Italien & Spanien
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<strong>Italien</strong> & <strong>Spanien</strong>: Kampf um das Vertrauen der Märkte<br />
Dr. Ulrike Rondorf<br />
Tel. +49 69 136 45814<br />
Dr. Ralph Solveen<br />
Tel. +49 69 136 22322<br />
<strong>Italien</strong> und <strong>Spanien</strong> haben auf das Misstrauen der Anleger reagiert. Sie wollen mehr<br />
sparen und ihre verkrusteten Volkswirtschaften liberalisieren. Wir analysieren die<br />
Beschlüsse und zeigen, dass sich die Aussichten für <strong>Italien</strong> und besonders für <strong>Spanien</strong><br />
auf die längere Sicht verbessert haben. Wir bleiben aber skeptisch, ob die beiden Länder<br />
die Anleger in den kommenden Wochen und Monaten überzeugen werden.<br />
Man mag sich wundern, dass wir <strong>Spanien</strong> und <strong>Italien</strong> aus rein volkswirtschaftlicher Sicht<br />
analysieren. Schließlich ziehen sich enttäuschte Investoren zurück und verkaufen ihre<br />
Staatsanleihen, ein Käuferstreik und damit eine Eskalation erscheinen vielen als eine<br />
selbsterfüllende Prophezeiung. Auch wir sind vorsichtig und prognostizieren, dass die EZB noch<br />
viel mehr Staatsanleihen <strong>Spanien</strong>s und <strong>Italien</strong>s aufkauft und die Finanzminister im Fall der Fälle<br />
den Rettungsschirm aufstocken. Bis dahin werden die Risikoaufschläge auf einem hohen Niveau<br />
verharren, bei einem Nachlassen der Käufe durch die EZB droht sogar ein neuerlicher deutlicher<br />
Anstieg.<br />
Aber trotzdem bleibt die fundamentale Entwicklung der Länder wichtig. Denn fallen die beiden<br />
Länder beim Sparen und Reformieren zurück, könnte die Krise schneller eskalieren. Auf der<br />
anderen Seite erhöhen Erfolge beim Sparen und Reformieren die Chance, dass <strong>Spanien</strong> und<br />
<strong>Italien</strong> eventuell ohne eine offene Eskalation durch die Krise kommen.<br />
Krise ebnet Weg für Reformen<br />
Der zunehmende Druck der Investoren und das schwache Wachstum haben die<br />
Reformbereitschaft der Regierungen in <strong>Italien</strong> und <strong>Spanien</strong> deutlich erhöht. Dabei konzentrieren<br />
sich die Maßnahmen im Wesentlichen auf drei Bereiche:<br />
1. Arbeitsmarkt: Nicht zufällig liegt ein Schwerpunkt der Reformen auf dem Arbeitsmarkt.<br />
Schließlich wird allgemein die geringe preisliche Wettbewerbsfähigkeit einiger Euro-Länder<br />
auf die mangelnde Flexibilität von deren Arbeitsmärkten zurückgeführt.<br />
In <strong>Spanien</strong> erinnern viele Maßnahmen an die Reformen in Deutschland in den Jahren<br />
2003/2004. So ist im Juni das System der Tarifverhandlungen vereinfacht und flexibilisiert<br />
worden. Die Grundlinien werden auf nationaler und regionaler Ebene festgelegt, aber<br />
wichtige Bereiche wie die Löhne (Höhe und Struktur) werden zukünftig – wenn dies im<br />
übergreifenden Tarifvertrag nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird – auf der<br />
Unternehmensebene verhandelt. Zudem kann die Arbeitszeit deutlich flexibler über das Jahr<br />
verteilt werden, ein erster Schritt hin zu den in Deutschland sehr erfolgreichen<br />
Arbeitszeitkonten. Bereits im vergangenen Jahr war es den Unternehmen erleichtert<br />
worden, sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten vom Tarifvertrag ganz zu lösen. Auch dies<br />
hat sich in Deutschland als ein sehr wirksames Mittel zur Begrenzung des Lohnauftriebs<br />
und damit der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit erwiesen. 1<br />
<strong>Italien</strong> hinkte bei den Arbeitsmarktreformen bis vor kurzem hinterher, hat mit den in den<br />
letzten Wochen verkündeten Programmen aber Boden gut gemacht. Dabei steht das<br />
Bestreben im Vordergrund, die Löhne stärker an die Produktivitätsentwicklung zu koppeln.<br />
Neben dem Einfrieren der Löhne im öffentlichen Dienst bis 2015 soll der<br />
Lohnbildungsmechanismus reformiert werden. Dies ist essenziell, da nationale Tarifverträge<br />
in <strong>Italien</strong> bisher nahezu alle Betriebe abdecken. Ähnlich wie in <strong>Spanien</strong> wird es<br />
Arbeitsgebern in Absprache mit ihren Beschäftigten nun ermöglicht, bei der Arbeitszeit, dem<br />
Lohn und auch dem Kündigungsschutz von Tarifverträgen abzuweichen.<br />
2. Rentensystem: Wie nahezu alle Länder des Euroraums sehen sich <strong>Italien</strong> und <strong>Spanien</strong> mit<br />
einer sehr ungünstigen demographischen Entwicklung konfrontiert, die ohne Gegenmaßnahmen<br />
die Ausgaben des Rentensystems nach oben schießen lassen würde. <strong>Spanien</strong> hat<br />
hierauf im Juni reagiert. Unter anderem wird das Renteneintrittsalter schrittweise von<br />
65 Jahren auf 67 Jahre erhöht und bei der Berechnung der Renten wird das Einkommen<br />
über einen längeren Zeitraum berücksichtigt. Hierdurch soll der für das Jahr 2060 zu<br />
1<br />
Zudem wurden 2010 die Abfindungszahlungen bei unbefristeten Verträgen gesenkt (und die bei befristeten<br />
Verträgen erhöht), um den Anteil der Zeitarbeit zu drücken und die Flexibilität der Arbeitnehmer zu erhöhen.<br />
2 research.commerzbank.com 19. August 2011