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Alexander Wandinger, Jana Cerno, Christian Aichner

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welcher angewiesen wird, die=<br />

ses Wanderbuch jeder Orts=<br />

Obrigkeit zur Visirung vor=<br />

zulegen, und darin die Zeug=<br />

nisse über Arbeit und Aufführ=<br />

ung eintragen zu lassen, dann<br />

nachstehende Bestimmungen<br />

genauest befolgen<br />

den Achtzehenten<br />

Oktober Eintausend acht<br />

hundert Dreysig Sechs<br />

Königlich baÿerische<br />

Landgericht Traunstein<br />

Hacker<br />

Auszug<br />

aus den allerhöchsten Ver=<br />

ordnungen vom 11ten Oktober<br />

1807. 16ten März 1808. und<br />

2ten Juli 1812, dann dem<br />

königl. baÿer. Strafgesetz=<br />

Buche.<br />

1.) Der wandernde Inländer<br />

darf ohne Bewilligung der<br />

vorgesetzten k. Kreisregierung<br />

die baÿer. Staadten nicht verlas=<br />

sen, eben so wenig über die ihm be=<br />

willigte Wanderungszeit ausblei=<br />

ben, und wenn ihm auch in das<br />

Ausland zu wandern erlaubt<br />

wird, in keine andere als in<br />

die ausdrücklich benannten<br />

Staaten zu wandern.<br />

liegt hier hauptsächlich in der wechselnden<br />

Orthografie bzw. Orthographie oder Ortografie;<br />

auch in dieser Hinsicht stehen wir unseren<br />

Vorfahren womöglich näher als uns lieb ist.<br />

Im Unterschied zur Familie Lughofer oder<br />

Lueghofer kann Joachim Schuster bis jetzt<br />

kein einziger Gürtel zweifelsfrei zugeordnet<br />

werden. Dafür gibt das Wanderbuch<br />

Aufschluß über die Stationen seines Wirkens<br />

als Riemer und Pfauenfederarbeiter. Anhand<br />

der Eintragungen lassen sich die Wanderbewegungen<br />

des Gesellen präzise auf der Landkarte<br />

nachvollziehen. Er arbeitete an Orten in<br />

Österreich wie Wels und Gmunden genauso<br />

wie in München, Miesbach, Tölz in Oberbayern.<br />

Immer wieder stand er bei Sattler- und Riemermeistern<br />

im niederbayerischen Rottal und<br />

dem Gäuboden ein. Joachim Schuster hat, je<br />

nach Auftragslage und nach der Finanzkraft<br />

seiner Kunden, sicher die unterschiedlichsten<br />

Arbeiten ausgeführt. Kurzfristige Aufenthalte<br />

und mehrjährige Stellungen wechseln sich<br />

auf den Reisen durch Bayern und Österreich ab,<br />

und es fällt auf, daß er nie ins benachbarte Tirol<br />

gewandert ist. Das liegt möglicherweise am<br />

regional unterschiedlichen Stil der Stickerei oder<br />

am Konkurrenzdruck durch andere Riemer,<br />

die zu seiner Zeit einen zahlreich vertretenen<br />

Berufsstand darstellten. Immer wieder kehrt<br />

Joachim in seine Heimat Traunstein zurück und<br />

arbeitet für seinen Bruder, den Sattlermeister<br />

Thaddäus Schuster, der die elterliche Werkstatt<br />

übernommen hat.<br />

Wie Joachim Schuster seine<br />

Arbeitsplätze, wechseln auch die Gürtel im<br />

Laufe der Zeit ihr Zuhause meist mehrmals,<br />

bis sie über den Handel in Sammlungen<br />

kommen. Nur sehr wenige Stücke blieben über<br />

Generationen in Privatbesitz. Das hat zwei<br />

Gründe: Zum einen wurden die prächtigen<br />

Schmuckgürtel als Teil der sogenannten Volks-<br />

kunst bereits um 1900 Sammlungen einverleibt.<br />

Zum anderen wurden und werden<br />

Erbstücke, die in den Augen der Erben keinen<br />

ökonomischen oder gefühlsmäßigen Wert<br />

darstellen, bereitwillig veräußert.<br />

Der Besitz<br />

als solcher steht in vielen Kollektionen im<br />

Vordergrund, und von einer gründlichen Dokumentation<br />

des Artefakts wird eher abgesehen.<br />

Die historischen Originale erscheinen als reines<br />

Objekt ohne Geschichte. Bei privaten Sammlern<br />

wie bei Museen entwickelte sich erst spät<br />

das Bewußtsein, daß das Hintergrundwissen<br />

mit zum Gegenstand gehört. So stellt sich<br />

heute unter anderem die Frage nach der Verbreitung<br />

und den ehemaligen Eigentümern der<br />

Gürtel. In Aufzeichnungen mit volkskundlichem<br />

Hintergrund, wie der großartig aufschlußreichen<br />

»Bavaria« von Joseph Friedrich Lentner<br />

aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, wird viele<br />

Dutzend Male von Gürteln berichtet.<br />

Neben Landschaft, Eßgewohnheiten, Bräuchen<br />

und Festen der Menschen sind ihre Trachten<br />

beschrieben. Überliefert ist in erster Linie die<br />

Tatsache, daß Frauen- und Männergürtel<br />

weit verbreitet waren, nicht wie diese genau aussahen.<br />

Wir müssen uns also mit Sätzen wie<br />

den folgenden zufriedengeben:<br />

»Senne und Hirtenbube tragen zum Hemde die<br />

lederne Kurzhose, Boanhösln und Bundschuhe,<br />

dazu eine lederne oder grüne Hosenkraxe<br />

und manchmal die Lederbinde.« (Lentner,<br />

Joseph Friedrich, Bavaria: Das Alpenwesen im<br />

bayerischen Hochgebirge)<br />

»Die älteste Männerkleidung<br />

dieser Gegend bestund in kurzen Hosen<br />

vom Loden oder Zwilch, in langen Röcken, des<br />

Winters von Loden; für die Feiertage im Sommer<br />

von schwarzer Zwilch oder weißem Barchent<br />

mit Haften besetzt; gelbe oder schwarze Leder-<br />

hosen gehörten zur großen Festtracht, ebenso ein<br />

rothes Leibl grüne Halftern und mit Zinnstiften<br />

beschlagene oder mit Pfaufedern oder mit<br />

gefärbtem Pergament abgenähte Lederbinden<br />

waren allgemein üblich.« (Lentner, Joseph<br />

Friedrich, Bavaria: Oberbayern. V. Hauptgruppe.<br />

Mittleres Land zwischen Isar und Salzach)<br />

»Die schwarze Lederhose reicht unter’s Knie.<br />

Sie wurde ehedem von einer schwarzen silber-<br />

bordierten Halse festgehalten und um die Lente<br />

gürtete der Mann eine mäßig breite abgenähte<br />

Lederbinde« (Lentner, Joseph Friedrich, Bavaria:<br />

Oberbayern. I. Hauptgruppe. Das Land<br />

zwischen Lech und Isar)<br />

»Bräute erscheinen<br />

noch in dunkler Kleidung; doch ist der früher<br />

auf Samt genähte Brautgürtel außer Übung<br />

gekommen« (Lentner, Joseph Friedrich, Bavaria:<br />

Oberbayern. IV. Hauptgruppe. Salzburger Land)<br />

»In älterer Zeit erschien die Braut ganz in<br />

der selben Kleidung, nur zierte sie der silberne<br />

feingegliederte Brautgürtel, und die hohe<br />

Krone aus Flitter, Glassteinen und Golddraht<br />

auf dem zurückgestrichenen Haare, dessen<br />

Flechten mit rothen Bändern durchwunden über<br />

den Rücken hinabfielen.« (Lentner, Joseph<br />

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