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DER<br />
Wir schreiben den 19.08.2050: Pünktlich am Freitag beginnt das Zwickauer Stadtfest. Einige ältere Herrschaften<br />
ZWICKAU & UMGEBUNG ZWICKAU & UMGEBUNG<br />
RATGEBER<br />
sitzen zusammen und denken wehmütig an das Jahr 2010 zurück, als jenes Fest noch donnerstags mit der New-<br />
TOD<br />
comer-Night eingeläutet wurde. Die war ab 2011 dann leider Geschichte und ein Opfer des Sparzwangs beim Co-<br />
Veranstalter Soziokulturelles Zentrum „Alter Gasometer e.V.“<br />
Was aktuell zum Glück noch finstere Fiktion ist,<br />
könnte schon in absehbarer Zeit traurige Wirklichkeit<br />
werden. Denn den Soziokulturellen Zentren<br />
der Region geht es – zumindest in finanzieller Hinsicht<br />
– schlecht. Das ist zugegeben keine wirkliche<br />
Neuigkeit. Neu ist hingegen die Tatsache, dass das<br />
Einsparpotenzial der meisten Zentren nahezu er-<br />
10 . KOMPASS 11 I 10<br />
schöpft ist und damit ein Wegfall der Soziokultur<br />
für die Region droht. „Soziokultur bedeutet Vielfalt.<br />
Vielfalt derer, die diese Angebote nutzen und<br />
Vielfalt der Angebote selbst.“ Diese Sätze aus der<br />
Broschüre des Alten Gasometers zeigen, was uns<br />
allen verloren gehen könnte. KOMPASS blickt auf<br />
Gegenwart und Zukunft regionaler Kultur.<br />
IST DIE EINZIGE MÖGLICHKEIT,<br />
WENIGER KUNST ZU MACHEN. Hagen Drasdo<br />
Alter Gasometer Zwickau * 2000 ungewiss<br />
Maximales Angebot mit minimalen Mitteln<br />
Der Alte Gasometer Zwickau ist auch überregional<br />
für seine Konzerte und Kabarettevents bekannt.<br />
Große Namen wie Northern Lite, Xzibit und<br />
Tanzwut standen schon auf der Bühne im ehemaligen<br />
Gasspeicher. Doch auch abseits dieser<br />
Großevents bietet der Gasometer ein vielfältiges<br />
Programm. Vor allem im Bereich der Nischenkultur<br />
und der kulturellen Teilhabe bietet er ein<br />
vielfältiges Angebot. So stehen oftmals sehr gute<br />
und gleichzeitig hier unbekannte Künstler auf der<br />
Bühne, die dem Publikum sonst vorenthalten blieben.<br />
„Durch die Bereitstellung von Fördermitteln<br />
können wir den Ansatz Kultur für Alle umsetzen,<br />
unbekannten bzw. Nachwuchskünstlern eine<br />
Bühne bieten sowie moderate Eintrittspreise verlangen.<br />
Dies können kommerziell orientierte Kulturanbieter<br />
in der Region nicht leisten. Auch wenn<br />
der Verein wirtschaftlich arbeiten muss, unterliegt<br />
er nicht dem Gebot der Gewinnmaximierung, sondern<br />
einer gesellschaftlichen Verpflichtung.“, beschreibt<br />
Mario Zenner, Geschäftsführer des Gasometers,<br />
die Konzeption. Doch der Gasometer<br />
macht noch mehr. Mit verschiedenen Workshops<br />
gibt er Zwickauern die Chance, sich künstlerisch<br />
selbst zu verwirklichen. Er leistet mit dem Koordinierungsbüro<br />
des Bündnisses für Demokratie und<br />
Toleranz einen Beitrag zur Aufklärung über Extremismus,<br />
unterstützt Integrationsprozesse im interkulturellen<br />
Arbeitskreis und hält für Menschen<br />
jeden Alters unterschiedlichste Bildungsangebote<br />
bereit. Kurzum, der Gasometer leistet einen Beitrag<br />
zur kulturellen Vielfalt für die gesamte Region. Damit<br />
könnte es jedoch bald vorbei sein. Denn die finanzielle<br />
Förderung des Gasometers steht auf wackeligen<br />
Füßen.<br />
„140.000 Euro im Jahr extra würden wir etwa benötigen,<br />
um die Qualität und das Angebot des Gasometers<br />
langfristig erhalten zu können.“, bringt es<br />
Mario Zenner auf den Punkt. Das Geld wird dabei<br />
vor allem benötigt, um die Vereinsziele umzusetzen,<br />
die Mitarbeiter des Zentrums angemessen<br />
bezahlen zu können und damit auch zu halten –<br />
derzeit verdienen diese bis zu 25% weniger als in<br />
vergleichbaren Stellungen – und die Substanz des<br />
Gebäudes zu konsolidieren. Denn obwohl das Gasometer<br />
an den Eigentümer der Immobilie, die Stadt<br />
Zwickau, monatlich Miete zahlt, wurden bisher<br />
die meisten Werterhaltungsmaßnahmen vom Verein<br />
selbst finanziert und durchgeführt. Eine derart<br />
große finanzielle Lücke könnte weitreichende Folgen<br />
haben, wie Mario Zenner weiß: „Schlimmstenfalls<br />
stehen ab dem 1.4.2011 Entlassungen im Bereich<br />
Koordinierungsbüro, Veranstaltungstechnik<br />
und Jugendbereich an.“ Das würde wiederum eine<br />
Reduzierung von Angebot und Veranstaltungen bedeuten,<br />
was wiederum einen Rückgang der selbst<br />
erwirtschafteten Mittel bedingt. Und so dreht sich<br />
die Spirale weiter abwärts. Eine Lösung wäre natürlich<br />
ein stärkeres Engagement von Stadt, Landkreis<br />
und Kulturraum, was in Zeiten knapper Kassen natürlich<br />
schwer werden könnte. Deshalb versucht<br />
der Gasometer aktuell Partner in der Wirtschaft zu<br />
finden, die durch ein soziales Engagement eine<br />
deutliche Position zur Region beziehen wollen.<br />
Sollten auch diese Bemühungen nicht von Erfolg<br />
gekrönt sein, wird die Zukunft des Soziokulturellen<br />
Zentrums von Zwickau wohl von der Spendenbereitschaft<br />
der Bevölkerung abhängen.<br />
www.alter-gasometer.de<br />
11 I 10 KOMPASS . 11