19.11.2012 Aufrufe

BLICK AUF DIE STADT

BLICK AUF DIE STADT

BLICK AUF DIE STADT

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

PUNKT ECE<br />

Die unrühmliche Chronik von ECE, Teil II<br />

Wenn Kommerz keine Grenzen kennt<br />

Die Maler Franz Meindl (41, oben) und Werner Moritz (48)<br />

starben auf der ECE-Baustelle eines grausamen Stromtods.<br />

Ein entsetzlicher Stromunfall<br />

riss zwei Familienväter aus dem<br />

Leben. Als Maler Werner Moritz<br />

(41) aus Passau und sein Thyrnauer Kollege<br />

Franz Meindl (48) ihr fünf Meter hohes<br />

Gerüst auf Rollen verschoben, sprang von<br />

der 15.000- Volt-Oberleitung der Bahn<br />

ein Lichtbogen über und verbrannte ihre<br />

Körper. Einen Monat danach ist die Frage<br />

noch immer nicht geklärt, wer die Verantwortung<br />

für diese Risikobaustelle trug.<br />

Fast alle Medien haben geschrieben,<br />

dass das Unglück am Hauptbahnhof geschah<br />

und den Zusammenhang mit dem<br />

Einkaufscenter nicht hergestellt. Die Ermittlungen<br />

der Staatsanwaltschaft und die<br />

Vorwürfe der Hinterbliebenen richten sich<br />

Standhafte Mieterin starb<br />

Oma Anna wollte dem „Kasten“ nicht weichen<br />

Anna Haas (86) lehnte Geldangebote<br />

des Investors ab.<br />

Kuchler eingemauert<br />

Er kämpft seit sechs Jahren<br />

3<br />

Oma Anna ließ<br />

sich nicht mit<br />

Geld überzeugen<br />

und Friseurmeister Gerd<br />

Kuchler auch nicht. Der<br />

Hausbesitzer und Nachbar<br />

wehrt sich seit sechs Jahren<br />

über alle Instanzen dagegen,<br />

dass er von ECE eingemauert<br />

wurde.<br />

Seine 14 Mieter sehen von<br />

ihren Balkonen kaum noch<br />

den Himmel, dafür die 20<br />

Meter hohen Betonmauern<br />

des Einkaufscenters und<br />

das Parkdeck.<br />

2<br />

„Wir brauchen<br />

kein so großes<br />

Kaufhaus. In<br />

wenigen Jahren<br />

steht dieser Kasten leer“,<br />

sagte Anna Haas, die letzte<br />

Mieterin aus dem Wohnblock<br />

Bahnhofsstraße 13.<br />

Die 86-Jährige pochte auf<br />

ihr lebenslanges Wohnrecht<br />

und wollte nicht<br />

weichen. Die ECE-Leute<br />

Mit Blumenkübeln,<br />

Holzverkleidungen und<br />

falschen Fenstern hat ECE<br />

die erdrückende Hinterhofatmosphäre<br />

„verschönert“.<br />

Netter Versuch. Es sieht so<br />

aus, als ließen sich Richter<br />

und Bezirksregierung davon<br />

überzeugen.<br />

Darum nimmt Kuchler<br />

erneut Geld in die Hand,<br />

um weiterzukämpfen. Mit<br />

einer Messstation für Lärm<br />

und Abgase will er das<br />

ECE-Parkdeck zum Stillstand<br />

zwingen.<br />

Zwei Familienväter tot<br />

Aus Profitsucht zu nah am Gleis gebaut?<br />

1<br />

versuchten es erst mit<br />

schönen Worten, dann mit<br />

Druck. Den 20 Parteien<br />

lockte eine Erfolgsprämie,<br />

wenn das Haus entmietet<br />

ist. „Deutschlands älteste<br />

Hausbesetzerin“ starb am<br />

30.Mai 2006 - exakt einen<br />

Monat später wäre die Frist<br />

für Stadt und Investor abgelaufen,<br />

vom Vertrag zurückzutreten.<br />

ECE versucht es mit Mauer-<br />

Kosmetik (unten): Friseur<br />

Kuchler besänftigt das nicht.<br />

9<br />

in Wahrheit gegen den Generalunternehmer<br />

des Hamburger Investors. Die Maler<br />

sollten eine Begrenzungsmauer des Einkaufscenters<br />

zur elektrifizierten Hauptbahnstrecke<br />

verputzen.<br />

Kein normaler Hausbesitzer käme auf<br />

die Idee, sein Gebäude so nah ans Gleis<br />

zu bauen. Aber in diesem Fall war wohl<br />

entscheidend, dass kein Quadratmeter an<br />

Mietfläche verloren gehen sollte.<br />

Vier Kinder verloren ihre Väter. Eine<br />

Witwe kämpft um ihre Existenz und Eltern<br />

mit der Trauer. Die Angehörigen bezweifeln,<br />

dass es je zu einer Anklage kommen<br />

wird und suchen Hilfe bei Anwälten.<br />

Denn Leichtsinn ist eine einfache Erklärung,<br />

aber nicht die Wahrheit.<br />

Nur Ärger mit<br />

dem Verkehr<br />

4<br />

Bis zu 4000<br />

Fahrzeuge müssen<br />

täglich zum<br />

Center gelangen, damit<br />

es überleben kann. Deshalb<br />

wurden innerstädtische<br />

Verbindungen<br />

gekappt, das Verkehrskonzept<br />

auf den Kopf<br />

gestellt. Hauptstraßen<br />

wurden Geisterbahnen,<br />

Anwohnerstraßen<br />

Schleichwege.<br />

Prozess wegen<br />

Sklavenlohn<br />

Vor einem Berliner Strafgericht<br />

steht ein Prozess<br />

wegen des Passauer ECE<br />

an. Ein Subunternehmer<br />

hat Arbeiter aus den<br />

ärmsten Teilen der Türkei<br />

einfliegen lassen. Verbotene<br />

Leiharbeiter. Sie<br />

durften für Sklavenlöhne<br />

von 5 Euro die Stunde<br />

schuften. Verstoß gegen<br />

das Mindestlohngesetz.<br />

Ein Eisenflechter, der<br />

nach einem Unfall abgeschoben<br />

werden sollte,<br />

wurde Kronzeuge des<br />

Zolls.<br />

Hausverbot für<br />

kritische Medien<br />

Nach diesem Lohnskandal<br />

blieb die Großbaustelle<br />

Zielscheibe der<br />

Zollfahnder. Zu einer<br />

dieser Routinekontrollen<br />

luden die Ermittler<br />

die lokalen Medien ein.<br />

Bürgerblick war auch dabei.<br />

Da verweigerte der<br />

ECE-Verantwortliche<br />

der Presse den Zutritt.<br />

Bürgerblick bekam schon<br />

vor drei Jahren im ECE<br />

Bayreuth Fotoverbot:<br />

Die Center-Chefin hieß<br />

damals Tanja Popp, heute<br />

zuständig für Passau.<br />

Industriedenkmal<br />

verloren<br />

Das Kraftwerk<br />

5<br />

Kachlet und die<br />

Innsteg-Turnhalle<br />

sind Industriedenkmäler<br />

aus dem<br />

19. Jahrhundert. Der<br />

Lockschuppen (erbaut<br />

1860) hinter der Bahnhofsstraße<br />

war auch ein<br />

hübscher Ziegelbau aus<br />

dieser Zeit. Eine ideale<br />

Martkhalle. Von ECE<br />

eingestampft.<br />

Photos: Tim Lilling, Lukas Musilek, Hubert Denk, Privat (2).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!