inter|esse 2/2015
In der Ausgabe 2/2015 widmet sich inter|esse folgenden Schwerpunkten: Deutschland braucht eine Demografie-Strategie, Wachstum durch Zuwanderung, Wachstum durch Investitionen in die Infrastruktur und unterschätzte Lebenserwartung.
In der Ausgabe 2/2015 widmet sich inter|esse folgenden Schwerpunkten: Deutschland braucht eine Demografie-Strategie, Wachstum durch Zuwanderung, Wachstum durch Investitionen in die Infrastruktur und unterschätzte Lebenserwartung.
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sinkt bereits. Unternehmen klagen vermehrt, dass Ausbildungsplätze<br />
nur noch schwer zu besetzen sind. Mit<br />
zeitlicher Verzögerung wird die Zahl der Hochschulabsolventen<br />
folgen. Dabei sind die Menschen, die im Jahr<br />
2030 als Facharbeiter und Ingenieure den Wohlstand<br />
im Hochtechnologie-Standort Deutschland sichern<br />
sollen, heute bereits geboren; mit ihnen steht ein so<br />
geringeres Mengenpotenzial zur Verfügung wie hierzulande<br />
niemals zuvor.<br />
Ist damit der wirtschaftliche Abstieg Deutschlands unvermeidlich<br />
vorgezeichnet? Nicht, wenn es gelingt, die<br />
Wachstumsdynamik auch der alternden Gesellschaft<br />
zu erhöhen. Um im Bild zu bleiben: Wir müssen jetzt<br />
schnell aus dem warmen Wasser springen und die demografischen<br />
Folgeprobleme anpacken. Dazu bedarf es<br />
einer kohärenten Strategie, die die Wachstumsdynamik<br />
der Wirtschaft in den Mittelpunkt stellt – und zwar in<br />
allen relevanten Politikfeldern. Das sind neben der Arbeitsmarktpolitik<br />
insbesondere auch die Gesundheits-,<br />
Renten-, Finanz-, Regional- und Bildungspolitik. Allein<br />
das Ziel, das Arbeitspotenzial in der schrumpfenden Gesellschaft<br />
besser auszuschöpfen, betrifft so unterschiedliche<br />
Bereiche wie eine intelligente Zuwanderungspolitik<br />
(s. Interview S. 3ff.), die bessere Vereinbarkeit von<br />
Beruf und Familie, eine verstärkte Aus- und Weiterbildung<br />
oder die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, etwa<br />
durch einen flexibleren Übergang in den Ruhestand.<br />
Zwischen den Einzelmaßnahmen besteht oftmals eine<br />
hohe Interdependenz. Noch einmal das Beispiel Bildung:<br />
Wenn wir sicherstellen wollen, dass wir im Jahr<br />
2030 über eine ausreichende Anzahl von Ingenieuren<br />
verfügen, dann müssen wir heute dafür sorgen, dass<br />
möglichst viele Jugendliche einen qualifizierten Schulabschluss<br />
erreichen, dass das Interesse an mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />
Fächern steigt, dass die<br />
Qualität der Hochschulausbildung in der internationalen<br />
Spitze mithalten kann, und dass sowohl Unternehmen<br />
zu eigenen F&E-Anstrengungen als auch junge<br />
Hochschulabsolventen zur Unternehmensgründung ermutigt<br />
werden.<br />
Eine bessere frühkindliche Bildung wird auch nur dann<br />
Früchte tragen und zu mehr Ingenieuren führen, wenn<br />
in den Schulen und Universitäten die notwendigen Voraussetzungen<br />
geschaffen werden. Wir müssen den demografischen<br />
Wandel insofern noch viel stärker als eine<br />
einheitliche strategische Aufgabe verstehen.<br />
Soll die Wirtschaft dynamischer wachsen und innovativer<br />
werden, geht dies nicht ohne ein beträchtliches Ausmaß<br />
an neuen Investitionen (s. Beitrag S. 6ff.). Auch hierzu<br />
ist inzwischen eine lebhafte und viel versprechende<br />
Debatte in Gang gekommen. Sie darf nicht außer Acht<br />
lassen, dass die Finanzierung von Investitionen gesunde<br />
und ertragsstarke Banken sowie effiziente und stabile<br />
Kapitalmärkte voraussetzt. Die kumulierenden Wirkungen<br />
der Finanzmarktregulierung der zurückliegenden<br />
Jahre sollten vor diesem Hintergrund noch einmal auf<br />
ihren tatsächlichen Nutzen überprüft und gegebenenfalls<br />
nachjustiert werden.<br />
Dr. Michael Kemmer ist Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Vorstandes,<br />
Bundesverband deutscher Banken, Berlin<br />
Die bestehenden Handlungsalternativen sind in den verschiedenen<br />
Politikbereichen weitgehend identifiziert.<br />
Sie sollten jetzt rasch zu einer Wachstumsstrategie zusammengefügt<br />
werden. Gelingt deren Umsetzung, besteht<br />
die berechtigte Hoffnung, dass die negativen Auswirkungen<br />
des demografischen Wandels durch einen<br />
längerfristig höheren Wachstumspfad ausgeglichen<br />
oder zumindest abgemildert werden können. Es führt<br />
kein Weg an der Erkenntnis vorbei: Demografie-Politik<br />
ist im Kern Wachstumspolitik.<br />
2 <strong>inter|esse</strong> 2 ◆ <strong>2015</strong>