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EDITION . Ausgabe 2 . Familie<br />
Echt Rolls-Royce? Kann vor dem Hintergrund dieses Erbes ein<br />
Elektrofahrzeug als echter Rolls-Royce durchgehen? Der Phantom<br />
102 EX ist für Müller-Ötvös ein Stimmungsbarometer, mit dem er<br />
grundsätzlich eine Diskussion über alternative Antriebe bei Rolls-<br />
Royce anstoßen will. „Lassen sich die Begriffe ‚Elektro‘ und ‚Luxus‘<br />
überhaupt vereinen? Ergibt das einen authentischen Rolls-Royce? Oder<br />
kommt dabei nur ein Kompromiss heraus?“ Diese Fragen stellte sich<br />
Müller-Ötvös, jedoch nicht, um sie allein zu beantworten. Er hielt<br />
lieber Familienrat. Und das geht heutzutage so: Der Neue wurde<br />
auf eine Grand Tour rund um den Globus geschickt und von Peking<br />
über Dubai, Paris und New York bis Pebble Beach in die Gesellschaft<br />
eingeführt. Die Familie von Stammkunden, potenziellen<br />
Ownern und Meinungsbildnern nahm den jungen Debütanten auf<br />
Probefahrten unter die Lupe, stellte kritische Fragen und erteilte<br />
aufmunternde Ratschläge. Sogar den erweiterten „Freundeskreis“<br />
der Öffentlichkeit bat Müller-Ötvös um seine Einschätzung, mittels<br />
Public Voting auf electricluxury.com. Immerhin knapp 80 % der<br />
Besucher der Website bewerten einen elektrisch betriebenen Rolls-<br />
Royce positiv. Selbst Prominente haben dazu eine Meinung, z. B.<br />
Leonardo di Caprio, der sich mit der Aussage „electric is perfection,<br />
electric is future“ im Forum persönlich zu Wort meldete.<br />
Das Gefühl von „Wooosh“! Mit dieser Haltung steht<br />
er nicht allein. Andrew Martin, Chefi ngenieur des 102EX, gerät,<br />
auf die Kernwerte von Rolls-Royce angesprochen, beinahe<br />
ins Schwärmen. Äußerlich gesehen ist das Fahrzeug –<br />
glamourös ummantelt von 16 Schichten Lack – natürlich eine echte<br />
Beauty. Aber innen lauert das „beast“: Vom ersten Antippen des<br />
„Gaspedals“ steht dem Elektroantrieb das volle Drehmoment zur<br />
Verfügung, und zwar stufenlos. Genau das, so Martin, erzeugt das<br />
Gefühl von „Wooosh“! Damit schließt der 102EX möglicherweise<br />
den Kreis zur ursprünglichen Vision von Charles Rolls und Henry<br />
Royce. Anfang des 20. Jahrhunderts experimentierten die beiden<br />
unabhängig voneinander mit Elektroantrieben in Fahrzeugen. Damals<br />
ließ sich jedoch die Problematik von Reichweite und Aufl adung<br />
nicht zufriedenstellend lösen. Stattdessen entwickelten sie<br />
Motoren, die von Anfang an für ihre Geräuscharmut berühmt waren.<br />
Von daher rührt auch das gefl ügelte Wort, in einem Rolls-Royce<br />
höre man lediglich die Uhr ticken. Wenn man es sich mit dieser<br />
120<br />
Erwartungshaltung bei einer Fahrt im Fond des 102EX bequem<br />
macht, ist man trotzdem überrascht – von der unbeschreiblichen<br />
Art seiner Geräuschlosigkeit. Stille, der man lauschen mag. Stille,<br />
die den wahren Luxus unserer Zeit erleben lässt: den Augenblick<br />
zu spüren, Ruhe zu erleben. Raum, um einfach nur zu sein. Und<br />
das zu genießen. Ultimativ. Ganz ohne Aufsehen.<br />
Ästhetik ist Kult Wie auch immer die Diskussion um alternative<br />
Antriebe ausgehen mag, Torsten Müller-Ötvös wird dafür<br />
sorgen, dass Rolls-Royce weiterhin in Technologie und Stil<br />
führend bleibt. Das Beste nehmen und es besser machen. Die<br />
Werte der Marke zeitgemäß besetzen. Mit untrüglichem Sinn für<br />
Ästhetik. So hatte er 2011 zum hundertsten Jubiläum der „Spirit<br />
of Ecstasy“ den Kultfotografen Rankin mit einer Serie von<br />
100 Fotoporträts beauftragt: Schönheit, Grazie, Allure der berühmten<br />
Figur wurden avantgardistisch inszeniert. Den 102EX<br />
schmückt sie in futuristisch blau beleuchtbarem Makrolon –<br />
und erinnert bei aller Modernität an die gläsernen Kreationen,<br />
die einst Lalique für Rolls-Royce kreierte: Die „Spirit of Ecstasy“<br />
ist mehr als ein Markenzeichen, sie symbolisiert mit ihren<br />
wehenden Gewändern das, was im Rolls-Royce-Sprachgebrauch<br />
„waftability“ heißt, die Fähigkeit des Schwebens, des mühelosen<br />
Dahingleitens. Oder eben auch „Wooosh“.<br />
Bei Rolls-Royce hat man einen langen, sehr langen Atem.<br />
Die beste Basis für fundierte Entscheidungen. Darum soll der<br />
neue E-Nachwuchs zunächst vor allem einmal Impulsgeber sein,<br />
die Perspektive erweitern, wie einst der kleine Lord Fauntleroy.<br />
Das Urteil der „Familie“ wird in nächster Zeit ausgewertet. Und<br />
dass Rolls-Royce es öffentlich annehmen und entsprechend reagieren<br />
wird, lässt uns gespannt bleiben. Keine sichere Nummer:<br />
Ob der Phantom 102EX jemals in Serie produziert wird, steht in<br />
den Sternen. Vielleicht geht es aber darum gar nicht. Denn ganz en<br />
passant setzt Müller-Ötvös mit der Geschichte des kleinen Lords<br />
bei Rolls-Royce ein Signal für etwas anderes. Dass er zuhört, dass<br />
er das Risiko, selbst weniger geliebte Wahrheiten zu hören, eingeht.<br />
Dass er einen auf sympathische Art offenen Austausch pfl egen<br />
will. In einer Wahlfamilie, zu der man sich ausdrücklich wünscht,<br />
dazuzugehören.<br />
HERR ÜBER ROLLS-ROYCE<br />
Kein distinguierter älterer Brite, sondern ein gestylter,<br />
jugendlich-dynamischer Manager mit deutsch-ungarischem<br />
Nachnamen: Torsten Müller-Ötvös, CEO von<br />
Rolls-Royce Motorcars Ltd, begegnet unseren Fragen ganz lässig.<br />
Was er in seinem letzten Job geleistet hat, ist Respekt einfl ößend und<br />
positioniert ihn auf den ersten Blick doch ganz weit weg von Rolls-<br />
Royce. Der Mann hat die Marke MINI zu dem gemacht, was sie<br />
heute ist. Jetzt also das andere Extrem.<br />
Und gleich zu Anfang seiner Laufbahn bei Rolls-Royce die<br />
Frage: Wie könnte ein elektrisch betriebener Rolls wohl aussehen?<br />
Wollen die Kunden von Rolls-Royce überhaupt so ein Auto? „Ich<br />
bin mir sicher, dass wir auch in einem Rolls-Royce langfristig zumindest<br />
gewisse elektrische Fahranteile sehen werden. Wofür wir uns letztendlich<br />
entscheiden wird ganz maßgeblich von dem Ergebnis dieses Tests abhängen,<br />
den wir hier gerade machen. Aber ein solches Auto wird immer den<br />
Maßstäben eines Rolls-Royce genügen.“<br />
Sind Herausforderungen wie diese der Grund dafür, warum<br />
man einen wie Torsten Müller-Ötvös an die Spitze von Rolls-Royce<br />
gesetzt hat? „Die Marke zeitgemäß auszurichten, erfordert mit Sicherheit<br />
die Fähigkeit, sich mit verschiedenen Zielgruppen auseinanderzuset-<br />
zen und deren Wünsche und Vorstellungen zu verstehen – insbesondere<br />
wenn ich nach Asien schaue, wo das Durchschnittsalter unserer Käufer<br />
bei 35 Jahren liegt. Und in dem Sinne lebt eine Marke natürlich auch<br />
davon, von welcher Person sie repräsentiert wird.“<br />
Um herauszufi nden, was für seine Kunden das Beste ist und<br />
wie man die Marke Rolls-Royce kontinuierlich auf neue Zielgruppen<br />
ausrichtet, fl iegt der Mann das halbe Jahr um den gesamten<br />
Globus: „Am meisten Spaß macht mir die Internationalität. Ich habe<br />
noch nie in meinen bisherigen Jobs so faszinierende Menschen kennengelernt<br />
wie bei Rolls-Royce!“