Material Vittual für Schulen - Volkstheater Rostock
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<strong>Volkstheater</strong> <strong>Rostock</strong>, Spielzeit 2008/2009<br />
MATERIAL zu „Populärmusik aus Vittula“<br />
Die Not hat ein Ende! Die Zeit der Dorfmusik ist vorbei!<br />
Slogan auf einem Plakat des Hamburger Star-Clubs, Werbung u. a. <strong>für</strong> „The Beatles“, 1962.<br />
Aus: Rock! Jugend und Musik in Deutschland. Hrsg. Haus der Geschichte der BRD. Berlin 2005.<br />
Liebe Lehrerinnen und Lehrer,<br />
„Populärmusik aus Vittula“ ist ein Stück über die Freuden und Schwierigkeiten des<br />
Erwachsenwerdens – mit viel Musik und einem großen Spektakel auf der Bühne. Ein<br />
Stück, das wir besonders <strong>für</strong> Schülerinnen und Schüler empfehlen, weil es alles<br />
aufgreift, was auch Jugendliche heute kennen: die Bedeutung von Freundschaft, das<br />
Gefühl von Enge und Ausgeliefertsein in der Erwachsenenwelt und schließlich die<br />
Befreiung davon durch die Kraft der Musik. In einer trostlosen Welt gibt die<br />
Rock´n´Roll-Musik den Jungen Matti und Niila ein neues Selbstbewusstsein.<br />
Mit diesem kleinen <strong>Material</strong> wollen wir Ihnen Lust machen, sich die Inszenierung mit<br />
Ihren Klassen anzusehen. Wir empfehlen das Stück ab der 7. Klasse (13 Jahre).<br />
Im <strong>Material</strong> enthalten:<br />
Zum Inhalt S. 2<br />
Inszenierungsfotos S. 3<br />
Pressekritiken S. 5<br />
Einige Figurinen S. 8<br />
Zu den Personen: Autoren und Regisseurin S. 10<br />
Texte und Zitate zu Rockmusik und den Beatles S. 11<br />
Zum Roman und Film „Populärmusik aus Vittula“ S. 15<br />
Wissenswertes über „Vittulajänkä“ (ein Glossar) S. 17<br />
Jule Koch (Theaterpädagogik / Dramaturgie)<br />
Tel. 0381 – 381 4724, Mobil 0163 – 39 00 008, E-Mail: jule.koch@rostock.de<br />
Anne Scheel (Kartenverkauf <strong>für</strong> Gruppen)<br />
Tel. 0381 – 381 4704, E-Mail: anne.scheel@rostock.de<br />
Für Schülergruppen ab 10 Personen kosten die Karten je 4,- Euro.<br />
Auf Wunsch können Sie ein Nachgespräch mit den Darsteller/innen verabreden (im<br />
Anschluss an die Veranstaltung) oder einen vorbereitenden Workshop mit der<br />
Theaterpädagogin bei Ihnen in der Schule.<br />
1
Zum Inhalt<br />
Populärmusik aus Vittula<br />
Schauspiel von Ilpo Tuomarila nach dem Roman von Mikael Niemi<br />
Deutschsprachige Erstaufführung<br />
Aus dem Finnischen von Gisbert Jänicke<br />
Matti und Niila wohnen in Vittula, Teil eines abgeschiedenen Dorfes am Ende der<br />
Welt. Die beiden Jungs verbindet der Traum, irgendwann aus dem tristen Heimatort<br />
wegzugehen und sie schließen Freundschaft. Abgesehen von einer neuen<br />
Asphaltstraße, die von einem bescheidenen Aufschwung kündet, scheint die Zeit in<br />
Vittula stehen geblieben zu sein. Unbändiger Alkoholkonsum, religiöse Strenge und<br />
häusliche Gewalt bestimmen das dörfliche Leben in den späten 60er Jahren. Als zur<br />
Beerdigung von Niilas Großmutter zahlreiche Verwandte aus aller Welt anreisen,<br />
bekommt er eine brandneue Beatles-Platte geschenkt. Mit einem Schlag gerät die<br />
Welt der Jungs aus den Fugen. Im Bann der Musik gründen sie die erste Rock-’n’-<br />
Roll-Band des Polarkreises.<br />
Durch die Musik entwickeln sie Selbstbewusstsein und entdecken ihre Wirkung auf<br />
die Mädchen. Der Rock ’n’ Roll hilft ihnen, sich gegen die Strenge der Eltern zu<br />
behaupten und weist einen Weg in eine Welt jenseits des Dorfes. Auch wenn es<br />
getrennte Wege sind, die Matti und Niila am Ende gehen werden.<br />
Populärmusik aus Vittula ist eine kraftvolle, mit viel Humor erzählte und gleichsam<br />
berührende Geschichte über den schwierigen Weg des Erwachsenwerdens, über<br />
eine Freundschaft und die Kraft des Rock ’n’ Roll. Das Stück des preisgekrönten<br />
finnischen Autors Ilpo Tuomarila basiert auf dem bekannten Roman von Mikael<br />
Niemi, der bislang in mehr als 25 Sprachen übersetzt und 2006 <strong>für</strong> das Kino verfilmt<br />
wurde.<br />
ES SPIELEN: Benjamin Bieber, Undine Cornelius, Dirk Donat, Marko Dyrlich,<br />
Hannes Florstedt, Thorben Fritsche, Petra Gorr, Gregor Henze (Gast), Bernd<br />
Hölscher, Axel Holst, Uta Holst-Ziegeler, Siegfried Kadow, Simon Köslich (Student<br />
der HMT <strong>Rostock</strong>), Eugen Krößner, Alexander Müller, Özgür Platte, Lisa Spickschen,<br />
Andrea Stache-Peters, Marie Suttner, Valeska Weber, Ferdinand Wehe (Gast) sowie<br />
Statisterie.<br />
INSZENIERUNG Katariina Lahti<br />
BÜHNE Max Wikström nach Kati Lukka<br />
KOSTÜME Heidi Brambach<br />
MUSIK Juha Tuisku<br />
Premiere 11. Oktober 2008, 19:30 Uhr, Großes Haus<br />
2
Pressestimmen<br />
Skurrilitäten zwischen Sauna und Suff<br />
von Hartmut Krug<br />
http://www.nachtkritik.de/index.phpoption=com_alphacontent§ion=1&cat=1&task=view&id=1<br />
874&Itemid=92<br />
<strong>Rostock</strong>, 11. Oktober 2008.<br />
"Ich bin oben", jubelt Matti auf dem Berg, doch dann klebt er mit den Lippen am Eis fest. In<br />
einer akrobatischen Aktion muss er sich seinen heißen Urin zur Befreiung an den Mund<br />
schütten, und unten, im Tal seiner Erinnerungswelt, wird ihm als Kind von der Mutter in<br />
ähnlicher Situation mit heißem Wasser geholfen.<br />
Gleich mit ihrem ersten Bild versinnlicht Regisseurin Katariina Lahti, worum es in<br />
"Populärmusik aus Vittula" geht: um Stillstand und Aufbruch und um die Selbstfindung von<br />
Jugendlichen. Zwischen "Ich erinnere mich" und "Ich habe mich erinnert" erzählt Matti im<br />
Rückblick von seinem Erwachsenwerden in einer rückständigen, einsamen und armen<br />
Gegend. Dabei plagen ihn die üblichen pubertären Schwierigkeiten, viel mehr aber der ewige<br />
Kreislauf der sozialen Regeln.<br />
Gelungener Kraftakt zum Auftakt<br />
Das finnische Theaterstück von Ilpo Tuomarila entstand nach dem schwedischen<br />
Erfolgsroman von Mikael Niemi aus dem Jahr 2000, der sechs Jahre später verfilmt und bis<br />
heute in mehr als 25 Sprachen übersetzt wurde. Matti und sein Freund Niila wohnen in<br />
Vittula, einem Ortsteil von Pajala, dem Geburtsort von Niemi im nordschwedischen<br />
Grenzgebiet zu Finnland. Hier, wo auch die Erwachsenen zwischen finnischer und<br />
schwedischer Identität auf der Suche nach ihrer eigenen sind und wo man den neuen Lehrer<br />
prüft, welche Sprache und welche Volksgruppe seine ursprünglichen sind, hat Niila aus dem<br />
Radio Esperanto gelernt. Damit verblüfft er die Menschen, als er in der Kirche den<br />
dunkelhäutigen Gastprediger übersetzt. "Ein Wunder!", jubeln alle Niila zu, als sie in der<br />
überfüllten Kirche neugierig ihren ersten "Neger" bestaunen.<br />
"einNorden" heißt das diesjährige Spielzeit-Motto des <strong>Rostock</strong>er Schauspiels, dem seine neue<br />
finnische Schauspieldirektorin Anu Saari einen finnischen Schwerpunkt verordnet hat. Der<br />
Auftakt mit der "Populärmusik aus Vittula" ist ein gelungener Kraftakt: die ausufernde<br />
theatralische Nummernrevue versammelt auf der Bühne ein dreißigköpfiges Ensemble in<br />
großen Bildern. Im Bühnenbild von Max Wikström nach Kati Lukka verbindet eine Schräge<br />
zwei von Bäumen umstandene, schneeberieselte leere Spielebenen. Hier fährt sogar einmal<br />
ein Auto herunter.<br />
Im Heißwasserboiler zum Jüngling gereift<br />
Auch wenn dieses Bühnenbild schnelle Szenenwechsel ermöglicht, gelingt es der Regisseurin<br />
nicht so recht, die vielen kleinen Szenen in einen durchgehenden oder gar soghaften<br />
Rhythmus zu versetzten. Doch etliche wunderbare Einzelszenen gibt es, in denen die<br />
Inszenierung mit atmosphärischem Sound, mit vielen Beleuchtungswechseln und mit<br />
innerszenischen Zeitsprüngen dem vom Autor gewünschten magischen Realismus sehr nahe<br />
kommt.<br />
5
So erkennt der sechzehnjährige Matti, dass er "nirgendwo mehr rein" passt, als er aus einem<br />
mächtigen Heißwasserboiler klettert. Dort, wo er sich als kleiner Junge versteckt hatte und<br />
versehentlich eingesperrt worden war, ist er wie in einer Fruchtblase zu einem Jüngling<br />
gereift. Dann wieder wird eine über die gesamte Bühnenbreite reichende Hochzeitstafel<br />
herein geschoben, oder ein Erbschaftsstreit artet zu einer witzig choreographierten, großen<br />
Schlägerei aus. Und eine alte Frau, bereits im Sarg liegend, erhebt sich immer wieder mit dem<br />
Eingeständnis an den Pfarrer, sie habe gelogen.<br />
Konkurrenzkämpfe in der Sauna<br />
Natürlich wirkt manches auch nur folkloristisch und auf kaurismäkihafte Weise skurril und<br />
klischiert. Es gibt Konkurrenzkämpfe von schweigsamen Männern in der Sauna und beim<br />
Suff, es gibt schrille, alte Frauen und laute, bigotte Sektenprediger. Doch die Inszenierung<br />
spielt auch mit der Skurrilität und den Klischees, und sie setzt sich mit Fundamentalismus und<br />
mit gesellschaftlicher wie individueller Identitätssuche auseinander.<br />
Hier verkörpert jeder in wechselnder Verkleidung abwechselnd jedes Geschlecht und jedes<br />
Alter. Die Darsteller der Jungen, die sich über Beatles-Songs zu einer Rockband finden,<br />
bringen mit ihrem Live-Spiel der Songs "Rock and Roll Music" und "A Hard Day's Night"<br />
das Publikum zur Begeisterung. Und eine geniale Szene gelingen der Regisseurin und den<br />
Schauspielern Benjamin Bieber und Hannes Florstedt auch: Als Matti und Niila ihre erste<br />
Beatles-Platte hören, fährt ihnen die Musik so direkt in den Körper, dass sie deren<br />
Bewegungen nicht mehr zu beherrschen vermögen. Wenn die beiden zappeln und zucken,<br />
wenn sie hin und her springen, dann finden sie aus sich heraus und zugleich zu sich.<br />
Trubel auf der Bühne, Jubel im Zuschauerraum: das in den letzten Jahren leicht kriselnde<br />
Schauspiel zeigte einen imponierenden Auftritt.<br />
6
Kostümentwürfe (Auswahl)<br />
Kostümbildnerin: Prof. Heidi Brambach<br />
8
Personen<br />
Mikael Niemi, schwedischer Autor, Jahrgang 1959, gebürtig in Pajala, wo er aufwuchs und<br />
auch heute lebt. Bereits mit 15 Jahren begann er Lyrik und Kurzgeschichten zu schreiben.<br />
Nach der Schule studierte Niemi zunächst Elektrotechnik und arbeitete als Lehrer und<br />
Jugendbetreuer sowie <strong>für</strong> ein kleines Verlagshaus. 1988 veröffentlichte er eine<br />
Gedichtsammlung, es folgten verschiedene Theaterstücke und Hörspiele. Sein Roman<br />
"Populärmusik aus Vittula" erschien im Jahr 2000. Er bedeutete Niemis nationalen und<br />
internationalen Durchbruch und gilt als das spektakulärste Roman-Debüt, das Schweden je<br />
erlebt hat. Das Buch stand monatelang auf Platz eins der Bestsellerliste, verkaufte sich über<br />
eine Million Mal, wurde in mehr als 25 Sprachen übersetzt und brachte Niemi den<br />
angesehenen schwedischen „Augustpreis“ein. Nach der der Welturaufführung der<br />
Bühnenfassung am Theater Oulu (Finnland) im Jahr 2003 wurde der Roman 2006 <strong>für</strong> das<br />
Kino verfilmt (Regie Reza Bragher). 2006 erschien "Das Loch in der Schwarte", 2008 folgte<br />
der Kriminal-Roman „Der Mann, der starb wie ein Lachs“, der wie "Populärmusik aus Vittula"<br />
zu großen Teilen in Niemis nordschwedischer Heimat spielt.<br />
Ilpo Tuomarila, finnischer Dramatiker und Dramaturg, Jahrgang 1948, geboren in Paimio.<br />
Mit 19 Jahren begann er, an der Universität Turku Politikwissenschaft und Soziologie zu<br />
studieren. Seit 1974 ist Tuomarila freiberuflicher Bühnenautor. Seine Stücke wurden an<br />
zahlreichen finnischen Theatern gespielt, u. a. am Finnischen Nationaltheater, am<br />
Stadttheater Oulu, am Professional Workers Theater Tampere (TTT) und an den<br />
Stadttheatern Helsinki und Turku. Zwischen 1992 und 2007 arbeitete er vorwiegend als<br />
Theaterregisseur am Turkuer Theater, wo er 1991 zunächst als Dramaturg begonnen hatte.<br />
Sein Werk besteht aus mehr als 50 veröffentlichten Theaterstücken, Hörspielen und<br />
Drehbüchern. Einige seiner bekanntesten Stücke sind "In Gehennas Nacht“ (1984), „Exit“<br />
(1986), „Göring“ (1989), „Mäntyranta“ (1998), „Jerusalems Tanz“ (1999), „Die Hennala<br />
Blaskapelle“ (1998), „Populärmusik aus Vittula“ (2003) und „Beljakovs Winter“ (2007).<br />
Zahlreiche Stücke Tuomarilas behandeln jüngste finnische Geschichte. 1988 erhielt er den<br />
Thalia-Preis des Theaterfestivals Tampere <strong>für</strong> das Stück des Jahres („Exit“), 1999 erhielt er<br />
eine Auszeichnung der Finnischen Kritikergesellschaft. 2002 verliehen ihm die Mitarbeiter<br />
des Stadttheaters Turku die „Statue <strong>für</strong> schöpferischen Wahnsinn“.<br />
Katariina Lahti, finnische Theaterregisseurin, geboren 1946 in Savonlinna. Absolventin der<br />
finnischen Theaterhochschule (Teatterikoulut Finnland) im Jahr 1973. Sie studierte zudem<br />
an der Hochschule <strong>für</strong> Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin sowie an der University of Art<br />
and Design in Helsinki (Abteilung Film und Bühnenbild). Sie arbeitete an zahlreichen<br />
Theatern in Finnland u. a. am Finnischen Nationaltheater, am Stadttheater Oulu, am<br />
Professional Workers Theater Tampere (TTT). Lahti inszenierte auch mehrfach in<br />
Deutschland (am Schauspiel Bonn, am Stadttheater Konstanz), in den USA sowie in<br />
Schweden und Norwegen. Ferner arbeitete sie mehrfach <strong>für</strong> das Fernsehen und den<br />
Rundfunk, veröffentlichte verschiedene Essays und Artikel und unterrichtete Theater.<br />
Mehrere Arbeiten der Regisseurin erhielten Preise: Thalia-Produktion des Jahres beim<br />
Tampere-Theater-Festival 1988, Staatliche Auszeichnung <strong>für</strong> den besten TV-Film 1977,<br />
Jussi - beste Regie 1977. Lahti lebt mit ihrem Mann, dem Dramatiker Ilpo Tuomarila in<br />
Helsinki und Paimio.<br />
10
Rockmusik und Beatles<br />
Der Mittelmäßigkeit entkommen<br />
In der Vorstadt bekommst du den Eindruck, dass dir kulturell nichts gehört und dass<br />
du dich in der Einöde befindest. Ich glaube, die meisten Menschen, die auch nur<br />
einen Funken Neugier auf sich selbst verspüren, sehnen sich mit der Zeit danach,<br />
dem zu entfliehen. Sie wollen der Verzweiflung und der allgegenwärtigen<br />
Mittelmäßigkeit der Orte entkommen, an denen wir aufwuchsen. Sie versuchen sich<br />
selbst und irgendwelche Wurzeln zu finden.<br />
David Bowie In: Robert Palmer: Rock & Roll. Die Chronik einer Kulturrevolution. Hannibal Verlag, St.<br />
Andrä-Wördern 1997.<br />
Die Welt verändern<br />
Durch ihr Beispiel gaben die Beatles den Leuten Vertrauen in ihre Fähigkeit, sich<br />
selber und die Welt verändern zu können: IHR könnt es, weil SIE es geschafft haben.<br />
Sie hatten als vier scheinbar durchschnittliche Jungs aus einer hinterwäldlerischen<br />
Stadt in Nordengland angefangen und waren zur Weltsensation geworden, aber auf<br />
diesem Weg hatten sie sich selber in kreative, einfühlsame, immer differenzierter<br />
arbeitende Individuen verwandelt.<br />
Mark Hertsgaard In: Mark Hertsgaard: The Beatles. Die Geschichte ihrer Musik. Mit 24<br />
Schwarzweißfotos von Willi Winkler. Deutscher Taschenbuchverlag, München 1995.<br />
Befreiung durch Ekstase<br />
Das ist das Schöne am Rock ’n’ Roll. Die Verschleißrate ist zwar hoch und der<br />
Lebensstil manchmal tödlich, aber die Überlebenden können in Ruhe weiterhin ihren<br />
Stil praktizieren, während die Besten der nächsten Generation das dionysische Erbe<br />
antreten um sich um das Hauptanliegen zu kümmern – um die Befreiung des<br />
Publikums durch Ekstase. Irgendwo in einer schmierigen Bar. Einem feuchten<br />
Probenraum oder einer Vorstadtgarage, schreiben genau jetzt junge Musiker mit<br />
Gitarren oder Plattenspielern, Schlagzeugen, Drum-Computern, Sequencern oder<br />
Samplern den Soundtrack zur Rock-’n’-Roll-Rebellion von Morgen.<br />
Robert Palmer In: Robert Palmer: Rock & Roll. Die Chronik einer Kulturrevolution. Hannibal Verlag,<br />
St. Andrä-Wördern 1997.<br />
Ist Pop überhaupt politisch<br />
Ja, wie alles, das Geschichte macht.<br />
Ist Pop heute bloß noch ein Schatten von früher<br />
Nein, Pop ist nur etwas anderes geworden.<br />
Pop, Konfrontation ist Alltag. Interview mit Diedrich Diederichsen. In Die Zeit. Hamburg,<br />
14.02.2008.<br />
11
Musikersprüche…<br />
Alle aus: Hollow Skai (Hrsg.): Lebensweisheiten berühmter Popmusiker. 666 unterhaltsame Zitate <strong>für</strong> Reden, E-Mails,<br />
Gästebücher… Humboldt Verlag, Baden-Baden 2005.<br />
Um eine Band zu sein, muss man eine Band sein.<br />
Smudo von Die fantastischen Vier, 2005<br />
Es ist einer der Hauptvorteile des Musikerdaseins, dass die Mädchen sich vorher<br />
nicht noch lange unterhalten wollen.<br />
Keith Richards, 2002<br />
Ein Freund ist jemand, der dich uneingeschränkt du selbst sein lässt.<br />
Jim Morrison, 1968<br />
Du musst dich deiner tiefsten Angst stellen: Danach hat die Angst keine Macht mehr<br />
über dich. Deine Furcht vor der Freiheit schrumpft und verschwindet schließlich.<br />
Dann bist du frei.<br />
Jim Morrison, 1969<br />
Wenn ich mich wirklich frei fühle, dann liegt das daran, dass ich immer auf der Flucht<br />
bin.<br />
Jimi Hendrix, ohne Datum<br />
Musik kann einen stark machen. Sie kann einen 15-Jährigen, der von allen nur fertig<br />
gemacht wird und das Gefühl hat, nichts wert zu sein, seine beiden Mittelfinger<br />
hochstrecken und ihn sagen lassen: „Fuck you. Ihr wisst nicht, wer ich bin.“ Musik<br />
kann einem helfen, die eigene Individualität zu respektieren.<br />
Eminem, ohne Datum<br />
12
Rockmusik<br />
Ausschnitt aus Artikel: http://de.wikipedia.org/wiki/Rockmusik#1960er_Jahre<br />
1960er Jahre<br />
Der Rock ’n’ Roll wurde in den 1960er Jahren im Westen Englands stilistisch verändert. Zwei<br />
der wichtigsten Wegbereiter des Rock dieser Periode sind The Rolling Stones und The<br />
Beatles. Hier ist auch schon die erste Genre-Aufsplitterung zu beobachten, die später<br />
charakteristisch <strong>für</strong> die Rock-Szene werden sollte: Auf der einen Seite standen die Beatles<br />
mit ihrer Beatmusik, die in Anzügen mit Krawatte auftraten und eher zu melodischen,<br />
harmoniegeprägten Songs neigten, und auf der anderen Seite die Rolling Stones, die durch<br />
einen eher rauen Sound auffielen. In der Tradition der Beatles sind dann auch jene Bands zu<br />
sehen, die später eher in die Kategorie Pop-Rock einzuordnen sind, und in der Tradition der<br />
Rolling Stones jene, die rauere Musikstile wie Hard Rock, Punk und Metal spielen.<br />
Die Zeitschrift Rolling Stone bezeichnet den Titel „(I Can’t Get No) Satisfaction“ der Rolling<br />
Stones als die eigentliche Geburtsstunde des Rock.<br />
Durch das Auftreten von Cream, als auch The Jimi Hendrix Experience, begann die Phase<br />
der technisch anspruchsvolleren Themen in der Rockmusik Einzug zu halten. Cream<br />
etablierte in dieser Zeit ausgelassene Improvisationen innerhalb der Rockmusik und<br />
beeinflusste diese seither nachhaltig, u.a. Bands wie Led Zeppelin, Deep Purple, Jeff Beck<br />
Group.<br />
Wie beinahe alle neuen Musikrichtungen war auch die Rockmusik in ihrer Anfangszeit stark<br />
umstritten. Das Auftreten der Protagonisten mit langen Haaren und obszöner, lauter Musik<br />
galt als skandalös. Einzelne Vertreter des Establishments versuchten, die Szene in eine<br />
satanistische Ecke zu drängen. Doch gerade diese Ablehnung trug wahrscheinlich<br />
wesentlich dazu bei, der Rockszene den Status des Rebellischen und Revolutionären zu<br />
geben, den sie bis in die 1970er Jahre behalten sollte und der seinen Höhepunkt in der<br />
Friedensbewegung gegen den Vietnamkrieg fand. Rockmusik und Hippie-Szene sind hier<br />
fest miteinander verbunden. Eine gute Darstellung der damaligen Verhältnisse findet sich im<br />
Musical Hair, das vom Widerstand junger Amerikaner gegen den Krieg im Umfeld der Hippie-<br />
Szene handelt.<br />
Parallel zu den friedensorientierten Hippies bestand eine Szene eher gewaltbereiter Rocker.<br />
Bekannt geworden ist hier vor allem das Umfeld der Hells Angels, eine gewaltsuchende,<br />
ursprünglich amerikanische Motorrad-Gang, die bald international zahlreiche Ableger fand<br />
und dem Image des Rock nachhaltig schadete.<br />
Die Zahl der erfolgreichen Rockmusiker stieg Ende der 1960er Jahre rasant an. Das führte<br />
zwangsläufig zu einer immer stärkeren Aufsplitterung der Szene in eine Vielzahl von<br />
Untergenres, eine Entwicklung, die dazu führte, dass bald jede Band mit einem individuellen<br />
Klangbild sofort ein eignes Genre <strong>für</strong> sich beanspruchte. Dieser Vorgang wurde von der<br />
Musikindustrie gefördert, die aus marketingtechnischen Gründen daran Interesse hatte.<br />
Abseits von der Hippie-Szene entwickelten sich aus der ebenfalls in diesem Jahrzehnt<br />
aufblühenden Experimentalmusik wie bspw. den Klangexperimenten der Gruppe The Velvet<br />
Underground bereits die ersten Punkbands, die ihre Hochzeit in den 1970er Jahren haben<br />
sollten.<br />
13
Artikel aus: http://de.wikipedia.org/wiki/The_Beatles<br />
The Beatles waren eine britische Rockband bestehend aus John Lennon, Paul McCartney,<br />
George Harrison und Ringo Starr. Die Gruppe gehört mit bisher ca. 1,3 Milliarden verkauften<br />
Tonträgern zu den kommerziell erfolgreichsten Bands des 20. Jahrhunderts.<br />
“Many people ask what are Beatles Why Beatles Ugh, Beatles, how did the name arrive<br />
So we will tell you. It came in a vision – a man appeared on a flaming pie and said unto<br />
them ‚From this day on you are Beatles with an «A»‘. ‚Thank you, Mister Man‘, they said,<br />
thanking him.”<br />
John Lennon: Mersey Beat, 1961<br />
Am 7. Februar 1964 landeten die Beatles in einem PanAm-Flugzeug auf dem New Yorker<br />
Flughafen, wo sie 5000 Fans und 200 Journalisten auf dem Rollfeld empfingen. Im<br />
Flughafengebäude fand eine große Pressekonferenz statt, die die Gruppe auf eine<br />
humorvolle Art und Weise meisterte:<br />
Q: “Will you sing something” („Singen Sie etwas <strong>für</strong> uns“)<br />
Lennon: “No, we need money first.” („Nein, nicht ohne vorherige Bezahlung.“)<br />
Q: “What is the secret of your success” („Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs“)<br />
Starr: “We have a press agent.” („Wir haben einen Pressesprecher.“)<br />
Q: “What do you think of the campaign in Detroit to stamp out the Beatles” („Was<br />
meinen Sie zur Kampagne in Detroit, die Beatles auszulöschen“)<br />
McCartney: “We have a campaign to stamp out Detroit.” („Wir haben eine Kampagne,<br />
um Detroit auszulöschen.“)<br />
Q: “What do you believe is the reason you are the most popular singing group<br />
today” („Was ist Ihrer Meinung der Grund da<strong>für</strong>, dass Sie momentan die populärste<br />
Musikgruppe sind“)<br />
Lennon: “We've no idea. If we did we'd get four long-haired boys, put them together,<br />
and become their managers.” („Wir haben keine Ahnung. Wenn wir es wüssten,<br />
würden wir vier langhaarige Jungs suchen und sie managen.“)<br />
Q: “What do you do when you're cooped up in a hotel room between shows” („Was<br />
machen Sie, während Sie im Hotelzimmer auf ihre Auftritte warten“)<br />
Harrison: “We ice-skate.” („Wir laufen Schlittschuh.“)<br />
Q: “How did you find America” ([Hier sind zwei Deutungen möglich, Lennon<br />
antwortete absichtlich auf die vom Fragesteller nicht gemeinte Möglichkeit. „Wie<br />
fanden Sie Amerika“ statt auf „Wie gefällt Ihnen Amerika“])<br />
Lennon: “We went to Greenland and made a left turn.” („Wir sind bei Grönland links<br />
abgebogen.“)<br />
14
Zum Roman und Film „Populärmusik aus Vittula“<br />
Rasende Geschwindigkeit<br />
Ein Lärm! Das Gewitter brach los. Ein Pulverfass explodierte und sprengte das Zimmer. Der<br />
Sauerstoff ging zur Neige, wir wurden gegen die Wände geschleudert, waren an die Tapete<br />
gepresst, während sich die Kammer in rasender Geschwindigkeit drehte. Wir klebten wie die<br />
Briefmarken fest, das Blut wurde uns ins Herz gepresst, sammelte sich in einem darmroten<br />
Klumpen, bevor alles kehrt machte und in die andere Richtung sprang, bis in die Finger und<br />
Zehenspitzen, rote Speerspuren von Blut im ganzen Körper, bis wir wie die Fische nach Luft<br />
schnappten. Nach einer Ewigkeit hielt der Wirbel an. Die Luft sauste durch das Schlüsselloch<br />
wieder davon, und wir fielen als kleine feuchte Häufchen wieder auf den Boden. ROCK ’N’<br />
ROLL MUSIC. BEATLES. Das war zu schön um wahr zu sein.<br />
Mikael Niemi: Populärmusik aus Vittula. Roman. Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt,<br />
btb Verlag in der Random House Gruppe, München 2004.<br />
Zerrissene Gesellschaft<br />
Mikael Niemi über eine zerrissene Gesellschaft<br />
Das Gefühl der Zerissenheit zwischen zwei Kulturen und Sprachen das ist etwas, was alle<br />
Tornedaler kennen. Das erste Mal ist es mir bewusst geworden, als ich aufs Gymnasium<br />
kam. Ich habe den technischen Zweig besucht, und zwei von den insgesamt vier Jahren<br />
habe ich in Luleå verbracht. Luleå liegt etwa 220 Kilometer südlich von Pajala, aber das ist<br />
<strong>für</strong> mich schon Südschweden, eine ganz andere Kultur. … Ich habe mich auf vielfältige<br />
Weise den anderen unterlegen gefühlt, dachte, mit mir stimmt etwas nicht, aber ich hatte<br />
keine Worte da<strong>für</strong>. Das neue Tornedal’sche Selbstbewusstsein hatte sich zu der Zeit noch<br />
nicht herausgebildet…<br />
Unser Tornedal’sches Bewusstsein, unsere Tornedal’sche Identität war nicht<br />
intellektualisiert. Wir hatten ein sehr geringes Bildungsniveau, waren sehr arm. Die Leute<br />
konnten es sich ganz einfach nicht leisten, in die Schule zu gehen. Erst nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg, als Schwedens Wirtschaft schnell wuchs, profitierten auch wir davon. Meine<br />
Generation konnte zur Schule gehen und so waren wir es, die es in Worte fasste: Wir im<br />
Tornedal waren eine Minderheit! Das kam einer Revolution gleich.<br />
Es stimmt, dass sich die gesamte Politik und Kultur in Schweden sehr stark auf den Süden<br />
und die Hauptstadt konzentriert. Es hat dass historische Gründe, dass man das<br />
Machtzentrum in den Süden verlegte. Wir im Norden haben uns aber deswegen immer sehr<br />
ausgeschlossen gefühlt. Das ist sehr traumatisch <strong>für</strong> die eigene Identität. … Bei uns trifft die<br />
indoeuropäische Kultur auf die finnisch-ugrische Kultur und Sprache. Das Finnische hat<br />
außer dem Ungarischen keine anderen Verwandten mehr, während die skandinavischen<br />
Sprachen germanische Sprachen sind und viele Verwandte haben… Für mich sind die<br />
indoeuropäischen Völker Meeresmenschen. Sie leben gerne am Meer, sie brauchen das<br />
Wasser, sie fahren zur See und betreiben Landwirtschaft. Für uns ist der Wald quasi unser<br />
Körper. Ich erinnere mich da an ein Erlebnis mit einer Freundin von mir, die aus Luleå kam.<br />
Ich fuhr mit ihr zu einem sehr abgelegenen Dorf, weit draußen im Tornedal. Damals lebten<br />
dort vielleicht 100 Menschen, heute sind es sicherlich noch weniger. Und ich war so<br />
glücklich! Umgeben vom Wald, von den Vögeln im Wald, es war das richtige Gefühl von<br />
15
Wildnis und ich war so glücklich! Und da merkte ich, dass sie überhaupt nicht glücklich war.<br />
Sie fühlte sich vom Wald eingeschlossen. Für mich dagegen ist der Wald die totale Freiheit.<br />
Hier kann ich mich ganz frei bewegen, ich kann hingehen, wohin ich will, niemand, der mich<br />
hindert oder aufhält, kein Gesetz der Welt. Das ist schwer zu erklären, aber in meinen Augen<br />
ist es diese „Waldkultur“, die uns von den Menschen in Südschweden, die das Meer geprägt<br />
hat, unterscheidet.<br />
… In Pajala leben nur 2.000 Menschen. Man sieht dieselben Gesichter jeden Tag. Man<br />
verfolgt ihr Leben, man sieht ihre Kinder aufwachsen, man sieht sie sterben und lieben. Es<br />
ist ein starkes Netz. Man kennt immer die ganze Familie, die Eltern, die Kinder, die<br />
Großeltern … Die Zeit ist sozusagen auch die ganze Zeit über anwesend. Wir sehen also<br />
nicht bloß das Individuum, sondern das ganze Geschlecht. Das unterscheidet uns, glaube<br />
ich, sehr stark von Großstadtmenschen. Bei uns ist es mehr ein Kollektiv, das man<br />
wahrnimmt, und eine kollektive Verantwortung, die man übernimmt.<br />
… „Populärmusik aus Vittula“ war eine Möglichkeit zu zeigen, dass unsere Kultur viele<br />
angeht. Mit dem Erfolg hatte ich selbst nicht gerechnet. Ich dachte, das sei ein Buch, das<br />
sich bei uns in Nordschweden ganz gut verkaufen wird, aber nicht in Südschweden… Die<br />
Reaktionen bei uns in Pajala waren recht unaufgeregt. Die Leute sagten ja, so ist das hier<br />
bei uns. Als dann die ersten positiven Rezensionen aus Südschweden kamen – und später<br />
dann die Touristen – haben wir uns gefragt: Was geht denn hier ab Und dann dieser<br />
fantastische Erfolg! Das Buch ist in 30 Länder verkauft worden! Ich glaube, das war einfach<br />
Glück. Das Buch kam zur rechten Zeit…<br />
Der Wald, das ist die totale Freiheit! Interview mit Mikael Niemi.<br />
Siehe: „http://www.schwedenkrimi.de/mikael_niemi_interview.htm“, 05.10.2008. Von der Redaktion<br />
gekürzte und leicht bearbeitete Fassung. Alle bearbeiteten Abschnitte erscheinen kursiv.<br />
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Wissenswertes über die Welt von „Vittulajänkä“<br />
Ein Glossar<br />
Pajala<br />
Kleiner Ort in der schwedischen Provinz Norrbotten und in der Region Tornedal, nördlich des<br />
Polarkreises und direkt an der Grenze zu Finnland gelegen. Im Ort leben etwa 2000<br />
Einwohner. Weitere 6.500 Einwohner leben in der gleichnamigen Gemeinde auf einem<br />
Gebiet von zirka 8.000 Quadratkilometern verstreut. Das ergibt eine Bevölkerungsdichte von<br />
etwa 1,5 Einwohnern pro Quadratkilometer. Durch Pajala fließt der mächtige Fluss Torneälv,<br />
der Schweden von Finnland trennt.<br />
Vittula, Kurzform von Vittulajänkkä<br />
Ortsteil bzw. ein nur wenige Straßenzüge umfassendes Viertel in Pajala. Der Name setzt<br />
sich aus zwei Worten zusammen. So enthält er die im Finnischen häufig gebrauchte, derbe<br />
Bezeichnung <strong>für</strong> das weibliche Genital in Verbindung mit der landschaftlichen Bezeichnung<br />
„Moor“. Der Ursprung des Namens ist unklar, er „kam aber sicher daher, dass hier so viele<br />
Kinder geboren wurden. In vielen der Hütten gab es fünf Kinder, manchmal auch mehr und<br />
der Name wurde zu einer art Lobgesang der weiblichen Fruchtbarkeit.“ (Mikael Niemi)<br />
Paskajänkä<br />
An Vittula grenzendes Viertel in Pajala, deutsch: Scheißmoor.<br />
Norrbotten<br />
Die größte und nördlichste Provinz Schwedens. Aufgrund der geografischen Lage sind die<br />
Jahreszeiten deutlicher ausgeprägt als weiter im Süden. Norrbotten ist Schwedens einzige<br />
Provinz, in der man die Mitternachtssonne sehen kann. Hier befindet sich der höchste Berg,<br />
liegt der tiefste See und fließt der mächtigste Wasserfall Schwedens. Charakteristisch <strong>für</strong><br />
Norrbotten sind die Abgelegenheit sowie die unberührte Natur. Das weite Gebirgsland im<br />
Westen der Provinz wird mitunter „Europas letzte Wildnis” genannt. In Norrbotten trifft man<br />
auf drei verschiedene Kulturen und Sprachen: Schwedisch, Finnisch und Samisch.<br />
Tornedal<br />
Region in schwedisch Lappland, rund 100 Kilometer nördlich des Polarkreises. Sie gehörte<br />
bis 1809 zu Finnland und wurde nach dem Ende des Dritten Russisch-Schwedischen<br />
Krieges durch eine willkürliche Grenzziehung seitens Russlands so geteilt, dass ein Teil bei<br />
Finnland blieb und ein Teil, darunter auch Pajala, fortan zu Schweden gehörte.<br />
Meänkieli<br />
Tornedalfinnisch, eigentlich „unsere Sprache“, ist ein finnischer Dialekt, der im Tal des<br />
schwedisch-finnischen Grenzflusses Torneälv in Lappland und Norrbotten beheimatet ist.<br />
Die Anzahl der Sprecher schwankt … zwischen 30.000 und 70.000. Im schwedischen Teil<br />
des Tornedals erhielt sich der Dialekt auf dem Stand des beginnenden 19. Jahrhunderts.<br />
Neuere Entwicklungen der finnischen Sprache wurden nicht übernommen, moderne, vor<br />
allem technische Begriffe sind dem Schwedischen entlehnt. Ab 1888 war Schwedisch<br />
einzige Unterrichtssprache. Die Tornedalfinnen sollten assimiliert werden, da Stockholm ein<br />
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Abdriften der Region nach Russland <strong>für</strong>chtete. Erst 1999 erkannte der Schwedische<br />
Reichstag die finnischsprachige Bevölkerung des Tornedal als Minderheit und Meänkieli als<br />
Minderheitensprache an. „In Meänkieli ist der Wortschatz bemerkenswert entwickelt, was<br />
Flüche und andere Schmähungen anbetrifft“, heißt es in Mikael Niemis Roman „Der Mann,<br />
der starb wie ein Lachs“. In einer wissenschaftlichen Abhandlung wird ferner festgestellt,<br />
dass es auf Meänkieli nur vier Worte <strong>für</strong> Schnee gibt, dagegen aber achtundfünfzig Worte <strong>für</strong><br />
Geschlechtsverkehr.<br />
Lars Levi Læstadius (1800−1861)<br />
Schwedischer Erweckungsprediger in Lappland. Er gilt als „Apostel der Samen“. Er studierte<br />
in Uppsala Theologie und Botanik. Er wurde Pfarrer in Karesuando, der damals nördlichsten<br />
Gemeinde Schwedens und wirkte später als Propst in Pajala, wo er auch begraben ist.<br />
Læstadianismus<br />
Pietistisch-ekstatische Bewegung unter Lappen und Nordfinnen. Ihr Begründer Læstadius<br />
verwarf jegliche Rechtfertigung durch gute Werke und verkündete mystische Ideen. Ein Teil<br />
der Læstadianer in Nordnorwegen verwarf 1852 die Bibel, Taufe und Abendmahl, zerstörte<br />
Kirchen und verjagte Pastoren. Ihr Rädelsführer wurde hingerichtet, Læstadius aber<br />
freigesprochen. Später erfolgte eine Spaltung in die „alten“ Læstadianer, die „neuen“ an<br />
Evangelium und Gesetz festhaltenden Læstadianer und die „Erstgeborenen“, die das wahre<br />
Christentum erst mit Læstadius beginnen lassen. Durch Auswanderung kamen die<br />
Læstadianer auch in die USA. Neben ordinierten Pastoren wirken bis heute auch<br />
unbesoldete Laienprediger.<br />
Schonen<br />
Schonen, schwedisch Skåne, ist eine historische Landschaft und ein Verwaltungsbezirk in<br />
Südschweden, Gebiets-Hauptstadt ist Malmö. Schonen war bis 1658 (Frieden von Roskilde)<br />
dänisch. Selmar Lagerlöf beschrieb Skåne, das eine überwiegend flachwellige Halbinsel ist,<br />
einst als vielfarbigen Flickenteppich. Für Kultur- und Kunstliebhaber hat Skåne in Schweden<br />
besonders viel zu bieten. Hier arbeiten Maler und Künstler, Designer und Kunsthandwerker.<br />
Überall gibt es renommierte und sehenswerte Kunsthallen, Galerien, Ateliers und Museen zu<br />
besichtigen. Und auch die zahlreichen Schlösser, Kirchen und Herrenhäuser in Skåne gelten<br />
als besonders sehenswert.<br />
Thorong La<br />
4.115 Meter hoher Berg-Pass im Annapurna-Massiv, Himalaja Gebirge/Nepal.<br />
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