Arbeitsrecht 1/15
Newsletter zu Entwicklungen im Arbeitsrecht
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schlusses nicht mehr erinnert und diese auch nicht durch zumutbare Nachforschungen<br />
feststellen kann.<br />
In dem konkreten Fall war eine promovierte Fachärztin aufgrund mehrfach befristeter<br />
Arbeitsverträge für das Klinikum der Ludwig-Maximilian-Universität München tätig.<br />
Der letzte befristete Arbeitsvertrag, den die Ärztin dem Gericht vorlegte, war mit „Entwurf“<br />
überschrieben und am 26.5.2009 von ihr handschriftlich unterzeichnet worden.<br />
Seitens des Klinikum wurde der gleiche Vertrag, nur unter einem anderen Datum und<br />
jeweils mit den Buchstaben „BA“ und „Ei“ paraphiert, vorgelegt. Erstmals in der Berufungsinstanz<br />
brachte die Ärztin vor, der befristete Arbeitsvertrag wahre hinsichtlich<br />
der Befristungsabrede nicht die Schriftform, da er vonseiten der Klinik lediglich paraphiert,<br />
jedoch nicht unterschrieben sei. Außerdem könne sie sich nicht mehr erinnern,<br />
wie ihre jeweiligen Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge gelaufen seien. Sie erinnere<br />
sich auch nicht mehr daran, den vorgelegten befristeten Arbeitsvertrag überhaupt<br />
unterzeichnet zu haben.<br />
Das BAG stellt sich im Grunde auf die Seite der Ärztin. Die Einhaltung der Schriftform<br />
nach § 14 Abs. 4 TzBfG erfordere die eigenhändig vom Aussteller durch Namensunterschrift<br />
unterzeichnete Urkunde. Bei einem Vertrag müsse damit die Unterzeichnung auf<br />
derselben Urkunde erfolgen, sofern nicht mehrere gleich lautende Urkunden von jeder<br />
Partei für die andere Partei unterzeichnet werde. Eine Paraphierung sei keine Schriftform<br />
in diesem Sinne. Es müsse sich vielmehr um einen Schriftzug handeln, der sich als<br />
Wiedergabe eines Namens darstelle und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung<br />
erkennen lasse. Darüber hinaus lässt das BAG das Bestreiten mit „Nicht-mehr-Wissen“<br />
zu. Gesetzlich ist nur das Bestreiten mit Nichtwissen geregelt. Ein solches Bestreiten ist<br />
nur dann möglich, wenn die behaupteten Tatsachen weder eine eigene Handlung der<br />
Parteien noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung sind. Bei einem Dokument, das<br />
die Ärztin selbst unterzeichnet hat, trifft das eigentlich nicht zu. Das BAG hat der Ärztin<br />
im zitierten Urteil aber zugestanden, bei einem länger zurückliegenden Zeitraum und<br />
auch der nicht gegebenen Möglichkeit, zumutbar durch Nachforschungen Kenntnis zu<br />
erlangen („Nicht-mehr-Wissen“), dieses prozessuale Mittel anzuwenden und begründet<br />
es damit, dass das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip dies erfordere.<br />
Praxis-Tipp<br />
Im Ergebnis fordert das BAG die eigenhändige Unterschrift der Arbeitgeber<br />
unter alle Verträge und erweitert gleichzeitig die prozesstaktische Möglichkeit<br />
für den Arbeitnehmer, nämlich sich auf „Nicht-mehr-Wissen“ und damit prozessual<br />
gesprochen „Nichtwissen“ zu berufen, so dass der Arbeitgeber den vollen<br />
Beweis zu erbringen hat. Dies betrifft sowohl die Einhaltung von Formvorschriften<br />
als auch vertraglichen Vereinbarungen. Daher sollten Arbeitgeber künftig<br />
besonders darauf achten, Personalakten klar und mit eindeutigen, d.h. eigenhändig<br />
unterschriebenen Dokumenten zu führen.<br />
Ältere Arbeitnehmer erhalten zusätzliche Urlaubstage<br />
Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 21.10.2014 (9 AZR 956/12) entschieden.<br />
Das Bundesurlaubsgesetz schreibt grundsätzlich nur Mindestgrenzen hinsichtlich<br />
der Dauer des jährlichen Urlaubsanspruches vor. Positive Abweichungen<br />
zugunsten des Arbeitnehmers in Tarif- und Arbeitsverträgen sind stets zulässig. Mit<br />
oben genannter Entscheidung gilt dies sogar dann, wenn ältere Arbeitnehmer einen<br />
längeren Jahresurlaub als jüngere Arbeitnehmer erhalten. Unter bestimmten Voraussetzungen<br />
sei die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters gerechtfertigt und<br />
verstoße nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.<br />
Das BAG hatte über folgenden Fall zu entscheiden: Geklagt hatte eine 54 Jahre alte<br />
Produktionsmitarbeiterin des Schuhherstellers Birkenstock. Die nicht tarifgebundene<br />
Arbeitgeberin hatte ihren Arbeitnehmern in der Produktion nach Vollendung des<br />
58. Lebensjahres freiwillig in Anlehnung an den Manteltarifvertrag der Schuhindustrie<br />
vom 23.4.1997 einen zweitägigen Mehrurlaub gewährt. Die Klägerin fühlte sich des-<br />
ArbR 1/<strong>15</strong> Seite 8