FACTS & STORIES 2 (1/2015)

Wie Rainer ihn sich so ansah und überrascht war, wo dieser so plötzlich herkam, musste
er unweigerlich an die Erzählungen über Zwerge von der hier einheimischen Bevölkerung
denken, die er schon auf den Almen und Hütten gehört hatte. Rasch verwarf er diese
wieder, denn so wie diese beschrieben wurden, klein, unproportioniert und hässlich, sah
dieses Männlein nun gar nicht aus, doch ihm war mulmig zumute.
Es war wohl etwas anders gekleidet wie er und wie es heute üblich ist, auch seine Haut
war so anders, sie hatte einen bläulichen Schimmer, die Haare und der Bart waren grauweiß
und seine Augen glichen denen der Chinesen, sie waren recht schmal, wie
zusammengekniffen erschienen sie ihm, als würde ihn die Sonne oder die Helligkeit des
Tages blenden.
Der sonderbare Mann begrüßte ihn und lud ihn ein mit ihm in seine Stadt, die
beeindruckendes bot, zu kommen, er möchte ihm Dinge, Bücher, Bilder und Texte zeigen,
die ihn ins Staunen versetzen werden. Dabei öffnete sich eine Pforte im Fels mit großen
Eisenbeschlägen. Rainer wurde weiter nahegelegt, dass er auch nur mit dem
kleinwüchsigen Mann sprechen sollte und er solle sich alles was er sieht gut merken,
aber sein Wanderrucksack sollte er am Eingang zur eigenen Sicherheit zurücklassen, so
würde er unbeschadet wieder hinausgelangen können.
Rainer war verwundert, versprach aber dem Männlein alles so zu tun, wie er es von ihm
verlangte.
Nun betraten beide einen Durchgang, der recht hoch für einen möglichen Stollen war,
die Wände waren auch sehr glatt und es hingen Lampen an ihnen, die in grünlichem Licht
erstrahlten, sie erschienen wie elektrische Wandlampen, wie Rainer sie in seiner
Wohnung hat und die überall zu finden sind. Am Ende des Ganges angekommen erblickte
Rainer ein Stadttor mit einer Mauer, aber auch Bäume, Wiesen und Felder sah er, nur
war alles etwas anders, die Pflanzen schimmerten leicht blau-türkis, der Himmel dagegen
in einem violetten Farbton.
Nun schritten sie durch das Haupttor und er sah viele hohe Gebäude die eine runde
Form hatten, ähnlich wie Bienenkörbe aus früherer Zeit, nur eben viel,viel größer. Rainer
kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, doch das mulmige Gefühl im Bauch blieb.
Auf ihrem Weg begegneten ihnen einige Leute, die dem kleinen Mann glichen, sie waren
genau wie er von kleinem Wuchs, trugen die selbe Kleidung, hatten blau-schimmernde
Haut und ihre Haare waren grau-weiß. Sie grüßten Rainer und das Männlein, aber er
blieb, wie ihm aufgetragen wurde, stumm und sagte kein Wort, nur mit seinem Begleiter
wechselte er immer wieder ein paar Worte.
Der Mann führte ihn an einem recht großen Gebäude vorbei, das wie zwei runde Türme
aussah, die durch zwei Brücken miteinander verbunden waren, Rainer erfuhr, dass dies
das Rathaus der Stadt sei. Sie überquerten dabei einen großen Platz, der mit einem
prächtigen Säulengang umgeben war, in der Mitte des Platzes stand ein Monument aus
drei Säulen, die mehr an Pfeiler erinnerten und auf denen ein langer Text eingraviert war.
Rainer fragte nach dem Sinn des Ganzen und das Männlein erklärte nur kurz, dies ist ein
Mahnmal an einen großen Krieg, aus dem sie einst als Sieger hervorgingen, seit dem
herrsche bei ihnen Frieden. Nach einigen Minuten kamen sie an einen riesigen
Foto: berggeist007 / pixelio.de