Fundplätze wie <strong>et</strong>wa im brandenburgischen Friesack (Havelland) sowie Küsten- und Unterwasserfundemittelsteinzeitlicher Fundstellen im Gebi<strong>et</strong> der heutigen Ostsee <strong>et</strong>was mehr Auskunft. Im Moorboden,in Sedimenten an Seeufern und unter Wasser an Küstenbereichen haben sich dort selbst Gegenständeaus Holz und Pflanzenfasern erh<strong>al</strong>ten, die eindrucksvoll zeigen, dass die mesolithischen Gemeinschaftenüber ein breites Spektrum von Werkstoffen außerh<strong>al</strong>b der Steinbearbeitung verfügten.Leider lassen sich die Lebens- und Umweltbedingungen der dam<strong>al</strong>igen Bevölkerung Mitteleuropasbisher nur an wenigen Fundstellen näher beleuchten. Aus dieser Zeit liegen, wie bereits erwähnt, meistnur typische Steingeräte vor, die auf den in großer Zahl entdeckten Oberflächenfundplätzen aufgelesenwerden können. Diese Situation änderte sich im Frühjahr 2004: In der mit m<strong>et</strong>erhohen Sedimentenverfüllten, ursprünglich wesentlich größeren Blätterhöhle am Felsmassiv des Weißensteins im Lenn<strong>et</strong><strong>al</strong>bei Hagen-Holthausen entdeckten Höhlenforscher zahlreiche Menschenreste. Eine erste 14 C-Datierungplatzierte völlig unerwart<strong>et</strong> das Schädeldach eines <strong>et</strong>wa 35-jährigen Mannes mit einem Alter von <strong>et</strong>wa10.700 Jahren an den Beginn des Mesolithikums. Dies machte ihn zum derzeit ältesten datiertenSkel<strong>et</strong>tfund des Homo [sapiens] sapiens in Westf<strong>al</strong>en, wobei ein (nachträglich im Altbestand entdeckter)Schädelrest aus der B<strong>al</strong>ver Höhle mit rund 10.400 Jahren nur wenig jünger ist. 14 C-Datierungenweiterer Skel<strong>et</strong>treste haben ergeben, dass in der Blätterhöhle über einen offenbar längeren ZeitraumAusgrabungen in der Blätterhöhle inHagen-Holthausen, 24.5.2007 (Foto:Jörg Orschiedt).– 60 –
im Frühmesolithikum die Überreste mehrerer Menschen bestatt<strong>et</strong> oder deponiert wurden, darunterauch (mindestens) ein <strong>et</strong>wa fünfjähriges Kind.Neben den in die frühe Mittelsteinzeit datierten Menschenresten stammen aus der Blätterhöhlesowie von ihrem Vorplatz weitere, über 14 C-Datierungen in verschiedene Abschnitte des Mesolithikumseinzuordnende Funde und Befunde, darunter auch Mikrolithen (siehe unten), Tierknochen undFeuerstellen. Einige Steinartefakte verweisen auf tiefer liegende, noch ältere Fundschichten aus derspäten Altsteinzeit, die bei zukünftigen Grabungen untersucht werden können. Die seit 2010 von derDFG geförderten Untersuchungen in und vor der Blätterhöhle werden ohne Frage unsere bislang nochgeringe Kenntnis vor <strong>al</strong>lem zu dem frühen Abschnitt des Mesolithikums bereichern. Die Ergebnisse derUntersuchungen dieser bis zu ihrer Entdeckung unberührten Höhle dokumentieren eindringlich, welchewichtigen Befunde durch das Ausräumen und unsystematische Ausgraben in den südwestfälischenHöhlen im 19. und 20. Jahrhundert unwiederbringlich zerstört wurden.Steinerne Waffenprojektile <strong>al</strong>s InformationsträgerZumeist kommt die Mittelsteinzeit jedoch weit weniger spektakulär <strong>al</strong>s in der Blätterhöhle daher. Derganz überwiegende Teil der Relikte aus dieser Zeit sind Oberflächenfundplätze mit oft Dutzenden vongeom<strong>et</strong>rischen, meist dreieckig geformten Pfeileinsätzen (Mikrolithen) aus Feuerstein, Quarzit oderKieselschiefer. Viele von ihnen wurden in einer speziellen M<strong>et</strong>hode hergestellt, in der »Kerbbruchtechnik«,andere ohne diese Vorbereitung direkt aus Lamellen oder kleinen Abschlägen gefertigt. Anhandder Zusammens<strong>et</strong>zung, Bearbeitung und Formgebung von Mikrolithen im Inventar eines Fundplatzeskönnen nach Vergleichen durchaus Rückschlüsse auf die ungefähre Datierung und Einordnung gezogenwerden. Der überwiegende Teil der mesolithischen Fundstellen in Südwestf<strong>al</strong>en gehört offenbarin die frühen und mittleren Stufen des Mesolithikums, somit in die Klimaphasen des Präbore<strong>al</strong>s undBore<strong>al</strong>s. Dies belegen vor <strong>al</strong>lem die Formen der dort gefundenen Mikrolithen, die sich mit über dieRadiokarbon-M<strong>et</strong>hode datierten Fundstellen in Höhlen und im Freiland vergleichen lassen. Fundplätzeaus jüngeren und späten Abschnitten der Mittelsteinzeit, zwischen <strong>et</strong>wa 9000 bis 7500 Jahren vorheute, sind dagegen seltener; typisch für diese Zeit waren viereckige geom<strong>et</strong>rische Mikrolithen. Aufdem Vorplatz der Blätterhöhle in Hagen wurde erstm<strong>al</strong>ig auf einem Fundplatz in Nordrhein-Westf<strong>al</strong>eneine über 14 C-Proben datierbare und den Mikrolithen-Formen par<strong>al</strong>lelisierbare Stratigraphie von derfrühen bis zur späten Mittelsteinzeit erschlossen, wie sie <strong>et</strong>wa in Süddeutschland und im niedersächsischemBergland schon seit längerer Zeit belegt ist.Ein Oberflächenfundplatz auf der Lenn<strong>et</strong>errasse bei Hagen-Garenfeld sowie (bisher) eine Fundschichtauf dem Vorplatz der Blätterhöhle lieferten in der Region auch flächig überarbeit<strong>et</strong>e Mikrolithen.Sie kommen auf der östlichen Seite des Rheins nur vereinzelt vor, sind aber für eine im heutigenlinksrheinischen, belgisch-niederländischen Gebi<strong>et</strong> verbreit<strong>et</strong>e Sondergruppe (Rhein-Maas-Schelde,RMS) typisch. Die desh<strong>al</strong>b naheliegende Vermutung, dass es Kontakte zwischen unserem Raum unddiesem Gebi<strong>et</strong> gab, wird auch durch Untersuchungen des verwend<strong>et</strong>en Rohmateri<strong>al</strong>s für die Steinbearbeitunggestützt. Bereits in einigen frühmesolithischen Inventaren find<strong>et</strong> sich immer wieder auchMaasfeuerstein aus den Rheinschottern, darunter auch so genannte Maaseier (im Fluss glatt wieein Kiesel geschliffene Feuersteinknollen), wie Fundplätze im Karbonhügelland und die Blätterhöhleexemplarisch belegen. Einzelne Artefakte von mesolithischen Oberflächenfundplätzen in der Region– 61 –