Jugendhilfe - ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern und ...
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Demokratie üben - Es geht ja um mich!<br />
Neuland<br />
Trotzdem wollte ich einen weiteren Wechsel, habe<br />
mir darum <strong>mit</strong> der „netten“ Erzieherin in Hamm<br />
eine Aufnahme- <strong>und</strong> Diagnosegruppe des LWL-<br />
Heiki Hamm angeschaut <strong>und</strong> mich entschieden,<br />
dort zu bleiben. Die Zeit in Hamm in der Wohngruppe<br />
war sehr positiv, aber für mich war dennoch<br />
klar, dass es keine Einrichtung ist, in der ich<br />
dauerhaft bleibe würde.<br />
In dieser Umbruchstimmung erzählte der Leiter<br />
der Wohngruppe mir von einer Pflegefamilie in<br />
Griechenland, in der auch meine Schwester gelebt<br />
hatte. Es hat dann nicht einmal zwei Wochen gedauert,<br />
bis auch ich nach Griechenland reiste. Ich<br />
hatte die Pflegemutter vorher kennen gelernt, sie<br />
hatte mir Fotos gezeigt <strong>und</strong> mich restlos begeistert,<br />
sodass ich im April 2003 nach Griechenland<br />
gezogen bin. Mein Betreuer hat mich noch zwei<br />
Wochen dort begleitet <strong>und</strong> ist dann alleine zurück<br />
nach Deutschland geflogen - <strong>und</strong> ich hatte gar<br />
kein Bedürfnis <strong>mit</strong> zurück zu fliegen!<br />
Meine 3jährige Zeit in Griechenland war bis jetzt<br />
die schönste Zeit meines Lebens, denn damals<br />
habe ich das erste Mal wirklich erfahren, was Familie<br />
bedeutet. Ich hatte zwei Bezugspersonen für<br />
mich alleine - <strong>und</strong> das von morgens bis abends!<br />
Streitereien gab es zwar auch, manchmal Reibereien<br />
<strong>mit</strong> meinem Pflegevater, der gleichzeitig mein<br />
Lehrer war, was problematisch ist.<br />
Ablösung<br />
Die griechische Sprache habe ich vor allem durch<br />
Hören <strong>und</strong> griechische Fre<strong>und</strong>e meiner Familie gelernt<br />
<strong>und</strong> in einer griechischen Taverne, in der ich<br />
gearbeitet habe. In der Pubertät allerdings wurde<br />
es mir in dem Bergdorf, in dem wir lebten, zu eng.<br />
Obwohl diese Zeit, die beste meines Lebens war<br />
<strong>und</strong> ich bis heute Kontakt zu meiner griechischen<br />
Familie habe wollte ich zurück nach Deutschland.<br />
Im Mai 2006 kam ich zurück nach Lüdinghausen<br />
in eine Wohngruppe vom Heiki, in der (wiederum)<br />
vorher meine Schwester war, das gab mir<br />
Sicherheit. Ich habe dort viele Jugendliche kennen<br />
gelernt, mich <strong>mit</strong> einem besser <strong>und</strong> dem anderen<br />
schlechter verstanden, aber alles in allem hat mich<br />
diese Zeit selbstbewusster <strong>und</strong> selbstständiger<br />
gemacht. Nach drei Jahren bin ich als Erster in das<br />
neu eröffnete Sozial Betreute Wohnen (SBW) gezogen,<br />
um noch selbstständiger zu werden <strong>und</strong> zu<br />
lernen, <strong>mit</strong> meinen Finanzen umzugehen. Und seit<br />
einigen Tagen habe ich meine eigene Wohnung.<br />
Mitbestimmen<br />
Auf das Kinder- <strong>und</strong> Jugendparlament hatte mich<br />
ein Aushang in der Wohngruppe in Lüdinghausen<br />
neugierig gemacht. Und obwohl dort die Gruppensprecher<br />
eingeladen wurden, konnte auch ich<br />
als Alleinwohnender dazu kommen. Es hat mir so<br />
gut gefallen, dass ich einfach immer wieder gekommen<br />
bin. Bei meinem ersten Treffen habe ich<br />
als SBW-Vertreter den Wunsch nach einer Telefon-<br />
Internetverbindung vorgetragen. Im SBW war<br />
der Wunsch als individuelles Anliegen abgelehnt<br />
worden, aber meiner Meinung nach ist eine solche<br />
Anschaffung zum Nutzen aller. In der Parlamentssitzung<br />
wurden dann Vor- <strong>und</strong> Nachteile besprochen<br />
<strong>und</strong> am Ende kamen wir zu dem Schluss,<br />
dass ein Telefon ein Schritt in die Selbstständigkeit<br />
ist, um selbstständig <strong>mit</strong> Behörden <strong>und</strong> Ämtern<br />
kommunizieren zu können. Das ist auf Dauer <strong>mit</strong><br />
einem Handy viel zu teuer. Und auch mein Einsatz<br />
für einen Internetanschluss hat schließlich Erfolg<br />
gehabt - wenn auch weniger für mich, als für die<br />
„Nachwelt“: Drei Tage vor meinem Auszug ist er<br />
verwirklicht worden.<br />
Ich bin übrigens immer in die Hilfeplangespräche<br />
einbezogen worden, <strong>und</strong> in Lüdinghausen durfte<br />
ich auch selbst <strong>mit</strong> gestalten. Wir Jugendlichen<br />
haben den geschriebenen Bericht, bevor er abgeschickt<br />
wurde, gesehen, durften Kritik äußern <strong>und</strong><br />
ergänzen. Wir hatten in den Hilfeplanungsgesprächen<br />
die Möglichkeit unsere Wünsche <strong>und</strong> Meinungen<br />
zu äußern <strong>und</strong> wir wurden nie aufgefordert<br />
den Raum zu verlassen, durften alles hören,<br />
was besprochen wurde.<br />
Ich finde es ganz selbstverständlich, dass ich <strong>mit</strong>bestimmen<br />
darf: Es geht ja um mich!