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März 2011: ca. 1,4 MB - Ev. Paul-Gerhardt-Gemeinde Wiesbaden

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meine Gedanken und Sorgen mit nach<br />

Hause, füge sie den privaten Problemen<br />

zu - sie hallen noch lange in mir<br />

nach, halten mich nachts wach.<br />

Ich habe schon lang begriffen, dass ich<br />

in meinem Beruf nicht wirklich heilen,<br />

d.h. im Ursprünglichen Sinne „gesund<br />

machen“ kann. Ich darf begleiten,<br />

„Mit-Tragen“, „Mit-Fühlen“, geduldig<br />

sein, demütig „Dienst“ am Menschen<br />

tun, Beschwerden lindern, in Krankheit<br />

und Einsamkeit helfen und trösten, aber<br />

wirklich „heil machen“, von Krankheit<br />

befreien, kann ich nicht. Das macht<br />

mich bei allem Begreifen oft sehr<br />

wütend und traurig.<br />

So habe ich mir angewöhnt, auch in<br />

meinem Alltag die Dinge des Lebens<br />

und der Arbeit mit Gott zu besprechen.<br />

Meist ist es eine stumme, manchmal<br />

auch eine laute Zwiesprache mit<br />

meinem Herrn. Ich klopfe an seine<br />

Bürotür und bitte um Gehör, um Beistand,<br />

Weisheit, Gelassenheit und<br />

Geduld. Manchmal schimpfe ich mit<br />

Ihm, manchmal erzähle ich ihm einfach<br />

nur, wie es mir geht und fordere ihn<br />

auf, gegenwärtig zu bleiben.<br />

Gott muss über die Maßen geduldig<br />

und gut sein, sonst wäre er wohl<br />

maximal genervt, denn er hält all mein<br />

Schreien und Reden, Jammern, Türklopfen<br />

und Telefonschrillen aus. Ja,<br />

er scheint darauf zu warten, ist für<br />

mich da, fordert mich vehement und<br />

beharrlich auf, ihn zu suchen, zu<br />

bedrängen, mich ihm mitzuteilen. Gott<br />

sei Dank!<br />

Eine grandiose Erfahrung ist es, wenn<br />

man das Handeln Gottes an seinen<br />

Mitmenschen erfahren kann. So gibt es<br />

immer wieder Situationen, in denen aus<br />

medizinischer Sicht keine Hilfe mehr<br />

möglich scheint. Plötzlich aber werden<br />

die Befunde besser, der Patient kommt<br />

unvermuteter Weise wieder zu Kräften,<br />

kann wieder am Leben teilhaben,<br />

kann wieder lächeln, möchte gesunden,<br />

findet unerklärbaren Trost. Wie ist das<br />

zu erklären?<br />

Wenn ich am Bett eines schwer kranken<br />

oder gar sterbenden Menschen<br />

den Mut aufbringe, von Gott zu sprechen,<br />

begegnen mir nur sehr selten<br />

verwunderte oder befremdete Blicke.<br />

Auf die Anfrage, einen Seelsorger ans<br />

Bett zu bitten, kommt stets ein erleichtertes:<br />

„Ja bitte, gern“. Manchmal lasse<br />

ich mich auch selbst zur Einkehr rufen<br />

und bete mit dem Patienten gemeinsam.<br />

In diesen Momenten gebe ich mit<br />

großer Dankbarkeit alle Last an Gott<br />

ab. Das Zimmer des Kranken wird<br />

dann zum Gotteshaus, einem Raum der<br />

stillen Einkehr, der Besinnung, des<br />

Innehaltens vor dem Schöpfer. Alle<br />

Fragen sind dann geklärt.<br />

Es ist immer und in jeder Situation<br />

möglich, mit Gott zu sprechen, ihn<br />

teilhaben zu lassen an meinem, an<br />

unserem, so angetriebenen und rastlosen<br />

Leben. Gott verlangt danach, er<br />

erwartet uns stets und ständig.<br />

Ich kann fröhlich sein in der Gewissheit,<br />

dass Christus uns beschirmt<br />

und beschützt, auch wenn wir so oft<br />

nicht wachen.<br />

Ulrike Sixdorf<br />

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