Fachtagung_Demenz_Dokumentation_10_Internet_ES
Fachtagung_Demenz_Dokumentation_10_Internet_ES
Fachtagung_Demenz_Dokumentation_10_Internet_ES
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Verstehende Diagnostik<br />
„(…) ist ein Zugang zu<br />
einer Pflegesituation,<br />
in der Probleme nicht<br />
allein aus der … Sicht der<br />
professionell oder privat<br />
Helfenden, sondern auch<br />
aus der der betreffenden<br />
Person definiert werden.“<br />
BMG 2007:61<br />
Die Grundbedürfnisse von Menschen mit <strong>Demenz</strong> unterschieden sich nicht von denen<br />
nicht dementer Menschen. Ihre individuelle pflegerische Versorgung sei eine Herausforderung:<br />
ein Beispiel: Individualität umfasst – wie oben geschildert – die adäquate Ernährung:<br />
Die Frage stelle sich, so die Referentin, was das genau beinhalte und was damit verbunden<br />
sei: „Was hängt daran?“ Dr. Sirsch appellierte nachdrücklich: Den professionellen Helfern<br />
müsse evidenzbasiertes Wissen zur Verfügung gestellt werden. Der Erwerb dieses Wissens<br />
sei bedauerlicherweise hierzulande oft eine Frage des persönlichen Engagements, es müsse<br />
aber kontinuierliche Weiterbildung geben. Es sei für Deutschland ein nicht haltbarer Zustand,<br />
dass für die Pflege keine fortlaufenden Fortbildungen notwendig seien, kritisierte die<br />
Vortragende deutlich und wurde mit Applaus unterstützt.<br />
In Zukunft werde insbesondere die pflegerische Betreuung von Menschen mit <strong>Demenz</strong><br />
mit Schmerzen eine Herausforderung sein, attestierte bereits 2011 der HTA-Bericht (Dietl &<br />
Korczak 2011) zur Versorgungssituation in Deutschland im internationalen<br />
Vergleich. Wesentlich, so Dr. Sirsch, seien die Einflüsse der<br />
Pflegenden bei der Schmerzerkennung.<br />
Studien zur Schmerzprävalenz bezifferten diese zwischen 3,7<br />
und 80 % (Takai et al. 2011). 27 Studien aus zehn Ländern in den<br />
Jahren 1990 bis 2009 nutzten die unterschiedlichsten Datenquellen:<br />
Interviews, Überprüfung der <strong>Dokumentation</strong>en, einen Mix aus<br />
beiden Varianten, systematisches Erfassen des beobachteten Verhaltens<br />
mittels einer Skala, Fragebogen – oder Befragung des Managements.<br />
Die Herkunft der Daten sei nicht vergleichbar, unterm<br />
Strich bedeute das, so Dr. Sirsch, dass es diesbezüglich keine sinnvollen<br />
Studien gebe.<br />
Nach Daten von Osterbrink et al. (2012) aus Deutschland litten<br />
25% (n= 436) unter mittelstarken bis unerträglichen Schmerzen,<br />
45% bei Belastung (am häufigsten beim Aufstehen, Sitzen, Liegen<br />
und Gehen). 75% der betroffenen Bewohner hatten seit mehr<br />
als einem Jahr Schmerzen. Bei Einschätzung ausschließlich über<br />
Fremdeinschätzung (B<strong>ES</strong>D) wurden, je nach Grenzwert (B<strong>ES</strong>D) bei 21% (≥6) bzw. 69% (≥2)<br />
der Bewohner Verhaltensmerkmale beobachtet, die auf Schmerz hindeuten. Die Daten aus<br />
Deutschland zeigten, dass Grundbedürfnisse nicht zufriedenstellend berücksichtigt würden,<br />
so die Kritik der Vortragenden. Prävalenz der <strong>Demenz</strong> im Krankenhaus bewege sich<br />
nach Mukadam & Sampson (20<strong>10</strong>) zwischen 12,9 und 63 %.<br />
Es gebe keine Instrumentarien, Schmerz bei Menschen mit <strong>Demenz</strong> vergleichbar zu<br />
erfassen.<br />
Die Bedeutung von <strong>Demenz</strong>erkrankungen für das Setting Krankenhaus belege das<br />
Leuchtturmprojekt ROVDE: Bei der Hälfte der in die Notfallchirurgie aufgenommenen Patientinnen<br />
und Patienten (51%/n=349) über 65 Jahren wurden deutliche kognitive Einschränkungen<br />
festgestellt (BMG 2011). Dies führe häufig dazu, dass für einen alten Menschen mit<br />
kognitiven Beeinträchtigungen das Krankenhaus zu einem gefährlichen Ort werde, so die<br />
Referentin.<br />
Dr. Erika Sirsch warf die Frage auf, wie sich eine Schmerzsituation bei Menschen mit<br />
schwerer <strong>Demenz</strong> feststellen ließe, wie die Kommunikation mit ihm erfolgen könne, da<br />
bereits ab einer mittelschweren <strong>Demenz</strong> nicht mehr von einer adäquaten Selbstauskunft<br />
zum Schmerzerleben ausgegangen werden könne. Sie machte dies an einem Fallbeispiel<br />
deutlich: „Ein Mensch mit <strong>Demenz</strong> wäscht sich allen Anschein nach nicht mehr. Handtuch,<br />
Waschbecken, Waschlappen sind trocken. Auf die Frage, ob er sich wasche, antwortet er mit<br />
„Ja“. Die Pflegenden glauben ihm nicht. Szenenwechsel: Ein Mensch mit <strong>Demenz</strong> bewegt<br />
16