Auf dem Erlebnisbauernhofder InternationalenGrünen Woche könnenjedes Jahr Besucher denWeg der Nahrungsmittelvom Feld oder aus demStall bis auf den Tellerverfolgen. Dabei assistiertder Geschäftsführerder FördergemeinschaftNachhaltige Landwirtschaft,Dr. GibfriedSchenk (rechts) schonmal dem FernsehkochAndreas Völkel, der inder eigens eingerichtetenShowküche leckereSpeisen zubereitet.Hier dürfe sich keiner aus der Verantwortungstehlen. Denn Öffentlichkeitsarbeit seiebenso wie die Liquiditäts- oder Fruchtfolgeplanungeine Aufgabe des Unternehmers.Pflanzenschutz ist einsensibles ThemaDas zeigen beispielsweise Medienbeiträge,politische Entwicklungen wie die neueEU-Pflanzenschutz-Verordnung oder dieStimmung in der Bevölkerung. Der chemischePflanzenschutz wird <strong>nach</strong> wie vorkontrovers diskutiert. Und das spiegelt sichauch in verschiedenen repräsentativenMeinungsumfragen wider. Schenk fasst sieso zusammen: „Landwirte haben zwar einrelativ hohes Ansehen in der Gesellschaft.Aber die modernen Produktionsverfahrenwerden sehr kritisch betrachtet und zumTeil auch abgelehnt.“Für viele Verbraucher spritzen Landwirteimmer noch „Gift“, wenn sie mit der Pflanzenschutzspritzeauf dem Acker arbeiten.Was den Fachmann ärgert, ist von Außenstehendenoft gar nicht böse gemeint – siewissen es einfach nicht besser. „Es fehltder Onkel in der Verwandtschaft, der nochBauer ist, oder die Lehrerin, die ein zeitgemäßesBild von der Landwirtschaft vermittelt“,so der FNL-Geschäftsführer. Under ergänzt: „Auch Landwirte wissen imNormalfall nicht viel über das, was dieNachbarn ganz genau im Büro, im Laboroder der Fabrikhalle machen. Also ist Verständnisfür Reaktionen und Meinungenangesagt, die auf Unkenntnis beruhen.“Dass die Menschen beim Thema Pflanzenschutzbesonders sensibel reagieren, hatauch mit der Sorge um die eigene Gesundheitzu tun. Zwar ernährt sich der Großteilder Bevölkerung <strong>nach</strong> Meinung von Ernährungswissenschaftlernzu fett, zu salzig undzu süß. Immerhin ein gutes Viertel der Gesamtbevölkerunggreift trotz aller Warnungenregelmäßig zur Zigarette und setzt sichdamit einem hohen Risiko aus. Aber vielentscheidender ist die Tatsache, dass derVerbraucher das Heft des Handelns in derHand behalten will. Er erwartet deshalbLebensmittel, die er bedenkenlos zu sichnehmen kann. Wenn ein Landwirt mit derPflanzenschutzspritze über den Ackerfährt, reagieren viele Verbraucher skeptisch.Gentechnisch veränderte Kulturpflanzenrufen ähnliche Reaktionen hervor.Der Verbraucher wittert hier einen Angriffauf seine Entscheidungssouveränität.Behutsam argumentieren –Nutzen herausstellenEs ist also kein Wunder, wenn Gesprächemit Pflanzenschutzkritikern häufig sehremotional geführt werden. „Da hilft esnichts, aufgebrachten Zeitgenossen einmalso richtig Contra zu geben“, folgert derFNL-Geschäftsführer. „Sonst schaukelnsich die Wogen hoch und das bringt keinemBeteiligten etwas.“ Stattdessen seiVerständnis angesagt. Wenn Landwirte aufdie Sorgen ihrer Gesprächspartner eingingen,nähmen sie schon gleich am Anfangdie Schärfe aus der Diskussion. Das bedeuteaber nicht, dass man sich scheinheiligder Meinung des anderen anschließenmüsse. Ganz im Gegenteil: „Wer seinenStandpunkt begründet, für seine Überzeugungeintritt und dabei dennoch selbstkritischbleibt, wird akzeptiert und findet Beachtung“,hat Schenk beobachtet.Für Bernd Olligs gibt es einen weiterenSchlüssel zum Erfolg: „Wir müssen vor allemden Nutzen moderner Verfahren in derLandwirtschaft herausstellen. Und zwarbesonders den Verbrauchernutzen.“ Dafürgeht er mit Hofbesuchern gerne zu einemSpritzfenster. „Am Beispiel einer unbehan-6 KURIER 1/09
delten Teilfläche erkennt selbst ein Laie,was passiert, wenn ich auf Maßnahmenverzichte.“ Dass nicht nur sehr viel wenigerSauerstoff durch die schwächelnden Kulturpflanzenerzeugt würde, sondern auchErtrags- und Qualitätseinbußen direkteAuswirkungen auf den Verbraucher hätten,sei den Betrachtern dann sehr schnell klar.Medien sind PartnerUm Botschaften möglichst breit zu streuen,müssten <strong>nach</strong> Schenks Meinung so genannteMultiplikatoren noch stärker alsbisher genutzt werden: „Wenn ich Lehrern,Politikern oder Medienvertretern bestimmteZusammenhänge verdeutlicht habe, dannwerden sie es weiter erzählen.“ Mit einemguten Beitrag in der Lokalzeitung könneman viele tausend Leser erreichen. Dahersollten die mehrheitlich seriösen Journalistenauch als Partner angesehen werden.„Auf Dauer müssen beide Seiten von derZusammenarbeit profitieren und das gehtnur mit gegenseitigem Vertrauen.“ Voraussetzungfür den Schritt in die Medien seijedoch ein Aufhängerthema, das bei denMedienkonsumenten als interessant eingestuftwerde und eine solide Vorbereitunginklusive klarer Botschaften, die vermitteltwerden sollten.Glaubwürdigkeit schafftVertrauenBotschaften werden vom Empfänger nurbeachtet, wenn der Sender über das nötigeMaß an Glaubwürdigkeit verfügt. Deswegenist es für Bernd Olligs selbstverständlich,dass seinen Worten auch Taten folgen.„Wenn ich meinen Mitbürgern immer wiedererkläre, wie genau ich mit Pflanzenschutzmittelnauf dem Acker umgehe,muss ich mich auch später korrekt verhalten.Wenn ich zum Beispiel meine Spritzereinige, darf kein Waschwasser in die Kanalisationgelangen.“ Ebenso unglaubwürdigsei man, wenn man mit einer ausgefeiltenRhetorik alles rosarot darstelle undschwarze Schafe in den eigenen Reihendecke. „Es gibt überall Dinge, die nochverbesserungsfähig sind, da muss man dochdie Kirche im Dorf lassen“, gibt Olligs zubedenken. In seinen Gesprächen stündenFakten im Vordergrund. Alles müsse Handund Fuß haben, um als kompetenter undvertrauenswürdiger Landwirt anerkannt zuwerden. Er spreche nicht über Dinge, vondenen er nichts verstehen würde. „Wennman erst einmal das Vertrauen auf seinerSeite hat, dann klappt es auch mit denNachbarn“, so sein abschließendes Fazit. ■Pflanzenschutzmittelabsatz in DeutschlandWirkstoffaufwand in kg je Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche432103,651987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2006Quelle:BVL3,502,701,961,76 1,77 1,76@ Situationsbericht 2008 – G038Argumente für verantwortungsvollenPflanzenschutz• Pflanzen können von Krankheitserregern wie Pilze, Bakterien und Viren sowievon Insekten befallen und von Unkräutern im Wachstum beeinträchtigt werden.• Die innovativen Pflanzenschutzmittel von heute sind echte High-tech-Produkte,die bei korrekter Anwendung selektiv auf Schaderreger wirken. Sie wurdennoch nie so genau wie heute geprüft und bauen sich schneller ab als ihreVorgänger.• Rund zehn Jahre dauert die Entwicklung eines neuen Pflanzenschutzmittels.Dafür müssen rund 200 Millionen Euro investiert werden.• Während der Entwicklung und Zulassung wird geprüft, ob die Wirkstoffeunbedenklich für Mensch und Tier und verträglich für die Umwelt angewendetwerden können.• Nur zugelassene Pflanzenschutzmittel dürfen angewendet werden. An derZulassung sind das Julius Kühn-Institut, das Umweltbundesamt, das Bundesinstitutfür Risikobewertung und das Bundesamt für Verbraucherschutz undLebensmittelsicherheit beteiligt.• Integrierter Pflanzenschutz ist <strong>nach</strong>haltige Landwirtschaft: Chemische Mittelwerden eingesetzt, wenn vorbeugende Maßnahmen nicht gegriffen haben unddie Schadensschwelle überschritten ist.• Landwirte verwenden Pflanzenschutzmittel getreu dem Motto „so viel wie nötig,so wenig wie möglich“.• Die amtlichen Rückstandshöchstmengen für Pflanzenschutzwirkstoffe inLebensmitteln haben Vorsorgecharakter und liegen weit unter den Werten,die gesundheitlich relevant sind.• Werden zugelassene Pflanzenschutzmittel gemäß ihren Gebrauchsanweisungeneingesetzt, können <strong>nach</strong> aktuellem Kenntnisstand Gesundheits- und Umweltgefährdungenausgeschlossen werden.• Pflanzenschutzmittel tragen zu höheren und sicheren Ernten und hochwertigenQualitäten bei. Weil durch ihren Einsatz pro Kilogramm Erzeugnis weniger Fläche,Energie und Wasser benötigt werden, steigern sie die Effizienz im Ackerbau.• Der enorme landwirtschaftliche Produktivitätszuwachs in den vergangenenJahrzehnten ist auch ein Verdienst des Pflanzenschutzes. Lebensmittel sindpreiswerter geworden. 1950 lagen die Ausgaben für Nahrungsmittel einschließlichGenussmittel an den privaten Konsumausgaben bei 44 Prozent, aktuell nurnoch bei 14 Prozent.• Chemische Pflanzenschutzmaßnahmen können die äußere und die innereQualität der Lebensmittel maßgeblich verbessern. Werden sie gezielt eingesetzt,sorgen sie für pilz- und schädlingsfreie sowie optisch ansprechende Ware.1,641,77 1,731,871/09 KURIER 7