Kriegs- und Nachkriegszeit - Wedemark-Chroniken
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Franz Behl<br />
beliebter <strong>und</strong> bekannter Lehrer<br />
der Scherenbosteler Schule<br />
von 1946 – 1974<br />
1946<br />
Ulrich Behl<br />
DER NEUBEGINN<br />
Start in ein neues Leben<br />
In den bitterkalten Wintermonaten der Schlußphase des Krieges waren wir drei Brüder gemeinsam<br />
mit unserer Mutter nach entbehrungsreichen Wochen mit dem Treck aus Pommern – später dann<br />
per Bahn – über Elze-Bernnemühlen nach Ibsingen gekommen. Vermittelt hatte das unser Vater,<br />
der in diesen letzten <strong>Kriegs</strong>zeiten mit einer berittenen Einheit dort einquartiert war. Gemeinsam mit<br />
mehr als 40 weiteren Flüchtlingen fanden wir Unterkunft auf dem Hof von Alma <strong>und</strong> Heinrich<br />
Karstens mit deren Töchtern Gisela <strong>und</strong> Irmgard sowie der herzensguten Oma.<br />
Vater Franz mußte noch einmal gegen die Engländer bis nach Osnabrück ausrücken, wo er -<br />
nach dem Verlust eines Auges in Rußland – ein weiteres Mal verw<strong>und</strong>et wurde <strong>und</strong> für kurze<br />
Zeit in Gefangenschaft geriet. Nachdem er sich dann nach seiner Entlassung (als erfahrener<br />
Bauernsohn vom Lande) in der Landwirtschaft auf Karstens's Hof nützlich gemacht hatte,<br />
konnte er dann am 2. Mai 1946 die vakante Lehrerstelle in Scherenbostel übernehmen. Ein<br />
Kollege (Möller aus Bissendorf) hatte ihn – vom Pflügen auf dem Felde weg – angeworben<br />
<strong>und</strong> vermittelt. Sein Schulweg führte nun täglich per Fahrrad über den Brelinger Berg <strong>und</strong><br />
Wiechendorf von Ibsingen nach Scherenbostel <strong>und</strong> zurück. War er, was kaum vorkam,<br />
einmal krank oder das Wetter zu schlecht, dann übernahmen die Wiechendorfer Bauern<br />
auf abenteuerlichen Fahrzeugen den Transport ihres Lehrers.<br />
In den späten Herbsttagen des Jahres 1947 erfolgte dann der Umzug unserer gesamten Familie<br />
von Ibsingen nach Scherenbostel ins dortige Schulhaus. Möglich wurde das Ganze, weil<br />
Heinrich Mente sen. mit seinen Söhnen Heinrich <strong>und</strong> Friedrich uns im offenen Hänger<br />
(einem Gummiwagen) mit dem 20 PS Hanomag Diesel abholte <strong>und</strong> mit den paar Habseligkeiten<br />
<strong>und</strong> mehreren Sack Kartoffeln nach Scherenbostel transportierte.<br />
Ich, mit gerade mal 8 Jahren der Kleinste <strong>und</strong> Jüngste von allen, hatte eine Menge zu<br />
bestaunen. So zum Beispiel, daß Friedrich Mente – selber noch ein Kind – den schnellen<br />
Traktor voll verantwortlich steuern durfte <strong>und</strong> das auch konnte. Unvergeßlich ist mir bis<br />
heute ein schwarzer Rußkreis, den der Trecker beim Wenden auf der Scheunenwand bei<br />
Karstens hinterlassen hatte. Mir kam das Ganze wie eine geheimnisvolle schwarze Sonne<br />
vor. Jahrzehnte später hat dieses Erlebnis eine große Rolle in meiner Kunstausübung gespielt.<br />
Bei der Einfahrt in unseren neuen Heimatort – noch in der großen Kurve vor Bütehorns<br />
Hof – beeindruckte mich sofort der große, schöne Buchenwald. An ihn haben wohl alle<br />
Scherenbosteler ganz eigene, unvergeßliche Erinnerungen.<br />
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