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Helmut Schulitz Essay.pdf - Fk3.tu-braunschweig.de

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DBZ-Archiv<br />

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09.08.2005<br />

DBZ 1/2001<br />

Architektur<br />

Architekten<br />

Text<br />

<strong>Schulitz</strong> und Partner,<br />

Braunschweig<br />

Klaus-Dieter Weiß, Min<strong>de</strong>n<br />

Systematische Collagen<br />

<strong>Schulitz</strong> + Partner Architekten<br />

Für <strong>Helmut</strong> C. <strong>Schulitz</strong>, <strong>de</strong>r schon in Los Angeles immer lehren<strong>de</strong>r,<br />

forschen<strong>de</strong>r und praktizieren<strong>de</strong>r Architekt war, wird Architektur mit<br />

drei „C" geschrieben: Content, Construction, Context.<br />

"Wir sind überzeugt, dass die mo<strong>de</strong>rne Architektur noch immer eine<br />

Zukunft hat... Wir sind überzeugt, dass die Probleme <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen<br />

Architektur sich nicht lösen lassen, solange wir nicht eingestehen, dass<br />

in <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne formale Verän<strong>de</strong>rungen an <strong>de</strong>r Oberfläche mehr zählten<br />

als reale Verän<strong>de</strong>rungen... Es gibt uns Architekten zu <strong>de</strong>nken, dass viele<br />

überzeugen<strong>de</strong> Beispiele <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne immer dann entstan<strong>de</strong>n, wenn<br />

Projekte frei von überbrachten Regeln <strong>de</strong>r Architektur und ohne formale<br />

Ansprüche und Kunstambitionen rein aus <strong>de</strong>n Bedingungen <strong>de</strong>r Aufgabe<br />

entwickelt wur<strong>de</strong>n; dies vor allem im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt, als Mathematiker,<br />

Gärtner, Ingenieure und Unternehmer Bauten mit nie zuvor gekannten<br />

Mitteln und Techniken errichteten." Man wird wohl eine Weile suchen<br />

müssen, um eine Architektenmonographie zu fin<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r - noch dazu<br />

vom Architekten selbst - so grundlegen<strong>de</strong> und offene Worte fallen. Seine<br />

eigene Einführung in die "unvollen<strong>de</strong>te Mo<strong>de</strong>rne" übertrifft das ohnehin<br />

viel kürzere Vorwort von Colin Davies an Tiefgang und Anregung zu<br />

subversivem Denken bei weitem. [1] Kürzlich erst fragte die für ihre<br />

theoretische Grundlagenarbeit gerühmte Schweizer Architekturzeitschrift<br />

"Werk, Bauen + Wohnen" nach <strong>de</strong>m "Bauen mit System" und stellte<br />

unter Hinweis auf Hans Schmidt fest: "Zum Schicksal <strong>de</strong>r Architektur<br />

gehört, weniger an ihren Metho<strong>de</strong>n und Gesetzen als an ihren<br />

physischen Erzeugnissen gemessen zu wer<strong>de</strong>n. Ist eine entwerferische<br />

Tätigkeit, die außerhalb gängiger Bil<strong>de</strong>rwelten ansetzt, noch<br />

lebensfähig Welches Interesse besteht heute noch an solch<br />

klassischen Fragen <strong>de</strong>r Architekturgeschichte wie Rationalisierung und<br />

Standardisierung Heute, in "postfordistischen" Zeiten, haben taktische<br />

Versuche, auf <strong>de</strong>n Bauprozess systematisierend einzuwirken und<br />

daraus wie<strong>de</strong>rum eine Systematisierung formaler Entschei<strong>de</strong> abzuleiten,<br />

einen beinahe subversiven Anspruch." [2] <strong>Helmut</strong> <strong>Schulitz</strong> nimmt kein<br />

Blatt vor <strong>de</strong>n Mund, wenn es um Versäumnisse seines Berufsstan<strong>de</strong>s<br />

geht. "Es mag paradox erscheinen, aber Erbe und formale Ambitionen<br />

<strong>de</strong>r Architekten verhin<strong>de</strong>rn oft das Enstehen von 'wirklicher Architektur'."<br />

Das Para<strong>de</strong>beispiel von <strong>Helmut</strong> <strong>Schulitz</strong> ist Albert Kahn. Auf einer<br />

Preisverleihung für vorbildliche Gewerbebauten in Ostwestfalen-Lippe,<br />

bei <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r herrlichen Kulisse <strong>de</strong>r alten Bielefel<strong>de</strong>r Ravensberger<br />

Spinnerei Henry Ford mit seinem berühmten Sparappell in Sachen<br />

Industriebau zitiert wor<strong>de</strong>n war, kommt ihm, <strong>de</strong>m Jury-Vorsitzen<strong>de</strong>n und<br />

weltweit anerkannten Experten für eine konstruktiv-analytische<br />

Architektur, diese Geschichte ganz spontan über die Lippen. Henry Ford<br />

hatte 1922 sein Augenmerk vor allem auf die Baukosten gerichtet: "Wir<br />

<strong>de</strong>nken nicht daran, prunkhafte Baulichkeiten als Symbol unserer<br />

Erfolge aufzuführen. Die Bau- und Erhaltungszinsen wür<strong>de</strong>n nur eine<br />

unnütze Belastung unserer Produkte be<strong>de</strong>uten - <strong>de</strong>rartige Denkmäler


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<strong>de</strong>s Erfolges en<strong>de</strong>n gar zu oft als Grabmonumente. Wir ziehen es vor,<br />

durch unsere Produkte, statt durch die Baulichkeiten, in <strong>de</strong>nen sie<br />

hergestellt wer<strong>de</strong>n, bekannt zu wer<strong>de</strong>n." [3] Nach <strong>de</strong>m Londoner<br />

Kristallpalast von 1851 und <strong>de</strong>m Bradbury Building in Los Angeles von<br />

1893 hatte Albert Kahn mit <strong>de</strong>n Ford-Werken von 1909 unter dieser<br />

Maßgabe aber epochale Industriebauten geschaffen, die selbst Le<br />

Corbusier und Mies van <strong>de</strong>r Rohe begeisterten. Kaum wandte sich Kahn<br />

dagegen öffentlichen Gebäu<strong>de</strong>n zu, die fernab aller sozialen und<br />

technischen Grundlagen nicht unter <strong>de</strong>m Zwang einer konstruktiven<br />

Systematik stan<strong>de</strong>n, entstand nach <strong>de</strong>m Prinzip "L'Art pour l'art" ein von<br />

Inhalt (content), Baukonstruktion (construction) und Umgebung (context)<br />

losgelöster, nur stilbewußter Historismus. <strong>Helmut</strong> <strong>Schulitz</strong> zieht <strong>de</strong>n<br />

Kreis <strong>de</strong>r Formalisten unter <strong>de</strong>n Architekten sehr weit. Peter Behrens mit<br />

seiner AEG-Turbinenfabrik gehört ebenso dazu wie Walter Gropius mit<br />

seinen Fagus-Werken in Alfeld. An<strong>de</strong>rs als die freigestellten Bin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Pariser Maschinenhalle von 1889 verweisen die massiven Eckpfeiler in<br />

Berlin viel eher auf traditionelle Scheunen im Engadin als auf <strong>de</strong>n<br />

eingesetzten Dreigelenkrahmen. Gropius verkehrte die formalen<br />

Prinzipien lediglich in ihr Gegenteil, was sie auch nicht konstruktiver<br />

machte. Selbst Mies van <strong>de</strong>r Rohe mit seiner Lei<strong>de</strong>nschaft für<br />

unverhüllte Stahlskelette gilt in diesem Zusammenhang als Anhänger<br />

formaler Prinzipien, weil es ihm stets mehr um die Systematik<br />

kontinuierlicher Raster und kubischer Formen ging als um die<br />

Umsetzung <strong>de</strong>r diesem Bild wi<strong>de</strong>rsprechen<strong>de</strong>n, variantenreicheren<br />

statischen Anfor<strong>de</strong>rungen. Können Eckstützen, die ihrer Belastung<br />

entsprechen, in unterschiedlichen Geschosslagen wirklich gleichförmig<br />

dimensioniert sein <strong>Helmut</strong> <strong>Schulitz</strong> folgert darum zu Recht: "Die<br />

formale Vereinfachung durch Repetition gleicher Teile muss daher in<br />

erster Linie als gebautes Manifest einer zukünftigen industriellen<br />

Gesellschaft gesehen wer<strong>de</strong>n und nicht als Folge <strong>de</strong>r tatsächlichen<br />

Bautechnik." Mit gleicher Konsequenz zieht <strong>Helmut</strong> <strong>Schulitz</strong> die Dynamik<br />

<strong>de</strong>r Futuristen in Zweifel. Zwar gelingt dieser Formensprache <strong>de</strong>r<br />

schrägen und elliptischen Linien von Sant'Elia bis Men<strong>de</strong>lsohn eine<br />

emotionale Wirkung, die stärker ist als das architektonische<br />

Standardrepertoire aus Vertikalen und Horizontalen. Aber auch diese<br />

Bil<strong>de</strong>r bleiben Stillleben, die mechanische Verän<strong>de</strong>rungen o<strong>de</strong>r<br />

Bewegungen keineswegs erlauben. Das einflussreiche Buch "Der<br />

Internationale Stil" geriet zu einem Rezeptbuch <strong>de</strong>r stilistischen<br />

Prinzipien <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne. Dennoch hält sich bis heute hartnäckig die<br />

Fehleinschätzung, die Mo<strong>de</strong>rne grün<strong>de</strong> auf Funktionalismus und<br />

Bautechnologie und habe Fragen <strong>de</strong>s Stils und <strong>de</strong>s Ausdrucks<br />

vernachlässigt - was in einem wahren Teufelskreis ständig neue<br />

Formalismen entstehen lässt, nicht zuletzt eine in vielen ihrer<br />

Ausprägungen sehr zweifelhafte Variante namens High Tech.<br />

Die unvollen<strong>de</strong>te Mo<strong>de</strong>rne<br />

<strong>Helmut</strong> <strong>Schulitz</strong> sucht nicht nach Monumentalität, nach oberflächlichem<br />

Schein, nach <strong>de</strong>r Kontinuität eingeführter Motive und Archetypen.<br />

Quadrat und Kreis, auch wenn sie von Louis Kahn stammen, sind ihm<br />

ebenso architektonische Floskeln wie "Zugseile" ohne je<strong>de</strong> statische<br />

Funktion. Wenn die Bindung eines dreieckigen Grundstückszuschnitts<br />

aber dazu herausfor<strong>de</strong>rt, wie beim eigenen Bürohaus mit darüber<br />

angeordneten Wohnungen in Braunschweig, dann lässt sich eine<br />

"systematische Collage" auch darauf sehr reizvoll entwickeln. Ziel ist<br />

nicht nur das architektonische Ergebnis son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r konstruktive<br />

Weg dorthin. Architektur entsteht für <strong>Helmut</strong> <strong>Schulitz</strong> immer dann, wenn<br />

<strong>de</strong>r Weg <strong>de</strong>r Realisierung zum Einen einfach, logisch und effizient ist<br />

und zum An<strong>de</strong>ren noch im fertigen Gebäu<strong>de</strong> ablesbar bleibt. Kurz<br />

gefasst: Konstruktion wird Architektur. Dazu gehört <strong>de</strong>r Einsatz<br />

massenproduzierter, modular koordinierter Bauelemente, die einerseits<br />

in ihrer Systematik <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen industriellen Fertigung entsprechen,<br />

die an<strong>de</strong>rerseits aber - und das ist das wirklich Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> - nicht<br />

einem begrenzten, "simplen" Baukasten angehören, son<strong>de</strong>rn dank<br />

offener Bausysteme <strong>de</strong>n Gegensatz zwischen industrieller


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Produktionsweise und individuellem Einzelgebäu<strong>de</strong> aufheben. Schon<br />

das berühmte eigene Wohnhaus an einem Steilhang in Beverly Hills im<br />

Jahr 1975 war trotz <strong>de</strong>r Materialien Stahl, Aluminium, Glas nicht etwa ein<br />

Versuch von High Tech im Sinne von Richard Rogers, Norman Foster,<br />

Michael Hopkins o<strong>de</strong>r Nicholas Grimshaw. Es ging <strong>de</strong>m Architekten<br />

nicht um Material und Stil. Geneigte Dächer, Wän<strong>de</strong> aus Kalksandstein<br />

o<strong>de</strong>r Betonstein und ein konstruktives Skelett aus Holz o<strong>de</strong>r Beton sind<br />

darum keineswegs tabu. Entschei<strong>de</strong>nd war und ist bis heute allein die<br />

Systematik <strong>de</strong>s kontruktiven Gefüges. <strong>Schulitz</strong> hatte das eigene<br />

Wohnhaus als Prototyp für ein offenes Bausystem entwickelt, das<br />

vorgefertigte Bauteile "von <strong>de</strong>r Stange" in einem modularen<br />

Ordnungssystem zusammenführte. "Die Sicht, dass in einem System die<br />

Beziehungen <strong>de</strong>r Elemente zueinan<strong>de</strong>r für uns so wichtig sind wie die<br />

Elemente selbst, zieht sich durch unsere Arbeit vom einzelnen Bauteil<br />

bis zum Städtebau." Mit <strong>de</strong>m eigenen Haus wur<strong>de</strong> die Suche nach einer<br />

Mo<strong>de</strong>rne konkret, die sich nicht in Bil<strong>de</strong>rn, einer formalen<br />

Maschinenästhetik und einer formalen Dynamik erschöpft, son<strong>de</strong>rn reale<br />

Verän<strong>de</strong>rbarkeit und Dynamik bietet, die Technik als selbstverständliche<br />

Erweiterung menschlicher Fähigkeiten einsetzt, die auf unterschiedliche<br />

Bedürfnisse individueller Nutzer unterschiedlich reagiert. <strong>Helmut</strong> <strong>Schulitz</strong><br />

sieht sich mit Charles Eames, Buckminster Fuller, Konrad Wachsmann<br />

und Jean Prouvé, die er alle noch persönlich kannte, in einer Tradition<br />

von Außenseitern, die zwar an Be<strong>de</strong>utung gewinnen, aber gegenüber<br />

<strong>de</strong>r eklektischen Stil-Architektur weit im Hintertreffen bleiben. Mit <strong>de</strong>m<br />

großen Manko, dass im Wettlauf mit <strong>de</strong>r Industrie viel Zeit verlorengeht<br />

und die Architekten die von <strong>de</strong>r Industrie zugewiesene Rolle von<br />

Verpackungs<strong>de</strong>korateuren durch Untätigkeit selbst verschul<strong>de</strong>t haben.<br />

Die jüngsten Erfolge von <strong>Helmut</strong> <strong>Schulitz</strong> <strong>de</strong>uten vielleicht auf einen<br />

aktuellen Wan<strong>de</strong>l hin.<br />

Vielfalt durch Systematik<br />

Als <strong>Helmut</strong> <strong>Schulitz</strong> 1966 nach Kalifornien kam, hatte Ezra Ehrenkrantz<br />

gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Prototypen für sein SCSD (School Construction Systems<br />

Development) realisiert. Der springen<strong>de</strong> Punkt dabei war we<strong>de</strong>r die<br />

Architektur noch das Regelsystem, das die Kompabilität <strong>de</strong>r Subsysteme<br />

gewährleistete. Das geschlossene SCSD-Programm war in <strong>de</strong>r Lage,<br />

weitere Subsysteme von Bauelementen zu integrieren, und wur<strong>de</strong> so -<br />

auch durch die Verkaufsinteressen konkurrieren<strong>de</strong>r Firmen - zu einem<br />

offenen System, mit <strong>de</strong>m in kaum zehn Jahren 2000 Schulbauten<br />

entstan<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n USA waren die technischen Voraussetzungen dafür<br />

beson<strong>de</strong>rs günstig, weil die Fertigung von Bauelementen grundsätzlich<br />

an <strong>de</strong>n Fuß-Maßen orientiert ist. <strong>Helmut</strong> <strong>Schulitz</strong> ging diesem Ansatz<br />

wissenschaftlich nach und grün<strong>de</strong>te dazu 1971 an <strong>de</strong>r Universität von<br />

Kalifornien die Arbeitsgruppe T.E.S.T. (Team for Experimental Systems-<br />

Building Techniques). Alle am Markt erhältlichen "Bauteile" (ob sie für<br />

<strong>de</strong>n Bau von Häusern gedacht waren o<strong>de</strong>r nicht) wur<strong>de</strong>n darauf<br />

untersucht, ob sie sich in ein offenes Bausystem aus Standardbauteilen<br />

für <strong>de</strong>n Wohnungsbau integrieren ließen. Neu entwickelte Produkte<br />

wur<strong>de</strong>n in wenigen Einzelfällen nur dann notwendig, wenn <strong>de</strong>r Markt<br />

nichts hergab. Die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r "systematischen Collage" war damit im<br />

Sinne gleichgerichteter theoretischer Überlegungen von Niklaas John<br />

Habraken (SAR) und <strong>de</strong>s am Desinteresse <strong>de</strong>r Bauindustrie<br />

gescheiterten kalifornischen "Case Study" Programms <strong>de</strong>r vierziger und<br />

fünfziger Jahre in die Tat umgesetzt. Je<strong>de</strong>r Bau war individuell mit <strong>de</strong>n<br />

verschie<strong>de</strong>nsten Materialien zu realisieren (selbst an einem Steilhang in<br />

Berverly Hills) und bestand <strong>de</strong>nnoch aus industriellen Halbzeugen,<br />

möglicherweise <strong>de</strong>s Industrie- o<strong>de</strong>r Schiffsbaus, die zum einen in ihrer<br />

Eigenständigkeit erhalten und zum an<strong>de</strong>ren austauschbar und<br />

verän<strong>de</strong>rbar blieben. <strong>Schulitz</strong>: "Wie eine Stadt wächst und sich än<strong>de</strong>rt,<br />

sollte auch Architektur nicht endgültig und in allen Einzelheiten planbar<br />

sein. Was für die Stadt Infrastruktur und Raumplanung auf <strong>de</strong>r einen<br />

Seite und die auswechselbaren Gebäu<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren sind, sollte im<br />

Bauwerk Struktur und Service auf <strong>de</strong>r einen und die sich än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n<br />

Elemente <strong>de</strong>s Raumabschlusses und <strong>de</strong>s Ausbaus auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren


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Seite sein." Mit einem Seitenblick auf die Kurzformeln von<br />

Funktionalismus bzw. Rationalismus bringt er diese Zielsetzung auf die<br />

Sentenz "function follows equipment". Dabei wer<strong>de</strong>n, um die<br />

Vorleistungen bzw. Redundanzen für spätere technische Verän<strong>de</strong>rungen<br />

gering zu halten, die nachrüstbaren Zonen von <strong>de</strong>n universellen<br />

Nutzflächen getrennt. Mit seinem zweiten Motto "more with less" wen<strong>de</strong>t<br />

sich <strong>Helmut</strong> <strong>Schulitz</strong> explizit gegen eine aufgesetzte Rationalität, die im<br />

Sinne von Mies van <strong>de</strong>r Rohe lediglich an <strong>de</strong>r Universalität <strong>de</strong>s<br />

Erscheinungsbil<strong>de</strong>s, nicht aber an <strong>de</strong>r je<strong>de</strong>r Monotonie<br />

wi<strong>de</strong>rsprechen<strong>de</strong>n Vielfalt <strong>de</strong>r Anfor<strong>de</strong>rungen und Bedingungen<br />

orientiert ist. Wenn konstruktive Bauelemente heute dank<br />

computergesteuerter Maschinen auch in <strong>de</strong>r Massenfabrikation auf<br />

je<strong>de</strong>n spezifischen Einzelfall zugeschnitten wer<strong>de</strong>n können, wäre es<br />

reine Propaganda für Reduktion und Universalität, diese Möglichkeiten<br />

nicht zu nutzen. Was <strong>de</strong>n "systematischen Collagen" heute <strong>de</strong>nnoch<br />

entgegensteht, ist zum einen <strong>de</strong>r Trend zu Verbundbauweisen bzw.<br />

Verbundkonstruktionen wie <strong>de</strong>r Stahl-Beton-Verbund o<strong>de</strong>r<br />

raumschließen<strong>de</strong> Sandwichpaneele. Zum an<strong>de</strong>ren verursachen<br />

experimentelle filigrane Konstruktionen trotz ihrer ökologischen und<br />

volkswirtschaftlichen Berechtigung oft höhere Kosten als Standardprofile<br />

und -konzepte, weil die höheren Lohnkosten zu Buche schlagen. Ein<br />

dritter Wi<strong>de</strong>rstand prägt sich in <strong>de</strong>r Erwartungshaltung aus, dass<br />

Architektur intelligent zu funktionieren habe, ohne die aktive Beteiligung<br />

und das Verständnis für die Zusammenhänge ihrer Nutzer. Ob auf<br />

diesem Weg allerdings ein Weg zu sehen ist, die Menschen wie<strong>de</strong>r neu<br />

dazu anzuregen, sich mit Architektur zu beschäftigen und<br />

auseinan<strong>de</strong>rzusetzen, darf man mit <strong>de</strong>m unverbesserlichen<br />

"Mechaniker" <strong>de</strong>r Architektur <strong>Helmut</strong> <strong>Schulitz</strong> getrost in Zweifel ziehen.<br />

Homepage www.schulitz.<strong>de</strong><br />

Literaturangaben: [1] <strong>Schulitz</strong> + Partner. Bauten und Projekte (Vorwort:<br />

Colin Davies, Einführung: <strong>Helmut</strong> C. <strong>Schulitz</strong>), Berlin 1996; [2] André<br />

Bi<strong>de</strong>au: Bauen im System - Bauen mit System; (Editorial), "Werk, Bauen<br />

+ Wohnen"; [3] Henry Ford: Mein Leben und Werk (1922), Leipzig 1923,<br />

S. 43<br />

Prof. Dipl. Ing. <strong>Helmut</strong> C. <strong>Schulitz</strong><br />

1962 Diplom TH München; 1968 Master of Architecture <strong>de</strong>r UCLA, Los Angeles; 1960-<br />

1969 Bürotätigkeit in München, Berlin, Los Angeles; 1975-1983 eigenes Büro, Los<br />

Angeles; Seit 1983 Architekturbüro in Braunschweig; 1969-1982 Professor an <strong>de</strong>r<br />

University of California, LA; Seit 1982 Professor TU Braunschweig

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