STERNE IM «STERNEN»? - hoteljournal.ch
STERNE IM «STERNEN»? - hoteljournal.ch
STERNE IM «STERNEN»? - hoteljournal.ch
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Hotel-test Sternen Muri b. Bern<br />
Der «Sternen Muri» hat in der Berner Nobelvororts-Gemeinde<br />
eine lange Tradition. Direkt bei der Tramhaltestelle gelegen, ist<br />
der Landgasthof mit 44 Zimmern au<strong>ch</strong> mit dem öffentli<strong>ch</strong>en<br />
Verkehr gut errei<strong>ch</strong>bar – und man<strong>ch</strong> ein Business- oder Seminargast<br />
s<strong>ch</strong>ätzt zum Joggen die Nähe zur Aare und dem Naturs<strong>ch</strong>utzgebiet<br />
Elfenau. Wie wohl fühlt man si<strong>ch</strong> als Privatperson im<br />
kürzli<strong>ch</strong> umgebauten Vierstern-Hotel am Stadtrand der Bundesstadt?<br />
Ein «Hotelier»-Testerteam ist im «Sternen» abgestiegen –<br />
unter dem Vorwand einer privaten Geburtstagsfeier.<br />
Vorges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
Das Hotel und Restaurant Sternen an der Thunstrasse<br />
80 in Muri bei Bern (steuergünstigste<br />
Gemeinde der Region) hat eine lange Tradition.<br />
Die Eröffnung des über die Gemeindegrenze hinaus<br />
bekannten Hauses fand im Jahr 1834 statt. Der<br />
unter Denkmals<strong>ch</strong>utz stehende Gebäudekomplex<br />
sowie das Innenleben des Hauses wurden<br />
1978 und zuletzt 2012 umfassenden Renovationen<br />
unterzogen. Mitte der Siebzigerjahre wurde<br />
die Liegens<strong>ch</strong>aft von der Airtour Immobilien AG<br />
erworben, die 1985 jedo<strong>ch</strong> in Konkurs ging. Der<br />
Betrieb ging dann in den Besitz des Berner Unternehmers<br />
Ernst Baderts<strong>ch</strong>er über und wurde während<br />
dreizehn Jahren von Hans Robert Weiss<br />
(Pä<strong>ch</strong>ter) geführt. Es folgten diverse Direktorenwe<strong>ch</strong>sel,<br />
bis der «Sternen» vor gut zehn Jahren<br />
von Professor Dr. Eri<strong>ch</strong> Baderts<strong>ch</strong>er (Sohn des<br />
verstorbenen Ernst B.) erworben wurde. Seit 2004<br />
wird der Landgasthof nun von Eva und Thomas<br />
König geführt. Seit wenigen Monaten erstrahlt<br />
der Betrieb in neuem Glanz, denn Lobby, Restaurants,<br />
Kü<strong>ch</strong>e, Infrastruktur und diverse andere<br />
Räume wurden für rund sieben bis a<strong>ch</strong>t Millionen<br />
Franken stilvoll umgebaut.<br />
Reservation (Website)<br />
Eine Wohltat fürs Auge! Endli<strong>ch</strong> mal eine Website,<br />
die ni<strong>ch</strong>t überladen wirkt: Grosser S<strong>ch</strong>riftgrad,<br />
einfa<strong>ch</strong>e Navigation – und wer bu<strong>ch</strong>en will,<br />
tut dies mittels Mausklick am linken, oberen Bilds<strong>ch</strong>irmrand.<br />
Oder man s<strong>ch</strong>aut si<strong>ch</strong> erst no<strong>ch</strong> die<br />
aktuellen Online-Bewertungen unten auf der<br />
Seite an: Trivago 88 von 100 Punkten (Nummer<br />
9 von 55 Hotels in Bern), Booking (83 Punkte,<br />
«sehr gut»), Holiday<strong>ch</strong>eck (77 Punkte). Unsere<br />
Wahl fällt auf ein Superior-Zimmer, das vor se<strong>ch</strong>s<br />
Jahren renoviert und na<strong>ch</strong> den Grundsätzen von<br />
Feng-Shui gestaltet worden ist. «Mit diesen Zimmern»,<br />
so verspri<strong>ch</strong>t man uns, «haben wir für<br />
Sie die Sterne vom Himmel geholt». Ni<strong>ch</strong>tsdestotrotz<br />
bleibt es uns vergönnt, direkt über die<br />
Bu<strong>ch</strong>ungsmaske einen Tis<strong>ch</strong> im Restaurant zu<br />
reservieren. Do<strong>ch</strong> zum Glück gibt es no<strong>ch</strong> das<br />
Feld «Anmerkungen», wo wir unseren Wuns<strong>ch</strong><br />
für einen Vierertis<strong>ch</strong> im «Läubli» («gediegen speisen<br />
bei Kerzenli<strong>ch</strong>t in behagli<strong>ch</strong>er Atmosphäre»)<br />
kundtun können. Da erwähnen wir als Randnotiz<br />
au<strong>ch</strong>, dass eine der Personen Geburtstag feiern<br />
wird. Die Bu<strong>ch</strong>ungsbestätigung erfolgt sofort,<br />
ein Mail betreffend Tis<strong>ch</strong>reservation errei<strong>ch</strong>t uns<br />
zwei Stunden später. Die Randnotiz (Geburtstag)<br />
wurde wahrgenommen, man fragt uns, ob etwas<br />
Spezielles arrangiert werden solle – und um wel<strong>ch</strong>e<br />
Zeit wir zu dinieren gedenken. Alles tipptopp.<br />
Gut gema<strong>ch</strong>t!<br />
Check-in<br />
Direkt an der Hauptstrasse im Zentrum gelegen<br />
– man kann den «Sternen Muri» ni<strong>ch</strong>t verpassen.<br />
Wir parken das Auto hinter dem s<strong>ch</strong>mucken<br />
Landhaus und errei<strong>ch</strong>en die Rezeption na<strong>ch</strong><br />
einigem Su<strong>ch</strong>en über eine s<strong>ch</strong>male Wendeltreppe.<br />
Hier wäre das eine oder andere Hinweiss<strong>ch</strong>ild<br />
angebra<strong>ch</strong>t. Die Begrüssung dur<strong>ch</strong> die junge<br />
Rezeptionsmitarbeiterin verläuft freundli<strong>ch</strong> neutral.<br />
Über die Tis<strong>ch</strong>reservation für das Abendessen<br />
weiss die junge Frau Bes<strong>ch</strong>eid, sie fragt, ob<br />
im Hinblick auf die kleine Feier no<strong>ch</strong> irgendeine<br />
Massnahme getroffen werden müsse. Dann händigt<br />
man uns zwei Zimmerkarten aus und verweist<br />
auf den re<strong>ch</strong>ten der beiden Aufzüge, der uns<br />
zu unserem Zimmer im vierten Stock führen soll.<br />
dadur<strong>ch</strong> ras<strong>ch</strong> etwas abgegriffen,<br />
was aber den darin enthaltenen<br />
Informationen keinen<br />
Abbru<strong>ch</strong> tut. Einzig das knallgelbe,<br />
lokale Telefonbu<strong>ch</strong> mutet<br />
uns im Zeitalter von iPhone und<br />
iPad etwas fremd an. Da fällt<br />
uns ein, dass es die junge Frau<br />
an der Rezeption verpasst hat,<br />
uns den Gebrau<strong>ch</strong> des Internets<br />
(WLAN) zu erklären – das müssen<br />
wir na<strong>ch</strong>holen, und dabei<br />
glei<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> einem S<strong>ch</strong>uhlöffel<br />
fragen.<br />
Was wir uns sonst no<strong>ch</strong><br />
wüns<strong>ch</strong>en? Wie wär ’s mit einer<br />
Flas<strong>ch</strong>e Wasser zur Begrüssung?<br />
Ein Willkommenskärt<strong>ch</strong>en<br />
der Direktion fänden wir<br />
ebenfalls ganz sympathis<strong>ch</strong>,<br />
und etwas Obst auf dem Zimmer<br />
ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> immer gut,<br />
au<strong>ch</strong> wenn das Hotel «nur» als<br />
Vierstern-Betrieb klassifiziert<br />
wurde. In der Minibar fehlt die<br />
Cola Light, neben dem Telefon<br />
der Notizblock mit S<strong>ch</strong>reiber –<br />
und ein Futternapf für den Vierbeiner<br />
lässt si<strong>ch</strong> nirgends finden<br />
(der Vierbeiner wurde bei<br />
der Reservation angekündigt).<br />
Zum Mobiliar des Zimmers:<br />
Die s<strong>ch</strong>warzen Ledersessel wirken<br />
ni<strong>ch</strong>t nur ho<strong>ch</strong>wertig, sie<br />
sind es au<strong>ch</strong>. Die Betten sind<br />
bequem und stabil, die Bettwäs<strong>ch</strong>e<br />
wei<strong>ch</strong>. Kompliment den<br />
Zimmermäd<strong>ch</strong>en! Alles ist sehr<br />
sauber. Au<strong>ch</strong> unter dem Bett lassen<br />
si<strong>ch</strong> keine Spuren des Vorgängers<br />
finden.<br />
Zimmer<br />
Wir betreten das Zimmer mit der Nummer 432<br />
unter dem Motto «fühlen Sie si<strong>ch</strong> bei uns wie zu<br />
Hause». Dazu brau<strong>ch</strong>t es erst einmal Li<strong>ch</strong>t – und<br />
das wiederum erfordert das Einstecken der Zimmerkarte<br />
im entspre<strong>ch</strong>enden Käst<strong>ch</strong>en an der<br />
Wand. Das hat man uns an der Rezeption leider<br />
ni<strong>ch</strong>t gesagt. Egal. Wir finden uns in einem<br />
Raum wieder, der genauso s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>t ers<strong>ch</strong>eint wie<br />
die Lobby mit ihrer silberfarbenen Wand oder<br />
die Korridore im Landgasthof. Motto: Reduktion<br />
aufs notwendige Minimum, im Einklang mit<br />
der Lehre von Feng-Shui – das Zimmer mit seinen<br />
gelben Wänden und den roten Ledersesseln<br />
behagt uns, der Geru<strong>ch</strong> ist neutral, das Li<strong>ch</strong>t sehr<br />
angenehm. Denno<strong>ch</strong> lassen si<strong>ch</strong> die Kratzspuren<br />
auf dem hellen Parkettboden ni<strong>ch</strong>t übersehen.<br />
Und was wir gänzli<strong>ch</strong> uns<strong>ch</strong>ön finden: der Telefon-<br />
und Na<strong>ch</strong>ttis<strong>ch</strong>lämp<strong>ch</strong>en-Kabelsalat, der<br />
etwas vom Ersten ist, was man im Zimmer zur<br />
Kenntnis nimmt. Mühe bekunden wir au<strong>ch</strong> mit<br />
dem Fragebogen, der auf der Tagesdecke auf dem<br />
Bett liegt, dekoriert mit zwei S<strong>ch</strong>okoladenherzen.<br />
Warum lässt man uns ni<strong>ch</strong>t erst unsere Erfahrungen<br />
ma<strong>ch</strong>en? Und: Bis zum Check-out droht dieser<br />
Fragebogen sowieso in der Fülle der von uns<br />
mitgeführten Zeitungen und Zeits<strong>ch</strong>riften unterzugehen.<br />
Vom Wasserko<strong>ch</strong>er, den Teebeuteln und<br />
Kaffeeportionen nehmen wir Kenntnis, ebenso<br />
vom s<strong>ch</strong>malen Balkon, der aber über unser Zimmer<br />
ni<strong>ch</strong>t zugängli<strong>ch</strong> ist (oder man steigt dur<strong>ch</strong>s<br />
Badezimmer<br />
Das Bad ist eng und bietet wenig<br />
Komfort. Wir erinnern uns an<br />
gewisse Kettenhotels (Seifenspender),<br />
loben aber die Sauberkeit<br />
und greifen dann zu unserem<br />
eigenen Dus<strong>ch</strong>mittel und<br />
der eigenen Bodylotion. Ganz<br />
klar: Aus ökologis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t<br />
ma<strong>ch</strong>en kleine Fläs<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en im<br />
Hotel keinen Sinn. Andererseits<br />
wirken sie persönli<strong>ch</strong>er<br />
und sympathis<strong>ch</strong>er als diese<br />
Seifenbehälter an der Wand.<br />
Die Frotteewäs<strong>ch</strong>e rie<strong>ch</strong>t angenehm<br />
fris<strong>ch</strong>, do<strong>ch</strong> die Badezimmertür<br />
s<strong>ch</strong>lägt trotz angebra<strong>ch</strong>tem<br />
Gummipuffer jedes Mal an<br />
die Keramikplätt<strong>ch</strong>en, weil das<br />
s<strong>ch</strong>ützende Element s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>t zu<br />
ho<strong>ch</strong> angebra<strong>ch</strong>t worden ist.<br />
Erst beim zweiten Hins<strong>ch</strong>auen<br />
fällt uns auf, dass die Box mit<br />
den Hygienetü<strong>ch</strong>ern (Kleenex)<br />
bis auf zwei Papiertü<strong>ch</strong>lein leer<br />
Fenster!). Die Gästeinfo ist selbst gedruckt, wirkt ist.<br />
›<br />
71