Andreas Beck (VfB Stuttgart) - Ortsgruppe Wiesbaden
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002_0016_VadW_02_08.qxd 29.01.2008 8:16 Uhr Seite 16<br />
DIE VOLKSGRUPPE<br />
unserer Muttersprache auch notwendig<br />
bleibt. Ziel ist die Öffnung unserer Gesellschaft<br />
für Menschen mit einer anderen<br />
Geschichte und einer anderen Kultur”,<br />
sagt Dr. Rainer Oechslen, Vorsitzender<br />
der SinN-Stiftung mit Blick auf<br />
das Projekt.<br />
Deshalb appelliert auch die Projektleiterin<br />
an die Deutschen aus der ehemaligen<br />
Sowjetunion, ihre Tradition und ihre Lebensart<br />
in der neuen Heimat nicht abzulegen,<br />
weil sie so viel Wärme und Miteinander<br />
mitbringen, Eigenschaften, die in<br />
der deutschen Gesellschaft zum Teil verloren<br />
gegangen sind und deshalb als Bereicherung<br />
erlebt werden können.<br />
“Ich empfinde mich als Brücke”, so Dr.<br />
Sabine Arnold. Und das ist sowohl direkt<br />
gemeint, weil sie als Slawistin einspringen<br />
kann, wenn es sprachliche Probleme<br />
gibt, als auch hinsichtlich ihrer fundierten<br />
Kenntnisse der russischen und deutschen<br />
Geschichte. Die Motivation für ihr Handeln<br />
findet sich in ihrer eigenen Familiengeschichte:<br />
Ihre Vorfahren mütterlicherseits mussten<br />
1945 vor der Roten Armee aus Westpreußen<br />
flüchten und sich im deutschen<br />
Westen neu einleben. Aufgrund der Entwicklungen<br />
unter dem Naziregime blieb<br />
die weitverzweigte Familie lange gespalten,<br />
über die unheilvollen Zeiten wurde<br />
praktisch nie oder nur in Andeutungen<br />
gesprochen. Aus dem Drang heraus zu<br />
erfahren, wie es hier und wie es dort war,<br />
studierte Sabine Arnold Geschichtswissenschaft<br />
und Slawistik an der Uni Bielefeld.<br />
Während ihrer Promotionszeit lebte<br />
sie in Moskau und arbeitete als freie Autorin<br />
und Regisseurin für Kultur- und<br />
Wissenschaftsredaktionen (ARD, ARTE,<br />
Deutschlandfunk).<br />
Schon damals konnte sie sich davon ein<br />
Bild machen, wie hochwertig die Berufsausbildung<br />
in der ehemaligen Sowjetunion<br />
war. Über das Projekt will sie nun ein<br />
Netz aufbauen, das möglichst vielen<br />
Deutschen aus Russland hilft, ihre Qualifikation<br />
hier nutzbar zu machen. Gerade<br />
durch ehrenamtliches Engagement kann<br />
man nicht nur sein Leben allgemein aufwerten,<br />
sondern auch in den Beruf kommen,<br />
weiß sie aus eigener Erfahrung. Integration<br />
setze voraus, dass man nicht bei<br />
den Defiziten der Neubürger ansetzt,<br />
sondern bei ihren Stärken.<br />
Und so will die Projektleiterin diesen<br />
Menschen auch durch die Kraft des evangelischen<br />
Glaubens Mut machen, Eigeninitiative<br />
und freiwilliges Engagement in<br />
Kirche und Gesellschaft zu entwickeln.<br />
Das Projekt soll den russlanddeutschen<br />
Zuwanderern helfen, in den evangelischen<br />
Kirchengemeinden Halt und Heimat<br />
zu finden, so wie es einst in der alten<br />
Heimat war.<br />
16 VOLK AUF DEM WEG Nr. 2 / 2008<br />
Dr. Arnold will nun dazu beitragen, diese<br />
Gebundenheit im Glauben zu fördern und<br />
den Spätaussiedlern den Weg in die<br />
kirchlichen Gemeinden zu erleichtern<br />
Dabei soll sich keiner abgelehnt fühlen,<br />
weil er die Sprache nicht versteht.<br />
Die ersten Veranstaltungen im Rahmen<br />
des Projektes sind schon angelaufen, und<br />
es hat sich ein kleiner Kreis ehrenamtlicher<br />
Helfer gebildet. Den Auftakt bildete<br />
die eingangs erwähnte Veranstaltung<br />
“Weihnachten in der Heimat”. Mathematiknachhilfe<br />
läuft ebenfalls bereits, und<br />
russlanddeutsche Musiker tragen zur Gestaltung<br />
der kirchlichen Feste bei. Für<br />
den 21. Januar 2008 hatte die Kreuzkirche<br />
Deutsche aus Russland und andere<br />
Interessierte eingeladen, über die Worte<br />
der Bibel nachzudenken und einen spannenden<br />
Kulturaustausch mitzugestalten,<br />
und im Frühjahr beginnt die musikalische<br />
Früherziehung in den kircheneigenen<br />
Kindergärten. Auch ein deutsch-russischer<br />
Musik- und Literaturkreis sowie<br />
das Projekt “Lebensgeschichten der Zuwanderer<br />
- Interviews” sind geplant.<br />
Vom 2. bis 9. Juni will das Projekt mit<br />
einer großangelegten Veranstaltung auf<br />
sich aufmerksam machen. Im Mittelpunkt<br />
steht die Ausstellung “Ein Russlands-Deutsches<br />
Haus” in der Martin-<br />
Niemöller-Kirche Nürnberg-Langwasser,<br />
die einen aufschlussreichen Einblick in<br />
das Leben der Deutschen aus der ehemaligen<br />
Sowjetunion vermittelt. Ein kulturelles<br />
Rahmenprogramm schließt zahlreiche<br />
Höhepunkte ein, unter anderem Auftritte<br />
des Russland-Deutschen Theaters<br />
Niederstetten und der Kabarettistin Lilia<br />
Tetslau sowie eine Lesung der bekannten<br />
russlanddeutschen Autorin Eleonora<br />
Hummel.<br />
Nina Paulsen<br />
Kontakt:<br />
Dr. Sabine Arnold<br />
Georgstr. 10, 90439 Nürnberg<br />
Tel.: 0911–23991930<br />
“Die Zugvögel” von Reinhold Schulz<br />
Leben und Erleben der Deutschen aus Russland im Mittelpunkt<br />
Auch im neuen Buch “Die Zugvögel”<br />
(russisch) von Reinhold<br />
Schulz steht das Leben und Erleben<br />
der Deutschen aus Russland und seiner<br />
eigenen Familie in der ehemaligen<br />
Sowjetunion wie in der neuen Heimat<br />
im Mittelpunkt.<br />
Reinhold Schulz wurde in der Komi<br />
ASSR geboren, wohin seinen Eltern,<br />
deutsche Kolonisten aus Wolhynien, verschickt<br />
worden waren. In Syktywkar<br />
sammelte er Erfahrungen als Elektriker,<br />
Fotograf, Tischler und Funktechniker<br />
und arbeitete nach dem Studiumabschluss<br />
in der Verwaltung der Zivilluftfahrt<br />
(Aeroflot). Seit 1990 lebt Schulz in<br />
Gießen, wo er aufgrund seiner reichen<br />
Erfahrungen im Herkunftsgebiet ein gefragter<br />
Experte im Exporthandel ist.<br />
Er ist Mitglied des Literaturkreises der<br />
Deutschen aus Russland und schreibt Erzählungen,<br />
Kurzgeschichten und Gedichte,<br />
hat zahlreiche Veröffentlichungen in<br />
russischsprachigen Periodika in Deutschland<br />
und im Ausland, aber auch in Literaturalmanachen<br />
und Sammelbänden. 2001<br />
erschien ein Einzelband mit seinen Erzählungen<br />
in russischer Sprache. Einige<br />
seiner Kurzerzählungen sind ins Deutsche<br />
übertragen worden und in Almanache<br />
und Sammelbände des Literaturkreises<br />
eingeflossen.<br />
2006 ist “Die Zugvögel” (“Pereljotnyje<br />
ptizy”) erschienen. Das Buch erzählt die<br />
dramatische, tragische und nicht selten<br />
erschütternde Geschichte einiger Genera-<br />
tionen seiner weit verzweigten Familie,<br />
angefangen bei den Wurzeln in Wolhynien,<br />
der Heimat der Urgroßmutter. Weitere<br />
Stationen sind die Deportation 1915<br />
aus Wolhynien, die Entkulakisierung in<br />
den 30er Jahren und Aussiedlung nach<br />
Karelien, die Deportation 1941 in die<br />
Komi ASSR und Zwangsarbeit in Kotlas,<br />
die Geschichte seiner Eltern, seiner Brüder<br />
und seiner eigenen Familie bis zur<br />
Eingliederung in Deutschland.<br />
Bestellungen beim Autor<br />
unter Tel.: 0641–30 9686<br />
papa-schulz@gmx.de