Platon, Staat, Entst..
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PLATOΝ UND POLITEIA<br />
Als Sohn aus vornehmer Familie genoss <strong>Platon</strong> eine sorgfältige Erziehung. Es wird berichtet, dass<br />
er Unterricht in Sport, Grammatik, Malerei, Musik und Dichtung erhielt. Als junger Mann unternahm<br />
er künstlerisch-literarische Versuche, die ihre Fortsetzung in der philosophischen Dialogschriftstellerei<br />
fanden.<br />
<strong>Platon</strong> erlebte als junger Mann den Zusammenbruch Athens und seiner Demokratie im Verlaufe<br />
des Peloponnesischen Krieges, zugleich den Zusammenbruch der Polis und der sie tragenden<br />
gesellschaftlichen Normen und Traditionen, auch den<br />
Zusammenbruch der demokratischen Verfassungsform.<br />
Er lebte dann fast bis zum Ende der Autonomie 427 – 347 <strong>Platon</strong><br />
431 – 404 Peloponnesischer Krieg<br />
der athenischen Polis und erlebte so die Endphase der 404 – 403 attischer Bürgerkrieg nach der Machtrestaurierten<br />
athenischen Demokratie.<br />
ergreifung der mit Sparta sympathisie-<br />
renden oligarchischen Clique der<br />
<strong>Platon</strong> war seiner Abstammung nach Aristokrat und<br />
teilte mit der Aristokratie deren Vorbehalte gegenüber<br />
der Demokratie. Der mit ihr verbundene Gleichheitsanspruch<br />
wirkte auf ihn provokativ. Verwandte<br />
und Bekannte <strong>Platon</strong>s nahmen an dem Putsch von<br />
404 teil, der zunächst auch seine Zustimmung fand.<br />
„Dreißig“ (οἱ τριάκοντα)<br />
403 – 401 Teilung Attikas in einen demokratischen<br />
und einen oligarchischen <strong>Staat</strong><br />
(Athen und Eleusis)<br />
401 – 338 restaurierte athenische Demokratie<br />
Doch die grausame politische Realität – ca. 1500 politische<br />
Gegner wurden von den Oligarchen exekutiert<br />
– schreckte <strong>Platon</strong> ab. Besonders abstoßend fand er<br />
den Versuch der Dreißig, Sokrates in ihre Machenschaften<br />
zu involvieren, indem sie ihm befahlen, mit<br />
399<br />
ca. 385<br />
seit 359<br />
Hinrichtung des Sokrates<br />
Gründung der Akademie durch <strong>Platon</strong><br />
Aufstieg Makedoniens unter Philipp II<br />
vier weiteren Athenern einen demokratischen Mann aus Salamis, namens Leon, zwecks Exekutierung<br />
zu verhaften.<br />
Das 399 gegen Sokrates verhängte Todesurteil stellte einen gravierenden Einschnitt in seinem Leben<br />
dar. An dessen Schülerkreis hatte er sich gegen Ende des 5. Jhs. angeschlossen. Nun erlebte<br />
<strong>Platon</strong> das Versagen der Demokratie, wie zuvor das der Oligarchie, deren Auswüchsen gegenüber<br />
ihm damals die Demokratie als goldene Verfassung erschien.<br />
Trotz seiner anfänglichen Absicht, aktiv Politik zu betreiben, suchte <strong>Platon</strong> aus Enttäuschung über<br />
die desolate politische Wirklichkeit seine Zuflucht in der Theorie. Er hatte nämlich die Erkenntnis<br />
gewonnen, dass sich alle existierenden Verfassungen in einem schlechten Zustande befänden. Nur<br />
auf der Basis der richtigen Philosophie sei das Recht zu erkennen. Für die Menschen könne es kein<br />
Ende des Unheils geben, bevor nicht die richtig Philosophierenden an die Macht kämen oder die<br />
Mächtigen selbst damit anfingen zu philosophieren. So wurde für <strong>Platon</strong> die Philosophie zum<br />
Handlungsersatz. Vor diesem Hintergrund erklärt es sich, dass <strong>Platon</strong>s Philosophie ihrem Wesen<br />
und ihrem Ursprung nach politisch-gesellschaftliche Philosophie ist.<br />
Nach dem Tode des Sokrates begann <strong>Platon</strong> mit seiner philosophischen Schriftstellerei. Ca. 385<br />
gründete er im heiligen Bezirk des Heros Akademos 1 seine eigene Philosophenschule, die später<br />
nach diesem „Akademie“ genannt wurde. Sie entwickelte sich zu einer Art Universität, an die<br />
<strong>Platon</strong> auch Fachwissenschaftler wie Mathematiker, Astronomen usw. holte.<br />
1<br />
der einst Athen gerettet haben soll.
In Abgrenzung zu den Sophisten, die sich mit dem allgemeinen Werteverfall arrangierten - ein<br />
Teil der Sophistik bekämpfte sogar die alte Tugenden und propagierte das Recht des Stärkeren –<br />
versuchte <strong>Platon</strong>, Normen neu zu begründen und zu sichern. Er trat entschieden dem von den<br />
Sophisten verfochtenen Normenrelativismus entgegen. Für <strong>Platon</strong> gab es das Gute und das<br />
Gerechte schlechthin, unabhängig von dem, was jeweils innerhalb einer Gesellschaft als gut bzw.<br />
gerecht angesehen wurde.<br />
Die Politeia, das Zentralwerk der platonischen Philosophie, stellte den Zielpunkt aller vorangehenden<br />
Dialoge dar, insbesondere insofern als nun die Areteproblematik zu ihrem Ziel geführt<br />
wurde. Dies geschah in der Weise, dass das Problem, das mehr oder weniger immer im Mittelpunkt<br />
gestanden hatte, nun zu Ende gedacht wurde, das Problem der Sicherung der Normen und<br />
Wertbegriffe. <strong>Platon</strong> unternahm den Versuch, moralische Konventionen neu zu konstituieren, und<br />
zwar in einem absoluten, aller Relativität entzogenen Fundament, in der Idee des Guten, die den<br />
philosophisch-gedanklichen Mittelpunkt der Politeia darstellt.<br />
Bezeichnend für <strong>Platon</strong> ist – darin ist <strong>Platon</strong> singulär für alle antike Philosophie –, dass diese<br />
ontologisch-erkenntnistheoretische Fragestellungen im Zusammenhang mit politischer Theorie<br />
entwickelt wurden, die für <strong>Platon</strong> offenbar engstens zusammenhängen. Er versuchte in der<br />
Politeia den Nachweis zu erbringen, dass die desolate politische Situation zumindest theoretisch<br />
überwunden werden könne. Die Ausführungen <strong>Platon</strong>s mündeten in der Zentralaussage des<br />
gesamten Werkes (473 c): Wenn nicht entweder die Philosophen die Herrschaft in den <strong>Staat</strong>en übernehmen<br />
oder die Herrscher, die jetzt so heißen, anfangen zu philosophieren in echter und ausreichender<br />
Weise, wenn das nicht geschieht, wenn die staatliche Macht und die Philosophie nicht zusammenfallen in<br />
ein und dasselbe, wenn nicht die vielen Naturen derer, die jetzt getrennt entweder auf Macht oder auf<br />
Philosophie ausgehen, zusammengeführt werden, dann gibt es für die <strong>Staat</strong>en kein Ende des Unheils.<br />
<strong>Platon</strong> war davon überzeugt, dass es im Bereich der praktischen Politik ein verbindliches und<br />
absolutes Wissen gebe, das aber nur für ganz wenige zugänglich sei. Nur wer über dieses Wissen<br />
verfüge, könne den kranken <strong>Staat</strong>skörper heilen. Er hielt zwar die Verwirklichung des Philosophenstaates<br />
für außerordentlich schwierig, aber für grundsätzlich möglich. Philosophen, die<br />
sich anschickten, den <strong>Staat</strong> zu lenken, müssten über das Wissen von der Idee des Guten verfügen,<br />
als dem höchstem Erkenntnisgegenstand, dem μέγιστον μάϑημα.<br />
(nach der <strong>Platon</strong>-Vorlesung von Prof. Dr. Bernd Effe, Sommersemester 2005)