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59 2015<br />

Horses<br />

39<br />

In dieser Haltung<br />

kann sich<br />

die Lunge gut<br />

von hartnäckigem<br />

Schleim<br />

befreien, der<br />

einfach die<br />

Luftröhre herabgleitet.<br />

Zuchtpferde profitieren besonders von ausgiebigem Weidegang.<br />

Dank reichlicher Bewegung wird die<br />

wohltuende frische Luft tief eingeatmet.<br />

für gesunde, stabile Knochen und<br />

hat noch viele weitere wichtige<br />

Funktionen im Organismus. Die<br />

Sonne reguliert aber auch über<br />

die Schwankungen der Tageslichtlänge<br />

den Fruchtbarkeitszyklus<br />

unserer Pferde. Kann das Pferd<br />

die zunehmenden und abnehmenden<br />

Tageslichtlängen nicht<br />

wahrnehmen, können Fruchtbarkeitsprobleme<br />

die Folge sein – insbesondere<br />

für Zuchtpferde ist der<br />

tägliche Aufenthalt im Freien also<br />

ein „Muss“.<br />

Ganz wichtig: Sozialkontakte!<br />

Pferde sind Herdentiere, sie können<br />

nur im Sozialverband richtig<br />

Pferd sein. Der dauernde Aufenthalt<br />

in der Box ist für sie ebenso<br />

belastend wie Einzelhaft für den<br />

Menschen, der gemeinsame Weidegang<br />

mit Artgenossen ist kein<br />

Bonus, sondern ein Muss. Auch<br />

wenn es nicht immer friedlich<br />

zugeht, sich nicht alle Pferde gut<br />

leiden können, der Kontakt und<br />

die Interaktion sind für sie sicher<br />

ebenso wichtig wie für uns Zweibeiner<br />

– auch wenn man mit der<br />

Übertragung menschlicher Vorlieben<br />

auf Tiere generell vorsichtig<br />

sein sollte, in diesem Fall ist der<br />

Vergleich zulässig!<br />

Nicht zuletzt ist der Weidegang<br />

auch mit der Aufnahme natürlicher<br />

Nahrung auf arttypische<br />

Weise verbunden. Über lange<br />

Zeiträume verteilt werden Gräser<br />

und Kräuter in kleinen Mengen<br />

aufgenommen, wobei das Pferd,<br />

gemütlich Schritt vor Schritt setzend,<br />

mit gesenktem Kopf über<br />

die Weide schlendert. Es kann sich<br />

erlauben, ein wenig wählerisch zu<br />

sein, kann sich Zeit lassen, schlingt<br />

nicht aus lauter Langeweile seine<br />

Futterration hinunter. Alles Faktoren,<br />

die dem Pferd guttun!<br />

Fett, faul und verletzt?<br />

Zugegeben, bei so manchem<br />

Pferd schlägt der Weidegang auf<br />

die schlanke Linie. Das erkennbar<br />

rundere Bäuchlein ist darauf<br />

zurückzuführen, dass der Bauchraum<br />

nun mit voluminöserem Futter<br />

gefüllt ist. Wo die Leibesmitte<br />

allzu üppig wird, beeinträchtigt sie<br />

natürlich die sportliche Leistung;<br />

Übergewicht ist ausserdem eine<br />

ernst zu nehmende Gefahr für das<br />

Pferd, da nicht nur Trageapparat<br />

und Kreislaufsystem belastet werden,<br />

sondern auch die Gefahr der<br />

Wohlstandskrankheit „Equines<br />

Metabolisches Syndrom“ ansteigt<br />

– ein mit der Zuckerkrankheit des<br />

Menschen in etwa vergleichbares<br />

Gesundheitsproblem, das kaum in<br />

den Griff zu bekommen ist. Manche<br />

Pferde laufen auf allzu reichhaltigen<br />

Weiden auch Gefahr, an<br />

der Hufrehe zu erkranken, einer<br />

sehr schmerzhaften Entzündung<br />

der Huflederhaut. Kein Pferd muss<br />

aber auf Weidegang verzichten,<br />

Abhilfe schafft eine sorgfältige<br />

Begrenzung der Futteraufnahme<br />

durch Portionierung des Weidelandes<br />

oder durch einen als<br />

„Fressbremse“ bezeichneten speziellen<br />

Maulkorb, der das Grasen<br />

stark einschränkt.<br />

Wenn sich ein Pferd beim gemeinsamen<br />

Training nicht<br />

100%ig anstrengt, so heisst es<br />

schnell, es sei faul. Gern wird<br />

der Weidegang für die als gering<br />

empfundene Lauflust verantwortlich<br />

gemacht, aber das<br />

stimmt meist nicht. Aus der Perspektive<br />

des Pferdes betrachtet,<br />

heisst Weidegang vor allem,<br />

dass es sich Bewegung nach<br />

Herzenslust verschafft und kein<br />

Bewegungsstau entsteht, wie er<br />

oft eine Folge der beengten Aufstallung<br />

im Winter ist. Ein bewegungsarm<br />

gehaltenes Pferd wird<br />

unter dem Sattel subjektiv fleissiger<br />

erscheinen, weil es endlich,<br />

endlich ein Ventil für 23 Stunden<br />

Langeweile und Stillstand bekommt<br />

… Stimmt man Training<br />

und Weidegang gut miteinander<br />

ab, wird ein Pferd bei der Arbeit<br />

unter dem Sattel locker und gut<br />

konditioniert arbeiten können.<br />

Die mit dem (gemeinsamen)<br />

Weidegang verbundene Verletzungsgefahr<br />

stellt sich insgesamt<br />

als gering dar. Bei sozial ungeübten<br />

oder langjährig einzeln und<br />

bewegungsarm aufgestallten<br />

Pferden empfiehlt sich eine sorgsame,<br />

langsame und schrittweise<br />

Gewöhnung an die ungewohnten<br />

Freiheiten, bei allen anderen<br />

kommt es nur sehr selten zu Verletzungen,<br />

etwa durch Raufereien<br />

oder ungeschickte Bocksprünge.<br />

Statistisch gesehen sparen Pferdebetriebe<br />

bei der Umstellung von<br />

Boxenhaltung auf Gruppenauslaufhaltung<br />

inklusive Weidegang<br />

sogar Tierarztkosten in erheblichem<br />

Masse ein, das gilt selbst für<br />

die angeblich so empfindlichen<br />

warmblütigen Turnierpferde …<br />

Der Weidegang gehört zur artgerechten<br />

– und das heisst immer<br />

auch pferdefreundlichen – Haltung<br />

einfach dazu. Ein zusätzliches<br />

Plus: Er entlastet den Menschen,<br />

der sein Pferd gut versorgt weiss,<br />

da dessen arttypische Grundbedürfnisse<br />

erfüllt werden. Nutzen<br />

Sie zusammen mit Ihrem Pferd<br />

die schöne Jahreszeit, der nächste<br />

Winter kommt bestimmt. Raus aus<br />

dem Stall, rauf auf die Weide, das<br />

tut gut!<br />

Text und Fotos: Angelika Schmelzer<br />

Natürliches Sonnenlicht kurbelt die Produktion<br />

von Vitamin D an und bringt das Zuchtgeschehen<br />

auf Trab.<br />

Ein Pferd ist kein Pferd – Pferde<br />

brauchen die Gemeinschaft.

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