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2. Die Phase relativer Stabilität 1924-1929. 2.1 Die Währungsreform ...

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Zurück zur Inflation 1923<br />

Zur Erinnerung:<br />

Devisenkurs<br />

Inflationsrate<br />

(gegenüber Vorjahr)<br />

Aug Aug. 1923: 1 $ = 44.600.000 600 000 M 1920 244 %<br />

Sept. 1923: 1 $ =100.000.000 M 1921 65 %<br />

Okt. 1923: 1 $ = 25 Mrd. M 1922 <strong>2.</strong>420 %<br />

Anfang Nov. 1923: 1 $ = 2,2 Billionen M 1923 1,87 Mrd. %<br />

20. Nov. 1923: 1 $ = 4,2 Billionen M<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 - 1. Ursachen und Verlauf der Inflation von 1923<br />

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Indikatoren und Folgen der Inflation:<br />

Spätestens seit 1921/22 verlor die deutsche Währung (M) ihre Funktion als<br />

Wertaufbewahrungsmittel<br />

→ Immer mehr Unternehmen fakturierten in fremder Währung<br />

(Bezahlung in Devisen)<br />

→ fremde Währungen übernahmen in D. die Geldfunktionen<br />

→ 1<strong>2.</strong>10.1922:<br />

- Gesetz gegen Devisenspekulation<br />

- Einzelhandel (u.a.) musste seine Verkaufspreise in Mark<br />

angeben<br />

→ Reaktion des Einzelhandels:<br />

Preis in Mark und Multiplikator (hing vom Kurs $ zu Mark ab)<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 - 1. Ursachen und Verlauf der Inflation von 1923<br />

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<strong>Die</strong>sem Verfahren schlossen sich alle an (die in Mark rechnen mussten),<br />

z.B. Krankenkassen [Beiträge g nach Grundzahlen (fix) und variabler „Schlüssel-zahl“]<br />

Löhne: Grundbetrag und Multiplikator<br />

Index für Ärzte<br />

Indexziffer für Gerichtskosten<br />

Einige Preise 1923 (Berlin) in Mark:<br />

1 kg Roggenbrot 1 kg Rindfleisch<br />

31 3.1. 163 11.800 800<br />

6.8. 8.421 440.000<br />

3.9. 273.684 4.000.000<br />

1.10. 9.474.000 80.000.000<br />

5.11. 78 Mrd. 240 Mrd.<br />

19.11. 9 233 33 Mrd. d 4 Bio. o 800 Mrd. d<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 - 1. Ursachen und Verlauf der Inflation von 1923<br />

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Beispiele aus dem täglichen Leben:<br />

Im Oktober/November 1923 wurden die Bankfilialen täglich mit<br />

Wagenladungen voll Geld beliefert (Geldscheine: u.a. 1.000 Millionen Mark).<br />

Größere Unternehmen holten Geld von der Bank für Lohnzahlungen mit<br />

Lastkraftwagen oder Pferdefuhrwerken, kleinere Unternehmen holten das<br />

Geld in Waschkörben oder Kinderwagen.<br />

Banken brauchten die doppelte Anzahl von Angestellten Angestellten. Warum?<br />

NNach h dder LLohnzahlung h hl wurde d dder AArbeitsprozess b i unterbrochen, b h ddamit i<br />

Arbeiter und Angestellte sofort etwas kaufen konnten.<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 - 1. Ursachen und Verlauf der Inflation von 1923<br />

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Lange Schlangen vor den Läden (zeitraubendes Zählverfahren bei jedem<br />

Kauf) Kauf).<br />

Gaststätte/Café: Bei der Bestellung 1 Tasse Kaffee kostete diese (z.B.) 5000<br />

M; wenn der Kellner die Rechnung brachte 8000 M.<br />

→ In ländlichen Gegenden (weniger Läden) kehrte man zum Naturaltausch<br />

zurück,allmählich auch in Städten:<br />

1 Haarschnitt kostete 4 Eier<br />

1 Beerdigung (Bestattung) mit Predigt: 40 Eier<br />

1 Kinobesuch: 2 Briketts<br />

AArzthonorar h z.B. B 1 Flasche Fl h Wein W i oder d 1 Pfund Pf d Butter B<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 - 1. Ursachen und Verlauf der Inflation von 1923<br />

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Immer mehr Bauern weigerten sich, ihre Produkte gegen Geld herzugeben.<br />

Ab August bedenklicher Rückgang von Fleisch und Kartoffeln in den Städten. Städten<br />

(Hungersnot drohte)<br />

In den Grenzgebieten (z.B. zu Frankreich, Schweiz, Tschechoslowakei) kauften<br />

Ausländer die deutschen Läden leer.<br />

Soziale Probleme<br />

- Der Ehrliche und Sparsame war der Dumme<br />

- Wohlstand für Devisenspekulanten und Warenschieber<br />

- Verdrängung des seriösen, sorgfältig kalkulierenden Kaufmanns<br />

- Neureiche stellten ihren leicht erworbenen Reichtum provozierend zur Schau<br />

- Vi Viele l kl kleine i und d große ß AAufkäufer fkä f ( („Raffkes“) R ffk “) kauften k f Gold-/Silbermünzen,<br />

G ld /Silb ü<br />

Buntmetalle, wertvolle Gegenstände usw., die sie ganz oder teilweise teuer<br />

weiterverkauften<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 - 1. Ursachen und Verlauf der Inflation von 1923<br />

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- Wer musste Wertgegenstände verkaufen (sofern er welche hatte)?<br />

z.B. jeder jede Rentner, e t e , eehemalige e a ge Sebstä Selbständige dge ( (Handwerker, a d e e , Ärzte, te, Rechtsanwälte ec tsa äte us usw.) )<br />

- Wer 1913 ein Bankguthaben von 60.000 Mark hatte, konnte von den Zinsen gut<br />

leben<br />

→ Im August 1923 reichten 60.000 M. nicht einmal für eine Zeitung<br />

- Für die breite Masse der Bevölkerung war das Währungschaos ein „Hexensabbat Hexensabbat der<br />

phantastischen Irrsinnszahlen von Billionen“<br />

Stefan Zweig (1939): „Nichts Nichts hat das deutsche Volk - dies muss immer wieder ins<br />

Gedächtnis gerufen werden - so erbittert, so hasswütig, so hitlerreif gemacht wie die<br />

Inflation.“<br />

- Okt./Nov. 1923: Arbeitslosenquote 23 %<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 - 1. Ursachen und Verlauf der Inflation von 1923<br />

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<strong>Die</strong> Probleme 1918 - 1923 im Überblick:<br />

Staat 1918/19<br />

langfristige Schulden 90 Mrd. Mark<br />

kurzfristige Schulden 65 Mrd. Mark<br />

Wirtschaft 1918/19 Ausland<br />

a) Industrieproduktion ./. 60 % a) Reparationen<br />

b) Geldmenge + 30 % Raten ab 1919 ca. 8 %<br />

(= großes Inflationspotential) des Sozialproduktes<br />

c) 10 Mio. Arbeitslose (insbes. Soldaten)<br />

d) Gebiets-/Bevölkerungsverluste<br />

b) Protektionismus<br />

13 %<br />

e) Rohstoffmangel g<br />

10 %<br />

(Blockade bis Juni 1919)<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 - 1. Ursachen und Verlauf der Inflation von 1923<br />

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Probleme und mögliche Lösungen:<br />

Problem 1<br />

Inflationspotential<br />

Lösung 1<br />

Rigorose Steuerpolitik<br />

Kürzung staatl. Ausgaben<br />

Problem 2<br />

Lösung 2<br />

Arbeitslosigkeit<br />

Entlastung für Unternehmen Erhöhung<br />

Rezession staatl staatl. Ausgaben (z (z.B. B Wohnungsbau)<br />

Problem 3<br />

Soziale Not<br />

(Witwen, Waisen, Invaliden)<br />

Problem 4<br />

Reparationen<br />

Lösung 3<br />

Staatl Staatl. Erwerbslosenfürsorge<br />

Hilfe für Sozialversicherungen<br />

Lösung 4<br />

- Exportförderung<br />

- Entlastung für Unternehmen<br />

- Abwertung g( (sinnvoll?) )<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 - 1. Ursachen und Verlauf der Inflation von 1923<br />

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Aber: a) <strong>Die</strong> Lösungen 1-4 teilweise konträr<br />

Insgesamt:<br />

(z (z.B. B Lösung 1 völlig konträr zu Lösung 2, 2 3)<br />

b) Lösungen verstärken teilweise andere Probleme<br />

(z.B. Lösung 3 verstärkt Problem 4)<br />

Äußerst schwierige Ausgangslage 1918/19<br />

Wachsende Probleme (Inflation), (Inflation) je länger eine rasche Inflationsbekämpfung<br />

hinausgezögert wurde<br />

RRasche h Bekämpfung B kä f aber b ohne h Mi Mitwirkung i k dder Reparationsgläubiger R i lä bi nicht ih<br />

möglich (Protektionismus!)<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 - 1. Ursachen und Verlauf der Inflation von 1923<br />

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<strong>2.</strong> <strong>Die</strong> <strong>Phase</strong> <strong>relativer</strong> <strong>Stabilität</strong> <strong>1924</strong>-<strong>1929.</strong><br />

<strong>2.</strong>1 <strong>Die</strong> <strong>Währungsreform</strong> 1923/24<br />

Aufgaben:- Aufgaben: Beseitigung einer völlig zerrütteten Währung (Mark)<br />

- Installation eines funktionsfähigen Geldwesens<br />

Beides gelang innerhalb kurzer Zeit<br />

(„eines der größten Wunder in der Wirtschaftsgeschichte“)<br />

Aus mehreren Reformplänen (vor allem von Karl Helfferich, DNVP, und<br />

Friedrich Minoux, Industrieller) wurde folgende Konstruktion durchgeführt:<br />

a) Am 15. Oktober 1923 Gründung der „Deutschen Rentenbank“ (öffentlichrechtliches<br />

Kreditinstitut, vom Staat unabhängig)<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 – <strong>2.</strong>1 <strong>Die</strong> <strong>Währungsreform</strong> 1923/<strong>1924</strong><br />

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) Grundkapital 3,2 Milliarden „Rentenmark“<br />

c) Deckung dieses G.-Kapitals durch Belastung der gesamten Wirtschaft<br />

(Gewerbe und Landwirtschaft)<br />

d) Ausgabe von Geld („Rentenbankscheine“ lautend auf „Rentenmark“)<br />

1 Rentenmark = 1 Goldmark dieses Geld (Rentenbankscheine) war nur eine<br />

Übergangslösung<br />

e) Während dieser Übergangszeit galten Rentenbankschein und bisheriges<br />

Geld (Mark) als Zahlungsmittel und standen in einem festen Verhältnis Verhältnis.<br />

f) Ende der Übergangszeit: Einführung der neuen Währung (Reichsmark)<br />

NNach h einer i Umtauschfrist U t hf i t nur noch h Rih Reichsmarkk<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 – <strong>2.</strong>1 <strong>Die</strong> <strong>Währungsreform</strong> 1923/<strong>1924</strong><br />

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Der Ablauf in der Praxis:<br />

Gründung der Deutschen Rentenbank am 15. Oktober 1923<br />

Grundkapital: 3,2 Milliarden Rentenmark<br />

Für dieses Grundkapital haftete die gesamte Wirtschaft (Gewerbe, Landwirtschaft)<br />

mit einer Grundschuld von insgesamt 3,2 Mrd. Rentenmark<br />

Gewerbe: 1,6 Mrd. Rentenmark<br />

Landwirtschaft: 1,6 Mrd. Rentenmark<br />

Jeder einzelne Betrieb wurde nach einer Vermögenssteuer von 1913/14<br />

anteilsmäßig belastet.<br />

Ausgedrückt wurde diese Grundschuld in Schuldverschreibungen<br />

(je 1,6 Mrd. Rentenmark, Zinssatz 6 %)<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 – <strong>2.</strong>1 <strong>Die</strong> <strong>Währungsreform</strong> 1923/<strong>1924</strong><br />

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Auf der Basis dieser Schuldverschreibungen (3,2 Mrd. Rentenmark) stellte die<br />

Deutsche Rentenbank Rentenbriefe aus aus, Sie lauteten auf Goldmark<br />

(1 Goldmark = 0,35842 Gramm Feingold); Zinssatz 5 %<br />

Wieviel Geld kann ausgegeben werden?<br />

Rentenbriefe 3,2 Mrd. in Goldmark<br />

= Deckung für das neue Geld (Rentenmark)<br />

Belastung der Wirtschaft (Gewerbe/Landwirtschaft)<br />

3,2 Mrd. Rentenmark; ausgedrückt in Schuldverschreibungen<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 – <strong>2.</strong>1 <strong>Die</strong> <strong>Währungsreform</strong> 1923/<strong>1924</strong><br />

1 Goldmark<br />

= 1 Rentenmark<br />

realer Wert des<br />

neuen Geldes<br />

(Leistungskraft der<br />

Wirtschaft)<br />

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Das von der Deutschen Rentenbank ausgegebene Geld waren<br />

„Rentenbankscheine“ „Rentenbankscheine (in Rentenmark)<br />

<strong>Die</strong>se neue Währung war als Übergangslösung gedacht, also nicht als endgültige<br />

neue Währung<br />

Grund?<br />

<strong>Die</strong> vorläufige neue Währung (Rentenmark) in Gestalt der Rentenbankscheine<br />

wurde d am 15 15. November N b 1923 eingeführt. i füh t<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 – <strong>2.</strong>1 <strong>Die</strong> <strong>Währungsreform</strong> 1923/<strong>1924</strong><br />

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Was musste gleichzeitig mit der alten Währung geschehen?<br />

Keine weitere Vermehrung<br />

und vorläufig keine Vermehrung der neuen Währung<br />

→ 15. November 1923: Stilllegung der Notenpresse durch die Reichsbank<br />

(keine Diskontierung von kurzfristigen staatlichen Schuldtiteln)<br />

Seit 15. November 1923 also 2 Währungen nebeneinander<br />

Wie bestimmte sich das Wertverhältnis?<br />

1. 1 Rentenmark = 0,35842 Gramm Feingold<br />

<strong>2.</strong> 1 $ = 4,2 Billionen Mark (Wechselkurs)<br />

3. 1 Rentenmark = 1 Billion Mark (wurde so festgelegt)<br />

→ 1 $ = 4,2 Rentenmark (Vorkriegsverhältnis)<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 – <strong>2.</strong>1 <strong>Die</strong> <strong>Währungsreform</strong> 1923/<strong>1924</strong><br />

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Zu beachten:<br />

<strong>Die</strong> provisorische neue Währung kursierte nur im Inland<br />

→ keine offiziellen Schwankungen ihres Wechselkurses<br />

Jetzt konnten Wirtschaft und Staat mit der neuen Währung (Rentenmark) und dem<br />

neuen Geld (Rentenbankscheine) beginnen<br />

Bilanz der Rentenbank am 31 31.1<strong>2.</strong>1923 12 1923 zum Verständnis der Situation Ende 1923:<br />

Aktiva Dt. Rentenbank in Mio. Rentenmark Passiva<br />

Rentenbriefe (5%)<br />

(laufend auf Goldmark)<br />

3.200 Grundkapital <strong>2.</strong>400<br />

Reserve (nicht ausgegebene<br />

Rentenbankscheine)<br />

Darlehen an das Reich 1.234 Rentenbankscheine im Umlauf 1.242<br />

Barreserve 11<br />

803<br />

4.445 4.445<br />

Teil 1: <strong>Die</strong> Weimarer Republik 1918-1933 – <strong>2.</strong>1 <strong>Die</strong> <strong>Währungsreform</strong> 1923/<strong>1924</strong><br />

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