10 / Frauenrechte in <strong>Afghanistan</strong>Junge afghanische Mädchen in Kandahar ergreifen bei einer der seltenen Feiern im Haus einer Frau die Gelegenheit, sich schick zu machen. Den meisten Mädchenin <strong>Afghanistan</strong> wird der Besuch einer Schule und der Zugang zu Bildung allgemein verwehrt, da sie meist schon sehr jung zur Heirat gezwungen und an den verkauftwerden, der ihrer Familie am meisten Geld bietet. © Lana Slezic / Panos Pictures„Angesichts der Vorteile, die eine Beteiligungvon Frauen für die Qualität politischerFührung, die Rechtsstaatlichkeit und denWiederaufbau hat, ist es inakzeptabel, dasssie nach wie vor von Friedensgesprächenund dem Wiederaufbau des Landes ausgeschlossensind. Das muss sich ändern.“Michelle Bachelet, geschäftsführende Direktorin von UN WomenWarum Frieden Frauen brauchtMichelle Bachelet, geschäftsführende Direktorin von UNWomen, nennt vier Gründe, warum die Beteiligung vonFrauen einen besseren Frieden schafft:– Durch die Beteiligung von Frauen wird der Friedensprozessauf weitere Interessensgruppen jenseits derKonfliktparteien ausgedehnt. So werden Menschenmit einbezogen, die eine weit reichende gesellschaftlicheAkzeptanz von Friedensverträgen sowie derenEinhaltung gewährleisten können.– Eine Berücksichtigung frauenspezifischer Interessenkann eine schnellere Wiedereinsetzung des Rechtsstaatesbegünstigen. Eine Null-Toleranz-Strategie beiMissbrauch an Frauen ist ein erster Ansatz, um gegendie Straflosigkeit bei Verletzungen der Menschenrechtevon Frauen anzugehen.– Durch die Beteiligung von Frauen an allen Aspektendes Friedensprozesses, einschließlich der Abrüstungsprozesse,der Übergangsjustiz und den Kommissionenfür verfassungsrechtliche Reformen, wird gewährleistet,dass eine größere Meinungsvielfalt in Entscheidungeneinfließt.– Die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Frauenkann sich nach Konflikten positiv auf die wirtschaftlicheErholung auswirken. Konflikte verursachen einestarke Zunahme frauengeführter Haushalte. BleibtFrauen keine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zuverdienen, führt dies zu mehr Armut. Bei einergewissen wirtschaftlichen Absicherung investierenFrauen eher in das Wohlergehen und die Bildung ihrerKinder, sorgen eher für eine sichere Nahrungsmittelversorgungund auch eher für einen Wiederaufbauländlicher Ökonomien.
<strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong>Frauenrechte in <strong>Afghanistan</strong> / 11Verpflichtungen im Rahmen derinternationalen Menschenrechte<strong>Afghanistan</strong> hat das UN-Übereinkommen zur Beseitigungjeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW)2003 unterzeichnet und ist damit an dessen Bestimmungengebunden.Im Januar 2010 erklärte der CEDAW-Ausschuss, dassjede mit den Taliban in <strong>Afghanistan</strong> getroffene Vereinbarungein eindeutiges Bekenntnis zur Respektierungund zum Schutz der Menschenrechte von Frauen beinhaltenmüsse. Er forderte die afghanische Regierungund ihre internationalen Verbündeten auf, „dafür Sorgezu tragen, dass Frauenvertreterinnen an den bevorstehendenFriedens- und Entwicklungsgesprächen mit denTaliban beteiligt sind“.Es liegen mehrere Resolutionen des UN-Sicherheitsratszum Schutz und zur Ermächtigung von Frauen vor. In diesenResolutionen, insbesondere in UNSCR 1325, werdenVerpflichtungen dargelegt, um auf die Folgen bewaffneterKonflikte für Frauen zu reagieren. Darin wird ausgeführt,dass die umfassende Beteiligung von Frauen an FriedensundVersöhnungsprozessen für die Aufrechterhaltung undSicherung des internationalen Friedens und der Sicherheitunerlässlich ist. Außerdem tragen sie der besonderenGefahr sexueller Gewalt gegen Frauen Rechnung.In UNSCR 1894 zum Schutz von Zivilisten in bewaffnetenKonflikten wird insbesondere die Notwendigkeithervorgehoben, der Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungenein Ende zu setzen, und noch einmal betont,dass es der Verantwortung der Staaten obliegt, die Menschenrechteihrer Bürgerinnen und Bürger zu wahren.<strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong> appelLiert andie afghanische Regierung und ihreUS-amerikanischen/ISAF-Partner,folgende Forderungen umzusetzen:Zusätzlich appelliert<strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong> an dieBundesregierung:Die afghanische Regierung und aufständische Gruppenmüssen sich zu ihren Verpflichtungen im Rahmen internationalerMenschenrechtsabkommen und des nationalen Rechtsbekennen.Alle politischen Vereinbarungen müssen überprüfbaremenschenrechtliche Kriterien enthalten. Dies kannbeispielsweise durch die Dokumentation folgender Kriterienerfolgen: die Entwicklung der Schülerzahlen, vor allem beiden Mädchen, die Entwicklung des Zugangs zu Gesundheitsfürsorgeleistungenfür Frauen, die Entwicklung von Müttersterblichkeitsratenund Säuglingsgesundheit sowie die Möglichkeitenvon Hilfskräften und zivilen AktivistInnen – insbesondereFrauenrechtlerInnen –, in Gebieten tätig zu werden, die vonden jeweiligen Parteien kontrolliert werden.Bei Versöhnungsgesprächen muss die gesamte afghanischeZivilgesellschaft mit ihren jeweiligen Interessen repräsentiertsein, unter Einbeziehung von Minderheiten und Frauen.Afghanische Frauen sollten gemäß Resolution 1325des UN-Sicherheitsrats angemessen an den verschiedenenPlanungsphasen und Versöhnungsgesprächen beteiligt sein.Es ist dafür Sorge zu tragen, dass Versöhnungsgespräche nichtzur Straflosigkeit bei schweren Menschenrechtsverletzungenund Kriegsverbrechen führen.Die Versöhnungsstrategie muss einen tragfähigen Kontrollmechanismusvorsehen, um sicherzustellen, dass es währenddes Versöhnungsprozesses oder danach nicht zu Menschenrechtsverletzungenkommt.Tragen Sie dafür Sorge, dass afghanische Frauen gemäßResolution 1325 des UN-Sicherheitsrates wirkungsvoll an denverschiedenen Planungsphasen und Versöhnungsgesprächenbeteiligt sind.Sprechen Sie in den jeweiligen Gremien, Foren und Mechanismeninternationaler und regionaler Verträge die Notwendigkeiteiner Gewährleistung der Rechte afghanischer Frauen undMädchen im Rahmen aller Versöhnungsstrategien an.Bringen Sie die afghanische Regierung dazu, Maßstäbe für dieGewährleistung der Menschenrechte von Frauen zum Bestandteilaller Versöhnungsvereinbarungen zu machen.Die afghanische Zivilgesellschaft, insbesondere Frauengruppen,müssen frühzeitig und umfassend in die Vorbereitung undDurchführung der <strong>International</strong>en <strong>Afghanistan</strong>-Konferenz am5. Dezember 2011 in Bonn eingebunden werden und ihrePolitikempfehlungen echten Einfluss haben.„Wir kämpfen dafür, dass in<strong>Afghanistan</strong> alle Menschenvernünftig leben können, Männerund Frauen gleichermaßen.“Angela Merkel, deutsche Kanzlerin,April 2009