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Italien & Spanien

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erwartende Anteil der Rentenzahlungen am Bruttoinlandsprodukt nach Berechnungen der<br />

spanischen Regierung um 3,5 Prozentpunkte gedrückt werden. Die Kosten für das<br />

Rentensystem werden zwar in den kommenden Jahren – von einem jetzt noch<br />

vergleichweise geringen Niveau – trotzdem steigen, aber eben nicht mehr so stark wie dies<br />

vor der Reform zu erwarten war.<br />

<strong>Italien</strong> hat in den vergangenen Jahren mit ähnlichen Maßnahmen dafür gesorgt, dass die<br />

Rentenausgaben relativ zum Bruttoinlandsprodukt bis 2060 sogar leicht fallen werden. Dies<br />

war allerdings auch notwendig, da <strong>Italien</strong>s Rentensystem zu den teuersten der Euro-Länder<br />

zählt. Nun will die Regierung Berlusconi den Rentenbeginn weiter verzögern und in Zukunft<br />

an die Lebenserwartung koppeln. Zudem wird das Renteneintrittsalter für Frauen von 60 auf<br />

65 angehoben und Renten über 90.000 Euro gekürzt.<br />

3. Deregulierung: Weniger im Fokus stehen die vielen kleineren Maßnahmen, mit denen die<br />

Wirtschaft flexibler gemacht und damit die wirtschaftliche Dynamik erhöht werden soll. In<br />

<strong>Spanien</strong> dreht es sich hierbei in erster Linie um die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie<br />

der EU. Der Zugang zu einzelnen Berufe soll erleichtert werden und es sollen weniger<br />

Genehmigungen notwendig sein, um ein Unternehmen zu eröffnen.<br />

Die italienische Wirtschaft ist trotz einiger Fortschritte im Zuge der EU-Harmonisierung<br />

relativ stark reguliert. Dies betrifft vor allem die Unternehmensgründungen und den<br />

Marktzutritt in bestimmte Branchen. Nach kontroversen Diskussionen sollen nun die<br />

restriktiven Zugangsbeschränkungen zu Berufen von Anwälten bis Taxifahrern innerhalb der<br />

nächsten 12 Monate gelockert werden. Zudem wird Unternehmen in <strong>Italien</strong> das Wirtschaften<br />

durch ein langsames und intransparentes Verwaltungs- und Rechtssystem erschwert: ein<br />

Wirtschaftsverfahren dauert so etwa 1200 Tage. Das Parlament hat jedoch vor zwei<br />

Monaten bereits ein Gesetz verabschiedet, dass die Prozessdauer bei kleineren Straftaten<br />

automatisch verkürzt. Des Weiteren beschloss das Kabinett letzte Woche, regionale<br />

Verwaltungseinheiten zusammenzulegen und so die Verwaltung zu verschlanken.<br />

Weiterhin Problemländer, aber positive Effekte möglich<br />

Ohne Frage haben diese Reformen die strukturellen Probleme der beiden Länder nicht beseitigt,<br />

weshalb am Markt das Urteil „nicht ausreichend“ vorherrschen dürfte. Aber gerade die Reformen<br />

am Arbeitsmarkt setzen an der richtigen Stelle an. Denn sie könnten dazu führen, dass die<br />

Löhne in diesen Ländern in Zukunft stärker auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit und die<br />

Veränderung des weltweiten Wettbewerbs reagieren und deshalb die Wettbewerbsfähigkeit<br />

dieser Länder nicht noch weiter abnimmt oder sich sogar wieder verbessert. Auch Deutschland<br />

ist durch die Agenda 2010 und die in ihrem Umfeld erfolgten Reformen der Tarifverträge nicht zu<br />

einem marktwirtschaftlichen Musterland geworden, und nahezu alle Analysten haben damals<br />

bemängelt, dass diese Reformen allenfalls ein erster Schritt sein wären, dem weitere folgen<br />

müssten. Trotzdem steht Deutschland heute offensichtlich deutlich besser da als vor acht<br />

Jahren. Damit könnten diese Reformen auf längere Sicht den Währungsraum homogener<br />

machen und die angeschlagene Basis der Währungsunion stabilisieren.<br />

Regierungen reagieren auf mangelnde Konsolidierungsfortschritte<br />

Bis sich solche möglichen positiven Effekte zeigen, können die Regierungen bei den Investoren<br />

allenfalls mit schnell fallenden Defiziten punkten. Allerdings haben sowohl <strong>Italien</strong> als auch<br />

<strong>Spanien</strong> im ersten Halbjahr – wie die anderen Peripherieländer auch – den Fehlbetrag in ihren<br />

Staatshaushalten deutlich weniger zurückgefahren als versprochen (Grafik 1, Seite 4). Dabei<br />

liegt in <strong>Spanien</strong> das Problem weniger beim Zentralstaat als bei den Regionen, die im ersten<br />

Quartal im Durchschnitt sogar ein höheres Defizit als im Vorjahr aufwiesen.<br />

<strong>Italien</strong>s Regierung hat in den letzten Wochen mit einer wahren Flut von Sparmaßnahmen auf die<br />

Unruhe an den Finanzmärkten reagiert: Das Haushaltsdefizit von rund 71 Mrd Euro (4,6% des<br />

Bruttoinlandsprodukts) im letzten Jahr soll nun schon bis 2013 – anstatt erst bis 2014 – auf nahezu<br />

null gesenkt werden. 2 Die neuen Sparpakete beinhalteten nun auch erstmals Steuererhöhungen.<br />

Weiterhin kürzte die Regierung Steuervergünstigungen pauschal, erhöhte die Abgaben im<br />

Gesundheitssystem und kappte die Budgets der Ministerien.<br />

In <strong>Spanien</strong> ist die Regierung derzeit nur noch bedingt handlungsfähig, da die regierenden<br />

Sozialisten im Parlament über keine Mehrheit verfügen und die Kompromissbereitschaft der<br />

2<br />

Siehe auch „<strong>Italien</strong>: Regierung hat den Ernst der Lage verstanden“, Economics aktuell vom 14. Juli und<br />

„<strong>Italien</strong>-Update: Weitere Einschnitte“, Economics aktuell vom 15. August.<br />

19. August 2011 research.commerzbank.com 3

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