16.11.2012 Aufrufe

schwerpunkt balkan - HochschülerInnenschaft an der Universität für ...

schwerpunkt balkan - HochschülerInnenschaft an der Universität für ...

schwerpunkt balkan - HochschülerInnenschaft an der Universität für ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

No M<strong>an</strong>’s<br />

L<strong>an</strong>d?<br />

Text: Alex<strong>an</strong><strong>der</strong> Bogner<br />

Wenn m<strong>an</strong> d<strong>an</strong>ach gefragt wird, die besten<br />

Komödien, Actionfi lme, Kriegsfi lme und<br />

Liebesfi lme <strong>der</strong> letzten Jahre aufzuzählen,<br />

so wissen die meisten Personen gar nicht erst,<br />

wo sie <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gen sollen und welcher Film auf so<br />

einer Liste auf keinen Fall fehlen darf. Wird m<strong>an</strong><br />

hingegen aufgefor<strong>der</strong>t interess<strong>an</strong>te Filme vom<br />

sogen<strong>an</strong>nten Balk<strong>an</strong> zu nennen, so sieht die<br />

Sache meist schon g<strong>an</strong>z <strong>an</strong><strong>der</strong>s aus: M<strong>an</strong> erntet<br />

l<strong>an</strong>ge Mienen, Kopfschütteln und längere Pausen.<br />

Den meisten Menschen rutscht nach einiger Zeit<br />

<strong>der</strong> Name Emir Kusturica – „<strong>der</strong> Fellini des Balk<strong>an</strong>“,<br />

wie er auch gen<strong>an</strong>nt wird - heraus, aber die Balk<strong>an</strong>fi<br />

lmszene auf einen einzigen Namen zu reduzieren<br />

wäre d<strong>an</strong>n wohl doch nicht g<strong>an</strong>z gerecht.<br />

Filmtitel wie „Un<strong>der</strong>ground“ o<strong>der</strong> „Schwarze<br />

Katze, weißer Kater“ hat m<strong>an</strong> schon einmal<br />

gehört und vielleicht auch gesehen, doch Filme<br />

wie „No M<strong>an</strong>’s L<strong>an</strong>d“ von T<strong>an</strong>is T<strong>an</strong>ovic, <strong>der</strong><br />

da<strong>für</strong> 2002 den Oscar© <strong>für</strong> den besten fremdsprachigen<br />

Film erhielt und damit den großen Favoriten<br />

„Die fabelhafte Welt <strong>der</strong> Amelie“ ausstach, o<strong>der</strong><br />

„Before the Rain“ von Milcho M<strong>an</strong>chevski sind<br />

<strong>der</strong> breiten Masse unverständlicherweise außerhalb<br />

ihrer Herkunftsl<strong>an</strong>dgrenzen weitestgehend<br />

unbek<strong>an</strong>nt und zweiterer im deutschsprachigen<br />

Raum nicht einmal auf VHS, geschweige denn auf<br />

DVD erhältlich.<br />

T<strong>an</strong>is T<strong>an</strong>ovic reduziert in seinem Debütfi lm „No<br />

M<strong>an</strong>’s L<strong>an</strong>d“ die Situation des Krieges zwischen<br />

Bosniern und Serben auf wenige Darsteller und<br />

einen einzigen Schauplatz: einen Schützengraben<br />

im Niem<strong>an</strong>dsl<strong>an</strong>d - zwischen <strong>der</strong> serbischen<br />

und <strong>der</strong> bosnischen Frontlinie. Dort treffen 1 Serbe<br />

und 2 Bosnier aufein<strong>an</strong><strong>der</strong>, von denen einer auf<br />

einer Mine liegt und sich aufgrund <strong>der</strong> be<strong>für</strong>chteten<br />

Detonation nicht bewegen darf. Eine Kriegskomödie,<br />

die es trotz o<strong>der</strong> gerade wegen des darin<br />

enthaltenen Humors schafft, die Tragik <strong>der</strong> Kriegssituation<br />

nicht zu vernachlässigen.<br />

Ob <strong>der</strong> Oscar <strong>für</strong> „No M<strong>an</strong>’s L<strong>an</strong>d“ gegen Je<strong>an</strong>-<br />

Pierre Jeunets „Die fabelhafte Welt <strong>der</strong> Amelie“<br />

gerechtfertigt war, darüber lässt sich streiten. Fest<br />

steht jedoch, dass „No M<strong>an</strong>’s L<strong>an</strong>d“ nicht nur als<br />

Beitrag zum Balk<strong>an</strong>-Konfl ikt ein sehr wichtiger<br />

Film ist, son<strong>der</strong>n auch mit ein Grund war, die<br />

bosnisch-herzegowinischen Behörden darauf aufmerksam<br />

zu machen, dass das Medium Film ein<br />

erstklassiges Aushängeschild und ein rentables<br />

Exportprodukt sein k<strong>an</strong>n. Seither gibt es in Bosnien-<br />

Herzegowina neben einem Filmför<strong>der</strong>ungsgesetz<br />

auch einen Fonds <strong>für</strong> einheimisches Schaffen,<br />

was <strong>an</strong>gesichts <strong>der</strong> leeren Staatskassen und <strong>der</strong><br />

m<strong>an</strong>gelnden Kulturpolitik fast schon einem Wun<strong>der</strong><br />

gleichkommt. Die Abneigung dieser Filme mag<br />

daher rühren, dass ihnen schon <strong>der</strong> Ruf vorauseilt<br />

eine schwere Kost darzustellen und in <strong>der</strong> Tat ist es<br />

so, dass viele fi lmische Produktionen sich thematisch<br />

mit dem Kriegsszenario ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzen.<br />

Dies ist auch kaum verwun<strong>der</strong>lich, hat doch dieser<br />

Krieg die gesamte Bevölkerung, nicht zuletzt<br />

die Künstler, über Jahre in ihrer Existenz wesentlich<br />

bestimmt. Und wie sonst, wenn nicht aus <strong>der</strong><br />

Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung mit den Abgründen <strong>der</strong><br />

Gegenwart, entsteht Kunst?<br />

Als eine <strong>der</strong> größten Plattformen <strong>für</strong> südosteuropäische<br />

Filme hat sich das Sarajevo Film<br />

Festival etabliert, das 1995 inmitten <strong>der</strong> belagerten<br />

Stadt gegründet wurde und das heute als das<br />

größte Filmfestival Südosteuropas gilt. 2003<br />

war <strong>der</strong> von Novotnyfi lm co-produzierte Film des<br />

Regisseurs Pjer Zalica „Gori Vatra – Feuer!“<br />

nicht nur <strong>der</strong> Eröffnungsfi lm des Festivals, son<strong>der</strong>n<br />

ging auch als dessen Gewinner hervor.<br />

In den letzten Jahren wurde die Zusammenarbeit<br />

zwischen österreichischen Filmemachern und<br />

Filmemachern aus dem Balk<strong>an</strong> bzw. mit <strong>der</strong><br />

Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung des Themas durch Filme<br />

wie „Donau, Duna, Dunaj, Dunav, Dunarea“<br />

von Gor<strong>an</strong> Rebic o<strong>der</strong> „011 Beograd“ von<br />

Michael Pfeifenberger beson<strong>der</strong>s offensichtlich.<br />

Filmakademie und Balk<strong>an</strong><br />

Das Thema beschäftigt vor allem auch viele<br />

junge Filmemacher und gerade in den letzten<br />

Jahren kamen einige Filme von Studenten <strong>der</strong><br />

Filmakademie Wien heraus, die sich mit dem<br />

Thema Balk<strong>an</strong> und <strong>der</strong>en Problematik befassen.<br />

M<strong>an</strong> denke da z.B. <strong>an</strong> Nina Kusturicas Dokumentarfi<br />

lm „Draga Ljilj<strong>an</strong>a – Liebe Ljilj<strong>an</strong>a“ aus<br />

dem Jahre 2000, in dem die Regisseurin nach<br />

8 Jahren in ihre Heimat reist, um ihre Jugendfreundin<br />

zu fi nden, o<strong>der</strong> <strong>an</strong> ihren Film „Wishes“, <strong>der</strong><br />

im Innenraum eines Lastkraftwagens während<br />

<strong>der</strong> Überfahrt vom Osten in den Westen spielt.<br />

Im selben Jahr verfolgte Drehbuchstudent<br />

Alex<strong>an</strong><strong>der</strong> Melach <strong>für</strong> seine Kurzdoku „Die Reise<br />

<strong>der</strong> Schuhe“ mit seinem Team ein Paar gespendete<br />

Schuhe auf ihrem Weg von Österreich nach<br />

Rumänien. Er geht darin <strong>der</strong> Frage nach, welchen<br />

Wert ein in Österreich zur Spende weggeworfenes<br />

Paar Schuhe hat, und welchen in seinem<br />

Empfängerl<strong>an</strong>d Rumänien.<br />

Barbara Albert drehte 1996 den Dokumentarfi lm<br />

„Somewhere else“ (Vertrieb: Sixpack Film), in<br />

dem sie vier junge Menschen porträtiert, die den<br />

Krieg in Sarajevo überlebt haben. Eine von ihnen<br />

ist Jasmila Zb<strong>an</strong>ic, <strong>der</strong>en Film „Grbavica“<br />

No M<strong>an</strong>‘s L<strong>an</strong>d<br />

spätestens seit dem Gewinn des Goldenen Bären<br />

in <strong>der</strong> Kategorie „Bester Film“ bei <strong>der</strong> diesjährigen<br />

Berlinale, den meisten Menschen ein Begriff sein<br />

sollte. Produziert wurde <strong>der</strong> Film u.a. von Barbara<br />

Albert (Coop99), <strong>für</strong> die Departments Schnitt und<br />

Kamera zeichnen sind ebenfalls zwei ehemalige<br />

Studentinnen <strong>der</strong> Filmakademie Wien ver<strong>an</strong>twortlich:<br />

Niki Mossböck und Christine A. Maier, die<br />

nach <strong>der</strong> Kameraarbeit bei „Somewhere else“ in<br />

den nächsten Jahren noch öfter mit Jasmila Zb<strong>an</strong>ic<br />

zusammenarbeiten sollte.<br />

„Grbavica“ hat in ein Wespennest gestochen<br />

und spricht das seit Jahren totgeschwiegene Tabuthema<br />

<strong>der</strong> Massenvergewaltigungen im Krieg <strong>an</strong>. In<br />

Teilen Bosniens darf <strong>der</strong> Film nicht gezeigt werden<br />

und erst unlängst kam es zu Jugendausschreitungen<br />

zwischen Serben, Kroaten und Bosniern<br />

– von den Drohbriefen <strong>an</strong> Regisseurin und Hauptdarstellerin<br />

g<strong>an</strong>z zu schweigen. Ein wichtiger Film,<br />

<strong>der</strong> <strong>für</strong> Diskussionen sorgt und zum Nachdenken<br />

<strong>an</strong>regen sollte.<br />

Filmakademie-Studentin Krisztina Kerekes arbeitet<br />

moment<strong>an</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> Fertigstellung ihres Kurzdokumentarfi<br />

lmes „Indi<strong>an</strong>er“, <strong>der</strong> sich mit <strong>der</strong> Aneignung<br />

des Augartens durch Boccia-spielende serbische<br />

Romafamilien beschäftigt, die den Augarten als<br />

ihr erweitetes Wohnzimmer interpretieren, und<br />

<strong>der</strong> ihr sonntägliches Dasein dort dokumentiert.<br />

Und im Mai pl<strong>an</strong>t Regie-Student Pavel Cuzuioc seinen<br />

nächsten Spielfi lm zu drehen – in Rumänien.<br />

M<strong>an</strong> darf gesp<strong>an</strong>nt sein.<br />

Grbavica<br />

tritonus_new_fin.indd 7 24.04.2006 13:48:41<br />

© Vasil Kerkel<strong>an</strong>ov<br />

© 2006 (c) coop99 / Deblokada / noirfi lm / Jadr<strong>an</strong> Film / M. Höhne<br />

Balk<strong>an</strong> Filme<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!