ANDREA SCHERZ, - hoteljournal.ch
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HOTELIER-TALK <strong>ANDREA</strong> <strong>SCHERZ</strong><br />
MaÎtre GildO<br />
SEIT 44 JAHREN FIRST MAÎTRE D´HÔTEL IM PALACE<br />
Er pflegt einen Service fast wie bei Hofe: Seit 44 Jahren dirigiert<br />
Ermenegildo Boc<strong>ch</strong>ini den Service im Gstaad Palace. In dieser Zeit hat<br />
der First Maître d´Hôtel alles bedient, was Rang und Namen hat.<br />
Und er hat gelernt, dass ein Lä<strong>ch</strong>eln ni<strong>ch</strong>ts kostet.<br />
Ermenegildo Boc<strong>ch</strong>ini, dürfen wir Sie Gildo nennen?<br />
Alle nennen mi<strong>ch</strong> Gildo. Als sol<strong>ch</strong>er bin i<strong>ch</strong> seit 44 Jahren im<br />
Palace bekannt.<br />
44 Jahre ers<strong>ch</strong>einen unendli<strong>ch</strong> lang. Hatten Sie nie das Gefühl, es<br />
müsste mal was anderes sein?<br />
I<strong>ch</strong> verbringe ja nur a<strong>ch</strong>t Monate in Gstaad. Die restli<strong>ch</strong>e Zeit,<br />
also die Zwis<strong>ch</strong>ensaison, bin i<strong>ch</strong> bei meiner Familie in Italien.<br />
Zudem bin i<strong>ch</strong> hier im Palace sehr glückli<strong>ch</strong> – i<strong>ch</strong> arbeite in<br />
einem wunders<strong>ch</strong>önen Hotel in einer ebenso s<strong>ch</strong>önen Region.<br />
Was will i<strong>ch</strong> mehr?<br />
Sie stellen Ihr Li<strong>ch</strong>t unter den S<strong>ch</strong>effel. Fakt ist, dass Sie von Roman<br />
Polanski über Liz Taylor und Robbie Williams s<strong>ch</strong>on alles bedient<br />
haben, was Rang und Namen hat – und dass Sie von diesen Gästen<br />
au<strong>ch</strong> mit Namen angespro<strong>ch</strong>en werden …<br />
I<strong>ch</strong> bin nur ein einfa<strong>ch</strong>er Ar beiter …<br />
… aber einer mit einer riesigen Serviceerfahrung. Was ist das<br />
Wi<strong>ch</strong>tigste, was Sie in all den Jahren gelernt haben?<br />
Positiv zu sein. Alles ist mögli<strong>ch</strong>, wenn man will.<br />
Man kann also alles errei<strong>ch</strong>en?<br />
Ja, das habe i<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> gelernt. Ni<strong>ch</strong>t weil i<strong>ch</strong> Karrieren beoba<strong>ch</strong>ten<br />
konnte, es ist eine Art des Denkens. Es hilft, an si<strong>ch</strong> zu<br />
glauben, daran, dass man Erfolg haben wird.<br />
Können Sie altes und neues Geld unters<strong>ch</strong>eiden?<br />
Dafür habe i<strong>ch</strong> eine Nase. Das hat aber weniger mit S<strong>ch</strong>muck<br />
oder Pelz zu tun – man sieht es daran, wie jemand läuft oder sitzt.<br />
In meiner Funktion erkennt man Mens<strong>ch</strong>en, man wird au<strong>ch</strong> ein<br />
biss<strong>ch</strong>en Psy<strong>ch</strong>ologe.<br />
Erzählen Sie uns von Ihrem s<strong>ch</strong>warzen Bü<strong>ch</strong>lein.<br />
(la<strong>ch</strong>t) A<strong>ch</strong>, das Bu<strong>ch</strong>! Es ist eine Sammlung von Notizen, die<br />
i<strong>ch</strong> über meine Stammgäste gema<strong>ch</strong>t habe. Da stehen die Vorlieben<br />
der Herrs<strong>ch</strong>aften drin, aber au<strong>ch</strong> eventuelle Abneigungen.<br />
Ist Roger Moore darin au<strong>ch</strong> verewigt?<br />
Auf alle Fälle. Er war s<strong>ch</strong>on oft mein Gast.<br />
Werden Sie au<strong>ch</strong> gelobt?<br />
Es kommt vor, aber i<strong>ch</strong> lebe ni<strong>ch</strong>t<br />
für den Applaus. Mein Ziel ist<br />
es, die Gäste zufriedenzustellen.<br />
I<strong>ch</strong> nehme es als<br />
Kompliment, wenn sie mit<br />
mir auf Augenhöhe reden.<br />
Man muss si<strong>ch</strong> dafür<br />
gut informieren, Bü<strong>ch</strong>er<br />
lesen, Kultur haben. Das<br />
merkt der Gast sofort.<br />
H<br />
First Maître d’Hôtel Gildo, seit 44 Jahren<br />
im Palace. In seinem s<strong>ch</strong>warzen<br />
Bü<strong>ch</strong>lein sind die Wüns<strong>ch</strong>e<br />
und Besonderheiten<br />
seiner Stammgäste<br />
vermerkt.<br />
Finden Sie das Luxusleben Ihrer Gäste man<strong>ch</strong>mal ni<strong>ch</strong>t etwas dent?<br />
deka-<br />
I<strong>ch</strong> hinterfrage das ni<strong>ch</strong>t.<br />
Was ist der grösste Luxus, den Sie bieten?<br />
Der grösste Luxus ist, dass man immer «Ja» sagt zum Gast. Die<br />
Gäste befehlen, sie wollen etwas, und man muss es ihnen geben.<br />
Das ist so in der Hotellerie! «Nein» ist keine Antwort.<br />
Was zei<strong>ch</strong>net den guten Gast aus?<br />
I<strong>ch</strong> bin ein toleranter Mens<strong>ch</strong>, klassifiziere niemanden und<br />
masse mir kein Urteil an. Für mi<strong>ch</strong> sind alle Gäste glei<strong>ch</strong>. Jeder<br />
ist ein Stammgast, au<strong>ch</strong> wenn er das erste Mal im Palace ist.<br />
Das tönt na<strong>ch</strong> den Worten Ihres ehemaligen Chefs, Ernst S<strong>ch</strong>erz, der<br />
gesagt hat: «Jeder Gast ist ein König, jeder König nur ein Gast.»<br />
So ist es. Man muss jeden Gast mit Herz behandeln, ohne si<strong>ch</strong><br />
ihm aufzudrängen oder zu privat zu werden.<br />
7–8I2012<br />
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