HAJO94
Das kostenlose Magazion für Lesben, Schwule und Transgender in Schleswig-Holstein
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HAJO 94 | März - Mai 2014<br />
Die Tür ...<br />
(jm) - ... ging mit einem lauten Knarzen auf, das<br />
durch das ganze Treppenhaus hallte. Sie verharrte<br />
plötzlich, mit einen Fuß schon im Treppenhaus<br />
und lauschte. Dabei blickte sie in die<br />
Dunkelheit des Treppenhauses<br />
und nahm nur die schemenhaften<br />
Umrisse des Treppengeländers<br />
wahr. Jetzt war es<br />
wieder still. Nur ab und zu hörte<br />
sie einen der Nachbarn aus<br />
den oberen Etagen husten. Ihr<br />
Blick wanderte auf den Spion<br />
der Tür ihrer Nachbarwohnung.<br />
Er war in der Dunkelheit kaum auszumachen.<br />
Sie wünschte sich, er wäre hell erleuchtet, denn<br />
dann könnte sie sehen, wenn sich jemand hinter<br />
der Tür befände. Sie stand nun schon bestimmt<br />
2 oder 3 volle Minuten in ihrer halb geöffneten<br />
Wohnungstüre und lauschte und wagte weder<br />
eine Bewegung zu machen, noch durch das<br />
Treppenhaus zu schreiten um die Haustüre zu<br />
erreichen. Was, wenn plötzlich jemand vor ihr<br />
stehen würde? Ein Nachbar, der vielleicht zu<br />
dieser späten Stunde heimkommt; zum Beispiel.<br />
Hinter ihr hörte sie leise ihre Küchenuhr zwei<br />
Uhr schlagen. Es war 2 Uhr in der Nacht. Nun<br />
wusste sie, dass sie geschlagene viereinhalb<br />
Stunden damit verbracht hatte sich zu stylen.<br />
Vor 5 Stunden war sie noch ein Mann, der auf<br />
dem Sofa saß und fernsah. Eine Szene in einem<br />
Spielfilm, in dem eine transsexuelle Frau vorkam,<br />
weckte in ihr den Gedanken, heute mal<br />
wieder auszubrechen. Auszubrechen aus ihrer<br />
Rolle! Auszubrechen aus ihrem Alltag! Hinein in<br />
eine wohligere Hülle. Aber das durfte ja niemals<br />
jemand wissen. Um 21.30 Uhr war sie ins Bad<br />
gegangen und hatte sich geduscht, am ganzen<br />
Körper rasiert und dann gestylt. Versteckt in ihrem<br />
Kleiderschrank hatte sie eine große Auswahl<br />
an schönen Kleidern. Und jedesmal wenn sie sie<br />
hervorholte; häufig nur um sie in der Wohnung zu<br />
tragen, bedauerte sie es zutiefst, dass sie diese<br />
herrlichen Kleidungsstücke nie ausführen durfte,<br />
zumindest nie bei Tageslicht und<br />
wo sie gesehen werden könnte.<br />
Das Zuschlagen einer Autotür<br />
auf der Straße riss sie aus ihren<br />
Gedanken. Der Hausschlüssel in<br />
ihrer Hand klimperte ein wenig<br />
und sie spürte, wie ihre Hände<br />
schwitzten. Wieder lauschte sie<br />
angestrengt und vollkommen<br />
regungslos nach verdächtigen Geräuschen im<br />
Haus und auf der Straße. Würde der Türzuknaller<br />
dieses Haus betreten? Oder ein anderes? Gleichzeitig<br />
dachte sie daran, wie albern es für einen<br />
Beobachter erscheinen müsste, wenn er sie da so<br />
regungslos in ihrer halb geöffneten Wohnungstür<br />
stehen sehen würde, so lange. „Jetzt oder<br />
nie“, flüsterte sie sich im Geiste zu - und endlich<br />
bewegte sie sich. Nur einen Schritt. Der Absatz<br />
ihrer hohen Pumps machte ein lautes Geräusch<br />
auf dem Steinboden des Treppenhauses, das sie<br />
erneut für einen Moment zum Erstarren brachte.<br />
Leise und wie in Zeitlupe schob sie den Schlüssel<br />
in das Schloss ihrer Wohnungstüre, machte<br />
eine viertel Drehung mit dem Schlüssel während<br />
sie die Tür leise und ganz langsam schloss. Dann<br />
vollzog sie die viertel Drehung mit dem Schlüssel<br />
in die andere Richtung. Dies war die beste Methode,<br />
die Wohnungstüre wirklich geräuschlos<br />
zu schließen. Zum Glück hat die Tür nicht geknarzt.<br />
Nun lauschte sie wieder. Diesmal, wo sie<br />
nicht mit einem Schritt wieder in ihre Wohnung<br />
verschwinden würde, weil die Türe zu und der<br />
Schlüssel schon abgezogen war, spürte sie deutlich,<br />
wie ihr das Herz bis in den Hals hämmerte.<br />
Sie trug einen knielangen dunkelbraunen weiten<br />
Seite 20 | Gesellschaft