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Visuelle Verarbeitung und Wahrnehmung

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Workshop 24<br />

„<strong>Wahrnehmung</strong> als zentrale Eingangsinstanz für das Lernen“<br />

unter spezieller Berücksichtigung der auditiven <strong>und</strong> visuellen <strong>Verarbeitung</strong>/<strong>Wahrnehmung</strong><br />

Irene Albers<br />

Cornelia Badstieber<br />

Barbara Erdmeier<br />

Kristina Gaede-Schröder<br />

Hubert Gockeln<br />

Wilhelm-Josef Gusse<br />

Gudrun Hammerschmidt<br />

Sylvie Hansen<br />

Anette Hellmann<br />

Dagmar Kirchhoff<br />

Heidi Kleymann<br />

Herzlich willkommen!<br />

Hans-Werner Kulinna<br />

Ulrich Ledwinka<br />

Julia Litz<br />

Heike Rebbert<br />

Andrea Richter<br />

Roswitha Roß<br />

Ulrich Scholz<br />

Horst Selle<br />

Ilona Simdorn<br />

Cordula Wischerhoff


Output:<br />

Reaktion auf den Reiz im Sinne einer motorischen Reaktion<br />

<strong>Wahrnehmung</strong>:<br />

Vernetzung der verschiedenen cerebralen Hirnstrukturen zur integrativen <strong>Verarbeitung</strong> der<br />

einzelnen Sinneswahrnehmungen<br />

Zentrale <strong>Verarbeitung</strong> der Sinneseindrücke, der Vergleich mit bereits Gespeichertem, die<br />

Speicherung von Neuem, die Selektion, die Diskrimination, Klassifikation, die Hemmung <strong>und</strong><br />

Verstärkung von Reizen<br />

<strong>Verarbeitung</strong>:<br />

Transformation der ankommenden Reize in nervöse Impulse<br />

Spezifische Verschlüsselung dieser Reize in elektrische, chemische oder biochemische Prozesse<br />

Weiterleitung dieser Impulse zum zentralen Nervensystem über aufsteigende Nervenbahnen<br />

Input:<br />

<strong>Visuelle</strong>r, auditiver ... Reiz


<strong>Visuelle</strong> <strong>Verarbeitung</strong> <strong>und</strong> <strong>Wahrnehmung</strong><br />

Schwerpunkt: Informationsaufnahme/Lesetechnik


Frontallappen<br />

Wir sehen nicht mit den Augen - wir sehen mit dem Gehirn<br />

Temporallappen<br />

„WAS“-Pfad<br />

Parietallappen<br />

„WO“-Pfad<br />

Konturen +<br />

Informationsverteilung


<strong>Visuelle</strong> <strong>Wahrnehmung</strong><br />

<strong>Visuelle</strong> Aufmerksamkeit = Fähigkeit zur Unterscheidung von Teilen des Datenflusses<br />

<strong>Visuelle</strong>s Gedächtnis = Fähigkeit sich Gesehenes zu merken, Gesichter, Bilder, aber auch Buchstaben<br />

merken <strong>und</strong> richtig wiedererkennen bzw. reproduzieren können.<br />

Die Raum-Lage-Beziehung = Fähigkeit, die räumliche Zuordnung von Objekten <strong>und</strong> die Orientierung in der<br />

Umwelt vorzunehmen<br />

Figur-Gr<strong>und</strong>wahrnehmung = Fähigkeit, einzelne Elemente aus einem komplexen optischen Hintergr<strong>und</strong><br />

bzw. aus einer Gesamtfigur eingebettete Teilfiguren herauszufiltern, Gesehenes zu gliedern, z.B. einzelne<br />

Buchstaben erkennen können.<br />

<strong>Visuelle</strong> Diskriminierung = Fähigkeit, Unterschiede bei Gesehenem wahrzunehmen<br />

z.B. ähnlich aussehende Buchstaben voneinander unterscheiden können.<br />

Bewegungssehen = Fähigkeit, bewegte Reize wahrzunehmen<br />

Globalsehen/Detailsehen = Fähigkeit, etwas Ganzes/Teile eines Ganzen wahrzunehmen


Störungen der visuellen <strong>Wahrnehmung</strong> 1: Zellverwachsungen im Corpus geniculatum laterale<br />

Information zu Form <strong>und</strong> Farbe Information zu Ort <strong>und</strong> Bewegung<br />

Magno- (M) <strong>und</strong> Parvozelluläres (P)- System


Störungen der visuellen <strong>Wahrnehmung</strong> 2: Eingeschränktes Aufmerksamkeitsfeld bei zeitgerechter Präsentation (200 ms)<br />

200 ms<br />

Gesichtsfeld - Aufmerksamkeitsfeld<br />

Erhöhte Erkennensleistung durch längere Präsentationszeit<br />

(kleine Punkte = Treffer/große Punkte = keine Treffer)<br />

600 ms


Störungen der visuellen <strong>Wahrnehmung</strong> 3: Schwächen bei der Unterdrückung von Blicksprüngen<br />

Fixation<br />

Blicksprung<br />

Normaler Leser<br />

Blicksprung nach links statt nach rechts<br />

Kind mit visuellen Störungen


Störungen der visuellen <strong>Wahrnehmung</strong> 4: Defizite in der Stabilität von Fixationen


Sehleitungen bei Störungen der visuellen <strong>Wahrnehmung</strong><br />

Defizite in der Stabilität der Blicksteuerung Defizite beim beidäugigen Sehen (Schielen)<br />

Defizite beim dynamischen Sehen<br />

Scotopic-Sensitivity-Syndrom


Auswirkungen von Störungen der visuellen <strong>Wahrnehmung</strong><br />

Gute Leser:<br />

• parallele <strong>Verarbeitung</strong><br />

• Lesezeit immer gleich<br />

• automatisiert


Der Leseprozess lässt sich in seiner Effizienz auch durch die Lesegeschwindigkeit aufzeigen:<br />

• weniger als 150 Wörter pro Minute: zu langsam<br />

• 150 bis 200 Wörter pro Minute: eher langsam<br />

• 200 bis 240 Wörter pro Minute: gute Geschwindigkeit<br />

• 240 bis 300 Wörter pro Minute: schneller Leser<br />

• über 300 Wörter pro Minute: sehr schnell<br />

Ein schneller Leser benötigt also durchschnittlich pro Wort 200-300 Millisek<strong>und</strong>en<br />

Quelle: http://www.learning-systems.ch/multimedia/speedrat_d01.htm


Auditive <strong>Verarbeitung</strong> <strong>und</strong> <strong>Wahrnehmung</strong>


primäres Hören


Wir hören h ren nicht mit den Ohren - wir hören h ren mit dem Gehirn<br />

Lautprägung<br />

Prosodie<br />

Phonologische Bewusstheit i.w.S./i.e.S.<br />

Artikulation …


Auditive <strong>Wahrnehmung</strong><br />

Auditive Aufmerksamkeit<br />

Fähigkeit, akustische Stimuli unbewusst aufzunehmen <strong>und</strong> kurz oder langfristig<br />

aufrecht zu erhalten<br />

Auditives Gedächtnis<br />

Fähigkeit, akustische Stimuli zu speichern <strong>und</strong> altersgemäß zu reproduzieren<br />

Dichotisches Hören<br />

Fähigkeit, gleichzeitig <strong>und</strong> gleichwertig auftretende verschiedene<br />

Sprachsignale voneinander zu trennen<br />

Lautdiskrimination<br />

Fähigkeit, Sprachlaute zu identifizieren <strong>und</strong> differenzieren<br />

Lautheitsempfinden<br />

Fähigkeit, normal laute akustische Stimuli als nicht zu leise <strong>und</strong> laute<br />

Schallereignisse als nicht zu laut/schmerzhaft zu empfinden<br />

Richtungshören<br />

Fähigkeit, den Entstehungsort, die Richtung <strong>und</strong> die Entfernung eines<br />

Schallereignisses genau zu lokalisieren<br />

Selektivität<br />

Fähigkeit, relevante akustische Informationen von unterschiedlichen <strong>und</strong><br />

unterschiedlich lauten Neben- <strong>und</strong> Hintergr<strong>und</strong>geräuschen effektiv zu trennen


Abhängigkeiten


Kommunikation<br />

Schriftspracherwerb<br />

Sprachverständnis<br />

Phonologische Bewusstheit<br />

<strong>Wahrnehmung</strong> sprachlicher Reize<br />

<strong>Verarbeitung</strong> akustischer Reize<br />

Akustisches Signal<br />

up<br />

bottom<br />

verändert nach Rosenkötter 2003


Auswirkungen von auditiven Problemen auf den Schriftspracherwerb<br />

„LIEB Liebe<br />

jLUA Julia<br />

AFIQFEFam.<br />

Kammal Komm mal<br />

OFi<br />

FROMOSDA<br />

O<br />

SchSOERF<br />

SBRKDR (?)<br />

FLDO<br />

iRaDE<br />

iRiKOASNI<br />

MIRKFLD Mir gefällt<br />

MIRE Omia<br />

FEDiSch fertig<br />

DNSO<br />

DON dein<br />

Alexandre” Alexander<br />

Gr<strong>und</strong>schüler, männlich, Klasse 2<br />

Diagnostizierte AVWS<br />

Hauptschüler, männlich, Klasse 6<br />

Rechtschreibfehler (Gründe: u.a. mangelhafte Phonem-Graphem-Korrespondenz)<br />

<strong>und</strong> fehlerhafte Abstraktion von Handlungs- <strong>und</strong> Bedeutungskontext (hier: Reime<br />

3, 5 <strong>und</strong> 6)


Praevalenz<br />

• 10 - 20 % der Kinder zeigen auditive <strong>Wahrnehmung</strong>sauffälligkeiten (Christiansen)<br />

• Auditive Merkfähigkeitstörungen liegen allein oder in Kombination mit visuellen<br />

Merkfähigkeitsstörungen bei 52% der Kinder mit Lese- Rechtschreibstörungen vor (Werth)<br />

• Bei 80 % der Kinder mit LRS (Anteil an der Schülerschaft: 4 - 17 %) ist der auslösende Faktor<br />

ein phonematisches Defizit (Spitzer)<br />

• 2 - 3 % der Kinder weisen auditive <strong>Verarbeitung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Wahrnehmung</strong>sstörungen auf (USA) (ASHA),<br />

aber 10 - 20 % der Erwachsenen (USA) (Chermak)<br />

• ? % der Kinder/Erwachsenen in Deutschland (Angaben fehlen); vor dem Jahr 2000: 3 - 5%<br />

• 5 - 8 % aller Kinder leiden unter Sprachverständnisstörungen akustischer Art (Spitzer)<br />

Bezug zum System „Schule“<br />

AVWS<br />

als Teil einer Sprachentwicklungsstörung - SEV<br />

<strong>und</strong> Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom - ADS<br />

als Teil einer Lese-Rechtschreibstörung - LRS<br />

Auswirkungen alle Unterrichtsfächer/Verhalten/<br />

Aufmerksamkeit/Konzentration


Vermutete Ursachen von AVWS<br />

• Unzureichende <strong>Wahrnehmung</strong>sangebote<br />

• Mangelhafte Lautprägung/unzureichendes Lautangebot in der Frühphase<br />

• Verzögerte Hirnreifung (Hörbahnen, Hörzentren)<br />

• Genetische Faktoren (AG Legasthenie – Schulte Körne)<br />

• Umweltgifte + Ototoxizität (Universität Hannover, Universität Bielefeld)<br />

• Vorübergehende Schallleitungsschwerhörigkeit (Paukenerguss, Otitis media)<br />

• Osteopathische Fehlfunktionen (Guerrassimiouk)


Schubladen vermeiden!<br />

„Ein Problem, das wir in der täglichen Arbeit hier sehen, ist, dass der<br />

Begriff '<strong>Wahrnehmung</strong>sstörung' als Diagnose gebraucht wird, obwohl<br />

letztendlich hier (völlig unterschiedliche) Auffälligkeiten in den Reaktionen<br />

auf akustische Reize gemeint sind.<br />

Prof. Dr. med. M. Ptok<br />

Direktor der Klinik <strong>und</strong> Poliklinik für Phoniatrie <strong>und</strong> Pädaudiologie, Hannover<br />

Menschen zeigen die selben Reaktionen, die aber ganz anderen Genesen entspringen:<br />

• Störungen der Hörverarbeitung im engeren Sinne<br />

• Primäre Störungen der Aufmerksamkeit<br />

• Störungen der Planungs- <strong>und</strong> Kontrollfunktion<br />

• Umschriebene Gedächtnisstörung<br />

(z. B. der dynamischen Kapazität des Arbeitsgedächtnisses) u. a.“<br />

Eine Diagnostik muss also im Sinne einer Ausschlussdiagnostik erfolgen.<br />

Hierfür benötigen wir die Inanspruchnahme außerschulischer Fachleute.


Vernetzung /Ressourcen kennen <strong>und</strong> nutzen<br />

Kindergarten<br />

Sprachheilberater<br />

Kinderarzt<br />

Hausarzt<br />

Medizinischer Dienst der KV<br />

Ärztliche Fachpraxis<br />

Universitäre Einrichtung<br />

Eltern<br />

Therapeut<br />

Regelschule<br />

Schularzt<br />

Schulpsychologischer<br />

Dienst etc.


Handlungsschema für die Schule anwenden<br />

Bei Verdacht<br />

Bei ersten Hinweisen<br />

Eltern<br />

Bei positiven Bef<strong>und</strong>en Eltern<br />

Förderung<br />

Material<br />

Mottier-Test, Frostig-Test<br />

Screeningbogen (Schule/Elternhaus)<br />

in der Schule/zu Hause: 15 - 20 Minuten pro Tag<br />

siehe nächste Folie<br />

Kinderarzt, Augenarzt, HNO-Arzt, Pädaudiologie, Optometrist<br />

Schulberatungsstelle (Förderung, Fördervorschläge)<br />

Ergotherapie, Logopädie


Schulische Förderansätze kennen <strong>und</strong> anwenden<br />

• Klären Sie mit Eltern <strong>und</strong> Therapeut/in mögliche schulische Fördermaßnahmen ab<br />

• Spiele zum Hören/Sehen im Klassenraum etc.<br />

• Übungen zur phonologischen Bewusstheit - Pig Latin …<br />

• Abzählverse, Gedichte, Reime<br />

• Theaterspiel<br />

• Musikunterricht<br />

• Kunstunterricht<br />

• Sportunterricht, hier vor allem der Kontext „Psychomotorik“<br />

• Übungen + Spiele zum visuellen Kontext - Figur-Gr<strong>und</strong>wahrnehmung …<br />

• PC-Programme: Audilex, Audio I, Curvay, Förderspiele „Hörspaß“, Jigsaw Puzzler, Music-Memo-Game,<br />

„Richtig Lesen lernen“, SensoX, Tangram …<br />

• Optimierung der akustischen/visuellen Kommunikationssituation


Konsequenzen für die Lehrerfortbildung<br />

1. Regelschule<br />

1. Förderschule<br />

(Schuleingangs-) Diagnostik: Screening-Bogen, Mottier-Test<br />

Kollegiale Kooperation zur Absicherung der Beobachtungsergebnisse<br />

Kooperation mit Eltern zur Initiierung häuslicher Fördermaßnahmen<br />

Interdisziplinäre Kooperation<br />

Förderdiagnostisches Agieren<br />

Standards im AO-SF zum Kontext „<strong>Visuelle</strong>/auditive <strong>Verarbeitung</strong> <strong>und</strong> <strong>Wahrnehmung</strong>“<br />

Case-Management<br />

1. Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer benötigen<br />

Kompetenz über den Kontext „<strong>Visuelle</strong>/auditive <strong>Verarbeitung</strong> <strong>und</strong> <strong>Wahrnehmung</strong>“<br />

Informationen über vorhandene Kompetenz (Ansprechpartner)<br />

Kenntnisse über pädaudiologische Verfahrensabläufe<br />

Material (Beobachtung, Testverfahren, Förderung)

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