie von der Tarantel gestochen<br />
aufspringt und meint, er müsse nun gehen. Aha. Instinktiv -und aber<br />
auch aus Höflichkeit- geleite ich ihn aus dem Wohnzimmer in den Flur.<br />
Wo ich dann doch etwas verdutzt feststellen muß, daß der andere<br />
Kollege bereits auf dem Weg zum Auto ist. Na? Na? Na, jetzt aber. Ich<br />
mag zwar manchmal geistig etwas träge sein, und ab zwei Promille wird<br />
das sicher auch nicht besser, aber ich bin kein Vollidiot. Sofort greife<br />
ich in meine Jackentasche -zack- und registriere, daß mein<br />
Portemonnaie weg ist. Meine schöne Porte. Weg. Futsch. Auweia.<br />
Sofort renne ich raus zum Auto der beiden Kollegen. Der Fahrer sitzt<br />
schon, Motor läuft, der andere steigt gerade ein. Da die nun folgende<br />
Schlüsselsituation -insbesondere bei Südländern- eine extrem subtile<br />
Vorgehensweise erfordert, habe ich die beiden nun nicht direkt mit ihrer<br />
Tat konfrontiert und das Ganze wahnsinnigerweise noch mit einem<br />
Kraftausdruck verfeinert. Nein, bloß nicht, ich bin ja nicht lebensmüde.<br />
Vielmehr habe ich mal ganz vorsichtig angefragt, ob ich<br />
möglicherweise meine Porte und eine Flasche BOSS Bottled, die ich gar<br />
nicht mit dabei hatte, in deren Auto vergessen haben könnte. Was für<br />
ein Bullshit! Was für ein Trottel. Aber im nachhinein total lustig, die<br />
Story ist der absoluter Knüller in meinem Bekanntenkreis.<br />
Ein schnelles Nein und eine noch schnellere Abfahrt der beiden Jungs<br />
mit quietschenden Reifen waren die Reaktion auf meine Frage. Als hätte<br />
ich das nicht erwartet. Also ruckzuck Nummerschild gemerkt, so gut es<br />
eben vollbreit geht, das Auto war auch sehr auffällig, kein Problem. So,<br />
jetzt schnell zurück in meine Bude flitzen und ganz flott bei der<br />
regionalen Polizeidienststelle anrufen und denen den Sachverhalt<br />
schildern. Also nicht 110 oder 112 oder ähnlicher Blödsinn, sondern<br />
gleich die Nummer von den Cops um die Ecke. Gleich bei denen<br />
anrufen, ist besser, geht schneller.<br />
So, und wer jetzt glaubt, daß die ganze Geschichte bis hierhin völlig<br />
gehirnamputiert ist und haarsträubender nicht werden kann, wird nun<br />
eines besseren belehrt. Man versetzte sich dabei bitte immer in meine<br />
Situation: Durchgefeierte Nacht, besoffen, Chili-Dose schon in der<br />
Hand, im eigenen Haus beklaut, bah. Ist das zum Kotzen?! Auf jeden<br />
148
Fall. Voll zum Kotzen. Egal. Ich hätte jetzt alles machen können. Alles.<br />
Ich hätte mir die Haare raufen können. Mir ein paar Nutten kommen<br />
lassen können, um wieder auf bessere Gedanken zu kommen. Ich hätte<br />
die Verfolgung mit zwei Promille, Baseballkeule und 300PS-Mercer<br />
selbst aufnehmen können. Eine Flasche Tequila reinkippen und ins Bett<br />
legen können. Hätte ich alles machen können. Wäre alles sinnvoller<br />
gewesen. Aber nein, habe ich nicht gemacht, ich habe mich an Recht<br />
und Ordnung halten wollen. Artig sein. Anarchie zum eigenen Wohl nur<br />
im Extremstfall. Also habe ich die Regio-Cops angerufen. Und damit<br />
den eigentlichen Wahnsinn erst in Gang gesetzt.<br />
Nachdem ich den vorliegenden Sachverhalt schnellstmöglich<br />
telefonisch geschildert habe, erzählt mir der freundliche<br />
Weihnachtsmann am anderen Ende der Leitung, daß ich mich erstmal<br />
beruhigen solle. Jetzt mal schön langsam und mal ganz ruhig. Na klar.<br />
Besten Dank nochmals nachträglich dafür. Was nützt einem die<br />
schönste Porte und der edelste Duft, wenn man Angina pectoris<br />
bekommt?! Unfaßbar. Ich habe dem dann also alles ein zweites Mal<br />
erzählt. Zwei kleine Ziegenhirten, unterwegs in dem und dem Auto, mit<br />
dem und dem Kennzeichen, in die und die Richtung. Bitte Kennzeichen<br />
überprüfen, hinfahren, verhaften. Dankeschön.<br />
Von wegen! Das wäre ja viel zu einfach gewesen. Es sei Wochenende,<br />
Sonntagmorgen, man habe nur eine Streife im Einsatz, und die könne<br />
sich nicht um alles kümmern. Erzählt mir der nette Weihnachtsmann<br />
voller Überzeugung und ganz selbstverständlich, als hätte ich mir das<br />
doch eigentlich selbst denken können. Ich solle am Montag nochmals<br />
anrufen, dann sei man wieder in voller Wochenbesetzung und könne<br />
sich darum kümmern. Wat? Wie bitte? Habe ich mich eben verhört?<br />
Nein, nicht verhört, bestätigt die freundliche Stimme am anderen Ende<br />
der Leitung, alles richtig verstanden. Montag abermals anrufen. Am<br />
besten gleich ganz früh, damit man keine Zeit verliere.<br />
So! Und das ist jetzt kein Witz. Das ist wirklich so passiert. In meinem<br />
Leben. Nicht in Bizarro-Welt, sondern in der Realität. Montag früh bitte<br />
erneut anrufen, vielen Dank für Ihr Verständnis. Ist wirklich so<br />
abgelaufen, ich kann es doch selbst kaum glauben. War aber so. Nun<br />
gut. Alles klar, auf Wiederhören, melde mich Montag. Fuck!<br />
149
Jetzt stand ich kurz davor, eine Kombination der oben beschriebenen<br />
alternativen Handlungsweisen vorzunehmen: Erst die Pulle Tequila rein<br />
in Hals, zack, Stößchen, dann Baseball-Keule und Chili-Dose gepackt<br />
und mit dem Mercer schön mit 280 zur Regional-Cop-Wache geballert.<br />
Dort dann erstmal durch minutenlanges Hupen auf mich aufmerksam<br />
gemacht. Damit auch ja alle mitkriegen, wie ich als nächstes mit der<br />
Keule die Tür bei denen einschlage, dem Weihnachtsmann vom Telefon<br />
die Dose Chili hinstelle und Guten Appetit wünsche. Und dann ganz<br />
schnell wieder weg. Das wäre eine angemessene Reaktion auf den<br />
Wahnsinn gewesen. Und lustig noch obendrein. Habe ich dann aber<br />
doch lieber gelassen, weil die unterbesetzten Cops ansonsten mit<br />
ziemlicher Sicherheit meinen Führerschein sichergestellt hätten. Was<br />
für ein Fest! Sichergestellt! Auweia! Sicherstellen geht immer, alles<br />
andere muß bis Montag warten. Sicherstellungen haben allerhöchste<br />
Priorität. Aber nur bei Führerscheinen, das ist ganz wichtig. Alles<br />
andere ist völlig sekundär. Falls die mal einen verfolgen, der eine<br />
Atombombe oder sowas geklaut hat, lassen die sofort von dem ab, wenn<br />
ihnen ein anderer mit kaputtem Abblendlicht oder gar Schlangenlinien<br />
entgegenkommt. Vollbremsung, zack, Handbremse, 180-Grad-Wende,<br />
hinterher. Bei dem kann doch was nicht stimmen. Heiliger Bimbam.<br />
Also habe ich eine andere Kombo gewählt, die aus Haare-Raufen und<br />
Tequila-Saufen bestand. Rauf, sauf, zack, Stößchen. Und während ich<br />
da so sitze und raufe und saufe und saufe und raufe, und mich die ganze<br />
Zeit frage, ob ich vielleicht nur schlechtes Gras geraucht habe, trifft es<br />
mich plötzlich wie der Schlag. Wie vom Blitz getroffen verfalle ich von<br />
einer Sekunde auf die andere in tiefste, demütigste Dankbarkeit. Und<br />
zwar aufgrund der soeben erhaltenen, vertraulichen Informationen.<br />
Denn es hätte ja auch alles viel schlimmer kommen können. Viel, viel<br />
schlimmer. Was wäre denn gewesen, wenn die lieben Ziegenhirten mir<br />
die ganze Bude ausgeräumt hätten?! Und mir vorher zwecks<br />
Ruhigstellung noch zwei Kugeln in den Pansen verpaßt hätten? Na das<br />
wäre mal was gewesen. Oder mich gefesselt und mit Kopf nach unten<br />
an den Füßen am Dachbalken festgebunden und wechselweise<br />
zusammengeschlagen und gekickt hätten, wie einen beknackten<br />
Sandsack? Da darf ich gar nicht dran denken, sonst kommt mir die<br />
Suppe wieder hoch, aber mal so richtig. Bah.<br />
150
Und wenn ich es dann unter Aufwendung meiner letzten Lebenskräfte<br />
irgendwann geschafft hätte, den Weihnachtsmann von der Wache<br />
anzurufen? Hilfe, ich wurde gerade in meinem Haus überfallen und<br />
habe zwei Kugeln im Pansen! Und der mir dann gesagt hätte, ich solle<br />
mich lieber Montagmorgen nochmal melden, von wegen nur eine<br />
Streife unterwegs und so?! Und diese wird um 4 oder 5 Uhr morgens,<br />
wenn der McDrive gerade öffnet, nicht gern gestört?! Das wäre dann<br />
aber auch nochmal ein dicker Hund gewesen. Und eine ziemliche<br />
Ernüchterung noch dazu. Meine Herren, nicht auszudenken. Insoweit<br />
also alles ganz toll, mir geht`s gut, alles tiptop. Ich freue mich jetzt<br />
sogar richtig, daß man mich beklaut hat. Hurra, endlich weg die Porte,<br />
endlich weg der Nutten-Diesel. Habe ja noch drei, vier andere Düfte.<br />
Kann ich die endlich mal wieder auftragen, klasse. Oder entsagen wir<br />
doch gleich jedweden materiellen Dingen. Zack. Alles weg damit, alles<br />
muß raus, alles weg. Zack, ab, raus. Was für ein Abfuck! Der Abfuck<br />
der Woche! Nächstes Mal rufe ich die Feuerwehr oder den Notarzt oder<br />
den Schlüsseldienst, die kommen wenigstens raus. Oder Bruce Willis.<br />
Und bis dahin werde ich am Wochenende absolut und überhaupt rein<br />
gar nichts mehr machen. Keine Aktivitäten mehr. Nichts. Njet. Nada.<br />
Freitags ab 16 Uhr werde ich mich in meiner Bude verrammeln. Alle<br />
Rollos runter, allen Türen doppelt abgeschlossen. Und dann ziehe ich<br />
mich in mein Schlafzimmer zurück, schiebe den massiven Eichen-<br />
Schrank vor die Tür und hoffe und bete, daß bald Montagmorgen ist.<br />
Zwei Kisten Bier, drei bis fünf Liter Mai-Tai, Dosenravioli, eine Stange<br />
Kippen, ein bis zwei Dutzend Pornos und einen Feuerlöscher, falls es<br />
mal brennt. Damit verrammele ich mich dann bombensicher für die<br />
nächsten 64 Stunden in meinem Bett. Einen Sturzhelm auf, kugelsichere<br />
Weste an und den Finger an der durchgeladenen Pumpgun nervös am<br />
Abzug und konsequent auf die Tür gerichtet, falls einer kommt. Denn<br />
von Freitag 16 Uhr bis Montag 8 Uhr ist die Stadt, in der ich wohne,<br />
ganz offensichtlich ein rechtsfreier Raum. Da regiert dann der<br />
Wahnsinn! Ich habe es selbst erleben müssen. Da kommt keiner raus<br />
oder fährt mal gucken oder so, da ist sich jeder selbst der Nächste. Da<br />
kann jeder tun und lassen, was er will. Es interessiert niemanden. Mit<br />
einer aufmerksamen Polizeistreife auf dem McDonald`s-Parkplatz und<br />
einer illustren Skatrunde auf deren Wache herrscht da der<br />
Ausnahmezustand.<br />
151
Filmreif. Echt filmreif. Wenn es nur nicht so traurig wäre. Und wie sich<br />
jetzt sicher jeder hier bereits selbst denken kann, habe ich nicht bis<br />
Montag gewartet. Um dann erneut beim lustigen Weihnachtsmann<br />
anzurufen. Ich bin vielleicht bescheuert, aber kein kompletter<br />
Volltrottel. Auf solchen Klamauk stehe ich mal gar nicht. Folglich habe<br />
ich, nachdem ich meinen Suff mehr oder weniger ausgeschlafen hatte,<br />
beschlossen, die Situation in glorreicher Anarcho-Manier am<br />
Sonntagnachmittag selbst in die Hand zu nehmen. Dem Spuk selbst ein<br />
Ende zu bereiten. Wieder meinen eigenen Film zu drehen. Kurz: Die<br />
Kuh vom Eis holen. Und das auch ziemlich schnell, weil ich sonst<br />
wieder echt sauer werde.<br />
Meine sehr hohen ethisch-moralischen Wertvorstellungen haben mich<br />
geradezu zu diesem Schritt gezwungen. Wer läßt sich schon gern<br />
beklauen?! Ich zumindest nicht. Also echt nicht. Noch dazu völlig<br />
gutgläubig und unter Ausnutzen meiner Gastfreundschaft. Das ist ja<br />
gerade der Pferdefuß, Ausnutzen der Gastfreundschaft! Und meines<br />
WCs noch dazu. Skandalös. Dubios. Höchst verwerflich obendrein. Und<br />
durch nichts zu rechtfertigen. Keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich,<br />
also Bahn frei für den Anarcho-Honk. Wieder einmal muß es Anarchie<br />
zum eigenen Wohl, zum eigenen Wohl des Honk heißen.<br />
Gezwungenermaßen, ohne es selbst zu wollen. Ein typischer Fall, ein<br />
ganz klassischer Fall. Ein Präzedenzfall sozusagen.<br />
Die ganze Sache war dann erwartungsgemäß auch ziemlich schnell<br />
geklärt. Einfach Sonntagnachmittag ein paar einschlägige Internet-<br />
Cafes, Wettbüros und Döner-Buden abgeklappert. Dort dann erzählt,<br />
was passiert ist. Die Typen und deren Auto beschrieben. Die Ansage<br />
gemacht, daß ich morgen früh einige Telefonate führen muß, wenn die<br />
Kohle nicht bis heute Abend 8 Uhr wieder auf dem Tisch liegt. Und<br />
zwar auf meinem Tisch. Nicht in irgendeiner Strip-Bar oder Flippo auf<br />
dem Tisch, sondern auf meinem. Dann erstmal wieder ab nach Hause<br />
gedüst. Abwarten und Bier trinken. Viel Bier trinken. Aber nicht zu viel.<br />
Und vor allen Dingen heute keine harten Sachen, so schwer es auch<br />
fällt. Ich muß bei klarem Verstand bleiben für die Geschehnisse, die<br />
sich im Laufe des Tages möglicherweise noch zutragen werden. Und da<br />
wird sich noch einiges zutragen, so viel kann man schonmal verraten.<br />
Also erstmal nur Bier rein, kommt auch gut. Uff, Stößchen.<br />
152
Und siehe da, siehe da, gegen 20 Uhr klingelt es an der Tür. Draußen<br />
stehen die beiden lustigen Langfinger von frühmorgens samt einem<br />
Cousin bei mir auf der Matte. Stehen da auf der Matte und trüben kein<br />
Wässerchen. Man habe gehört, was passiert sei. Man habe seinen Ohren<br />
erst gar nicht trauen können. Und dann habe man noch einmal ganz<br />
gründlich im Auto nachgesehen. Und siehe da, siehe da, beides habe<br />
sich im Auto angefunden. Nein, wirklich?! Sachen gibt`s. Porte wieder<br />
da, BOSS wieder da. Muß ich also alles im Auto verloren haben.<br />
Unfaßbar, wie ungeschickt ich doch manchmal bin. Die 60 bis 80<br />
Euretten, die noch im Portemonnaie waren, sind natürlich futsch<br />
gewesen, klar. Aber sonst war alles noch drin.<br />
Also Gott sei Dank alles wieder da. Naja, bis auf die Kohle. Aber scheiß<br />
auf die paar Kröten. Lehrgeld, abgehakt. Lieber die beiden Jungs ihr<br />
Gesicht wahren lassen vor ihrem Cousin. Ist besser. Wird eines schönen<br />
Tages wahrscheinlich von Nutzen für mich sein. Nein, nicht<br />
wahrscheinlich, ganz bestimmt sogar. Ganz unbestritten wird das<br />
irgendwann von Nutzen für mich sein. Der eine gab mir sogar seine<br />
Handynummer. Ich könnte anrufen, falls ich mal irgendwas bräuchte.<br />
Ja, so ist das im Honkland. Irgendwas braucht man eigentlich immer.<br />
Eine Hand wäscht die andere, und am Ende sind beide sauber. In diesem<br />
Fall hätte nämlich in der Tat alles viel böser enden können.<br />
Man stelle sich jetzt mal folgenden Super-Gau vor: Ich telefoniere und<br />
debattiere am Montagmorgen wieder mit meinem Weihnachtsmann von<br />
der regionalen Wache. Währenddessen sitzen die beiden kleinen Hobby-<br />
Gangster mit meinem Perso, meinem Führerschein, meiner Master-Card<br />
und zwei Erste-Klasse-Tickets für die Seychellen oder nach Istanbul am<br />
Frankfurter Flughafen. Inklusive 5.000 Euro Startgeld, gesponsort vom<br />
Girokonto meiner Hausbank. Taschengeld, Urlaubsgeld, leck` mich am<br />
Arsch. Nicht auszudenken. Das wäre mal eine faustdicke Überraschung<br />
gewesen. Aber Gott sei Dank ist das nicht passiert. Gott sei Dank habe<br />
ich eigennützig-anarchistisch gehandelt, und so hat sich das Blatt zum<br />
Guten gewendet. Zumindest, was den eben skizzierten Super-GAU<br />
angeht. Der konnte also zunächst abgewendet werden. Und zwar durch<br />
Honk-Anarchie zum eigenen Wohl. Kommt immer dann total gut, wenn<br />
Vater Staat bzw. dessen lustige Lakaien einen Totalausfall produzieren<br />
und Bruce Willis gerade nicht greifbar ist.<br />
153
Wer jetzt allerdings glaubt, daß die Sache damit gegessen war, irrt<br />
gewaltig. Die Sache war noch längst nicht gegessen. Die Sache hatte<br />
nämlich ein Nachspiel. Und zwar für mich. Ich bekam ein Nachspiel<br />
angepfiffen. Und zwar nicht von den beiden Jungs mit der Porte,<br />
sondern vom Weihnachtsmann. Ja, richtig, vom Weihnachtsmann!<br />
Nachdem ich Montagmorgen dann nämlich gleich zur Wache<br />
hingefahren bin, um denen mitzuteilen, daß sie ihre auf Hochtouren<br />
laufenden Sonderermittlungen hinsichtlich meiner Habseligkeiten<br />
einstellen können und sich nicht weiter total verausgaben müssen, teilte<br />
mir ein anderer Weihnachtsmann bzw. sogar ein Butzemann (der kam<br />
auf der Wache aus so einer komischen Butze mit Klapptür raus und war<br />
gleich besonders souverän) mit, daß das aber nicht ginge.<br />
Neee, mitnichten, so ginge das aber nicht. Die Sache müsse zur Anzeige<br />
gebracht werden, da könne ja sonst jeder kommen und erst anzeigen<br />
wollen und dann doch wieder nicht und dann wieder doch und sülz und<br />
bla und gähn. Voll ätzend, aber echt jetzt. Naja, Ende vom Lied war,<br />
daß ich dem Butzemann dann halt den ganzen Scheiß erzählt habe.<br />
Beziehungsweise vielmehr erzählen mußte, weil der mir mal so richtig<br />
auf den Sack gegangen sind. Ich war drauf und dran, zu befürchten, daß<br />
der mir meinen Führerschein sicherstellt. Keine Ahnung, warum.<br />
Irgendwas wäre dem schon als Grund eingefallen.<br />
Unmittelbare Mittäterschaft an einer gemeinsam begangenen<br />
heimtückischen und besonders gemeingefährlichen Unterschlagung<br />
gegen einen selbst und / oder gegen Dritte. Das wäre doch mal geil<br />
gewesen, aber so etwas gibt es offiziell leider gar nicht. Irreführen und<br />
Verunglimpfen der regionalen Polizei zwecks eigener Belustigung und<br />
zu Anschauungszwecken. Das wäre mindestens genauso geil gewesen.<br />
Und träfe auch irgendwie den Kern der Sache etwas besser. Keine<br />
Ahnung, was denen so alles eingefallen wäre. Irgendwas hätten die<br />
schon gefunden, da bin ich mir sicher. Irgendeinen Grund für eine<br />
Sicherstellung gibt es immer. Da glaube ich ganz fest dran. Davon bin<br />
ich felsenfest überzeugt. Und wenn es doch einmal keinen Grund geben<br />
sollte, dann wird eben einfach einer erfunden, zack. Nein, noch geiler:<br />
Dann wird eben grundlos sichergestellt. Hach, wäre das geil! Dem<br />
geneigten Leser sollte spätestens jetzt aufgefallen sein, daß ich ein<br />
riesengroßer Fan von Sicherstellungen aller Art bin. Egal.<br />
154
Knapp zwei Wochen später hatten die dann auch schon den<br />
Fahrzeughalter ermittelt, und ich durfte abermals zur Wache kommen.<br />
Und der Typ, zu dem ich da dann hin mußte, der war mal so richtig geil.<br />
Das war kein Weihnachts- oder Butzemann mehr, das war Supermann.<br />
Supermann himself. Aber irgendwie nicht auf Super, sondern eher auf<br />
Bleifrei. Oder auf Diesel. Auf Heizöl, keinen Schimmer. Auf irgendwas<br />
war der aber, da gehe ich jede Wette ein. Zuviel Kaffee, schlecht<br />
geschissen, keine Ahnung. Ein kleines, zierliches Männlein mit<br />
Schnauzbart und lichten Haaren. Ziemlich hektisch und übertrieben cool<br />
sein wollend. Sozusagen der typische deutsche Mann Anfang 40. Alles<br />
kann, nichts muß. Wobei man bei dem eher davon ausgehen konnte, daß<br />
alles muß, aber nichts geht.<br />
Junge, hat der ein Fest gefeiert. Sensationell! Der hat ja mal die richtig<br />
scharfen Ansagen gemacht. Ein ganz smarter Ansager war der. Das<br />
wäre Strafvereitelung, ich würde die Täter kennen und decken, ich hätte<br />
das Gesetz in die eigenen Hände genommen. Der ist abgegangen wie<br />
Schmidts Katze, ehrlich. Er würde nun alle ihm verfügbaren Hebel in<br />
Bewegung setzen, damit der ganze Sachverhalt aufgedeckt und<br />
abgestraft werden kann. Wobei ich natürlich auch einen an den Latz<br />
bekäme, verstünde sich wohl von selbst, sowas ginge doch nicht, bla.<br />
Junge, hat der genervt. Der ging mal so richtig schön gar nicht. Der war<br />
so geil drauf, daß ich dem fast meinen Führerschein auf den Tisch<br />
geknallt hätte. Dann hätte er was zum Sicherstellen gehabt und<br />
vielleicht Ruhe gegeben. Da, zack, nimm hin, stell` sicher. Aber bitte,<br />
schalte mal einen Gang runter, sonst liege ich gleich unter`m Tisch.<br />
Nein, das habe ich dann aber doch lieber gelassen. Sonst wäre der<br />
vielleicht noch richtig abgeschnallt. Stattdessen habe ich die knapp 20<br />
Minuten Verhör voll ausgekostet, wobei ich mir leider stets das Lachen<br />
verkneifen mußte, weil der arme Kerl so fies drauf war. Das war ganz<br />
großes Tennis, Slapstick at it`s best. Ich habe sogar damit gerechnet,<br />
daß der gleich in ein Nebenzimmer geht und dort irgendwo aus einer<br />
verstaubten Kiste von anno 1950 einen Lügendetektor rausholt.<br />
Beziehungsweise einen zweiten Sheriff, mit dem er dann die Guter-<br />
Bulle-böser-Bulle-Nummer mit mir abzieht. So einen wie Shaft, einen<br />
knallharten Schwarzen, der nicht lange fackelt. Zack, erstmal schön<br />
Kopf auf den Tisch, danach werden Fragen gestellt.<br />
155
Naja, egal. Ich durfte dann gehen. Und habe seitdem nie wieder was<br />
vom Supermann gehört. Was irgendwie ziemlich schade ist, weil ich die<br />
Gesamtsituation dann doch ziemlich skurril und superlustig fand. Habe<br />
ich daraus irgendetwas gelernt? Nein. Wie immer absolut rein gar<br />
nichts. Oder doch?! Ja, doch, eine Sache ist hängengeblieben: Ich werde<br />
nie wieder in meinem ganzen Leben freiwillig die Polizei rufen. Nie, nie<br />
wieder. Wenn mir einer in die Karre fährt, scheißegal. Lieber einen<br />
neuen Benz kaufen. Wenn mir irgendwer das Haus abfackelt, auch<br />
völlig egal. Lieber in einer neuen Stadt nochmal ganz von vorn<br />
anfangen. Neue Stadt, neues Glück. Oder wenn ich sehe, wie bei meinen<br />
Nachbarn eingebrochen wird. Dann gehe ich da lieber selbst mit<br />
Baseball-Keule oder 9-mm-Halbautomatik rüber und bereinige die<br />
Situation. Werde ich alles machen. Alles selbst regeln. Nur nie wieder<br />
die Polizei rufen. Niemals. Unter keinsten Umständen jemals wieder.<br />
Und wenn die freiwillig rauskommen? Beispielsweise im Rahmen ihrer<br />
Lieblings-Beschäftigung, der allgemeinen Verkehrskontrolle? Am<br />
besten noch der Chuck Norris vom Verhör mit dabei? Auweia! Dann ist<br />
guter Rat teuer. Aber eigentlich auch egal. Gar nicht erst anhalten,<br />
gleich im Fahren den Lappen aus dem Fenster schmeißen, kann sofort<br />
sichergestellt werden. Zack, da ist das Ding, nehmt hin. Und dann nur<br />
noch Vollgas. Ab auf die Bahn, solange der Tank reicht. Nur weg. Weg,<br />
weg, weg. Ganz weit weg. Da braucht man dann gar nicht erst groß mit<br />
Moral und Ethik anfangen und hinterfragen, ob das denn nun richtig<br />
oder falsch ist. Drauf geschissen. Gas, Vollgas, weg. Einfach nur weg.<br />
Auf, auf und davon...<br />
156
Brauch` keinen Freund, kein Kokain, brauch` weder Arzt, noch Medizin.<br />
Brauch` keine Frauen, nur Vaselin, etwas Nitroglycerin. Ich brauche<br />
Geld für Gasolin, explosiv wie Kerosin. Mit viel Oktan und frei von Blei,<br />
einen Kraftstoff wie Benzin!<br />
bbb) Heizöl kommt noch krasser<br />
157<br />
(Rammstein)<br />
Es ist nun ja nicht so, daß ich generell was gegen die Polizei hätte. Nein,<br />
nicht doch. Wirklich nicht. Nicht, daß hier noch ein falscher Eindruck<br />
entsteht. Ich mag die Polizei. Ehrlich. Die machen auch nur ihren<br />
komischen Job und können es nicht besser wissen. Und ganz nebenbei<br />
profitiere ich oftmals sogar von der Polizei bzw. von deren Nicht-<br />
Agieren. Beispielsweise halten die mich im Rahmen einer allgemeinen<br />
Verkehrkontrolle eigentlich immer an. Keine Ahnung, warum. Ich bin<br />
immer dran. Immer! Eine Zeit habe ich ständig die Autos gewechselt,<br />
aber die haben mich trotzdem angehalten. Möchte nicht wissen, was<br />
dahinter steckt. Eine höhere Macht? Ausgleichende Gerechtigkeit? Oder<br />
vielleicht sogar ein Peilsender in meinem Arsch?<br />
Es wird dann wahrscheinlich doch der Peilsender sein. Da bin ich mir<br />
eigentlich ziemlich sicher. Aber wie? Wahrscheinlich haben die mir<br />
damals im Krankenhaus nicht den Blinddarm rausgenommen, sondern<br />
stattdessen eine Wanze bzw. diesen ominösen Peilsender reingesteckt.<br />
Zack. Ab in den Blinddarm. Also nicht in den Arsch, sondern in den<br />
Darm. Auch nicht viel besser. Klar, damals war ich erst neun Jahre alt.<br />
Aber daß ich mal ein ganz besonders verkorkstes Subjekt werden würde,<br />
stand schon früh fest. So vielleicht im Alter von drei oder vier Jahren.<br />
Da wußte man schon, was später einmal Sache ist. Naja, und ich denke,<br />
dann hat man noch ein paar Jahre abwarten wollen, ob sich das<br />
vielleicht irgendwie irgendwann rauswächst, aber Pustekuchen. Nichts<br />
weg, nichts rausgewachsen, wurde alles nur noch schlimmer.
So, und beim nächsten Dünnschiß wurde mir dann suggeriert, es wäre<br />
der Blinddarm. Uiuiui, der Blinddarm! Wenn der platzt, geht man tot.<br />
Auweia! Also ganz schnell unter`s Messer. Aufgeschnippelt, Wanze<br />
rein, zack, zugemacht. Alles Routine, schönen Tag noch. So oder<br />
ähnlich muß es gelaufen sein. Damit man mich später stets und ständig<br />
lokalisieren kann. Man immer gleich weiß, wo ich mich gerade<br />
rumtreibe. Voll ätzend, aber echt jetzt. Kann ich ja gleich bei RTL2 in<br />
den Asi-Container einziehen. Paar Low-Budget-Matratzen vögeln,<br />
scheißegal, weiß ja eh jeder Bescheid. Und ich war die ganzen Jahre so<br />
naiv. Aber jetzt nicht mehr! Denn jetzt, wo ich das weiß, hole ich das<br />
Ding da bald wieder raus. Garantiert. Ich weiß nur noch nicht, wie. Kein<br />
Arzt der Welt will mir helfen. Alle lachen mich aus. Nein, das sei nur<br />
ein leichter Schatten auf dem Röntgenbild, keine Sorge. Und überhaupt<br />
sei der Blinddarm noch da. Tja, und die Narbe, das könne alles<br />
Mögliche sein. Und überhaupt klinge das alles ein wenig schizophren,<br />
was ich da so von mir gebe. Na super, schizophren. Was will man dem<br />
noch entgegnen?! Ich weiß es nicht mehr. Ich stehe da<br />
zugegebenermaßen ein bißchen auf dem Schlauch, im wahrsten Sinne<br />
des Wortes. Vielleicht sollte ich mal einen Magneten da unten an den<br />
Pansen ranhalten, vielleicht stört der die Funktion von dem Ding.<br />
Naja, mittlerweile bin ich ja schon froh und dankbar, daß das Ding<br />
keine Schock-Funktion oder sowas hat. Also situationsbedingt leichte<br />
bis mittelschwere Stromstöße. Je nach Situation. Oder schlimmer noch,<br />
nach Zustand. Beispielsweise an meine Leber oder meine Blut-Alkohol-<br />
Konzentration gekoppelt. Auweia! Jeder Tropfen über 0,5 Promille gibt<br />
einen mittelschweren Stromschlag. Zack. Dann stände ich den ganzen<br />
Tag voll unter Strom. Dann wäre ich der 10.000-Volt-Mann. Wie geil!<br />
Von weitem schon zu erkennen an Qualm und Funkenflug. Und aus der<br />
Nähe an den gekräuselten Haaren, den gelben Augen und dem Geruch<br />
von verbranntem Ethanol. Eigentlich ideale Voraussetzungen für einen<br />
Profi-Wrestler. Ein gelungener Charakter, also mit dem ganzen Qualm<br />
und den Mini-Blitzen und so. Und erfolgreich obendrein. Sobald ich<br />
meinen Gegner im Ring zu fassen kriege, fokussiere ich ganz krass und<br />
gebe dann punktuell eine komplette elektrische Ladung an den ab.<br />
Bzzz!!! Versteht sich wohl von selbst, daß der dann sofort umfällt. Und<br />
das war`s dann auch. Eins, zwei, drei. Und aus. Sieger per Pinfall und<br />
somit neuer Intercontinental-Champion: The Incredible Elekto-Honk!<br />
158
Wahnsinn! Also wenn ich es mir so recht überlege, hätte ich dann doch<br />
ganz gern noch die Schock-Funktion dazu. Endlich Wrestler werden,<br />
hurra! Endlich hätte mein ödes Leben einen Sinn. Mal den Arzt anrufen,<br />
der damals dieses ominöse Blinddarm-Operation an mir durchgeführt<br />
hat. Vielleicht kann man da noch was upgraden. Aber bestimmt will der<br />
sich an sowas nicht mehr erinnern. Wahrscheinlich werde ich wieder<br />
Drohungen aussprechen müssen. Ihn zwingen, mich upzugraden. Denn<br />
so ganz seriös und koscher waren diese Stasi-Allüren ja nun auch<br />
wieder nicht. Tut aber hier auch nicht weiter zur Sache. Auf jeden Fall<br />
werde ich aufgrund dieser blöden Darm-Wanze stets und ständig von<br />
den Grün-Weißen rausgewunken.<br />
Da ich das aber mittlerweile weiß, betreibe ich Prophylaxe. Ich bereite<br />
mich also ganz penibel darauf vor bzw. richte mein vorangehendes<br />
Handeln danach aus. Im konkreten Fall heißt das, daß ich vor<br />
Fahrtantritt niemals mehr als vier große Weizenbier trinke. Halbe Liter,<br />
keine ganzen. Vier Halbe. Pro Glas macht das dann 0,3 Promille bei<br />
mir, also 1,2 Promille bei vier Gläsern. Nun ist es ja nicht so, daß ich die<br />
vier Pötte auf einmal aussaufe, sondern schon ca. eine Stunde dazu<br />
brauche. Meine Kumpels haben da schon einen schnelleren Zug am<br />
Hals, aber ich lasse es mir schmecken. In dieser Stunde hat meine<br />
Leber, die ja mittlerweile durch den exzessiven Alkoholkonsum sehr gut<br />
trainiert ist (Liver-Pimping), gute 0,2 Promille bereits wieder abgebaut.<br />
Das heißt, bei Fahrtantritt habe ich dann aus zwei Litern Weizenbier<br />
gerade mal charmante 1,0 Promille intus. Ein ganz hervorragender Blut-<br />
Alkohol-Wert, insbesondere für Nachtfahrten.<br />
Denn von 0,5 bis 1,1 Promille gibt es lediglich 500 Euro Bußgeld, vier<br />
Punkte und einen Monat Fahrverbot. Und das ist doch mal ein flottes<br />
Angebot, oder?! Die paar Kröten nimmt man doch wohl gern in Kauf,<br />
Handgeld, Portokasse. Und einen Monat Fahrverbot, pah, drauf<br />
geschissen. Den nimmt man, wenn man das nächste Mal für drei oder<br />
vier Wochen in den Urlaub fliegt. Alles in allem bei weitem nicht so<br />
verheerend und frustrierend wie die Vorstellung, nüchtern zu bleiben.<br />
Der Wiederholungstäter zahlt 1.000 Euro und kriegt drei Monate<br />
Fahrverbot. Auch noch akzeptabel. Kann ja jeder für sich selbst<br />
entscheiden. Auf jeden Fall auch hier ganz typische und ganz krasse<br />
Honk-Anarchie zum eigenen Wohl.<br />
159
Wie auch immer. Dadurch, daß die Grün-Weißen ihr Augenmerk<br />
permanent nur noch auf mein Saufverhalten richten, entgeht denen<br />
natürlich alles andere. Beispielsweise, daß ich meinen PKW mit Heizöl<br />
betanke. Ja, mit wunderbarem Heizöl. Statt Diesel. Habe mir extra einen<br />
alten Mercedes 190 D (Baujahr 1984, 450.000 km) als Zweitwagen<br />
gekauft. Extrem geile Karre. 78 PS, zieht wie Sau. Von Null auf<br />
Hundert in 70 Sekunden. Geile Karre. Habe ich mir zugelegt. Und eine<br />
Handpumpe, zwecks Anschluß an den Heizöltank im Keller.<br />
Und nun verhält es sich so, daß ich für alle Fahrten über 100 km den<br />
Heizöl-190er nehme. Clever, was?! Und unvermeidlich noch dazu. Die<br />
steigenden Benzin- und Diesel-Preise haben mich zu diesem Schritt<br />
gezwungen. Also auch hier Honk-Anarchie zum eigenen Wohl. Ein ganz<br />
tolles Beispiel dafür, ein Paradebeispiel. Alles über 100 km mit dem<br />
Heizöl-Trecker. Und für alles darunter bzw. am Wochenende dann die<br />
Proll-Schleuder mit 15 Litern SuperPlus auf 100 km. Zweiter ganz<br />
wichtiger Aspekt: Niemals besoffen mit dem Heizöl-Trecker. Auf<br />
keinen Fall. Man wird eh angehalten, Peilsender. Und Flucht ist<br />
unmöglich. Nicht mit 78 PS. Von Null auf Hundert in gut einer Minute.<br />
Undenkbar. Und höchst verdächtig. Lieber schön pusten, tröt, Nullkomma-Null,<br />
gute Weiterfahrt. So muß es sein. Vielleicht noch ein<br />
Cannabis-Test, weil sie den recht würzigen Heizöl-Geruch nicht<br />
zuordnen können, und tschüß. Weiter geht`s mit einem ökologisch<br />
vorbildlichen Verbrauch von vier Litern Heizöl auf 100 km.<br />
Am Wochenende sieht das dann schon etwas anders aus. Da hat man<br />
dann gut viermal soviel PS unter`m Arsch, bläst ordentlich SuperPlus<br />
durch und kurbelt demzufolge die Wirtschaft an. Nicht nur die<br />
Marktwirtschaft, sondern auch die Gastwirtschaft um die Ecke. Denn<br />
mit flotten 300 Pferdchen und ohne Heizöl kann man dann auch wieder<br />
schön saufen und fahren, na klar. Und im Ernstfall flüchten. Wie im<br />
vorangegangenen Kapitel beschrieben. Fenster runter, Lappen raus,<br />
Vollgas. Falls die dann tatsächlich so witzig sein wollen, mit ihrem<br />
fussel-getunten 180-PS-Passat eine Verfolgung aufzunehmen, na dann<br />
viel Spaß. Endet für die Jungs auf alle Fälle nach ein paar Kilometern<br />
mit einem frustrierten Einbiegen in den Mc-Drive. Tja, so ist das<br />
nunmal im Leben. Selbst Schuld. Wer zu mir nicht rauskommt, wenn<br />
ich in Not bin, für den halte ich auch nicht an.<br />
160
Man spricht in solch einem Fall von ausgleichender Honk-Anarchie<br />
oder auch didaktischer Honk-Anarchie: Das Nicht-Reagieren des Honk<br />
(also seinen Wagen anzuhalten) ist kein Nicht-Reagieren im<br />
eigentlichen Sinne, also beispielsweise auf eine direkte vorangehende<br />
Aktion (Polizeikontrolle). Oder anders ausgedrückt: Die direkt<br />
vorangehende Aktion muß nicht notwendigerweise die auslösende<br />
Aktion für das Nicht-Reagieren seitens des Honk gewesen sein. Der<br />
Auslöser für das Nicht-Reagieren unseres Honk ist im vorliegenden Fall<br />
unstrittig viel weiter in der Vergangenheit anzusiedeln.<br />
Besagtes Nicht-Reagieren ist hier nämlich nur noch das Endglied einer<br />
mehrstufigen Kausalitätskette. Es darf daher unter keinen Umständen<br />
für sich alleinstehend betrachtet oder gar bewertet werden. Vielmehr ist<br />
stets der Gesamt-Sachverhalt zu würdigen. Und in diesem<br />
Zusammenhang stellt unser Nicht-Reagieren als Endglied zweifelsfrei<br />
nur noch die konkludente Folge auf ein in der Vergangenheit<br />
manifestiertes Anfangsglied dar, welches mit der eigentlichen Reaktion<br />
bzw. Nicht-Reaktion nicht mehr zwangläufig in direkter Relation steht,<br />
sondern vielmehr als Auslöser unserer Kausalitätskette zu verstehen ist.<br />
Im vorliegenden Fall ist unser Nicht-Anhalten also kein schlichtes<br />
Ignorieren einer polizeilichen Anweisung, sondern vielmehr das<br />
Resultat bzw. Endglied jener Kausalitätskette, die seitens der Polizei mit<br />
deren Nicht-Reagieren auf den gemeldeten Diebstahl bei unserem<br />
armen Honk eingeleitet wurde. Ein ganz elementarer Unterschied! Ganz<br />
elementar. Und inhaltlich schlüssig-logisch. Das Augenmerk des Honk<br />
liegt folglich immer auf dem Gesamtkontext bzw. auf Beurteilung der<br />
Gesamtsituation. Und das lautet hier kurz und knapp:<br />
Kommst Du nicht raus, halte ich nicht an!<br />
Also doppelte Negation, ganz klar. Wem das jetzt zu kontraproduktiv<br />
oder gar zu pessimistisch anmutet, der kann das Ganze auch auf einen<br />
positiven, jedoch ebenso prägnanten Grundsatz herunterbrechen:<br />
Kommst Du raus, halte ich an!<br />
161
Das drückt es etwas ansprechender aus, umschreibt aber denselben<br />
Sachverhalt. Hilfst Du mir in der Not, halte ich auch für Dich an. Eine<br />
ganz einfach gestrickte, jedoch elementare Grundlagen-Gleichung, die<br />
sich auf fast alle denkbaren Bereiche im menschlichen Leben anwenden<br />
läßt. Eine Hand wäscht die andere, wie Du mir so ich Dir, Auge um<br />
Auge, bla. Das Problem hierbei ist, daß sich viele Menschen aufgrund<br />
irriger Annahme diverser Pseudo-Privilegien von dieser Gleichung<br />
ausgenommen sehen. Sie sind dem Irrglauben erlegen, daß sie dieser<br />
zwingenden Gesetzmäßigkeit nicht unterliegen. Warum auch immer.<br />
Meist handelt es sich hierbei um Staatsdiener, die sich dummdreist auf<br />
irgendwelche schwachsinnigen Vorschriften berufen wollen, die sie<br />
vorher selbst oder zusammen mit anderen Nachtwächtern erstellt haben.<br />
Und das widerstrebt selbstverständlich den hohen Moral- und Ethik-<br />
Ansprüchen des Honk. Zum einen an sich selbst, zum anderen aber auch<br />
an die Gesellschaft. Und aus diesen Gründen greift hier beispielsweise<br />
auch die selbstentwickelte Heizöl-Strategie des Honk. Ganz klarer Fall.<br />
Aber mal schön langsam der Reihe nach.<br />
Ein Liter Heizöl kostete Anfang Juni 2009 gerade einmal 0,55 Euro.<br />
Schlappe 55 Cent also. Nach der dramatischen Kosten-Explosion Mitte<br />
2008 bewegen wir uns jetzt wieder in Richtung eines halbwegs<br />
akzeptablen Preisniveaus. Allerdings nur, wenn wir das Heizöl als<br />
Kraftfahrzeug-Treibstoff betrachten und auch entsprechend verwenden.<br />
Für das Beheizen eines Wohnraumes sind 55 Cent nämlich immer noch<br />
unter aller Sau, der Gipfel der Perversität. Absolute Unverschämtheit.<br />
Da sollte die Schmerzgrenze irgendwo zwischen 10 und 20 Cent liegen.<br />
Aber das soll an dieser Stelle nicht weiter thematisiert werden, weil es<br />
eh nichts nützt. Ändert sich eh nichts. Seinen PKW mit Heizöl statt mit<br />
Diesel von der Tanke zu betanken, nützt dagegen schon etwas. Das<br />
nützt sogar einiges. Denn der Preis für einen Liter Diesel lag im<br />
vergleichbaren Zeitraum Anfang Juni 2009 bei 1,10 Euro. Ja hoppla,<br />
möchte man da spontan aufschreien, das ist ja fast das Doppelte. Nein,<br />
das ist sogar ganz genau das Doppelte. Der doppelte Preis im Vergleich<br />
zum Heizöl. Na, was ist denn hier los, wie kann denn das sein?! Die<br />
Antwort kennt jeder, also muß sie hier nicht mehr lang und breit und<br />
dummdreist polarisierend heruntergebetet werden. Lassen wir der BILD<br />
doch bitte ihr Tagesgeschäft. Skandal: Elektriker verhaftet! Wie auch<br />
immer. Sex-Tourist erschossen!<br />
162
Um es kurz zu machen: Das eigentliche Produkt (also der Liter Diesel<br />
bzw. Heizöl) kostet 45 Cent je Liter. Beim Diesel addieren sich<br />
insgesamt 65 Cent an Steuern und Abgaben dazu (Mineralöl-, Öko- und<br />
Mehrwertsteuer, sowie eine ominöse Erdölbevorratungsabgabe, na<br />
klar). Beim Heizöl sind es dann dagegen lediglich 10 Cent, die sich<br />
auch irgendwie ganz toll zusammensetzen. Ist aber auch scheißegal, ist<br />
allseits bekannt. Denn die alles entscheidende Kernfrage muß doch hier<br />
einzig und allein lauten: Wie gehe ich damit um, daß mir Vater<br />
Nachtwächter für ein und dasselbe Produkt mal den einen und mal den<br />
anderen (den doppelten) Preis abverlangt?! Akzeptiere ich, daß ich<br />
keine Ware im eigentlichen wirtschaftlichen Sinn, sondern vielmehr<br />
einen beschissenen Verwendungszweck bezahle?! Das ist doch die<br />
Kernfrage, die sich jeder selbst stellen muß.<br />
Und die Antwort dürfte wohl auch jedem klar sein: Der ferngesteuerte<br />
Standard-Deutsche stellt sich diese Frage gar nicht mehr. Er zahlt<br />
lieber. Er zahlt lieber den Mehrpreis. Er zahlt und zahlt und zahlt. Und<br />
jammert und jammert und jammert im Gegenzug darüber. Nicht, weil er<br />
irgendetwas ändern möchte oder weil ihn der doppelt so teure<br />
Dieselpreis besonders hart träfe. Nein, das ist völlig sekundär, falls<br />
überhaupt gegeben. Nein, der Standard-Deutsche ist so endgeil auf<br />
Jammern und Klagen programmiert, daß er des Jammerns und Klagens<br />
wegen jammert und klagt. Total krass abgefahren. Der braucht das. Wie<br />
die Luft zum Atmen. Elementare Lebensgrundlage! Ohne Jammern und<br />
Klagen ist das Leben nicht mehr lebenswert.<br />
Also morgens gleich eine geile BILD an der Tanke ziehen und dabei<br />
dann über den verfickten Dieselpreis jaulen oder wahlweise auch über<br />
die allerneuste, brandheiße Schlagzeile in der BILD, wenn diese mal<br />
wieder besonders pikierend anmutet. Völlig egal. So beginnt der Tag.<br />
So muß er beginnen. Schönen guten Morgen. Hauptsache ist, daß gleich<br />
gejault wird. Und für diese Jaulerei zahlt unser Ferngesteuerter gern den<br />
doppelten Preis beim Diesel. Ohne Sinn und Verstand erkauft er sich<br />
mit 65 Cent Mehrkosten je Liter die Freiheit, nach Lust und Laune eben<br />
genau darüber jammern und heulen zu können. Ohne daß sich<br />
irgendwas jemals ändert oder sich irgendein Schwein für seine Heulerei<br />
interessiert. Ist das mal geil?! Das ist geil, geil, sehr geil. Das ist<br />
endgeil. Endgeil ferngesteuert.<br />
163
Damit erzähle ich natürlich nichts Neues. Das haben die Medien schon<br />
vor Jahren erkannt. Daß es dem Standard-Ferngesteuerten zunehmend<br />
an Lebensinhalt fehlt. Dazu später mehr, damit könnte man ein eigenes<br />
Buch füllen. Und da es ausgesprochen schwierig ist, Millionen<br />
Menschen einen fehlenden Lebensinhalt zurückzugeben, ersetzen die<br />
Medien diesen kurzerhand. Mit Scheiße. Ja, ganz richtig, mit Scheiße.<br />
Mit Scheiße, Kacke, Kot. Scheiße für die Standard-Birne des Standard-<br />
Ferngesteuerten. Das geht schnell, ist einfach gemacht und wird gut<br />
angenommen. Und ruckzuck ist man von der Tristesse des eigenen<br />
Lebens abgelenkt und kann über irgendeinen anderen banalen<br />
Scheißdreck meckern. Beispielsweise über irgendeine brandheiße Story<br />
aus den hiesigen Klatsch-Medien. Wenn das nichts ist?! Das ist doch<br />
was. Funktioniert bestens. Radikale Akzeptanz des eigenen, öden<br />
Scheiß-Lebens. Durch Superkompensation. Ganz toll. Beziehungsweise<br />
vielmehr durch Ausweichen. Ausweichen vom eigenen Scheiß-Leben<br />
auf das Scheiß-Leben anderer. Oder auf grenzwertig beschissenbescheuerte<br />
Sachverhalte, wie den oben beschrieben Diesel-Heizöl-<br />
Konflikt, unfaßbar.<br />
Es dürfte wohl jedem klar sein, daß das ganz krasses, ganz radikales<br />
Fremdopfer-Verhalten ist. Kompensation! Superkompensation!<br />
Kompensation ist immer falsch, Kompensation ist Scheiße.<br />
Kompensation verdrängt Mißstände. Kompensation setzt nicht an der<br />
Wurzel des Übels an. Kompensation löst das Problem nicht. Das eigene<br />
Leben bleibt Scheiße. Auch wenn es anderen noch beschissener geht.<br />
Nützt meinem eigenen Leben subjektiv betrachtet rein gar nichts. Macht<br />
mein Leben nicht besser, auch wenn ich mir das gern einreden möchte.<br />
Ebenso wenig wie die permanente Heulerei und Klagerei. Macht auch<br />
keinen Sinn. Ohne Sinn und Verstand. Reines Fremdopfer-<br />
Fluchtverhalten. Eine völlig inakzeptable Option für jeden Honk. Der<br />
Honk befaßt sich erst gar nicht mit solch belastenden Sachverhalten wie<br />
der Diesel-Heizöl-Thematik. Der Honk reagiert direkt auf das<br />
Grundproblem. Und in diesem Fall bedeutet das, daß der Honk zwei<br />
unterschiedliche Preise für ein und dasselbe Produkt nicht akzeptiert.<br />
Nicht akzeptieren kann. Ohne Wenn und Aber, ohne große Debatte,<br />
keine Kinkerlitzchen. Kurz: Der Honk kauft Heizöl. Und nur Heizöl.<br />
Das war`s. So einfach ist das. Heizöl für schlanke 55 Cent, für Auto und<br />
Heizung. Schont Porte und Nerven. Stößchen.<br />
164
Ist das jetzt smart oder was?! Das ist doch mal ganz großes Tennis. Klar<br />
werden jetzt diejenigen, denen die Eier zu solch einer smarten Aktion<br />
fehlen, wieder maulen und jaulen und jaulen und maulen. Unter<br />
Umständen sogar den Honk verunglimpfen. Oder insgesamt dem<br />
durchweg positiv zu bewertenden Heizöl-Sachverhalt eine negative<br />
Note anlasten wollen. Irgendwas Negatives wird es auf alle Fälle sein.<br />
Und das ist auch gut so, so muß es ja auch sein. Denn deswegen sind<br />
diejenigen, die maulen und jaulen, ja auch die armen Fremdopfer, und<br />
der Honk ist der Honk. Astrein, zack, Stößchen.<br />
Aber zurück in medias res: Wenn man also beispielsweise 30.000 km<br />
pro Jahr mit dem guten 190er zurücklegt, macht das bei vier Litern<br />
Durchschnittsverbrauch auf 100 km insgesamt 1.200 Liter Heizöl pro<br />
Jahr. Die Gesamtkosten für Treibstoff belaufen sich demnach auf 660<br />
Euro jährlich. Betankt man seinen PKW mit Diesel von der Tankstelle,<br />
sind es 1.320 Euro jährlich, also 660 Euro mehr. Und da kann sich jetzt<br />
jeder selbst an fünf Fingern abzählen und überlegen, ob er diesen<br />
Mehrbetrag für nichts gerne leisten möchte, um sich sein Grundrecht<br />
auf Heulerei zu erkaufen und seinen Fremdopfer-Status zu festigen.<br />
Oder ob er lieber aus der Rolle des stets passiven Fremdopfers<br />
heraustritt und zum Heizöl-Honk wird. Ja, genau, zum Heizöl-Honk.<br />
Und gemäß bester Honk-Anarchie zum eigenen Wohl mal eine ganz<br />
flotte Fahrt mit Heizöl hinlegt. Muß ja erstmal gar nicht weit sein. Muß<br />
ja nicht gleich von Hamburg nach Barcelona gehen. Bißchen<br />
Landstraße und Nebenstrecke am Anfang, erstmal ein wenig Ruhe<br />
reinkriegen, bißchen Routine bekommen. Langsam angehen lassen.<br />
Kann ja jetzt jeder für sich selbst entscheiden, alles geht, nichts muß.<br />
Keiner wird zu irgendwas gezwungen. In Honkland kann jeder machen,<br />
was er will. Wenn doch alles im Leben so einfach wäre.<br />
Ist es aber leider nicht. Rein juristisch spricht man in solchen Fällen<br />
dann nämlich nicht von Honk-Anarchie zum eigenen Wohl, sondern<br />
von Heizölverdieselung. Heizölverdieselung klingt erstmal total<br />
abgefahren, beschreibt aber genau denselben beknackten Sachverhalt.<br />
Konkret ausgedrückt handelt es sich hierbei also um nichts anderes als<br />
um eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abgabenordnung in<br />
Verbindung mit § 21 Energiesteuergesetz. Nur für den Fall, daß das<br />
irgendwen hier interessiert, was ich aber nicht glaube. Egal.<br />
165
Das Hauptzollamt Krefeld hat in seiner Veröffentlichung Anfang 2007<br />
sehr treffend -zugleich aber auch mit leicht kritischen Untertönen- zu<br />
dem Delikt der Heizölverdieselung Stellung bezogen:<br />
Heizölverdieselung ist kein harmloses Delikt, sondern handfeste<br />
Steuerhinterziehung. Pro Liter mißbräuchlich verwendetem Heizöl wird<br />
Energiesteuer in Höhe von rund 48 Cent hinterzogen... Man könnte es<br />
ganz einfach so formulieren: Mit Heizöl darf man heizen, sonst nichts...<br />
Dieselkraftstoff hat eine gelbe Färbung. Heizöl hingegen ist rot<br />
eingefärbt und beinhaltet die versteckten Markierstoffe "Furfurol" oder<br />
"solvent yellow". Beide Markierstoffe sind mit bloßem Auge nicht zu<br />
erkennen, können aber mit wenig Aufwand bei einer Kontrolle vor Ort<br />
sichtbar gemacht werden. Dazu wird über einen Schlauch mit einer<br />
Handpumpe eine geringe Menge Kraftstoff in ein Schauglas gepumpt.<br />
Dann wird in ein Teströhrchen eine kleine Menge Kraftstoff gefüllt und<br />
mit dem Testreagenz vermischt. Befindet sich in der getesteten<br />
Kraftstoffprobe einer der Markierstoffe, wird dies durch eine<br />
zusätzliche, starke Rotfärbung im Bodensatz des Röhrchens angezeigt...<br />
Die vorsätzliche zweckwidrige Verwendung von gekennzeichnetem<br />
Kraftstoff stellt eine Straftat wegen Steuerhinterziehung dar.<br />
Na spitze, jetzt ist man natürlich viel schlauer als vorher. Jetzt ist man<br />
sogar ganz besonders schlau. Denn jetzt weiß man: Es ist verboten, man<br />
kann es nachweisen, und dann kriegt man Ärger. Aha. Das hat aber auch<br />
so gar keiner gewußt. Wieder eine halbe Seite mit sinnlosem Quatsch<br />
gefüllt, den a) jeder Idiot weiß und b) kein Schwein interessiert. Ätzend,<br />
voll ätzend. Mal eine konkrete Ansage, was der Spaß kostet, wäre nicht<br />
schlecht gewesen. Oder wie sie den exakten Verbrauch für eine<br />
Steuernachzahlung ermitteln wollen. Wahrscheinlich wird man<br />
geschätzt. Oder die Jungs vom Zoll rechnen gleich mal schön den<br />
kompletten Tacho ab, 400.000 km, abfeier! Keine Ahnung. Angaben<br />
über eventuell anfallende Kosten und Bußgelder wären mal ganz nett<br />
gewesen. Ich kann darüber nämlich nicht viel sagen, weil es bei mir in<br />
den acht Jahren, die ich mittlerweile mit Heizöl fahre, noch nicht<br />
aufgefallen ist. Von bekannten Honks, die entsprechend verfahren,<br />
erhalte ich eine ähnliche Resonanz: Nein, keine Ahnung, was das kostet,<br />
wurde noch nie erwischt. Die Kosten liegen also weitestgehend im<br />
Dunkeln, und meinetwegen können sie da aber auch bleiben.<br />
166
Und insoweit könnte man also auch relativ keck und folgerichtig davon<br />
ausgehen, daß man als landläufige Privatperson, die ihr Kraftfahrzeug<br />
sinnvollerweise mit Heizöl betreibt, weitestgehend unbemerkt bleibt.<br />
Wenn man es nicht gleich wieder übertreibt. Man muß es ja nicht<br />
unbedingt drauf anlegen und andauernd mit der Karre über die Grenze<br />
fahren, am besten noch nach Holland. Geht es eben mal mit der Bahn in<br />
Urlaub. Mit der schönen Deutschen Eisenbahn, mit dem schönen<br />
Familienticket. Oder mit dem Flieger. Mal das ganze Pack ab in Flieger,<br />
zack, schön ab in Flieger, schön nach Malle. Kommt man eh nicht mit<br />
dem Auto hin. Sieht man mal was von der Welt, sieht man auch mal<br />
was von oben. Kann man alles machen, macht alles Sinn. Nur bitte<br />
vorsichtig mit dem Heizöl-Flitzer und Grenzübergängen. Keine Faxen<br />
mit dem Zoll! Das muß klar sein.<br />
Und wenn man doch eines Tages dabei erwischt wird?! Na dann hat<br />
man eben mal Pech gehabt, so einfach ist das. No risk, no fun. Lieber<br />
vorbestraft wegen Steuerhinterziehung, als lebenslang Fremdopfer. So<br />
sieht das nunmal aus, Stößchen! Das gibt dann eben mal eine charmante<br />
Steuernachzahlung für die geschätzte Menge, die man an Heizöl<br />
verballert hat, zuzüglich Bußgeld. Da geht man nicht von tot. Auch<br />
nicht in Knast. Honk-Anarchie ist zwar krass, aber nicht lebensmüde.<br />
Und aktenkundiger Steuerhinterzieher klingt so übel auch wieder nicht.<br />
Klingt eigentlich ziemlich cool. Denn Moral und Ethik verbieten es dem<br />
Honk im konkreten Fall schlichtweg, Diesel-Kraftstoffe zu tanken. Er<br />
kann es nicht tun. Niemals. Selbst wenn er wollte. Denn logischerweise<br />
hat unser Honk auch einen sehr strengen Anspruch an die<br />
Zahlungsmoral. Insbesondere an seine eigene, höchstpersönliche<br />
Zahlungsmoral. Und sinnvollerweise lautet diese:<br />
Rechnungen werden bezahlt, Bullshit nicht. Stößchen.<br />
167
Also ich arbeite rund um die Uhr. Und ich wünsche, niemals<br />
unterbrochen zu werden, klar?! Auch nicht, wenn es brennt. Nicht mal,<br />
wenn Sie aus meiner Wohnung einen dumpfen Schlag hören und eine<br />
Woche später ein Geruch von da drinnen kommt, der nur von einer<br />
verwesenden, menschlichen Leiche kommen kann. Und man sich ein<br />
Taschentuch vor`s Gesicht halten muß, weil der Gestank so ekelhaft ist,<br />
daß man meint, man kippt gleich um. Selbst dann haben Sie hier<br />
keinesfalls zu klopfen. Oder wenn Wahlnacht ist und Sie aufgeregt sind<br />
und feiern wollen, weil irgendeine Fummeltrine, mit der Sie was haben,<br />
zum ersten schwulen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt<br />
worden ist. Und er Sie persönlich eingeladen hat nach Camp David.<br />
Und Sie das Bedürfnis haben, Ihr Glück mit jemandem zu teilen. Selbst<br />
dann: Klopfen Sie nicht! Nicht an diese Tür. Egal. Egal was auch<br />
passiert. Hast du mich verstanden, Schätzchen?!<br />
ccc) Und was sagen die Nachbarn?<br />
168<br />
(Melvin Udall)<br />
Einen ganz klaren Sonderfall bildet der anarchistische Beitrag des Honk<br />
zur Erhaltung bestmöglicher Nachbarschaft. Das ist so eine Art<br />
Mischform von Honk-Anarchie zum Eigenwohl und Honk-Anarchie<br />
zum Gemeinwohl, dürfte klar sein. Ab und zu sehe ich mir den einen<br />
oder anderen Bericht im Aso-TV an. Beispielsweise schalte ich immer<br />
dann besonders gern ein, wenn es eine Reportage zum Thema<br />
Nachbarschaftsstreit gibt. Oder vielmehr Nachbarschaftskrieg. Da wird<br />
ja richtig scharf geschossen. Mit ganz harten Bandagen wird da<br />
gekämpft. Sowas sehe ich mir sehr gern an. Aber auch nur, um mich<br />
dabei pausenlos kopfschüttelnd selbst laut fragen zu können, wie<br />
abgrundtief dämlich manche Leute denn noch werden können. Heftig.<br />
Nachbarschaftsstreit zeigt Dir stets neue Grenzen schwerstmöglicher<br />
Imbezillität auf. Du denkst, Du hast alles gesehen, und dann das.
Was kommt noch?! Möchte man laut aufschreien. Was kommt noch?!<br />
Aber man tut es nicht. Man schreit nicht. Ist auch besser so. Weil die<br />
Grenzen der Debilität nämlich beinahe täglich neu ausgelotet werden.<br />
Man wäre nur noch am Schreien, den ganzen Tag lang. Am Ende würde<br />
man noch heiser, denn kein Kehlkopf kann sowas auf Dauer aushalten.<br />
Also läßt man die Quäkerei lieber bleiben und schaltet auf cerebralen<br />
Durchzug. Ist die beste Lösung, ändert ja doch nichts.<br />
Was noch kommt, kann hier mal ganz kurz und knapp und off-topic<br />
erörtert werden. Noch bevor wir auf unsere Nachbarschaftsthematik<br />
eingehen. Und auch nur deshalb, weil ich fast sterben mußte. Ja, sehr<br />
richtig, ich hätte fast totgehen müssen. Zack, aus, vorbei. Denn der<br />
Wahnsinn nahm wieder einmal Gestalt an. Wie so oft. Die nächste<br />
Runde Gehirnamputation im Aso-TV wurde eingeläutet. Und mich hat<br />
es völlig unvorbereitet erwischt: Ich war nüchtern! Ganz, ganz nüchtern.<br />
0,0 Promille! Auweia! Fast wäre ich abgenibbelt, fast hätte es mich<br />
bzw. mein armes, kleines, geschundenes Hirn zerschossen. Denn damit<br />
haben sie im Aso-TV mal wieder den sprichwörtlichen Vogel<br />
abgeschossen. Keine Ahnung, wann die Scheiße lief, irgendwann<br />
Sommer 2009 oder so. Egal. Hier, zack:<br />
20.15 Uhr, RTL, Erwachsen auf Probe.<br />
O-Ton TV Digital: 8-tlg. Reihe, Dtl. 09. Ein einmaliges Experiment:<br />
Vier Teenagerpärchen mit Kinderwunsch testen das „wahre“ Leben. In<br />
einem vierwöchigen Crashkurs können die Jugendlichen zwischen 16<br />
und 18 Jahren beweisen, ob sie reif sind für den härtesten Job der Welt:<br />
Verantwortung tragen für ein Baby. Dazu bezieht jedes Paar ein eigenes<br />
Haus und organisiert zunächst einmal den Familienalltag, rund um die<br />
Uhr beobachtet von Kameras. Expertin und Moderatorin: Dr. Katja<br />
Kessler.<br />
Na, ist das mal ein sehr sinnvolles Experiment?! Aber hallo! Und wie!<br />
Ein unglaublich spannendes, authentisch-seriöses und überhaupt nicht<br />
hanebüchenes Experiment. Hut ab, Stößchen! Überhaupt ist die ganze<br />
Konstellation, die uns unser geliebtes Aso-TV hier in seiner schier<br />
unendlichen Vielfalt mal wieder serviert, schlichtweg genial. Geradezu<br />
monumental. Epochal. Mir fehlen ganz einfach die Worte.<br />
169
Denn bei diesem neuen TV-Format stimmt einfach alles. Von der<br />
brisanten Thematik bis hin zu den kongenialen Protagonisten bzw.<br />
vielmehr geistigen Statuten. Gekrönt von einer besonders smarten,<br />
impertinent souveränen und sogar promovierten Moderatorin, die<br />
zugleich auch die Expertin darstellt. Ist das zu fassen?! Frau Dr. Katja<br />
Kessler. Amazing. Selten hat man so eine multi-taskend-promovierte<br />
Moderations-Expertin gesehen. Also Doktorin, Moderatorin und<br />
Expertin in einer Person. In einer Person! Wie amazing ist das denn nun<br />
wieder?! Und das war mir bislang auch völlig entgangen. Ich dachte<br />
immer, Frau Dr. Kessler sei C-Promi-Klatschtante und BILD-Tippse.<br />
Nun gut, so kann man sich täuschen, ich ziehe meinen Hut.<br />
Jedenfalls ist unsere moderierende Expertin promoviert. Exciting.<br />
Doktor-Titel in Zahnmedizin. In Zahnmedizin! Das muß man sich jetzt<br />
mal vorstellen. Zahnmedizin. Also wenn überhaupt einer so ein<br />
endgeiles neues Format moderieren kann, dann ja wohl ein Zahnarzt,<br />
abfeier! Wer denn wohl sonst?! Kann dann auch gleich mal bei den<br />
ganzen Asis, die da mit den Kindern rumhampeln, ins Maul gucken.<br />
Dann hätte die ganze Scheiße wenigstens einen gewissen Sinn. Denn<br />
wie jeder weiß, nimmt es die ein oder andere kleine Zahnfee aus dem<br />
entsprechenden Milieu nicht ganz so genau mit Zahnpflege und<br />
Mundhygiene. Bah. Früher oder später muß da dann mal ein Zahnarzt<br />
aktiv werden, aber radikal aktiv. Maul auf, die schwarzen Stumpen da<br />
ab und paar Kronen drauf, zack, geht doch. Aber mal dahingestellt.<br />
Frau Kessler ist also mindestens so geil, wie das ganze Format eh schon<br />
ist. Mindestens. Wenn nicht noch eine Spur geiler. Und das völlig ohne<br />
Overselling, alles ganz natürlich. Erst Zahnmedizin, dann Klatschtante,<br />
dann BILD-Chef heiraten. Und jetzt auch noch das geilste TV-Format<br />
auf der ganzen Welt. Glückwunsch. Und Stößchen, auf jeden Fall<br />
Stößchen. Was kommt noch?! Geht es denn nicht noch ein bißchen<br />
skurriler? Bibo aus der Sesamstraße -voll besoffen und auf Crack-<br />
schlägt Brad Pitt zusammen, heiratet Angelina Jolie und gewinnt<br />
anschließend das Wimbledon-Finale 2012 in Afghanistan gegen Hulk<br />
Hogan?! Gut möglich. Ziemlich wahrscheinlich sogar. Fragen sich<br />
manche Leute in einer ruhigen Stunde eigentlich nicht irgendwann mal<br />
selbst, ob das eigene Leben eventuell irgendwie etwas komisch geraten<br />
sein könnte?! Scheinbar nicht.<br />
170
Egal. Auf jeden Fall also alles total geil. Geil, geil, geil. Sehr geil,<br />
obergeil, endgeil. Schade nur, daß die ganze Teenager-Kinderwunsch-<br />
Thematik für mich knapp 20 Jahre zu spät kommt. Ich bin heute 35<br />
Jahre alt, und natürlich hatte auch ich damals eigene Kinderwünsche.<br />
Das ging bei mir los, als ich so 14, vielleicht 15 Jahre alt war. Genau<br />
wie die meisten meiner Altergenossen. Bei den Frühreifen so mit 12,<br />
bei den Spätzündern erst mit 17. Aber eines vereinte uns in dieser<br />
schönen Jugendzeit: Kaum ging es los mit der Fickerei, schon wollten<br />
wir alle selbst ein Blag in die Welt setzen. Na klar, was denn sonst?!<br />
Wenn jemand für ein Kind sorgen kann, dann doch wohl ein Teenager.<br />
Geistig voll ausgereift, finanziell unabhängig und mit einer<br />
Lebenserfahrung gesegnet, daß einem die Haare zu Berge stehen.<br />
Auf der anderen Seite muß man fairerweise entgegnen, daß die<br />
Protagonistinnen und Protagonisten dieser endgeilen Sendung wohl eh<br />
nie mit einer nennenswerten geistigen Reife gesegnet sein werden.<br />
Siemens-Aufsichtsrat wird wohl für die meisten eher ein Traum bleiben.<br />
Von daher ist es eigentlich scheißegal, ob sie mit 14 oder mit 40 ihre<br />
fünf bis zehn Kinder in die Welt schießen. Und finanzielle<br />
Unabhängigkeit sollte eigentlich auch das kleinste Problem sein.<br />
Sponsored by Peter Hartz, Onkel Peter, na klar, was denn sonst?! Onkel<br />
Peter hat`s bisher ermöglicht, und mit fünf bis zehn Blagen wird Onkel<br />
Peter das auch zukünftig ausreichend sponsoren. So soll es sein, so muß<br />
es sein, Stößchen. Ein Stößchen auf Onkel Peter!<br />
Ich kann mich noch an mein erstes Mal erinnern, als wäre es gestern<br />
gewesen. Ich war 14, meine Süße auch, und Mann, war die heiß!<br />
Heiliger Bimbam! Inklusive Vorspiel dauerte der Spaß vielleicht drei<br />
Minuten, was dann wohl größtenteils an mir gelegen haben dürfte.<br />
Okay, es lag nur an mir. Was mir damals jedoch viel schlimmer als<br />
mein frühes Ejakulieren auf der Seele brannte, war die Gewißheit, daß<br />
ich mein ganzes Pulver ins Leere verschossen hatte. Zack. Puff.<br />
Beziehungsweise in ein Kondom. Das machte mir zu schaffen. Denn<br />
schließlich motivierte mich außer einem eindringlichen Kinderwunsch<br />
ansonsten absolut rein gar nichts zum Vögeln. Überhaupt nichts. Was<br />
denn wohl auch?! Die 30 Sekunden Rein-Raus-Spielchen machten mich<br />
eher nachdenklich, ob das denn schon alles gewesen sein könne. Sogar<br />
verstimmt, ja depressiv, nachdem meine Süße mir damals dann<br />
171
irgendwann offenbarte, daß sie einen Neuen kennengelernt habe, der<br />
nicht nur fünf Jahre älter sei, sondern es ferner viel länger und ansonsten<br />
auch eh viel besser könne als ich. Das war vielleicht mal eine<br />
Überraschung. Mein lieber Mann. Man könnte ohne Übertreibung<br />
sagen, daß ich damals fast aus allen Wolken gefallen wäre. Da wäre es<br />
fast aus gewesen mit meinem Kinderwunsch. Aber auch nur fast.<br />
Denn so sieht`s nunmal aus. Ein eigenes Kind. Das Grundbedürfnis<br />
jedes Sozi-Teenies mit gravierender eigen-familiär geprägter und<br />
sozialbedingter Verhaltenstörung. Was liegt da näher? Nichts! Und<br />
deshalb sinnvollerweise ein eigenes Kind, herzlichen Glückwunsch.<br />
Keine Perspektive, keine Maloche, nichts in der hohlen Birne, also<br />
eigenes Kind. Die einzig logische Konsequenz. Drängt sich ja geradezu<br />
auf. Onkel Peter macht das schon. Peterchen! Wie immer. Und den Rest<br />
steuern die vom Aso-TV bei, man kennt sich ja. Denn da bei unseren<br />
frühreifen Vorzeige-Teenies wie bei allen Vollidioten chronischer<br />
Geldmangel angesagt ist, verkauft man den horrenden geistigen<br />
Dünnschiß für schätzungsweise 5.000 Euro ans Aso-TV, welches im<br />
konkreten Fall mit RTL einen der denkbar dankbarsten Kunden<br />
darstellt. Na klar, eine Hand wäscht die andere, geht doch.<br />
Was mich in diesem Fall so ein klein wenig verdutzt (aber auch nicht<br />
wirklich weiter wundert), ist der Umstand, daß man doch tatsächlich<br />
Eltern echter Babys gefunden hat, die für ein bißchen Kohle eben diese<br />
eigenen Baby hergeben, damit die Asi-Teenies im Aso-TV damit<br />
rumfummeln können. Hallo? Geht`s noch? Was seid Ihr den für<br />
Spacken?! Unfaßbar. Für einen geistig halbwegs normal situierten<br />
Menschen unvorstellbar. Undenkbar. Aber im Aso-TV nicht. Aso-TV<br />
macht`s möglich. Asis spielen mit Kindern anderer Asis im Aso-TV.<br />
Phantastisch. Man möchte laut auflachen, wenn es nicht so erbärmlich<br />
wäre. Zusammenfassend können wir also festhalten, daß sich unser<br />
Lieblings-Sender RTL mal wieder quer durch die Bank allerlei bunte<br />
Vorzeige-Asis zusammengekauft hat, um deren exorbitante geistige<br />
Unzulänglichkeiten unter Exhibitionieren wehrloser Babys anderer<br />
Vorzeige-Asis an ein Vollidioten-Publikum zu verkaufen. Also<br />
Business as usual, recht schönen Dank auch. Eine Mischung aus<br />
Frauentausch und Super-Nanny, genau das Richtige für das<br />
niveauverwöhnte RTL-Hauspublikum. Abfeier, Stößchen!<br />
172
Ohne Worte. Echt ohne Worte. Und vor allen Dingen auch eine total<br />
geile Perspektive für die Kinder. Geiler geht nicht mehr. Da können ja<br />
nur Atomphysiker und Nobelpreisträger draus werden. Jedenfalls bei<br />
diesen Eltern. Apropos Eltern, was erzählen solche Eltern ihren Kindern<br />
später einmal? Wenn sie dieses äußerst sinnvolle Experiment bestanden<br />
haben und nun munter und kompromißlos drauflos jucken können? Und<br />
das Kind dann irgendwann alt genug ist, um es vor die Glotze zu<br />
setzen? Da guck` ma in Fernseh, Calvin-Melvin, guck` ma schön da in<br />
Fernseh da, da ist Mama und Papa und mit ein anderes Kind, guck` mal<br />
in Fernseh da! Irgendwas in der Richtung wird es sein. Denn mit<br />
ziemlicher Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, daß die eh nicht<br />
wissen, was sie da überhaupt tun. Wissen die ja sonst auch nicht. Die<br />
freuen sich, daß sie ein bißchen Kohle für Kippen kriegen und in der<br />
Asi-Glotze zu sehen sind, schön im Spacken-Programm im Aso-TV.<br />
Und das ist auch gut und richtig und wichtig so, denn so muß es ja auch<br />
sein. Alles in allem also ein äußerst runde Sache, der neueste<br />
Geniestreich von RTL. Danke. Stößchen.<br />
Natürlich existieren zuhauf weitere Formate, bei denen man sich ständig<br />
fragen muß, wie bescheuert die Zielgruppe derer, die sich diesen<br />
Dünnschiß tagtäglich freiwillig reinzieht, eigentlich sein kann. So wurde<br />
beispielsweise gegen Mitte 2009 auf PRO7 ein Format ausgestrahlt, in<br />
welchem sie einen Kerl für die geisteskranke Tochter von Ralph Siegel<br />
suchten. Ja, ganz genau, einen Pseudo-Stecher für die hohle Nuß, Julia<br />
oder Giulia Siegel, Giulia in Love, was weiß ich. Ein entsprechendes<br />
Klapsmühlen-Casting wurde das dann auch. Kein normaler Mann will<br />
so eine freiwillig, jetzt echt nicht. Normale Männer hängen sich bei so<br />
einer Krähe ein Kreuz um und schmieren sich mit Knoblauch ein. Und<br />
sperren die Olle bei Vollmond in die Besenkammer oder wieder ab in<br />
Dschungel. Aber sowas?! Für normale Menschen nicht<br />
nachzuvollziehen. Oder hier, auch sehr geil: Auf VOX werden Friseure<br />
gecastet. Friseure! Phantastisch. Was kommt als nächstes? Besoffenen-<br />
Casting? Wer die höchste Promillezahl erreicht und nicht stirbt,<br />
bekommt einen Job als Lagerist bei Bacardi in Hamburg. Wäre nicht<br />
schlecht. Oder Junkie-Casting? Wer den fettesten Kopf rauchen kann,<br />
kriegt eine Praktikantenstelle beim Zoll in Holland. Auch ganz gut.<br />
Wobei mittlerweile völlig egal ist, was gecastet wird. Hauptsache, es<br />
wird überhaupt gecastet.<br />
173
Oder hier, Mission Hollywood, war auch toll: Til Schweiger hat<br />
irgendeine Hupfdohle gesucht, die dann der nächste große Star in<br />
Hollywood werden sollte. Aber natürlich, was denn sonst?! Denn wenn<br />
irgendwo Filmstars produziert werden, dann ja wohl hier in<br />
Deutschland. In einer deutschen Castingshow, na klar, wo denn wohl<br />
sonst?! Man denke da nur an Al Pacino, Jack Nicholson, Robert<br />
DeNiro, Tom Hanks. Oder bei den Damen. An Julia Roberts, Michelle<br />
Pfeiffer, Cameron Diaz und wie sie nicht alle heißen. Sie alle haben<br />
eines gemeinsam: Ohne Teilnahme an irgendeiner banal-beschissenen<br />
Castingshow wären sie heute alle nicht da, wo sie sind. Stößchen!<br />
Noch irgendjemand ungecastet hier? Was? Gibt`s doch nicht. Kein<br />
passendes Casting-Format gefunden? Das kann ja wohl nicht wahr<br />
sein?! Kannst nicht singen, tanzen, frisieren, rülpsen, furzen? Na dann<br />
kreieren wir ein neues Format! Deutschland sucht Germany`s next<br />
fieseste Hackfresse mit den schlechtesten Zähnen oder sowas. Ach nee,<br />
Shit, gab es ja schon. Hieß Extrem schön! Mein neues Leben oder so<br />
ähnlich und lief -na klar- auf RTL2. Selbstverständlich auf RTL2. Denn<br />
nur deren Zielpublikum kann man glaubhaft suggerieren, daß man mit<br />
ein paar Fettabsaugungen, Nasen-OPs, Plastik-Fingernägeln und<br />
mehreren Pfund Make-up einen Glöckner von Notre-Dame in eine<br />
Jennifer Lopez verwandeln kann. Geht alles, alles machbar, alles<br />
möglich. Insbesondere bei RTL2, bei denen geht einiges.<br />
Und solange irgendwo irgendeine Scheiß-Jury zusammengewürfelt<br />
werden kann, die sich impertinent-obergeil wichtig findet, während sie<br />
die banalste Scheiße auf der ganzen Welt zusammensülzt, wird der<br />
Wahnsinn eh nicht enden. Nicht enden können. Also was soll`s?! Ist<br />
vielleicht sogar ganz gut so. Der Wahnsinn darf nämlich gar nicht<br />
enden. Viele C- bis F-Promis wären sonst nämlich schlagartig<br />
arbeitslos, weil sie in keiner Jury mehr sitzen könnten. Auweia.<br />
Millionen Teenies müßten mit dem Saufen anfangen oder sogar mal ein<br />
Buch lesen. Undenkbar. Und Kate Hall hätte sich nicht vom dicken<br />
Detlef schwängern lassen müssen, damit sie bei Popstars ihr selten<br />
dummes Maul aufmachen darf. Ich leg` mich ab. Also bitte alle<br />
weitermachen wie bisher, Ihr seid total geil, ich liebe Euch alle. Wenn<br />
ich groß bin, will ich auch mal Jury werden, abfeier. Stößchen.<br />
174
Insoweit bin ich eigentlich nur ein bißchen neidisch. Weil ich noch nicht<br />
groß genug bin, um in einer Jury zu sitzen. Bin ich ein bißchen neidisch.<br />
Und auch, weil ich selbst noch nie gecastet wurde. Dabei würde ich so<br />
gern mal. Echt jetzt. Nur habe ich noch kein zu meiner Persönlichkeit<br />
passendes Casting-Format gefunden. Nichts gefunden bisher. Schade<br />
eigentlich. Aber es muß doch irgendein possierliches, kleines Kuschel-<br />
Format geben, das für mich und meine Fähigkeiten geeignet wäre. Ich<br />
möchte doch nur nicht länger ungecastet nur so vor mich hinleben. Hat<br />
denn keiner was für mich im Programm?! Hah?!<br />
Das Besoffenen-Casting habe ich ja schon probiert. Aber da war für<br />
mich nichts zu holen. Absolut nichts. Da bin ich nicht einmal in die<br />
Vorrunde gekommen, zum Heulen. Bei 2,2 Promille war bei mir<br />
nämlich Licht aus, Schicht im Schacht. Nicht den Hauch einer Chance<br />
gegen die ganzen krassen 12- bis 15-jährigen mit ihren gepimpten<br />
Hochleistungs-Lebern. Ab 3,0 Promille wäre man da erst in die<br />
Vorrunde gekommen, und das schaffe ich nicht. Da kann ich nicht mehr<br />
mithalten. Und dann muß man eben auch mal so fair und ehrlich zu sich<br />
selbst sein und aufstecken. Und den Kids einfach nur Tribut zollen für<br />
ihre Ausnahme-Leistungen. Hut ab! Stößchen.<br />
War also nichts mit dem Besoffenen-Casting. Schade. Ansonsten habe<br />
ich nichts weiter gefunden. Bin kein Friseur, kein Praktikant, auch kein<br />
Klepto- oder Pyromane. Kann nicht singen, nicht kellnern, nicht im Takt<br />
rülpsen oder furzen. Und für das Model-Business bin ich leider zu alt,<br />
sehr schade, wäre sonst was geworden. Bin leider auch kein<br />
unterbelichteter, psychisch-physisch leicht bis mittelschwer<br />
benachteiligter Teenager, sonst hätte ich mich bei U20 Deutschland ihm<br />
seine Teenies bewerben können. Also auch nicht. Aber was kann ich<br />
denn noch tun, was soll ich denn bloß machen?! Man müßte ein Format<br />
erfinden, an welchem ich dann auch mit guten Chancen auf einen<br />
Finalplatz teilnehmen könnte. Da würde ich mich so drüber freuen.<br />
Einmal Finale, ein Traum! Hurra! Vielleicht Deutschland sucht<br />
Germany`s next krassesten Typen. Das wäre doch mal was. Da würden<br />
dann solche Typen gecastet, die die krassesten, tollkühnsten,<br />
waghalsigsten und abenteuerlichsten Aktionen bringen. Och ja, das<br />
wäre was, das könnte ich mir vorstellen. Und da fallen mir spontan auch<br />
schon zwei, drei Aktionen ein, die ich bringen könnte.<br />
175
Allen voran das Fliegende Fahrrad. Ach ja, das gute alte Fliegende<br />
Fahrrad, das Flying Bike. Das hat bisher noch jeden vom Hocker<br />
gerissen, das ist zweifelsohne ein Garant für gute Laune. Und noch dazu<br />
kinderleicht durchzuführen. Grundlage ist -wie könnte es anders sein-<br />
Alkohol. Man tankt also zunächst auf ein submaximales Level auf, je<br />
nach Verfassung. Das ist extrem wichtig, ja geradezu elementar. Weil<br />
man ansonsten nämlich den Mut für die nun folgende Verfahrensweise<br />
nur schwer oder gar nicht aufbringen kann. Mit Alk zieht man es<br />
einfach konsequenter durch, wie so oft im Leben. Als nächstes nimmt<br />
man einen gewöhnlichen, handelsüblichen LSD-Trip (Miraculix 200<br />
oder vergleichbar) und halbiert diesen. Die eine Hälfte schluckt man<br />
sofort, die andere Hälfte halbiert man abermals und erhält somit zwei<br />
Viertel. Davon dann das ein Viertel ins rechte Auge, das andere ins<br />
linke Auge, Kontaktlinsen-Träger sind hierbei klar im Vorteil. Tja, und<br />
dann ab. Los. Ganz schnell los. Auf, auf und davon. Rauf auf`s Fahrrad,<br />
und im Eiltempo zum nächstgelegenen Autobahn-Zubringer geradelt.<br />
Wie der Wind. Denn bevor der LSD-Trip klingelt, sollten wir da sein.<br />
Weil wir ansonsten mit hoher Wahrscheinlichkeit nie dort ankommen<br />
werden. Idealerweise fängt es gerade genau dann an zu knistern, wenn<br />
wir am Zubringer angekommen sind.<br />
Der Rest ist eigentlich Formsache. Rauf mit dem Fahrrad auf die Bahn.<br />
Ja, ganz richtig, auf die Autobahn. Nicht Standstreifen oder so, sondern<br />
Mittelspur. Mal eben so richtig schön Mittelspur! Ach ja, und natürlich<br />
entgegen der Fahrtrichtung, sollte auch klar sein. Denn das macht<br />
Laune, insbesondere nachts. Schön nachts mittig die A7 Hannover<br />
Richtung Kassel runter. Das kommt gut. Immer schön radeln. Oder<br />
vielmehr gleiten. Fliegen. LSD macht`s möglich. Das Fliegende Fahrrad<br />
eben. Simpel und effektiv. Ein Publikumsmagnet, wie er im Buche<br />
steht. Im Strafgesetzbuch. Egal. Erfahrene Akteure können das<br />
Fliegende Fahrrad beliebig erweitern bzw. verfeinern. Insbesondere<br />
durch ein extravagantes Outfit. Eine grobe Schweißer-Brille sollte stets<br />
dabei sein. Sie bereichert das gesamte Outfit und wird durch die nach<br />
kurzer Zeit eintretende, schier unendliche LSD-Farbenvielfalt sowieso<br />
vonnöten sein. Ein sehr sinnvolles Gadget also. Grubenhelm mit<br />
Laterne kommt auch immer gut. Hat man gleich die Fahrbahn<br />
ausgeleuchtet, falls man nachts unterwegs ist. Biker Boots, Latex-<br />
Shorts, Pelzmantel und Lunten-Muskete erledigen den Rest.<br />
176
Ist das mal ein geiler Auftritt?! Ein geiler Auftritt, geiler Auftritt. Ein<br />
endgeiler Auftritt, zweifelsohne. Revolutionär. Das würde nicht nur<br />
Aso-TV und Opfer-TV revolutionieren, das wäre die Revolution<br />
schlechthin. Die Revolution des Verstandes. Also machen, machen,<br />
machen. Bietet Ihr mir ein erfolgsversprechendes Casting-Format an,<br />
dann mache ich Euch das Fliegende Fahrrad. Live und exklusiv! Und<br />
unzensiert, ganz klar. Wäre nicht das erste Mal. Darauf mein Wort.<br />
Leider wird es dazu so schnell nicht kommen. Vater Nachwächter<br />
würde vehement protestieren und unsere Casting-Aktion untersagen.<br />
Unser Fahrrad sicherstellen. Uns in Beugehaft nehmen. Alles tun, um<br />
unseren Casting-Erfolg zu verhindern. Den Traum vom großen Finale<br />
platzen zu lassen. Drauf geschissen. Das Publikum wäre eh noch nicht<br />
bereit für solch ein epochales Casting gewesen. Das würde nämlich glatt<br />
die Grenzen ihres kleinen Supermodel-Pornostar-Horizontes sprengen.<br />
Also legen wir den ganzen Mist zunächst einmal auf Eis. Zunächst.<br />
Denn das große Honk-Casting wird kommen, das ist so sicher wie das<br />
Amen in der Kirche. Es ist nur eine Frage der Zeit. Aber es wird<br />
kommen, kommen müssen. Und ich bin dabei!<br />
Okay, belassen wir es dabei. Soll erstmal reichen. Natürlich können wir<br />
nicht die ganze schwachsinnige Thematik erschöpfend erörtern. Geht<br />
nicht, damit könnte man ganze Bibliotheken füllen. Nichts ist<br />
unendlicher als die menschliche Dummheit. Und damit wären wir auch<br />
wieder beim Thema: Nachbarschaftskrieg. Oder die brennende Frage,<br />
ob einige hirnverbrannte Leute zuviel Langeweile haben.<br />
Ohne es allzu pompös ausschmücken zu wollen: Der Sachverhalt ist<br />
meist ähnlich banal wie einfältig. Ein paar überhängende Äste, ein<br />
stinkender Holzofen, ein Grill, ein kläffender Köter, irgendwelche<br />
Wege- oder Grenzrechte, was auch immer. Belangloser Scheißdreck<br />
eben. Aber nicht für die Nachbarn. Die kämpfen, als stände der Tag des<br />
Jüngsten Gerichts bevor. Die füllen Aktenordner voll mit<br />
Beweismitteln, dokumentieren dummes Zeug per Camcorder, klagen<br />
sich von einer Instanz in die nächste. Komplett schizophren. Das geht<br />
nur, wenn man zuviel Langeweile hat. Daher sind es oft Rentner oder<br />
Frührentner, die da aneinander geraten. Ist keine Diskriminierung, ist<br />
Fakt. Kann jeder beim Statistischen Bundesamt nachlesen.<br />
177
Angeheizt durch diverse talentfreie, drittklassige Anwälte mit<br />
mangelndem Auftragseingang, wird auf Teufel komm heraus geklagt,<br />
was zu klagen geht. Zack! Wenn man schon die blöden 150 Euro<br />
Selbstbeteiligung für die Rechtsschutzversicherung löhnen muß, dann<br />
will man auch was davon haben, ganz klar. Aber warum? Warum nur?<br />
Wozu der ganze Aufwand, der ganze Ärger? Das ganze Theater?<br />
Warum nur? Keine Frage, neben Langeweile und Einfältigkeit gibt es<br />
einen weiteren, höchst ausschlaggebenden Grund:<br />
Dein ganzes Leben ist so beschissen fremdbestimmt, daß Du Dir nicht<br />
auch noch in Deinen eigenen vier Wänden oder gar im eigenen Haus<br />
und Garten Vorschriften machen läßt. Denn hier bist Du der Boss! Und<br />
sonst niemand. Schon gar nicht der Arsch von nebenan. Unter gar<br />
keinen Umständen. Verschleppte Gefühle wie Zorn, Mißgunst, Haß,<br />
Neid und dergleichen werden auf den Nachbarn projiziert. Weil man sie<br />
dort, wo sie entstehen (z. B. auf der Arbeit) aus Angst vor negativen<br />
Konsequenzen nicht aussprechen oder gar verarbeiten kann. So einfach<br />
ist das. Ganz einfache Kiste, alles kein Hexenwerk. Deswegen der<br />
Scheiß-Nachbar. Was will der mir denn schon können? Der kann mir<br />
gar nichts! Der kann mich mal voll am Arsch lecken. Dem bin ich klar<br />
überlegen. Haushoch. Und der ist so unverfroren, sich dieses oder jenes<br />
zu wagen. Ungeheuerlich! Der kann sich auf was gefaßt machen. Der<br />
kriegt nun den kompletten aufgestauten Haß zu spüren. Wegen<br />
irgendeiner banalen Kacke. Völlig egal. Voll drauf.<br />
Zack! Und wenn dann auf der Gegenseite noch ein ähnlich gestrickter<br />
Wirrkopf sitzt, haben Gerichte und Anwälte neue Lebensaufgaben.<br />
Dann geht die Post richtig ab, mein lieber Mann. Dann kommen die<br />
Jungs mal so richtig aus sich raus. Kampf! Haß! Krieg! Irgendeiner muß<br />
denen mal sagen, daß ambulante oder stationäre Psychotherapie<br />
erheblich sinnvoller wäre als Kleinkrieg im Gerichtssaal. Oder auch<br />
nicht. Nützt eh nichts. Psychotherapien sind derzeit noch ausgebuchter<br />
als Gerichtssäle, Tendenz steigend. Kein Wunder, wenn man bedenkt,<br />
daß in unserer Gesellschaft heute mittlerweile gut acht von zehn Leuten<br />
einen mehr oder weniger exorbitanten Sprung in der Schüssel haben.<br />
Dann sind das keine so rosigen Aussichten. Bis unsere beiden<br />
Streithähne dann einen Therapieplatz in Anspruch nehmen können,<br />
haben sie sich längst gegenseitig irgendwas angetan.<br />
178
Ja phantastisch, denn genau das ist die Lösung: Sich gegenseitig etwas<br />
antun! So läuft das im Honkland ab. Im Honkland gibt es die oben<br />
aufgezählten Albernheiten nicht. Zeit- und Energieverschwendung.<br />
Kaspertheater. Dummschwätzerei. Nein, im Honkland wird ein<br />
klassischer Nachbarschaftsstreit ebenso klassisch geschlichtet: Bevor es<br />
zu einer Eskalation kommen kann, werden die Streitigkeiten in einem<br />
fairen Faustkampf beigelegt. In einem fairen Faustkampf! Der Sieger<br />
des Kampfes darf dann zusammen mit einem Schlichter über die weitere<br />
Vorgehensweise bestimmen. Konkret bedeutet das: Wenn mein Nachbar<br />
Probleme damit hat, daß Äste von meinem Grundstück seiner Meinung<br />
nach zu weit in seinen Garten hängen, dann muß er mir das mitteilen.<br />
Diese Mitteilung ist noch nicht als Offerte, sondern vielmehr als<br />
Invitatio ad offerendum zu verstehen.<br />
Im Klartext: Mein Nachbar lädt mich nun quasi via Invitatio ad<br />
offerendum ein, zu dem reklamierten Sachverhalt eine Stellungnahme<br />
abzugeben oder ihm stattdessen die Offerte zum Faustkampf zu<br />
unterbreiten. Eines von beiden. Ich bin nun also am Zug und kann mich<br />
entweder dazu äußern oder stillschweigend die Scheiß-Äste absägen.<br />
Oder aber ihm den Faustkampf anbieten. Geht auch. Meist läuft es bei<br />
mir dann auch auf zuletzt genannte Alternative hinaus. Eigentlich<br />
immer. Und das ist auch gut so, das klärt grundlegend.<br />
Es ist nun nicht so, daß die Offerte zum Faustkampf explizit artikuliert<br />
werden muß. Ich muß also nicht zwingend notwendig zu meinem<br />
Nachbarn gehen und ihn darüber unterrichten, daß von meiner Seite aus<br />
jetzt Fightclub angesagt ist. Denn oftmals ist in diesem kritischen<br />
Stadium die Kommunikationsebene bereits leicht bis mittelschwer<br />
gestört. Nein, verbales Artikulieren muß nicht zwangsläufig sein.<br />
Vielmehr kann ich meine Offerte zum Faustkampf auch durch<br />
konkludentes Handeln an ihn herantragen. Möglichkeiten hierfür gibt es<br />
viele. Beispielsweise kann ich ein großes Plakat mit der Aufschrift<br />
Komm` rüber, Du Sau, jetzt geht`s scharf!<br />
aus meinem Fenster in Richtung seines Hauses hängen. Das ist meist<br />
der ehrlichste und direkteste Weg. Unmißverständlich. Da bleiben keine<br />
Fragen mehr offen, soviel steht mal fest.<br />
179
Direkt wäre beispielsweise auch noch der sagenumwobene Fehden-<br />
Handschuh. Einfach rübergehen und klatsch. Eine geklatscht mit<br />
irgendeinem Handschuh oder Klatsch-Gadget, zack, und er weiß auch<br />
Bescheid. Kann man auch machen, geht auch. Es geht aber auch über<br />
diverse Umwege. Beispielsweise kann man auch immer etwas aus<br />
Nachbars Vorgarten anzünden. Paar Gartenzwerge mit Benzin versehen,<br />
einziehen lassen, Streichholz drauf, fertig. Auch ganz klare Offerte, sehr<br />
symbolträchtig. Oder einen Strauch, ordentlich Benzin drüber,<br />
einsickern lassen, dann brennt der auch ganz gut.<br />
Unsere eigene Belustigung darf beim Antragen unserer Offerte also<br />
keinesfalls zu kurz kommen. Ziemlich witzig ist auch immer der<br />
Stumme Hund: Einfach ein Mars oder Snickers mit Sekundenkleber<br />
befüllen und zu Nachbars Fifi in den Garten rüberwerfen. Ist auch ganz<br />
lustig. Und insbesondere dann angebracht, wenn das so ein mieser,<br />
kleiner Dreckskläffer ist. Dann wissen beide, Nachbar und Kläffer, daß<br />
wir zu allem entschlossen sind und notfalls auch bis zum Äußersten<br />
gehen. Denn normalerweise würden wir den Stummen Hund sonst<br />
niemals bringen: Als Honk sind wir nämlich sehr tierlieb.<br />
Nun ist unser Nachbar am Zug. Er kann frei entscheiden, ob er unsere<br />
Offerte annimmt oder lieber ablehnt. Lehnt er ab, erlischt sein<br />
zugrundeliegendes Begehr ex tunc. Soll heißen, meine Äste bleiben, wo<br />
sie sind, und wir stehen so, als hätte mein Nachbar niemals etwas<br />
reklamiert. Eine runde, harmonische Lösung. Nimmt er an, kommt es<br />
zum Kampf. Wobei die Annahme ebenfalls nicht explizit verbal<br />
artikuliert werden muß, sondern auch konkludent ausgedrückt werden<br />
kann. Beispielsweise mit einem Gegen-Plakat. Soll heißen, mein<br />
Nachbar hängt nun ebenfalls ein Plakat mit der Aufschrift<br />
Das sollst Du mir büßen, Du selten dummes Schwein!<br />
aus seinem Fenster in Richtung meines Hauses. So oder ähnlich. Ist<br />
auch völlig unmißverständlich. Und abermals sehr ehrlich und direkt.<br />
Vor solch einem Nachbarn kann man dann nur den Hut ziehen, denn er<br />
hat Mut. Und Mut und Entschlossenheit sind Tugenden, die der Honk<br />
befürwortet. Sie stehen im Honkland ganz oben auf der Liste.<br />
180
Es kommt nun also zum Unvermeidlichen, es kommt zum alles<br />
entscheidenden Faustkampf. So soll es also sein. Austragungsort ist<br />
einer der beiden Gärten, Ringrichter kann ein außenstehender,<br />
unparteiischer Nachbar sein. Dieser ist zugleich auch Schlichter. Und<br />
das ist er auch sehr gern, und das ist auch gut so. Denn auch er freut sich<br />
schon darauf, daß der unnötige Streit gleich beigelegt ist und natürlich<br />
auch auf den anstehenden Boxkampf. Je nach Lust und Laune kann der<br />
Kampf auch publik gemacht werden und für die Öffentlichkeit frei<br />
zugänglich. Also mit Publikum und Fans und so. Ein regelrechtes Event<br />
kann man daraus machen. Allerdings nur, wenn beide Kontrahenten<br />
zustimmen, das muß klar sein.<br />
Das Spektakel an sich ist dann meist ziemlich schnell vorbei. Nach ein<br />
bißchen Tänzelei, ein paar Kraftausdrücken und zwei, drei Schlägen in<br />
die Fresse bricht einer der Kontrahenten den Kampf meist vorzeitig ab<br />
und gibt auf. Denn die Schmerzen im Gesicht verdeutlichen einem meist<br />
ziemlich abrupt, wie absurd die ganze Streit-Thematik dann doch ist.<br />
Wegen ein paar bescheuerter Äste poliert man sich jetzt gegenseitig die<br />
Fresse. Fast wäre man sogar vor Gericht gezogen, heiliger Bimbam.<br />
Diese Erkenntnis kommt dann meist sehr plötzlich und breitet sich -<br />
zusammen mit dem ausströmenden Adrenalin- angenehm erquickend<br />
und einsichtig im ganzen Körper aus.<br />
Versteht sich von selbst, daß die ganze Geschichte dann mit einer<br />
herzlichen Umarmung, einem gemeinsamen Bier und einem für beide<br />
Seiten akzeptablen Kompromiß, für den es nicht einmal mehr den<br />
schwulen Schlichter braucht, ein befriedigendes Ende findet. Und so<br />
soll es auch sein. So muß es sein! Honk-Anarchie zum eigenen Wohl<br />
und zum Wohle der Nachbarschaft. Halleluja! Das absolute Non-plusultra<br />
der modernen Konfliktbewältigung. Besser geht nicht. Da können<br />
einem die Schnarchnasen schon Leid tun, die jahrelang Zeit, Geld und<br />
Nerven verschwenden, indem sie die Kacke juristisch regeln wollen.<br />
Und hinterher dann trotzdem unerfüllt und unbefriedigt sind, obwohl sie<br />
vor Gericht gewonnen haben. Tja, große Scheiße, was?! Dumm<br />
gelaufen. Aber die Pfeifen, die das so durchziehen, sehen das natürlich<br />
ganz anders. Die machen sich da so eine Art Hobby und Lifestyle draus.<br />
Ein teures Hobby, sehr teuer, eigentlich das denkbar teuerste Hobby.<br />
Denn es verschwendet das Leben. Ganz, ganz übel.<br />
181
Honk-Anarchie dagegen ist Leben pur. Immer dann, wenn zwei<br />
Individuen sich einig und auch bereit sind, einen Konflikt lieber<br />
außerhalb des gesetzlichen Rahmens klären zu wollen, sollten sie das<br />
auch unbedingt tun. Ist sehr empfehlenswert. Und damit meine ich nicht<br />
Lichthupe oder ähnlichen Dreck. Also wenn ich in der 100-Zone einen<br />
anderen mit 220 überhole, und der dann meint, mich mit Lichthupen<br />
maßregeln zu müssen. Das ist Bullshit. Spätestens dann, wenn ich an<br />
der nächsten roten Ampel aussteige, zu seinem Wagen gehe und ihn<br />
frage, was das denn sollte, pißt er voll in die Hose. Voll rein. In 99%<br />
aller Fälle. Nein, sowas ist keine Honk-Anarchie. Das ist traurige<br />
Dummheit im vermeintlichen, anonymen Schutzschild eines<br />
Kraftfahrzeuges. Das kann ganz schnell böse nach hinten losgehen. Und<br />
das wollen wir ja nicht. Also bitte kein Lichthupen. Lichthupen ist<br />
unkontrolliertes Freilassen plumper Emotionen und kann beim<br />
Empfänger Unverständnis auslösen, welches schlimmstenfalls mit<br />
weiteren Emotionen und sogar Aggressionen einhergehen kann. Und an<br />
der roten Ampel, wenn der Schutzschild des Autos nicht mehr wirkt,<br />
geht es dem Lichthuper dann noch schlechter. Psychisch, klar, denn er<br />
hat jetzt Angst. Und mit viel Pech auch physisch, weil wir ihm durch<br />
das Seitenfenster in die Fresse hauen. Und das möchten wir doch<br />
eigentlich nicht. Wir möchten als eigenständige Individuen möglichst<br />
gewaltfrei zusammenleben. Wenn Honk-Anarchie, dann richtig. Dann<br />
nur mit Mut und Entschlossenheit, nicht mit Lichthupe.<br />
So werden Nachbarschaftskämpfe geklärt. Nicht anders. Fightclub. Der<br />
anarchistische Beitrag des Honk zur Erhaltung bestmöglicher<br />
Nachbarschaft. Und bestmögliche Nachbarschaft verpflichtet! Ganz<br />
uneigennützig. Beispielsweise, wenn Nachbar im Urlaub ist. Dann muß<br />
man als Honk schön Nachbars Blümchen gießen, und das tut man auch<br />
sehr gern. Oder den Briefkasten leeren, wenn er voll ist. Auch kein<br />
Thema. Oder wenn man nachts Taschenlampen in Nachbars Haus<br />
leuchten sieht, obwohl Nachbar selbst eigentlich zwei Wochen auf<br />
Teneriffa ist. Dann klärt man als bestmöglicher Nachbarschafts-Honk<br />
auch diese Situation im nachbarlichen Haus. Und zwar nicht anders, als<br />
man die Situation im eigenen Haus klären würde: Man ruft die regionale<br />
Polizei an! Okay, kleines Späßchen. Keinesfalls. Bis die aus dem Mc-<br />
Drive draußen sind und Blaulicht an haben, wird Nachbars schöner<br />
106er Plasma auf dem polnischen Flohmarkt verhökert.<br />
182
Nein, natürlich rufen wir nicht die Polizei. Auf keinsten Fall. Das tun<br />
wir nie, nie wieder. Weil es kein Sinn macht, nichts nützt, wie wir ja<br />
bereits ausgiebig erörtert haben. Nein, wir sehen uns nun gezwungen, in<br />
bester Honk-Manier eigenständig anarchistisch selbst aktiv zu werden.<br />
Ein ganz klarer Fall. Glasklar, klarer geht nicht. Also schön mit unserem<br />
AK-47-Gasdrucklader zum Nachbarhaus rübergehen und der nun für<br />
alle Beteiligten dann doch ziemlich unangenehm gewordenen Situation<br />
schnellstmöglich Herr werden.<br />
Selbstverständlich dürfte sich die Gesamtsituation dann innerhalb<br />
kürzester Zeit deutlich entspannen, was größtenteils Verdienst des<br />
imposanten Erscheinungsbildes unseres AK-47-Gasdruckladers sein<br />
dürfte. Nichts klärt Besitz- und Eigentumsverhältnisse besser als ein<br />
gutes, altes AK-47. Versteht sich von selbst, daß man die Jungens, die<br />
sich dort im Nachbarhaus unbefugten Zutritt verschafft haben, nach<br />
einer strengen Ermahnung wieder laufen lassen muß. Natürlich erst,<br />
nachdem sie den Schaden, den sie angerichtet haben, mal eben noch<br />
schnell in bar bezahlt haben. Die Schadenshöhe liegt im Ermessen des<br />
Honk und wird grob geschätzt. Eher aber zu viel als zu wenig.<br />
Tja, und das war`s dann auch schon. Zack, ab dafür. Die kommen nie<br />
wieder. Niemals. Das hat abgeschreckt. Ganz krass. Die kommen nicht<br />
einmal mehr in dasselbe Bundesland, so viel ist sicher. Ein<br />
generalpräventiver Beitrag unseres Honk zu einer sicheren und<br />
friedlichen Nachbarschaft. Und den Spitzbuben wird es auch eine Lehre<br />
gewesen sein. Alternative Handlungsweisen haben wir leider nicht.<br />
Oder Gott sei Dank nicht. Denn hätten wir die Grün-Weißen gerufen,<br />
wäre die ganze Situation komplett aus dem Ruder gelaufen. Eskaliert.<br />
Die hätten uns wahrscheinlich noch verhaftet, unbefugter Waffenbesitz<br />
oder so ein Quatsch. Und die kleinen Ganoven hätten sie laufen lassen.<br />
Alles möglich, alles denkbar. Falls unsere Grün-Weißen denn überhaupt<br />
rausgekommen wären. Denn immerhin hätten sie ja nur unser schönes<br />
AK-47 sicherstellen können, nicht aber unseren Führerschein.<br />
Ich glaube, die wären gar nicht rausgekommen...<br />
183
Nimm einen kleinen Schuß Anarchie. Bring` die althergebrachte<br />
Ordnung aus dem Gleichgewicht. Und was entsteht? Chaos! Ich bin das<br />
Chaos. Und weißt Du, was Chaos eigentlich ist?! Es ist fair.<br />
cc) Ergebnis<br />
184<br />
(The Joker)<br />
Somit haben wir unseren Honk als eine Art partiellen Anarchisten<br />
charakterisiert. Partiell deshalb, weil unser Honk kein reiner Anarchist<br />
oder gar ein krimineller Chaot ist. Sein Leben ist nicht durch eine<br />
anarchistische, politische Grundhaltung geprägt, sondern vielmehr<br />
durch selektive Verhaltens- und Handlungsmuster, welche vereinzelt<br />
anarchistischen Charakter aufweisen können.<br />
Grundsätzlich lebt der Honk gewaltfrei und hält sich an Gesetz und<br />
Rechtsprechung. Parallel oder vielmehr konkurrierend dazu verfügt er<br />
allerdings über einen überdurchschnittlich hohen Anspruch an Moral<br />
und Ethik, gegenüber sich selbst und gegenüber anderen. Das kann<br />
schlimmstenfalls dazu führen, daß sich unser Honk mit einer Situation<br />
konfrontiert sieht, in der er zwar gern gewaltfrei und gesetzestreu<br />
reagieren möchte, es aber aufgrund seiner hohen ethisch-moralischen<br />
Grundsätze und Wertvorstellungen nicht kann.<br />
Gesetzmäßiges Handeln kann demnach im Zweifelsfall nur dann in<br />
Betracht gezogen und als ausreichend erachtet werden, wenn es dem<br />
zugegebenermaßen recht hohen Ethik- und Moralkodex des Honk<br />
genügt. Dann -und nur dann- kann gesetzmäßig gehandelt werden.<br />
Genügen die gesetzlichen Regularien dem Kodex des Honk nicht oder<br />
nur in unzureichendem Ausmaß, muß er eigennützig oder uneigennützig<br />
anarchistisch aktiv werden. Also zum eigenen Wohl oder zum Wohle<br />
der Allgemeinheit. Dies wurde dann auch anhand diverser Praxis-<br />
Beispiele veranschaulicht:
Wir hatten Gewalt gegen Schwächere, die der Honk nicht tolerieren<br />
kann. Wir hatten Gewalt gegen Tiere, gegen Tiere aller Art, die vom<br />
Honk sehr scharf verurteilt und sanktioniert wird. Und wir hatten<br />
Karlsson vom Dach. Karlsson vom Dach mit der extra großen Fresse,<br />
bettelnd um ein Gummi-Geschoß in dieselbe. Leider hat ihm keiner<br />
diesen Wunsch erfüllen können, da ganz offensichtlich kein Honk<br />
anwesend war unter den versammelten Flachzangen. Das alles waren<br />
Fälle uneigennütziger Honk-Anarchie, also Honk-Anarchie zum Wohle<br />
der Allgemeinheit. Daß diverse Asi-Medien ihren Teil zu den<br />
beschriebenen Mißständen beitragen, mußten wir dann leider auch<br />
feststellen. Naja, und fatalerweise auch noch, daß die größte Scheiße in<br />
unseren eigenen Köpfen gammelt. Das war die Krönung.<br />
Ferner konnten wir eigennützige Honk-Anarchie analysieren, also<br />
Honk-Anarchie zum Wohle des Honk. Wir konnten eruieren, daß das<br />
gar nicht so anrüchig ist, wie manch einer denkt. Wir hatten in diesem<br />
Zusammenhang die gestohlene Brieftasche und die Grün-Weißen im<br />
McDrive. Phantastisch. Wir hatten den krassen Heizöl-190er und die<br />
jaulenden Fremdopfer. Auch nicht übel. Und endlich hatten wir<br />
Faustkampf und Gasdrucklader in der Nachbarschaft. Rock`n`Roll,<br />
Baby! Allesamt also Fälle, in denen uns Nachtwächter Staat im Stich<br />
ließ und wir deshalb eigennützig anarchistisch aktiv werden mußten.<br />
Weil wir sonst echt voll am Arsch gewesen wären.<br />
Im Gesamtkontext können wir spätestens jetzt feststellen, daß wir<br />
mittlerweile ganz offensichtlich an einem Sicherstellungs-Trauma<br />
leiden. Dieses sollte schnellstmöglich irgendwie therapiert werden. Am<br />
besten mal zum Verkehrs-Psychologen. Oder ab nach Flensburg,<br />
abfeier. Auch mußten wir feststellen, daß Aso- und Opfer-TV beinahe<br />
stündlich schwachsinniger bzw. deren Formate progressiv steigend<br />
immer beschissener werden. Was ein Wunder, wer hätte damit<br />
gerechnet?! In diesem Kontext fiel uns auch auf, daß es leider noch kein<br />
adäquates und angemessenes Casting-Format gibt, welches dem<br />
Facetten-Reichtum der schillernd anmutenden Persönlichkeit des Honk<br />
gerecht wird. Unverschämt! Man ignoriert uns.<br />
185
Ignorieren ist noch keine Toleranz.<br />
b) Der Honk als Ignorant<br />
186<br />
(Theodor Fontane)<br />
Man ignoriert uns also. Noch. Noch ignoriert man uns. Egal. Denn das<br />
können wir auch. Ignorieren. Das können wir auch, das können wir<br />
sogar besser. Auch wenn es der ein oder andere nach Lektüre der<br />
vergangenen Seiten nicht mehr für möglich halten kann. Und das völlig<br />
zu Recht. Schließlich wurden einige der bizarrsten, obskursten und<br />
verwegensten Thematiken seitens eines Honk kommentiert, analysiert<br />
und vereinzelt sogar interpretiert. Ja, genau, interpretiert. Wir hatten<br />
Vollidioten und Aso-TV, Blitzgeräte und Vollrausch, Sachbearbeiter<br />
und Mett-Igel, Topmodels und Flitzkacke, außer der Reihe gepimperte<br />
VIP-Döschen, Diesel versus Heizöl, Fightclub unter Nachbarn und<br />
vieles mehr. Und natürlich hatten wir ein ganzes Arsenal besonders<br />
abenteuerlicher Sicherstellungen, mein lieber Herr Gesangsverein. Mein<br />
lieber Scholli.<br />
Macht aber nichts, kann keiner was für. Alles gar nicht schlimm. Wir<br />
haben also diesen ganzen Blödsinn bis ins kleinste Detail durchgekaut.<br />
Teilweise wieder und wieder und wieder. Drängt sich geradezu eine<br />
Frage auf: Ist denn das, was wir die ganze Zeit veranstaltet haben, nicht<br />
das komplette Gegenteil von Ignoranz? Klare Antwort: Jein. In den<br />
Fällen, in denen der Honk anarchistisch aktiv werden mußte, deckt sich<br />
dieser Anarchie-Begriff immer mit dem der Ignoranz. Denn wenn ein<br />
Honk nach eigenem Moral- und Ethik-Kodex aktiv werden muß, wird<br />
infolgedessen oftmals eine Vorschrift oder ein Gesetz ignoriert.<br />
Insoweit besteht hier Deckungsgleichheit zwischen den beiden<br />
Begriffen. Kinder anschreien, Heizöl fahren, Nachbarn verprügeln,<br />
Schußwaffen präsentieren. Alles Vorgehensweisen, bei denen unser<br />
Honk das ein oder andere Gesetz ignorieren muß.
Was aber, wenn sich unser Honk sein überdimensional großes Maul<br />
über Grimassen-Heidi oder moderne Amazönchen in Reisebussen oder<br />
vergleichbaren Quatsch zerreißt?! Was soll dann dieses?! Warum tut er<br />
das bloß?! Das muß er doch nicht machen, das kann er doch lieber<br />
lassen. Das sollte er doch besser ignorieren, warum ignoriert er das denn<br />
nicht?! Ein äußerst gelungener Einwand, will man meinen. Eine sehr<br />
gute Frage, eine berechtigte Frage. Eine Fangfrage. Allerdings nicht für<br />
den Honk.<br />
Wie soll man denn bitte über etwas schreiben, das man ignoriert?! Also<br />
Ignorieren im Sinne von nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Im Sinne<br />
von nicht wissen wollen. Wenn sich ein Sachverhalt meiner Kenntnis<br />
entzieht, gewollt oder ungewollt, kann ich ja wohl kaum darüber<br />
schreiben. Das ist unmöglich, völlig unmöglich. Kurz: Es geht gar nicht.<br />
Daher mußten wir in unserem Rahmen hier gelegentliche Ausnahmen<br />
vom Prinzip der Ignoranz machen. Ausnahmen! Denn natürlich soll<br />
man Flitzkacke wie GNT, Popstars, Supermodels und Co. ansonsten<br />
ignorieren. Es ist nicht gut für das Gehirn. Es kommt doch nicht von<br />
ungefähr, daß ich mir so einen fiesen Pegel ansaufen muß, um diese<br />
Kacke analysieren zu können. Ist doch so.<br />
Im normalen Leben existiert dieser Quatsch gar nicht für mich.<br />
Komplett an mir vorbei. Zack. Vollständige Ignoranz. Nicht mehr, nicht<br />
weniger. Das ideale Mittel. Mißstände, die man nicht ändern kann oder<br />
will, sollte man ausnahmslos ignorieren. Nicht tolerieren oder<br />
akzeptieren oder sonstwas. Nein, einfach schlichtweg ignorieren.<br />
Funktioniert phantastisch. Wenn man etwas, das einem nicht paßt oder<br />
einem auf den Sack geht, ändern will und auch kann, dann nur zu. Dann<br />
gleich drauf. Nicht lange sabbeln, gleich verändern. Zack. Natürlich<br />
immer auch ein bißchen das Gesetz im Hinterkopf, allerdings nicht als<br />
der Weisheit letzter Schluß. Notfalls anarchistisch, wenn die Sache es<br />
erfordert. Ansonsten immer Ignoranz. Zumindest als Honk. Vollidioten<br />
und Vollopfer konsumieren, Honks ignorieren. Dazwischen liegt<br />
irgendwo unser armes Fremdopfer, welches mal konsumiert, mal<br />
ignoriert, vielleicht auch mal toleriert, aber immer mault und jault.<br />
187
Was ist die Antwort auf 99% aller Fragen? Geld!<br />
aa) Im Kapitalismus<br />
188<br />
(David Aames)<br />
Was für eine Woche! Donald Duck aus Entenhausen wird 75 Jahre alt,<br />
und unser Bobbele heiratet wieder. Glückwunsch, Stößchen. Zwei<br />
Symbole meiner Kindheit. Zwei Legenden, zwei Ikonen. Zwei ganz<br />
Große. Unglaublich. Ich freu` mich und feiere innerlich mit. Eine ganz<br />
tolle Sache. Hätte man doch eigentlich eine gemeinsame Party für die<br />
beiden veranstalten können, oder?! Denn irgendwie passen die beiden<br />
ganz gut zusammen. Beide schnattern wirres Kauderwelsch, haben mit<br />
Lilly und Daisy ihre Traumfrauen gefunden und sind untenrum meist<br />
nackt. Ja, genau, untenrum meist nackt. Pantsless, wie man in der<br />
Heimat von Onkel Donald sagt. Irgendwann schalte ich die Glotze an<br />
und sehe die beiden zusammen auf DSF pokern.<br />
Ach ja, unser guter Onkel Donald. Hat es wahrlich nicht immer leicht<br />
gehabt im Leben. Und dann auch noch seit 75 Jahren dieselben<br />
Klamotten. Matrosenhemd und Matrosenmütze. Sonst nichts, wie geil.<br />
Was für ein endgeiles Outfit, Respekt. Im realen Leben allerdings<br />
undenkbar, darüber sollten wir uns einig sein. Im realen Leben kommt<br />
man so bestenfalls in eine drittklassige Fetisch-Bar rein. Wenn<br />
überhaupt. Aber nicht in Entenhausen. In Entenhausen zieht der Look<br />
noch, nach wie vor. Nach all den Jahren, unglaublich. Man stelle sich<br />
nur mal den modernen Donald vor, mit Ed-Hardy-Shirt und so einer<br />
bescheuerten Schwebe-Kappe. Naja, halt so eine alberne Kappe, wie sie<br />
die 10- bis 16-jährigen Pampers-Checker alle tragen. Die kaum noch<br />
den Kopf berührt, nur so ganz leicht gerade noch touchiert. Also fast auf<br />
dem Schädel schwebt. Keine Ahnung, was das soll. Sieht auf jeden Fall<br />
mal Scheiße aus. Sieht mal so richtig schön Vollspasti aus. Und<br />
deswegen trägt unser Onkel Donald sowas auch nicht.
Und beim Stichwort Bobbele fällt mir spontan auch nur noch ein Wort<br />
ein: Weiber! Nicht Tennis oder Wimbledon oder sonstwas, nein,<br />
Weiber. Leck` mich einer am Arsch, da hat unser Bobbele aber auch<br />
nichts ausgelassen. Vielmehr nichts draußen gelassen. Gar nichts.<br />
Weiber, Weiber, Weiber. Unser Bobbele, unser Womanizer, unser<br />
Bums-Bums-Becker. Herrlich. Da können sich andere mal eine schöne<br />
Scheibe von abschneiden, mal echt jetzt. Advantage Becker, unser<br />
Grand-Slammer, unglaublich. Hut ab, Stößchen. Leute, was wäre das<br />
für eine geile Party geworden, unser Bobbele zusammen mit Onkel D.<br />
aus E.?! Das hätte alles bisher da gewesene in den Schatten gestellt.<br />
Idealer Gastgeber und Moderator solch einer Party wäre dann Oli<br />
Pocher gewesen. Na klar, unser Oli eben. Unser anderer Oli. Nicht<br />
Kahn, der National-Oli, sondern Pocher, der andere Oli. Der Vollidiot.<br />
Also aus dem Film. Der eine kehrt zurück zur Ex, der andere<br />
schwängert irgendeine von Bobbeles Ex. Glückwunsch Pocher, ganz<br />
großes Tennis, abfeier. Extrem gelungene Selbstparodie, wäre der<br />
Brüller auf unserer Party gewesen. Naja, egal. Wäre auch so bestimmt<br />
eine feucht-fröhliche Party geworden. Mit Bobbele als Garant für<br />
Feuchtigkeit, und Onkel Donald für den fröhlichen Teil. Ach ja, dieser<br />
verrückte Donald Duck! Dieser kleine, wütende Enterich. Läßt sich<br />
einfach nicht unterkriegen. In all den Jahren nicht. Respekt. Stößchen.<br />
Und was hat das jetzt alles mit dem ignoranten Honk im Kapitalismus<br />
zu tun? Vieles. Denn während einige hier wie beschrieben stets und<br />
ständig und voller Verzückung sich selbst bzw. ihre eigene Geilheit<br />
feiern, geht es der überwiegenden Mehrheit in unserer Gesellschaft<br />
tagtäglich immer beschissener. Die Fremdopfer-Quote erhöht sich<br />
zusehends, und den Absprung zum Honk trauen sich die meisten dann<br />
doch noch nicht zu. Und man kann es ihnen nicht übel nehmen. Denn in<br />
dieser Gesellschaft ist man ruckzuck voll am Arsch, wenn man das<br />
große Spielchen nicht mitspielt. Das Spiel der Spiele. Das Spielchen des<br />
Kapitalismus, das Spielchen um Geld und Macht und Macht und Geld<br />
und noch mehr Geld und noch mehr Macht und noch mehr Macht und<br />
noch mehr Geld. Manche nennen es nicht Kapitalismus, sondern freie<br />
Marktwirtschaft. Klingt irgendwie nicht so negativ, klingt interessanter.<br />
Ist aber ein und derselbe Scheißdreck. Krasse Überleitung hier, krasser<br />
Themenwechsel, was?! Und Stößchen.<br />
189
Scheißdreck deshalb, weil man selbst als vernünftiger Nicht-Marxist<br />
erkennen muß, daß wir heute mehr denn je in einer Gesellschaft der<br />
Ausbeutung und Entfremdung leben. Und zwar erheblich krasser, als es<br />
die Kollegen Marx und Engels vor gut 150 Jahren beschrieben haben.<br />
Das läßt sich leider nicht mehr verleugnen. Außer vielleicht, wenn man<br />
zu der verhältnismäßig knapp besetzten Sparte der Geschäftsführer<br />
gehört. Oder auf dem Mond lebt. Dann vielleicht. Denn als<br />
Geschäftsführer eines deutschen Unternehmens hat man im Jahr 2008<br />
durchschnittlich 280.000 Euro brutto verdient, so eine Studie der<br />
Managementberatung Kienbaum Consultants. Sollte klar sein, daß der<br />
Kapitalismus unter solchen Bedingungen etwas sehr Schönes ist. Aber<br />
auch nur dann. Ansonsten eben Scheißdreck.<br />
Ein normaler Vollzeitbeschäftigter im produzierenden Gewerbe oder im<br />
Dienstleistungsgewerbe verdient aktuell im Durchschnitt 3.100 Euro<br />
brutto monatlich. Bei einem Teilzeitbeschäftigten ist es gut die Hälfte,<br />
im Schnitt 1.600 Euro brutto. Ja meine Fresse, wie soll man denn davon<br />
auch nur halbwegs vernünftig leben?! 1.600 Euro sind völlig<br />
indiskutabel. Und 3.100 Euro sind auch nicht der Kracher. Als Single<br />
ohne Kind hat man bei 3.100 Euro brutto ca. 1.800 Euro netto raus. Und<br />
das auch nur, wenn man schon aus der schönen Kirche ausgetreten ist.<br />
Sonst ist es gleich nochmal ein knapper Fuffi weniger. So, und hier sei<br />
doch jetzt bitte einmal die Frage erlaubt, wie man von so einem Scheiß-<br />
Nettogehalt leben soll?!<br />
Klar, wenn ich mir absolut nichts gönne und jeden Cent fünfmal<br />
umdrehe und in einem Drecksloch wohne und nur noch halb<br />
abgelaufenen No-Name-Fraß vom Asi-Discounter fresse, ja dann<br />
vielleicht. Dann kann ich vielleicht sogar noch 100 Euro im Monat in<br />
eine schwachsinnige Riester-Rente investieren. Oder auch verbrennen,<br />
kommt auf dasselbe raus. Aber wer ein halbwegs vernünftiges Leben<br />
führen will, halbwegs anständig wohnen will, vielleicht sogar ab und an<br />
mal frisches Obst und Gemüse fressen und am Wochenende ins Kino<br />
oder saufen gehen will, der kommt mit 1.800 Euro nicht weit. Der kann<br />
sich dann bestenfalls noch ein winziges Auto leasen und die Söldner<br />
von der Scheiß-GEZ bezahlen, und dann war`s das auch.<br />
190
Es gibt doch eine ganze Latte politischer Halbleichen bis Leichen, die<br />
hier auf Kabinettsposten herummodern.<br />
191<br />
(Joschka Fischer)<br />
Und da wundert man sich noch, daß es so eine immens steigende<br />
Schwarzarbeitquote gibt? Welcher Kasperkopf wundert sich denn da<br />
eigentlich?! Also ich mal nicht. Ich wundere mich da überhaupt nicht<br />
mehr. Eigentlich darf man sich hier sowieso und generell über gar<br />
nichts mehr wundern. Ist doch klar, daß die Friseuse am Wochenende<br />
losgeht und befreundete kleine Uschis unter der Hand frisiert. Oder der<br />
Maler nach Feierabend noch die ein oder andere Wand anpinselt. Oder<br />
der Döner-Mann von um die Ecke jeden zweiten Döner an der Kasse<br />
vorbei abrechnet. Geht doch gar nicht mehr anders. Sonst ist doch<br />
Armut angesagt, ganz fiese Armut. Kann jeder mal nachfragen, was eine<br />
Friseuse im Osten verdient. Oder eine Fabrikarbeiterin in der<br />
Holzbranche. Die Antwort wird ihm nicht schmecken, definitiv nicht.<br />
Es ist eine Schande und Frechheit, Menschen mit so wenig Entgelt für<br />
ihre Leistungen abzuspeisen und auszubeuten. Voll zum Kotzen.<br />
Und die Halbleichen in Berlin verschließen die Augen. Zack, Augen zu,<br />
ist besser. Die ignorieren das schlichtweg. Da haben wir es wieder:<br />
Ignoranz! Lieber pumpen die Milliarden über Milliarden in<br />
irgendwelche maroden, verzockten Drecksbanken, in denen<br />
irgendwelche Größenwahnsinnigen Russisch Roulette spielen mit<br />
Tausenden Arbeitsplätzen und Milliarden fremder Gelder. Nur um den<br />
eigenen Profit zu maximieren. Wahnsinn. Und bekommen jetzt<br />
unzählige Milliarden vom Staat in den Arsch geblasen, bei denen sich<br />
jeder mit einem Fünkchen Grips in der Rübe fragen muß: Ja wo<br />
kommen sie denn auf einmal her, die ganzen Milliarden?! Wo kommen<br />
sie denn her?! Ist denn schon wieder Weihnachten?! Es war doch vorher<br />
keine Kohle mehr da, was ist denn nun passiert?! Es grenzt an ein<br />
Wunder, ein wahres Wunder. Magie, pure Magie.
Daß der Großteil der Gesellschaft in Armut und panischer Existenzangst<br />
lebt, ist den Halbleichen scheinbar überhaupt nicht klar. Das wollen die<br />
gar nicht wissen, das verdrängen die ganz bewußt. Da wird lieber auf<br />
andere sehr sinnvolle Themen ausgewichen, man muß ja nur mal in die<br />
Glotze gucken, egal wann. Beispielsweise wurde gestern in den ntv-<br />
Nachrichten thematisiert, daß man eine UFC-Veranstaltung in<br />
Deutschland verbieten wolle und daß es ferner eine ganz tolle neue Anti-<br />
Alkohol-Kampagne gäbe.<br />
Bei erstgenannter Thematik ging es halt darum, daß die Jungs vom<br />
Ultimate Fighting Championchip am 13. Juni 2009 eine Veranstaltung<br />
in der Kölner Lanxess-Arena abhalten wollten. Unter UFC ist ein in<br />
Amerika recht populärer Vollkontakt-Kampfsport zu verstehen, welcher<br />
in einem achteckigen Ring ausgetragen wird und bei dem fast alles<br />
erlaubt ist. So, und nachdem dann der Großteil der Karten für dieses<br />
Event verkauft war, fiel einigen ganz Schlauen dann doch sehr früh ein,<br />
daß das ja viel zu brutal sei und auch ganz verheerende Auswirkungen<br />
auf Jugendliche und Kinder haben könne. Auweia! Naja, und bei der<br />
anderen Thematik ging es halt wieder mal darum, daß man insbesondere<br />
Jugendlichen und Kids klarmachen wollte, wie schädlich und gefährlich<br />
Alkohol sei. Mal ganz was Neues, gähn.<br />
Ohne jetzt gleich wieder ganz plakativ und überstürzt in ein Meer aus<br />
Polemik eintauchen zu wollen, sei mir hier bitte eine Frage gestattet:<br />
Saufe ich eigentlich zu viel oder eher zu wenig?<br />
Eines von beiden muß es sein. Denn ganz offensichtlich habe ich noch<br />
nicht den richtigen Pegelstand gefunden, um mich bei diesem<br />
Schwachsinn nicht ständig selbst fragen zu müssen, seit wann ich denn<br />
eigentlich komplett bescheuert bin. Anders ist das hier nämlich nicht<br />
mehr zu erklären. Denn einige Wochen zuvor durfte Fräulein<br />
Schnäuzchen mit ihren Hampelmännern vor Tausenden fehlgeleiteter<br />
Kinderchen live in der Lanxess-Arena auftreten. Das war okay. Aber<br />
UFC ist jetzt zu krass. Na klar. Lieber Millionen Kids Eßstörungen und<br />
falsche Illusionen in die eh schon recht instabilen Hirne eintrichtern, als<br />
zusehen, wie sich zwei erwachsene Männer im gegenseitigen<br />
Einverständnis ein paar in die Fresse hauen.<br />
192
Okay, war jetzt doch Polemik, hab`s wieder vergeigt. Egal. Kann ich<br />
mit leben. Womit ich nur schwer leben kann, sind die oben genannten<br />
Mißstände. Also allgegenwärtige Angst und Armut, und einige haben<br />
keine anderen Sorgen, als den Leuten jetzt erzählen zu wollen, was sie<br />
sehen oder saufen dürfen. Na Glückwunsch! Der UFC-Mist läuft eh<br />
jedes Wochenende auf DSF, kann sich jeder 6-jährige anschauen. Und<br />
beim Gesaufe weiß mittlerweile auch jeder 10-jährige, was Sache ist.<br />
Wie kann man in der momentanen Lage so einen banalen Dünnschiß<br />
thematisieren?! Selbst besoffen? Verstand verloren? Langeweile? Sollte<br />
letzteres zutreffen, dann bitte zukünftig einmal hinterfragen, warum<br />
denn wohl so viel gesoffen wird. Und warum denn wohl so viele<br />
Menschen nur noch Schmerz und Gewalt spüren.<br />
Oder lieber doch nicht. Klappt mit solch himmelschreiender Ignoranz in<br />
der Birne eh nicht. Außerdem kennt eh jeder nicht komplett Weltfremde<br />
längst die Antwort: Eben drum! Wegen der drei großen A: Armut,<br />
Angst, Arbeitslosigkeit. Vielleicht sollte man hier einmal ansetzen, an<br />
der Wurzel des Übels, anstatt mit nutzlosen, hanebüchenen<br />
Diskussionen und Kampagnen noch mehr Zeit und Geld zu<br />
verschwenden. Aber solche Logik ist ganz offensichtlich noch nicht bei<br />
allen angekommen. Und außerdem sind die drei großen A ja auch ganz<br />
hervorragende Unterdrückungs-Mittel im schönen Kapitalismus. Denn<br />
ohne die drei A funktioniert der Kapitalismus nämlich nicht mehr, und<br />
davor haben alle ganz viel Angst, besonders die Halbleichen.<br />
Wahrscheinlich daher der ganze Schwachsinn.<br />
Offiziell liegt es natürlich mal wieder am lieben Geld, welches nicht<br />
vorhanden ist. Ja wie, kein Geld? Nichts da? Komisch. Ballert man<br />
derzeit nicht gerade völlig sinn-, plan- und hilflos und mit viel Blabla<br />
und Tamtam unvorstellbare Summen in korrupte und bankrotte<br />
Drecksbuden, die jahrelang gemacht haben, wozu sie lustig waren?! Uns<br />
allen symbolisch bzw. vielmehr metaphorisch den obligatorischen<br />
Stinkefinger gezeigt haben?! Unsere Kohle verzockt haben?! Und jetzt<br />
hysterisch wie ein Stall aufgeschreckter Hühner nach Vater<br />
Nachwächter schreien?! Oder habe ich da was verpaßt?!<br />
193
Wer hat wie ich genug von den Heuchlern im Bundestag? Wählt mich,<br />
und ich mach` Deutschland gesund und stark. Ich bring` das Land in<br />
Ordnung, komm` schon, wir schau`n nur nach vorn und machen unsere<br />
Phantasien wahr wie im Porno. Ich mach` das MV zur Hauptstadt der<br />
Hauptstadt. Und streich` jeden Block Metallic-Blau statt Grau matt. Ich<br />
mach`, daß jeder was zu essen und `ne Frau hat, und wenn einer wegen<br />
Hunger geklaut hat, mach` ich ihn auch satt.<br />
194<br />
(Sido)<br />
Nein, da habe ich nichts verpaßt. Da ist mir nichts entgangen, auch<br />
wenn mir das eigentlich lieber wäre. Das ist alles echt, alles Realität.<br />
Vater Nachtwächter ist jetzt gefordert, und das ist auch gut und richtig<br />
und wichtig so. Vor allen Dingen im Kapitalismus, sorry, in der freien<br />
Marktwirtschaft natürlich. Denn wenn irgendwo ein Staat mit Billionen<br />
an Kohle in einen freien, sich mehr oder weniger selbst regelnden<br />
Markt eingreifen muß, dann doch wohl in der freien Marktwirtschaft.<br />
Na klar, wo denn sonst. Wir sind doch hier nicht in China oder in der<br />
DDR oder sonstwo. Nichts auszudenken. Alles, bloß das nicht. Logisch,<br />
der Staat greift also ein, ganz toll. Ein schöner Zug, ein feiner Zug, ein<br />
edles Unterfangen. Das Kind liegt im Brunnen, na dann kann man doch<br />
auch langsam mal aktiv werden.<br />
Und damit wir allesamt nicht zu keck und frech und vorlaut werden,<br />
schafft Vater Nachtwächter neben diesem monumentalen Unterfangen<br />
noch das Kunststückchen, uns stets und ständig mit höchst erhobenem<br />
Zeigefinger einzuimpfen, daß wir doch bitte auch mal an unsere Kinder<br />
und Kindeskinder denken sollen. Denk` doch bitte mal einer an die<br />
Kinder! An die Kinder! Uiuiui, die armen Kinder, was wir denen wohl<br />
für ein Vermächtnis hinterlassen?! Wir haben doch diesen Planeten nur<br />
geliehen. Von unseren Kindern. Nur geliehen! Keinen Schimmer, wie<br />
das gehen soll, also mit dem Leihen und so. Aber auf jeden Fall eine<br />
unfaßbar geile Metapher. Und überaus effektiv.
Denn wie vom Blitz getroffen vergessen wir nun schlagartig, daß unsere<br />
Kinder in 20 bis 30 Jahren eh ganz andere Sorgen haben werden. Im<br />
Jahre 2030 sieht das schätzungsweise nämlich so aus: 50% schwerste<br />
Alkoholiker, Kiffer und Fixer, 20% Topmodels und Superstars, 10%<br />
Jury, 10% Bisexuelle und 10% ausgewandert oder zum Mond geflogen.<br />
Leider. Leider wird es so sein. Aber mir kann das dann egal sein. Ich<br />
werde dann nämlich so um die 60 Jahre alt sein, und man wird mich<br />
auch auf den Mond geschossen haben. Unfreiwillig. Und auf die dunkle<br />
Seite. Zu Darth Vader. Aber egal. Alle anderen bitte sofort an die<br />
Kinder denken. An Tick, Trick und Track, an Beavis und Butt-Head, an<br />
Justin und Dustin, einfach an alle. Schnell die Ärmel hochkrempeln und<br />
das Maul halten, schließlich geht es um die Kinder. Na spitze, noch<br />
mehr Angst. Vielen Dank. Angst ist durch nichts zu ersetzen, außer<br />
durch noch mehr Angst. Und der Gedanke an noch mehr Angst macht<br />
das Leben in Armut und Arbeitslosigkeit ja gleich viel erträglicher, als<br />
es Suff und Aso-TV eh schon machen. Das grenzt ja an Luxus!<br />
Stößchen. Ein Stößchen auf die Angst!<br />
Nichts für ungut, aber da soll mir noch mal einer über Onkel Peterchen<br />
und seine Fans schimpfen. Also über die Millionen Menschen, die<br />
HartzIV beziehen, weil sie keinen Job mehr kriegen. Oder auch, weil sie<br />
einfach keinen Bock mehr auf den Scheiß haben, völlig egal. Onkel<br />
Peterchens Groupies, die H4-Groupies. Die Hartzies. Kann es ihnen<br />
irgendjemand verübeln?! Also ich nicht. Nicht die Bohne. Ich würde es<br />
genauso machen. Jeder, der 40 oder 50 Stunden pro Woche malochen<br />
geht, obwohl er mit Onkel Peters Freizeitprämie ähnlich oder sogar<br />
besser stände, hat nicht alle Tassen im Schrank. Ja sorry, ist leider so.<br />
Reine Logik. Denn was ist wertvoller als Zeit? Kaum etwas. Und<br />
nochmal sorry, aber ich kann meine Zeit erheblich sinnvoller nutzen, als<br />
40 Stunden die Woche irgendwas putzen oder Zement anrühren oder<br />
mir den Arsch hinter irgendeinem Schreibtisch wund sitzen. Und ja, ich<br />
kann mir auch was Schöneres vorstellen als Zahnschmerzen, Dünnschiß<br />
und Hängetitten. Die Leute, die an solch einer Einstellung Kritik üben,<br />
sind neidisch und mißgönnerisch. Hey, aber warum denn? Ich selbst<br />
liege auch nicht Vater Nachtwächter auf der Tasche. Aber ich gönne es<br />
jedem, der es tut und dem es dabei gut geht. Warum denn auch nicht?!<br />
Chacun à son goût, jeder nach seinem Geschmack.<br />
195
Mit HartzIV lebt es sich nämlich gar nicht so schlecht. Klar, 350 Euro<br />
monatlich reichen kaum für ein Leben in Saus und Braus. Gewiß nicht.<br />
Addiert man hierzu allerdings die etlichen Zusatzleistungen, kommt<br />
schnell ein Betrag zusammen, den viele Menschen, die tagtäglich zur<br />
Arbeit latschen, nicht zur Verfügung haben. Denn die besagten 350<br />
Euro sind lediglich die Regelleistung. Hinzu kommen diverse<br />
Annehmlichkeiten wie eine angemessene Erstausstattung, Zuschläge<br />
nach Bezug von Arbeitslosengeld, Erstattung der Wohn- und<br />
Heizungskosten, Beiträge zur Rentenversicherung, Mehrbedarfe und<br />
diverse andere Leistungen. Ganz klar, da kann schon das ein oder<br />
andere hübsche Sümmchen zusammenkommen.<br />
Ferner ist man als Hartzie von der GEZ befreit, kann sich die Zähne<br />
schön gratis bzw. gratis schön machen lassen, kann Prozeßkostenhilfe<br />
beanspruchen und dergleichen. Man kann sogar umsonst den<br />
Führerschein machen, wenn man glaubhaft vorträgt, daß man sonst eh<br />
keinen Job mehr bekommt. Alles sinnvolle Dinge, die Otto<br />
Normalverbraucher selbst zahlen muß. Ist die Waschmaschine kaputt,<br />
gibt es vom Amt eine neue. Zack. Unter Berücksichtigung dieser<br />
Aspekte liegt die Vermutung nahe, daß es so manchem Hartzie unter`m<br />
Strich finanziell besser geht als dem ein oder anderen Arbeitnehmer.<br />
Insbesondere dann, wenn unser Hartzie Teile seiner freien Zeit nutzt,<br />
um ein paar Stündchen Schwarzarbeit zu verrichten. Dann sowieso,<br />
dann lebt es sich sogar ganz vernünftig.<br />
Und das ist auch völlig okay so. Unser lieber Vater Nachtwächter hält<br />
einem diese Option offen, und jeder kann frei entscheiden, ob er sie<br />
nutzen möchte oder nicht. Keiner muß sich dafür schämen, heute<br />
weniger denn je. Und Kritik hieran ist reinstes Fremdopfer-Gebahren,<br />
sonst nichts. Auweia, da kriegt einer dieselbe Kohle wie ich und will<br />
bzw. muß dafür nichts tun. So ein asoziales Schwein! Und als<br />
waschechtes Fremdopfer redet man sich diesen Quatsch natürlich auch<br />
noch schön. Ich wüßte gar nicht, was ich ohne Arbeit anfangen sollte.<br />
Bla. Ich auch nicht. 40 Stunden die Woche auf einem Bagger sitzen<br />
oder Rechnungen kontieren sind die wahre Erfüllung, die absolute<br />
Selbstverwirklichung für mich. Na klar, was denn auch sonst. Kaum zu<br />
glauben, wie weichgespült der Kapitalismus einige Köpfe schon<br />
gemacht hat. Wie Wackelpudding.<br />
196
Und wer arbeiten gehen will, der soll eben arbeiten gehen. Nur zu. Ist<br />
nichts Verwerfliches dran. Zack, ab, arbeiten. Schließlich folgt man nur<br />
der Herde, ganz solidarisch. Und die Herde grast hübsch angenehm Fluß<br />
abwärts, also grasen wir mit. Auf, bitte alle schön mitgrasen, besten<br />
Dank. Gehen wir arbeiten. Denn immerhin verdienen wir ja 3.100 Euro<br />
brutto. Wir sind ja schließlich die Durchschnitts-Vollzeitangestellten,<br />
abfeier. Und als solche haben wir neben fürstlicher Entlohnung noch<br />
einen weiteren, ganz entscheidenden, geradezu elementaren Vorteil:<br />
Wir sind kreditwürdig!<br />
Hurra! Natürlich immer positive Schufa vorausgesetzt, muß klar sein.<br />
Aber wenn die paßt, dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.<br />
Dann geht voll die Post ab. Denn dann können wir nach Herzenslust<br />
Kohle verballern, die wir gar nicht haben. Also entweder schön Kredit<br />
aufnehmen oder -noch geiler- alles leasen. Leasen ist noch viel geiler.<br />
Und damit meine ich nicht nur das Auto, sondern wirklich alles.<br />
Muß also alles geleast werden, muß alles finanziert werden. Logisch.<br />
Woher soll man auch 500 Euro für eine neue Waschmaschine auf einen<br />
Schlag nehmen? Oder 1.000 Euro für einen neuen Fernseher? Muß alles<br />
auf Pump gekauft werden. Wer das jetzt nicht wahr haben will, der muß<br />
nur mal einen verwegenen Blick in ein Prospekt vom MediaMarkt oder<br />
ProMarkt oder ähnlichen Anbieter riskieren. Dort werden nämlich<br />
mittlerweile nur noch die monatlichen Raten groß ausgewiesen,<br />
während man den eigentlichen Einzelpreis in bar irgendwo im<br />
Kleingedruckten suchen muß. Verkehrte Welt, möchte man meinen,<br />
aber es ist so.<br />
Und ich hatte mich neulich schon voll gefreut. Gucke da in den Prospekt<br />
rein und sehe einen schönen 107er Plasma von Panasonic für 39,90<br />
Euro. Hurra, heute ist Dein Glückstag, dachte ich. Ganz egal, daß ich im<br />
Wohnzimmer und auch im Schlafzimmer schon so ein Monster an der<br />
Wand habe. Für 39,90 Euro kaufe ich gleich nochmal vier bis fünf von<br />
den Dingern. Einen für die Küche, einen für`s Bad und einen für`s<br />
Gäste-WC, wie geil. Vielleicht noch einen in die Garage und einen auf<br />
Vorrat oder wenn mal Besuch kommt.<br />
197
Aber nichts da, Pustekuchen. Nichts da mit 39,90. Zumindest nicht der<br />
Einzel-Verkaufspreis. 39,90 war vielmehr die monatliche Rate für die<br />
nächsten drei Jahre. Regulär kostete das Mistviech nämlich nach wie<br />
vor 1.399 Euro, wie ich nach langer Suche im Kleingedruckten<br />
feststellen durfte. Na, das ist doch mal was. Und ich Vollhonk war<br />
schon drauf und dran, vier bis sechs Stück telefonisch vorzubestellen,<br />
Folglich bedeutet das für uns als Konsumenten, daß wir lediglich zwei<br />
Möglichkeiten haben: Wir müssen unsere Ansprüche ganz dramatisch<br />
reduzieren oder uns verschulden. Natürlich können wir auch immer<br />
versuchen, mehr Kohle zu verdienen. Aber zum einen ist das nicht so<br />
ganz einfach zu bewerkstelligen, und zum anderen gehen wir hier ja<br />
vom Durchschnitt aus. Und das Durchschnitts-Schaf mit 1.800 Euro<br />
netto monatlich muß seine Ansprüche bis zur Schmerzgrenze<br />
reduzieren, wenn es sich nicht verschulden will. Ganz klare Kiste. Der<br />
ursprüngliche, originäre Anspruch, der uns seitens der Werbung und<br />
durch Dritte als normal suggeriert wird, kann nicht erfüllt werden.<br />
Niemals. Nicht im Entferntesten. Zumindest für den Großteil von uns<br />
nicht. Und das wurmt uns logischerweise. Weil das ein Umstand bzw.<br />
vielmehr ein Mißstand ist, den wir nicht ignorieren können. Und da<br />
wären wir auch schon wieder beim Thema: Ignoranz!<br />
An dieser Stelle kommen wir zu einem überaus perversen Paradoxon<br />
des Kapitalismus in unserer heutigen Gesellschaft. Hier wird es jetzt<br />
mal besonders krass, krasser als eh schon, und Personen mit einem<br />
schwachen Herzen oder so sollten mal lieber nicht mehr weiterlesen:<br />
Millionen von Menschen arbeiten Tag für Tag in einem ganz<br />
fulminanten Drecksjob. Als Arbeiter, als Angestellter, ganz egal. Ein<br />
Drecksjob eben. Ein Drecksjob, in dem sie wahrscheinlich nicht einmal<br />
die besagten 3.100 Euro brutto pro Monat verdienen, sich stattdessen<br />
aber im Idealfall mit Mobbing durch vermeintliche Kollegen oder einem<br />
Riesen-Arschloch als Chef auseinandersetzen dürfen. Ich persönlich war<br />
hiervon glücklicherweise nie betroffen, aber man ist ja auch nicht taub<br />
und blind. Man sieht und hört ja, wie es läuft. Man muß sich ja nur<br />
einmal umsehen. Kritisch umsehen, falls das überhaupt noch geht. Falls<br />
man dazu vor lauter Fremdsteuerung und Verblendung überhaupt noch<br />
in der Lage ist.<br />
198
Dann wird man nämlich erschreckt feststellen müssen, daß man<br />
weitestgehend von Heuchlern und Arschlöchern umgeben ist. Die einem<br />
das Leben in dem eh schon recht anspruchslosen und völlig<br />
uninteressanten Job noch zusätzlich erschweren bzw. teilweise sogar zur<br />
Hölle machen. Mit denen man bestenfalls tödlich belanglose Gespräche<br />
über das Wetter oder über Fußballergebnisse oder die letzte Grillparty<br />
führen kann. Ätzend, voll ätzend, aber leider größtenteils wahr. Und<br />
man selbst nimmt das auch gern und als gegeben in Kauf. Immerhin<br />
verdient man ja damit seinen Lebensunterhalt. Und zwar so üppig, daß<br />
man bei MediaMarkt eine neue Glotze auf Pump kaufen kann.<br />
Glückwunsch. Oder von seinen liquiden Mitteln einen Röhrenfernseher<br />
mit 51 cm Diagonale für 99 Euro in bar. Stößchen. Das ginge auch.<br />
Gerade noch so. Das kann man sich dann aussuchen.<br />
Und hier kommt jetzt das überaus Perverse an der ganzen Geschichte:<br />
Trotz dieses Wahnsinns rastet der normale Arbeiter oder Angestellte<br />
nicht aus und dreht voll durch. Dem Vorarbeiter mal eben so richtig<br />
schön die Fresse poliert, und dann ab zum MediaMarkt und ein paar<br />
Röhren-TV an die Wand gekickt. Zack. Kick. Dem Chef erzählt, daß<br />
man überhaupt keine Lust hat, über Banalitäten wie das aktuelle Scheiß-<br />
Wetter zu philosophieren. Dem mobbenden Arschloch aus dem Büro<br />
nebenan die Bremsleitung am Auto durchgeschnitten. Oder ähnliche,<br />
vergleichbar positiv-aggressive und überaus angemessene Reaktionen.<br />
Nein, dies tun wir nicht. Wir lächeln, bleiben höflich und fressen den<br />
Bullshit in uns hinein. Und warum? Logisch, aus Angst. Aus<br />
tiefgreifender, universeller und allgegenwärtiger Angst.<br />
Aus Angst um unseren Job, aus Angst vor mobbenden Kollegen, aus<br />
Angst vor dem Kapitalismus. Denn diese Angst können wir nicht<br />
ignorieren. Diese Angst müssen wir so hinnehmen, uns ihr stellen. Und<br />
sie akzeptieren. Ganz kompromißlos akzeptieren. Ignoranz geht nicht,<br />
Toleranz reicht nicht. Radikale Akzeptanz der Todesangst. Ach was,<br />
schlimmer noch als Todesangst. Kapitale Angst! Auweia! Das<br />
größtmögliche, vorstellbare Grauen. Kapitale Angst. Und zwar um<br />
unseren Job. Nur um unseren Job. Um nichts weiter. Um unseren<br />
gottverdammten, voll beschissenen und komplett unterbezahlten<br />
Drecksjob. Welchen wir wahnwitzigerweise sogar noch als unsere<br />
Existenz oder deren Grundlage bezeichnen. Heiliger Bimbam!<br />
199
Denn wenn wir heute bereits mit zweieinhalb oder drei Riesen brutto im<br />
Monat eine Glotze oder eine Waschmaschine gerade noch so auf Pump<br />
kaufen können, wie schlimm kann es dann noch werden?! Horror! Das<br />
könnte ja alles noch viel schlimmer werden. Viel, viel schlimmer. Ein<br />
Faß ohne Boden. Nicht auszudenken, wenn man seinen Job verlöre. Der<br />
Super-GAU! Lieber ein Bein oder einen Arm, aber bitte nicht den Job.<br />
Im Kapitalismus lebt es sich besser ohne Beine und Arme als ohne Job.<br />
Und ohne Hirn, selbstverständlich. Das sollte nämlich auch besser<br />
ausgeschaltet oder betäubt werden. Dafür Angst. Kapitale Angst!<br />
Kommt gut. Macht uns gefügig. Gefügig in unser Schicksal. Kapitale<br />
Angst macht noch gefügiger als Alkohol. Schwer vorstellbar, aber ist so.<br />
Kapitale Angst ist der Grundpfeiler unserer Wirtschaft und ein<br />
Eckpfeiler unserer Gesellschaft.<br />
Wir machen Jobs, die wir hassen, und kaufen dann Scheiße, die wir<br />
nicht brauchen. Hurra! Oder vielmehr so: Wir machen Jobs, die wir<br />
hassen, und können uns dann gerade mal die nötigste Scheiße zum<br />
Überleben kaufen. Noch besser. Das trifft es für die meisten von uns<br />
wohl am ehesten, das trifft den Kern. Und weil das so ist, weil das so<br />
alle machen, weil das so keiner hinterfragt, drehen auch nur die<br />
wenigsten Fremdopfer durch oder mutieren gar zum Honk. Aus Angst.<br />
Nicht mehr, nicht weniger. Aus kapitaler Angst. Denn heute hat man<br />
keine Angst mehr vor Krebs oder vor Seuche oder vor Krieg, nein,<br />
heute hat man Angst um seinen Job. Drauf geschissen, ob irgendwo eine<br />
Atombombe runterballert oder der Regenwald komplett abfackelt.<br />
Hauptsache, wir behalten unseren Job. Idealerweise bis wir 80 oder 90<br />
sind. Phantastisch. Phantastisch für alle Beteiligten, denn nur so kann<br />
der endgeile Kapitalismus funktionieren. Ohne kapitale Angst und<br />
Ausbeutung wäre dieser längst nicht mehr möglich.<br />
Und darauf Stößchen, ein Stößchen auf den Kapitalismus.<br />
200
Notleidende Unternehmen werden mit staatlicher finanzieller Hilfe<br />
künstlich am Leben gehalten. Die meisten Firmen, die staatliche Hilfe<br />
bekamen, waren früher oder später aber doch pleite.<br />
201<br />
(Wendelin Wiedeking)<br />
Mal unter uns: Ich möchte nicht als Arbeiter oder Angestellter in so<br />
einer maroden Drecksbude sitzen, die letztes Jahr noch Millionen- oder<br />
gar Milliarden-Gewinne eingefahren hat und nun um staatliche<br />
Subventionen und finanzielle Hilfe betteln muß. Damit man nur 10.000<br />
Mitarbeiter entlassen und nicht komplett Insolvenz anmelden muß. Was<br />
für ein horrender Bullshit. Wenn man beispielsweise bedenkt, daß bei<br />
Porsche der Gewinn im Geschäftsjahr 2008 höher war als der Umsatz,<br />
muß es sich ja zwangsläufig um Magie handeln. Magie, pure Magie.<br />
Gewinn höher als Umsatz, wer kennt das nicht?! VW macht`s möglich,<br />
Stößchen. Oder auch nicht. Die Bilanzen der Geschäftsjahre 2009 und<br />
2010 möchte ich dagegen nicht mehr sehen. Zumindest nicht bei<br />
Porsche. Falls es 2010 überhaupt noch eine gibt.<br />
Also selbst in den einstigen Vorzeige-Unternehmen mit einstigen<br />
Vorzeige-Managern ist dicke Luft und dünne Liquidität angesagt. Oder<br />
kurz: Angst. Kapitale Angst. Der schwarze Mann geht um! Sogar bei<br />
Porsche. Das wäre in 2007 noch ein ziemlich guter Witz gewesen. Der<br />
schwarze Mann bei Porsche. Aber heute? Heute eher ein schlechter<br />
Witz. Beziehungsweise überhaupt kein Witz mehr, sondern ganz bittere<br />
Realität. Und es kommt noch viel bitterer. Denn wie reagieren nun die<br />
normalen Arbeiter und Angestellten auf solch ein Wechselbad der<br />
Gefühle und Finanzen?! Was machen die betroffenen Schäfchen in<br />
solchen oder ähnlichen Buden?! Richtig. Gehen artig mit Trillerpfeife<br />
und selbstgemaltem Plakat auf die Straße. Und warum? Richtig, weil es<br />
so viel bringt. Das bringt fast so viel, wie sich beim Castor auf die<br />
Schienen zu legen. Das macht ja auch immer besonders viel Sinn, das<br />
hat bisher noch jeden Castor-Transport verhindert.
Man kann hier eigentlich nur mutmaßen: Die jahrelange Zwangsarbeit<br />
hat den meisten mittlerweile ganz offensichtlich völlig den Verstand<br />
vernebelt. Die arbeiten jahrelang unter dem Scheffel der Angst,<br />
verdienen zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel und fliegen<br />
dann zur Belohnung auch noch raus. Glückwunsch. Oder sie gehören zu<br />
denjenigen, die tagtäglich registrieren müssen, wo überall anders die<br />
Leute rausfliegen. Und sind infolgedessen total froh, den eigenen<br />
Drecksjob behalten zu dürfen. Natürlich mit gekürztem Lohn, aber dafür<br />
mit noch mehr Angst im Nacken. Denn wie gesagt, Angst ist durch<br />
nichts zu ersetzen. Außer durch noch mehr Angst. Stößchen.<br />
Insoweit könnte man eigentlich ganz unverfroren die These aufstellen,<br />
daß sich die meisten Angestellten und Arbeiter im Kapitalismus<br />
emotional wie Viecher behandeln lassen. Wie Hühner oder Melkkühe.<br />
Nein, eigentlich noch schlimmer als Viecher. Denn kein Viech muß in<br />
so elementarer Angst leben. Höchstens ein chinesischer Tanzbär. Wenn<br />
überhaupt. Und wenn man es jetzt noch auf die Spitze treiben wollte,<br />
könnte man durchaus die kühne Theorie vertreten, daß der Kapitalismus<br />
in seiner gegenwärtigen Form nicht mehr mit dem Grundgesetz<br />
vereinbar ist. Artikel 1 Abs. 1 GG kann ja wohl unter Berücksichtigung<br />
der aktuellen Gegebenheiten und Zustände lediglich als eine<br />
wohlklingende, inhaltlich hohle Phrase interpretiert werden.<br />
Und als wäre das alles nicht schon Hohn genug, greifen die direkt<br />
Betroffenen zu Trillerpfeife und Mahnwache. Oder bleiben in ihrer<br />
Mischung aus Angst und zugleich Dankbarkeit ganz zu Hause sitzen.<br />
Weil ja morgen schließlich der eigene Job dran sein könnte, man aber<br />
bis dahin zumindest immer noch einen hat. Keine Ahnung, was hiervon<br />
krasser ist. Mit Pfeifen gegen Windmühlen oder dankbare Angst. Beides<br />
heftigst. Und selbstverständlich beides keine Optionen für einen Honk.<br />
Für einen Honk kann ein Tun oder Unterlassen aus Angst niemals in<br />
Betracht kommen. Niemals! Denn als Honk hat man sich von Angst und<br />
Grausen jedweder Art befreit. Dazu später mehr. Angst ist jedoch für<br />
den Kapitalismus zwingend notwendig. Wir erinnern uns an dieser<br />
Stelle an die drei schönen großen A: Armut, Angst, Arbeitslosigkeit.<br />
Ach, komm` her, machen wir vier. Sagen wir vier A, nehmen wir noch<br />
Ausbeutung dazu, der Theatralik wegen. So, und da haben wir sie, die<br />
vier geilen A. Stößchen!<br />
202
Sobald die Menschen morgen keine Angst mehr haben, ist das der Tod<br />
des Kapitalismus. Scheiß auf die anderen drei A, sobald die Angst weg<br />
ist, rollen Köpfe. Nur wird die Angst so schnell nicht weg sein. Dafür<br />
trägt Vater Nachtwächter schon Sorge, das sollte allen klar sein. Und<br />
deswegen sind Idioten und Fremdopfer auch so elementar, so<br />
überlebenswichtig für unsere Gesellschaft: Sie erfüllen ihren Zweck und<br />
stellen keine Fragen. In fast allen Fällen sind sie noch dazu in irgendein<br />
soziales Gefüge wie z. B. eine eigene Familie eingebettet, wodurch das<br />
Ausbrechen aus dem System nahezu unmöglich wird. Absolut<br />
verständlich, absolut nachvollziehbar. Alles nur Menschen.<br />
Man muß sich nur einmal Frau und Kinder vorstellen, wie sie im trauten<br />
Eigenheim, welches irgendwann mit 60 oder 90 abbezahlt ist, vor der<br />
Glotze sitzen und auf Papa warten, wegen Abendbrot essen und so. Und<br />
auf einmal sehen sie den Papa mitten in der Glotze, wie er gerade von<br />
der Spielvereinigung Grün-Weiß als Staatsfeind Nummer Eins oder<br />
Zwei abgeführt wird, während im Hintergrund zeitgleich der lichterloh<br />
brennende Hypo-Real-Estate-Tower das Firmament des Münchener<br />
Abendhimmels hell erstrahlen läßt. Auweia. Das wäre dann aber mal<br />
eine ganz schöne Überraschung. Bißchen krass, sicher, aber mal ein<br />
gelungener Kontrast zum üblichen TV-Einheitsbrei.<br />
So weit wird es aber nie kommen. Denn als Mittdreißiger mit eigener<br />
Familie und pulsierenden, beruflichen Panikattacken bricht man nicht<br />
mehr aus dem System aus. Wer so lange das Spielchen mitgespielt hat,<br />
kommt nicht mehr raus. Der kann nicht mehr raus, und der will auch gar<br />
nicht mehr. Und falls doch, steckt ihn die eigene Sippe mal eben ganz<br />
nonchalant in die Klapsmühle, das sollte auch klar sein. Dann geht`s ab<br />
ins Kuckucksnest, zack, Zwangseinweisung, bißl plemm plemm und<br />
weg. Zack, weg, ab. Und die Sippe macht ein betroffenes Gesicht dazu<br />
und verfeiert nebenbei das schöne Krankengeld. Stößchen. Eine<br />
beunruhigende Vorstellung. Aber sehr lustig und durchaus möglich und<br />
auch wahrscheinlich. Und deswegen hält man besser gleich die Fresse.<br />
Ist besser. Schön Ruhe bewahren und gar nichts machen. Man kann sich<br />
das ja alles in der Phantasie ausmalen. Was man gern alles anzünden<br />
möchte oder wen man gern abknallen würde. Bloß nie laut aussprechen.<br />
Sonst ist man gleich weg vom Fenster! Schön ruhigbleiben, geht<br />
anderen auch nicht anders.<br />
203
Es wird nämlich jeder irgendwie ruhiggehalten, alle werden irgendwo<br />
ruhiggehalten. Damit man nicht gegen die stetig immer krasser<br />
werdenden Mißstände Amok läuft und durchdreht, so wie es der<br />
Franzose so gern praktiziert. Ja, ganz genau, der Franzose! Von den<br />
Franzosen mag man halten, was man will. Die meisten stinken. Aber<br />
wenn die ihre Schnauze voll haben, dann brennt es, und zwar im<br />
wahrsten Sinne des Wortes. Wenn die das Gefühl haben, verarscht oder<br />
gar beschissen zu werden, dann fackeln die nicht lange. Paar Gläschen<br />
Rotwein rein, zack, bißchen Mut antrinken, und ab geht die Post. Aber<br />
richtig. Für den verängstigten, trillerpfeifenden Deutschen natürlich<br />
keine Option, versteht sich von selbst. Widerstand muß immer<br />
gewaltfrei sein, ganz klar. Schöne Mahnwache, schöne bunte Plakate,<br />
schöne Lichterkette, geht ja nur um die Existenz. Sehr schön.<br />
So, jetzt ist die Katze aus dem Sack, wurde auch Zeit. Ruhigstellung ist<br />
das Wort der Stunde! Neben Sicherstellung haben wir nun also die<br />
zweite Stellung, nämlich die Ruhigstellung. Läuft eigentlich ganz simpel<br />
ab, viel simpler als die Sicherstellung. Denn die meisten halten sich<br />
bereits selbst ruhig, durch Kompensation. Sie wollen ihre Angst<br />
verdrängen, kompensieren, ersetzen. Durch extrem viel Sport oder<br />
Fressen oder Suff oder fragwürdige Freunde und dergleichen. Andere<br />
werden mit HartzIV und Aso-TV ruhiggestellt. Bißchen Miete und<br />
Kohle und Scheiße ohne Sinn in der Glotze, und Ruhe ist. Kann man<br />
sein Leben abseits der Realität schön weiterführen. Chatrooms, WOW,<br />
bißchen Internet-Flirt und kiffen und ficken dazu, paßt, reicht.<br />
Oder die Vollopfer. Die läßt man einfach machen, dann halten sie die<br />
dumme Fresse. Zumindest bei ernsten oder wichtigen Themen. Denn<br />
das tödlich banale Dummschwätzen wird niemals aufhören können.<br />
Niemals. Ist aber vielleicht auch besser so, denn wenn man sie machen<br />
und sabbeln und feiern läßt, spielen sie brav mit, Stößchen. Der<br />
überwiegenden Mehrheit fehlt sowieso jedwedes grundlegendes<br />
Verständnis für das, was überhaupt abgeht. Die haben ganz andere<br />
Sorgen, die müssen sich um ganz tolle andere Sachen kümmern.<br />
Wiederum andere stecken all ihre Gedanken und Energien in ihr Auto,<br />
in ihre Familie, in ihr Hobby oder in ihren faszinierenden Job. Ist auch<br />
eine Möglichkeit der Ablenkung und Akzeptanz, ganz klar. Und die<br />
204
überwiegende Mehrheit? Klar, die animiert man zum Saufen. Zu was<br />
denn auch sonst?! Drei Millionen Alkoholiker können nicht lügen. Die<br />
sprechen eine ganz deutliche Sprache, nämlich die Suff-Sprache. Keine<br />
Frage, Alkoholiker sind gern gesehen. Gut für jede Statistik und auch<br />
sehr dienlich zur Abschreckung. Uiuiui, kann ja doch alles noch viel<br />
schlimmer kommen, kann ja noch Alkie werden. Na das wäre ja was.<br />
Wäre man aus politischer Sicht wirklich und wahrhaftig gewillt, dem<br />
bösen Alkohol-Problem Herr zu werden, dann wäre das schon längst<br />
passiert. Dessen sollte sich mittlerweile jeder bewußt sein. Das läßt man<br />
aber lieber bleiben, denn das Problem an sich soll ja gar nicht gelöst<br />
werden. Alkies erfüllen ihren Zweck und halten die Fresse. Und nur<br />
darum geht es. Also lieber ganz tolle Aufklärungs-Kampagnen starten.<br />
Macht keinen Sinn, sieht aber wichtig aus. Problem gelöst.<br />
Und der Honk? Ja, jetzt kommt der Honk. Wie sieht der das wohl? Ganz<br />
klar, natürlich lehnt unser Honk den Kapitalismus samt seiner<br />
Auswirkungen und Marionetten grundlegend ab. Keine Angst. No Fear.<br />
Niemals, unter keinen Umständen. Politische Halbleichen und korruptes<br />
Manager-Gesockse gehen dem Honk sowieso komplett am<br />
Allerwertesten vorbei. Nimmt er erst gar nicht wahr. Vollständige<br />
Ingnoranz heißt das Zauberwort. Der Honk unterwirft sich niemals<br />
einem Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnis für schmale Kohle<br />
und auf Kosten seiner Menschenwürde, seiner Honkwürde. Keine<br />
Verängstigung, keine Ausnutzung eines Honk zugunsten einer<br />
positiveren Bilanz einiger Größenwahnsinniger mit Gottes-Komplex.<br />
Nie im Leben. Bevor es so weit kommt, baut der Honk selbst Kartoffeln<br />
und Gurken und Hanf an. Sorry, Frau Schaeffler, aber da kommen wir<br />
leider nicht zusammen.<br />
Hört sich ganz nach alternativem Lebensstil an? So von wegen mit ein<br />
paar anderen durchgeknallten Figuren zusammen in Badelatschen durch<br />
den Wald rennen, Beeren sammeln, Liedchen singen, Holz hacken,<br />
Eintopf kochen, Tischgebet aufsagen und dergleichen? Ach woher<br />
denn! Benz fahren macht Spaß, selbstgebrautes Bier schmeckt wie<br />
Katzenpisse, und auch Kokapalmen brauchen ein ganz spezielles Klima,<br />
die wachsen hier nicht. Alternativ können diejenigen leben, die das auch<br />
wollen. Die auch entsprechend alternative Bedürfnisse haben. Aber<br />
nicht der Honk, der hat andere Bedürfnisse.<br />
205
Weißt Du, Alan, da gibt`s nicht viel zu sagen. Ich arbeite wenig und<br />
verdiene dafür sehr viel. Ich schlafe mit schönen Frauen, die mich nicht<br />
nach meinen Gefühlen fragen. Ich fahre `nen Jaguar, wohne am Strand,<br />
und manchmal mixe ich mir am hellichten Tag -ohne, daß ich einen<br />
Anlaß dafür wüßte- einen gewaltigen Eimer Margaritas. Und dann<br />
schlafe ich auf der Terrasse ein.<br />
206<br />
(Charlie Harper)<br />
Der Honk ist auch nur ein Mensch. Und hat demzufolge auch relativ<br />
normale menschliche Bedürfnisse. Schnelle Autos, harte Drinks, heiße<br />
Miezen, na klar. Und was haben diese schönen Dinge gemein? Logisch,<br />
sie kosten Geld. Glücksspiel, Sportwetten und diverse andere<br />
Annehmlichkeiten dazu, und der Kreis schließt sich. Kostet alles Geld,<br />
viel Geld. Und diesen Umstand kann auch unser Honk nicht ignorieren.<br />
Es sei denn, er ist Zechpreller und Kleptomane. Ist er aber nicht. Und<br />
deshalb muß es auch für unseren Honk heißen: Waren und<br />
Dienstleistungen gegen Geld. Ganz einfache Kiste, ganz easy. Hier:<br />
Waren und Dienstleistungen � Geld<br />
So sieht das aus. Wir brauchen also Geld. Ziemlich viel Geld sogar.<br />
Spaß und Spiel kostet nicht viel. Von wegen. Vielleicht nicht für<br />
Kinder. Aber als Honk Mitte 30 hat man da schon ein paar andere<br />
Vorstellungen. Da kostet Spaß und Spiel ziemlich viel, zuweilen sogar<br />
unheimlich viel. Folglich brauchen wir auch ziemlich viel Kohle. Ja,<br />
genau, Kohle. Asche, Schotter, Kies. Moneten. Bling-Bling. Denn<br />
schließlich haben wir ja nur dem Kapitalismus abgeschworen, nicht aber<br />
dem Materialismus. Und dieser sagt: Ohne Moos nichts los. Gilt also<br />
auch für uns. Und heißt schlicht und einfach nur, daß wir Geld<br />
beschaffen müssen, ohne uns dabei der Knechtschaft kapitalistischer<br />
Zwangsarbeit zu unterwerfen. Und dies am besten noch weitestgehend<br />
im Rahmen von Recht und Ordnung, vgl. Punkt a) dieses Kapitels.
Also müssen wir unser eigenes Ding durchziehen. Eigene Arbeit auf<br />
eigene Tasche und stets unter Berücksichtigung der eigenen<br />
Entfaltungsmöglichkeiten. Aber hallo! Kollege Marx würde sich vor<br />
Verzückung im Grabe umdrehen. Wir erwirtschaften eigenständig das,<br />
was wir für unser Leben und unsere Familie brauchen. Hört sich irre an?<br />
Kein Stück. Irre gut vielleicht. Denn statt sich jeden Morgen um 7 Uhr<br />
an einem Terminal oder einer uralten Stechuhr einzuloggen, um dann<br />
irgendeiner hirnlosen Maloche nachzugehen, deren Produkt man<br />
komplett entfremdet ist, machen wir es anders. Als Honk haben wir<br />
diverseste Möglichkeiten, Kohle zu verdienen. Echt jetzt. Hier, zack, ein<br />
Buch geschrieben, ganz toll. Über irgendein dusseliges Thema.<br />
Honkland oder ähnlicher Blödsinn, vollkommen egal. Die eigenen<br />
Gedanken und Gefühle ausdrücken, ein paar Schuß Ironie, Fiktion und<br />
Sarkasmus hinzu, zack, fertig. Pure Selbstverwirklichung, kreative<br />
Entfaltungsmöglichkeit in reinster Form. Herrlich. Stößchen.<br />
Klar, kaufen und lesen muß es dann auch noch der ein oder andere<br />
Arsch. Aber das sollte nun wirklich unser kleinstes Problem sein. Denn<br />
in unserer verkorksten Gesellschaft findet sich für jede erdenkliche<br />
Paviankacke Kundschaft. Und was für Kundschaft, mein lieber Mann.<br />
Voll die Kunden! Je oller, desto doller. Phantastisch. Es dürfte also<br />
völlig außer Frage stehen, daß unser schönes Honkland ein Bestseller<br />
wird. Vielen Dank dafür im voraus. Abermals Stößchen.<br />
Und wenn man keine Zeit hat, so ein schönes Buch zu schreiben? Weil<br />
man unter der Woche 40 bis 50 Stunden Zwangsarbeit verrichten muß,<br />
um dann nach Feierabend und am Wochenende Sklave von Haus,<br />
Garten, Frau, Kind und Schützenverein zu sein? Naja, keine Ahnung,<br />
dann eben nicht. Dann eben kein Buch, kann ich dann auch nicht<br />
ändern. Selbst Schuld, könnte man sagen, man hat sich das ja so<br />
ausgesucht. Und außerdem gibt es noch zig weitere Möglichkeiten,<br />
eigenständig Kohle zu verdienen. Muß ja nicht jeder gleich ein Buch<br />
schreiben, wo kommen wir denn da hin?! Sonst müssen wir noch unsere<br />
Prognose ändern. Dann haben wir nämlich in 20 Jahren nicht mehr nur<br />
lauter Pop-, Top-, Super- und Pornostars, sondern ferner Heerscharen<br />
talentfreier Pseudo-Autoren, die über irgendeinen belanglosen<br />
Scheißdreck referieren, den kein normaler Mensch freiwillig lesen will.<br />
Nee, also das muß dann aber auch nicht sein.<br />
207
Nein, nein, nein, das möchten wir nicht. Und das war jetzt aber auch<br />
schon wieder ein klein wenig Overselling. Also eine leichte<br />
Überzeichnung des Sachverhalts. Denn natürlich verfügt nicht jeder<br />
über die erforderlichen Voraussetzungen, die vonnöten sind, um als<br />
lustiger Autor erfolgreich bestehen zu können. Oder konkret: Singen,<br />
tanzen, modeln und ficken ist zwar very hartes Business, ganz klar.<br />
Aber deutsche Sprache ist härter. Deutsche Sprache ist hammerhart,<br />
PISA läßt grüßen. Egal. Schreibt also nicht jeder ein eigenes Buch, und<br />
das ist auch gut so. Macht man halt was anderes.<br />
Alternativ könnte man mit Aktien zocken. Daytrading. Also Aktien<br />
kaufen und Minuten später idealerweise zu erhöhten Kursen wieder<br />
verkaufen. Müßte also eigentlich Minutetrading heißen. Äußerst<br />
spannende Sache, sehr adrenalinlastig, sehr nervenaufreibend, braucht<br />
man keinen Kaffee mehr. Schnell viel kaufen, schnell viel verkaufen.<br />
Nur niemals über Nacht liegenlassen. Denn wenn im Ami-Land mal<br />
wieder irgendein Penner Amok läuft, kann man sich am nächsten<br />
Morgen lieber gleich aufhängen, anstatt auf die aktuellen Kurse zu<br />
gucken. Man braucht also Nerven wie Stahlseile, ein bestimmtes<br />
Anfangskapital und ein entspanntes, ruhiges Umfeld. Letzteres dürfte<br />
für die meisten am schwierigsten zu realisieren sein. Also das Umfeld.<br />
Winziges Home-Office mit Hausdrachen und plärrenden Blagen im<br />
Nacken ist nämlich kein entspanntes Umfeld. Vielleicht mit fünf Gramm<br />
Gras pro Tag, aber das dann natürlich auf Kosten der eigenen<br />
Geschäftsfähigkeit. Kann ich nur von abraten, bringt nichts. Mit viel<br />
Pech wacht man dann eines Morgens im Garten auf, Frau und Kinder<br />
weg, dafür 10.000 Infineon oder vergleichbaren Super-GAU im Depot.<br />
Guten Tag auch. Da kann man dann gleich im Garten liegenbleiben, ist<br />
besser. Alles in allem also auch Daytrading nicht jedermanns Sache.<br />
208
Wenn Ihr Nervensystem nicht den Treibstoff erhält, den es von den<br />
Kohlenhydraten benötigt, entwickeln Sie eine gestörte Persönlichkeit.<br />
Und ich meine wirklich gestört. Jeder, der schon lange Bodybuilding<br />
betreibt oder sich damit beschäftigt und auch mal hinter die Kulissen<br />
geschaut hat, weiß, daß viele Bodybuilder verrückt sind. Ich habe sie<br />
merkwürdige Dinge machen sehen und frage mich oft, ob das nicht<br />
daraus resultiert, daß Sie zu lange kohlenhydratarme Diäten befolgen.<br />
209<br />
(Mike Mentzer)<br />
Wie wäre es denn vielleicht mit einer Karriere als Profi-Sportler? Wäre<br />
das nicht interessant?! Vielleicht als Bodybuilder? Das wäre doch was.<br />
Den ganzen Tag fressen und schlafen, ab und an mal ein Stündchen<br />
Hanteln schwingen und den Rest der Zeit Anabolika fixen. Eigentlich<br />
ein schönes Leben, wenn man darauf klarkommt. Denn daß Testosteron,<br />
Dianabol, Wachstumshormon und Insulin erhebliche physische<br />
Nebenwirkungen haben, sollte hinreichend bekannt sein. Im Idealfall<br />
noch ein paar Schlankmacher und Entwässerer dazu, und man kann<br />
Wetten darauf abschließen, ob einem der extreme Blutdruck zuerst Herz<br />
und Nieren sprengt, ob die Spongebob ähnelnde, löchrige Leber einem<br />
ein ebenso schönes gelbes Gesicht macht, oder ob man lieber gleich<br />
sehr stil- und schmerzvoll an einem Insulinschock stirbt.<br />
Hinzu addieren sich erhebliche psychische Nebenwirkungen und die<br />
Rentabilität des ganzen Unterfangens. Denn daß der ganze Stoff nicht<br />
nur auf die Organe, sondern auch erheblich auf die Birne geht, dürfte<br />
jedem klar sein, der schon einmal ein einschlägiges Fitness-Gym von<br />
innen sehen bzw. bestaunen durfte. Die roten, aufgedunsenen Rüben mit<br />
den irren Augen sprechen Bände. Da muß gar keiner mehr von denen<br />
das Maul aufmachen, ein irrer Blick reicht schon. Tiefgreifende<br />
Minderwertigkeitskomplexe in Verbindung mit einer durch Anabolika<br />
ausgelösten, aggressiven Bewußtseins- und Verhaltenstörung sind eine<br />
hochexplosive und brandgefährliche Mischung für alle Beteiligten.
Naja, und die Rentabilität des ganzen Unterfangens muß leider auch als<br />
ziemlich bescheiden bewertet werden. Die Leute, die professionell mit<br />
Bodybuilding ausreichend Geld verdienen und nach Abzug von<br />
Anabolika und Co. noch genug für ihren Lebensunterhalt übrig haben,<br />
kann man an zwei, drei Händen abzählen. Der Rest verstofft lediglich<br />
sinn- und planlos Kohle, Gesundheit und Birne. In anderen Sportarten,<br />
in denen man ein gewisses physisches Potential aufbringen muß, sieht<br />
es nicht viel anders aus. Alle voll zugedröhnt. Boxer, Gewichtheber,<br />
Radfahrer, Läufer, Werfer, Springer, einfach alle, deren Motto stärker,<br />
schneller, weiter, höher lautet. Alle dicht, alle voll. Und das ist auch gut<br />
und richtig so, weil ansonsten nämlich nichts mehr ginge. Zack, aus,<br />
Feierabend. Man muß sich nur einmal die ganzen Mädels beim<br />
Speerwurf ansehen, dann weiß man ganz genau, was Sache ist. Die<br />
haben Lat-, Trizeps- und Deltamuskeln, da wird jeder Mann neidisch.<br />
Und wenn dann wirklich mal einer positiv auf Doping getestet wird,<br />
dann rauscht es lustigerweise gleich im Boulevard-Blätterwald: Pfui,<br />
der war gedopt. Was natürlich immenser Quatsch ist. Richtigerweise<br />
müßte es nämlich heißen: Pfui, der hat nicht rechtzeitig abgesetzt. Das<br />
träfe den Kern ziemlich genau. Denn mittlerweile müßte eigentlich<br />
jedem Dämlack klar sein, daß im professionellen, überwiegend<br />
physischen Leistungssport alle bis unter die Halskrause vollgestofft<br />
sind. Alle zugedröhnt bis obenhin. Das nur mal so am Rande. Absetzen<br />
heißt das Zauberwort, kein Witz. Also schlicht und einfach<br />
Zeitmanagement. Den Zeitpunkt bestimmen, an welchem man seinen<br />
Stoff absetzen muß, damit er bei der nächsten unangekündigten (na klar)<br />
Kontrolle soweit aus dem Körper verschwunden ist, daß man als negativ<br />
getestet wird. Das ist alles. Nicht mehr, nicht weniger.<br />
Man denke zurück an den 09.12.1995. Sehr denkwürdiges Datum. Denn<br />
da gab es den Boxkampf Francois „Franz“ Botha gegen Axel<br />
„Fackelmann“ Schulz. Botha gewann den Kampf nach Punkten, wurde<br />
nachträglich jedoch wegen einer positiven Dopingprobe disqualifiziert.<br />
Da hieß es: Pfui, der fette Franz hat gedopt. Natürlich. Wie gut, daß<br />
Wladimir und Vitali nur deshalb wie He-Man und Hulk aussehen, weil<br />
sie täglich 14 Stunden trainieren und 30 Milchschnitten fressen. Egal.<br />
Auf jeden Fall hatte man sich auf den bösen Onkel Franz eingeschossen.<br />
Das Böse war wieder einmal personifiziert.<br />
210
Sieben Jahre zuvor, bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul, hatte<br />
man noch Ben Johnson am Wickel. Nicht nur, weil er wie ein Wrestler<br />
oder Bodybuilder aussah, nein, dummerweise hatte er sein Winstrol<br />
auch nicht rechtzeitig abgesetzt. Was ziemlich schlecht war und auch<br />
sehr schade, denn daraufhin wurde ihm nicht nur seine schöne<br />
Goldmedaille, sondern auch sein schöner Weltrekord (9,79 Sekunden<br />
auf 100 m) aberkannt. Was wiederum tragisch war, weil er lediglich zu<br />
spät abgesetzt hatte. Nur weil die Sprinter heute wie 12-jährige<br />
Schulmädchen aussehen, heißt das nicht, daß sie ungedopt sind. Denn<br />
auch im Profisport lernt man dazu. Und deshalb greift man heute zu<br />
Mittelchen, die einen schnell und stark machen, ohne einem dabei die<br />
Optik eines bulgarischen Powerlifters zu verleihen.<br />
Mittlerweile hat man sich auf den Radsport als Achse des Bösen<br />
eingeschossen, was für eine Überraschung. Los ging`s mit Jan „Ecstasy“<br />
Ullrich, der natürlich noch nie im Leben gedopt hat. Es folgten etliche<br />
weitere Fälle, bis sich irgendwann selbst der letzte Zweckoptimist<br />
eingestehen mußte, daß die Tour de France nur noch eine Tour<br />
d`Apotheke ist. Also mußte wieder ein Butzemann her, das Böse mußte<br />
erneut personifiziert werden. Kein Thema, nehmen wir doch diesmal<br />
den fiesen Doc Fuentes mit all seinem widerlichen EPO,<br />
Blutplasmakonserven und Wachstumshormonen. Also Sack über den<br />
Kopf, Knüppel drauf, zack, Radsport wieder sauber. Stößchen.<br />
Ist natürlich nicht Stößchen, ist Blödsinn. Selbst die Jungs und Mädels<br />
bei den Paralympics ballern sich heute zu. Zuballern und rechtzeitig<br />
absetzen, nur darum geht es. Funktionäre und Medien verschleiern das<br />
gern, indem sie ein paar positiv getestete Athleten ganz plakativ und mit<br />
entschiedener Härte ans öffentliche Kreuz nageln, und gut ist. Sport<br />
wieder sauber, erhobener Zeigefinger, und weiter. Business as usual,<br />
show must go on. Das Ganze ist natürlich ein einziges Lügen-<br />
Kartenhaus, welches akribisch vor dem nahenden Einsturz bewahrt<br />
wird, weil man nicht weiß, wie die Öffentlichkeit darauf reagieren wird.<br />
Die breite Masse wird also zielgerichtet und vorsätzlich belogen. Aus<br />
Angst vor den etwaigen Folgen. Und genau deswegen kann man als<br />
Honk auch kein Profisportler werden. Lug, Betrug und Steroide sind<br />
eine Mischung, die einem Honk auf das zarte Mütchen schlagen<br />
könnten. Und das möchte man als sensibler Honk lieber vermeiden.<br />
211
Sonst endet man noch wie die arme, unschuldige Frau Pechstein...<br />
Also besser nicht. Doch wie sieht es mit anderen Sportarten aus?<br />
Vielleicht mit solchen, bei denen der mentale Faktor bzw. die<br />
Konzentration eine zentrale, übergeordnete Rolle spielt? Schach oder<br />
Billard womöglich? Nein, todlangweilig. Bißchen mehr Action darf es<br />
dann doch sein. Wir wäre es mit Autorennen? Vielleicht Formel 1?<br />
Können wir leider auch gleich wieder vergessen. Da hätten wir schon<br />
mit drei Jahren irgendwie anfangen müssen, irgendwas zu fahren.<br />
Frisiertes Bobby-Car oder Formel ADAC oder ähnlicher Kokolores.<br />
Hinzu kommt, daß wenn man sich mal die Piloten von heute ansieht,<br />
wird man feststellen müssen, daß diese eher einem Schulstreber ähneln<br />
als einem draufgängerischen Heißsporn und Teufelskerl. Zu aktiven<br />
Zeiten von Nicki Lauda wäre das noch richtig geil gewesen, heute eher<br />
nicht mehr. Also auch nichts für uns, auch nichts für Honks.<br />
Ohne mich jetzt zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen, befürchte<br />
ich dann aber leider doch, daß eine Karriere als Profisportler für die<br />
meisten von uns nicht mehr in Betracht kommt. Mit vielen<br />
Randsportarten läßt sich eh keine Kohle verdienen. Zumindest nicht<br />
genug, um davon leben zu können. Und wenn man sich schon die<br />
Gesundheit ruiniert, dann sollte zumindest auf der finanziellen Ebene<br />
was dabei rumkommen. Das war ja unser primäres Anliegen dabei.<br />
Kohle verdienen. Weitestgehend jenseits des Kapitalismus. Und dies<br />
wird mit Sport nicht klappen können, weil wir bei den meisten<br />
Sportarten auf Sponsoren und Verträge angewiesen wären, um unser<br />
Leben finanzieren zu können. Also von Kapitalgebern abhängig, was<br />
wir ja gerade vermeiden wollten. So sieht`s mal leider aus. Und für die<br />
richtig geilen Sportarten, die uns Bewunderung, Ruhm und finanzielle<br />
Unabhängigkeit garantieren, sind wir bereits zu alt. Mit Ende 20 oder<br />
Anfang 30 werden wir kein Cristiano Ronaldo oder Roger Federer<br />
mehr. Also Sport bitte ganz schnell wieder vergessen, zumindest als<br />
Mittel zur Finanzierung des Lebensunterhalts.<br />
212
Einen Australier mit Känguru zu fotografieren, das ist ungefähr so, wie<br />
einen Deutschen mit einer Bratwurst im Arm abzulichten.<br />
213<br />
(Joshua Kennedy)<br />
Keine Ahnung, was man sonst noch anstellen könnte. Vielleicht eine<br />
Dönerbude aufmachen. Als Deutscher. Eine schöne, deutsche<br />
Dönerbude. Sehr zeitgemäß. Könnte klappen. Schön Schweinshaxe und<br />
Sauerkraut im Weißbrot, dazu Weizenbier. Altdeutscher Döner<br />
sozusagen. Und das Ganze am besten in Berlin-Kreuzberg. Standort-<br />
Optimierung. Lustige Vorstellung. Aber leider nicht realisierbar, denn<br />
ruckzuck hat man das ganze Pack am Hals. Und damit meine ich nicht<br />
unsere warmherzigen, ausländischen Freunde, sondern vielmehr<br />
Lebensmittelkontrolleure, Gesundheitsamt, GEZ und ähnliche<br />
Muffpoken. Auflagen, Abgaben, Beiträge. Voll zum Kotzen. Soviel<br />
Döner kann man gar nicht verkaufen. Zumindest nicht für drei Euro pro<br />
Stück. Selbst mit extrem kross angebratener Gammel-Haxe nicht. Da<br />
braucht man gar nicht erst losgehen, es wird nicht funktionieren.<br />
Und wenn dann auch noch so ein krummer Vogel auf der Matte steht<br />
und zwielichtig und unheilschwanger rumglotzt und rumnervt, ob denn<br />
auch das Rauchverbot eingehalten wird oder ob die sanitären Anlagen<br />
einem gewissen Standard entsprechen oder die hauseigene Kühlung in<br />
Ordnung ist, dann ist sowieso alles vorbei. Nachdem man den dann<br />
zusammenschlagen oder anderweitig mißhandeln mußte, wird einem der<br />
Laden eh dichtgemacht. Und zwar ratzfatz, und auch ohne mit der<br />
Wimper zu zucken. Zack, zu ist das Ding. Und vor allen Dingen dann<br />
auch ohne ein paar Milliönchen staatliche Subventionen vorher, sollte<br />
auch klar sein. Wir heißen nämlich leider nicht AIG oder xyz-Bank,<br />
nein, wir heißen Kreuzberger Preußen-Schänke oder Germanischer<br />
Haxen-Grill. Und können somit Subventionen jeder Art von Anfang an<br />
vergessen. Allein der Name ist schon viel zu tight für jedwede<br />
Subvention-Competition.
Wir müssen also leider feststellen, daß unser Unterfangen, Geld zu<br />
beschaffen, ohne uns dabei der Knechtschaft kapitalistischer<br />
Zwangsarbeit zu unterwerfen, nicht ganz einfach zu bewerkstelligen ist.<br />
Was natürlich auch Sinn und Zweck der Übung ist. Denn wenn es so<br />
simpel wäre, jenseits der Mauern des Kapitalismus eigenständig und<br />
unabhängig sein Geld zu verdienen, würden sicher viele von uns die<br />
Chance nutzen wollen, so viel steht mal fest. Dies ist aber gar nicht so<br />
sehr erwünscht und auch nicht so gern gesehen. Weil es den<br />
Kapitalismus aushebeln, schwächen und mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
letztendlich auch zugrunderichten könnte. Und das sehen unsere<br />
modernen Lehnsherren aus Politik und Wirtschaft natürlich nicht gern.<br />
Unsere Staats-, Politik- und Wirtschaftsoberhäupter sehen das sogar<br />
nicht nur nicht gern, sondern möchten das auch mit allen möglichen<br />
Mitteln verhindern. Was nur allzu gut verständlich ist, denn sie sind<br />
diejenigen, die am meisten vom Kapitalismus profitieren. Die großen<br />
Nutznießer, die charmanten Profiteure, die smarten Gewinner, unsere<br />
Helden auf der großen Bühne des Kapitalismus. Nur deswegen das<br />
ganze Theater, nur deswegen der ganze Zirkus. Nur darum geht es. The<br />
King of Bling-Bling, na klar. Die ganzen Ruhigstellungen,<br />
Reglementierungen, Besteuerungen, Verängstigungen und ähnlicher<br />
Wahnsinn. Alles zum Wohle des schönen Kapitalismus. Nein, sorry, es<br />
muß ja freie Marktwirtschaft heißen. Nein, nochmals sorry, es muß ja<br />
sogar soziale Marktwirtschaft heißen. Das ist ja noch viel besser. Weil<br />
das ja alles so durch und durch und so überaus sozial hier abgeht. Wer<br />
hätte das gedacht?! Auf die soziale Marktwirtschaft! Stößchen!<br />
Insoweit bleibt nur festzuhalten, daß es alles andere als einfach ist, in<br />
unserer tollen sozialen Marktwirtschaft eigenständig, zwangfrei und<br />
weitestgehend legal Geld zu beschaffen. Viele müssen sich leider in ein<br />
kapitalistisches Abhängigkeitsverhältnis begeben, um überleben zu<br />
können. Politik und Wirtschaft schüren die kapitalistischen<br />
Todesängste, weil sie davon am meisten profitieren. Rentable oder<br />
kreative eigene Ideen -beispielsweise eine Ein-Euro-Kornbrennerei oder<br />
professionelles Glücksspiel- werden durch staatliche Auflagen ganz<br />
bewußt und bereits im Keim erstickt. Und sollte jemand in größter Not<br />
auf illegale Mittel zur Beschaffung von Finanzen zurückgreifen, wird<br />
dies von Vater Nachtwächter drakonisch sanktioniert.<br />
214
Es wird also alles Menschenmögliche getan, um den Großteil der<br />
Bevölkerung in einem maroden System zu halten. Systembindung<br />
genießt höchste Priorität. Das funktioniert heute jedoch nicht mehr so<br />
einfach wie noch vor einigen Jahren. Es wird immer schwieriger, weil<br />
immer mehr Menschen anfangen, selbst zu denken. Also richtig selbst,<br />
nicht irgendeine fremdgesteuerte Pseudo-Meinung, die man sich<br />
vermeintlich objektiv aus dem Bullshit herauskristallisiert hat, den uns<br />
Politik, Wirtschaft und Medien tagtäglich auftischen. Nein, richtiges<br />
eigenes Denken. Man soll es nicht für möglich halten. Ich persönlich<br />
würde eher auswandern und eine Bratwurst-Bude in Kasachstan oder<br />
auf Teneriffa eröffnen. Oder Tasmanische Teufel in Australien<br />
beschneiden, ginge auch. Und es gibt einen Haufen Leute, die das lieber<br />
heute als morgen sehen würden. Und das ist auch gut so und vor allen<br />
Dingen auch völlig egal, solange der Weg nicht wieder zurück in die<br />
kapitalistische Matrix führt. Alles andere ist vorstellbar, aber keine<br />
Systembindung mehr für den Honk. Der Honk ist draußen. Und wem<br />
das jetzt aber nicht paßt, dem kann ich dann aber auch nicht helfen.<br />
Jeder kann sich also vermeintlich frei entscheiden. Vermeintlich<br />
deshalb, weil viele interne und mindestens genauso viele externe<br />
Faktoren bei der Entscheidung berücksichtigt werden müssen. Nur sehr<br />
wenige Fremdopfer trauen sich den doch recht radikalen Schritt zum<br />
Honk. Dieser sollte daher bereits im Vorfeld gründlichst überdacht sein.<br />
Wer allerdings einmal an dem Punkt angekommen ist, wo es für ihn fast<br />
täglich unerträglicher wird, ein immer ängstlicher werdender Teil eines<br />
immer unsicherer werdenden Systems zu sein, der sollte seinen letzten<br />
Rest Mut und seinen letzten Funken Hoffnung aufraffen und aussteigen.<br />
Dem System, dem Kapitalismus, dem Wahnsinn entsagen. Rigoros, mit<br />
allen dazugehörigen Konsequenzen. Honk werden. Frei werden.<br />
Bißchen verrückt vielleicht, aber frei. Oder vielmehr frei und ein ganz<br />
klein wenig verrückt. Nette Kombi, geile Kombi, irre Kombi. Ja, irre,<br />
völlig irre. Wie sonst könnte man wohl das literarische<br />
Kabinettstückchen bewerkstelligen, die Themen Kapitalismus und<br />
Doping im Leistungssport in ein und demselbem Kapitel abzuhandeln?!<br />
Einfach geil, einfach irre. Eine irre Kombi!<br />
Stößchen!<br />
215
Der Kapitalismus hat gesiegt! Was brauchen wir noch den kritischen<br />
Geist? Wir laben uns lieber am Senf von Verona Pooth, Udo Walz oder<br />
Dieter Bohlen.<br />
bb) In der Glotze<br />
216<br />
(Michael Müller)<br />
Okay, zugegeben: Die letzten Seiten zum Thema Kapitalismus waren<br />
ziemlich harter Tobak und sicherlich auch nicht für jeden gleich auf<br />
Anhieb verständlich. Ist aber auch gar nicht weiter schlimm, macht<br />
nichts. Es ist okay. Zumindest dann, wenn dem ein oder anderen gegen<br />
Ende der Exkursion dann doch aufgefallen sein könnte, daß der Honk<br />
nicht unbedingt ein Freund kapitalistischer Unterdrückung ist. Wenn<br />
wir das bitte als einschlägigen Tenor mitnehmen könnten. Das wäre<br />
ganz gut, damit wäre uns schon sehr geholfen. Denn nur darum ging es.<br />
Das war Sinn des Exkurses, Zweck der Phrasendrescherei, Ziel des<br />
Overselling. Wobei eigentlich gar nicht so viel gedroschen und oversold<br />
wurde, wenn ich es mir mal so recht überlege.<br />
Sei`s drum. Die letzten Seiten waren harter Tobak, böse Realität,<br />
traurige Wahrheit. Krasses Zeug. Zeit für ein wenig Antagonismus, Zeit<br />
für eine etwas seichtere Thematik. Und was könnte seichter sein als ein<br />
kleiner Ausflug nach Bizarro-World?! Nichts. Rein gar nichts. Ein<br />
letzter kleiner Ausflug in die große, bunte, weite Welt des televisionären<br />
Wahnsinns. Leider. Leider muß es wieder sein. Es führt kein Weg daran<br />
vorbei, der Zweck erfordert es. Denn es ist an der Zeit, zu eruieren, ob<br />
und wie sich unser Honk als Ignorant auf der großen Bühne von Aso-<br />
und Opfer-TV präsentieren kann. Was tut er? Tut er überhaupt etwas?<br />
Kann er es ignorieren? Will er es ignorieren? Darf er es überhaupt<br />
ignorieren? Oder muß er es letzten Endes sogar ignorieren? Diese und<br />
weiterführende Fragen werden im Laufe dieses Kapitels nun zu erörtern<br />
und zu beantworten sein.
Auf geht`s, Ladies and Gentlemen. Bitte schnallen Sie sich fest an,<br />
stellen Sie Ihren Sitz in eine aufrechte Position, wir starten in eine neue<br />
Runde telemedialen Dünnschiß. Für den Autor heute bitte nur einen<br />
doppelten Gin Tonic. Denn es ist erst 17 Uhr morgens, und er hat letzte<br />
Nacht nur 13 Stunden geschlafen. Fahr` ab die Scheiße:<br />
17.00 Uhr, PRO7, taff.<br />
Eine gerade volljährige Vollidioten hat sich 50 oder 100 schwarze<br />
Sterne mitten in die dumme Fresse tätowieren lassen und findet das jetzt<br />
aber gar nicht mehr gut, was ich aber gar nicht verstehen kann. Denn ich<br />
finde das total geil, endgeil, sieht total endgeil aus. Fast so endgeil wie<br />
Pubertäts-Akne. So endgeil sieht das mal aus. Anzahl der Sterne<br />
synchron zur Höhe des IQ. Boing. Egal. Kann und will ich mich heute<br />
nicht mit befassen. Auch Schwachsinn kennt Grenzen. Außerdem haben<br />
wir das ranzig-debil-banale taff-Format bereits im Rahmen der<br />
Abhandlung unseres Vollopfers erschöpfend analysiert. Muß reichen,<br />
mehr geht nicht. Andere Formate sollen auch ihre Chance bekommen.<br />
18.00 Uhr, RTL, Explosiv - Das Magazin<br />
Auch nicht besser. Eher noch schlechter. RTL halt. Thematisiert wird,<br />
wie irgendein Kerl namens Nico Schwanz mit irgendwelchen<br />
Nageltanten -sorry, Nail-Desingerinnen muß es ja heißen- abwechselnd<br />
in einem Whirlpool sitzt. Und mit denen über ihre hübschen, langen,<br />
bunt angemalten Plastik-Krallen -bei denen jeder halbwegs normale,<br />
unperverse Mann das krasse Kotzen kriegt- dummschwätzt. Besten<br />
Dank auch. Und herzlichen Glückwunsch, denn genau das hat der Welt<br />
noch gefehlt: Nageltanten und ein weiterer F-Promi. Stößchen.<br />
20.15 Uhr, VOX, Goodbye Deutschland! Die Auswanderer<br />
Vielleicht VOX? Vielleicht die Auswanderer? War doch eine Zeit mal<br />
ganz interessant und spannend anzusehen. Die Betonung liegt auf war.<br />
Denn seit gefühlten 500 Folgen berichten die da hauptsächlich über<br />
irgendeine extrem hohl-blondierte Plastik-Uschi so Anfang 20, die<br />
irgendwo in Amerika rumkaspert und deren Primärziel es ist, in den<br />
Puff dieses komischen alten Tattergreises vom Playboy einzuziehen.<br />
217
Und bis das dann irgendwann so weit ist oder auch nicht, wird der<br />
faszinierte Zuschauer mit jedem noch so bescheuerten Detail dieses<br />
spannenden Aufenthaltes beglückt. Denn wenn Amerika eines gefehlt<br />
hat, dann doch wohl eine hirn- und bauchfreie Plastik-Blondine, die<br />
singen, tanzen oder ficken will. Spitze. Und VOX läßt uns an diesem<br />
denkwürdigen Ereignis mit solch einer fulminanten Detailverleibtheit<br />
teilnehmen, daß einem die Haare zu Berge stehen. So dürfen wir also<br />
unter anderem Zeuge werden, wie die kleine Frutte in einem<br />
Freizeitpark Achterbahn fährt oder sich in ihrer Bude mit Aerobic-<br />
Übungen den Babyspeck wegtrainieren will, weil ein Fotoshooting<br />
bevorsteht. Danke, liebes VOX-Team. Und God bless America.<br />
Und während ich so etwas verdutzt in die Küche schlendere und<br />
schlurfe, um mir dort einen weiteren, diesmal dreifachen Gin Tonic<br />
zuzubereiten, drängt sich mir geradezu eine Frage auf. Eine etwas<br />
verwegene, für mich jedoch einzig logische Schlüsselfrage: Kann man<br />
die Dussel-Usch von VOX nicht einfach bei dem Schwanz-Mann auf<br />
RTL mit in den Pool reinsetzen? Würde doch Sinn machen, oder?!<br />
Merkt doch keiner den Unterschied. Eine Nageltante mehr oder weniger<br />
im Pool, fällt doch keinem auf. Dem RTL-Stammpublikum sowieso<br />
nicht. Zack, ab, rein da. Ab zu den anderen Uschis, ab in den Pool. Ab<br />
zum Schwanz-Mann! Und dafür dann auf VOX bei Goodbye<br />
Deutschland was zeigen, was dem Hirn nicht permanent den Anschein<br />
vermittelt, es befinde sich in der Endlos-Rille einer hauchdünnen und<br />
extrem flachen Langspielplatte. Geht aber ganz offensichtlich nicht, und<br />
deswegen beruhigen wir unser geschundenes Hirn lieber mit einem<br />
ordentlichen Schluck pur aus der Gin-Pulle und schalten um.<br />
22.15 Uhr, RTL, Extra - Magazin<br />
Zurück zu RTL. Auweia. Neuer Anlauf, diesmal Extra. Mit Birgit<br />
Schrowange. Mit Biggi. Komm` schon, Biggi-Baby, laß mich nicht<br />
hängen. Ich fand Dich schon immer ganz gut, insbesondere verglichen<br />
mit Deinen komischen Kolleginnen von RTL. Hilf mir, Baby, rette<br />
meine beknackte Geschichte. Hilfe! Und in der Tat, in der Tat, Biggi<br />
hilft mir wieder einmal. Einmal mehr zieht die Biggi meinen Hals aus<br />
der sprichwörtlichen Schlinge. Aber das habe ich mir schon vorher<br />
denken können. Und nur deshalb habe ich auf RTL umgeschaltet.<br />
218
Denn Biggi bzw. Extra bringt nun einen total lustigen Bericht über<br />
einen ehemaligen Promi-Friseur so um die 60, der seine ganze Kohle für<br />
eine Prostituierte verbraten hat. Wie geil ist das denn wieder?! Der war<br />
also mal mit Kollegen im Puff, hat dann da eine Nutte gesehen und sich<br />
in die verliebt. Phantastisch! Aber gar nicht mal so abwegig, ist einem<br />
Kumpel von mir auch mal passiert. Echt jetzt. Unser Friseur hat also<br />
gepimpert und gepimpert und gepimpert (genau wie unser Melvin) und<br />
gezahlt und gezahlt und gezahlt. Die Nutte ist dann irgendwann bei ihm<br />
eingezogen, unser Friseur hat all ihre Schulden bezahlt und ihr<br />
obendrein noch einen monatlichen Festbetrag überwiesen. So, und wie<br />
die Geschichte ausgegangen ist, kann sich jetzt wohl jeder Depp an fünf<br />
Fingern abzählen. Als kein Geld mehr da war, war die Nutte auch<br />
ruckzuck weg. Zack. Weg. Vorbei mit Stößchen, im wahrsten Sinne des<br />
Wortes. Wir eruieren hieraus eine weitere Kernthese, einen weiteren<br />
Leitsatz unseres schönen Buches:<br />
Geld weg, Nutte weg.<br />
Ursache und Wirkung. Unvermeidliche Kausalität. Und ein trauriges,<br />
zurückgelassenes Fremdopfer. Das jetzt wieder losgehen und Haare<br />
schnippeln muß. Was für ein Schicksal, der Kerl tut mir echt leid. Aber<br />
wie kann man denn auch so schräg drauf sein und einer Nutte ein paar<br />
hunderttausend Euro in den Arsch blasen?! Und als hätte man mich<br />
erhört, zeigen sie bei Extra auch gleich ein paar Nutten, die ganz offen<br />
zugeben, daß sie es gerade darauf anlegen. Also daß sich ein Stecher in<br />
sie verliebt. Der zahle dann großzügiger und sei generell auch<br />
spendabler als andere. Den könne man besser ausnehmen.<br />
Was für eine Farce! Sich von einer Nutte ausnehmen lassen. Das geht ja<br />
mal gar nicht. Ich kenne das nur umgekehrt. Also hinterher sagen, daß<br />
es voll übel war und nichts bezahlen. So kenne ich das, so muß das sein.<br />
Aber umgekehrt?! Ungeheuerlich. Armer Friseur. Muß nun auch noch<br />
sein letztes bißchen Würde verkaufen, indem er seine Story an RTL<br />
verhökert. Vielleicht für 2.000 oder 3.000 Euro, vielleicht weniger.<br />
Ganz traurige Geschichte. Und das ist ja nicht Sinn der Veranstaltung.<br />
Denn wenn der Honk traurig wird, muß er sich wieder besaufen. Also<br />
wie bei jeder anderen Gefühlsregung auch. Lieber schnell umschalten.<br />
Mal sehen, was SAT.1 so im Programm hat.<br />
219
23.20 Uhr, SAT.1, 24 Stunden<br />
Geiles Thema: Kids im Vollrausch. Saufen, bis der Arzt kommt.<br />
Endgeil. Endlich mal Stimmung. Aber auch nur, weil die Kids so krass<br />
geil besoffen sind. Total witzig. Ansonsten gleicht die Thematik eher<br />
einem alten Hut. Kennt jeder, weiß jeder, interessiert keinen. An der<br />
Wurzel der Problematik wird eh nicht angesetzt, und daher können sie<br />
noch so oft irgendwelche Kontrolleure zeigen, die den Kiddies den Stoff<br />
wegnehmen oder den Kiosk-Betreiber von nebenan verwarnen. Es nützt<br />
nichts, es nützt rein gar nicht, es ändert sich nicht das Geringste. Woher<br />
denn auch?! Solange Vater Nachtwächter unseren Kiddies keine<br />
Perspektiven bietet, wird weiter gesoffen, als gäbe es kein Morgen<br />
mehr. Das ist genauso sicher wie die Geld-Nutten-Thematik von eben.<br />
Also auf einen knappen Nenner gebracht:<br />
Wenig Perspektive, viel Suff.<br />
So, und wer jetzt aber extrem clever sein will, kann daraus ein ganz<br />
tolles positives Ziel ableiten. Im Idealfall könnten sogar unsere<br />
Halbleichen in Berlin mal ein kleines Äuglein hierauf riskieren. Zack:<br />
Mehr Perspektive, weniger Suff.<br />
Na, ist das zu fassen?! Wobei das jetzt natürlich auch sehr schwer zu<br />
eruieren war. Furchtbar schwer. Insoweit nur allzu gut verständlich, daß<br />
da noch keiner in Berlin von selbst drauf gekommen ist. Echt schwer.<br />
Und ich bin auch gar nicht mal sicher, ob das überhaupt alles stimmt.<br />
Denn irgendwie bringen ja diverse Kampagnen, Verbote und Kontrollen<br />
erheblich mehr. Sieht man ja ganz deutlich anhand unserer Kids und<br />
deren Koma-Saufen. Perspektiven für die Kids zu schaffen, wäre dann<br />
wohl doch zu einfach. Also besser weiter saufen, aber den erhobenen<br />
Zeigefinger beachten, den Fingerpoke of Doom. Denn ganz nebenbei<br />
muß ja auch die zukünftige prozentuale Alkoholiker-Rate gesichert<br />
werden. Also Stößchen! Auf die Zukunft, auf die Alkies!<br />
220
Na und, dann bin ich halt mit einem Alkoholiker zusammen und habe<br />
ein Kind mit ihm. Und weißt Du was?! Da bin ich stolz drauf, weil ich<br />
ihn liebe tue.<br />
221<br />
(15-jährige Vollidiotin auf PRO7)<br />
Neuer Tag, neues Glück? Schön wär`s. Neuer Tag, dieselbe Scheiße.<br />
Das trifft es schon eher. Ich weiß auch gar nicht mehr, warum ich es<br />
getan habe. Ich weiß nur noch, daß ich wie gewohnt gegen 16.10 Uhr<br />
auf Kabel1 die Serie Two and a half Men anschauen wollte. Mit Charlie<br />
Sheen, falls den noch einer kennt. Aus Wallstreet und so. Egal. Auf<br />
jeden Fall war es noch keine 16.10 Uhr, sondern erst 15.30 oder 15.40<br />
Uhr oder so. Keine Ahnung, irgendwas in der Richtung. Warum ich die<br />
Glotze schon so früh angestellt habe, entzieht sich komplett meiner<br />
Kenntnis. Wahrscheinlich Verwirrtheit oder Kopf-Kirmes oder sogar<br />
psychischer Burnout, von der ganzen irren Schreiberei hier. Wie auch<br />
immer, die Glotze war zu früh an und dazu auch noch falscher Kanal.<br />
Ich hätte es besser wissen müssen:<br />
15.00 Uhr, PRO7, U20 - Deutschland, deine Teenies<br />
Zack! Der Hauptnerv! Getroffen! Ich habe den Hauptnerv getroffen!<br />
Den Hauptnerv des Aso-TV. Zufällig und ungewollt. Aso-TV in seiner<br />
reinsten, unverfälschten Form. Halleluja! Aso-TV at it`s Best!<br />
Unglaubliche Szenen. Unfaßbare Protagonisten, unfaßbare Dialoge,<br />
unfaßbare Djangos. Djangos und Honchos. Ein Honcho geiler als der<br />
andere. Was für Honchos! Goon Honchos, leck` mich einer am Arsch.<br />
Alle voll auf irgendwas hängengeblieben. Aber auf nichts Gutem, so<br />
viel steht mal fest. Meine Fresse. Aber trotz aller Begeisterung und<br />
Euphorie schön der Reihe nach. Wie gesagt, glücklicherweise habe ich<br />
die Glotze erst so gegen 15.30 bis 15.40 Uhr eingeschaltet. Und<br />
wahrscheinlich sitze ich nur deshalb heute noch aufrecht hier und bin in<br />
der Lage, die Geschehnisse aufzuschreiben.
Und die Geschehnisse überschlagen sich, das kann man schon einmal<br />
vorwegnehmen. Zuerst dürfen wir miterleben, wie ein total tighte und<br />
tierisch taffe (wunderschöne T-Alliteration) 14-jährige Gangsta-<br />
Checka-Sista eine Art Entschuldigungsbrief an eine kleine 18-jährige<br />
Uschi schreibt, die im Krankenhaus liegt, weil sie ein paar Tage zuvor<br />
von der 14-jährigen und ihrer Gang verdroschen wurde. Soll<br />
vorkommen, kann passieren, Schwamm drüber. Beraten wird unsere 14jährige<br />
Killer-Queen dabei von ihrer 15-jährigen Schwester, die<br />
mindestens dreimal so viel wiegt und die Weisheit auch nicht gerade mit<br />
Löffeln gefressen hat, dafür aber -logisch- bereits stolze Mami ist.<br />
Führung, Stil und Inhalt des Dialoges zwischen den beiden<br />
geschwisterlichen Leuchten legen die Vermutung nahe, daß für beide<br />
ein Hauptschulabschluß in galaktisch weiter Ferne stehen dürfte.<br />
Das ist aber auch gar nicht weiter relevant oder schlimm, muß nämlich<br />
alles gar nicht sein. Gibt ja wohl auch noch was anderes als Schule im<br />
Leben. Und wie auf Kommando schwenkt die Kamera auf die<br />
gegenüberliegende Straßenseite, wo dem faszinierten Zuschauer eine<br />
Horde besoffener Penner mit Fusel-Pullen präsentiert wird. Die torkeln<br />
und blöken und blödeln herum, prosten sich zu, lallen umher. Was<br />
besoffene Penner eben so tun. Stößchen. Einer der Penner hält in der<br />
einen Hand seine leckere Pulle und in der anderen Hand ein kleines<br />
Baby. Ein schlichtes, jedoch höchst ergreifendes Bild.<br />
Und für all diejenigen, bei denen der Groschen etwas langsamer bis gar<br />
nicht fällt: Natürlich ist die arme Kreatur, die unser Schluckspecht da<br />
stolz und besoffen emporstreckt, sein Baby. Vielmehr gemeinsames<br />
Baby von ihm und der 15-jährigen Tonne. So wird es uns zumindest<br />
glaubhaft berichtet. Aber muß ja nicht zwangsläufig stimmen, ist bei<br />
den Protagonisten des Aso-TV ja manchmal nicht so ganz einfach.<br />
Sexuelle Ungereimtheiten stehen bei denen an der Tagesordnung, um es<br />
mal vorsichtig zu formulieren. Aber wir wollen das hier mal so<br />
hinnehmen und den glücklichen Eltern alles Gute wünschen. Prost. Eine<br />
glückliche Familie, eine sehr sinnvolle Konstellation. Und als hätte sie<br />
uns gehört, beendet unsere 15-jährige Gracia Patricia den Dialog mit<br />
ihrer leicht denkfaul anmutenden Schwester und gesellt sich nebst<br />
Kinderkarre zu der illustren Penner-Runde. Stößchen!<br />
222
Damit ist eigentlich alles gesagt. Saufen, schlagen, ficken, doof.<br />
Deutschland, Deine Teenies. Deutschland ihm seine Teenies.<br />
Phantastisch. Herzlichen Glückwunsch. Uns allen. Noch ein bißchen<br />
Kifferei und Ladendiebstahl dazu, und wir sind durch. Wie auch immer.<br />
Es kommt dann noch die Mutter der beiden smarten Sisters zu Wort, die<br />
natürlich furchtbar stolz auf den Brief ihrer kleinen Aggro-Queen ist,<br />
anstatt dieser ihr legasthenisches Meisterwerk ins Maul zu stopfen, weil<br />
das jeder 8-jährige Sonderschüler besser formulieren kann. Naja, woher<br />
soll`s denn auch kommen?!<br />
Ferner gibt es noch jede Menge Zoff zwischen den beiden cleveren<br />
Teenie-Sisters selbst, na klar. Zwischendurch wird die Kinder-Gang der<br />
14-jährigen aufgelöst, auch total klasse. Und letzten Endes kommt es<br />
dann noch zu einem ganz tollen, klärenden, hochintelligenten und vor<br />
Wortwitz sprühenden Gespräch zwischen unserer 14-jährigen Aggro-<br />
Brotha-Gangsta-Checka-Sista-Chica-Queen und der kleinen 18jährigen<br />
zukünftigen Friseuse, die vorher von ihr verdroschen wurde.<br />
Alles in allem durch die Bank weg komplett absurde, sinn- und hirnfreie<br />
und völlig nutzlose Dialoge, die mein 4-jähriger Neffe besser führen<br />
könnte, wenn er müßte. Muß er aber zum Glück nicht.<br />
Soviel also zu meiner Aso-TV-Grenzerfahrung nachmittags an einem<br />
stinknormalen Wochentag. Ätzend, voll ätzend. Als ich in der Lage war,<br />
zu verstehen, was da überhaupt vor meinen Augen abgeht, war es<br />
bereits zu spät. Da konnte ich dann nicht mehr umschalten, nur noch<br />
staunen. Wie gelähmt, wie hypnotisiert. Wie paralysiert, paralysiert vom<br />
Schwachsinn. Aber jetzt ist Schluß damit, Gott sei Dank, jetzt ist 16.00<br />
Uhr. Schnell auf Kabel1 schalten, schnell umschalten, bevor mich der<br />
nächste Dünnschiß in seinen behämmerten Bann zieht.<br />
223
Wenn ich nach Deinem Körper schiele, denk` ich nur an Doktorspiele.<br />
Es wär` so schön, wenn`s Dir gefiele, meine geilen Doktorspiele. Wenn<br />
ich nach Deinem Körper schiele, denk` ich nur an Do-Do-Do-Do-Do-<br />
Do-Do-Doktorspiele.<br />
224<br />
(Alex C. feat. Y-Ass)<br />
Nein, Scheiß auf Kabel1, mir wird das dann doch mal zu blöd mit der<br />
ganzen Zapperei hier. Also aus die Glotze, Feierabend. Kriege nämlich<br />
gleich so richtig schön fiese Laune von der ganzen Hin- und Her-<br />
Schalterei. Und bevor das passiert (und weil ich mich bei schlechter<br />
Laune auch gleich wieder voll besaufen muß), ziehe ich in einem<br />
besonders raffinierten Schachzug eine Konserve aus meinem Zauberhut.<br />
Ja, ganz recht, eine Konserve. Eine Aufzeichnung, eine Mitschrift, ein<br />
Skript des Wahnsinns. Oder kurz: An einem Sonntag irgendwann Mitte<br />
2009 war ich früh abends noch so besoffen von dem Exzess nachts<br />
zuvor, daß ich in einem besonders hellen Moment spontan zu Papier<br />
und Bleistift griff, um mal eben ganz ad hoc eine besonders gelungene<br />
Ausgabe von Exklusiv Weekend mitzuschreiben bzw. zu dokumentieren.<br />
Alles in der vagen Hoffnung, daß mir das zu irgendeinem späteren<br />
Zeitpunkt noch einmal von Nutzen sein könnte.<br />
Und zack, da haben wir`s! Da ist das Ding! Ich habe heute nämlich<br />
keine Zeit und Lust, mich total vollzusaufen, nur, um diversen<br />
Schwachsinn in der Glotze verfolgen und interpretieren zu können. Also<br />
zack, greife ich auf meine beknackte Mitschrift zurück. Ein<br />
Geniestreich! Ich kenne den Dreck bereits und muß ihn nur noch<br />
abtippen. Die absurde Gefahr, aufgrund einer unerwarteten und<br />
überdurchschnittlich behämmerten Thematik einen spontanen Hirntod<br />
zu erleiden, ist also gebannt. Der krasse Stoff kann mich nicht mehr<br />
vom Hocker reißen. Und insoweit kann heute auf den Aufbau und<br />
Erhalt eines gewissen Alkohol-Pegels zwecks Hirntod-Prophylaxe<br />
verzichtet werden. Also ausnahmsweise mal nüchtern in medias res:
„Exclusiv Weekend. Wir sind da, wo auch die Stars sind. Immer besser<br />
informiert über die Welt der Reichen und Schönen. Tauchen Sie ein in<br />
die Welt der VIPs.“ Alles klar, ich will eintauchen und an der Welt der<br />
Reichen und Schönen und VIPs und so partizipieren. Auf geht`s, Frauke<br />
Ludwig, let`s rock. Fahr` ab die Scheiße!<br />
Exclusiv Weekend startet erwartungsgemäß mit einem Bericht über den<br />
54. Eurovision Song Contest 2009 in Moskau, welcher nachts zuvor<br />
stattfand. Gewonnen hat irgendein Kerl mit Geige aus irgendeinem<br />
krassen Land, während Deutschland auf Platz 20 landete. Folglich<br />
möchte man bei Exclusiv nun der Frage nachgehen, was denn da wohl<br />
falsch gemacht wurde. Was für eine geniale Frage! Was haben wir denn<br />
da wohl falsch gemacht?! Eine selten dämliche, überflüssige und<br />
absolut sinnlose Frage, die sich für jeden Menschen mit einem IQ im<br />
halbwegs grünen Bereich vollkommen erübrigt. Aber wir sind ja hier<br />
bei RTL, und da kann man sowas ruhig mal fragen.<br />
Denn während jedem geistig annähernd normal situierten Menschen ein<br />
Blick auf das Ergebnis der letzten Jahre -und insbesondere des<br />
Vorjahres- genügt, muß man für das kongeniale RTL-Hauspublikum hier<br />
anscheinend etwas weiter ausholen. Sei`s drum. Denn in 2008 hatten<br />
wir mit den NoAngels und Disappear eine wirklich geile Band mit<br />
einem wirklich geilen Lied am Start. Das dürfte ja wohl unstrittig<br />
feststehen. Und was kam dabei raus?! Ein voll beschissener, absolut<br />
nicht nachvollziehbarer und in keinster Weise angemessener 23ster<br />
Kack-Platz. Glückwunsch. Glückwunsch am Arsch.<br />
Und daher sollte doch nun eigentlich jeder, der nicht komplett<br />
bescheuert ist, spätestens seit dem Abschneiden der Angels im letzten<br />
Jahr mitbekommen haben, daß es beim Eurovision Song Contest um<br />
eines definitiv nicht geht: Um gute Künstler mit guten Songs. Soll<br />
heißen, es gewinnt nicht der beste Interpret oder das netteste Liedchen,<br />
sondern irgendwer anders und nach irgendwelchen dubiosen und<br />
ominösen Kriterien, die sich mir nicht auf Anhieb erschließen.<br />
Vielleicht das Land mit den meisten Deppen nahe einer Grenze zum<br />
Nachbarland. Die dann ins Nachbarland fahren, kurz für den heimischen<br />
Kasper anrufen, und dann wieder zurück. Sowas in der Art dürfte es<br />
sein. Interessiert mich aber auch nicht.<br />
225
Meinetwegen können die untereinander alle munkeln und kunkeln, was<br />
und wie sie wollen. Mir persönlich total egal. Denn viel entscheidender<br />
ist doch der Umstand, daß Deutschland dabei immer so richtig schön<br />
auf die Fresse bekommt. Seit Jahren schon. Denn ganz gleich, welcher<br />
Sommer-Russe oder Exil-Usbeke gewinnt, Deutschland kriegt stets den<br />
kompletten Arschtritt von allen. Vorletzte Plätze stehen auf der<br />
Tagesordnung. Fiasko Grande. Platz 24, 15, 19 und 23 allein in den<br />
letzten vier Jahren. Und vor allen Dingen mit was für beschissenen<br />
Liedern von irgendwelchen Gurken-Gruppen noch vor uns, meine<br />
Fresse. Verkehrte Welt. Vielleicht mal ein paar Sympathie-Pünktchen<br />
von den Kiffern von nebenan oder von den lieben, solidarischen Türken.<br />
Oder letztes Jahr zwölf Punkte aus Bulgarien, weil Lucie von den<br />
Angels dort herkommt. Aber das war`s dann auch schon. Sonst nichts.<br />
Nix. Überhaupt nix.<br />
Diesem Umstand Tribut zollend, haben wir in 2009 dann auch ein As<br />
aus dem Ärmel geschüttelt und eine besonders sinnvolle Kombo für<br />
Deutschland ins Rennen geschickt: Alex „Das Boot“ Christensen<br />
zusammen mit einem bisexuellen Torero und einer Stripperin aus<br />
Amerika. Und spätestens jetzt muß doch bitte folgende Frage erlaubt<br />
sein: Wie geil ist das denn?! Endgeil, möchte man spontan und voller<br />
Verzückung aufschreien, geiler geht nicht mehr. Was für ein geiles Trio,<br />
heiliger Bimbam! Also wenn wir überhaupt irgendwann mal wieder<br />
irgendwas reißen könnten, dann wohl damit. Für mich im Vorfeld also<br />
klarer Titel-Aspirant, wenn nicht sogar Favorit.<br />
Und dann am Ende doch wieder nur Platz 20, was für eine<br />
Enttäuschung. Wie konnte das denn nur schiefgehen?! Ist mir völlig<br />
schleierhaft. Am Song selbst kann es nicht gelegen haben, denn der war<br />
mindestens mal genauso geil wie unser charismatisches Trio selbst.<br />
Mindestens. Ach woher denn, der war noch viel geiler. Meiner Meinung<br />
nach hätte Gang Bang 3000 locker die Top Five erreichen müssen,<br />
wenn nicht sogar noch mehr. Der Song ist an sich schon äußerst<br />
gelungen und auch besonders originell, aber der Text ist ein literarisches<br />
Meisterwerk. Pure Poesie, eine Hommage an die ganz großen Dichter<br />
und Denker unserer Zeit. Eben ein typischer Christensen, möchte man<br />
meinen. Also vergessen wir Ein bißchen Frieden, doofer Schnee von<br />
gestern, hier kommt:<br />
226
Miss Kiss Kiss Bang, come and let us sing<br />
Miss Kiss Kiss Bang, now let us swing<br />
Shake your sweet, sweet, sweet little thing<br />
Mrs Kiss, come on and let us sing<br />
Do the he-de hi-ho (Sing he-de hi-ho)<br />
Do the he-de hi hey (Sing he-de hi hey)<br />
Do the dip dip ded-de (Sing dip dip ded-de)<br />
Do the skiddly skiddly bo (Sing skiddly skiddly bo)<br />
Now do the gucci bang bang (Sing gucci bang bang)<br />
Do the skiddly buffely boodely bump (Sing skiddly buffely...)<br />
Do the oh (Sing oh)<br />
Abfeier! Ein geiler Text, geiler Text, extrem geiler Text, extrem geiles<br />
Lied. Keine Frage, dieses Meisterwerk hätte mit Lorbeeren gekrönt<br />
werden müssen. Und mit einem Platz auf dem Podium. Und zwar ganz<br />
oben. Aber stattdessen, was gibt es stattdessen?! Die goldene<br />
Luftpumpe! Zack. Einen unerhörten, vorletzten Platz. Ja, vorletzter<br />
Platz. Ungeheuerlich, kaum zu glauben. Ein skandalöser, vorletzter<br />
Platz. Skandal! Keine Frage, hier stimmt doch was nicht, hier wurde<br />
doch wieder was gemauschelt. Und wieder hat es uns erwischt, wieder<br />
war Deutschland dran. Und eigentlich weiß man das aber auch im<br />
Vorfeld schon. Und deswegen frage ich mich auch, warum wir zu<br />
diesem Scheiß-Contest überhaupt noch hinfahren?! Hat doch eh keinen<br />
Sinn, bringt doch eh nichts. Keine Ahnung.<br />
Keine Ahnung hinsichtlich des beschissenen Abschneidens hat auch<br />
Alex Christensen, der zwar vom Ergebnis sichtlich enttäuscht ist, sich<br />
aber neuerdings coolerweise nur noch Alex C. nennt. Und in seiner<br />
Funktion als Alex C. findet er das Ergebnis natürlich „mega-ungeil“ und<br />
kann sich das alles gar nicht erklären. Vor allen Dingen, weil man doch<br />
vorher so „tolle Resonanzen“ gehabt habe. Tja, Shit happens, kann man<br />
da nur sagen. Goldene Luftpumpe, zack. Einfach nächstes Jahr wieder<br />
probieren. Und wieder und wieder und wieder. Einfach mal ein Beispiel<br />
an Ralph Siegel nehmen, an Onkel Ralle. Onkel Ralle kennt sich aus mit<br />
goldenen Luftpumpen, Onkel Ralle hat auch schon ein paar ganz geile<br />
Gurken für uns ins Rennen geschickt. Einfach immer wieder versuchen.<br />
Oder auch nicht.<br />
227
Ähnlich gelassen sieht das dann auch Sänger Oscar de la Hoya, der das<br />
miese Abschneiden schon deutlich gefasster aufnimmt. Shit happens,<br />
wie gesagt. Schwamm drüber, kann man jetzt nicht mehr ändern. Zu<br />
guter Letzt darf Strip-Oma Dita von Teese auch noch ihr Maul<br />
aufmachen und ihren faden Senf zu den Geschehnissen der Nacht<br />
abgeben. Und -oh was Wunder- die findet das natürlich alles total<br />
amazing und exciting und hat da auch ganz toll dazu getanzt und<br />
sowieso und überhaupt. Schreckliches Geschwätz. Alles nicht so ganz<br />
leicht zu verdauen und insbesondere auch erstmal überhaupt nicht zu<br />
verstehen, weil die Tante beim Labern die Zähne kaum auseinander<br />
kriegt. Zum Glück wird der Blödsinn übersetzt.<br />
Überhaupt bekommt man als aufmerksamer Zuschauer so ein klein<br />
wenig das Gefühl, daß die Alte auf einer ganz anderen Veranstaltung<br />
war. Oder besoffen oder stoned ist. Oder ihr noch keiner die geile<br />
Platzierung mitgeteilt hat. Irgendwas davon muß es sein, anders ist ihr<br />
Dauergrinsen nicht zu erklären. Egal. Das war`s dann nämlich auch<br />
schon mit dem Eurovision Song Contest. Und bis auf die Erkenntnis,<br />
daß Alex C. mal eine neue Frisur vertragen könnte, bin ich genauso<br />
schlau wie vorher. Heißt konkret, daß ich mir den Scheißdreck auch im<br />
nächsten Jahr nicht angucken werde. Stößchen.<br />
Es folgen die Exclusiv Schlagzeilen, welche mit einem Bericht über<br />
irgendeinen unbedeutenden Fernsehpreis beginnen. Gefolgt vom Auftritt<br />
des Tages, den eine überdurchschnittlich fette Mariah Carey in Cannes<br />
hingelegt haben soll, und vom Schock des Tages, Jacko Jackson soll<br />
Hautkrebs haben. Dürfte ihn aktuell nicht mehr sonderlich stören... Die<br />
schönste Braut des Tages soll Madonna sein, obwohl die überhaupt<br />
nicht geheiratet hat, haha, total lustig. Und schönste Taufe des Tages ist<br />
eine Schiffstaufe in Hamburg, bei der auch Udo Lindenberg mit von der<br />
Partie ist. Aha. Alles gut zu wissen, alles sehr sinnvoll.<br />
228
Mein Busen hatte eine fabelhafte Karriere. Ich bin einfach nur<br />
mitgetrottet.<br />
229<br />
(Pamela Anderson)<br />
Aber so richtig sinnvoll soll es jetzt erst werden, denn es steht ein<br />
Bericht über Pamela Anderson und ihre Europa-Reise an. Wahnsinn.<br />
Selbst wenn man den geistigen Dünnpfiff nur noch abtippen muß, sitzt<br />
einem die Angst im Nacken. Vielleicht war nüchtern doch ein wenig<br />
überheblich? Keine Ahnung, zu spät zum Auftanken. Denn schon<br />
erörtert Pam dem gespannten Zuschauer, daß sie nicht koche und<br />
wasche wie andere Mütter. Ist das zu fassen?! Sensationell. Was für eine<br />
brandheiße Info! Heißt wahrscheinlich nichts anderes, als daß sie ihre<br />
dreckigen Unterhosen und Buchsen in einem Topf mit heißem Wasser<br />
auf dem Herd auswäscht und sich nebenbei mal eben ganz nonchalant<br />
ein paar Fünf-Minuten-Eier im 95°-Programm ihrer Waschmaschine<br />
kocht. Gut möglich, alles denkbar, alles vorstellbar. Zumindest bei Pam.<br />
Nach dieser unglaublich brisanten Info dürfen wir Zeuge werden, wie<br />
Pam am Flughafen von einem Kerl mit einer mindestens ebenso<br />
unglaublich geilen Frisur abgeholt wird, der sich als Prinz Markus von<br />
Anhalt entpuppt. Feine Herrschaften also. Es geht irgendwo hin, keine<br />
Ahnung, und abends ist man dann aber auch in irgendeinem Club und<br />
schwätzt ein wenig banales Zeug in die Kamera von RTL. Alles very<br />
important, alles very exclusive. Am nächsten Tag geht es dann zu<br />
irgendeiner Gala, und seitens Exclusiv wagt man die überaus tollkühne<br />
Vermutung, daß unsere Pam dann doch auch ein wenig high gewesen<br />
sein könnte, als sie über den roten Teppich gelatscht ist. Aber alles reine<br />
Spekulation. Vielleicht hat sich nur ein bißchen Botox irgendwo in der<br />
Fresse gelöst, zack. Kann auch gut sein, alles möglich. Alles möglich<br />
bei unserer Pam. Keine Spekulationen gibt es dagegen hinsichtlich der<br />
Abendgarderobe unseres Prinzen. Denn die besteht unstrittig aus einer<br />
unglaublich geil aussehenden roten Uniform.
Der Bericht schließt nun nicht etwa damit, daß sich unser Prinz in seiner<br />
smarten Uniform mit einem anderen Galan um die Gunst des holden<br />
Silikon-Weibes duelliert, beispielsweise mit Säbel oder gar Muskete.<br />
Nein, vielmehr wird der mittlerweile wie ein Flitzebogen gespannte<br />
Zuschauer mit der vermeintlichen Erkenntnis entlassen, daß unsere Pam<br />
in Europa noch immer der absolute Star sei und nach wie vor ein<br />
fleischgewordener Männertraum. Und das kann ich auch nur bestätigen.<br />
Denn bei mir ist das nämlich auch so, daß ich total auf durchgefeierte<br />
Uschis Mitte 40 stehe. Volle Kanne. Und insbesondere dann, wenn sie<br />
außer zwei Plastik-Titten und zwei schlechten Low-Budget-Pornos<br />
nichts Nennenswertes weiter vorzuweisen haben. Und ungeschminkt<br />
krasses Highlight jeder Geisterbahn sein könnten. Dann auf jeden Fall.<br />
Dann stehe ich da total drauf, dann gehe ich da voll drauf ab. Aber auch<br />
nur dann. Für heute bin ich einfach nur sichtlich erleichtert, daß dieser<br />
Beitrag jetzt endet. Ciao Pam, bis demnächst.<br />
Auf den nun folgenden Bericht habe ich mich bereits im Vorfeld ganz<br />
besonders gefreut, ich konnte es zuweilen gar nicht mehr aushalten.<br />
Man könnte hier ganz unverblümt und ruhigen Gewissens sogar von<br />
einer Art Vorfreude sprechen. Es geht um diverse C- bis J-Promis, die<br />
ihre ganze Kohle verzockt haben. Pleite-Promis, wie es bei Exclusiv so<br />
schön heißt. Eine Thematik, die eigentlich ganz interessant werden<br />
könnte. Zumindest verglichen mit dem anderen Dünnpfiff bisher. Mal<br />
schauen, ob was dabei rumkommt.<br />
Los geht`s mit Kati Karrenbauer, vielen wohl eher bekannt als Walter<br />
aus dem Frauenknast. Und Walter ist jetzt pleite, hat keine Kohle mehr.<br />
Keine Asche, kein Kies, kein Schotter, alles weg. Die ganze schöne<br />
Kohle ist futsch, verzockt bei einem Immobilien-Projekt. Ärgerlich.<br />
Und nicht nur, daß die ganze schöne Kohle futsch ist, ganz nebenbei hat<br />
unser Walter auch noch einen ziemlich smarten Schuldenberg<br />
angehäuft. Aber Walter steht nicht allein da, es folgt eine Aufzählung<br />
diverser anderer E- bis H-Promis, die ebenfalls pleite sind. Und zwar<br />
Tanja Schumann (kenne ich nicht), Nino de Angelo (Jenseits von Eden),<br />
Matze Reim (Verdammt ich lieb Dich), und auch der eine Dicke von<br />
den Wildecker Herzbuben hat leider kein Moos mehr in den Taschen<br />
seiner XXXXL-Hose. Bei ihm besonders verheerend, denn<br />
wahrscheinlich muß er jetzt verhungern.<br />
230
Kati erörtert derweil, daß sie Armut von früher kenne. Da habe sie Geld<br />
als Putze, als Aktmodell und mit Telefonsex verdienen müssen. Ja, ganz<br />
genau, Kati Karrenbauer und Aktmodell, den Witz schenken wir uns an<br />
dieser Stelle. Denn nun gibt irgendein Professor seinen Senf zu der<br />
Thematik ab. Und dessen Meinung nach tragen nicht die Promis selbst,<br />
sondern vielmehr deren Berater und Manager die Schuld an der ganzen<br />
Misere. Die hätten es eigentlich besser wissen müssen. Hingegen sei das<br />
Publikum in zwei Lager geteilt, so unser Professor: Die einen<br />
empfänden Mitleid, die anderen dann doch eher Schadenfreude, pfui.<br />
Und so smart ich unseren promovierten Experten auch finde, so<br />
entschieden muß ich an dieser Stelle intervenieren. Denn bei seiner<br />
Aufzählung hat er doch glatt das dritte Lager vergessen: Und zwar<br />
solche wie mich, denen das alles völlig am Arsch vorbei geht. Wie auch<br />
immer, Kati / Walter schreibt jetzt erstmal ein Buch, um ein bißchen<br />
Kohle zu machen, und das macht ja auch Sinn.<br />
Es folgt ein Beitrag über diese besonders hohlblondierte, mediengeile<br />
Frutte aus irgendeiner DSDS-Staffel, die bei Erscheinen dieses Buches<br />
eh kein Schwein mehr kennt. Also geschenkt.<br />
18.10 Uhr, Werbung. Danke. Reicht erstmal. Zeit für einen kleinen<br />
Drink und ein kleines Nickerchen. Wie, Nickerchen? Sind doch nur fünf<br />
Minuten Werbung. Sehr richtig, an sich sehr gut mitgedacht, meine<br />
lieben Freunde. Nur sind wir heute ja nicht live dabei, sondern per<br />
Aufzeichnung. Die Sendung selbst ist ja längst gelaufen, das Skript des<br />
Wahnsinns selbst entstand ja bereits vor einigen Wochen. Bitte nicht<br />
vergessen. Und da wir dabei seinerzeit bereits genug leiden mußten,<br />
können wir nun ganz keck und unverfroren und auch völlig spontan ein<br />
kleines Nickerchen einlegen. Eine Mußestunde sozusagen. Und darüber<br />
wird jetzt aber auch gar nicht weiter diskutiert, sonst ist hier auch gleich<br />
mal Feierabend. Kleines Nickerchen, und gut. Kann einem ja wohl<br />
kaum einer übel nehmen. Und vorher noch ein kleines Drinkchen,<br />
vielleicht mal einen Latte Macchiato. Nein, kleiner Spaß, der Tag ist<br />
noch nicht gekommen. Scheiß auf den Senseo-Moment. Wenn schon<br />
Werbung, dann lieber drei, vier Uozo 12, für mich und meine guten<br />
Freunde, na klar. Ab dafür. Und Stößchen.<br />
231
Ich muß auf meinen Input achten. Ich nehme heute nur gesunden,<br />
nahrhaften Alkohol zu mir.<br />
232<br />
(Bender Bieger Rodriguez)<br />
Gute vier Stunden später wache ich schweißgebadet neben einer halb<br />
leeren Flasche Uozo auf. Der kleine Radiowecker neben meinem Bett<br />
zeigt 22.17 Uhr an, und in meinem Schlafzimmer riecht es wie in einer<br />
katholischen Messe. Auweia! Filmriß! Spitze. Nicht schon wieder. Der<br />
Geschmack in meinem Mund ist unbeschreiblich fies. Als hätte ich mit<br />
meiner Zunge Intimpflege an einer toten bzw. vielmehr bereits<br />
verwesenden Bergziege betrieben. Widerlich, voll zum Kotzen, bäh.<br />
Kurzer Blick nach rechts, kurzer Blick nach links, kurzer Blick auf<br />
meinen Kadaver, alles sauber. Schnell raus aus dem Bett, kurzer Blick<br />
in die Einfahrt, Benz steht noch da und sieht unbeschädigt aus. Gott sei<br />
Dank, Super-GAU vermieden. Macht immer Sinn, den Autoschlüssel<br />
vor`m Saufen zu verstecken, kicher. Keine Sicherstellungen oder<br />
ähnlicher Quatsch, puh, den Rest werden mir meine Nachbarn beizeiten<br />
schon verklickern.<br />
Und wie ich so im Wachkoma zurück in Richtung Bett schlurfe, muß ich<br />
unerfreulicherweise feststellen, daß der Moment gekommen ist, wo ich<br />
mir ganz ernsthaft und selbstkritisch zwei Schlüsselfragen stellen muß:<br />
War das wirklich Uozo 12? Also der für die richtig guten Freunde?<br />
Kann ich mir kaum vorstellen. Wer seinen guten Freunden so einen<br />
krassen Fusel zu saufen gibt, der hat bald überhaupt keine Freunde<br />
mehr. Oder ist irgendwann nur noch von Blinden mit eklatanter<br />
Sprachstörung umgeben. Das ist mir spätestens eben klar geworden. Ist<br />
dann allerdings im Moment eher sekundär, denn die zweite Frage, die<br />
mir zeitgleich durch meinen perplexen Kopf schießt, macht mich<br />
wirklich fertig. Die brennt mir richtig unter den Nägeln:
Das nennen Sie schreiben? Wenn ich in meinen Füller kotze und ihn in<br />
ein Affenhaus schicke, kriege ich ein besseres Buch.<br />
233<br />
(Roger Myers jun.)<br />
Was ist eigentlich aus unserer wunderschönen Übersicht geworden, in<br />
die wir alle Charaktere so überaus explizit und trennscharf einordnen<br />
wollten? Also aus dieser hier:<br />
Bezeichnung<br />
Fremd-<br />
wahrnehmung<br />
Eigen-<br />
wahrnehmung<br />
tatsächlicher<br />
Status<br />
Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />
smart recht zufrieden recht zufrieden<br />
smart<br />
Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />
Fremdopfer normal dumm irgendwo clever fast clever<br />
positiv unzufrieden positiv<br />
tragisch tragisch<br />
Vollopfer sehr banal sehr wichtig sehr banal<br />
dümmlich clever überbewertet<br />
ungeil geil realitätsfremd<br />
Tja, ich würde mal meinen wollen, daß wir die vor etlichen Seiten aus<br />
den Augen verloren haben. Aus den Augen, aus dem Sinn, keine<br />
Ahnung. An sich eigentlich überhaupt nicht so schlimm, würde es sich<br />
dabei nicht rein zufällig um das zentrale Thema unseres Buches<br />
handeln. Kacke! Irgendwie fehlt hier sowieso und überhaupt komplett<br />
eine Art roter Faden oder sowas. Fällt mir gerade auf. Kein System<br />
erkennbar, nicht mal ansatzweise. Tolle Erkenntnis, leider ein bißchen<br />
spät. Und daher jetzt eigentlich auch egal. Wenn der rote Faden eh<br />
schon fehlt, müssen wir jetzt auch keinen mehr einfädeln. Da müssen<br />
wir jetzt nicht mehr mit anfangen, das wäre vergebliche Liebesmüh.<br />
Erweitern wir lieber unsere schöne Übersicht um den Honk. Bitteschön:
Bezeichnung<br />
Fremd-<br />
wahrnehmung<br />
234<br />
Eigen-<br />
wahrnehmung<br />
tatsächlicher<br />
Status<br />
Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />
smart recht zufrieden recht zufrieden<br />
smart<br />
Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />
Fremdopfer normal dumm irgendwo clever fast clever<br />
positiv unzufrieden positiv<br />
tragisch tragisch<br />
Vollopfer sehr banal sehr wichtig sehr banal<br />
dümmlich clever überbewertet<br />
ungeil geil realitätsfremd<br />
Honk Chaot Selbstbefreier Anarchist<br />
dumme Maulhure sozial. Materialist sozial. Materialist<br />
So sieht es bislang aus, nachdem wir die Themen Honk als Anarchist<br />
und Honk als Ignorant (im Kapitalismus) abgearbeitet haben. Zu<br />
gegebener Zeit ist diese Übersicht um weitere Charakteristika, welche<br />
wir zunächst allerdings erst noch herauskristallisieren müssen, zu<br />
ergänzen. Also zurück in medias res. Wo waren wir stehengeblieben,<br />
und wo stehen wir jetzt?<br />
Wir hatten irgendwo ein Päuschen einlegen wollen, um ein kleines<br />
Nickerchen zu halten. Weil wir nachts zuvor nur 11 oder 12 Stunden<br />
schlafen konnten. Und anstatt zwei, drei Uozo 12 zu trinken und dann<br />
flauschig-warm in das Reich der Träume zu entgleiten, haben wir uns<br />
mit einer halben Flasche Waschbenzin ins Wachkoma inklusive Filmriß<br />
geschossen. Alle Lampen aus, herzlichen Glückwunsch.<br />
Statt nun also frisch ausgeruht und voller enthusiastischer Vorfreude in<br />
unser hanebüchenes Exclusiv Weekend zurückzukehren, haben wir einen<br />
monströsen Schädel und eine schier unglaubliche Fackel aus dem Maul.<br />
Interessanterweise ist die Fackel im Maul schlimmer, als wenn man<br />
gekotzt hätte. Also schlimmer als Kotze-Geschmack! Pfui, wie kann<br />
denn sowas sein? Egal, haben wir uns selbst zuzuschreiben. Also auf<br />
Notstrom umschalten und mit voll zugeschissener Birne und dem<br />
Gefühl innerer Verwesung zurück ans Werk.
Ahhh, Muschi-Hamster hat `ne Runde im Rad gedreht!<br />
235<br />
(Dr. Gregory House)<br />
Bei Exclusiv Weekend scheint man nun die weise Entscheidung gefällt<br />
zu haben, den Rest der Sendung ausschließlich mit irgendwelchen<br />
Weiber-Geschichten zu füllen. Soll heißen, es folgen von nun an diverse<br />
Beiträge über diverse halbprominente Weiber für ein diverses, total<br />
begeistertes Publikum an den TV-Geräten zu Hause, welches<br />
logischerweise überwiegend aus diversen weiblichen Vollidiotinnen und<br />
Vollopfern besteht. Fernsehen von Weibern über Weiber für Weiber.<br />
Frutten-TV. Stößchen. Ist doch klar, daß das nicht hinhauen kann. Wie<br />
denn auch?! Mir ist sowieso kein einziger Mann bekannt, der sich<br />
diesen Boulevard-Rotz ungezwungen und aus freien Stücken ansieht.<br />
Geht auch gar nicht. Fußball ist manchmal schon langweilig genug,<br />
Autorennen auch. Warum um alles in der Welt sollte man als<br />
zurechnungsfähiger Mann dann wohl die ominöse Entscheidung treffen,<br />
freiwillig Exclusiv Weekend anzusehen?!<br />
Eben. Geht gar nicht. Also wird man gezwungen, ganz klar. Viele<br />
Männer müssen das nämlich mitverfolgen, bewußt oder unbewußt, weil<br />
es ansonsten wieder Streß mit der heimischen Grazie gibt. Weil die<br />
schon fast süchtig ist nach dem Schwachsinn und schlechte Laune<br />
bekommt, wenn ihr nicht täglich ihre Dosis Opfer-TV in die kleine<br />
Rübe eingedroschen wird. Ahh, Entzug, Entzug, schnell Opfer-TV!<br />
Mach` die Kiste an! Ganz toll. Möglicherweise hat man als Mann aber<br />
auch eher selbstsüchtige Motive. Also daß man sich den Rotz ansieht<br />
und idealerweise nebenbei sogar noch mit seiner postmodernen<br />
Amazone darüber diskutieren will:<br />
Du Schatz, ich hätte eher damit gerechnet, daß die Sabrina in die Band<br />
kommt. Daß es jetzt Candy wird, hätte ich nie im Leben gedacht. Die<br />
Jury entscheidet schon manchmal komisch, oder?!
Wahnsinn! Keine Frage, wer als Mann solch einen faulen Dialog mit<br />
seiner Alten startet, will hinterher einfach nur ficken. Oder ist schwul<br />
oder auf Crack. Oder nicht älter als 12, auf jeden Fall irgendwas in<br />
dieser Richtung. So viel steht mal fest. Und was soll ich sagen, was soll<br />
ich sagen, mit dem Rest der tollen Sendung können wir uns dann auch<br />
mal so richtig schön den Schritt shampoonieren. Nicht, daß wir das<br />
nicht eh könnten, aber heute dann eben ganz besonders.<br />
Es folgt nämlich ein Bericht über Caroline Beil, von der ich dann auch<br />
mal gar nicht weiß, welche Funktion sie überhaupt hat. Der Name sagt<br />
mir schon was, aber sie selbst habe ich außer im Dschungel-Camp noch<br />
nicht weiter gesehen. Ach ja, und ein paar Kommentare bei diesen<br />
Chart-Shows freitagabends auf RTL. Die 50 größten was-weiß-ichnicht-was.<br />
Da gibt sie auch manchmal ihren Senf dazu. Aber sonst?<br />
Keine Ahnung. Ist aber auch Latte, denn jetzt ist sie schwanger, und<br />
darum geht es im nächsten Beitrag. Unsere Caro ist mit ihren 42 Lenzen<br />
schwanger, irgendein Milchbubi Mitte 20 soll der Vater sein, und<br />
irgendwelche anderen Halbpromis kommentieren das positiv oder<br />
negativ. Unter anderem Mariella Ahrens, die sich -ähnlich wie Alex<br />
Christensen- mittlerweile auch umbenannt hat. Allerdings nicht in Mari<br />
A., sondern vielmehr in Mariella Gräfin von Faber-Castell, weil sie in<br />
irgendeine Adels-Sippe eingeheiratet hat. Phantastisch, Glückwunsch,<br />
Stößchen. So wird`s gemacht, und so muß das auch sein. Irgendeine<br />
reiche Oma so Ende 80 da draußen am Start, die einen gutaussehenden<br />
Honk Mitte 30 heiraten will? Nein, Späßchen, sowas machen wir nicht.<br />
Alles Spaß, Honks sind Selbstversorger.<br />
Exclusiv Weekend legt derweil eine weitere Werbepause ein, danach<br />
sollen dann Beiträge über den Deutschen Parfümpreis, Verona Pooth<br />
und Amy Winehouse folgen. Letztere soll doch tatsächlich bei einem<br />
ihrer Konzerte besoffen und stoned auf der Bühne gestanden haben, ist<br />
das zu fassen?! Das kann ich gar nicht glauben. Aber mal dahingestellt.<br />
Ich bin an dieser Stelle eher ein wenig traurig, daß die nicht mal einen<br />
Beitrag über richtig geile, besoffene Weiber bringen. Beispielsweise<br />
über Lily Allen oder Lindsay Lohan, die bestimmt voll geil abgehen in<br />
der Kiste, wenn sie den richtigen Pegelstand haben. Geil, geil, geil.<br />
Unfaßbar geil. Aber nein, stattdessen zeigt man uns lieber diese ekelige<br />
Amy Winehouse, und ich grusel` mich.<br />
236
Den Rest von Exclusiv Weekend können wir uns daher schenken.<br />
Richtig geil ist auch, daß genau derselbe tödlich banale Dünnpfiff fünf<br />
Stunden später auf VOX läuft. Genau derselbe Rotz, dieselben<br />
unerträglichen Themen, dieselbe heiße Luft. Heißt da nur anders, heißt<br />
da Prominent!, ganz originell. Können sich dann diejenigen reinziehen,<br />
die den Mist beim ersten Mal auf RTL noch nicht ganz verstanden<br />
haben. Das RTL-Stammpublikum, ich leg` mich ab.<br />
Amy Hauswein soll also wieder einmal besoffen gewesen sein.<br />
Besonders tragisch ist dabei, d ß es ni t z m ers en M l pas iert is , so<br />
de vi mehr m ttl r eil Ge oh hei b i ih i t.<br />
Heiliger Bimbam, was ist den nun schon wieder los?!?!?!<br />
Plötzlich läuft Wimbledon-Halbfinale in der Glotze. Federer gegen<br />
Haas, spannende Konstellation. Fünf zu vier für Haas im ersten Satz,<br />
sehr schön. Aber was ist denn da eben mit Exclusiv und Amy und so<br />
geschehen? Was ist denn hier bloß wieder los?<br />
Nein, meinen Verstand habe ich nicht gerade eben verloren. Das ist<br />
schon viel früher passiert, den habe ich längst versoffen, und das ist<br />
auch gut und richtig so. Anders ist der Wahnsinn dieser lustigen Welt<br />
nicht mehr zu ertragen. Spontane Legasthenie können wir auch sicher<br />
ausschließen, geht ja flüssig weiter voran hier.<br />
Was hier soeben passiert ist, grenzt an ein evolutionäres Meisterwerk:<br />
Mein Hirn hat sich voller Grausen von der unerträglichen Banalität des<br />
Opfer-TV abgewendet, ohne daß ich es selbst gleich bemerkt hätte.<br />
Wahnsinn. Außergewöhnlich. Amazing, exciting, sonstwas. Mein<br />
Verstand hat sich von den Geschehnissen gelöst, hat ohne ein bewußtes<br />
Agieren meinerseits angefangen, die Geschehnisse zu ignorieren.<br />
Uiuiui! Na, fällt der Groschen? Na klar, ignorieren, Ignoranz, Halleluja!<br />
Da sind wir wieder, phantastisch. Und da wollten wir auch hin. Das war<br />
alleiniger Sinn und Zweck des erneuten schwachsinnigen Ausflugs in<br />
die wunderbare Welt des Dünnpfiff. Geil, geil, geil. Endgeil. Diese<br />
Überleitung hier finde ich so grenzwertig endgeil, daß ich mich jetzt<br />
erstmal ein bißchen selbst feiern muß. Stößchen! Außerdem läuft<br />
Wimbledon, hurra!<br />
237
Das ist der Dreck, an dem unsere Gesellschaft mal ersticken wird.<br />
238<br />
(Uli Hoeneß)<br />
Ignoranz ist also das Wort der Stunde. Wir wollen diesen Dreck nicht<br />
sehen, können aber auch nicht ändern oder verhindern, daß er in der<br />
Scheiß-Glotze läuft. Wollen wir auch gar nicht. Jedem das Seine,<br />
chacun à son goût. So soll es sein. Den Asis das Aso-TV, den<br />
Vollopfern ihr Opfer-TV. Chacun à son goût. Wir sehen uns diesen Rotz<br />
nicht an, wir sehen uns was anderes an, wenn überhaupt. Es gibt<br />
etlichen Krams, den man sich ansehen kann, wenn man möchte.<br />
Tausend Sachen. Nur bitte unter gar keinen Umständen irgendwas im<br />
Aso- und Opfer-TV. Denn das macht voll bescheuert in der Birne, voll<br />
gaga, dürfte klar sein. Wir sehen uns das nicht nur nicht an, nein, für uns<br />
gibt es sowas erst gar nicht. Vollständige Ignoranz, na klar. Lassen wir<br />
doch diese ganzen Boulevard-Transen rumlabern, rumtanzen,<br />
rumhampeln und rumficken, wo, wie, wen oder was sie wollen, können,<br />
müssen oder dürfen. Geht uns komplett am Arsch ab.<br />
Völlig Latte, wer, wann, wo und warum sein letztes bißchen Restwürde<br />
für ein paar Euro oder einen madigen Auftritt im Aso-TV verhökert. Ist<br />
nicht unsere Welt, nicht unsere Realität, existiert nicht. Lassen wir den<br />
Vollidioten, Vollopfern und Vollasis ihre Bühne, ihre Lobby, ihr Leben.<br />
Ab dafür. Die geisteskranke Tochter von Onkel Ralle hampelt sich<br />
durch irgendein gehirnamputiertes PRO7-Format? Nein, wirklich?<br />
Völlig egal, die ist eh fertig mit der Welt. Komplett durch. Ach was,<br />
noch besser, wir kennen die überhaupt nicht. Wer ist Onkel Ralle? Und<br />
wer ist seine geisteskranke Tochter? Häh? Komplett an uns<br />
vorbeigegangen, und das ist gut so. Das ist nämlich Schritt Nr. 2 in ein<br />
freies, eigenes und selbstbestimmtes Leben fernab vom Bullshit unserer<br />
Gesellschaft. Glückwunsch, wir kommen dem Kern immer näher...
Ich trink` `nen Sekt vielleicht.<br />
cc) Und die Werbung? (Part II)<br />
Boah, Gott sei Dank, das war`s!!!<br />
239<br />
(Marco Vorbeck)<br />
Das war`s, das war`s, das war`s! Das war der letzte Ausflug in die Welt<br />
des Dünnpfiff. Puh! Geschafft. Nie wieder Aso- und Opfer-TV! Uff!<br />
Nie wieder Leid, Schmerz, Übel, nie wieder Brechreiz, Folter, Hirntod.<br />
Uff! Nie, nie wieder. Gott sei Dank. Uiuiui...<br />
Ach ja, und natürlich auch<br />
Stößchen!!!<br />
Stößchen für alle, soviel Zeit muß sein. Denn das war`s. Das war unsere<br />
allerletzte Aso-Opfer-TV-Abhandlung in diesem schönen Buch. Für<br />
mich wahrscheinlich sogar die allerletzte Abhandlung für den Rest<br />
meines Lebens, da ich nun keine Veranlassung mehr habe, diese Kacke<br />
in der Glotze gucken zu müssen. Hurra! Endlich wieder frei, Leben<br />
macht wieder Sinn, abfeier. Phantastisch. Naja, es sei denn, ich schreibe<br />
noch ein zweites Buch, also quasi so eine Art Fortsetzung. Also sowas<br />
wie Honkland II - Flora und Fauna in der Tundra. Oder aber auch<br />
Honkland II - Ein Quantum Bullshit. Kann alles sein, kann alles<br />
passieren. Ist alles möglich und auch besonders sinnvoll, aber dann doch<br />
eher unwahrscheinlich, weil ich keine Lust dazu habe.<br />
Naja, mal sehen. Bleiben wir zunächst erstmal bei der Dreckschleuder<br />
hier und schenken unser Augenmerk nun der Werbung.
Wir sind Konsumenten, wir sind Abfallprodukte der allgemeinen<br />
Lifestyle-Obsession.<br />
240<br />
(Tyler Durden)<br />
Und wie sollte es anders sein, auch die Werbung muß ignoriert werden.<br />
Ganz klare Angelegenheit. Insbesondere die Werbung in der Glotze. Die<br />
ganz besonders. Nicht, daß jeder Werbespot an sich schon schlecht,<br />
beschissen oder gar Verarsche wäre. Nein, so ist das dann aber mal auch<br />
nicht. Nur weiß man vorher leider nie, was als nächstes kommt. Mal<br />
angenommen, man schaut sich gerade den neuen TV-Werbespot von<br />
Coca Cola an. Daß die Coke-Spots tiptop sind, dürfte wohl unstrittig<br />
feststehen. Die Jungs und Mädels haben auf jeden Fall ihr Handwerk<br />
gelernt und auch verstanden, das ist klar. So, und jetzt ist der Coke-Spot<br />
vorbei, und als nächstes kommt dann irgendein schwachsinniger Mist,<br />
also so von wegen mit Extraportion Milch oder Knoppers<br />
Frühstückchen oder ähnliches Zeug. Tja, und dann haben wir den Salat,<br />
dann vergeht uns gleich mal wieder alles.<br />
Oder irgendein neuer, geiler Reisebus wird beworben. Ein Citroen C4<br />
Grand Picasso oder ein Renault Grand Scenic oder ein VW Touran.<br />
Uiuiui. Eben eine von diesen monströsen Schleudern, an deren Steuer<br />
unsere postmodernen Amazonen aussehen, als würden sie die Exxon<br />
Valdez oder gar die legendäre Enterprise steuern. Und zwar<br />
höchstpersönlich. Unglaublich geil, leck` mich einer am Arsch. Jede<br />
schwangere Frau Mitte / Ende 20 braucht so ein Ungetüm. Falls man<br />
mal zwei bis drei Fußball-Mannschaften durch die Gegend fahren muß<br />
und gleichzeitig noch umziehen will, logisch. Je größer, desto geiler.<br />
Auf jeden Fall, ganz meine Meinung, größer ist geiler. Wenn wir von<br />
Hubraum sprechen. Aber ansonsten nicht. Zumindest nicht bei<br />
Reisebussen. Aber völlig egal, die Werbung suggeriert es unserer<br />
postmodernen Amazone, und deswegen muß so ein Reisebus her. Und<br />
nichts anderes, damit das mal klar ist!
Richtig geil auch, wenn der Kerl dann mit dieser Gurke rumfahren muß.<br />
Schön die Scheiben schwarz getönt, und man ist der Rambo unter den<br />
Pampers-Bombern, keine Frage. Die Weiber selbst können diese<br />
Gurken nämlich kaum noch fahren. Oder vielmehr manövrieren. So ein<br />
Monster fährt man nämlich nicht mehr, so ein Monster muß man<br />
manövrieren. Endgeil. Die Mutter-und-Kind-Parkplätze beim<br />
Supermarkt resultieren nämlich nicht daraus, daß man unserem zumeist<br />
doch etwas korpulenteren Amazönchen einen kleinen Weg bis zum<br />
Eingang ersparen möchte. Pustekuchen. Ein kleiner Fußmarsch täte den<br />
meisten dann doch mal ganz gut, ist doch so. Nein, die Scheiß-Dinger<br />
haben Übergröße, das sind Parkplätze mit Übergröße. Weil unsere<br />
Amazone ihre Exxon Valdez in einen stinknormalen Parkplatz nicht<br />
mehr hinein manövrieren kann.<br />
So sieht`s aus, und das ist super-lustig, aber zugleich auch super-krass.<br />
Gleich in einer Reihe, in einer Reihe direkt neben den Behinderten-<br />
Parkis, stehen überdimensionale, extrabreite und speziell angelegte<br />
Parkboxen für Amazonen mit Container-Schiffen. Von wegen Mutter<br />
und Kind. Kapitän und Frachter, so müßte es richtigerweise heißen.<br />
Matrose und Smutje. Völlig selbstverständlich, daß unser Honk solche<br />
Parkplätze entgegen der Beschilderung für seinen flotten Flitzer nutzt.<br />
Völlig logisch und auch verständlich, und zwar aus zwei Gründen: Zum<br />
einen sind diese Parkboxen so riesig, daß jeder Penner mit seinem<br />
Einkaufswagen mühelos zwischen zwei dort parkenden PKW<br />
durchrollen kann, ohne dabei einen zu touchieren. Und zum anderen<br />
kann man sich immer voll kaputtlachen, wenn man den letzten freien<br />
Reisebus-Parki genommen hat und unsere grimmige, kleine Amazone<br />
mit ihrem Schlachtschiff auf einen normalen Parkplatz ausweichen muß.<br />
Grummel, grummel, manövrier, manövrier. Und quietsch, kratz,<br />
knirsch. Total witzig, muß man echt mal gesehen haben.<br />
Liebe, liebe Amazönchen und moderne Mütter, liebe junge Mamis und<br />
all diejenigen, die es bald werden, aber schon jetzt so einen schönen<br />
Reisebus in der Einfahrt stehen haben: Bitte verzeiht mir! Bitte kauft<br />
und lest mein Buch trotzdem, ich mache nur Spaß, alles nur Spaß. Ich<br />
liebe Euch, ich liebe Euch alle. Euch und Eure Exxon Valdez. Herrlich.<br />
Ich kann nicht mehr...<br />
241
So blöd kann keiner sein, daß er nicht merkt, daß von diesem<br />
Schweinefraß kein Mensch leben kann, so blöd kann keiner sein.<br />
242<br />
(Klaus Kinski)<br />
So viel zu unserem kleinen Multivan-Exkurs. Multivans sind zwar echt<br />
voll fies, aber zumindest verarscht uns die Werbung nicht, indem sie<br />
wohlwissentlich lügt oder uns falsche Tatsachen suggeriert. Natürlich<br />
wird so eine Möhre als Space Box oder Raumwunder oder sonstwas<br />
angepriesen. Das ist sie ja auch. Es wird ja wohl kaum ein<br />
Wahnsinniger daherkommen und so ein Vehikel als Porsche-Killer<br />
bewerben wollen. Nein, das sind nunmal Riesen-Gurken, und als<br />
Riesen-Gurken werden sie auch völlig zu Recht beworben. Einen<br />
anderen Fall bilden Produkte, die an sich vielleicht ganz okay sind, bei<br />
denen uns die Werbung allerdings verarschen will. Beziehungsweise bei<br />
denen die Art und Weise, wie das Produkt angepriesen wird, völlig<br />
falsche Illusionen beim Konsumenten hervorruft. Hier zum Beispiel:<br />
Kinder Schokolade ist die erste speziell für Kinder entwickelte<br />
Schokolade. Die Besonderheit liegt im außergewöhlich hohen<br />
Milchanteil, im einzigartigen milchigen Geschmack und in der leichten<br />
Portionierbarkeit durch einzeln verpackte Riegelchen.<br />
So steht es bei denen auf der Homepage. So und nicht anders. Und auch<br />
auf die Gefahr hin, mich jetzt mit der FERRERO-Mafia anzulegen,<br />
fühle ich mich als Konsument schlichtweg total verarscht, aber mal so<br />
richtig. Denn mit 550 Kalorien pro Tafel à 100 Gramm hat besagte<br />
speziell entwickelte (uiuiui...) Kinder-Schokolade nicht mehr und nicht<br />
weniger Kalorien als andere Schokoladen. Milka, Ritter-Sport, Alpia,<br />
sonstwas. Völlig Latte. Hauptbestandteile sind Zucker und Fett, wie es<br />
bei allen gängigen Schokoladen der Fall ist. Es handelt sich hierbei also<br />
um eine stinknormale, handelsübliche, leckere Schokolade. Und um<br />
nichts weiter. Damit das erstmal klar ist.
Der außergewöhnlich hohe Milchanteil dieser Spezial-Schokolade<br />
beträgt unglaubliche 33%! 33%!!! Das muß man sich jetzt mal<br />
vorstellen, wenn das überhaupt noch geht. 33%!!! In Worten:<br />
Dreiunddreißig Prozent. Unfaßbar! Also unfaßbar geile 33 Gramm<br />
Milchanteil pro Tafel. 33 Gramm pro Tafel! Hallo?! Geht`s noch?!<br />
Konkret heißt das, daß ich von den Dingern knapp acht Tafeln fressen<br />
muß, um auf so viel Milch zu kommen, wie in einem stinknormalen<br />
Glas à 250 ml steckt. Acht Tafeln, krasse acht Tafeln. In Zahlen: 8. Also<br />
acht extrem krasse Tafeln dieser speziell entwickelten, außergewöhnlich<br />
milchigen und ganz offensichtlich besonders gehirnbekömmlichen Hi-<br />
Tec-Schokolade. Und das kann ja wohl nicht mein Ernst sein. Also das<br />
kann ja wohl wirklich nicht mein Ernst sein. Also wirklich nicht.<br />
Und das ist auch nicht nur nicht mein Ernst, nein, da fühle ich mich<br />
schlichtweg verarscht. Verarscht, veralbert, verkackeiert,<br />
verhohnepipelt. An der Nase herumgeführt. Klar ist der Milchanteil<br />
höher als bei anderen Schokoladen. Aber trotzdem noch immer<br />
verschwindend gering. Nicht einmal zwei Kornglas voll Milch pro<br />
Tafel. Sauber, ganz sauber. Also völlig unbedeutend, geradezu absurd<br />
unbedeutend. Fast so banal unbedeutend wie GNT by Schnäuzchen<br />
Klum. Aber der normalen, unbedarften Hausfrau und Mutti will man<br />
hier suggerieren, daß es sich um eine ganz spezielle Schokolade für<br />
Kinder handelt, uiuiui, vielleicht ist die ja sogar noch gesund?! Ja klar,<br />
ganz bestimmt. Die ist sowas von gesund, man kann sich kaum noch<br />
vorstellen, wie gesund die ist. Aber sowas von. Und Rauchen macht<br />
schön und Alkohol schlau.<br />
Nein, das ist alles ganz großer Bullshit. Bullshit zum Quadrat.<br />
Mindestens. Sowas macht man einfach nicht. Man verarscht seine<br />
Kunden nicht. Beziehungsweise verarscht man seine Kunden nur dann,<br />
wenn man ohne die Verarsche keine Kunden hätte. Dann kann man das<br />
durchaus mal machen. Und das ist aber bei Kinder-Schokolade<br />
bestimmt nicht der Fall. Das Produkt ist nämlich ziemlich gut, das<br />
Produkt ist geschmackstechnisch gesehen sogar total lecker. Mjam.<br />
Aber die Werbung ist totaler Bullshit. Voll für`n Arsch, aber mal so<br />
richtig. Also laßt das doch bitte mal sein. Scheiß doch auf die geile<br />
Extraportion Milch, ist doch nur was für komplett Gehirnamputierte,<br />
mal echt jetzt. Muß doch nicht sein.<br />
243
Und wo wir gerade beim Thema gehirnamputiert sind: Liebe<br />
FERRERO-Werber, liebe Zucker-Püppchen und Riegel-Dreher der<br />
FERRERO-Marketing-Abteilung, laßt Euch für Euer tolles Raffaello<br />
doch bitte auch mal was anderes einfallen, ja?! Diese Werbung ist doch<br />
wohl auch mal so richtig schön schwachsinnig, mal echt jetzt. Früher<br />
hieß es Leichter Genuß, ganz ohne Schokolade, heute dagegen nur noch<br />
Vollkommen... ohne Schokolade. Ja Mensch, die Dinger haben 600<br />
Kalorien und 45 Gramm Fett auf 100 Gramm. Das sind 50 Kalorien und<br />
10 Gramm Fett mehr als jede normale Schokolade. Und Ihr suggeriert<br />
da leichten Genuß und ohne Schokolade und sonstwas. Das macht doch<br />
überhaupt keinen Sinn. Da könnt Ihr die Dinger auch<br />
Vollkommen... ohne Pferde-Scheiße<br />
oder<br />
Vollkommen... ohne Rheuma-Salbe<br />
nennen, ist mindestens genauso sinnvoll. Vollkommen sinnvoll,<br />
vollkommen ohne Verstand. Vollkommen Sockenschuß! Laßt doch bitte<br />
den Unsinn sein, müßt Ihr doch nicht machen. Ist doch alles ganz lecker<br />
und toll, aber veräppelt doch bitte die Leute nicht so, ja?! Die meisten<br />
haben eh schon so krass einen an der Waffel, da müßt Ihr das doch nicht<br />
noch machen. Grenzt ja an Körperverletzung sowas.<br />
Werft doch mal bitte die Leute aus Eurer Marketing-Abteilung raus, und<br />
stellt dafür ein paar neue ein. Bißchen frischer Wind wäre mal nicht<br />
schlecht. Allein diese ultimativ hanebüchenen Dialoge in Eurer<br />
Werbung, sei es Mon-Chéri oder Rocher oder Küßchen oder sonstwas.<br />
Völlig egal. Bei jeder FERRERO-Werbung kriegt man einen totalen<br />
Lattenschlag, echt jetzt. Euer Zeug muß ja geiler sein als Koks oder<br />
Ecstasy, mein lieber Mann. Das würde zumindest auch die grenzwertig<br />
beknackten Dialoge erklären. Boah! Ich dachte immer, ich würde schon<br />
ein ziemlich geiles Leben führen. Aber wenn ich mir das so angucke,<br />
dann wäre ich wohl doch lieber einer der lustigen Freunde aus Eurer<br />
Ferrero-Küßchen-Werbung. Oder zusammen mit der Raffaello-Tante<br />
auf den Malediven. Oder das Arschloch mit dem Kirschstand.<br />
Wahnsinn! Was für ein himmelschreiender Unsinn!<br />
244
Zu Eurer guten Milchschnitte sage ich jetzt mal lieber nichts mehr, sonst<br />
entsteht hier noch der Eindruck, ich hätte speziell was gegen<br />
FERRERO. Habe ich aber gar nicht. Andere machen nämlich ähnliche<br />
Augenwischerei, insbesondere im Süßigkeiten-Bereich, da regiert der<br />
Wahnsinn. Scheinbar muß man als Werber in der Süßigkeiten-Branche<br />
einen ganz fulminanten Sockenschuß haben, anders ist das nicht mehr<br />
zu erklären. Egal. Nehmen wir also mal einen anderen, nehmen wir mal<br />
STORCK und deren Knoppers. Knoppers, das Frühstückchen. Wird als<br />
Milch-Haselnuß-Schnitte mit wertvollen Zutaten beworben und als<br />
ideale kleine Stärkung für zwischendurch.<br />
Ist das mal kackfrech?! Das ist kackfrech. Freunde, was soll denn das?!<br />
Was soll denn dieser freche Unsinn?! Das Ding besteht hauptsächlich<br />
aus leeren Kalorien wie Zucker, Fett und Mehl und hat demzufolge auch<br />
einen ähnlichen Kalorien- und Fettanteil wie normale Schokolade. 528<br />
Kalorien und 32 Gramm Fett per 100 Gramm. Glückwunsch. Also wenn<br />
das keine ideale kleine Stärkung für zwischendurch ist, dann weiß ich es<br />
auch nicht mehr. Da geht mir doch echt der Hut hoch! Klar sind da auch<br />
ein oder zwei Gramm Nüsse und Milchanteil drin, ganz phantastisch,<br />
aber die kriege ich auch, wenn ich den Fußboden in meiner Küche<br />
ablecke. Mindestens.<br />
Hört doch bitte auf, den Eindruck erwecken zu wollen, daß sowas<br />
gesund oder wertvoll oder sonstwas sei. Ideale kleine Stärkung, na klar.<br />
Aber auch nur dann, wenn man als Alternative ansonsten nur noch einen<br />
plattgefahrenen Igel oder Cockpit-Spray zu fressen hätte. Dann ja, dann<br />
ideale kleine Stärkung, dann ganz toll. Aber auch nur dann. Ansonsten<br />
Süßigkeit. Nicht mehr, nicht weniger. Und genau wie die anderen hier<br />
erwähnten Produkte äußerst schmackhaft und lecker. Deswegen<br />
nochmal in aller Deutlichkeit: Hier geht es definitiv nicht darum,<br />
irgendein Produkt zu verunglimpfen. Nein, absolut nicht. Die Produkte<br />
an sich sind nämlich alle prima. Aber die Art und Weise, wie sie<br />
angepriesen werden, um ganz bewußt falsche Illusionen beim<br />
Konsumenten hervorzurufen, ist schlichtweg Affenkacke. Ganz, ganz<br />
fiese Affenkacke. Klingt komisch, ist es auch.<br />
Na, ist das mal sehr geil, was der Honk so alles weiß?!<br />
245
Ich kann machen, was immer zur Hölle ich will. Heute können mir alle<br />
mal den Buckel runterrutschen, verstehen Sie?!<br />
dd) Ergebnis<br />
246<br />
(Iggy Pop)<br />
Während wir unserem Honk unter Abschnitt a) dieses Kapitels<br />
vereinzelte anarchistische Charakterzüge nachweisen konnten, durften<br />
wir nun in Erfahrung bringen, daß er daneben auch ein ziemlich fieser<br />
Ignorant ist. Beziehungsweise Ignorant sein muß. Muß! Grundsätzlich<br />
sind hierbei zwei Fälle denkbar:<br />
Zum einen können Mißstände vorliegen, die der Honk nicht oder nur<br />
mit unverhältnismäßig hohem Aufwand ändern kann. An erster Stelle<br />
muß hierbei zwangsläufig unsere immer kapitalistischer und<br />
unmenschlicher werdende Gesellschaft genannt werden. Unsere sehr<br />
herrliche soziale Marktwirtschaft, na klar. Die Jobs werden tagtäglich<br />
knapper und beschissener, dafür wird im Gegenzug die Angst immer<br />
größer und die Kohle immer weniger bzw. auch noch weniger wert.<br />
Paßt also alles ganz toll. Auf einen gemeinsamen Nenner gebracht:<br />
Scheiß-Jobs � Scheiß-Kohle<br />
Toll. Sollte so halbwegs verständlich geworden sein. Ausbeutung des<br />
Menschen bzw. des Produktionsfaktors Mensch, in erster Linie unter<br />
Verwendung des Druckmittels Angst, bla, alles durchgekaut. Voll<br />
beschissen, voll zum Hinkotzen. Leider allerdings ein Mißstand, den der<br />
Honk nicht ändern kann. Ansatzweise höchstens für sich selbst. Also<br />
weitestgehend frei und eigenständig arbeiten, um gerade so viel Kohle<br />
zu verdienen, wie für den eigenen Lebensstil nach eigenem Ermessen<br />
benötigt wird. Und das Ganze nach Möglichkeit auch noch legal, was<br />
das Unterfangen zusätzlich und erheblich erschwert.
Zusammenfassend ist demnach also festzuhalten, daß der Honk den<br />
Kapitalismus weitestgehend ignoriert und diesen nur insoweit<br />
akzeptiert, als wie er für die Erfüllung eigener materialistischer Belange<br />
unvermeidlich ist. Idealerweise ist der Honk dabei dem Produkt seiner<br />
Arbeit nicht entfremdet. Indem er beispielsweise in irgendeiner<br />
Pommesbude irgendwelche Schrauben und Muffen verkauft oder in<br />
irgendeiner anderen Pommesbude an irgendeinem Scheiß-Fließband<br />
steht. Oder ähnlichen Blödsinn machen muß. Nein, das geht nicht, keine<br />
Entfremdung des Honk. Keine Austauschbarkeit, keine System-<br />
Anonymität, und vor allen Dingen auch keine total hirnverbrannten<br />
Tätigkeiten für schmales Moos. Nix da. Niemals.<br />
Und das ist auch gut und richtig und wichtig so, und deshalb muß unser<br />
Honk auch nicht kompensieren. Weder mit hanebüchenen<br />
Freundeskreisen voller Arschgeigen, noch mit sonderbaren Hobbies,<br />
noch mit übermäßigen Freß-, Sauf-, Sport- oder Koks-Attacken oder gar<br />
mit Aso-TV und Internet-Chat.<br />
Merke: Der Honk kompensiert nicht, der Honk säuft zum Spaß.<br />
Der zweite denkbare Fall sind Mißstände, die schlicht und einfach vom<br />
Format, von der Thematik und von den Protagonisten her schon so<br />
unfaßbar dämlich sind, daß für einen geistig halbwegs normal situierten<br />
Menschen keine andere Reaktion als Ignoranz in Betracht kommen<br />
kann. Oder konkret: Aso-TV und Opfer-TV. Also fast alles, was<br />
tagtäglich so im Privatfernsehen zwischen 8 und 18 Uhr läuft. Müssen<br />
wir ignorieren, wollen wir uns nicht mit befassen. Sonst wird unser<br />
armes Gehirn lang und schmerzfrei sterben müssen. Und das ist dann<br />
ein Vorgang, der für außenstehende Dritte sehr skurril anmutet.<br />
Letzten Endes müssen wir dann größtenteils auch die Werbung<br />
ignorieren. Die wird nämlich leider auch immer sinn- und hirnloser, wie<br />
dem ein oder anderen möglicherweise bereits selbst aufgefallen ist.<br />
Insbesondere die TV-Werbung, die ist besonders krass und gefährlich.<br />
Weil man bei dieser nicht abschätzen kann, wann der nächste Schlag an<br />
die Waffel kommt. Jeder Spot könnte der letzte sein. Dessen müssen wir<br />
uns stets bewußt sein. Insbesondere immer dann, wenn wir Süßigkeiten<br />
einkaufen gehen.<br />
247
Alles in allem wird man wohl zu dem Ergebnis kommen müssen, daß<br />
wir gegen Mißstände, die uns persönlich betreffen oder nahe gehen,<br />
immer dann kämpfen sollten oder sogar müssen, wenn eine realistische<br />
Aussicht auf Erfolg besteht. Also wenn wir die Mißstände ändern oder<br />
wenigstens einen vernünftigen Beitrag zur Veränderung leisten können.<br />
Dann müssen wir als Honk aktiv werden. Und zwar nach eigenem<br />
Ermessen und notfalls sogar unter Zugrundelegung eigener<br />
Vorstellungen von Moral und Ethik.<br />
Und damit ist nicht BILD lesen gemeint. Beziehungsweise BILD lesen<br />
und sich hinterher über das Gelesene ausscheißen. Oder zur Wahl gehen<br />
und irgendein besonders bizarres, linkes Früchtchen wählen. Oder<br />
Steine auf irgendwelche Leute oder in irgendwelche Scheiben werfen.<br />
Nein, das alles ist großer Kokolores und hat mit einem Honk und<br />
Honkland nicht das Geringste gemein. Honkland ist nicht Amok oder<br />
Chaos, Honkland ist zielgerichtetes, sinnvolles Leben. Weitestgehend<br />
an einer ferngesteuerten und fremdbestimmten Gesellschaft vorbei.<br />
Einer Gesellschaft, die der perfiden Illusion erlegen ist, frei zu sein.<br />
Einer Gesellschaft, die tagtäglich auf immer absurdere und groteskere<br />
Ideen kommt, um den unvermeidlichen großen Knall noch etwas weiter<br />
hinauszuzögern. Bizarro-World! Land of Confusion! Klappsland!<br />
Geisteskrankenhausen! Wie auch immer. Auf jeden Fall Wahnsinn und<br />
somit selbstverständlich nichts für einen Honk.<br />
Im Umkehrschluß heißt das also schlichtweg, daß Mißstände, die nicht<br />
geändert werden können, ignoriert werden müssen. Nicht Toleranz oder<br />
gar Akzeptanz, nein, Bullshit, Ignoranz muß es sein. Ignorieren macht<br />
frei, Ignoranz ist geil. Also komplett an einem vorbei, komplett am<br />
Arsch ab, zack. Keine Notiznahme, keine Aufmerksamkeit, weil nicht<br />
existent. Phantastisch! Und durch und durch logisch. Wer es einmal<br />
ausprobiert hat, wird mehr als begeistert sein. Fresse halten und<br />
ignorieren. Das Non-plus-ultra in unserer lustigen Zeit. Das macht Sinn,<br />
das macht frei, das kommt gut.<br />
248
Hey, willst Du Dir ein bißchen Geld verdienen nebenbei? Schau` hier,<br />
20 Mark, guck` mal. Siehst Du dort diese grünlich schimmernde, alte,<br />
fiese Opa-Unke? Dieses Miststück? Dieses verdammte, aus dem<br />
Altenstift gezogene, hierhin gebrachte, verworrene Stück Blödheit?<br />
Scheiß ihm in die Stiefel! Scheiß sie ihm randvoll kaputt! Hol` alles raus<br />
aus Deinen Schläuchen, laß alles fahren! Und noch eines geb` ich Dir<br />
mit auf den Weg: Putz` Dir nachher den Popo schön ab!<br />
c) Der Honk als Sackgesicht<br />
249<br />
(Doc Snyder)<br />
Anarchist, Ignorant, Sackgesicht. Damit ist eigentlich alles gesagt.<br />
Honk eben. Da weiß jeder gleich Bescheid, was Sache ist. Anarchist,<br />
Ignorant, Sackgesicht. Ähnlich wie Vater, Sohn, Heiliger Geist. Da<br />
weiß dann auch jeder gleich Bescheid. Keine Fragen mehr offen, alles<br />
geklärt. Was gesagt werden mußte, wurde gesagt. Widmen wir uns<br />
abschließend also der Charakterisierung des Honk als Sackgesicht. Und<br />
zwar nicht bloß als irgendein x-beliebiges Sackgesicht, nein, sondern<br />
vielmehr als Germany`s Biggest Sackgesicht, so wie es der Titel des<br />
Buches bereits so furchtbar verheißungsvoll andeutet.<br />
Nun ist die Sache mit der Charakterisierung als Sackgesicht natürlich<br />
erheblich leichter gesagt als getan. Denn wie können wir jemanden als<br />
etwas charakterisieren, dessen Bedeutung sich uns noch gar nicht<br />
erschließt?! Oder anders gefragt: Was ist überhaupt ein Sackgesicht?<br />
Gemäß herrschender Meinung im Internet ist bei Herleitung der<br />
Definition der Titulierung Sackgesicht in erster Linie auf äußere<br />
Merkmale abzustellen. Hierbei muß grundsätzlich zwischen zwei Fällen<br />
unterschieden werden: Zwischen dem tatsächlichen und dem optischen<br />
Sackgesicht.
Das tatsächliche Sackgesicht ist dadurch klassifiziert, daß es eine Art<br />
Stofftüte oder Jutesack über den Kopf gestülpt trägt, ähnlich einem<br />
Henker oder einem Mitglied des Ku-Klux-Klans. Dies kann einerseits<br />
aus Gründen der Anonymität geschehen, andererseits aus Gründen der<br />
eigenen Einsicht des Trägers in seine schier unglaubliche und<br />
abgrundtiefe Häßlichkeit. Letztere Motivation kommt beispielsweise bei<br />
Jason Vorhees in Freitag der 13. Teil II zum Tragen: Boah, sehe ich<br />
vielleicht mal voll Scheiße aus! Zack, Tüte über`n Kopp, Machete in die<br />
Hand, gleich viel besser. Respekt! Ferner existieren Gruppierungen, bei<br />
denen eine Mischung aus beiden Motiven vorliegt, also Wahren der<br />
Anonymität und Verbergen der fiesen Hackfresse. Ein Beispiel hierfür<br />
sind die Jungs und Mädels von Al-Qaida & Co. oder auch das Osama-<br />
Survival-Camp.<br />
Dieser Definition kann der Honk allerdings nicht zugeordnet werden.<br />
Zum einen zieht er seinen Wahnsinn aus ehrlicher Überzeugung durch,<br />
was dem Prinzip einer Maskierung aus Anonymitäts-Gründen<br />
grundlegend widerspricht. Wenn schon Honkytonk, dann auch richtig.<br />
Da kann dann jeder auch gleich mal sehen, von wem es kommt. Und<br />
zum anderen sieht unser Honk einfach so unglaublich gut aus, daß er<br />
seine Schönheit und seinen Glanz unter gar keinen Umständen unter<br />
einem Jutesack verbergen dürfte. Da hätte keiner was von.<br />
Das optische Sackgesicht definiert sich dagegen durch eine untypische,<br />
auf Nase und Kinn fokussierte, optische Abnormalität. Hierbei<br />
symbolisiert eine überdurchschnittlich lange und bananenförmig<br />
gebogene Schlauchnase den männlichen Penis, während zudem ein<br />
stark der Norm abweichendes, übermäßig hängendes und extrem<br />
faltiges Doppelkinn als Metapher für den männlichen Hodensack<br />
anzusehen ist. Das Gesicht als Ganzes ähnelt somit stark einem<br />
männlichen Genitalbereich.<br />
Auch diese Definition erweist sich im Falle unseres Honk als<br />
unbrauchbar. Das optische Sackgesicht ist zumeist vielmehr fiktiver<br />
Natur und kommt daher eher bei komödiantischen Illustrationen oder<br />
grotesken Karikaturen zur Anwendung. In der Realität -und auch<br />
insbesondere im Honkland- wird man ein optisches Sackgesicht<br />
dagegen kaum finden können.<br />
250
Aufgrund genannter Umstände, also Ablehnen einer anonymen<br />
Maskierung bei ansonsten optischer Einwandfreiheit ohne dominante<br />
Merkmale an Nase oder Kinn, kommt eine Typisierung unseres Honk<br />
als tatsächliches oder optisches Sackgesicht nicht in Betracht. Bleibt<br />
daher lediglich noch zu prüfen, ob unser Honk als metaphorisches<br />
Sackgesicht typisiert werden kann. Also eine Einordnung als<br />
sinnbildliches Sackgesicht, welches eher auf charakterliche Attribute<br />
abstellt. Dies wäre dann der Fall, wenn unser Honk innerlich so madig<br />
und ranzig und zugeschissen wäre, daß man sich das eigentlich gar nicht<br />
mehr vorstellen kann. Und auch gar nicht will. Also eine extrem madige<br />
Extrem-Made, eine Napf-Birne, ein gammeliger Gimp, ein Oimel, ein<br />
ranziger Schakal und natürlich auch noch ein riesengroßer Peniskopf.<br />
Mindestens. Natürlich alles rein charakterlich gesehen. Charakterlich<br />
also voll krass fehlgeleitet. Dann, ja dann spräche man zweifelsohne<br />
von einem Sackgesicht. Natürlich alles rein metaphorisch, aber trotzdem<br />
Sackgesicht. Sackgesicht ist Sackgesicht, und nur darum geht es hier.<br />
Insoweit erscheint es nur logisch, an dieser Stelle zu hinterfragen, ob<br />
unser Honk vielleicht generell und komplett und voll krass fehlgeleitet<br />
ist. Im gesellschaftlichen Leben, also als Anarchist und Ignorant, scheint<br />
dies umstritten. Böse Zungen mögen es Amok und Chaos und Pfui<br />
nennen, der Honk nennt es Fortschritt. Und natürlich Freiheit, klar.<br />
Aber wie sieht es beim Honk intern aus? Also in seiner Rübe, in seiner<br />
Birne, in seinem Kürbis. Ist dort Amok, Chaos und Pfui oder vielleicht<br />
sogar Matsch? Holz, Stroh, Erde, Torf, Sand? Oder ist dort Fortschritt?<br />
Innovation, Freiheit, Leben? Sonne, Mond, Sterne?<br />
Um dem auf den Grund zu gehen, erscheint es sinnvoll, zunächst<br />
diverse alltägliche Lebensbereiche und -situationen unseres Honk zu<br />
beleuchten. Und selbstverständlich schenken wir hierbei den Frauen als<br />
erstes unser Augenmerk. Na klar, unseren Frauen, wem denn auch<br />
sonst?! Unseren Amazonen, unseren Kapitänen, unseren Grazien,<br />
unseren Hühnern. Unseren Frauen eben, ich freu` mich.<br />
251
Betrachte die Anwesenheit von Frauen als eine notwendige<br />
Unannehmlichkeit im Leben, und vermeide sie so weit als möglich.<br />
252<br />
(Leo Tolstoi)<br />
Wonderland, wonderland, shining stars, jingle bells, this time is filled<br />
with magic. Wonderland, wonderland, shining stars, jingle bells, all<br />
over the world.<br />
aa) Honk und Frauen<br />
(Heidi Klum)<br />
Mit den Frauen ist das so eine Sache. Selbstverständlich ist der Honk<br />
ein absoluter Frauen-Versteher. Das sollte mittlerweile klar geworden<br />
sein. Niemand kann Frauen so gut verstehen wie der Honk. Die ganze<br />
Sache hat nur einen Haken: Je mehr man die Frauen versteht, desto<br />
weniger wird man aus ihnen schlau. Man versteht quasi alles, nur ergibt<br />
es einfach keinen Sinn. Es fehlt die Logik, und wie sie fehlt, sie fehlt an<br />
allen Ecken und Enden. Einfach keine da.<br />
Das geht ja schonmal bei der Bezeichnung als schwaches Geschlecht<br />
los. Schwaches Geschlecht, wie kann denn das wohl noch gemeint sein?<br />
Wo kommt denn das mal bitte her? Das kann ja wohl höchstens ein<br />
Überbleibsel aus alten Zeiten sein. Als der feine Herr noch hoch zu<br />
Pferde saß und in die Schlacht ritt. Von da muß das noch übrig sein.<br />
Denn wenn man sich unsere moderne Amazone von heute ansieht, wie<br />
sie stolz und grimmig ihre Exxon Valdez durch den Straßenverkehr<br />
manövriert, dann sind doch Kapitän Kirk und Luke Skywalker ein<br />
Scheißdreck dagegen, mal echt jetzt.
Hier, nur mal so als zum Beispiel:<br />
Luke, Obi-Wan hat Dir nie erzählt, was mit Deinem Vater passiert ist.<br />
Nein, aber mit meiner Mutter, die steuert einen Sternen-Zerstörer.<br />
So sieht`s doch nunmal aus. Also Pustekuchen von wegen schwaches<br />
Geschlecht. Die moderne Frau von heute hat den weinerlichen Mann<br />
längst überholt, sogar beim Testosteron. Man muß sich das Elend nur<br />
einmal angucken. Haarsträubend. Besorgniserregend. Und vor allen<br />
Dingen: Es gibt kein Zurück mehr. Hat unser Amazönchen erst einmal<br />
das Ruder übernommen, gibt sie es nicht wieder her. Nie, nie mehr.<br />
Und das ist auch gut so, das ist sogar richtig lustig so. Denn nun kann<br />
man sich als Mann -und insbesondere als Honk- zurücklehnen und<br />
höchst amüsiert beobachten, was unser Amazönchen als nächstes tut.<br />
Also wenn sie ihr Primärziel, den Mann zu unterjochen, erreicht hat.<br />
Dann hat sie auf ganzer Linie gesiegt, und zwar für immer. Denn ein<br />
nachträglicher Aufstand oder gar eine Meuterei des Mannes ist gänzlich<br />
ausgeschlossen. Sowas endet immer übel, und immer für den Mann. Für<br />
das moderne Männlein, das Männchen. Ganz übel, und daher läßt man<br />
es lieber gleich bleiben und harret der Dinge, die denn da nun folgen<br />
werden. Und die sind lustig, richtig lustig.<br />
Denkbar ist fast alles. Den tonnenschweren Reisebus haben wir<br />
ausreichend durchgekaut. Was auch immer total geil kommt, sind diese<br />
doppelten Nachnamen. Uiuiui. Sehr extravagant, très chic. Très<br />
magnificent. Also so wie bei den Politikerinnen und Berufsschul-<br />
Lehrerinnen. Um die Eigenständigkeit und Importanz und sonstwas<br />
ganz brachial und völlig unumstritten hervorzuheben. Zack. Sabine<br />
Leutheusser-Schnarrenberger. Der macht fast eine ganze Zeile voll,<br />
meine Fresse. Herta Däubler-Gmelin. Kling auch sehr geil. Oder hier,<br />
mal einer aus dem Bereich Sport: Gunda Niemann-Stirnemann. Mann,<br />
Mann, Mann. Mein lieber Mann. Keine Ahnung, was da in den Hühnern<br />
vorgeht, aber als Mann hält man da auch lieber die Fresse, ist besser.<br />
Langeweile, Komplexe oder einfach nur Bock auf einem beschissenen<br />
Nachnamen. Alles möglich, alles denkbar. Bloß nicht nachfragen, bloß<br />
nicht laut aussprechen.<br />
253
Denn bei der Wahl extrem raffinierter Kinder-Namen ist unsere<br />
moderne Amazone nicht minder kreativ: Maurice-Joel, Jason-Leon,<br />
Finn-Ole, Leon-Pascal, Chiara-Sophie, Mia-Marie. Endgeil. Liest sich<br />
wie die Darsteller-Liste eines holländischen Low-Budget-Pornos. Und<br />
zack, gleich noch zwei, drei geile Aufkleber an die Exxon Valdez hinten<br />
dran. Zack. Vivienne-Leonore on Tour. Natürlich. Tyler-Finn on Board.<br />
Auch schön. Und so zeitlos und elegant und sinnvoll. Selbstverständlich<br />
viel zeitloser und eleganter und natürlich auch viel sinnvoller als die<br />
Aufkleber Show-Stopper und Pussy-Wagon, die an meinem Benz hinten<br />
dran kleben. Das steht natürlich völlig außer Frage. Sollte ich einmal<br />
ungewollt eigene Kinder haben, wird der Junge Ulf-Wulf-Ralf-Rolf-Wolf<br />
und das Mädchen Mandy-Sandy-Handy-Candy heißen. Kein Scherz.<br />
Auch immer sehr geil anzusehen: Wenn unsere dann meist doch etwas<br />
korpulentere Grazie unter Zuhilfenahme von zwei dürren, klapprigen<br />
Metall-Krückstöcken ganz dynamisch mit ihren anderthalb Zentnern<br />
durch Wald, Wiese und Feld schlurft. Nennt sich Nordic Walking und<br />
macht überhaupt keinen Sinn. Sieht dafür aber völlig beknackt aus. Also<br />
ideal für Frauen. Kommt gleich nach Joga und Esoterik-Kram. Hat<br />
wahrscheinlich alles ein und derselbe Kerl erfunden. Wahrscheinlich<br />
derselbe Arsch, dem wir den Multivan zu verdanken haben. Besten<br />
Dank dafür. Stößchen.<br />
Man könnte die Liste endlos fortführen, denkbar sind die skurrilsten und<br />
bizarrsten Dinge. Denn wenn unser Amazönchen erstmal außer Rand<br />
und Band geraten ist, können die merkwürdigsten Sachen geschehen.<br />
Frau Mandy-Candy Schultz-Schulz-Schultz läßt sich von ihrem Mann<br />
Randy in deren Ford Galaxy zum Nordic Walking bringen und<br />
anschließend ins Nagelstudio zum Fuß-French. Heiliger Bimbam!<br />
Gänsehaut. Geisterbahn. Als wenn das noch irgendwas nützen würde.<br />
Geht mal alles gar nicht! Und jetzt könnte man als lebensmüder Randy<br />
daherkommen und seiner Grazie erzählen, daß sie ihren fetten Arsch<br />
mal lieber zwei, drei Stunden pro Woche auf sinnvollen Sportgeräten<br />
wie Ergometer oder Crosstrainer bewegen könnte. Statt albern mit<br />
Krücken durch die Gegend zu latschen und sich ihre pottenhäßlichen<br />
Stinkemauken und Hammerzehen auch noch für teure Kohle anpinseln<br />
zu lassen. Das könnte unser lebensmüder Randy seiner Mandy-Candy<br />
nun erzählen, und Recht hätte er. Und wie er das hätte.<br />
254
Aber Recht haben und Recht bekommen sind zwei paar Schuhe.<br />
Konnten wir ja bei unseren kleinen Ausflügen in die bunte Welt der<br />
Justiz bereits erschöpfend eruieren. Und während die Justiz vereinzelt<br />
noch Milde walten läßt, kennt unser modernes Weibchen bei sowas<br />
keine Gnade. Keine Gnade, niemals, und es wird auch nicht lange<br />
gefackelt. Ein dezenter Hinweis auf den positiven Nutzen eines<br />
modernen Fitness-Gerätes hätte -insbesondere in Verbindung mit dem<br />
Schlüsselwort fetter Arsch- verheerende Konsequenzen für unseren<br />
Randy. Ließe er sich zu solch einem kecken Hinweis hinreißen, wäre für<br />
ihn alles verloren. Alles. Und nichts wäre mehr wie früher. Ganz<br />
verheerend. Mit ein bißchen Pech wird unser Randy sogar sterben<br />
müssen, denn mit ein bißchen Pech frißt ihn das Weibchen jetzt auf.<br />
Und das ist auch einer der Gründe, warum sich unser Honk kein<br />
Weibchen ins Haus holt, zumindest nicht dauerhaft. Deswegen, na klar,<br />
und weil er noch nicht komplett bescheuert ist. Beim Honk muß man<br />
sich das nämlich so vorstellen, daß die Hühner kommen und gehen.<br />
Eines von beiden manchmal öfter, aber am Ende gehen sie alle. So viel<br />
ist mal sicher. Ganz viel Spaß, ganz wenig Verpflichtung. So soll es<br />
sein, und so muß es auch sein. Warum auch nicht, schließlich sind wir<br />
alle weitestgehend erwachsen. Naja, die meisten zumindest. Und wenn<br />
wir mal ganz ehrlich zu uns selbst sind, gibt es heutzutage auch keinen<br />
einzigen rationalen Grund mehr, sich fest zu binden.<br />
Liebe? Sollte es tatsächlich etwas wie Liebe sein? Ach woher denn!<br />
Abstriche, Zugeständnisse, Gewohnheiten. Nicht mehr, nicht weniger.<br />
Als würde man einen zehn Jahre alten Polo mit 60 PS kaufen und dann<br />
anderen Vollidioten erzählen, man führe die Schleuder lieber als einen<br />
Porsche oder SL500. Kompletter Blödsinn, völliger Nonsens.<br />
Hanebüchenes Hühner-Gegacker, wie so oft. Und spätestens jetzt sei<br />
doch bitte mal eine Frage gestattet. Ein elementare Frage, fürwahr,<br />
geradezu eine Fangfrage. Sozusagen die 500.000-Euro-Frage: Warum<br />
zur Hölle sind eigentlich so viele total hübsche Frauen mit solchen<br />
totalen Voll-Gurken zusammen?! Mit absoluten Ladenhütern und<br />
Gesichts-Petern. Unfaßbar. Und für einen normalen Menschen bzw. für<br />
einen normalen Mann nicht nachvollziehbar. Frauen-Logik eben. Steigt<br />
kein Mann durch, weil kein Sinn dahinter. Nur der Honk als besonderer<br />
Frauen-Versteher weiß es: Gewöhnung heißt das Wort der Stunde.<br />
255
Gewöhnung. Phantastisch. Und auch ganz einfach. Gewöhnung tritt<br />
nämlich immer dann ein, wenn unser kleines Amazönchen einen Mann<br />
kennenlernen muß. Beispielsweise als Arbeitskollegen oder als Mitglied<br />
des bis zur Perversion aufgeblähten Bekanntenkreises. Dann passiert<br />
etwas ganz Tolles, etwas ganz Außergewöhnliches. Denn dann gewöhnt<br />
sich unser Amazönchen mit der Zeit an diesen Mann. Völlig egal, wie<br />
beschissen, ekelhaft, abstoßend und widerlich sie ihn anfangs fand.<br />
Irgendwann tritt Gewöhnung ein. Und es wird relativiert, und zwar im<br />
ganz großen Stil. Abstriche werden gemacht, es wird schöngeredet. Et<br />
voilà, irgendwann findet unser Amazönchen den anfänglichen<br />
Kotzbrocken gar nicht mehr so ekelhaft und widerlich und häßlich.<br />
Lernt ihn kennen und schätzen. Sieht seine guten Seiten, seinen<br />
Charakter. Verliebt sich irgendwann.<br />
Tja, und dann haben wir den Salat. Die hübsche, kleine Fee und die<br />
Voll-Gurke. Was für ein Paar, was für ein Bullshit. Bullshit hoch<br />
sonstwas. Auf sowas können echt nur Hühner kommen. Während sich<br />
der Mann die Frau schön-saufen kann, muß sich die Frau den Mann<br />
schön-kennenlernen bzw. schön-abstreichen. Oh Mann. Und dann hat<br />
man irgendwann das lustige und mittlerweile gängige Bild, daß ein<br />
absoluter Gurken-Knecht und Gesichts-Peter mit einer richtig geilen<br />
Tante zusammen ist. Und damit meine ich richtig geil, nicht irgendein<br />
dusseliges Casting-Opfer oder eine dummblondierte Plastik-Frutte.<br />
Man möchte unsere Amazönchen geradezu rütteln und schütteln und<br />
ihnen ins Gesicht schreien:<br />
Höret her, höret her, liebe Amazonen und Amazönchen da draußen!<br />
Nicht jeder geil aussehende Kerl mit Charakter ist schwul.<br />
Läßt man aber lieber, hat eh keinen Sinn. Sie können es nicht hören, sie<br />
wollen es nicht hören. Und selbst wenn sie es hören könnten, verständen<br />
sie es nicht. Und wenn sie es verständen, würden sie es nicht wahrhaben<br />
wollen. So sieht es nunmal leider aus. Die meisten Mädels sind so<br />
festgefahren in ihren mittelmäßigen Beziehungen, daß sie überhaupt<br />
nichts mehr merken. Kriegen nichts mehr mit. Mittelmäßigkeit als Maß<br />
der Dinge. Mittelmaß im Job, Mittelmaß in der Beziehung, Mittelmaß<br />
im Leben. Ätzend. Aber wer`s mag.<br />
256
Als Honk mag man sowas natürlich überhaupt nicht. Als Honk findet<br />
man sowas vielmehr völlig inakzeptabel. Denn für einen Honk gibt es<br />
kein Mittelmaß. Entweder geil oder nicht geil. Eines von beiden. Aber<br />
gewiß nicht geil mit Abstrichen. Halbgeil. Partiell geil. Bullshit! Sowas<br />
gibt es nicht. Keine Ahnung, warum die Hühner das tun, aber sie tun es.<br />
Machen Abstriche und Abstriche und Abstriche und haben dann<br />
irgendwann den absoluten Lackkasper zum Kerl. Glückwunsch, ganz<br />
herzlichen Glückwunsch. Voll das Abstrich-Männchen, voll die<br />
Zwiebel, voll für`n Arsch. Stößchen. Dabei könnten sie stattdessen<br />
richtig geile Typen haben. Ja, richtig geile Typen, liebe Hühner.<br />
Vielleicht sogar einen Honk! Ja, ganz genau, einen Honk. Kein Witz.<br />
Vielmehr Drama. Was für ein Drama, was für eine Tragik. Furchtbar.<br />
Aber egal, man kann nicht alles haben. Und die Hühner wollen das ganz<br />
offensichtlich auch nicht, die lieben Mittelmaß und Gurken.<br />
Und genau deswegen geht man als Honk keine dauerhafte und feste<br />
Bindung ein: Weil man als Honk gar nicht so viele Macken haben kann,<br />
wie die Hühner bräuchten, um genügend Abstriche machen zu können,<br />
um sich so schön sicher und so komfortabel mittelmäßig fühlen zu<br />
können. Naja, und weil man dann doch auch ganz gern mal ein wenig<br />
Abwechselung in der Kiste haben möchte. Wer will schon tagein tagaus<br />
mittelmäßigen, halbgeilen Hackbraten?! Also der Honk schonmal nicht,<br />
bäh. Der Honk braucht Abwechslung, auf dem Tisch und auch in der<br />
Kiste, das hat er gern. Und nein, der Honk geht auch nicht mit Fräulein<br />
Schnäuzchen und irgendwelchen Casting-Opfern in irgendeine Mäckes-<br />
Bude und bestellt dort mit gewohnt dämlichem Grinsen einen<br />
American-Sonstwas-Burger mit Fritten. Das macht der Honk dann aber<br />
mal nicht, denn er ist nicht komplett bescheuert. Abwechslung ja,<br />
Schwachsinn nein. Also alles wie gehabt.<br />
257
Who doesn`t look for someone to hold, who knows how to love you<br />
without being told. Somebody tell me why I`m on my own, if there`s a<br />
soulmate for everyone.<br />
bb) Honk allein zu Haus<br />
258<br />
(Natasha Bedingfield)<br />
Insoweit bleibt man als Honk lieber allein zu Haus. Abstriche mag man<br />
keine machen, und die Chance, irgendwann einmal die Richtige zu<br />
finden, ist ähnlich hoch, als träfe man einen Vollidioten auf dem Uni-<br />
Campus. Also eher nicht so hoch. Eher gering. Den Rest erledigt der<br />
Umstand, daß die meisten richtig geilen Frauen in jahrelangen,<br />
mittelmäßigen, stinklangweiligen Beziehungen mit diversen<br />
mitteprächtigen Gurken feststecken. Ätzend. Voll ätzend. Aber nicht zu<br />
ändern. Abstreichen ist das Motto der Stunde, Gewöhnung das Wort der<br />
Woche. Zumindest bei den Hühnern. Krah!<br />
Und wenn der moderne Gurken-Mann nicht irgendwann mal fremdgeht<br />
oder beim wöchentlichen Spiele-Abend vor Aufregung ganz spontan an<br />
einem Herzinfarkt verstirbt, ändert sich auch nichts daran. Dann halten<br />
diese optisch divergenten Beziehungen zwischen geilem Hühnchen und<br />
ungeiler Gurke scheinbar ewig. Sie halten und halten und halten. Gähn.<br />
Denn daß unser Gurken-Mann eines Tages fremdgeht, ist fast gänzlich<br />
auszuschließen. Vielleicht mit einer Wahrscheinlichkeit von unter 0,01<br />
Prozent. Eher noch geringer. Also eher unwahrscheinlich. Sehr<br />
unwahrscheinlich sogar. Höchst unwahrscheinlich. Unwahrscheinlich,<br />
aber nur logisch. Denn keine andere Frau -außer seiner eigenen,<br />
gewöhnten, abstreichenden Frau- guckt den modernen Gurken-Mann so<br />
Mitte 20 bis Anfang 40 auch nur mit dem Arsch an. Und das<br />
vollkommen zu Recht, vollkommen verständlich. Fremdgehen völlig<br />
ausgeschlossen, weil Mann einfach zu gurkig. Keine andere Olle will<br />
sowas, und das völlig zu Recht.
Na, wenn da mal nicht sogar System dahintersteckt?! Also seitens des<br />
Hühnchens. Hühnchen-System sozusagen. Also absichtlich einen<br />
Gurken-Mann suchen, diesen schön-abstreichen, sich an ihn gewöhnen<br />
und sich dann sicher fühlen. Sicherheit vor Geilheit. Sagt bitte, liebe<br />
Hühnchen, ist das Euer System? Dieses hier:<br />
Gurken-Mann � Abstreichen � Sicherheit<br />
Na, das ist ja mal ein geiles System. Geiles System, geiles System. Ein<br />
brillantes, tollkühnes und einzigartiges System. Hieb- und stichfest.<br />
Dagegen läßt sich nichts mehr einwenden. Außer dem hier vielleicht:<br />
Scheiße � Scheiße � Scheiße<br />
Also Scheiße, einfach nur Scheiße. Es ist ein Scheiß-System, es ist ein<br />
Hühnchen-System. Ohne Sinn und Verstand, eben aufgebaut auf<br />
Hühnchen-Logik. Das ist ähnlich bescheuert und hirnfrei, als würde<br />
man mit drei anderen Vollopfern im Schlepptau mit folgendem,<br />
gewohnt epochalem Statement in einen Mäckes reinlatschen:<br />
Regel Nummer Eins: Models lächeln immer!<br />
Ja natürlich, wie konnte ich das nur vergessen?! Immer lächeln!<br />
Lächeln, lächeln, lächeln. Denn wenn es unserer lustigen Gesellschaft<br />
an einem mangelt, dann ja wohl an noch mehr Dauergrinsen. Job<br />
verloren? Frau weg? Ganz egal, immer schön lächeln, hahaha, Leben<br />
geht weiter, alles schön. Dauergrinsen, Dauergrinsen, Dauergrinsen.<br />
Nur darum geht es. Idealerweise immer von den gleichen Hackfressen,<br />
das ist auch ganz wichtig. Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb. Die<br />
einen grinsen sich um ihr letztes bißchen Resthirn und casten sich zu<br />
Tode, während die anderen der Sicherheit wegen Gurken-Männer<br />
abstreichen. Halleluja! Man könnte laut auflachen, wenn es nicht so<br />
bescheuert wäre. Immer lächeln. Eine lustige Welt, eine bunte Welt,<br />
eine schöne Welt, und natürlich auch eine heile Welt. Glückwunsch.<br />
Glückwunsch an uns alle, na klar. Und Stößchen.<br />
Die erste Regel des Fightclub lautet:<br />
Ihr verliert kein Wort über den Fightclub!<br />
259
Das wäre doch mal etwas zeitgemäßer und realistischer. Fightclub.<br />
Fightclub für alle. Statt dämlichem Dauergrinsen. Lieber ein paar<br />
ehrliche Fäuste in die Fresse, als sich ununterbrochen und besonders<br />
hirnverbrannt irgendwann ins Koma zu grinsen. Jeder kann mitmachen.<br />
Die ganze Familie. Fightclub für alle. Wie im Heidepark. Nur nicht<br />
ganz so lustig. Also eher Aggro-Park, der Freizeit-Park für die etwas<br />
andere Familie. Für die etwas zeitgemäßere Familie von heute. Die<br />
Aggro-Familie, wie geil. In der die Dinge etwas anders gehandhabt<br />
werden. Etwas fortschrittlicher. Smile, grins, lach? Und Peace? Und<br />
vielleicht noch Victory? Und zack! Paar auf`s Maul. Zack. Etwas keck,<br />
aber hilft. Durchaus tollkühn. Stoppt im Bruchteil einer Sekunde<br />
jedwedes Dauer- und Komagrinsen beliebiger Art.<br />
Regel Nummer Eins: Debiles Dauergrinsen gibt was in die Fresse!<br />
Unbelievable, ganz klar, jedoch reines Wunschdenken. Der Honk als<br />
illusionärer Zweckoptimist. Aggro-Park, eine schöne Idee. Lustige<br />
Vorstellung, interessante Vorstellung. Aber leider umsonst. Aggro-Park<br />
wird es leider so schnell nicht geben. Es wäre auch zu schön gewesen.<br />
Nicht mehr Hau` den Lukas, sondern Kick` das Klümchen. Hach, wie<br />
geil das denn nun wieder wäre. Aber unrealistisch, viel zu unrealistisch,<br />
und deswegen wird dämlich weiter gegrinst. Egal.<br />
Aggro-Park ist also leider etwas unrealistisch. Aber genauso<br />
unrealistisch ist oben erwähntes Hühnchen-System des Abstreichens.<br />
Also Gurken-Mann angeln, schön-abstreichen, sicher fühlen.<br />
Beziehungsweise Scheiße, Scheiße, Scheiße. Es ist nun nicht so, daß das<br />
System nicht nur an sich schon total Scheiße ist. Nein, zudem ist es<br />
völlig irrational. Ja wie, irrational? Ist doch klar. Eben Hühnchen-<br />
System. Also völlig irrational und von vornherein zum Scheitern<br />
verurteilt, weil es die grundlegendste aller männlichen Eigenschaften<br />
komplett unberücksichtigt läßt: Das Testosteron! Auch auf die Gefahr<br />
hin, nie wieder eine Frau für länger als zwei oder drei Nächte zu finden:<br />
Liebe Hühnchen, jeder Mann geht fremd. Ohne Wenn und Aber. Er<br />
muß es geradezu tun, es liegt in seinen Hormonen. In seinen Trieben. In<br />
seinem Testo. In seinem Sack. Und zwar in seiner Sack-Suppe. Und<br />
Sack und zack, ist die Katze auch gleich mal aus dem Sack. Die Bombe<br />
ist geplatzt, und das ist auch gut und richtig so.<br />
260
Liebe Hühnchen, bitte glaubt Euren Gurken-Männern nicht alles.<br />
Beziehungsweise könnt Ihr meinetwegen glauben, was Ihr wollt. Ihr<br />
glaubt ja auch an Nordic Walking, Exxon Valdez, Kinder-Schokolade<br />
und den ganzen Wahnsinn. Also glaubt und macht, was Ihr wollt. Tut<br />
Ihr eh, ich weiß, ich weiß, Ihr seid ja so verdammt endgeil emanzipiert<br />
und souverän und überhaupt. Na klar, ist doch auch alles ganz toll so.<br />
Aber an all diejenigen Hühnchen an draußen, die noch nicht komplett<br />
gaga obenrum sind: Liebe Hühnchen, auch Eure abgestrichenen, äußerst<br />
holden und sehr edlen Gurken-Männchen gehen fremd. Eure Gürkchen.<br />
Und zwar, sobald sich ihnen die Gelegenheit dazu bietet. Ausnahmslos.<br />
Diejenigen, die Euch ewige Treue heucheln, hängen bei entsprechender<br />
Gelegenheit auf dem nächstbesten geilen Hühnchen drauf. Zack. Drauf<br />
da. Zack, hopp, drauf. Amazing. Stößchen.<br />
Nein, nein, ach woher denn. Alles reine Angst- und Bangemacherei vom<br />
blöden Honk. Alles Schikane, alles Neid, alles sonstwas. Ist alles gar<br />
nicht so. Bei meinem Gürkchen nicht. Mein Gurken-Männlein ist ganz<br />
toll treu. Okay, wenn Ihr Euch dann besser fühlt. Dann nur zu. Dann ist<br />
Euer Gürkchen eben treu, dann reiht Euer Gürkchen doch bitte in Eure<br />
Phantasiewelt ein. Irgendwo zwischen Container-Schiff und Pilates.<br />
Paßt ganz gut. Paßt ganz gut da rein. In den Wahnsinn. Zack und rein.<br />
Abgestrichen und eingereiht. Und ab dafür. Stößchen.<br />
Sollte ein Mann tatsächlich über einen längeren Zeitraum treu sein<br />
können (von wollen kann eh keine Rede sein), dann liegt dies nicht am<br />
Mann selbst oder an irgendeinem schwülstigen Treueschwur oder an<br />
ähnlichem komischen Kokolores, sondern am Mangel sich bietender<br />
Möglichkeiten. Und Mangel sich bietender Möglichkeiten heißt in den<br />
meisten Fällen einfach nur, daß der Mann zu gurkig ist. Zu gurkig,<br />
schlichtweg zu gurkig. Und zwar so elementar und übelst abgrundtief<br />
gurkig, daß ihn kein anderes Hühnchen auch nur im Entferntesten mit<br />
dem Arsch angucken will. Keine Chance, nichts geht. Gelegenheiten<br />
und Hühnchen gäbe es en masse, nur bringt unser Abstreich-Gürkchen<br />
nicht die erforderlichen Voraussetzungen optischer und sonstiger Natur<br />
mit. So einfach ist das. Alles ganz einfach, alles kein Zauber, alles kein<br />
Hexenwerk. So, und auf diesem Bullshit baut nun ganz offensichtlich<br />
das komplette Hühnchen-Abstreich-System auf. Bewußt bzw.<br />
wahrscheinlich meist eher unbewußt.<br />
261
Bewußt hieße ja nichts weiter, als daß sich unser modernes Hühnchen<br />
eingestehen müßte, einen so fiesen Gurken-Knecht am Start zu haben,<br />
daß sich alle anderen Hühnchen entsetzt und voller Grausen von seinem<br />
Anblick abwenden. Puh, geht der mal gar nicht. Widerlicher Typ. Igitt,<br />
geh` weg! Na, und das möchte unser modernes Hühnchen ja nun auch<br />
wieder nicht. Also ist vielmehr davon auszugehen, daß das ganze<br />
schöne Abstreich-System eher unbewußter Natur ist. Unser modernes<br />
Hühnchen streicht also unbewußt ab. Bildet sich ein, daß ihr Gürkchen<br />
an sich eigentlich doch ganz geil und smart und so wäre. Und natürlich<br />
treu. Treu noch dazu, treu ist auch ganz wichtig, treu muß sein.<br />
Zumindest in der Phantasiewelt des modernen Hühnchens. Denn in der<br />
Realität sieht es mit treu ganz anders aus.<br />
Böte sich unserem modernen Gürkchen in der Realität die Gelegenheit<br />
zwangloser Fremdvögelei, dann ginge die Post ab, aber mal so richtig.<br />
Und zwar nicht zu knapp. Vielleicht auf einer Party. Unser Gürkchen<br />
fährt zu einer Party. Alles ehemalige Schulkollegen von früher, vom<br />
Abi, egal. Vielleicht sogar so eine Abi-Revival-Party. Und unser<br />
Gürkchen übernachtet da. Weil die Party in Hamburg ist. Und Gürkchen<br />
vielleicht aus Hannover oder Kassel kommt und keine Lust hat, nachts<br />
dorthin zurück zu gurken. Nach Hause, zum Hühnchen. Nein, Gürkchen<br />
übernachtet beim Kumpel in Hamburg, und das ist auch in Ordnung so,<br />
denn Gürkchen ist ja treu. Und sobald Gürkchen im Zug sitzt, kann er<br />
nur noch an die geile Brünette denken, die er damals beim Abi-Ball<br />
geknattert hat. Die geile Brünette mit den feisten Hupen. Hoffentlich ist<br />
die auch da, hoffentlich ist die auch da.<br />
Und die ist dann mal auch da, und zwar sowas von. Zwar 15 Jahre älter<br />
und ein, zwei Falten und Haare etwas kürzer, aber noch immer<br />
dieselben geilen, feisten Hupen. Halleluja. Der Rest dürfte eigentlich<br />
jedem klar sein. Zwei, drei Drinks, um die Unsicherheit und Angst zu<br />
glätten, danach geht unser Gürkchen zum Brünettchen hinüber. Eine<br />
bißchen Blablabla und Hahaha und Tralala. Und dann Tschüß, wir<br />
müssen heim, teilen uns ein Taxi zum Bahnhof. Sicher, sicher, zum<br />
Bahnhof. Logischerweise geht es nicht zum Bahnhof, sondern in ein<br />
Hotel. Vielleicht sogar ins Grand Elysée, falls unser Gürkchen den<br />
nötigen Stil und das nötige Kleingeld hat. Mindestens Park-Süd-<br />
Zimmer, sehr geil, aber zum Vögeln besser noch eine Eck-Suite.<br />
262
Und damit genug der Hotelführung, denn darum geht es hier gerade<br />
nicht. Hier geht es gerade vielmehr darum, daß sich unser Gürkchen mit<br />
dem Brünettchen im Grand Elysée eine Eck-Suite im fünften Stock<br />
klarmacht, um das Brünettchen dort über Nacht und auch am nächsten<br />
Morgen nach allen Regeln der Kunst mal so richtig schön zu vögeln.<br />
Kompromißlos durchgevögelt. Schließlich sieht man sich nur alle paar<br />
Jahre, während man das Muttchen daheim jeden Samstag durchnagelt.<br />
Und zu besonderen Anlässen auch ausnahmsweise mal unter der<br />
Woche. Aber besser nicht, bringt nix.<br />
Also die rare Gelegenheit mit dem geilen Brünettchen voll ausnutzen<br />
und die komplette Eck-Suite kurz und klein vögeln. Bett, Sofa,<br />
Sideboard, Klo, Dusche, Garderobe, Konferenz-Zimmer, alles. Zack.<br />
Stößchen. Von vorne bis hinten und von hinten bis vorne und von oben<br />
nach unten und von unten nach oben und wieder von vorn und<br />
überhaupt.<br />
Liebe Hühnchen und Amazönchen, das ist die Realität. Setzt dem<br />
modernen Gürkchen-Mann einen heißen Fick-Schlitten vor, wägt ihn in<br />
der Sicherheit, daß alles unentdeckt bleibt und nichts auffliegt, vielleicht<br />
noch ein, zwei Drinks dazu, und er wird es tun. Er wird es tun, definitiv.<br />
Er muß es sogar tun, Testosteron sei Dank. Die Natur hat uns Männer<br />
mit Testosteron gesegnet, uns Honks geradezu damit überschüttet. Und<br />
das ist auch gut und richtig und sehr geil so. Kompromißlose Fick-<br />
Maschinen, notgeile Affen-Menschen, abartige Latten-Monster. Sobald<br />
sich eine flauschig-buschige Möse in unmittelbarer Sicht- bzw.<br />
Penetrierweite befindet, setzt der männliche Verstand aus, und es geht<br />
scharf. Geil, geil, geil. Endgeil.<br />
Es ist so, liebe Hühnchen, es ist so. Glaubt es, oder laßt es bleiben. Aber<br />
gebt bitte nicht dem Honk die Schuld, der ist dafür nicht verantwortlich.<br />
Der kann da nichts zu, echt nicht. Der Honk ist nicht der Anti-Christ.<br />
Der Honk nennt nur das Kind beim Namen, spricht das Offensichtliche<br />
und Unvermeidliche aus. Sorry, falls das irgendwelche Illusionen von<br />
Sicherheit und Treue zerstört. Ihr kommt drüber weg. Ganz bestimmt.<br />
Notfalls noch einmal zu Punkt b) dieses Kapitels zurückblättern,<br />
Ignoranz üben, kommt gut. Bringt Sicherheit und Treue sofort zurück,<br />
abfeier...<br />
263
Und weil das alles so schön und lustig und witzig ist, und zudem der<br />
Honk seine naturgegebene Geilheit nicht verleugnen kann und aber<br />
auch gar nicht will, bleibt er lieber gleich mit dem Arsch zu Hause. Und<br />
zwar allein. Zack. Ist besser so. Honk allein zu Haus. Meistens<br />
jedenfalls. Ist besser. Keine mittelmäßigen Alibi-Beziehungen, keine<br />
ausgelutschten Pseudo-Partnerschaften, keine langweiligen Abstreich-<br />
Bindungen. Die allesamt dann enden, wenn einer der Partner<br />
fremdvögelt und sich idealerweise auch noch in den neuen Bums-<br />
Partner verknallt. Dann ist auf jeden Fall mal Stößchen angesagt. Und<br />
ganz besonders herzlichen Glückwunsch. Nee, so eine Scheiße gibt`s<br />
dann aber auch mal nicht im Honkland.<br />
Was jetzt allerdings nicht heißt, daß unser Honk ein Eremit ist. Das auf<br />
keinen Fall. Zwar vermeidet unser Honk diverse Gesellschaft so weit als<br />
möglich. Das heißt jetzt aber nicht, daß er völlig isoliert lebt. Im<br />
Gegenteil, der Honk liebt flüchtige zwischenmenschliche Beziehungen.<br />
Insbesondere mit Frauen. Und über Nacht. Also Honk und Frau und<br />
Nacht. Das kommt gut, da ist der Honk dabei, das macht Laune. Paar<br />
Pullen Sekt oder Wein dazu, zack, Stößchen, besser geht nicht.<br />
Mittlerweile hat der Honk im Grand Elysée sogar Hausverbot, ein<br />
Jammer. Aber nicht zu ändern, denn so verlangt es die Natur. Und den<br />
Naturgesetzen muß auch ein Honk folgen.<br />
Aber bitte nichts Dauerhaftes. Wenn das bitte auch klar sein dürfte.<br />
Zumindest nichts, was man sich vorher erst noch abstreichen muß. Das<br />
ist nichts. Nichts für den Honk. Wozu auch?! Warum sich an die<br />
Macken der einen gewöhnen, wenn man morgen eine andere haben<br />
kann, deren Macken man noch gar nicht kennt?! Na? Na? Fällt der<br />
Groschen? Ja, er fällt und fällt und fällt, denn das hat System, das ist<br />
Logik. Das strotzt nur so vor System und Logik. Honk-System, Honk-<br />
Logik. Honkland eben. Und der Groschen fällt weiter.<br />
264
Hör` mal, Ert, es war ein langer Abend. Ich hab` die ganze Nacht<br />
herumgehurt. Ich hab` 12 Pullen Whisky hinter mir. Mein Sack brennt<br />
wie Sau. Und jetzt willst Du mir weismachen, Du seiest der Nikolaus?<br />
Was ist Dein Problem, Mann?! Hier, trink` mal `nen anständigen<br />
Schluck, dann geht`s Dir vielleicht besser, Du Freak.<br />
Und der Groschen fällt und fällt und fällt...<br />
Und fällt weiter...<br />
Stößchen!<br />
265<br />
(Bernie)
Ganz er selbst sein darf jeder nur, solange er allein ist. Wer also nicht<br />
die Einsamkeit liebt, der liebt auch nicht die Freiheit. Denn nur wenn<br />
man allein ist, ist man frei.<br />
cc) Honk in Gesellschaft<br />
266<br />
(Arthur Schopenhauer)<br />
Mit dem Honk in Gesellschaft ist das auch so eine Sache bzw. vielmehr<br />
auch so ein Problem. Hauptproblem hierbei ist nicht die Gesellschaft<br />
anderer Menschen an sich, beispielsweise in Form einer Sozialphobie<br />
oder ähnlichen Wahnsinns, sondern vielmehr banales Geschwätz.<br />
Banalstes Geschwätz sogar. Und der Honk steht aber mal gar nicht auf<br />
Geschwätz. Schon gar nicht auf banales und banalstes Geschwätz. Da<br />
sträuben sich ihm die Nackenhaare, und zack, geht ihm der Hut hoch.<br />
Zack, hoch, ab. Solch banales und banalstes Blabla bringt die<br />
Gesellschaft anderer Menschen jedoch zwangsläufig mit sich. Je mehr<br />
Menschen, desto mehr schreckliches Geschwätz. Ist leider so, kann ich<br />
nicht ändern. Proportionales Verhältnis zueinander. Teilweise sogar<br />
überproportional, wenn sich die Leute untereinander erstmal in Rage<br />
gesülzt haben. Dann ist guter Rat teuer.<br />
Ich habe es versucht. Oh mein Gott, was habe ich es doch versucht.<br />
Beziehungsweise hat es meine Ex-Frau mit mir versucht. Den<br />
wahnwitzigen und von vornherein zum Scheitern verurteilten Versuch<br />
unternommen, den Honk in eine bessere Gesellschaft einzuführen. In<br />
eine feine Gesellschaft, feine Herrschaften, alle ganz fein. Hurra! Eine<br />
feine Gesellschaft, eine Gesellschaft des Sülz und Bla und Gähn und so.<br />
Phantastisch. Amazing. Was soll ich sagen, was soll ich sagen, es endete<br />
im Fiasko. Fiasko Grande. Weil voll ätzend. Voll zum Kotzen. In<br />
meinem ganzen Leben habe ich noch nie so viele todlangweilige<br />
Profilneurotiker und Frutten auf einem Haufen ertragen müssen. Meet<br />
and see, see and go, fuck forever. Bla, sülz, kotz.
Und ich habe mich bemüht. Was habe ich mich bemüht! Es soll also<br />
keiner daherkommen und sagen, daß ich mich nicht bemüht hätte.<br />
Wahnsinn, wie ich mich bemüht habe. Ich habe mich so wahnsinnig<br />
bemüht, daß man sich das gar nicht mehr vorstellen kann. So sehr habe<br />
ich mich bemüht. Allenfalls noch eine Metapher kann hier ausdrücken,<br />
wie wahnsinnig ich mich bemüht habe. Also wenn ich beispielsweise<br />
ein Auto hätte, mit dem man maximal 250 km/h fahren kann, dann habe<br />
ich mich so sehr bemüht, als hätte ich versucht, mit diesem Auto 400<br />
km/h zu fahren, obwohl das ja gar nicht geht. Also geradezu aberwitzige<br />
Bemühungen. Es soll mir also keiner kommen und sagen, ich hätte mich<br />
nicht bemüht. Denn das stimmt dann nicht.<br />
Einmal mußte ich mit meiner Ex-Frau zur Eröffnung eines neuen<br />
Kosmetik- und Nagel-Studios. Soll heißen, eine mit meiner Ex-Frau<br />
befreundete Kosmuschi (loool...) hat von ihren Eltern einen dieser<br />
pompös-possierlichen Pinsel-Paläste angemietet und eingerichtet<br />
bekommen. Und das völlig zu Recht, weil es ja heutzutage noch nicht<br />
genug von diesen Dingern gibt. Also ähnlich wie mit F-Promis, Casting-<br />
Opfern und Arbeitslosigkeit. Gibt es auch leider viel zu wenig von,<br />
brauchen wir auch ganz dringend mehr von. Immer her damit, immer<br />
her mit den Nagel-Butzen. Herrliche Butzen, vollgestopft mit allem,<br />
was das postmoderne Amazönchen-Herz mit zu viel Zeit, Geld und<br />
Langeweile begehrt. Plastik statt Laufband, das ist die Devise. Und das<br />
ist auch gut und richtig so, denn der Honk steht total auf fette Ärsche<br />
und bunte Krallen.<br />
Kosmuschi ist übrigens eine Honk-Eigenkreation. Und zwar eine<br />
Kombination aus den Worten Kosmetikerin und Uschi. Kosmuschi! Hat<br />
der Honk im Laufe seiner zweijährigen Ehe selbst kreiert, paßt<br />
irgendwie ganz gut, klingt putzig. Honks Ex-Frau war nämlich auch<br />
eine kleine Kosmuschi, wer hätte das gedacht?! Aber egal, die halten<br />
wir da raus. Zum einen war die Kleine zumindest eine Zeit lang echt süß<br />
und cool, zum anderen ziemt es sich für einen Honk nicht, seine Ex-<br />
Partner zu verunglimpfen. Das gehört sich einfach nicht, denn das ist<br />
äußerst bäh und zudem auch noch pfui. Und deshalb möchte der Honk<br />
sowas nicht machen. Keine müden Kalauer über Ex-Partner. Ja, so ist<br />
das im Honkland. Ein weiterer, äußerst charmanter, wenn auch nicht<br />
gänzlich unerwarteter Charakterzug unseres Honk.<br />
267
Egal. Drauf geschissen. Wir mußten also zu einer anderen Kosmuschi,<br />
zur Eröffnung derer neuen Nagel-Butze. Boah, super. Da hatte ich mich<br />
schon acht Wochen vorher voll drauf gefreut. Seit ich das nämlich<br />
wußte. Und zwar so sehr drauf gefreut, daß ich kaum noch schlafen<br />
konnte. Amazing, exciting, disgusting. Acht Wochen ohne Schlaf. Kein<br />
Schlaf! Entsprechend beschissen war dann auch meine Laune. Voll zum<br />
Kotzen. Sehr ärgerlich. Mit solch immenser Vorfreude um den<br />
notwendigen Schlaf gebracht, daß im Umkehrschluß durch den<br />
Schlafentzug meine Laune übelst beschissen war. Unfaßbar. Was für<br />
eine Tragödie, was für eine Ironie. Leider konnten daran auch die<br />
Akteure und Gäste der großen Eröffnungs-Party nicht viel ändern.<br />
Meine Laune blieb beschissen.<br />
Nicht einmal der Auftritt eines extrem smarten Schmalspur-Barden, der<br />
irgendwann mal in irgendeiner Staffel von DSDS oder sowas in den<br />
Top-Ten war und den man nun eigens und höchstpersönlich für diese<br />
very importante Opening-Party hergeschafft hatte, damit er ein schönes<br />
Liedchen trällert, konnte an meiner unvorstellbar miesen Laune etwas<br />
ändern. Leider nicht. Denn so unbelievable und herrlich und sonstwas<br />
das ganze Theater auch war, meine Laune war leider unwiederbringlich<br />
voll im Arsch. Schlimmer noch, durch den sagenhaften Auftritt des<br />
DSDS-Kaspers wurde meine Laune zusehends noch fieser. Dadurch und<br />
logischerweise auch durch die unerträglichen Qualen, die das<br />
beängstigend banal-absurde Geschwätz und Gesabbel der anderen Gäste<br />
und Akteure in meinem armen Gehirn verursachte. Das machte nicht<br />
nur meine Laune noch schlechter, das machte mich sogar mal richtig<br />
aggro. So, und wer das jetzt nicht glauben will, der kann ja mal selbst<br />
acht Wochen nicht schlafen und dann zu so einer Kacke hin. Viel Spaß<br />
dabei. Aber Ihr werdet ihn nicht haben.<br />
Und während ich dann da also so sitze und mir die Eier kraule und der<br />
kommenden Dinge harre und eine Pulle Sekt nach der anderen<br />
reinkippe, in der Hoffnung, meinen Hirnschmerz zu lindern oder im<br />
Idealfall sogar auf dem Stuhl einzuschlafen oder zu sterben, trifft es<br />
mich mal wieder wie der Blitz. Zack, Blitz! Wie von der Tarantel<br />
gestochen und mit dem lauten Aufschrei “Und jetzt, und hoooooch!“<br />
springe ich -sehr zur Verunsicherung und Irritation der anderen<br />
anwesenden Figuren und Vollopfer- von meinem Stuhl auf und gerate<br />
268
schlagartig in ekstatische Verzückung. Zack. Boing. Voll verzückt. Très<br />
chic. Allerdings auch wieder mal voll besoffen, von dem ganzen Sekt,<br />
versteht sich. Très besoffen, oh là là. Und insoweit auch nicht weiter<br />
verwunderlich, daß ich -mittlerweile auf meinem Stuhl stehend- voll an<br />
mir selber runterkotze. Bäh! Das hatte ich so nicht im Programm gehabt.<br />
Voll an der Hose runter, voll auf die Schuhe, voll auf den Stuhl. Alles<br />
voll vollgekotzt, alles voller Kotze. Vollkotze, voll zum Kotzen.<br />
Komplett widerlich, bäh, bäh, bäh.<br />
Aber zu diesem Zeitpunkt völlig sekundär. Widerlich, ganz klar, bäh<br />
auch, ganz bäh sogar. Alles sehr bäh, bäh-bäh, aber egal. Denn was<br />
soeben passiert war, sollte sich im nachhinein betrachtet als exorbitant<br />
elementar für mein weiteres Leben als Honk erweisen. Denn wie so oft<br />
traf mich nicht der Blitz, sondern vielmehr eine grundlegende<br />
Erkenntnis. Und zwar die grundlegende Erkenntnis, daß ich mich<br />
zukünftig ganz einfach nur von solchen Scheiß-Veranstaltungen<br />
fernhalten muß. Ganz einfach wegbleiben, gar nicht erst hingehen zu so<br />
einer Kacke. Oder vorher submaximal auftanken. Eines von beiden.<br />
Wegbleiben oder auftanken. Wobei das Auftanken ja eigentlich auch<br />
wieder nur eine Notlösung ist. Besser gleich solche Veranstaltungen und<br />
Gesellschaften von vornherein vermeiden, dann muß man nicht<br />
zwangsweise auftanken und vollsaufen. Denn wie hatten wir so schön<br />
im Ergebnis des letzten Kapitels festhalten können:<br />
Der Honk kompensiert nicht, der Honk säuft zum Spaß.<br />
269
Weißt Du, was heute für ein Tag ist?! Sonntag. Weißt Du, was das<br />
bedeutet?! Das bedeutet, daß ich gestern Abend total besoffen war.<br />
Das sind Sie doch jeden Abend.<br />
270<br />
(Captain Mike)<br />
(Benjamin Button)<br />
Ja, so sieht das mal aus. Und so soll es auch sein, so ist es auch richtig.<br />
Und so muß es auch bleiben. Suff ist immer sehr zu begrüßen, aber<br />
idealerweise wird zum Spaß gesoffen. Meinetwegen kann hier jeder von<br />
morgens bis abends uns von abends bis morgens und wieder von vorn<br />
saufen, solange es zur Belustigung und Erheiterung dient. Jedoch nicht<br />
zur Kompensation. Das ist dann nicht so gut. Stößchen!<br />
Deshalb also lieber gleich von solchem und ähnlichem Kaspertheater<br />
fernhalten. Wenn es denn möglich ist. Was aber, wenn man hin muß?!<br />
Weil das Amazönchen drauf besteht und man lieber keinen Streß mit ihr<br />
haben möchte. Oder weil es sich um eine Familien-Feier handelt,<br />
irgendein ätzender Geburtstag irgendeines fetten Onkels oder<br />
Weihnachten oder sowas in der Richtung. Ja, dann muß man dann auch<br />
mal Fünf gerade sein lassen und da durch. Augen zu, und Ohren zu, und<br />
Mund auf. Weil voll besaufen. Zack! Zu, zu, auf. Nix sehen, nicht<br />
hören, und rein mit der Medizin. Hilft, hilft immer. Aber eben nur als<br />
Notlösung. Vermeiden ist und bleibt erste Wahl.
Was denkst Du von mir, Ert?! Ich bin doch kein egoistisches, kleines<br />
Arschloch. Immerhin habe ich über 10.000 Ocken gespendet. An die<br />
Popo-Club-Stiftung für Ledermasken-Träger, die die Steuer bescheißen<br />
wollen.<br />
271<br />
(Bernie)<br />
In Honkland existiert neben Vermeiden und notfalls Vollsaufen noch<br />
eine dritte und aber auch höchst begrüßens- und erstrebenswerte<br />
Methode im Umgang mit Gesellschaft:<br />
Selektieren.<br />
Selektieren ist die Königs-Disziplin. Selektieren ist ganz großes Tennis.<br />
Denn da extremst dusselige und sinnlose Gesellschaft extremst<br />
dusselige und sinnlose Dummschwätzerei mit sich bringt, selektiert der<br />
Honk. Er sucht sich also die Gesellschaft, in die er sich begeben möchte,<br />
freiwillig und eigenständig aus. Na? Na? Ist das mal was?! Das ist doch<br />
mal was. Das macht Sinn, das hat Verstand, das gebührt der Logik.<br />
Selektieren! Was für ein Geniestreich! Ein Bubenstück geradezu!<br />
Also Hut ab vor dem selektierenden Honk. Vor dem Selektor-Honk.<br />
Endgeil, Respekt. Weiter vorn also erst Skeletor-Honk, später dann<br />
Elektro-Honk, und jetzt auch noch Selektor-Honk. Unglaublich. Und<br />
endgeil, ganz klar. Aber durchaus sehr simpel. So simpel wie es sich<br />
anhört, so simpel ist es auch. Also auch hier wieder keine Zauberei, kein<br />
Hexenwerk. Logik heißt mal wieder das Wort der Stunde. Zur<br />
Verdeutlichung hier mal ein ganz plakatives Praxis-Beispiel für eine<br />
Scheiß-Gesellschaft, die man als Honk unbedingt meiden sollte:
Regel Nummer Zwei: Ihr seid Stars. Und was essen Stars?<br />
Natürlich Stars. Stars of America.<br />
(Heidi Klum, Mäckes-Werbespot Mitte 2009)<br />
(Antwort diverser Casting-Opfer, gleicher Werbespot)<br />
Aber natürlich, was denn auch sonst?! Alles Stars hier, nur Stars. Alles<br />
Stars, alles total amazing und important und eigentlich auch noch ganz<br />
schön unbelievable. Ich Star, Du Star, er / sie / es Star, uns Star, ihm<br />
sein Star, Patrick Star, Star Wars. Halleluja! Alles Stars hier, und so<br />
muß das auch sein. Und Dauergrinsen. Dauergrinsen muß auch sein,<br />
ohne Dauergrinsen geht auch mal gar nichts. Denn Dauergrinsen ist<br />
mindestens genauso elementar wichtig. Stars und Dauergrinsen, nur<br />
darum geht es. Und Stars fressen Stars, na klar. Ein Dialog, wie er<br />
origineller und sinnvoller definitiv nicht mehr vorstellbar sein könnte.<br />
Wir alle sind Stars, wir müssen Stars sein, und wir fressen Stars.<br />
Was uns dann irgendwie aber auch noch zu Kannibalen macht, wenn<br />
ich es mir so richtig überlege. Vielleicht sollte McDonald`s seinen<br />
nächsten Werbespot lieber mit Armin Meiwes drehen, dem smarten<br />
Kannibalen von Rotenburg. Würde eigentlich mehr Sinn machen.<br />
Zumal Uschi Augenroll die dritte Regel eh vergessen hat. Aber natürlich<br />
nicht dauerhaft. Glaubt mir, meine lieben Freunde, Regel Nummer Drei<br />
wird ihr wieder einfallen! Definitiv. Und dann wird sie uns einfache<br />
Proletarier unter Verwendung einer besonders ausgefallenen Grimasse<br />
wieder daran teilhaben lassen. Wobei es sehr schwer werden dürfte,<br />
diese beiden ersten, besonders gelungenen und unfaßbar originellen<br />
Epochal-Statements noch zu überbieten.<br />
272
Regel Nummer Drei: Models sind lächelnde Stars!<br />
Das ginge noch. Wäre zumindest ein sehr folgerichtiger Schluß aus<br />
Regel Nummer Eins und Regel Nummer Zwei mit ähnlich sinnvoller<br />
Intention. Besonders sinnvoll sogar, und irgendwie passend und überaus<br />
logisch. Ähnlich passend und logisch wie die hier:<br />
Regel Nummer Drei: Nachts ist es kälter als zu Fuß!<br />
Auch recht logisch, keine Frage. Und irgendwie auch total passend.<br />
Schönes Kuß-Schnäuzchen und ein lustiges Handzeichen oder<br />
Augenrollen dazu, paßt. Wobei diese hier erheblich realistischer wäre:<br />
Regel Nummer Drei: Nach dem Fraß schön Finger in Hals!<br />
Das wäre dann doch mal pure Realität. Zumindest dann, wenn unsere<br />
grinsenden Protagonistinnen den fiesen Mäckes-Fraß überhaupt<br />
anrühren würden, was stark zu bezweifeln ist. Dann wäre da was<br />
Wahres dran. Und dann wäre Regel Nummer Vier folgerichtig:<br />
Regel Nummer Vier: Nach dem Kotzen gleich wieder weitergrinsen!<br />
Okay, okay, vielleicht wieder ein wenig oversold. Aber wer kann das<br />
heute noch mit Gewißheit sagen?! Vielleicht können wir uns auf dies<br />
hier einigen, das ergäbe den größten Sinn für alle Beteiligten:<br />
Regel Nummer Drei: Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!<br />
Unfaßbar. Unbelievable. Disgusting. Aber egal. Scheißegal. Für uns<br />
zumindest. Und warum? Logisch, weil wir derart hanebüchene und<br />
selten schwachsinnige Gesellschaft meiden. Wir selektieren, an welcher<br />
Gesellschaft wir partizipieren möchten. Wir selektieren, und zwar sehr<br />
gründlich. Und dümmstschwätzendes, dauergrinsendes, augenrollendes<br />
Laien-Kaspertheater banalster Art gehört nicht dazu. Das wird<br />
ausselektiert, das wird vermieden, ganz klar. Klar wie Kloßbrühe. Man<br />
muß kein Genie sein, um das eruieren zu können. Jedem Dorftrottel,<br />
jedem Schimpansen, jedem 6-jährigen dürfte das klar sein. Wir könnten<br />
uns eher was in dieser Richtung hier vorstellen:<br />
273
Die zweite Regel des Fightclub lautet:<br />
Ihr verliert kein Wort über den Fightclub!<br />
Beziehungsweise analog dazu dieses hier:<br />
Dritte Regel: Wenn jemand „Stop!“ ruft,<br />
schlappmacht, abklopft, ist der Kampf vorbei.<br />
Ja, das kommt voll gut. Und auch voll krass. Also eine äußerst<br />
angemessene Gesellschaft für einen Honk. Und eigentlich auch für<br />
unser Fräulein Schnäuzchen. Könnte unter Umständen für kurze Zeit<br />
mal das ewige Grinsen und Fratzen-Ziehen stoppen. Tatsächlich?! Nein,<br />
eher doch nicht. Eher unwahrscheinlich.<br />
Regel Nummer Drei: Schnäuzchen, Schnäuzchen,<br />
ich bin ganz aus dem Häuschen!<br />
Eher unwahrscheinlich, daß diese Grimassen überhaupt jemals<br />
irgendwer oder irgendwas stoppen kann. Atomkrieg? Pustekuchen. Wird<br />
eben im Bunker weitergegrinst und gerollt. HIV? Grins, grins grins.<br />
Weltuntergang? Ach woher denn, wir sind doch alle Stars, das ficht uns<br />
nicht an. Atomkrieg und Weltuntergang passen nicht in unser Format. In<br />
unser Casting-Format. Nein, das möchten wir nicht, das wollen wir<br />
nicht haben. Da rümpfen wir dann lieber die Nase und rollen<br />
abwechselnd mit rechtem und linkem Auge. Denn wir sind Stars. Alles<br />
Stars hier, nur Stars. Also eine selten feine Gesellschaft, eine pittoreskpompöse<br />
Gesellschaft. Geradezu eine prädestinierte Prädikats-<br />
Gesellschaft, man ziehe seinen Hut, Stößchen.<br />
Was für eine beschissene Gesellschaft! Eine absolut beschissene,<br />
maximal gehirnamputierte und völlig unzumutbare Kack-Gesellschaft.<br />
Und auf jeden Fall keine Honk-Gesellschaft. Mitnichten. Für einen<br />
Honk völlig unzulänglich. Nicht auszudenken. Unvorstellbar. Denn ein<br />
Honk begibt sich nicht nur nicht in jedwede Scheiß-Gesellschaft, nein,<br />
ein Honk begibt sich zudem auch nur in solche Gesellschaft, von der er<br />
auch was hat. Die ihm was bringt. Von der er sozusagen intellektuell<br />
stimuliert wird. Sinnvolle Gesellschaft also. Aber nicht sowas, nicht so<br />
eine Flitzekacke hier.<br />
274
Der höchste Berg der Welt? Das ist der Mountain Avenue.<br />
Das kann ja wohl nicht mein Ernst sein.<br />
275<br />
(Vollidiotin auf GIMP7)<br />
(Werner Lorant)<br />
Also eine unbeschreiblich beschissene Gesellschaft. Im wahrsten Sinne<br />
des Wortes. Eine Scheiß-Gesellschaft. Interessanterweise verhält es sich<br />
bei solchen Scheiß-Gesellschaften zumeist so, daß sie mit Aso- und<br />
Opfer-TV Hand in Hand gehen. Je beschissener die Gesellschaft, desto<br />
höher die Wahrscheinlichkeit, daß diverse Bereiche aus Aso- und<br />
Opfer-TV thematisiert werden. Ist wirklich so, kann ja jeder selbst mal<br />
für sich ausprobieren. Oftmals liegt sogar das Hauptaugenmerk hierauf.<br />
Klingt komisch, ist aber auch komisch.<br />
Es ist Freitag, 14.20 Uhr. Die letzte Nacht war hart, sehr hart, hartes<br />
Business. Äußerst hartes Business. Hard and tricky, hard and slippy.<br />
Ungewöhnlich viele Drinks, harte Drinks, ferner eine schier<br />
unersättliche Pussy. Und damit meine ich auch unersättlich, puh! Wie<br />
ein Braunbär nach acht Monaten Winterschlaf. Was soll ich sagen, was<br />
soll ich sagen, alles in allem also mal wieder eine unfaßbare Nummer.<br />
Die Bezeichnung Sport-Pimpern wäre etwas übertrieben und leicht<br />
oversold und natürlich auch ein wenig uncharmant, aber es kommt nahe<br />
dran. Die Richtung paßt, eine unfaßbare Nacht, keine Frage. Aber<br />
charmanterweise vermeiden wir solche Begriffe wie Sport-Pimpern.<br />
Das gehört sich nicht, das ziemt sich nicht. Zumindest nicht hier in<br />
Honkland. Honkland ist anständig. Hochanständig sogar. Und charmant.<br />
Charmant, charmant, charmant. Charmant, charmant, Honkland.
Und wie ich hier so sitze und schreibe und schreibe und sitze, aber auch<br />
schreibe und sitze und sitze und schreibe, wird mir spontan ein wenig<br />
langweilig. Was für eine Überraschung. Vielleicht auch etwas<br />
Übermüdung dabei, keine Ahnung. Zu viele Drinks, zu viel Sex, gepaart<br />
mit zu wenig Kokain und viel zu wenig Schlaf. Und Hunger habe ich<br />
aber auch noch. Eine seltsame Mischung, fast schon eine amüsante<br />
Mischung. Ja, tatsächlich, sehr amüsant. Und aber auch verheerend.<br />
Eine amüsant-verheerende Kombo. Keine Frage, wer so mischt und<br />
kombiniert, der darf sich dann nicht wundern, unter Umständen tags<br />
darauf einen kleinen Hänger zu haben. Und Hunger.<br />
Also lieber erstmal nicht mehr schreiben. Lieber erstmal eine schöne<br />
ALDI-Pizza in Ofen. Ach komm` her, gleich mal zwei rein, kann nicht<br />
schaden. Zack, ab. Kriege in spätestens zwei Stunden, wenn ich<br />
besoffen bin, eh wieder Hunger. Also ab dafür. Und Dose Warsteiner<br />
aufgerissen, zack, auf ex, ist ja immerhin schon 14.30 Uhr. Zweite Dose<br />
auf und ab vor die Glotze, solange die beiden Salami-Frisbees im Ofen<br />
brutzeln. Also Glotze an und mal so richtig schön nach Herzenslust<br />
durchzappen. Mal sehen, was so läuft. Laufen ja einige sehr gute,<br />
niveauvolle Sachen um die Mittagszeit. Insbesondere im<br />
Privatfernsehen, ganz klar. Konnten wir ja bereits diverse Male<br />
eruieren. Und wie sich der ein oder andere höchstwahrscheinlich<br />
mittlerweile wieder selbst denken kann, bin ich dann auch auf PRO7<br />
hängengeblieben. Und das völlig zu Recht.<br />
Nicht schlecht, Herr Specht, denke ich mir so, da müßte ja jetzt gerade<br />
U20 Deutschlands Asi-Teenies laufen. War ja das letzte Mal nicht übel,<br />
irgendwie unfreiwillig komisch. Also mit der kleinen, süßen Brotha-<br />
Sista-Gangsta-Playa-Checkerin und ihrer fetten 15-jährigen Schwester<br />
mit Kind und Alki und ohne Hirn. Bißchen unbelievable, bißchen viel<br />
Overselling, aber durchaus lustig. Und solange die Frisbees 15 Minuten<br />
im Ofen schmoren, könnte man sich den Scheiß doch eigentlich mal<br />
reinziehen. Quasi als eine Art 15-minütigen Brain-Kicker. Der einem<br />
nochmal ganz unmißverständlich aufzeigt, wie geil im Umkehrschluß<br />
doch das eigene Leben sein muß. Telemediales Augen-Koks sozusagen.<br />
Wirkt und wirkt und wirkt, und nach 15 Minuten ist der ganze Zauber<br />
vorbei, der Spuk beendet. Doch was ist denn da los?! Was muß ich<br />
sehen, was muß ich sehen?!<br />
276
Keine Asi-Teenies. Zumindest nicht solche, auf die ich gehofft hatte.<br />
Beispielsweise eine 13-jährige 180-Pfund-Grazie mit ihren gerade<br />
neugeborenen Zwillingen im Bett liegend. Und gleich daneben die<br />
stolze 29-jährige Oma. Oder vergleichbarer Schwachsinn. Nein, das<br />
läuft hier heute leider nicht. Denn aus gegebenem Anlaß sucht PRO7<br />
das Sommermädchen 2009. Das Sommermädchen 2009! Und das aber<br />
in der U20-Sendung. Also im Bild und im Teletext steht weiterhin U20,<br />
aber wir sehen diverse dummgecastete Dussel-Uschis und Hohl-Frutten<br />
beim kläglichen Beantworten selten beknackter Fragen und beim<br />
Absolvieren nicht minder beknackter Spielchen an irgendeinem Pool.<br />
Sensationell! Was für ein erneuter Geniestreich! Immer wenn ich denke,<br />
daß es nicht mehr bescheuerter werden kann, dann ziehen die so ein<br />
Ding aus dem Hut und beweisen, daß sie wirklich was auf dem Kasten<br />
haben. Sensationell! Also keine Ahnung, worum es dabei geht oder was<br />
das Ganze soll. Auf jeden Fall wird dem grenzdebilen PRO7-Zuschauer<br />
die Möglichkeit eröffnet, mitzuverfolgen, wie sich irgendwelche<br />
dusseligen Frutten zu Voll-Gimps machen bzw. machen lassen.<br />
Besonders hirnfreie Fragen werden von den besonders hirnfreien<br />
Protagonistinnen noch viel hirnfreier beantwortet, abgerundet durch<br />
diverse Aufgaben und Spielchen, die an Albernheit und<br />
Schwachsinnigkeit nicht mehr zu überbieten sind.<br />
Und natürlich wird dieses grandiose Format auch von jemandem<br />
moderiert. Und von wem wohl? Natürlich, von Charlotte Engelhardt,<br />
was für eine Überraschung. Von wem denn auch sonst?! Niemand sonst<br />
außer Charlotte käme in Frage, um solch ein geniales Format<br />
moderierend zu begleiten?! Niemand. Kein Mensch. Außer Charlotte.<br />
Und vielleicht noch einige Mädels von 9Live. Glückwunsch, Stößchen.<br />
Charlotte Engelhardt, die Wunderwaffe von PRO7. Die Antwort auf<br />
eine Frage, die nie gestellt wurde. Das blonde Anhängsel von Formaten,<br />
die jeden geistig halbwegs normal situierten Menschen zum Kotzen und<br />
Gehirn-Kollaps bringen. Würg und zack. Charlotte, der Niveau-Joker<br />
von PRO7. Immer dann ausgespielt, wenn mal wieder ein besonders<br />
anspruchsvolles neues Format zur Disposition steht. Unsere Charlotte<br />
eben. Und noch irgendein anderer Grinsekasper, den ich aber nicht<br />
kenne, was aber auch besser so ist. Meine Fresse...<br />
277
Lieber Herr Geschäftsführer von PRO7, ich hätte da mal eine Idee: Es<br />
geht da um ein revolutionäres, etwa einstündiges, neues Format für<br />
Euch. In zwölf Folgen, jeweils wöchentlich, suchen wir den oder die<br />
Gimp 2009. Gimp steht hierbei für GehIrnaMPutiert, und das ist auch<br />
das Motto der Show. Sollte also ein passendes Format für Euch sein.<br />
Moderiert natürlich von Charlotte Engelhardt, na klar, und mit<br />
Annemarie Warnkross als Spezial-VIP-Außenreporterin, aber das sollte<br />
eigentlich auch klar sein. Der Inhalt des Formates ist dabei völlig egal<br />
und sinnleer, also genau wie die Hirne aller Beteiligten. Wichtig ist nur,<br />
daß wir am Ende aus ein paar Handvoll besonders schwachsinniger<br />
Vollopfer und Vollidioten den oder die Gimp 2009 gevotet haben.<br />
Gevotet! Und den oder die machen wir dann zum neuen Geschäftsführer<br />
von PRO7, setzen ihm / ihr eine besonders tight-taffe K-Promi-Jury zur<br />
Seite und benennen den Sender dann um. Von PRO7 in GIMP7. Oder<br />
besser GIMP3000, klingt noch tighter, noch moderner. Na, wäre das<br />
nichts?! Das wäre doch was für Euch, das sollte doch passen. Würde<br />
mich sehr freuen, wenn wir da irgendwie ins Geschäft kommen<br />
könnten, da hätten wir doch alle was von. Alle! Und deshalb schonmal<br />
Stößchen im voraus. Und Grüßchen an Charlotte und Annemarie.<br />
Gott sei Dank, die Pizza ist fertig, der Wahnsinn hat ein Ende. Was für<br />
eine beschissene Gesellschaft. Denke ich mir so, während ich die erste<br />
Pizza fresse. Was für eine beschissene Gesellschaft! Würde ich mein<br />
waghalsiges neues Format tatsächlich an GIMP7 bzw. GIMP3000<br />
verhökern, müßte ich dann nicht zu denen hin? Zu denen hin, mit denen<br />
reden, mit denen arbeiten? Ein furcheinflößender Gedanke. Ein<br />
furchteinflößender, angstbringender, besorgniserregender Gedanke. Ein<br />
schauderhafter, bizarrer Gedanke. Nein, da will ich auf keinen Fall hin,<br />
diese Gesellschaft möchte ich meiden. Um jeden Preis. Also sollte<br />
Interesse an meinem Format bestehen, dann nur zu. Aber dann besorge<br />
ich mir einen Manager, der das alles regelt. Ich will damit nichts zu tun<br />
haben, ich will nicht in solche Gesellschaft. Auch nicht volltrunken.<br />
Oder high. Nicht einmal auf Ecstasy. Dann doch lieber einen Manager,<br />
vielleicht wäre ja Willi Weber abkömmlich. Aber auch eher<br />
unwahrscheinlich, jetzt, wo Schumi wieder Vollgas gibt. Mal gucken.<br />
Vielleicht rufe ich den später mal an. Aber erst später. Denn alles zu<br />
seiner Zeit. Zunächst hat das Buch hier höchste Priorität. Und das ist<br />
auch gut so, denn wir sind bald durch, und das ist dann aber auch gut so.<br />
278
Den Honk in Gesellschaft hätten wir somit fast abgehandelt. Naja,<br />
zumindest so zur Hälfte, so ungefähr. Wir konnten nämlich bereits<br />
eruieren, welche Gesellschaft ein Honk meidet. Bleibt also lediglich<br />
noch darauf abzustellen, welche Gesellschaft ein Honk denn nicht<br />
meidet bzw. sogar bevorzugt. Wie gesagt, der Honk bevorzugt<br />
Gesellschaft, die ihm was bringt. Die ihm was nützt, von der er<br />
profitiert, von der er was hat. Die ihn irgendwie irgendwo stimuliert.<br />
Denkbar sind hierbei diverseste Gesellschaften.<br />
An erster Stelle steht -was Wunder- selbstverständlich Glücksspiel in<br />
jeder erdenklichen Form. Idealerweise noch in Verbindung mit Suff.<br />
Eine verwegene Zocker-Gesellschaft, eine illustre Poker-Runde,<br />
Roulette, Black Jack oder ähnliches im Casino, irgendein Turnier um<br />
dicke Kohle, diverse Wetten auf dieses und jenes und welches, einfach<br />
alles. Also einfach alles, wobei man mit anderen Personen um Kohle<br />
zockt. Das ist Gesellschaft. Gute Gesellschaft, sehr gute Gesellschaft,<br />
und vor allen Dingen auch äußerst sinnvolle Gesellschaft. Kurz: Honk-<br />
Gesellschaft. Ob wir dabei Kohle gewinnen oder verlieren, ist eher<br />
sekundärer Natur. Solange wir nicht Haus und Hof verzocken, was dann<br />
aber doch nicht mehr so gut wäre. Ansonsten also eher sekundär.<br />
Beziehungsweise im Falle eines Gewinnes vielmehr eine Art<br />
Sahnehäubchen. Reich wird mit dem Scheiß sowieso keiner.<br />
Nehmen wir doch mal die gute, alte, illustre Poker-Runde. Sehr schön!<br />
Gepokert haben wir Honks schon vor ungefähr 20 Jahren. So als<br />
Teenies, mit 14 oder 15 oder so. Zwar wohl nicht immer unter<br />
Beachtung des kompletten Regelwerkes, aber egal, wir waren uns einig.<br />
Meistens jedenfalls. Und nur darum ging es. Mal gewann der eine, mal<br />
der andere. Und letzten Endes waren wir alle Gewinner. Gewinner eines<br />
Abends voller Emotionen, Spannung, Nervenkitzel und Adrenalin.<br />
Gewinner einer Woche voller Vorfreude und Hoffnung auf die nächste<br />
Poker-Runde. Geile Gewinner, smarte Typen. Und besoffen, na klar.<br />
Hach, war das aber mal eine schöne Zeit. Eine unglaublich schöne Zeit.<br />
Fast so schön wie die Zeit, als wir vier oder fünf Jahre später unsere<br />
ersten Ecstasy einfuhren. Aber auch nur fast. Trotzdem eine<br />
wunderschöne Zeit und auch eine sehr sinnvolle und lehrreiche Zeit.<br />
Nachträgliches Stößchen.<br />
279
Schon der Knabe saß im Garten und spielte mit der Mutter Karten.<br />
280<br />
(Johnny Firpo)<br />
Heute pokert jeder Kretin. Jeder. Fast ausnahmslos. Denn als Poker vor<br />
ein paar Jahren dann auch irgendwann bei uns in Mode kam, wollte<br />
natürlich jeder ganz toll trendy sein und auf den Zug mit aufspringen.<br />
Amazing. Exciting. Aha, also ganz offensichtlich auch sehr viele<br />
Vollopfer. Na klar, ganz besonders Vollopfer. Man möchte ja immer im<br />
Trend liegen, das ist ganz wichtig. Das ist sozusagen das A und O.<br />
Selbst dann, wenn man eigentlich überhaupt keinen blassen Dunst und<br />
nicht den entferntesten Schimmer von dem hat, was da überhaupt<br />
abläuft. Völlig egal, völlig sekundär, interessiert nicht. Hauptsache<br />
trendy, Hauptsache Vollopfer. Hauptsache Stößchen.<br />
Hört sich erstmal alles wieder ziemlich negativ an. Sehr negativ. Böse<br />
Zungen könnten an dieser Stelle sogar behaupten, der Honk sei eine Art<br />
Maul-Hure. Könnten sie, wäre aber falsch, ätsch. Ist nämlich alles gar<br />
nicht negativ hier, ist alles voll positiv. Für den Honk ist das alles total<br />
positiv hier. Ehrlich. Positiver geht kaum. Denn wenn man jemandem<br />
beim Zocken ganz leicht und ganz schnell ganz viel Kohle abziehen<br />
kann, dann doch wohl dem Vollopfer. Also bißchen amazing, exciting,<br />
hahaha und tralala. Und zack, Kohle weg. Ganz ohne miese Tricks oder<br />
gar Betrug, mitnichten. Nein, alles ganz regelkonform und sauber. Denn<br />
ein Vollopfer muß man nicht betrügen oder bescheißen, ein Vollopfer<br />
ist auch so leichteste Beute. Vollopfer eben.<br />
Prinzip sollte verstanden sein. Möglich ist also eine emotionsgeladene,<br />
spannende Poker-Partie mit ähnlichen Honks. Oder stupides Abzocken<br />
von Vollidioten und Vollopfern. Ersteres bringt Adrenalin, letzteres<br />
leicht verdientes Geld. Also beides eine höchst noble und besonders<br />
empfehlenswerte Gesellschaft für den Honk. Eine Gesellschaft, mit der<br />
sich ein Honk stets gern umgeben sollte.
Eine bunte Sauf-Runde mit erlesenen Getränken und leckeren Zigarren<br />
(Davidoff Classic No. 2 oder 3 kann man ganz gut qualmen) kann<br />
ebenfalls als bevorzugte Gesellschaft indiziert sein. Also lauter lustige,<br />
bunte, irre Honks, die sich kollektiv voll einen reinbrettern und<br />
reinpaffen und dabei über ihren Honkytonk philosophieren. Ganz<br />
klassische Gesellschaft, ganz klassischer Austausch unter Honks.<br />
Saufen und dabei gegenseitige Erfahrungen austauschen. Sehr gesellig,<br />
sehr gemütlich, höchst bodenständig. Und selbstverständlich äußerst<br />
niveauvoll und oftmals dann aber auch sehr frivol.<br />
Erstrebenswerte Gesellschaft kann aber auch der Besuch eines netten<br />
Clubs oder einer geilen Party mit sich bringen. Idealerweise ein<br />
opferfreier Club mit heißen, trinkfesten Hühnern, entsprechender Musik<br />
und genügend Chill-Out-Möglichkeiten, zwinker, geifer. Oder eine<br />
Party, eine endgeile Open-Air-Party, im Wald oder auf einem<br />
weitläufigen Gelände. Auch sehr geil. Und mit geiler Party ist dann<br />
aber auch mal eine geile Party gemeint. Nicht irgendein bizarres Pillen-<br />
Klinker- und Verpeilten-Treffen mit beschissener Musik, zu dem auch<br />
ja jeder Asi hinkommt. Oder gar die Loveparade. Völlig undenkbar,<br />
geht mal gar nicht. Abgelehnt.<br />
Okay, Prinzip sollte verstanden sein. Denkbar sind noch etliche weitere<br />
Gesellschaften oder Gruppierungen, in die sich ein Honk freiwillig und<br />
auch sehr gern begibt. Für uns sollte das an dieser Stelle allerdings<br />
genügen, um das gesellschaftliche Verhalten des Honk ausreichend<br />
portraitiert zu haben. Schließlich wollen wir ja keine psychoanalytische<br />
Grundlagen-Begutachtung durchführen. Hätte eh keinen Sinn, wäre<br />
aufgrund des Facetten-Reichtums und der Skurrilität unseres Honk eh<br />
von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Unser Honk selektiert seine<br />
Gesellschaft also. Selektierten ist die Königs-Disziplin, und unser Honk<br />
ist darin wahnsinnig gut. Er ist quasi der Selektor. Und in dieser<br />
Funktion als Selektor (nicht zu verwechseln mit Skeletor) wählt er frei<br />
und nach Belieben aus, ob und in welche Gesellschaft er sich begeben<br />
möchte, oder ob er eine Gesellschaft lieber meiden möchte. Ist unser<br />
Honk aus diversen Gründen dann aber doch gezwungen, sich in eine<br />
Gesellschaft zu begeben, die er eigentlich lieber meiden würde, muß er<br />
sich kompromißlos mit einer beinahe tödlichen Menge Alkohol<br />
besaufen, was dann aber auch zu begrüßen ist.<br />
281
Dabei muß es dem Honk stets sehr egal bis scheißegal sein, was diverse<br />
Gesellschaften oder Personen über ihn denken und mutmaßen und<br />
munkeln und kunkeln. Denn wie sich mittlerweile sicher jeder selbst<br />
denken kann, wird der Honk aufgrund seines innovativen, angstfreien,<br />
ausschweifenden und weitestgehend systemunabhängigen Lebensstils<br />
von vielen anderen Figuren beneidet, und das völlig zu Recht. An sich<br />
keine besonders große Sache sowas, an sich sogar ganz gut so. Lob<br />
kriegt jeder Penner umsonst, Neid muß man sich verdienen. Nun ist es<br />
in unserer smarten Pavian-Gesellschaft jedoch leider so, daß Neid zu<br />
Mißgunst und Mißgunst vereinzelt sogar zu Haß führen kann. Klingt<br />
komisch, ist es auch. Ziemlich komisch, ziemlich behämmert. Muß aber<br />
scheinbar so sein, liegt scheinbar in der Natur des Homo Sapiens. Daß<br />
er andere lieber in negativen als in positiven Situationen sieht. Weil dies<br />
sein eigenes Scheiß-Leben relativiert. Andere in positiven Situationen<br />
oder gar in einem positiven Leben zu sehen, ist kaum zu ertragen bis<br />
unerträglich.<br />
Hieraus können dann unter Umständen diverse Verunglimpfungen, böse<br />
Nachreden und allerlei hanebüchenes Geschwätz resultieren, von<br />
diversen Gruppierungen, Gesellschaften und anderem Gesockse.<br />
Vereinzelt sogar über liebe Honks. Ja, richtig gelesen, sogar über liebe<br />
Honks. Eigentlich schwer nachvollziehbar, aber es ist nunmal so.<br />
Natürlich völlig klar, daß man als moderner Honk von heute solche<br />
Gesellschaften meiden muß. Und deren krankes Geschwätz komplett<br />
ignorieren muß. Es muß einem komplett am Arsch vorbei gehen, zack,<br />
ab. Ignorieren macht frei, und Freiheit ist Honkland. Wobei es auch bei<br />
beknacktem Geschwätz Grenzen geben muß, die man dann besser doch<br />
nicht überschreiten sollte. Weil es ansonsten mal eben ganz nonchalant<br />
ein paar in die Fresse geben kann. Kann auch passieren, ist auch gut<br />
möglich. Kann alles passieren.<br />
Kann alles passieren im Honkland.<br />
282
Ich werde Dich vor eine Wahl stellen, die ich selbst nie hatte.<br />
dd) Honk ist der Beste!<br />
283<br />
(Lestat de Lioncourt)<br />
Eine Frage brennt mir derzeit wie keine zweite unter den Nägeln: Wie<br />
verändert sich mein Leben eigentlich, wenn ich von einem Vampir<br />
gebissen werde? Also jetzt nur mal rein hypothetisch gefragt. Wie<br />
verändert sich mein Leben dadurch? Durch einen direkten, diskreten<br />
und völlig unverbindlichen Vampirbiß? Welche Dinge bleiben, wie sie<br />
sind? Was wird alles anders? Und überhaupt?<br />
Sicher, sicher, auf den ersten Blick eine Frage, die wir uns alle<br />
mehrmals täglich stellen. Eine Frage, die die meisten von uns oftmals<br />
nachts nicht einschlafen läßt. Kurz: Eine ziemlich knifflige Frage. Etwas<br />
verwegen, zugegeben, aber durchaus berechtigt. Etwas obskure<br />
Thematik, zweifelsohne. Und so viele von uns sich diese und ähnlich<br />
verzwickte Fragen auch permanent stellen, so wenige denken sie leider<br />
konsequent bis zum Schluß durch. Was ziemlich unverständlich und<br />
verwunderlich ist, weil es durchaus Sinn macht, das ganze Szenario<br />
einmal bis zum Ende der Fahnenstange durchzuspielen.<br />
Tun wir mal so, als ob: Wir kommen gewohnt volltrunken nachts aus<br />
irgendeinem Club und möchten nach Hause fahren, was auch sehr zu<br />
begrüßen ist. Und während wir so zu unserem Auto schlurfen und<br />
torkeln und uns auf dem Weg dorthin noch eben schnell mal auf die<br />
Fresse legen und danach eine anstecken, steht plötzlich wie aus dem<br />
Nichts ein Vampir vor uns. Zack! Heiliger Bimbam! Auf einmal steht<br />
der da. Keine Ahnung, woher der kam. Vielleicht aus dem Nichts,<br />
vielleicht aus dem Gebüsch, keine Ahnung. Denn wir selbst sind ja auch<br />
mal wieder voll wie ein Putzeimer, was die Beurteilung der<br />
Gesamtsituation nicht gerade erleichtert.
Aber egal. Ein Vampir steht also urplötzlich vor uns und glotzt uns an.<br />
Sagen wir mal, es ist Lestat. Lestat aus Interview mit einem Vampir.<br />
Also der Vampir, der von Tom Cruise verkörpert wird. Wat nu? Wat<br />
jetzt? Was würden wir zu dem jetzt wohl sagen?<br />
Ey Du, ich kenne Dich aus`m Fernsehen.<br />
Unwahrscheinlich, höchst unwahrscheinlich. Denn so breit, wie wir<br />
schon wieder sind, können wir froh sein, wenn wir noch Männlein und<br />
Weiblein voneinander unterscheiden können.<br />
Boah Alter, coole Klamotten, krasse Frisur.<br />
Lieber auch nicht. Könnte nämlich auch ein Rumäne oder Albaner sein,<br />
und zack, haben wir ein, zwei Messer in der Leber stecken. Tut höllisch<br />
weh, bringt nichts, können wir gern drauf verzichten.<br />
Auch `ne Kippe?<br />
Ach, ist doch auch Scheiße. Völlig egal, was wir sagen oder fragen, es<br />
nützt eh nichts. Hat alles keinen Sinn. Denn wenn der uns dann sagt,<br />
daß er Lestat sei, schnallen wir das eh nicht.<br />
Ich bin Lestat, der Vampir, und ich werde Dich vor eine Wahl stellen,<br />
die ich selbst nie hatte.<br />
Na super, schönen Dank auch. Was kann das denn wohl schon für eine<br />
tolle Wahl sein? Uns nach Hause zu fahren? Um uns dann unsere Porte<br />
und das schöne Boss Bottled abzuziehen? Nein, besten Dank, bitte kein<br />
Déjà-vu. Oder uns ein Taxi zu rufen? Auch nicht nötig, wir können<br />
selbst noch ganz gut fahren. Oder uns ein paar Nutten anzubieten? Wäre<br />
nicht schlecht, aber dann hätten wir vorher nicht so viel saufen dürfen<br />
bzw. die pakistanischen Viagras einstecken müssen. Man kann es<br />
drehen und wenden, wie man will, es kommt einfach kein sinnvoller<br />
Dialog zwischen uns und dem Vampir zustande. Also dann doch besser<br />
gleich das dumme Gelaber lassen, besser gleich in medias res gehen.<br />
Gleich Karten auf den Tisch, zack. Denkbar sind zwei Fälle: Er schafft<br />
es nicht, uns zu beißen, oder er schafft es doch.<br />
284
Ersteres wäre beispielsweise dann der Fall, wenn der sein Maul<br />
aufmacht und flotten Schrittes auf uns zukommt. Spätestens dann, wenn<br />
der seine Lippen an unserem Hals hat, kriegt der voll einen in die<br />
Fresse. Zack, Faust in die Fresse, bamm. Und zack, liegt der dann da.<br />
Auf dem Rücken, wie ein Maikäfer. Und zwar nicht, weil wir uns vor<br />
einem Vampirbiß fürchten, sondern vielmehr, weil wir glauben, daß uns<br />
ein völlig durchgeknallter, bisexueller Laien-Schauspieler einen<br />
Zungenkuß geben will. Bäh! Sowas wollen wir nicht, für sowas sind wir<br />
nicht zu haben. Für sowas gibt es ein paar auf`s Maul, zack.<br />
Die zweite Variante wäre für unseren Vampir, unseren Lestat, noch viel<br />
verheerender. Denn für den wahrscheinlichen Fall, daß wir das gar nicht<br />
schaffen, dem eine zu knallen, weil der ja immerhin Vampir-Superkräfte<br />
hat, ist er trotzdem voll am Arsch. Denn während der saugt und saugt<br />
und saugt (also am Hals...), merkt er auf einmal, wie er immer<br />
besoffener wird. Logisch, unser lieber Lestat ist ja nicht so trainiert wie<br />
wir. Der ist das Saufen ja gar nicht gewöhnt. Zumindest nicht krasses<br />
Alk-Saufen, und noch dazu im ganz großen Stil. Ferner ist sein Körper ja<br />
de facto gestorben. Also kein Herzschlag mehr, kein pinkeln und kacken<br />
mehr, nichts. Logischerweise auch keine Leberfunktion mehr. Na<br />
herzlichen Glückwunsch! Keine Leberfunktion, ergo kein<br />
Alkoholabbau. Sternhagelvoll bis in alle Ewigkeit. Stößchen!<br />
Wunderbar, sternhagelvoll bis zum jüngsten Tag. Ohne jemals<br />
nachtanken zu müssen, herrlich. Famos, famos. An sich ein schöner, ein<br />
wunderschöner, ja ein famoser Gedanke, wenn man es denn drauf<br />
angelegt hat. Dann ja, dann auf jeden Fall. Dann ein überaus<br />
begrüßenswerter Zustand. Für unseren armen Lestat, den der Suff so<br />
unvorbereitet trifft wie einen 13-jährigen Konfirmanden, dann aber mal<br />
doch nicht so schön. Eher unschön. Sehr unschön, denn es wird ihn voll<br />
aus den Socken schießen, den armen Vogel. Was wir also auch tun oder<br />
lassen, es findet ein unschönes bzw. gar kein Ende. Scheinbar müssen<br />
wir ein wenig umdenken. Verschwenden wir also unsere Zeit und Mühe<br />
nicht darauf, zu eruieren, ob ein Dialog zwischen uns und dem Vampir<br />
tatsächlich oder eher durch konkludentes Handeln zustande kommen<br />
kann, sondern setzen diesen Dialog einfach mal als gegeben voraus.<br />
Klingt komisch, ist es aber nicht, denn es bringt uns zum Kern der<br />
Sache.<br />
285
Wir stehen als unserem Lestat gegenüber, Face to Face. Und wir sind<br />
beide im Bilde. Also wir, daß er ein Vampir ist, und er, daß wir<br />
sturzbesoffen sind. Eine Patt-Situation sozusagen. Und was nun? Was<br />
kommt jetzt? Denkbar wäre folgender Dialog:<br />
Hi, ich bin Lestat, der Vampir.<br />
Nee, biste nicht, Du bist Luke, und ich bin Dein Vater.<br />
Lol!!! Abfeier! Wie geil wäre das denn?! Endgeil. Vampir-Verarsche.<br />
Auf höchstem Niveau. Nicht mehr zu toppen. Das Non-plus-ultra des<br />
schwarzen Humors, da geht nichts mehr. Der würde sich aufgrund der<br />
besonders gelungenen Pointe wahrscheinlich kaputtlachen. Oder uns<br />
blitzschnell den Kopf abschlagen, damit wir bloß unsere dumme Fresse<br />
halten. Zack, ab. Nein, sowas machen wir dann lieber doch nicht,<br />
Vampir-Verarsche ist nichts für schwache oder gar besoffene Nerven.<br />
Wir führen dann doch eher einen Dialog in dieser Richtung:<br />
Hi, ich bin Lestat, der Vampir.<br />
Glückwunsch. Und ich bin breit wie eine Trompete.<br />
Ja, das sehe ich wohl. Mist. Bockmist. Und nu?<br />
Keine Ahnung, ist ja für beide irgendwie nicht so toll gelaufen.<br />
Machen wir doch morgen, selbe Zeit, selber Ort, nüchtern.<br />
Nüchtern? Dann eher übermorgen. Oder besser in drei Monaten.<br />
Drei Monaten?<br />
Ja, ganz genau, in drei Monaten. Ich will mich vorbereiten.<br />
Na dann viel Erfolg, Mann. Wir sehen uns in drei Monaten.<br />
286
Ein unfaßbarer, tollkühner und unglaublich offener Dialog zwischen uns<br />
und dem Vampir. Geradezu warmherzig-brisant. Gäbe es tatsächlich<br />
Vampire, und wären wir tatsächlich im Honkland, dann, ja dann würde<br />
ein Dialog dieser Art genau nach diesem Schema ablaufen. So, und<br />
nicht anders. Was für ein Dialog! Wahnsinn!<br />
Die Intention dieses unfaßbaren Dialoges jetzt mal dahingestellt, halten<br />
wir bitte fest: Wir haben nun drei Monate Zeit, um uns darauf<br />
vorzubereiten, selbst ein Vampir zu werden. Wir haben einen Deal mit<br />
dem smarten Lestat, und diesen wollen wir auch erfüllen. Weil wir<br />
nämlich voll geil und scharf darauf sind, auch ein Vampir zu werden.<br />
Ewiges Leben, Supermann-Kräfte, kein Älterwerden, phantastisch.<br />
Unser hübsches, jugendliches Antlitz bleibt für immer erhalten. Weil<br />
wir uns von dem Zeitpunkt an, an dem wir gebissen und selbst zum<br />
Vampir werden, optisch nicht mehr verändern werden.<br />
Und? Und? Fällt der Groschen langsam? Ja natürlich, dafür brauchen<br />
wir die drei Monate. Um uns in Topform zu bringen, für was denn<br />
sonst?! Um zum Zeitpunkt des Bisses in der Form unseres Leben zu<br />
sein. Endgeil zu sein. Denn so werden wir die nächsten paar Tausend<br />
Jahre rumlaufen. Konkret bedeutet das: Sofort ab in die Mucki-Bude.<br />
Trainieren, Steroide fressen, Schlankmacher-Pillen. Volle Kanne. In<br />
drei Monaten stirbt unser Körper eh, also Scheiß auf Herz, Leber,<br />
Nieren und den ganzen Blödsinn. Alles voll rein, zack, rein in Hals, und<br />
ab dafür. Wir müssen in atemberaubender Konstitution sein, also<br />
Vollgas. Waschbrettbauch und 45er Oberarme sind angesagt.<br />
Nach dem Training dann sofort ab ins Solarium, ordentlich<br />
durchbräunen. Keiner steht auf Kalkleisten, und als Vampir ist man eh<br />
schon immer so bleich, äußerst blasser Teint. Danach ab zur Kosmuschi,<br />
alles entfernen und richten lassen, was entfernt und gerichtet werden<br />
muß. Augenbrauen zupfen, Pickel wegdrücken, Beine enthaaren.<br />
Eventuell sogar noch zum Schönheits-Chirurgen, den ein oder anderen<br />
Makel wegoperieren lassen. Kurz vor Ablauf der drei Monate dann noch<br />
einmal zum Friseur und eine spitzenmäßige Frisur machen lassen.<br />
Wobei es in erster Linie auf die Länge der Haare ankommt, denn stylen<br />
kann man die ja auch als Vampir noch nach Belieben. Also nur nicht zu<br />
kurz, die wachsen dann nicht mehr.<br />
287
Und ganz wichtig, wenn dann die Nacht des Bisses gekommen ist: Kurz<br />
vorher extrem fett mit Sunblocker einschmieren. Und zwar mit dem<br />
stärksten Blocker, den es auf der ganzen Welt gibt. Der Grund dafür ist<br />
ebenso simpel wie logisch. Denn als Vampir kann man ja kein<br />
Sonnenlicht vertragen. Es tötet einen sogar, es verbrennt einen<br />
regelrecht. Also echt heftig. Schmiert man sich jedoch kurz vor dem Biß<br />
mit ultra-fiesem Sunblock 10.000 ein, wird dieser Sonnenschutz ja<br />
zwangsläufig mit dem Biß konserviert. Heißt schlichtweg, daß wir als<br />
Vampir dann auch permanent sonnengeschützt sind und eigentlich den<br />
ganzen Tag frei herumlaufen können, was ziemlich revolutionär wäre.<br />
Wir wären dann die neuen Daywalker, die Elite, das Who-is-who unter<br />
den Saugern. Sensationell, Stößchen.<br />
Theoretisch also durchaus recht brillant gedacht, fürwahr, fürwahr. Ob<br />
das Ganze dann aber auch in der Praxis funktioniert, bleibt erst noch<br />
abzuwarten. Ist aber momentan auch nicht ganz so wichtig. Viel<br />
wichtiger ist, daß wir festhalten, in der Nacht des Bisses in der geilsten<br />
Konstitution unseres Lebens zu sein. Weil wir nämlich ein endgeiler<br />
Vampir sein wollen. Wir wollen der geilste, der innovativste, der<br />
hübscheste, eben der beste Vampir sein. Wir wollen der Hans Meiser<br />
unter den Vampiren sein!<br />
Kleiner Wermutstropfen dabei: Sobald Lestats Kumpel Louis, gespielt<br />
von Brad Pitt, auftaucht, hat sich der Traum ausgeträumt. Zack, aus der<br />
Traum. Dann fällt unser schönes Kartenhaus zusammen, dann ist Essig<br />
mit Bester und Tollster und Schönster und so. Denn gegen Louis<br />
können wir nicht anstinken. Trotz dreimonatiger Vorbereitung nicht.<br />
Niemals. Und der steht frisch aus dem Sarg auf und sieht trotzdem<br />
geiler aus als wir mit unseren Scheiß-Anabolika und Solarium und<br />
Frisur und dem ganzen Mist. Voll zum Kotzen, aber mal echt jetzt. Was<br />
für eine Enttäuschung. Eine ganz große und besonders herbe<br />
Enttäuschung. Aber sowas von. Eine ganz bittere Pille, die wir da<br />
sprichwörtlich schlucken müssen. Ganz bitter. Und furchtbar, ganz,<br />
ganz furchtbar. Und es geht uns schlecht. Sehr schlecht. Man kann sich<br />
unter diesen Umständen kaum noch vorstellen, wie schlecht es uns geht.<br />
288
Ich bin immer dann am besten, wenn`s mir eigentlich egal ist. Ich bin<br />
immer dann am besten, wenn mir keiner ins Regal pißt. Ich bin immer<br />
dann am besten, am zweit-, dritt- oder zehntbesten. Von mir aus auch<br />
mal nicht am besten. Ich muß das nicht austesten, nicht noch mal. Mein<br />
Spiegelbild ist anderen egal.<br />
289<br />
(Die Ärzte)<br />
Schöne Überleitung jetzt hier, schön aufpassen jetzt. Denn jetzt haben<br />
wir den Salat. Le Salat. El Salato! Salato Grande. Klar wollen wir der<br />
Beste sein, was denn auch sonst?! Natürlich wollen wir ein ganz<br />
besonderer, ein ganz außergewöhlicher, ein geradezu unglaublicher<br />
Vampir sein. Wir wollen besser sein als all die anderen, uns von der<br />
breiten Masse der anderen Vampire abheben, ist doch logisch. Und<br />
dabei scheitern wir ganz grandios, ganz furios, ganz famos. Und<br />
natürlich auch ganz klar. Glasklar sogar, von vornherein. Hätte uns<br />
eigentlich von Anfang an bewußt sein müssen. Sobald Louis um die<br />
Ecke spaziert oder geflogen kommt, ist Feierabend. Zack. Ende der<br />
Illusionen, grandioses Scheitern vorprogrammiert. Und zwar von<br />
Anfang an. Fiasko. Fiasko Grande. Stößchen.<br />
Aber genau das sollte uns unser kleiner Vampir-Exkurs verdeutlichen:<br />
Immer nur einer kann der Beste sein. Natürlich rein objektiv betrachtet.<br />
Subjektiv betrachtet kann natürlich jeder Trottel der oder die Beste sein,<br />
ganz klar. Auf Wunsch und mit genügend Kohle erzählt einem jede<br />
Prostituierte, daß man der Beste ist. Oooh, so einen geilen Stecher wie<br />
Dich habe ich ja noch nie gehabt! Nee, ist klar. Oder jeder<br />
Autoverkäufer, daß er noch nie so einen harten Verhandlungspartner<br />
hatte. Also wenn ich noch so einen Kunden wie Sie hätte, müßte ich den<br />
Laden hier zumachen! Auch sehr wahrscheinlich. Jeder Junkie, daß er<br />
noch nie von jemandem so guten Stoff wie diesen gekriegt hat. Boah,<br />
geilster Stoff wo gibt, geil, geil, sniff, sniff, drück, drück! Sicher, sicher.<br />
Etcetera, etcetera, bla.
Objektiv betrachtet kann selbstverständlich immer nur einer der Beste<br />
sein. Und alle andern nicht. Nur einer rennt die 100 Meter schneller als<br />
alle anderen. Nur einer ist der Reichste, hat mehr Geld bzw. Vermögen<br />
als alle anderen. Nur einer kann am längsten Luft anhalten, die größte<br />
Menge Bratwurst oder Schnitzel in einer bestimmten Zeit fressen, die<br />
dicksten Arme haben, die meisten Kokosnüsse mit dem Schädel oder<br />
mit dem Penis knacken, egal. Völlig egal. Es kann immer nur einen<br />
geben. Wie beim Highlander. In allen Wettbewerben, Disziplinen,<br />
Bereichen. Immer nur einen Ersten, immer nur einen Besten. Alle<br />
anderen danach logischerweise nicht mehr.<br />
Und das ist auch gut und richtig so, weil uns das nämlich gar nicht<br />
interessiert. Nicht die Bohne. Ist uns völlig egal, wer irgendwo in<br />
irgendwas Bester ist oder auch nicht. Geht uns voll am Arsch ab, zack.<br />
Und warum? Logisch, weil es völlig banal ist, in irgendwas der oder die<br />
Beste zu sein. Völlig banal. Banal und aber auch scheißegal. Banal und<br />
geradezu absurd. Gucke an, banal und absurd, wer hätte das gedacht?!<br />
Kaum jemand. Zumindest nicht die armen Irren, die Tag für Tag ihr<br />
komplettes Leben verkacken, um in irgendwas der oder die Beste zu<br />
sein. Idealerweise noch in irgendeiner brotlosen Kunst, von der alle<br />
Beteiligten nicht das Geringste haben. Die wissen meist gar nicht, wie<br />
banal und absurd der ganze Zirkus ist. Andererseits wissen die aber<br />
auch nicht, was sie überhaupt davon haben.<br />
Man wage nur einmal einen flüchtigen Blick in das sagenumwobene<br />
Guiness-Buch der Rekorde. Was für ein Bullshit! Mal abgesehen von<br />
ein paar Handvoll nützlicher und sinnvoller Informationen, steht da nur<br />
Bullshit drin. Banalster Bullshit, banal bis zum geht nicht mehr.<br />
Irgendwelche Leute machen irgendwelchen Blödsinn, nur um in dieses<br />
komische Buch aufgenommen zu werden. 250 Stunden Achterbahn<br />
fahren am Stück. 150 ml Tabasco in 30 Sekunden trinken. 11 Tage und<br />
Nächte ohne Schlaf. In 12 Minuten 60 Hot Dogs fressen. Aus Millionen<br />
von Zündhölzern das größte Modell-Schiff der Welt bauen. Und<br />
ähnlicher Schwachsinn. Undenkbarer, hanebüchenster Quatsch und<br />
Kokolores. Nur für einen Eintrag in dieses hohle Buch. Hauptsache<br />
einmal im Leben in irgendwas der Beste sein. Und sei es noch so<br />
beknackt. Völlig egal. Hauptsache einmal von der breiten Masse<br />
abheben, einmal jemand ganz besonderes sein.<br />
290
Auf der einen Seite ist das natürlich alles sehr verständlich. Die meisten<br />
von uns führen nämlich ein bedenklich mittelmäßiges, todlangweiliges,<br />
gähnendes Durchschnitts-Leben. Mittelmäßiger Job, mittelmäßiges<br />
Gehalt, mittelmäßige Beziehung, mittelmäßige Bude, bla, gähn. Haben<br />
wir ausreichend durchgekaut. Mittelmaß als Maß der Dinge. Eine<br />
Nummer im System, ein Ersetzbarer, ein Austauschbarer. Citizen Dildo!<br />
Der Steuerzahler, der Sperrmüll-Anmelder, der BILD-Leser. Einer wie<br />
alle. Wie aufregend. Was für ein aufregendes, einzigartiges,<br />
individuelles und selbstgesteuertes Leben. Phantastisch, gähn. Kein<br />
Wunder, daß so viele Menschen depressiv sind.<br />
Und jetzt ist es nämlich so, daß nur ganz wenige von uns diesen<br />
Mittelmaß-Blödsinn hinterfragen. Einige sind bereits zu sehr in das<br />
System eingebunden, um Fragen zu stellen. Aber die überwältigende<br />
Mehrheit ist schlichtweg zu blöd oder zu faul. Man spürt zwar<br />
irgendwie instinktiv und intuitiv, daß irgendwas nicht stimmt bzw. das<br />
eigene Leben zu Tode langweilt, ist aber zu blöd oder zu faul, um etwas<br />
Grundlegendes dagegen zu tun. Also das Übel an der Wurzel zu packen.<br />
Nein, das dann doch lieber nicht. Lieber weiter eine Nummer im System<br />
bleiben, lieber weiter Citizen Dildo bleiben. Ist sicherer, machen alle,<br />
sind wir gewöhnt dran. Bloß nicht Neues, lieber irgendwie ab- bzw.<br />
umlenken. Et voilà, haben wir den Scheiß.<br />
So einfach ist die ganze Kiste. Kompensieren heißt mal wieder das Wort<br />
der Woche. Man ist zu faul oder zu doof oder zu feige, sein eigenes,<br />
trostloses, mittelmäßiges Durschschnitts-Leben zu ändern, also fängt<br />
man mit irgendeinem anderen Scheiß zu kompensieren an. Mit<br />
irgendeiner besonderen Leistung. Et voilà, et zack, haben wir schon<br />
wieder den Salat. Kopf-Salat. Kompensations-Salat. Aber leider, leider<br />
klappt Kompensieren mal wieder nicht. Wie immer. Denn dadurch, daß<br />
ich an einem bescheuerten Ironman partizipiere, wird mein Leben nicht<br />
besser. Dadurch, daß ich 20 Kilo Thüringer Mett in einer Stunde fressen<br />
kann, auch nicht. Auch wird mein Leben nicht besser, wenn ich einen<br />
Monat Achterbahn fahre oder Benzin saufe oder meinen Schädel im<br />
Türrahmen einklemme. Oder mich mit Stoff zudröhne, an einer<br />
regionalen Bodybuilding-Meisterschaft teilnehme und da dann sogar<br />
einen beschissenen Pokal und eine Büchse Eiweiß-Pulver gewinne.<br />
Nein, auch dann nicht, auweia.<br />
291
Ist alles Scheiße, ist alles Mist. Alles Kompensation, macht alles keinen<br />
Sinn. Ändert nichts Grundlegendes, lenkt nur ab. Als würde man sich<br />
den Arm brechen und den dann nicht eingipsen, um den Bruch zu<br />
heilen, sondern stattdessen jahrelang Schmerz-Tabletten fressen. Macht<br />
ähnlich viel Sinn. Oder vielmehr ähnlich wenig Sinn. Macht eigentlich<br />
gar kein Sinn, ist Blödsinn. Also wie in unserem kleinen Vampir-<br />
Exkurs: Wenn mein Leben eh schon Scheiße ist, dann muß ich selbst<br />
etwas daran ändern. Etwas Grundlegendes. Neue Frisur und<br />
Marathonlauf nützen da nichts. Auch Saufen ist keine Lösung auf<br />
Dauer. Und warten, bis mich ein Vampir beißt, auch nicht. Denn dann<br />
wird es auch als Vampir nicht besser. Im Gegenteil, sehr wahrscheinlich<br />
wird man dann sogar ein ziemlich verbitterter Vampir. Ein ganz<br />
trauriger, ja gar ein depressiver Vampir. So von wegen schön bis 2 Uhr<br />
nachts im Sarg liegen bleiben, während die Kollegen schon seit vier<br />
Stunden jagen. Stattdessen nur noch Blutkonserven trinken, Zähne<br />
nicht mehr putzen im Internet chatten und dergleichen.<br />
Oder man dreht gleich voll durch und läuft Amok. Als Vampir. Also<br />
Glatze rasieren, Tarnklamotten an und ab. Ab, zack, Amok. Die denkbar<br />
ungünstigste Variante für alle Beteiligten. Vampir-Amok! Horror-<br />
Szenario, Super-GAU. Da möchte ich nicht in der Nähe sein, wenn das<br />
losgeht. Ganz bestimmt nicht. Ein total angepißter, zugedröhnter,<br />
unsterblicher Blutsauger mit Supermann-Kräften auf mega-fiesem<br />
Aggro-Trip. Wie mag sowas wohl enden?! Wenn dann beispielsweise<br />
auch noch die Rennleitung (also die Grün-Weißen) antanzt und wie<br />
gewohnt besonders hohle Phrasen drischt:<br />
In Ihrem Personalausweis steht 1842 als Geburtsjahr. Das kann ja wohl<br />
irgendwie nicht ganz hinkommen. Sie kommen jetzt mal mit auf die<br />
Wache, zwecks Feststellung Ihrer richtigen Personalien.<br />
Auweia! Ganz dumme Idee. Sollte man lieber sein lassen. Oder wenn<br />
die den dann vielleicht noch nach seinem Führerschein fragen.<br />
Beziehungsweise nach seinem Flug- und Jagdschein. Weil er ja<br />
schließlich angeflogen kam und kurz vor der Landung noch einen<br />
Ausgesaugten ins Gebüsch fallen ließ. Völlig egal, nach irgendeinem<br />
Schein eben, den man sicherstellen kann.<br />
292
Schönen guten Abend, allgemeine Verkehrskontrolle. Was haben Sie<br />
denn da eben beim Lande-Anflug ins Gebüsch geschmissen? Drogen?<br />
Bitte einmal Flug- und Jagdschein.<br />
Na schönen Tag auch! Besonders schönen Tag. Auf jeden Fall ein<br />
unvergeßlicher Tag für unsere arme Rennleitung. Sicherstellungs-<br />
Versuch kläglich gescheitert, schöner Mist. Zielperson hat uns<br />
stattdessen volles Rohr die Fresse poliert und ist dann wieder<br />
weggeflogen, Neo aus der Matrix ist ein Dreck dagegen.<br />
Wir können also festhalten, daß wir bei Unzufriedenheit in oder mit<br />
unserem eigenen Leben nicht erst darauf warten sollten, daß uns ein<br />
Vampir beißt. Oder uns der Himmel auf den Kopf fällt und uns die<br />
Sonne küßt. Da können wir dann nämlich ziemlich lange drauf warten,<br />
denn soweit wird es nicht kommen. Und selbst wenn, ändert das an<br />
unserem Mütchen nicht viel. Zumindest nicht dauerhaft. Die<br />
Unzufriedenheit verschwindet -wenn überhaupt- nur kurzfristig und<br />
stellt sich über kurz oder lang wieder ein, wenn wir unser Kern-Problem<br />
nicht irgendwann beheben. Da werden wir nicht umhin kommen. Wie<br />
das jeweilige Kern-Problem eines jedes einzelnen von uns aussieht,<br />
entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Woher denn auch?! Es gibt<br />
halt diverse gängige Symptome. Viele haben Angst vor Verlust,<br />
beispielsweise vor Verlust der Partners, des Jobs, der Gesundheit.<br />
Andere sind nicht frei, können sich nicht frei entfalten, sind vielleicht<br />
innerlich irgendwo gefangen, irgendwo psychisch oder so. Wiederum<br />
andere sind unzufrieden, weil sie keine Lebensaufgabe haben oder stets<br />
unter ihren Möglichkeiten bleiben müssen oder einfach nur gelangweilt<br />
und frustriert sind, vom Job, von der Beziehung, von sich selbst, vom<br />
Leben.<br />
Es gibt etliche Symptome, fast alles ist vorstellbar, fast alles ist möglich.<br />
Nur muß das jeder individuell für sich selbst feststellen. Es gibt keine<br />
generelle Lösung, kein Patent-Rezept, kein Allheil-Mittel. So etwas gibt<br />
es nicht, und auch Honkland ist das nicht. Honkland ist keine General-<br />
Lösung, Honkland ist nur der Weg, nur der Ansatz. Der Honk kann den<br />
Weg nur zeigen, gehen muß ihn jeder selbst. Falls er oder sie denn<br />
überhaupt diesen Weg gehen möchte. Denn nur darauf kommt es am<br />
Ende an, nur das zählt.<br />
293
Nur eines kann ich mit absoluter Gewißheit sagen: Ablenkung und<br />
Kompensation machen auf Dauer nicht glücklich. Mal ganz plakativ:<br />
Das hier wäre bewußtes Auseinandersetzen mit einem Problem:<br />
Ich bin zu fett geworden, also muß ich entweder weniger fressen oder<br />
mehr Sport treiben.<br />
Zack! Und das hier wäre dann Scheiß-Kompensation:<br />
Ich bin zu fett geworden, also gehe ich mal lieber zum Friseur.<br />
Okay, Prinzip sollte jetzt annähernd verstanden sein. Läßt sich auf<br />
ausnahmslos alle anderen Lebensbereiche übertragen. Ebenso simpel<br />
wie logisch. Kompensation funktioniert nicht. Durch nichts. Und schon<br />
gar nicht durch irgendeinen ominösen Eintrag in dieses bescheuerte<br />
Guiness-Buch aufgrund irgendeiner hanebüchenen Bestleistung in<br />
irgendeinem schwachsinnigen Bereich. Das dann aber auch mal gar<br />
nicht. Ausgenommen einige ganz wenige Bereiche, in denen man<br />
tatsächlich ordentlich Kohle damit verdienen kann, gut oder sogar der<br />
Beste in irgendwas zu sein, macht das ansonsten alles keinen Sinn. Nur<br />
Ablenkung, nur Kompensation. Nur Shit.<br />
Und deshalb ist dieser ganze Kompensations-Zirkus unserem Honk<br />
auch sehr egal. Unser Honk muß nicht kompensieren, und schon gar<br />
nicht kompensieren durch profilieren. Also sich irgendwie irgendwo<br />
und aus irgendwelchen Gründen hervortun oder präsentieren. Muß nicht<br />
sein, ist albern. Kann ganz böse enden, nicht umsonst haben wir so viele<br />
Profil-Neurotiker in unserer lustigen Gesellschaft. Und Profil-Neurosen<br />
sind in Honkland aber mal sowas von gar nicht angesagt, daß sich das<br />
wohl jeder Schimpanse an fünf Fingern abzählen kann. Denn Profil-<br />
Neurosen gibt es in Honkland nicht, sowas braucht unser Honk nicht,<br />
und sowas will er auch nicht haben. Alles überflüssig. Keine<br />
Profilierung, keine Show. Keine Show im Honkland, kein Stößchen für<br />
sowas. Als Honk ist man sogar eher der Show-Stopper. Man muß<br />
nämlich gar nicht immer so weit in die Ferne schweifen, um<br />
Selbstdarstellung, um Profilierung, um Show zu bekommen. Ein kurzer<br />
Abstecher in unser geliebtes Internet reicht da völlig aus, wenn man die<br />
richtige Seite wählt.<br />
294
Ich sage nur StudiVZ. Heiliger Bimbam! So, jetzt ist die Bombe<br />
geplatzt, die Katze aus dem Sack, der Fisch gegessen. StudiVZ! Mehr<br />
muß man da nicht sagen. Reicht. Ist alles gesagt mit, fällt einem nichts<br />
mehr zu ein. StudiVZ ist geil, richtig geil, endgeil. Endgeil und aber<br />
auch besonders wert- und sinnvoll. Erwachsene Menschen, die noch nie<br />
in ihrem Leben eine Uni von innen gesehen haben, präsentieren sich<br />
selbst auf Dutzenden von Photos. Beschreiben ihre Vorlieben und<br />
Interessen. Schließen interaktive Freundschaften mit anderen Pansen.<br />
Treten besonders lustigen Gruppierungen mit total witzigen Namen bei.<br />
Malen sich gegenseitig lustige Blümchen und Bildchen und Herzchen<br />
auf die interaktiven Pinnwände. Phantastisch. Ganz phantastisch. Und<br />
süß. Ganz, ganz süß. Nein, wie ist das wieder süß. Zumindest dann,<br />
wenn unsere Protagonisten acht Jahre alt wären. Dann ja, dann süß.<br />
Ansonsten nicht. Ansonsten eher peinlich.<br />
Erinnert mich irgendwie an diese kleinen Bücher, die man in der dritten<br />
Klasse hatte. In die andere Schulkinder reinschreiben mußten. Also so<br />
von wegen Name, Geburtstag, was ich mag, was ich nicht mag,<br />
Lieblingslied, Hobby, Schwarm, und noch Photo rein, zack, fertig.<br />
Daran erinnert mich das. Und an Pubertäts-Akne. Und an diese kleinen,<br />
lustigen Zettelchen. Na an diese hier:<br />
Willst Du mit mir gehen?<br />
Ja<br />
Nein<br />
Vielleicht<br />
Daran erinnert mich das auch, das schöne StudiVZ, das herrliche<br />
StudiVZ, das wunderbare StudiVZ. Erinnert mich irgendwie an jede<br />
erdenkliche Kinder-Kacke, nur an eines nicht: An erwachsene<br />
Menschen, die eine Universität besuchen. Irgendwie nicht. Aber egal,<br />
ich kann es nicht ändern. Will ich ja auch gar nicht, geht mir nämlich<br />
komplett am Arsch ab, vgl. unter Punkt b) dieses Kapitels. Wird von mir<br />
ansonsten komplett ignoriert, existiert für mich nicht. Dient in diesem<br />
Fall nur ausnahmsweise als Beispiel zur Veranschaulichung. Zur<br />
Veranschaulichung dessen, daß es in unserer lustigen Gesellschaft<br />
mittlerweile beängstigend viele erwachsene Menschen mit<br />
Profilierungs-Zwang bzw. komplettem Lattenschlag gibt. Stößchen.<br />
295
Ja sorry, was geht denn, was geht denn?! Ich kann es doch nicht ändern,<br />
ich habe das Kaspertheater doch nicht erfunden. Ist nicht meine Show,<br />
nicht mein Business. Obwohl ich wenigstens noch ein Diplom an der<br />
Wand hängen habe, sogar eines von der Uni, gucke mal einer an. Aber<br />
nee, besten Dank, nicht nötig. Zumindest stellt man als Honk da bei<br />
denen von Studi- oder Sonstwas-Fuck-Facebook-VZ nicht irgendwelche<br />
beknackten Photos von seiner dummen Fresse, seinem fetten Arsch oder<br />
seinem letzten Mauritius-Urlaub oder sonstwas rein. Oder gründet<br />
irgendwelche albernen Gruppen, damit auch irgendwann der letzte<br />
Hoschi mitkriegt, was für eine Proll-Karre man fährt oder mit welcher<br />
Frutte man gerade poppt. Na super. Und das dann alles in der Hoffnung,<br />
daß irgendein anderer Hoschi oder irgendeine andere Frutte dazu seine /<br />
ihre Meinung oder Bewertung abgibt?! Uns ein Blümchen auf die<br />
Pinnwand malt?! Oder daß wir vielleicht sogar entdeckt werden und<br />
dann noch ganz groß rauskommen?! Also so von wegen Superstar-<br />
Topmodel oder sogar Miss Wintersemester, lol?!<br />
Uiuiui, wäre das nicht alles zu schön, um wahr zu sein?!<br />
Nee, eher nicht so. Eher zu wahr, um schön zu sein. Beziehungsweise<br />
zu Scheiße, um wahr zu sein. Denn in Honkland gibt es keine<br />
Selbstdarstellung, und das ist auch gut und richtig und höchst<br />
begrüßenswert so. Entweder ist man geil, oder man ist es nicht. So<br />
einfach ist das. Und sonst nix. Und daher überlassen wir zwanghaften<br />
Pseudo-Exhibitionismus und alberne Internet-Selbstdarstellung<br />
denjenigen, die es ganz offensichtlich nötig haben. Aber bitte nicht in<br />
Honkland. In Honkland existiert solcher Blödsinn nicht, in Honkland<br />
machen wir uns davon frei. In Honkland wollen wir das nicht haben.<br />
So, hätten wir das dann auch mal geklärt. Und ganz nebenbei noch diese<br />
ganze alberne Facebook-Kacke verrissen. Phantastisch, Glückwunsch,<br />
Stößchen. In Honkland muß also niemand der oder die Beste sein, in<br />
Honkland muß sich keiner selbst darstellen. Denn in Honkland will das<br />
nämlich auch gar keiner. In Honkland ist es scheißegal, wer das dickste<br />
Auto fährt, wer den tollsten Job hat, wer die meisten imaginären<br />
Freunde irgendwo im Internet oder sonstwo hat. Völlig egal, völlig<br />
Latte. Völlig unglaublich, was?! Unglaublich, aber wahr. Unglaublich,<br />
aber Stößchen!<br />
296
So hat der Herr mir, dem Bruder Franziskus, gegeben, das Leben der<br />
Buße zu beginnen: Denn als ich in Sünden war, kam es mir sehr bitter<br />
vor, Aussätzige zu sehen. Und der Herr selbst hat mich unter sie<br />
geführt, und ich habe ihnen Barmherzigkeit erwiesen. Und da ich<br />
fortging von ihnen, wurde mir das, was mir bitter vorkam, in Süßigkeit<br />
der Seele und des Leibes verwandelt.<br />
Da ist das Ding!<br />
ee) Und was kommt jetzt noch?<br />
297<br />
(Franziskus von Assisi)<br />
(Oliver Kahn)<br />
Tja, eigentlich wären wir durch. Eigentlich hätten wir alles durch den<br />
Kakao gezogen, was man nur durch den Kakao ziehen kann. Eigentlich<br />
könnten wir an dieser Stelle Feierabend machen. Den ganzen Mist hier<br />
ausdrucken, eintüten, wegschicken. Und hoffen und warten, ob sich<br />
irgendein Verleger findet, der wahnsinnig genug ist, diesen Mist hier zu<br />
veröffentlichen. Also eigentlich können wir jetzt nur noch abwarten und<br />
Bier trinken. Eigentlich. Aber auch nur eigentlich. Denn irgendwas ist ja<br />
immer. Und siehe da, siehe da, als hätte man uns gehört, wurde in der<br />
Zwischenzeit auch das Geheimnis um Fräulein Schnäuzchen und Regel<br />
Nummer Drei gelüftet. Also die Rede ist hier von dieser selten<br />
dämlichen Mc-Donald`s-American-sonstwas-Werbung mit Klum plus<br />
Opfern. Und das Geheimnis lautet: Es gibt keine! Keine Regel Nummer<br />
Drei. Keine da. Ihr verrückten Hunde, Ihr! Aber nicht mit mir. Denn ich<br />
habe von Anfang an gewußt, daß es überhaupt keine dritte Regel gibt.<br />
Nicht geben kann.
Ist doch völlig logisch. Und zwar mit umgekehrter Logik: Weil es<br />
nämlich einfach nicht vorstellbar ist, daß unser exorbitant cleveres<br />
Schnäuzchen Regel Nummer Drei vergessen haben könnte.<br />
Unvorstellbar, nicht möglich, geht nicht. Unser Schnäuzchen vergißt<br />
nichts, viel zu clever. Also kann der logische Umkehrschluß nur lauten,<br />
daß es überhaupt und zu keiner Zeit und noch nie irgendeine Regel<br />
Nummer Drei gab. Klingt logisch, ist es auch. Was sich uns stattdessen<br />
offenbart, ist nur sehr schwer mit normalen Worten zu beschrieben:<br />
Unser Schnäuzchen betritt zusammen mit ihren paar Casting-Opfern die<br />
Burger-Bude, sabbelt irgendwas vor sich hin, von wegen Stars und<br />
Models und bla, geht dann an den Bestelltresen und stupst den Burger-<br />
Buben, der hinter dem Tresen an der Kasse steht, mit einem an Keckheit<br />
nicht mehr zu überbietenden<br />
Na, Du!<br />
mit dem rechten Zeigefinger an die Nase. Bis dahin also gewohnt selten<br />
dämlich und besonders sinnfrei. Aber jetzt kommt`s: Der sichtlich<br />
gerührte Burger-Bube möchte es daraufhin Fräulein Schnäuzchen<br />
gleichtun und sie ebenfalls mit dem Finger an die Nase stupsen. An ihr<br />
putziges, kleines, süßes, freches Topmodel-Superstar-Näschen. Dies<br />
wird jedoch von Fräulein Schnäuzchen unterbunden. Und zwar ganz<br />
vehement, gewohnt souverän und mit einer sehr ausdrucksstarken 3fach-Kombo:<br />
Zuerst ein undefinierbarer, leise zischender Laut,<br />
Insindern auch besser als Whisper of Doom bekannt. Also eine Art<br />
Ankündigung dessen, was da gleich folgen wird.<br />
Denn nun folgt nämlich zeitgleich ein doppelter Augen-Aufreißer in<br />
Kombination mit einem senkrecht erhobenen Zeigefinger. Eine äußerst<br />
gelungene, unmißverständliche und leider viel zu selten gezeigte<br />
Kombo, die Insidern und eingefleischten Klümchen-Fans eher unter<br />
dem Namen Fingerpoke of Doom oder Thunder in Paradise geläufig<br />
sein dürfte. Versteht sich wohl von selbst, daß unser Burger-Bube wie<br />
vom Blitz getroffen seine Aktion sofort abbricht, innehält und in stiller<br />
Ehrfurcht verharrt. Und während sich der normale Proletarier aufgrund<br />
des soeben Gesehenen noch voller Verzückung die Augen reibt, kommt<br />
der Honk nicht umhin, diesen Sachverhalt zu hinterfragen: Na, war da<br />
jetzt nicht mehr dahinter?<br />
298
Und ob, und ob! Vergeßt Regel Nummer Drei, vergeßt die ganzen<br />
Casting-Opfer, vergeßt einfach alles. Alles! Wir durften soeben an<br />
etwas viel Außergewöhnlicherem teilnehmen. Wir durften soeben<br />
Zeuge eines monumentalen Ereignisses epischen Ausmaßes werden.<br />
Mal rekapitulieren: Schnäuzchen kommt da rein, und der Burger-Bube<br />
strahlt schon. Spricht ihn an, berührt ihn sogar, und der ist völlig hin<br />
und weg. Während der selbst sie nicht berühren darf oder kann. Na, was<br />
ist denn wieder los mit dem Groschen? Fällt er mal wieder nicht? Ja<br />
meine Fresse, das kann ja wohl nicht wahr sein, der muß doch mal<br />
irgendwann fallen?! Klarer geht es doch nun wirklich nicht mehr:<br />
Ein offensichtlich überirdisches Wesen (Klum) betritt eine x-beliebige<br />
Umgebung (Mäckes) und läßt diese Umgebung sofort mit seiner Aura in<br />
unbeschreiblichem Glanz und vollkommener Pracht erstrahlen. Nun<br />
spricht dieses Wesen auch noch zu einem (zum Burger-Buben). Berührt<br />
diesen. Segnet ihn, erleuchtet ihn, weist ihm den Weg. Während er<br />
selbst dieses sehr herrliche Wesen nicht berühren, nicht greifen, sondern<br />
nur huldigen, anbeten und fasziniert bestaunen kann.<br />
Na, jetzt aber. Ist ja wohl klar wie Kloßbrühe, daß McDonald`s hier eine<br />
moderne Variante des Heiligen Franziskus von Assisi und dessen<br />
Begegnung mit Gott nachstellt. Viel klarer geht das ja nun wirklich<br />
nicht mehr. Fehlen nur noch Heiligenschein und Orgelmusik. Der<br />
Burger-Bube also in der denkwürdigen Rolle des Franz von Assisi, und<br />
Heidi Klum natürlich als Gott.<br />
So, das war`s, das war`s. Aus, Schluß, Feierabend. Ende im Gelände,<br />
fertig, weg. Eigentlich wollten wir bloß ein stinknormales, dusseliges<br />
Buch schreiben. Ein bißchen polarisieren, ein paar Handvoll<br />
Arschlöcher durch den Kakao ziehen, auf ein paar Mißstände<br />
aufmerksam machen und dergleichen. Sollte doch alles so schön trendy<br />
und amazing und exciting hier werden. So schön sophisticated. Und<br />
dann sowas! Jetzt haben wir völlig unbewußt und ungewollt einen<br />
Beweis für etwas erbracht, wonach die Menschheit schon seit<br />
Ewigkeiten sucht. Einen Beweis für die Existenz von Gott. Nein, nicht<br />
nur für dessen Existenz, wir konnten ihn / sie sogar personifizieren:<br />
Heidi Klum = Gott<br />
299
Ach Du Scheiße!<br />
Na das ist ja jetzt mal eine schöne Überraschung. Stößchen, Stößchen,<br />
Stößchen. Wer hätte das gedacht?! Ich ganz offensichtlich nicht. Denn<br />
hätte ich das vorher gewußt, hätte ich doch nie im Leben so<br />
abgestänkert über unser göttliches Fräulein Schnäuzchen. Über unser<br />
Schnäuzchen Gottes. Mist. Bockmist. Also da bin ich ja dann doch jetzt<br />
wieder in eine -sagen wir mal- etwas mißliche Situation geraten. Aber<br />
das hat so aber auch gar keiner gewußt. Was soll ich denn jetzt bloß<br />
machen, wie stehe ich denn jetzt da?! Buch umbenennen? Von<br />
Honkland - Germany`s Biggest Sackgesicht in World of Schnäuzchen?<br />
Oder in Superstar, Superstar - Grins, grins, grins, Wonderland?<br />
Ach Du Scheiße!<br />
Und die ganzen Passagen im Buch, in denen ich unser Schnäuzchen und<br />
ihr tolles GNT so explizit und trennscharf und teilweise das ein oder<br />
andere Mal unter Umständen auch ein klein wenig kritisch analysiert<br />
habe. Was ist denn jetzt damit? Soll ich das jetzt alles nochmal<br />
umschreiben? Oder sogar positiv formulieren? Also lügen? Heucheln?<br />
Mit gespaltener Zunge sprechen? Ach, komm` her, drauf geschissen, in<br />
Honkland wird nicht geheuchelt. Was wahr ist, muß wahr bleiben.<br />
Komme ich eben in die Hölle, Pech gehabt. Bin ich bestimmt nicht der<br />
einzige Honk dort. Und schön warm ist es auch.<br />
Nein, ich hätte da dann doch noch eine Idee:<br />
Anmerkung: Bitte nun zurückblättern, die Seiten 85 und 86 lesen,<br />
und danach dann wieder hier weiter.<br />
300
Na? Na? Habe ich zuviel versprochen? War das jetzt gerissen, oder war<br />
das jetzt mal gerissen?! Unfaßbar gerissen war das. Ein genialer<br />
Schachzug. Honk eben. Gewußt wie, Hut ab, zack. Honkland. Man kann<br />
sich noch so übelst daneben benehmen, wichtig ist nur, daß man weiß,<br />
wie man hinterher aus der Nummer wieder rauskommt. Und da muß<br />
man dann auch manchmal Wiesel sein, so wie eben. Da muß man<br />
manchmal sogar ein ganz linkes Radieschen sein, ungelogen. So sieht<br />
das nämlich aus. Wobei ich in meinem Fall hier doch stark bezweifeln<br />
muß, daß mir dieser billige Taschenspieler-Trick jetzt noch den Arsch<br />
retten kann. Dazu habe ich es einfach zu weit getrieben, viel zu weit.<br />
Sozusagen das Schnäuzchen auf die Spitze getrieben. Ist jetzt aber auch<br />
egal, nützt eh nichts mehr. Muß man jetzt zu stehen, denn Honkland<br />
bedeutet auch Rückgrat. Was mich allerdings dann doch ein bißchen<br />
wurmt, ist der Umstand, daß ich das alles nicht schon viel eher<br />
durchschaut habe. Das wurmt mich, und das wurmt mich richtig.<br />
Ich hätte es wissen müssen, ich hätte es wissen müssen. Scheiße, ich<br />
hätte es ganz einfach wissen müssen. Allein der Umstand, daß dieses<br />
GNT-Kaspertheater schon bald die fünfte oder sechste Staffel läuft,<br />
hätte eigentlich jeden Vollidioten hellhörig machen müssen. Aber auch<br />
wirklich jeden. Denn nur in einem Universum of Bullshit mit Fräulein<br />
Schnäuzchen als höchstem Wesen konnte es jemals so weit kommen. In<br />
einer normalen Welt bzw. in einem Universum, was nicht voll<br />
Dünnpfiff und Hirntod ist, wäre dieser Zirkus bereits zur Hälfte der<br />
ersten Staffel abgesetzt und eingestampft worden. Spätestens. Wenn<br />
nicht sogar noch eher. Und ich hätte erst gar nicht so ein Scheiß-Buch<br />
hier schreiben müssen. Verdammte Kacke!<br />
Aber denkste, nicht mit Fräulein Schnäuzchen als Gott. Mit unserem<br />
göttlichen Schnäuzchen läuft dieses Kaspertheater weiter. Es läuft und<br />
läuft und läuft. Und wir büßen und leiden und leiden und büßen. Und<br />
leiden und büßen und büßen und leiden. Meine Fresse, was müssen wir<br />
nur leiden! Sodom und Gomorrha, ganz toll. Voll für`n Arsch, voll<br />
ätzend. Für uns zumindest. Aber nicht für Fräulein Schnäuzchen. Denn<br />
für die macht das alles Sinn, für die ist das alles Teil ihres<br />
allumfassenden, göttlichen Schnäuzchen-Plans.<br />
301
Du bist so geisteskrank in meinen Augen.<br />
302<br />
(Nadja Abd el Farrag)<br />
Meine Ex-Frau hat es immer gewußt. Bereits ab der ersten Staffel. Mehr<br />
als einmal ließ sie mich wissen, daß sie GNT „einfach nur göttlich“<br />
finde. Halleluja! Hätte ich damals nur auf sie gehört. Denn für mich<br />
stand GNT von Anfang an nicht nur für Germany`s Next Topmodel,<br />
sondern logischerweise -genau wie GIMP- auch noch für<br />
GehirNampuTiert.<br />
Na? Na? Na? Kann ja wohl alles kein Zufall mehr sein. Ganz bestimmt<br />
nicht. Aber darum geht es auch gerade nicht. Denn trotz alledem hat<br />
GNT natürlich ein beachtliches Publikum. Eine Fanbase, wie man so<br />
schön sagt. Soll heißen, es gibt genügend GIMPs, die GNT gucken und<br />
sich daran erfreuen und frohlocken. Es gibt sogar diverse Topmodel-<br />
Internet-Foren, in denen diverse GIMPs und Vollopfer (meist fruttigen<br />
und minderjährigen Geschlechts) über GNT und ähnlichen Rotz<br />
diskutieren, ja geradezu philosophieren. Ist kein Scherz, ist hammerhart,<br />
kann jeder gern mal selbst nachschauen. Und daher liegt es für uns auch<br />
geradezu auf der Hand, an dieser Stelle unsere nächste hierarchische<br />
Beziehungsebene zu eruieren:<br />
GNT � GIMP<br />
Und zack, paßt. Paßt wie die Faust auf`s Auge. Zack. Also durchaus<br />
eine beachtliche Zielgruppe vorhanden. Zwar keine besonders<br />
zurechnungsfähige Zielgruppe (und daher für geistig halbwegs normal<br />
situierte Personen auch nur sehr schwer nachvollziehbar), aber eben<br />
nunmal vorhanden. Zielgruppe ist Zielgruppe, Publikum ist Publikum,<br />
und sei es noch so bekloppt bzw. vergimpt. Ich weiß, ich weiß, bis<br />
hierhin nichts Neues. Aber jetzt wird es interessant, bitte Obacht!
Wir haben also eine durchaus beachtliche Zielgruppe, und genau<br />
deshalb läuft diese beinahe tödlich banale Kacke auch weiter. Und läuft<br />
und läuft und läuft. Und läuft weiter. Wir haben also ein Angebot an<br />
Kacke und eine Nachfrage nach Kacke. Also läuft Kacke. Angebot und<br />
Nachfrage, wie so oft im Leben. Was aber, wenn solche Kacke zwar<br />
angeboten, aber nicht oder nicht mehr nachgefragt wird? Also<br />
beispielsweise in solchen Fällen, in denen wir ein neues und besonders<br />
behämmertes TV-Format anzubieten haben, welches jedoch kein<br />
Schwein interessiert und daher auch weitestgehend ungesehen bleibt.<br />
Also kaum Publikum, kaum Einschaltquote, nichts. Dann müßte dieses<br />
Format doch eigentlich binnen kürzester Zeit wieder eingestampft<br />
werden, oder etwa nicht?! Doch, eigentlich schon.<br />
Ja, eigentlich schon. Im normalen Leben eigentlich schon. Aber nicht<br />
bei PRO7, sorry, GIMP3000 natürlich. Und jeder, der jetzt nicht sofort<br />
wie vom Blitz getroffen aufspringt und Giulia in Love?! aufschreit, hat<br />
das Buch hier nicht verstanden und sollte sich jetzt lieber hinlegen oder<br />
umbringen. Denn gern erinnern wir uns zurück: GIMP3000, unser<br />
Lieblingssender, lief da nicht irgendwann mal Giulia in Love?! oder<br />
sowas? Also diese alberne und besonders gehirnbekömmliche Fake-<br />
Kuppelshow rund um die geisteskranke (nur Zitat, siehe oben) Tochter<br />
von Onkel Ralle und irgendwelche Hampelmänner, die sie<br />
unverständlicherweise gern mal pimpern würden? Na klar lief das. Und<br />
wir erinnern uns alle stets sehr gern daran. Stößchen, Kopfschuß.<br />
Aber mal dahingestellt. Also dieser Mist lief, und er lief übelst<br />
beschissen. Übelst beschissene Einschaltquoten. Völlig zu Recht,<br />
möchte man meinen, irgendwann ist auch mal gut. Auch Schwachsinn<br />
muß Grenzen haben. Und wer will schon dauerhaft sehen, wie Onkel<br />
Ralles stumpfsinnige Lendenfrucht da mit irgendwelchen Lachkaspern<br />
und Trotteln im Opfer-TV rumhampelt und dummschwätzt?! Nicht<br />
viele. Zumindest nicht viele gesunde Menschen. Und daher auch ganz<br />
miserable Einschaltquoten, die immer gerade so im Bereich um 4%<br />
lagen. So, und jetzt kommt der Knüller: Trotz dieser beschissenen<br />
Einschaltquoten hat GIMP3000 diese absurde Scheiße nicht abgesetzt.<br />
Nein, nicht abgesetzt. Durchgezogen, voll durchgezogen. Also völlig<br />
irrationales, seltsames und höchst ominöses Verhalten. Komplett nicht<br />
nachvollziehbar. Hierfür kann es nur zwei Gründe geben:<br />
303
Erste Variante:<br />
Denen bei GIMP3000 ist mittlerweile alles komplett scheißegal. Alles!<br />
Alles komplett voll scheißegal. Weil der Sender trotz genialster Formate<br />
wie beispielsweise U20, taff, Sommermädchen, GNT, red und ähnlich<br />
geilen Dingern eh bald dichtmacht. Insolvenz, Konkurs, zugeschissen,<br />
whatever. Und bis das dann hoffentlich demnächst auch mal soweit ist,<br />
wollen die uns nochmal voll verarschen und nochmal so richtig schön<br />
auf die Palme bringen. Uns nochmal volle Kanne in die hohlen Birnen<br />
scheißen. Zack! Aus Frust, aus Rache, aus Spaß, keine Ahnung. Kann<br />
alles gut hinkommen, ist alles gut möglich bei GIMP3000. Kann ich an<br />
dieser Stelle aber auch nicht weiter beurteilen, weil ich nicht Finanz-<br />
Buchhalter bei denen bin und zudem auch deren Bilanz nicht kenne,<br />
was aber auch besser so ist. Viel wahrscheinlicher erscheint mir nämlich<br />
sowieso die zweite Variante:<br />
Zweite Variante:<br />
Das göttliche Schnäuzchen versucht derzeit, menschliche Gestalt<br />
anzunehmen, um dann die Weltherrschaft zu erlangen. Hierzu hat das<br />
Schnäuzchen zunächst irdische Gestalt in Form von amazing Heidi<br />
Klum angenommen, sich des exciting Senders GIMP3000 bemächtigt<br />
und versucht nun, die Menschheit zu vergimpen, damit es leichteres<br />
Spiel hat, diese dann nach erfolgreicher Vergimpung zu unterjochen. Ja,<br />
ganz schön harter Tobak, nicht wahr?! Sehr krass. Macht aber in meinen<br />
Augen deutlich mehr Sinn als die erste Variante, mal rein objektiv<br />
betrachtet. Und ist anders sonst auch nicht mehr zu erklären, wieso man<br />
den Leuten so viel Scheiße in die hohlen Birnen dreschen will. Ergibt<br />
ansonsten alles keinen Sinn mehr. Sommermädchen 2009 zum Schluß<br />
als zweistündige Primetime-Sendung, Samstagabend um 20.15 Uhr!<br />
Na? Na? Noch irgendwelche Fragen? Nein? Habe ich mir fast gedacht.<br />
Eigentlich sind damit alle Fragen beantwortet.<br />
Also mal dahingestellt, ob es wirklich das göttliche Schnäuzchen in<br />
Gestalt von Heidi Klum ist, aber irgendwas haben GIMP3000 und<br />
Konsorten mit uns vor. Daran besteht keinerlei Zweifel. Für irgendwas<br />
versuchen die, unsere Hirne abzutöten. Zack, Schlick in die Birnen, ab.<br />
Kopfsalat und Bregenwurst, bäh. Und das Schlimme daran ist, daß wir<br />
304
nicht einmal ansatzweise wissen, warum. Das ist nämlich mittlerweile<br />
keine Unterhaltung oder Entertainment oder sonstwas mehr, das ist<br />
vorsätzliche schwere Körperverletzung. Versuchter, heimtückischer<br />
Hirn-Mord. We love to entertain you? Von wegen. We love to butt-fuck<br />
your brain! So müßte es eigentlich heißen. Bißchen verwegen, bißchen<br />
obszön, aber wenigstes ehrlich. Keine Ahnung, warum die das machen<br />
wollen. Ist aber auch für mich als Honk mehr oder weniger scheißegal.<br />
Denn der Honk ignoriert sowas. Und ihr anderen da draußen solltet auch<br />
langsam anfangen, Euch Sorgen zu machen. Um Eure Birnen. Um Eure<br />
Rüben, Eure Kürbisse, Eure Waffeln. Wenn es denn dafür nicht schon<br />
zu spät ist. Wenn Eure Hirne nicht schon so heftig krass gelitten haben,<br />
daß die Scheiße schon bald aus den Ohren rausquillt. Was leider fast zu<br />
befürchten ist.<br />
Für den Honk nicht, dem ist das alles komplett egal. Der ignoriert das,<br />
den kümmert das nicht, der ist ein Sackgesicht. Ja, ganz genau, ein<br />
Sackgesicht. Dem geht das alles komplett am Arsch vorbei. Und das ist<br />
auch gut so, denn einer muß ja den Durchblick behalten. Um<br />
irgendwann gegebenenfalls einschreiten zu können. Um intervenieren<br />
zu können, wenn der ganze Wahnsinn noch extremere Formen annimmt.<br />
Auch wenn das kaum noch vorstellbar ist. Sollte der Honk erkennen<br />
müssen, daß hinter diesem ganzen Wahnsinn ein System steckt, daß die<br />
irgendwas ganz Gravierendes mit uns armen Irren vorhaben, etwas von<br />
langer Hand Geplantes, dann, ja dann wird der Honk intervenieren.<br />
Intervenieren müssen. Und zwar mit Feuer. Ja, sehr richtig, mit Feuer,<br />
schönem Feuer! Honk-Anarchie als Notwehr und aber auch zum Wohle<br />
der Allgemeinheit, die größtenteils leider nicht mehr so ganz<br />
zurechnungsfähig ist. Ja, leider. Leider, leider. Leider muß es dann so<br />
sein. Leider wird der Honk dann wieder etwas anzünden müssen, und<br />
das ist dann aber auch gut und richtig so und aber auch sehr zu<br />
begrüßen. Stößchen.<br />
Wobei ich mir dann doch gerade nicht so ganz sicher bin, ob ich das mit<br />
dem Anzünden dann auch wirklich hier schreiben sollte. Hmm...<br />
305
I hurt myself today, to see if I still feel. I focus on the pain, the only<br />
thing that`s real.<br />
ff) Ergebnis<br />
306<br />
(Trent Reznor, Nine Inch Nails)<br />
So genug des Schwachsinns, kommen wir mal langsam zum Ergebnis.<br />
Wobei das mit dem Ergebnis auch schon wieder so eine Sache ist.<br />
Eigentlich ist das ja hier nur so eine Art Teilergebnis. Ein Teilergebnis<br />
zu der Thematik c) Der Honk als Sackgesicht, wir erinnern uns. Es folgt<br />
ja immerhin noch das Ergebnis zu Unterpunkt IV. Der Honk und<br />
darüber hinaus noch ein Gesamtergebnis, welches das komplette Buch<br />
rekapituliert und für das ich mir Punkt V. als Unterpunkt ganz gut<br />
vorstellen könnte. Es wäre also schlichtweg Wahnsinn, an dieser Stelle<br />
bereits von einem Ergebnis zu sprechen, was mir aber eigentlich auch<br />
egal ist. Verwirrt?! Verunsichert?! Macht nix. Weiter.<br />
Gerade eben waren zwei gute Kumpels bei mir. Maurice-Pascal und<br />
Pascal-Maurice. Nein, Späßchen, Justin und Dustin waren es. Nein, lol,<br />
auch nicht, noch so ein kleines Späßchen. Bißchen Spaß muß auch mal<br />
sein. Auf jeden Fall zwei richtig gute Kumpels. Bernie & Ert. Also zwei<br />
Kollegen, denen man ruhig mal einen Uozo12 geben kann. Oder auch<br />
zwei oder drei. Oder gleich mal die ganze Pulle, meistens dann doch<br />
gleich die ganze Pulle, völlig egal, Pulle hin. Wollten nur mal kurz<br />
vorbeischauen, die beiden guten Jungens. Nichts Aufregendes, kein<br />
besonderer Anlaß oder sowas. Nur ein bißchen im Garten sitzen, ein<br />
paar Bier saufen und beratschlagen, was man dieses Wochenende denn<br />
wohl Schönes unternehmen könnte. Wurde auch höchste Zeit, denn<br />
immerhin hatten wir schon Freitag, und es war mittlerweile auch schon<br />
gute 13 Uhr. Sogar schon durch! Also allerhöchste Zeit für ein paar Bier<br />
und einen Plan. Man kennt sich schließlich, Stößchen.
Wie immer konnten wir innerhalb kürzester Zeit eine Einigung erzielen.<br />
Wie das eben so ist unter Männern und mit Uozo12 und so. Heute<br />
Abend wird bei mir gegrillt, da fahre ich dann auch gleich mal los,<br />
bißchen Bratwurst, Weißbrot und Tsatziki kaufen. Kein großer Aufriß,<br />
alles schön grillig und chillig und so. Bißl vollsaufen, vielleicht noch<br />
bißl die Hecke anrauchen, wer weiß. Kann alles gut passieren, ist alles<br />
möglich. Alles vorstellbar. Morgen Abend geht das dann schon etwas<br />
schärfer, da ist eine relativ große Open-Air-Party angesagt, von 89.0<br />
RTL, dem Radiosender. Die kommen ab und an mal in unsere komische<br />
Region und veranstalten hier so ein mittelprächtiges Spektakel. Also<br />
schön einen reinballern, bißchen tanzen und ein paar flotte, besoffene<br />
Hühnchen abschleppen. Klappt immer ganz ausgezeichnet auf solchen<br />
Veranstaltungen, ist kein großes Hexenwerk, kann eigentlich jeder.<br />
Keine große Kunst. Also unbedingt mal hingehen zu sowas, bißchen<br />
saufen, paar juckige Fruttchen abschleppen, macht Laune. Und man<br />
kommt auch mal wieder raus.<br />
Wie auch immer. Dadurch, daß wir uns so schnell mit unseren Plänen<br />
für unser Wochenende einig geworden sind, meinte einer meiner<br />
Kumpels wohl, mich ein klein wenig verarschen bzw. sogar leicht<br />
verärgern zu müssen. Keine Ahnung, warum. Lebensmüde, Langeweile,<br />
besoffen, sonstwas. Heißt schlichtweg, daß der aufsteht, reingeht und<br />
mein wunderbares Gäste-WC aufsucht. An sich kein Problem, macht ja<br />
jeder ganz gern. Also eigentlich null Problemo. Eigentlich. Wenn dieser<br />
dumme Peniskopf nicht 15 Minuten später wieder rausgekommen wäre<br />
und gefragt hätte, ob ich denn keine Klobürste habe. Hammer!<br />
Ausgerechnet diese Frage! Warum keine Klobürste! Und ausgerechnet<br />
von dem. Höchst unverschämt, höchst dummdreist, sehr nonchalant.<br />
Und besonders kackfrech obendrein, versteht sich, weil der nämlich<br />
ganz genau weiß, daß ich über solch ein widerliches Kacke-Zepter nicht<br />
verfüge. Und der weiß auch ganz genau, warum das so ist. Ferner weiß<br />
der aber auch ganz genau, was dann immer passiert, wenn mir irgendein<br />
Hornochse diese Frage stellt. Deswegen hat der das ja auch gemacht.<br />
Um mich zu veräppeln, mich zu verärgern, mich zu verhohnepiepeln,<br />
mir meinen Start ins Wochenende zu versauen, was auch immer.<br />
Wahrscheinlich, weil die beiden sich immer so schön daran verlustigen<br />
können, wenn ich mal wieder voll auf 180 bin. Komische Freunde sind<br />
das manchmal.<br />
307
Naja, was soll ich sagen, was soll ich sagen, der Rest ist dann mal<br />
wieder Geschichte. Reine Formsache. Standard-Programm. Die übliche<br />
Prozedur eben. Nachdem ich also diese beiden Rindviecher mit irrem<br />
Blick, Schweiß auf der Stirn, einer Trittleiter in der rechten Hand und<br />
einer halben Habanero-Chili im Auge aus dem Haus getreten und gejagt<br />
habe, bin ich nun, da das Morphium-Zäpfchen in meinem Arsch schön<br />
langsam zu wirken beginnt, tight und smoothie genug, um unser dann<br />
doch sehr illustres Sackgesicht-Kapitel hier besonders stilsicher und<br />
sinnvoll, ja fast schon mit einer leicht elegant-arrogant anmutenden<br />
Note abschließen zu können. Was dann aber auch langsam mal Zeit<br />
wird.<br />
Wir erinnern uns bitte: Die Ausgangsfrage, die anfangs dieses Kapitels<br />
gestellt wurde, war ja die, ob unser Honk unter Umständen als<br />
metaphorisches Sackgesicht charakterisiert werden könnte. Wir waren<br />
uns einig, daß dies dann zuträfe, wenn unser Honk innerlich krass madig<br />
und ranzig und zugeschissen wäre, zudem noch eine extrem madige<br />
Extrem-Made, eine Napf-Birne, ein gammeliger Gimp, ein Oimel, ein<br />
ranziger Schakal, ferner ein riesengroßer Peniskopf und ähnlich fieses<br />
Zeug. Alles in allem also zumeist eher unschöne Attribute, und natürlich<br />
alles rein charakterlich gesehen. Träfe dies alles zu, dann, ja dann -und<br />
nur dann- müßten wir unseren Honk leider als metaphorisches<br />
Sackgesicht einordnen.<br />
Mal rekapitulieren, was wir so alles in Erfahrung bringen konnten. Was<br />
hatten wir denn alles so im Laufe dieses lustigen Kapitels? Wir hatten<br />
Exxon Valdez, Nordic Walking und Gurken-Männchen. Wir hatten<br />
Regel Nummer Eins, Fremdgehen und Hausverbot im Grand Elysée.<br />
Wir hatten Kosmuschis, Regel Nummer Zwei und GIMP3000. Und<br />
natürlich besoffene Vampire, Citizen Dildo und StudiVZ. Gefolgt von<br />
Regel Nummer Drei, Whisper of Doom und Schnäuzchen Gottes. Ja,<br />
das hatten wir alles. Lauter solch beknacktes Zeug. Irgendwas<br />
vergessen? Denke nicht. Und nachdem wir das alles haben und hatten<br />
und überhaupt und sowieso, können wir nur zu einer logischen<br />
Schlußfolgerung gelangen. Es kann nur eine ganz klare Antwort auf die<br />
Frage geben, ob unser Honk ein Sackgesicht ist. Nämlich:<br />
Ja und nein.<br />
308
Was für ein Scheiß, loool!<br />
Keine Frage, der Honk ist ein Sackgesicht. Und zwar ein ganz großes.<br />
Was denn wohl sonst?! Er verunglimpft unser Vorzeige-Heidi der<br />
Nation, belustigt sich über praktische, formschöne Multivans, tituliert<br />
Männer als Gurken und notorische Fremdgeher, fuckt diese trendy<br />
Facebook-Dingsbums ab und dergleichen. Meine Fresse, ist der mal ein<br />
Sackgesicht. Das sollte mittlerweile unumstritten feststehen. Der Honk<br />
als Sackgesicht, und so wird er auch wahrgenommen, und das völlig zu<br />
Recht. Allerdings lediglich durch außenstehende Dritte bzw. Nicht-<br />
Honks. Für außenstehende Dritte und Nicht-Honks ist unser Honk<br />
madig und ranzig und zugeschissen. Und ja, für außenstehende Dritte<br />
und Nicht-Honks ist unser Honk auch eine extrem madige Extrem-<br />
Made, eine Napf-Birne, ein gammeliger Gimp, ein Oimel, ein ranziger<br />
Schakal, ferner ein riesengroßer Peniskopf und ähnlich ätzendes Zeug.<br />
Natürlich alles rein metaphorisch, aber dafür umso krasser, unglaublich<br />
krass ist das.<br />
Dies gilt jedoch immer nur für die Fremdwahrnehmung durch Dritte<br />
und Nicht-Honks. Denn daß sich unser Honk selbst nicht als Made und<br />
Gimp und Oimel oder gar als Schakal sieht, sollte auch klar sein. Wäre<br />
ja wohl sonst auch ein klein wenig schizo, gelle?! Schließlich sind wir<br />
hier in Honkland und nicht in Schizo-World oder im Irrenhaus oder so.<br />
Der Honk sieht sich als Honk, und das ist er auch, und das bleibt er<br />
auch, und sonst mal gar nichts. Vielleicht noch als Ober-Honk, Voll-<br />
Honk, Selektor-, Skeletor- oder Elektro-Honk, kann alles sein, alles gut<br />
möglich. Oder eines Tages sogar noch Honkytonk, wer weiß, jedoch<br />
stets und ständig Honk. Fremdwahrnehmung also Sackgesicht,<br />
Eigenwahrnehmung Honk.<br />
309
Ich habe kein Geld überwiesen, was soll`n die doofe Frage? Sind Sie im<br />
Kopp net normal, oder was? Unverschämtheit, mir so `ne Frage zu<br />
stellen. Ich hau` Ihnen in die Fresse, mehr sind Sie nicht wert. Das ist<br />
eine Unverschämtheit, das habe ich ja noch nicht erlebt, sowas<br />
Dreckiges! Schicken Sie mir einen Chefredakteur. Wie können Sie mich<br />
überhaupt auf sowas ansprechen? Ich hab` in meinem Leben noch kein<br />
Geld in die Schweiz überwiesen. Dreckschwein!<br />
3. Ergebnis<br />
310<br />
(Willi Konrad)<br />
Sooo, damit haben wir`s, damit ist die Kih vom Eis. Damit hätten wir<br />
unseren Honk also charakterisiert und kategorisiert. Hier, bitteschön:<br />
Bezeichnung<br />
Fremd-<br />
wahrnehmung<br />
Eigen-<br />
wahrnehmung<br />
tatsächlicher<br />
Status<br />
Idiot normal dumm normal dumm normal dumm<br />
smart recht zufrieden recht zufrieden<br />
smart<br />
Vollidiot sehr dumm (nicht vorhanden) sehr dumm<br />
Fremdopfer normal dumm irgendwo clever fast clever<br />
positiv unzufrieden positiv<br />
tragisch tragisch<br />
Vollopfer sehr banal sehr wichtig sehr banal<br />
dümmlich clever überbewertet<br />
ungeil geil realitätsfremd<br />
Honk Chaot Selbstbefreier Anarchist<br />
dumme Maulhure sozial. Materialist sozial. Materialist<br />
Sackgesicht Honk ???<br />
Stößchen! Damit ist unsere tolle Übersicht über unsere Charaktere und<br />
Figuren in und um Honkland herum fertig. Phantastisch, ich ejakuliere!
Unser Honk nimmt dabei eine Rolle ein, die ihm viele anfangs vielleicht<br />
noch nicht zugetraut hätten, also rein vom tatsächlichen Status her:<br />
Erstes Teilergebnis war Anarchist, zweites Teilergebnis war sozialer<br />
Materialist bzw. Ignorant, und drittes Teilergebnis, tja, ein drittes<br />
Teilergebnis konnten wir bislang noch nicht herausarbeiten. Ist unser<br />
Honk nun ein Honk, oder ist er möglicherweise vielmehr ein übles<br />
Sackgesicht? Wie sieht sein tatsächlicher Status aus?<br />
Wieder eine ganz klare Antwort: Keine Ahnung.<br />
Schlichtweg keine Ahnung. Keinen blassen Schimmer, keinen Dunst.<br />
Vielleicht beides, also Honk und Sackgesicht. Vielleicht auch keines<br />
von beiden oder von beidem ein bißchen. Vielleicht auch ganz was<br />
anderes, keine Ahnung. Alles denkbar, alles möglich. Kann alles gut<br />
hinkommen, alles gut möglich im Honkland. Alles gut möglich, und<br />
aber eigentlich auch alles völlig egal. Denn wie immer kommt es<br />
einfach nur auf die jeweilige Betrachtungsweise an. Klar, mögen einige<br />
denken, so ein blasierter Fatzke, so ein Sackgesicht, so ein<br />
aufgeblasenes Pestmaul hat uns gerade noch gefehlt. Als hätten wir<br />
keine anderen Sorgen im Leben, kommt der noch mit so einem Scheiß<br />
daher. So ein Scheiß! Scheiß-Honk! Scheißkopf! Affenkopf!<br />
Naja, könnten dann andere wiederum denken, vielleicht ist Honkland ja<br />
gar nicht mal so abwegig. Also wenn man mal die Intention dahinter<br />
betrachtet und so. Vielleicht muß man ja manchmal ein klein wenig<br />
polarisieren, ein klein wenig übertreiben und oversellen, damit es auch<br />
der letzte Sepp mitkriegt. Vielleicht sind ja einige unserer Ansätze hier<br />
bei objektiver Betrachtung gar nicht mal so schlecht. Einen Blitzer<br />
anzünden, weil der einen stört. Warum denn nicht?! Eine altdeutsche<br />
Dönerbude eröffnen. Ist doch auch nicht schlecht, mal was Neues. Den<br />
Nachbarn zusammenschlagen. Unbedingt! Auf jeden Fall besser als<br />
jahrelange Jaulerei und Klagerei. Oder, oder, oder. Den Kapitalismus<br />
mal ein bißl kritischer betrachten. Heizöl tanken. Viele Dinge einfach<br />
mal voll am Arsch abgehen lassen. Öfter mal einen saufen. Ist doch<br />
eigentlich alles ganz gut. Und wer weiß, wer weiß, vielleicht könnte<br />
sich der ein oder andere Ansatz bei näherer, objektiverer und<br />
unverfänglicherer Betrachtung ja doch als ganz brauchbar erweisen für<br />
den ein oder anderen hier.<br />
311
Zumindest die Grundintentionen sollten klar sein und auf breite<br />
Zustimmung stoßen. Also wenn die nicht klar sind und auf Zustimmung<br />
stoßen, möge mir auf der Stelle eine Niere explodieren, und ich wandere<br />
dann auch noch aus nach Rudschadinedschad.<br />
Kampf der Armut war beispielsweise eine Grundintention. Da kann ja<br />
wohl keiner was gegen sagen. Echt nicht. Höchstens einer, der komplett<br />
einen an der Waffel hat und gar nicht mehr klarkommt in der Welt. Der<br />
kann da was gegen sagen. Eine andere Intention war etwas höhere<br />
Ansprüche an Moral und Ethik. Ist ja wohl auch nicht schlecht,<br />
könnten ja wohl auch die meisten hier ein bißchen mehr von vertragen.<br />
Und stattdessen etwas weniger Neid, Mißgunst und Haß. Das wäre<br />
doch mal was. Wäre ein ganz guter Tausch, hätten wir alle was von.<br />
Ebenso ein bißchen weniger Habgier im wunderschönen Kapitalismus,<br />
auch wenn das an sich ein Paradoxon ist. Möglich ist alles, einfach mal<br />
ausprobieren, kommt gut. Macht unser ferngesteuertes und<br />
fremdbestimmtes Leben gleich viel lebenswerter, soviel steht mal fest.<br />
Hier, richtig gut kommt auch, generell die Dinge mal ein wenig lockerer<br />
und unverkrampfter angehen zu lassen. Mal den Stock aus dem Arsch<br />
raus, zack, raus. Täte den meisten eigentlich auch mal ganz gut, echt<br />
jetzt. Mal sich selbst nicht ganz so wichtig nehmen. Als schönes<br />
Beispiel hierfür könnten wir an dieser Stelle mal unsere besonders<br />
trendy-taffen Karriere-Frauen Ende 20 bis Mitte 30 nehmen. Genau, die<br />
nehmen wir jetzt mal. Vorhin hatten wir unsere grazilen Kampf-<br />
Amazönchen in ihren Sternen-Zerstörern, lol, nehmen wir jetzt mal<br />
unsere taffen Business-Girls. Unsere Business-Früttchen!<br />
Liebe Karriere-Mädels, liebe Business-Girls, liebe Früttchen: Es ist<br />
wirklich ganz, ganz toll, daß Ihr irgendeinen ganz, ganz tollen<br />
Hochschul-Abschluß in irgendwas habt und jetzt Personal-Referentin<br />
oder Sonstwas-Assistant bei SAP oder VW seid. Oder bei SIEMENS<br />
oder BMW Konferenzen vorbereiten dürft, vielleicht sogar mit ganz<br />
tollen ausländischen Teilnehmern und mit Schaltung nach sonstwo,<br />
uiuiui. Oder Powerpoint-Präsentationen vorstellen dürft. Oder<br />
irgendeinem dummen Arschloch irgendein bescheuertes Mäppchen<br />
hinterhertragen dürft. Oder, oder, oder... Alles gaaanz toll.<br />
312
Interessiert im normalen Leben allerdings keine Sau. Nicht die Bohne.<br />
Ist nur ein Job, nichts weiter. Nur ein dusseliger Job. Von den paar<br />
hundert Euretten mehr im Monat oder von Eurer super-trendy 60- oder<br />
80-Stunden-Woche oder Firmenwagen oder Hosenanzug oder<br />
ähnlichem Scheiß werdet Ihr nicht wichtiger. Auf keinsten. Und vor<br />
allen Dingen auch nicht geiler. Also das dann schonmal gar nicht.<br />
Insoweit bitte auch nicht wundern, wenn es denn -falls überhaupt- nur<br />
Gurken-Männchen für Euch gibt. Ja woher denn auch?!<br />
Ist eben nicht jedermanns Sache, mit einem aufgescheuchten Hühnchen<br />
zusammen zu sein, dem beim Vorbereiten einer Telefon-Konferenz oder<br />
Präsentieren einer GuV-Tabelle voll einer abgeht. Sorry, Mädels, ich<br />
kann es doch nicht ändern. Ist nunmal leider so. Mal ein bißchen<br />
weniger wichtig nehmen, Stock aus dem Arsch raus, bißchen<br />
klarkommen, und schon scheint auch im realen Leben die Sonne für<br />
Euch. Hier, Sonne, zack, bling! Und vor allen Dingen braucht Ihr dann<br />
mit Ende 30 auch nicht irgendein albernes Sabbatical oder<br />
vergleichbaren Quatsch einlegen. Ist doch albern, laßt doch den Scheiß.<br />
Mal echt jetzt. Also easy, Mädels, ganz easy. Entspannt Euch, Ihr<br />
Süßen, und behebt mal ganz spontan Euren Vögel-Notstand. Dann sieht<br />
die Welt auch wieder ganz anders aus. Wetten?!<br />
Okay, einer für die Damen, jetzt mal wieder einer für die Herren. Wir<br />
wollen ja schließlich fair bleiben, alle gleichberechtigt hier. Und deshalb<br />
an dieser Stelle nur ein Stichwort: Hobby-Sportler. Männliche Hobby-<br />
Sportler. Männliche Hobby-Sportler jedweder Altersgruppe. Heiliger<br />
Bimbam! Meine Fresse, was können die Jungs abgehen. Unfaßbar krass<br />
können die mal abgehen. Keine Ahnung, warum die so abgehen, aber<br />
auf jeden Fall hammerhart! Hammerhart, wie krass die drauf sind.<br />
Allein schon deren Equipment, sensationell. Läßt jeden Profi-Sportler<br />
vor Neid erblassen, garantiert. Und ich rede hier nicht von Pulsmesser,<br />
Getränke-Gürtel, Bandagen und ähnlichem Blödsinn, sondern von ganz<br />
speziellen Gerätschaften und Gimmicks und Gadgets, deren Namen und<br />
Funktion ich nicht einmal kenne. Sensationell, wie geil die Jungs drauf<br />
sein können.<br />
Und schon haben wir wieder eine endgeile Überleitung...<br />
313
Und die Jahre ziehen ins Land, und wir trinken immer noch ohne<br />
Verstand. Denn eines, das wissen wir ganz genau, ohne Alk da wäre der<br />
Alltag zu grau. Korn, Bier, Schnaps und Wein, und wir hören unsere<br />
Leber schreien. Und wenn einmal der Abschied naht, sagen alle: „Das<br />
hab` ich schon immer geahnt.“<br />
314<br />
(Die Toten Hosen)<br />
In Honkland ist sowas natürlich furchtbarer Quatsch. In Honkland dient<br />
jedwede sportliche Betätigung allein der Freude am Sport und der<br />
körperlichen Ertüchtigung. Sport ist wichtig, Sport ist toll, Sport muß<br />
sein. Echt jetzt. In Honkland wird nämlich so viel geraucht, gesoffen,<br />
gehurt und sonstwas, daß es einer sportlichen Betätigung als Ausgleich<br />
dafür bedarf. Zwingend erforderlich sozusagen. Sonst sieht es nämlich<br />
irgendwann ganz schön düster für uns aus. Zum einen wollen wir ja<br />
nicht fett und ranzig und gurkig werden, zum anderen wollen wir auch<br />
nicht schon mit 50 in die Kiste springen. Nicht auszudenken, was wir<br />
dann alles verpassen würden. Zum Beispiel die 800ste Staffel von GNT,<br />
wie exciting. Oder Detlef D-Ausrufezeichen Soost als Bundespräsident,<br />
wie tight. Und natürlich auch den chicen Jumbo-Multivan mit vier<br />
Achsen und 600 PS für die moderne Patchwork-Familie der Zukunft,<br />
wie riesig. Unglaublich riesig.<br />
Nein, das alles möchten wir noch erleben, und deswegen gehen wir zum<br />
Sport. Unser Honk trainiert also, und das macht er auch sehr gern. Als<br />
sinnvollen Ausgleich und zum Spaß. Na klar, zum Spaß. Zum<br />
Vergnügen, wozu denn wohl sonst?! Also nicht wie rein ins Fitness-<br />
Studio und ab auf die Flachbank oder an die Rudermaschine. Und<br />
pumpen wie ein Maikäfer, es dient der Gesundheit! Danach rauf auf<br />
Stepper oder Laufband und Vollgas. Alles ganz easy, aber alles volle<br />
Kanne. Turnvater Jahn würde sich im Grabe umdrehen. Eine<br />
Ertüchtigung, die ihresgleichen sucht und nebenbei auch noch den<br />
Spaßfaktor betont. Irre, einfach nur irre. Eine irre Ertüchtigung.
So, und um das Ganze jetzt noch richtig irre bzw. sogar schon etwas<br />
abenteuerlich und waghalsig zu gestalten, empfiehlt es sich, zu<br />
besonderen Trainings-Einheiten auch ein besonderes Getränk<br />
mitzunehmen. Wenn man beispielsweise in ein Fitness-Studio geht,<br />
dann hat man ja auch so eine wiederbefüllbare Trinkflasche, die man<br />
sich dort auffüllen lassen kann. Mit Wasser, mit isotonischem Getränk,<br />
ganz nach Belieben. Ganz toll lecker, ganz toll erfrischend, immer viel<br />
trinken beim Sport, ist wichtig.<br />
Jetzt kann man als Honk aber auch von Zeit zu Zeit dahergehen und sich<br />
das Ding bereits zu Hause mit einem Getränk befüllen. Na, ahnt es<br />
schon der ein oder andere? Richtig, der Honk knallt sich das Ding<br />
bereits zu Hause voll. Und zwar mit 200 ml Gin und 500 ml Tonic-<br />
Water. Macht 700 ml extrem charmante Mische, nicht zu taff, nicht zu<br />
tight und auch nicht zu low. Also genau richtig für schweres<br />
Krafttraining, Mischverhältnis 2,5 zu 1, paßt. Und jetzt ist der Punkt<br />
gekommen, an dem man genau von drei positiven Aspekten dieser<br />
Vorgehensweise profitiert: Zum einen enthemmt einen der leckere Gin-<br />
Tonic, soll heißen, daß man Gewichte auf die Hantel ballert, an die man<br />
sonst im Traum nicht denkt. Und oftmals schafft man die dann sogar.<br />
120 Kilo Bankdrücken, zack. Nüchtern unvorstellbar, mit der richtigen<br />
Mische kein Problem. Zack, hoch, Stößchen.<br />
Ferner wird die Schweiß-Produktion durch den Alkohol bis ins<br />
Aberwitzige gesteigert, was aber auch gut so ist, denn man soll ja beim<br />
Sport viel schwitzen. Und zu guter Letzt geht der Alkohol bei dieser<br />
Konstellation sofort und bretthart in die Birne. Kompromißlos rein. Und<br />
bretthart. Drei Sätze Bankdrücken bis zur Schmerzgrenze, Puls auf 160,<br />
und in der Pause jeweils einen Schluck von der Mische. Und Boing, der<br />
Rest ist Formsache. Reine Routine. Und natürlich eine Mords-Gaudi,<br />
keine Frage. Da soll nochmal einer sagen, Sport mache keinen Spaß.<br />
Pustekuchen, dem huste ich einen. Also easy, liebe Hobby-Sportler,<br />
ganz easy. Entspannt Euch, das Leben ist zuweilen verbissen genug. Da<br />
müßt Ihr doch nicht noch beim Sport so einen Burner draus machen, als<br />
wäre der Leibhaftige hinter Euch her. Ist doch Blödsinn. Schön<br />
trainieren, schön schwitzen, schön ertüchtigen. Aber die Kirche im Dorf<br />
lassen. Schön Freude am Training haben, gern auch mal mit einer<br />
schönen Mische. Stößchen.<br />
315
Und jetzt, liebe Kinder, geht fleißig einkaufen. Für jeden Dollar, den Ihr<br />
für ein Krusty-Produkt ausgebt, muß ich nett zu einem kranken Kind<br />
sein. Laut Gesetz zählen dazu auch Nutten mit Erkältung.<br />
316<br />
(Krusty the Clown)<br />
Alles klar hier? Alle bedient? Männlein und Weiblein gleichermaßen<br />
bedient? Fehlt noch was? Aber ja, das Wichtigste kommt fehlt noch.<br />
Natürlich, es sind die Kinder. Die fehlen noch, die wurden noch nicht<br />
bedient. Die Kinder. Denk` doch mal bitte einer an die Kinder! An<br />
die Kinder, die lieben Kinderchen. Alles klar, mache ich, mache ich<br />
gerne. Onkel Honk denkt auch an die Kinder, sehr gern. Vielmehr an die<br />
Zielgruppe der Kinder. Denn die will man jetzt ganz offensichtlich auch<br />
schon so früh wie möglich weich im Keks machen.<br />
Was haben die sich bei PLAYMOBIL denn wohl dabei gedacht?! Hier,<br />
zack, ganz neu im Sortiment: Artikel 4144, Familyvan mit<br />
Bootsanhänger! Leck` mich am Arsch, was geht denn jetzt?! Ein<br />
Familyvan mit Bootsanhänger. Mit Anhänger! Für Kinder. Zum<br />
Spielen! Wie endgeil ist das denn nun wieder?! Als würde es nicht<br />
reichen, den armen Kinderchen so einen Schweine-Hobel, so eine Exxon<br />
Valdez aus Plastik zu verhökern, nein, da muß jetzt sogar noch ein<br />
Anhänger mit bei. Ich kann nicht mehr. Hilfe!<br />
Exxon Valdez mit Klauen-AHK! Für Kinder!!!<br />
Alles klar, geht wieder. Aber trotzdem unfaßbar krass. Was soll denn da<br />
der Gedanke dahinter sein? Liebe Kinderchen, in 20 Jahren gibt es eh<br />
nur noch solche Klumpen auf Rädern? Keine Ahnung. Will ich aber<br />
auch gar nicht wissen. Wir hatten früher Piraten-Schiff und sowas, das<br />
war noch geil. Da konnte man als Kind noch Phantasien ausleben, von<br />
wegen Abenteuer und so. Aber was soll man denn bitte bei so einer<br />
Plastik-Gurke mit AHK an Phantasien haben?!
Entzieht sich komplett meiner Kenntnis, was der Quatsch soll. Ist mir<br />
völlig schleierhaft. Wahrscheinlich will man das demanzipierte,<br />
männliche Kind schonmal auf seine Zukunft unter den Fittichen der<br />
postmodernen Amazone vorbereiten. Also nichts da von wegen Porsche<br />
und Tennis und geile Frutten und so. Amazonen-Herrschaft und<br />
Monster-Gurke und Kinderkarre sind stattdessen angesagt. Und sonst<br />
gar nichts. Könnt Ihr Euch gleich mal drauf einstellen, gibt es hinterher<br />
wenigstens nicht das böse Erwachen. Weiß der kleine Malte-Sören-<br />
Tjark gleich, wo und wie der Hase läuft.<br />
Also keine Ahnung, was der Blödsinn soll. Wenn man den Kids etwas<br />
mehr Realitätsnähe vermitteln möchte, dann sollte man doch lieber was<br />
Sinnvolles rausbringen. Etwas, woraus die Kleinen was für später lernen<br />
können. Schlagartig fällt mir da das große PLAYMOBIL<br />
Sicherstellungs-Set ein, abfeier. Na das wäre doch mal was. Das wäre<br />
ein durch und durch sinnvolles Spielzeug für jede Altersklasse.<br />
Pädagogisch besonders wertvoll. Das große Sicherstellungs-Set, einfach<br />
nur geil. So schön mit winzig kleinen Grün-Weißen aus Hartplastik und<br />
Grüner Minna mit abnehmbarem Dach. Und natürlich ein wackeliges,<br />
kleines Männchen mit krummen Beinen und zugekniffenen Augen, also<br />
der Fahrer. Und als Zubehör ein klitzekleines Atemalkohol-Meßgerät<br />
und eine winzige CD-Hülle mit Koks-Resten und einem gerollten<br />
Zehner. Wie geil!<br />
Naja, und auf jeden Fall auch noch so ein ganz, ganz winzig kleiner<br />
Führerschein, der dann sichergestellt werden kann. Sichergestellt!<br />
Darum geht es ja bei dem Spielzeug. Und darum geht es ja auch im<br />
realen Leben. Eigentlich geht es überall und immer nur darum. Um<br />
Sicherstellungen! Ein winziger Führerschein zum Sicherstellen muß<br />
also unbedingt dabei sein. Und Plastik-Kotze, die darf auch nicht fehlen.<br />
Was für ein geiles Spiel-Set. Unheimlich geiles Set, geil, geil, geil. Sehr<br />
geil, geiles Set, würde ich sofort drei Stück von kaufen. Eines für mich,<br />
zwei für meine beiden kleinen Neffen, damit die dann auch gleich<br />
wissen, wie es im realen Leben abgeht. Phantastisch. Also bitte kickt<br />
diese Scheiß-Family-Möhre mit Boot und Anhänger und Einbauküche<br />
zum Mond oder sonstwo hin, mir scheißegal. Und dafür dann im<br />
Gegenzug her mit dem PLAYMOBIL Sicherstellungs-Set!!! Ich will es<br />
haben, ich will es unbedingt.<br />
317
Ich muß das unbedingt haben, das krasse Zeug.<br />
Ansonsten auch hier wieder ganz klar gleiches Thema:<br />
Bitte selbst nicht immer ganz so wichtig nehmen!<br />
Laßt doch die Kinderchens Kinderchens sein, die werden doch eh schon<br />
viel zu früh mit dem Wahnsinn dieses sehr lustigen Lebens konfrontiert.<br />
Guckt Euch doch bitte mal die ganzen 3- bis 8-jährigen Topmodels und<br />
Superstars und ähnlich gestörte Blagen an, die haben doch eh schon<br />
mittelschwer bis hochgradig einen an der Waffel durch diesen ganzen<br />
Zirkus. Und das in dem Alter schon. Was soll denn da dann mal raus<br />
werden?! Da kann doch nichts Gescheites mehr bei rumkommen. Ist<br />
doch auch so schon alles schlimm genug, da müßt Ihr doch nicht noch<br />
einen draufsetzen mit so einem absurden Plastik-Schrott. Laßt das doch<br />
bitte mal sein, ja?! Das kann doch nun wirklich nicht mehr so ganz<br />
gesund sein.<br />
Legt doch stattdessen lieber mal die Masters of the Universe aus den<br />
Achtzigern neu auf. Die endgeilen Masters! So schön mit He-Man und<br />
Skeletor und Teela und Orko und Fisto und so. Mit Fisto! Ich hätte da<br />
auch schon eine Idee, wer den bzw. vielmehr die moderne Fisto bzw.<br />
die moderne Fisti verkörpern könnte, also so von wegen Fist und<br />
Double-Fist und Reverse-Fist und so, aber da gehe ich jetzt mal lieber<br />
nicht näher drauf ein. Meine Wunsch-Kandidatin wäre da eh mehr<br />
geeignet für den postmodernen Man-E-Faces bzw. die postmoderne<br />
Woman-E-Faces, lol. Woman-E-Faces, ich leg` mich ab! Obwohl so<br />
rein vom Namen her klingt Fräulein Fisti dann doch noch ein paar<br />
Nummern härter. Fräulein Fisti! Aus dem besonders renommierten und<br />
erhabenen Königreich von und zu GIMP3000. So schön mit einer<br />
überdimensionalen, völlig flexiblen und im Dunklen leuchtenden<br />
Plastik-Faust, das wäre ja wohl der Hammer, der Hammer schlechthin.<br />
Und selbstverständlich auch noch mit rollbaren Augen und rümpfbarer<br />
Nase, das ist auch noch ganz wichtig, das darf auch nicht fehlen. Würde<br />
ich sofort kaufen. Zusammen mit dem Sicherstellungs-Set. Echt jetzt.<br />
Aber ist jetzt auch egal, wir schweifen schon wieder ab.<br />
Zusammenfassend und ohne weitere Entgleisungen können wir also das<br />
hier als weitere Grundintention resumieren:<br />
318
Bitte alle mal so richtig schön locker machen! Mal so richtig schön<br />
locker, auch -bzw. insbesondere auch- im Sinne der armen Kinder. Mal<br />
so richtig schön den Stock aus dem Arsch raus, zack, raus, mal halb so<br />
wichtig, und gut ist. Breathe easy. Kommt gut. Und falls das wider<br />
Erwarten dann doch nicht so gut klappen sollte:<br />
Einfach mal die Fresse halten. Und sich selbst mal hinterfragen, woran<br />
das denn wohl liegen könnte, daß der Stock schon gar nicht mehr raus<br />
geht aus dem Arsch. Na? Na? Na? Ja! Fällt und fällt und fällt.<br />
Und fällt auf jeden Fall immer noch, denn eine weitere Grundintention<br />
dieses total geilen Groschen-Romans ist die hier:<br />
Die Glotze raus aus dem Fenster!<br />
Zack, raus. Raus aus dem Fenster, hier, zack, ab. Kick raus die Scheiß-<br />
Glotze! Den Stock raus aus dem Arsch, und die Glotze raus aus dem<br />
Fenster. Beides muß raus. Also Fenster auf, und raus das Ding. Oder<br />
gleich durch das geschlossene Fenster schmeißen, geht auch. Voll durch<br />
die Scheibe, äußerst symbolträchtige Aktion für alle Beteiligten. Oder<br />
alternativ einfach mal ausschalten. Ja, ganz recht, ausschalten, aus.<br />
Wäre auch mal eine interessante Möglichkeit. Einfach mal<br />
ausprobieren. Oder hier, mal was Gescheites glotzen. Tiersendung oder<br />
so. Oder, oder, oder. Kann man alles machen, alles total sinnvoll. Raus,<br />
aus, weg, Fenster auf, Fenster zu, völlig egal.<br />
Aber doch bitte nicht permanente und konsequente Dauer-Berieselung<br />
mit diesem hirnverbrannten Telemedial-Kot. Ja meine Fresse, was geht<br />
denn?! Oder besser, wie viel geht denn?! Wie viel Kot geht noch rein in<br />
die Rüben?! In die Zwiebeln, in die Kürbisse, in die Pfirsiche?! In die<br />
winzigen Schrumpfköpfe?! Oder alle schon durch da oben? Futsch, putt,<br />
hin? Flatline, Braindead, Game over? Lampe dunkel, Ofen aus, Küche<br />
zu? Die Lunte abgebrannt? Wie kann man seine wertvolle Zeit, sein<br />
wertvolles Hirn, ja sein wertvolles Leben mit so einer banalen Kacke<br />
vergurken?! Sein schönes, kostbares Leben?! Tagein, tagaus, mit so<br />
einer visuellen Dauer-Monatsblutung?! Kann mir das mal einer<br />
erklären?! Bitte?! Ich will es doch nur verstehen...<br />
319
Ein bißchen Gras ins Polster schmieren, daß die Hunde reagieren.<br />
Ein Briefumschlag voll Rosmarin, ein Gramm zerriebenes Aspirin.<br />
Ich hab` vieles ausprobiert, heut` weiß ich, was mich amüsiert.<br />
Mein Sonntagnachmittags-Pläsier ist Zöllner vom Vollzug abhalten auf<br />
der A4.<br />
320<br />
(Götz Widmann)<br />
Aber ich werde es niemals verstehen können, und das ist aber auch gut<br />
so. Ist gut so, ist besser so. Ja, in der Tat, ist besser so, viel besser. Ist<br />
viel besser so, und eigentlich will ich es dann aber auch doch nicht<br />
verstehen können. Ein Teufelskreis.<br />
Dabei kann man so viele andere tolle Sachen machen, in seiner Freizeit<br />
und so. Man kann schön Sport treiben oder Freunde treffen oder vögeln<br />
gehen oder einen saufen oder beides zusammen, man kann ein lustiges<br />
Buch lesen oder schreiben, ins Kino gehen, in den Zoo, zum Minigolf,<br />
ganz egal. Ist völlig egal, und kostet auch alles nicht viel Kohle. Alles<br />
ganz easy. Oder man ist mal innovativ. Malt ein schönes Bild, schreibt<br />
ein flottes Gedicht, dichtet ein Sonett, zündet etwas an, alles ganz<br />
einfach. Ist alles ganz einfach, kann jeder.<br />
Man kann auch einen Fightclub veranstalten oder in der Armenküche<br />
helfen oder am See oder im Park oder sonstwo grillen. Kann man alles<br />
machen, macht alles Spaß, macht auch alles Sinn. Oder hier, mein<br />
Geheimtipp: Klebt Euch einen Aufkleber mit der witzigen Aufschrift<br />
Smoke Marihuana oder Coca-Connection hinten in die Heckscheibe<br />
Eures Autos rein, setzt Euch Sonnenbrille und Pudelmütze auf, und<br />
dann fahrt Ihr auf der A30 Richtung Holland immer schön hin und her.<br />
Immer schön hin und her, idealerweise mit vollbesetzter Karre, vier<br />
oder fünf Leute rein. Und alle schön Kippe im Maul, auch ganz wichtig,<br />
muß ordentlich qualmen aus der Karre und um die Karre herum.<br />
Äußerst kreativ, kommt voll gut. Ein Garant für gute Laune.
Ach ja, Frank-Zappa-CD oder Masters-of-Schranz-MP3 sollte dabei<br />
bitte auch nicht fehlen, ferner Bassbox hinten rein, volle Kanne<br />
aufgedreht. Und der Fahrer bitte noch eine mit Apfelsaft befüllte<br />
Weinbrand-Pulle in die linke Hand und beim Fahren aus dem Fenster<br />
rausgehalten. Endgeile Aktion. Verschärfter geht es bald wirklich nicht<br />
mehr. Machen wir immer gern, wenn wir zuviel Langeweile haben. Für<br />
den zusätzlichen Kick schließen wir dabei noch Wetten darauf ab, wie<br />
lange es wohl dauert, bis uns die Rennleitung anhält. Sozusagen Spaß<br />
und Spiel in einem. Purer Nervenkitzel, endgeil, sagenhaft. Und wer auf<br />
dem Dorf wohnt, der kann aber auch so im Dorf hin und her fahren,<br />
kommt auch gut. Sieht ziemlich lässig aus, und vor allen Dingen bleibt<br />
man auch im Gespräch.<br />
Also völlig egal, was man so macht, Hauptsache, man macht dann<br />
überhaupt mal was. Oder wenn man schon -warum auch immer- den<br />
ganzen Tag vor der Aso-Glotze sitzen will oder muß, dann kann man<br />
doch wenigstens mal was Gescheites einschalten. Etwas, das dem<br />
verbliebenen Fitzelchen Resthirn nicht pausenlos suggeriert, es würde<br />
von einem LKW überrollt oder mit dem Vorschlaghammer malträtiert<br />
oder sogar in eine mit Salpetersäure befüllte Petri-Schale getaucht.<br />
Vielleicht mal ein paar Nachrichten oder bißchen Sport, irgendwelche<br />
Dokus, irgendwas mit Sinn und Verstand. Man kann Spongebob<br />
anschalten, da lernt man dann wenigstens noch, wie man eine Schleife<br />
bindet, einen Krabben-Burger zubereitet und eine Ananas oder einen<br />
Stein bewohnbar einrichten kann. Oder diverse andere Cartoons,<br />
vielleicht mal Tom und Jerry, kommt auch immer gut. Da erfährt man<br />
dann beispielsweise, wie man eine Katze zusammenfalten muß, damit<br />
die durch den Briefschlitz paßt. Und ähnlich nützliche Informationen.<br />
Völlig egal, guckt, was Ihr wollt. Glotzt meinetwegen 24 Stunden am<br />
Tag TV, sieben Tage die Woche. Meinetwegen sogar Frauen-Fußball<br />
oder arte oder ähnlichen besonders krassen Stoff. Glotzt, bis Ihr<br />
rechteckige Augen bekommt oder sogar irgendwann zu einem feisten<br />
Mainzelmännchen mutiert. Zu Anton, Berti, Conni, Det, Edi oder sogar<br />
zu Fritzchen. Zieht Euch alles rein, was die fiese Glotze so hergibt. Nur<br />
bitte nicht permanent Aso- und Opfer-TV bzw. deren besonders<br />
perverse Mischformen. Alles andere ist scheißegal. Und mir sowieso.<br />
Und überhaupt. Stößchen.<br />
321
Ich will raus aus dieser Scheiße hier, doch ich weiß nicht, wie das gehen<br />
soll. Raus aus diesem Scheiß-Revier, doch ich weiß nicht, wie das gehen<br />
soll. Man sperrt mich hier in diesen Bezirk, weil ich den Rest der Welt<br />
nicht sehen soll. Ich werde aus diesem Knast herausspazieren, wenn ich<br />
weiß, wohin ich gehen soll.<br />
Das Leben war schlecht. Aber jetzt ist es gut. Für immer.<br />
322<br />
(Xavier Naidoo)<br />
(Dr. John Zoidberg)<br />
Soviel also zu den diversen Grundintentionen hier. Fehlt quasi nur noch<br />
unsere Hauptintention, falls es denn überhaupt eine gibt. Aber wir<br />
wären nicht in Honkland, wenn es denn keine Hauptintention gäbe.<br />
Denn selbstverständlich gibt es eine. Hier, die hier, zack:<br />
Laßt Euch nicht anpissen!<br />
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Amazönchen und Gürkchen,<br />
liebe Frutten und Früttchen, laßt Euch nicht anpissen. Also im<br />
übertragenen Sinne gesehen. Laßt Euch nicht anpissen, nicht an die<br />
Karre, nicht ins Regal, nirgendwo hin. Lebt Euer Leben. Euer eigenes.<br />
Lebt es glücklich, lebt es gut, lebt es fair. Lebt es vorbildlich. Lebt es<br />
frei von Neid, Mißgunst, Habgier und Haß. Macht das Beste daraus, für<br />
Euch und auch für andere. Lebt es nach bestem Wissen und Gewissen,<br />
nach besten Vorstellungen und Ansprüchen an Moral und Ethik, und<br />
verneigt Euch vor nichts und niemandem! Verneigt Euch vor rein gar<br />
nichts, unterwerft Euch nicht. In Honkland verneigen und unterwerfen<br />
wir uns nicht. Vor nichts und niemandem und überhaupt.
Weder vor dem total endgeil abgefahrenen Kapitalismus mit all seinem<br />
schnellen Mammon und all seinen fiesen Fratzen, noch vor<br />
irgendwelchen fremden Meinungen irgendwelcher Arschlöcher, denen<br />
man am liebsten den Schritt shampoonieren würde, noch vor<br />
irgendwelchen dubiosen Meinungsmachern und deren Mittelchen und<br />
Wegen zur Fremd- und Fernsteuerung. Nein, nein, nein, sowas machen<br />
wir nicht, und sowas wollen wir auch nicht haben. Nicht heute, nicht<br />
morgen, und übermorgen aber auch nicht. Niemals, kein Bedarf, kein<br />
Interesse. Zumindest nicht in Honkland.<br />
Denn Honkland ist Realität. Pure Realität. Also leben wir unser Leben<br />
doch gefälligst in der Realität. Auch wenn das nicht immer ganz so<br />
leicht zu ertragen ist. Aber immerhin noch um Längen besser, als unser<br />
Leben in irgendeiner banal-beschissenen Scheinwelt zu verkacken. Wir<br />
haben nur dieses, also sollten wir es richtig leben. Mutig sein.<br />
Entschlossen und aufrichtig. Und weitestgehend ehrlich, anständig und<br />
frei von Lügen. Auch wenn das in dieser immer beschissener werdenden<br />
Gesellschaft von Tag zu Tag immer schwieriger wird. Drauf geschissen,<br />
zack, da kacken wir doch einen monströsen Haufen drauf. Zack! Wir<br />
werden nicht zulassen, daß uns diese Gesellschaft mit ihren<br />
fremdbestimmten Meinungen, ihren ferngesteuerten Lakaien und ihren<br />
unzumutbaren Ungerechtigkeiten traurig oder gar depressiv macht.<br />
Keine Chance. Diese Scheiße funktioniert bei uns nicht, diese Scheiße<br />
wird ignoriert.<br />
Und wenn Ignoranz nicht funktioniert, dann erheben wir uns. Aber mal<br />
so richtig. Wir schreien es ihnen ins Gesicht, schlagen mit der Faust auf<br />
den Tisch, treten ihnen in den Arsch. Schrei, zack, kick! Und nicht<br />
anders. Wir erheben uns gegen Arschlöcher und Unterdrücker, helfen<br />
Schwachen, respektieren Tiere. Insbesondere Tiere, denn an denen<br />
versündigt sich der Mensch heute am meisten. Wir lassen uns nicht<br />
ablenken, irreführen oder mit irgendeinem Mist ruhigstellen. Und ganz<br />
besonders wichtig: Nicht kompensieren! Wir kompensieren nicht bzw.<br />
nicht mehr. Denn nur wer sich den Grundproblemen stellt und daran<br />
arbeitet, kann irgendwann frei sein. Und Freiheit ist Honkland, und<br />
Honkland ist Freiheit.<br />
323
The question isn`t who is going to let me. It`s who is going to stop me.<br />
Freiiiiiiiiiiheiiiiiiiiiit!!!<br />
324<br />
(Ayn Rand)<br />
(William Wallace)<br />
Wir sind Honks! Und in unserer Funktion als Honks sind wir die neue<br />
Generation von Alpha-Tierchen. Ja, ganz genau, wir Honks. Wer denn<br />
wohl auch sonst?! Wer da draußen könnte wohl sonst das neue Alpha-<br />
Tierchen sein?! Das postmoderne Alpha-Männchen, das postmoderne<br />
Alpha-Amazönchen?! Wer könnte das wohl sonst sein?! Also das wüßte<br />
ich dann doch mal ganz gern.<br />
Etwa diese Armee von Mitläufern und Ja-Sagern?! Mitlaufende Ja-<br />
Sager und ja-sagende Mitläufer?! Arschkriecher?! Die in Arschlöcher<br />
von Arschlöchern kriechenden Arschkriecher?! Wohl kaum. Oder etwa<br />
diese ganzen Dummschwätzer?! Die Ferngesteuerten?! Die<br />
dummschwätzenden Ferngesteuerten bzw. die ferngesteuerten<br />
Dummschwätzer?! Nee, eher nicht. Oder all die Heulsusen und<br />
Jammerlappen?! Die jammernden Heulsusen und die heulenden<br />
Jammerlappen?! Nein, die nun wirklich nicht, die kann man alle in der<br />
Pfeife rauchen, voll ätzend. Ab in die Pfeife, zack, ist das Beste, was<br />
denen passieren kann. Denn das sind keine Alpha-Tierchen, das sind<br />
Evolutions-Verweigerer. Nein, schlimmer noch, das sind sogar<br />
Evolutions-Rückentwickler. Entwickeln sich nicht nur nicht weiter,<br />
entwickeln sich wieder zurück. Entwickeln sich zurück, zurück zu<br />
Vierfüßlern, zurück zu Amöben, zurück zu unheimlichen Pansen und<br />
niedersten Kreaturen. Zu extrem amöbigen Extrem-Amöben!
Ganz einfach, es dauert jetzt noch ungefähr, äh, anderthalb, äh,<br />
Minuten und dann, äh, ich kenn` ja meine Platten, hier Madonna mit<br />
Justin Timberlake, and, äh, Du weißt ja, wie die Nummer funktioniert,<br />
anderthalb Minuten, und dann geht`s weiter. Ja, dann geht`s weiter. Es<br />
geht immer weiter, immer undurchbrechlich... Du kannst jetzt nicht<br />
immer 30 Sekunden spielen und dann, äh, abbrechen und wieder mit der<br />
nächsten anfangen. Das funktioniert nicht. Man muß auch ein bißchen<br />
abwarten, und dann kommt die nächste, äh, Platte, und dann kommt die<br />
nächste...<br />
Oder vielleicht die hier?!<br />
Nee, auch nicht.<br />
Eher ein Parade-Beispiel für evolutionäre Rückentwicklung.<br />
Schlimme Sache sowas, dumm gelaufen.<br />
325<br />
(Nadja Abd el Farrag)
You can`t do shit without your balls! Damn it! Holy shit! Oh shit! Piss!<br />
Kiss my ass! Oh shit! Oh fuck! Buttfuck!<br />
326<br />
(Danny, the Tourettes Guy)<br />
Natürlich kommt solch eine hanebüchene Rückentwicklung für einen<br />
Honk nicht in Betracht. Weil sie schlichtweg keinen Sinn macht. Allein<br />
deswegen schonmal nicht. Kein Sinn dahinter. Denn als Honk<br />
entwickelt man sich ununterbrochen weiter. Pausenlos, und ohne, daß<br />
man es selbst immer merkt. Es ist eine Art verselbständigter<br />
Entwicklungsprozeß, und das ist auch gut und richtig und besonders<br />
sinnvoll so, und deshalb läuft das auch genau so ab.<br />
So, und deshalb sind wir Honks auch die moderne Lebensform der<br />
Zukunft. Also wir aktuellen Honks, die schon heute Honks sind, und<br />
selbstverständlich auch all diejenigen, die auf bestem Wege zum Honk<br />
und nach Honkland sind. Quasi die Honks von morgen und übermorgen.<br />
Honk-Anwärter. Die Jungs und Mädels mit Eiern in der Hose! Groß wie<br />
Kokosnüsse. Und nur die. Und sonst aber auch keiner. Und das ist aber<br />
auch alles gar kein großes Hexenwerk, das ist nämlich alles ganz easy.<br />
Läuft alles ganz easy ab hier, ist alles ganz easy. Ist alles ganz Stößchen,<br />
ein Stößchen auf die Kokosnüsse.<br />
Honkland ist keine Utopie, Honkland hat längst begonnen.<br />
Fuck forever. Stößchen.
All around me are familiar faces, worn out places, worn out faces.<br />
Bright and early for their daily races, going nowhere, going nowhere.<br />
Their tears are filling up their glasses, no expression, no expression.<br />
Hide my head, I wanna drown my sorrow, no tomorrow, no tomorrow.<br />
And I find it kind of funny, I find it kind of sad. The dreams in which I`m<br />
dying, are the best I`ve ever had. I find it hard to tell you, I find it hard<br />
to take. When people run in circles, it`s a very, very mad world.<br />
Mad world.<br />
V. Gesamtergebnis<br />
Uiuiui. Gesamtergebnis.<br />
Mal rekapitulieren, was wir hier haben.<br />
327<br />
(Tears for Fears)<br />
Unsere Großeltern hatten einiges. Der Wiederaufbau unserer tollen<br />
Bananen-Republik nach dem Zweiten Weltkrieg erforderte etliche<br />
Tugenden. Allen voran Fleiß, Disziplin, Entschlossenheit. Heutzutage<br />
weitestgehend Fremdwörter. Gibt es nämlich noch nicht als Apps.<br />
Unsere Eltern hatten auch einiges, allen voran die bunten 68er. Diese<br />
waren größtenteils geprägt durch Visionen und Vorstellungen von<br />
Frieden, Gleichheit, Aufbruch. Und als Krönung noch ein paar Handvoll<br />
extrem geiler Drogen oben drauf, zack. Kam voll gut. Irgendwann kam<br />
dann die Wiedervereinigung, 1989 glaube ich, die Wende. Schönes<br />
Ding, zumindest zu der Zeit noch. Auch wenn man das heute kaum<br />
noch glauben kann. War aber damals so. Damals war das echt ein<br />
schönes Ding. Und die Worte der Stunde waren seinerzeit Solidarität,<br />
Einheit, Freiheit. Bla.<br />
So, und jetzt? Was haben wir heute?
Ein Drittel starrt mit offenem Mund auf ihre Playstations, das zweite<br />
Drittel feiert im Exzess als Rave-Nation. Abhängig von teuflischen<br />
pharmazeutischen Erzeugnissen, weil sie nicht wußten, was diese<br />
Scheiß-Drogen bedeuteten. Das dritte Drittel hängt perspektivlos rum<br />
auf deutschen Straßen, Kids mit dreizehn Jahren ziehen sich schon<br />
dieses weiße Zeug in die Nase. Die keine Ziele, aber nur Träume haben,<br />
und das sind meist teure Wagen. Sie planen ihr Leben nicht weiter als<br />
heute Abend. Denken, zur Not geht es wie bei Nintendo noch neu zu<br />
starten. Scheißen drauf, ob sie bald sterben - wer will schon alt werden?<br />
... Darum rauchen wir täglich Weed, und deshalb sind ich und meine<br />
ganze Generation so depressiv.<br />
1. Was haben wir?<br />
Heute haben wir einen monströsen Pott voll Affenkacke!<br />
328<br />
(Samy Deluxe)<br />
Ja wie, zu subtil?! Alles klar, dann vielleicht so: Man nehme einen<br />
gemeinen Guinea-Pavian, der eh schon von sich aus voll krass zum<br />
Kotzen stinkt. Diesem näht man dann den Arsch zu und füttert ihn für<br />
volle sechs Wochen ausschließlich mit Labskaus, frischem Pansen,<br />
saurer Milch, Testikeln, Kopfsülze, dicken Bohnen und ähnlichen<br />
Leckereien. So, und dann nach ca. sechs Wochen -bzw. wenn der<br />
Pavian gelbe Augen und grünes Fell bekommen hat- macht man dem<br />
die Naht am Arsch wieder auf, kippt ihm noch schnell einen Cocktail<br />
aus Sauerkrautsaft, Bockbier, Ziegenpisse und Schlachtebrühe rein,<br />
zack, und tritt ihn dann mit voller Wucht in die Magengegend. Zack!<br />
So, und das, was da dann rauskommt - genau das haben wir.<br />
Rausgedrückt, abgeseilt, zugeschissen!
Konkret:<br />
Allem voran die drei schönen, großen A: Armut, Angst, Ausbeutung.<br />
Nein, wirklich? Da wäre ja jetzt wohl keiner von selbst drauf<br />
gekommen, insbesondere nach Lektüre der letzten 300 Seiten nicht.<br />
Drauf geschissen. Denn wir haben noch viel, viel mehr. Ganz tolle<br />
Sachen kommen da noch. Geht schon los, hier, zack:<br />
Arbeitslosigkeit, Ein-Euro-Jobs, Zeitarbeit. Die Erfüllung beruflicher<br />
Träume, phantastisch. Genau das war nämlich auch meine Vorstellung,<br />
als ich damals mein beknacktes BWL-Diplom in die Hand gedrückt<br />
bekam: Super, damit stehen Dir jetzt aber mal alle Möglichkeiten offen.<br />
Also auf, auf zur nächsten Zeitarbeits-Firma, bißchen Kisten stapeln<br />
oder Kartons falten oder Taxi fahren oder sowas. Oder zum Arbeitsamt,<br />
was besonders Sinnvolles vermitteln lassen. So für drei oder sogar vier<br />
Euro die Stunde Schrauben sortieren oder an die Wand gucken oder<br />
vergleichbar sinnvolle Tätigkeiten. Hurra! Nein, Blödsinn, alles nur<br />
Spaß. Alles Späßchen. Natürlich geht es nicht zum Arbeitsamt, natürlich<br />
geht es gleich eine Tür weiter, zack, ab zu Onkel Peter. Ab zu Onkel<br />
Peterchen, schön HartzIV, HartzV, HartzVI, das volle Programm, macht<br />
eh den größten Sinn. Hut ab, Hut ab für Onkel Peterchen! Und<br />
Stößchen!<br />
Ach, wir haben ganz viele tolle Sachen. Was haben wir nicht für viele<br />
tolle Sachen. Endgeile Sachen. Hier, wir haben Riester-Rente,<br />
Rechtschreib-Reform, Raucher-Gesetz. Die drei Großen R. Fast so geil<br />
wie die drei großen A. Aber auch nur fast. Dafür mindestens genauso<br />
sinnvoll. Wobei das ja nicht so ganz stimmt, letzteres heißt nämlich<br />
nicht Raucher-Gesetz, sondern Nichtraucher-Schutzgesetz. Klingt total<br />
geil, total abgefahren. Und ist es auch. Scheiß Raucherei, sollen die<br />
Kids zum Koma-Saufen und Waschbenzin-Schnüffeln mal lieber ein<br />
paar Chips fressen. Denk` doch mal einer an die Kinder!<br />
Also alles ganz toll, und macht auch alles ganz toll viel Sinn. Ganz toll<br />
viel Sinn, ganz toll viel Schwachsinn. Apropos Schwachsinn, wir hätten<br />
da noch Halbleichen, Pseudo-Manager, Inkompetenz im Angebot.<br />
Recht schönen Dank auch. Und natürlich Kapitalismus, Egoismus,<br />
Nihilismus. Auch sehr schön.<br />
329
Korruption, Habgier, Lügen hätte ich fast vergessen. Das wäre aber<br />
schade gewesen, denn das ist ja auch eigentlich alles ganz schön schön.<br />
Kriminalität, Ghettos, Drogen. Auch sehr schön, darf auch nicht fehlen<br />
in unserer bunten Sammlung hier. Oder hier, zack: Neukölln, Kreuzberg,<br />
Tempelhof. Metropolen dieser Welt. Sehen und sterben. Im wahrsten<br />
Sinne des Wortes. Oder umgekehrt.<br />
Und daß mir ja keiner unsere Vollidioten, Vollopfer, GIMP3000 vergißt.<br />
Phantastisch. Aber haben wir nicht noch mehr?<br />
Aber ja, sicher, geht jetzt erst richtig los: Multivan, Nordic Walking,<br />
Fuß-French. Für mich ganz klar die Gadgets der Woche, wenn nicht<br />
sogar des Monats. Ferner haben wir Bunte, Gala, BILD. Wer das hat,<br />
der braucht eigentlich sonst nicht mehr viel. Nicht wirklich. Außer<br />
vielleicht noch Peace, Victory, Gipsy King. Keine Frage. Und natürlich<br />
Fußpilz, Hämorrhoiden, Dünnschiß. Auch sehr geil.<br />
Apropos Dünnschiß und so, wir haben Schnäuzchen, Dauergrinsen,<br />
Casting-Opfer. Was bin ich froh, daß wir das haben. Denn daher weiß<br />
ich mittlerweile auch, wer Lisa Gina ist. Ja, genau, Lisa Gina oder Gina<br />
Lisa oder drauf geschissen. Hat da auf jeden Fall irgendwann beim<br />
Schnäuzchen-Kaspertheater mal mit rumgeturnt. Und zudem den wohl<br />
schlechtesten Amateur-Porno der Welt ins Netz gestellt. Unfaßbar<br />
schlecht, wußte gar nicht, daß man überhaupt so schlecht vögeln kann.<br />
Meine Fresse! Man sagt ja immer, dumm fickt gut, aber sowas?!<br />
Ausnahmen bestätigen offensichtlich auch hier die Regel.<br />
Und wo wir gerade bei beim Thema sind: Terenzi, tritt mit Würde ab.<br />
Verschwinde stilvoll in der Versenkung. Oder mach` was Neues, `ne<br />
neue Platte oder CD oder sonstwas. Geh` zu Sarah with Love zurück<br />
oder sonstwo hin, mir persönlich total scheißegal. Aber baller` nicht<br />
eine dummblondierte, mediennotgeile Plastik-Frutte nach der anderen<br />
durch, nur, um nochmal ein paar billige Schlagzeilen zu machen. Geht<br />
einem ja langsam mal sowas von auf den Sack, dieses ganze F-Promi-<br />
Friseusen-Bums-Ballett, boah. Heftig, echt heftig. Laß es bitte sein.<br />
Unser Bedarf an Vollopfern ist gedeckt. Bis obenhin. Echt jetzt. Also<br />
laß bitte stecken. Vielen Dank für Dein Verständnis.<br />
330
Marc Terenzi, der Lothar Matthäus der Popmusik.<br />
Aber back to business, hier, zack:<br />
Diäten-Anpassung, Abwrack-Prämie, Solidaritäts-Zuschlag. Haben wir<br />
auch noch. Und die dürfen aber auch auf keiner Party fehlen, die sind<br />
nämlich der absolute Knaller.<br />
Auch sehr geil, auch immer ein fetter Knaller: Gewinnwarnung,<br />
Outsourcing, Ich-AG. Very amazing und mindestens ähnlich very<br />
exciting. Nicht ganz so exciting wie CO2-Austoß, Umweltplakette,<br />
Gesundheitsreform, aber fast. Endgeil. Ich frage mich gerade ganz<br />
ernsthaft, wie man so viele geile Sachen haben kann. Unglaublich. Hier,<br />
die drei nehmen wir noch mit, dann muß das auch mal reichen:<br />
Besserverdiener, Bausparer, Mittelstand. Da weiß man gar nicht, was<br />
man davon lieber wäre. Am besten alles auf einmal.<br />
Ach, drauf geschissen, hier kommen jetzt die richtig geilen Teile, die<br />
ganz krassen Dinger. Hier, zack, nimm hin: Ehrenmord, Ground Zero,<br />
Achse des Bösen. Uiuiui. Ob das alles noch politisch korrekt ist? Keine<br />
Ahnung, aber das haben wir ja nunmal. Und wir wollen ja schließlich<br />
kein Blatt vor den Mund nehmen. Also weiter mit Israel, Irak,<br />
Afghanistan. Zack, jetzt ist es raus, und jetzt muß ich aber auch gleich<br />
Schluß hier machen, sonst landet mein Buch sofort auf dem Index.<br />
Zack, ab, Index, Feierabend. Und wenn ich dann auch noch so<br />
lebensmüde wäre, den Islam zu erwähnen, dann wäre eh alles vorbei.<br />
Also lieber wieder etwas seichter weiter, ist besser für alle.<br />
Denn natürlich haben wir mittlerweile auch unser Sommermädchen,<br />
unser erstes Sommermädchen, unser Sommermädchen 2009! Hurra!<br />
Keine Ahnung, wer das Rennen gemacht hat, ich habe die Scheiße nicht<br />
geguckt. Aber irgendeine Dussel-Usch wird da wohl am Ende<br />
gewonnen haben. Mal Terenzi oder Matthäus anrufen, die wissen das<br />
bestimmt. Loool... Auf jeden Fall besten Dank an Gimp3000, denn<br />
darauf hat die Welt lange warten müssen. Also Glückwunsch und ein<br />
wahnsinnig dickes Stößchen, denn wir freuen uns. Wir alle, die ganze<br />
Welt. Und wir Honks sowieso, und ich aber auch ganz besonders. Also<br />
phantastisch, Glückwunsch, Stößchen. Bla.<br />
331
Fast bleibt mir die Zunge im Halse stecken, auweia, weil ich gar nicht<br />
ausdrücken kann, wie sehr ich mich freue. Man könnte hier also ganz<br />
unverblümt und unübertrieben von einer unheimlichen Freude sprechen.<br />
Ich freue mich so sehr, vor lauter Freude hätte ich fast Eisbär Knut<br />
vergessen, das dumme Arschloch.<br />
Daneben haben wir noch etliche ähnlich geile Sachen. Vom Prinzip her<br />
alles dieselbe Scheiße, muß man ja nur mal Zeitung lesen, Glotze<br />
anmachen oder aus dem Fenster gucken. Oder eine App dafür besorgen.<br />
Mir persönlich vollkommen Latte.<br />
Aber ein paar gute Sachen haben wir wirklich. Schumi Schumacher<br />
fährt jetzt wieder Rennen, und das auch noch in einem Benz. Geil, geil,<br />
geil. Sehr geil. Ein seltener Lichtblick zwischen der ganzen Kacke, mit<br />
der wir uns tagtäglich auseinandersetzen müssen.<br />
Abschließend, jedoch nicht erschöpfend aufzuführen: Natürlich Idioten,<br />
Fremdopfer, Honks. Ganz klar. Honks bzw. der Honk. Der Honk, das<br />
zwangs- und vorläufige Endprodukt einer beschissenen Evolutions-<br />
Kette. Keine Ahnung, ob das nun gut oder schlecht oder egal ist. Aber<br />
irgendwer muß es ja sein, einer muß es ja machen. Stößchen für den<br />
Honk.<br />
Wir haben also -mal abgesehen von Schumi und dem Honk- lauter<br />
Scheiße, die wir nicht brauchen. Völlig geil, völlig absurd. Völlig<br />
absurde Scheiße. Das ist ähnlich geil und absurd, als kaufte man ein<br />
Auto mit einem eingepflanzten Kirschbaum im Kofferraum. Das wäre<br />
ähnlich sinnvoll, das braucht eigentlich auch jeder. Oder man baut ein<br />
Haus mit einer inneren Deckenhöhe von 80 cm, durch das man dann<br />
gerade noch so auf allen Vieren krabbeln kann und andauernd mit der<br />
Birne an die Decke knallt. Das wäre auch eine besonders gute Idee. Das<br />
hat man dann, aber eigentlich ist das total absurd und Scheiße und<br />
macht aber auch gar keinen Sinn. Total beknackt.<br />
332
I`m starting with the man in the mirror. I`m asking him to change his<br />
way. And no message could have been any clearer: If you wanna make<br />
the world a better place, take a look at yourself and make a change.<br />
2. Und was fehlt uns?<br />
333<br />
(Michael Jackson)<br />
Keine Ahnung, was uns fehlt. Mir auf jeden Fall die Lust, hier noch<br />
groß was weiter zu schreiben. Kein Bock mehr. Feierabend. Uns ist eh<br />
nicht mehr zu helfen.<br />
Allein der traurige Umstand, wie sich unsere feine Spezies an<br />
Schwächeren vergeht, ohne daß irgendwer einschreitet oder irgendwas<br />
passiert, kann nur noch die logische Schlußfolgerung zulassen, daß wir<br />
bereits in Sodom und Gomorrha leben. Und wer das jetzt aber ein wenig<br />
weit hergeholt oder schräg oder gar witzig findet, der kann sich ja gern<br />
mal auf Youtube chinesische Haifisch-Fänger bei der Arbeit angucken.<br />
Oder ähnliche Sauereien, Mensch ist da sehr flexibel.<br />
Oder hier, mal ganz aktuell: Michael Jackson. Von einer perversen<br />
Gesellschaft, von geldgeilem Dreckspack, von karrieregeilen Anwälten<br />
und ähnlichem Gesindel in den Tod gehetzt. Verunglimpft, geschändet,<br />
ans Kreuz genagelt. Mensch nagelt scheinbar alle 2000 Jahre mal einen<br />
Guten ans Kreuz. Nein, viel schlimmer, Mensch macht das tagtäglich.<br />
Nur nicht immer so offensichtlich.<br />
Denkt mal drüber nach, liebe Brüder und Schwestern der Sonne, denkt<br />
mal drüber nach...<br />
So, und jetzt habe ich aber wirklich keine Lust mehr.
Deine Zweifel waren groß, niemand hat sich interessiert. Du spürst,<br />
wie`s langsam leichter wird, das Schlimmste ist jetzt hinter Dir. Du bist<br />
noch ganz benommen, wir sind bald angekommen. Du brauchst jetzt<br />
nicht mehr zu weinen, denn ich hab` Dich an die Hand genommen.<br />
Manchmal muß man einfach raus, denn manchmal ist die Welt zu klein.<br />
Willst Du die Unendlichkeit, dann laß Dich fallen und steig` mit ein. Ich<br />
zeig` Dir wahre Liebe und wie gut es tut, die Faust zu ballen. Wir<br />
fliegen vom Dunklen ins Sonnenlicht bis wir zu Staub zerfallen...<br />
VI. Epilog<br />
334<br />
(Deichkind, Luftbahn)<br />
Ladies and Gentlemen, bitte stellen Sie ihre Sitze in eine waagrechte<br />
Position und schnallen Sie sich ab. Beginnen Sie mit dem Saufen und<br />
Rauchen, wir setzen zur Landung an. Wir wünschen Ihnen einen<br />
angenehmen Aufenthalt in der Realität und würden uns freuen, Sie bald<br />
wieder an Bord der Honk-Airlines begrüßen zu dürfen.<br />
Ladies and Gentlemen, willkommen im Honkland.<br />
Stößchen.