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EDITION . Ausgabe 2 . Familie Oh du schöne Rosenzeit<br />
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Damit wird das ökologische<br />
Prinzip der Nachhaltigkeit<br />
gewahrt: Natur und Umwelt<br />
werden so genutzt, dass ihr<br />
Bestand auf natürliche Weise<br />
nachwachsen kann und das<br />
System erhalten bleibt – auch<br />
für die Kinder und Enkelkinder.<br />
nern brach, unterstellt man ihm nun, ein Agent der CIA zu sein.<br />
Das Urteil lautet auf fünf Jahre Gefängnis, von denen Sanati viele<br />
Monate in Isolationshaft verbringt. Zu Hause im Lalehzar-Tal verweigern<br />
die Bauern unterdessen Sanatis Frau das ohnehin knappe Wasser –<br />
eine vermeintliche Katastrophe. Doch dann geschieht das Wunder.<br />
Die Rosen wachsen dennoch an und blühen üppig. Das macht<br />
Eindruck auf die Bauern. Fortan glauben sie an die Rosenkultur.<br />
Denn diese bringt ihnen bei geringerem Arbeits- und minimalem<br />
Wassereinsatz sehr viel mehr Ertrag als Weizen oder Kartoffeln.<br />
Und sogar mehr als Opium, das sie lange Zeit zur Aufbesserung<br />
ihres spärlichen Einkommens illegal anbauten. Schlafmohnpfl anzungen<br />
waren – und sind – ein Verstoß gegen das Gesetz: Auf<br />
Drogenhandel steht die Todesstrafe.<br />
Das Vertrauen in die Rose als Alternative wächst, als die Bauern<br />
mit der Zeit feststellen, welche Preise die Abnehmer für das von<br />
ihnen produzierte Öl zu zahlen bereit sind. Da Wasser auf 3000 Metern<br />
Höhe bereits bei 90 Grad kocht, bleiben beim Destillieren der Blütenblätter<br />
wichtige Inhaltsstoffe erhalten. Es entsteht ein hochwertiger Rohstoff,<br />
der auf dem Weltmarkt Kilopreise zwischen 5.000 und 6.000 Euro<br />
erzielt. Fünf Tonnen Rosenblätter liefern nach der Destillation ein<br />
Kilo Rosenöl. Dabei ist das sogenannte erste Öl weniger wertvoll<br />
als das zweite, das beim Destillieren des Rosenwassers, einem Nebenprodukt<br />
der Erstdestillation, entsteht. Dieses zweite Öl ist alkohollöslich<br />
– in der Kosmetikindustrie eine begehrte Eigenschaft.<br />
900 Tonnen Rosenwasser und etwa 150 Liter Rosenblütenöl sind<br />
jährlich der lukrative Ertrag bei Zahra.<br />
Ein Philosoph der Freiheit Aber Homayoun Sanati ist ein<br />
Geschäftsmann, der nicht nur seinen Betrieb sieht. Er begeistert<br />
sich für die Gedanken Rudolf Steiners, für dessen „Philosophie<br />
der Freiheit“ und für die Anthroposophie. Besonders interessieren<br />
ihn – vor dem Hintergrund der Sanati-Kinderheime – die Waldorf-Pädagogik<br />
und – in puncto Rosenaufzucht – der biologische<br />
Landbau. Die Idee, dass der Dreiklang von Leben, Arbeiten und<br />
gesellschaftlicher Verantwortung so ausgerichtet sein müsse, dass<br />
der den nachfolgenden Generationen die Lebensgrundlage sichert,<br />
beeinfl usst ihn tief. Mit diesen Vorstellungen von Freiheit und Selbstbestimmtheit<br />
geht er seinen Weg, mit seiner Familie und vielen, die er<br />
in seinem Herzen dazuzählt: seine Schützlinge in den Waisenhäusern<br />
genauso wie seine Angestellten und deren Umfeld. Darum stellt er sein<br />
Unternehmen auf biologisch-dynamische Bewirtschaftung um –<br />
im Iran, zu einer Zeit, in der die sozialen und politischen Spielräume<br />
eng gesteckt sind. Sanati verwirklicht einen veritablen Rudolf-<br />
Steiner-Traum, mitten im wilden Mullahland.<br />
Heute arbeiten über fünfhundert Bauern nach strengen ökologischen<br />
Richtlinien für die Zarah Rosewater Company. Sie bewirtschaften<br />
ihre Felder ohne Pfl anzenschutzmittel, produzieren<br />
ihren eigenen Humus und richten sich bei ihrer Tierhaltung nach<br />
anthroposophischen Regeln. Damit wird das ökologische Prinzip<br />
der Nachhaltigkeit gewahrt: Natur und Umwelt werden so genutzt,<br />
dass ihr Bestand auf natürliche Weise nachwachsen kann und das<br />
System erhalten bleibt – auch für die Kinder und Enkelkinder. Der<br />
Rosenanbau erstreckt sich mittlerweile über eine Fläche von 1500 Hektar<br />
und überzieht das Tal jeden Frühsommer mit einem rosaroten, duftenden<br />
Teppich. Die größten Abnehmer sind französische und deutsche<br />
Biokosmetikhersteller. Zur alljährlichen Ernte, bei der bis zu 50 Tonnen<br />
Rosenblätter täglich eingefahren werden, reisen die Produktionsüberwacher<br />
und Qualitätsprüfer der Kosmetikfi rmen aus dem<br />
fernen Europa an und kontrollieren die Reinheit der Ingredienzen –<br />
mit großem Erfolg. Inzwischen liefert die Zarah Rosewater<br />
Company fünf Prozent der weltweiten Produktion von hochwertigem<br />
kontrolliert-biologisch angebautem Rosenöl.<br />
Auch die sozialen Bedingungen haben sich auf Sanatis Initiative<br />
hin deutlich verbessert. Begabten Kindern wird die Möglichkeit<br />
geboten, in Kerman zur Schule zu gehen. Ziel ist es, dass sie<br />
gut ausgebildet wieder in ihre Dörfern zurückkehren, um dort mitzuarbeiten.<br />
Darüber hinaus werden die Rechte von Frauen gestärkt,<br />
und ein eigens eingerichtetes Gesundheitszentrum vor Ort gewährleistet<br />
die medizinische Grundversorgung. Auch diese Saat scheint<br />
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