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s Stadtsparkasse Augsburg Kulturtermine Seite 10/11 - a3kultur

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07<br />

19. November bis 2. Dezember 2012<br />

orient in augsburg<br />

von Prof. Dr. Wolfgang E. J. Weber<br />

Dass Europa und der so genannte Orient schon<br />

früh miteinander zu tun hatten und sich wechselseitig<br />

ganz erheblich beeinflussten, wird erst richtig<br />

deutlich, wenn sich dieses Verhältnis im<br />

lokalen oder regionalen Rahmen konkret nachvollziehen<br />

lässt. Im Hinblick auf <strong>Augsburg</strong> kann<br />

dieser Nachweis eindrucksvoll geführt werden.<br />

Das zeigt ein Projekt des Instituts für Europäische<br />

Kulturgeschichte der Universität <strong>Augsburg</strong>.<br />

Schon die römischen Stadtgründer brachten u. a.<br />

aus Syrien stammende Legionäre an den Lech. Ob<br />

diese Männer – was uns heute interessieren würde<br />

– genetische Spuren hinterließen, ist noch nicht<br />

untersucht. Was wir von ihnen fassen können,<br />

sind jedoch archäologische Zeugnisse ihrer Kulte,<br />

voran der Königsbrunner Mithras-Schrein.<br />

Aber auch die Christianisierung, die sich nach<br />

dem germanischen Barbarensturm durchsetzte,<br />

bedeutete Orientierung am Orient – konkret am<br />

Heiligen Land –, v a. in Form der Einführung<br />

biblisch-christlicher Begriffe und sonstiger Wissensbestände.<br />

Auch im Kirchenbau und in der<br />

Kirchenausstattung, in den Kultformen, sowie in<br />

der Ausrichtung des gesamten religiösen Horizontes<br />

schlug sich diese Orientierung nieder.<br />

Im <strong>11</strong>./12. Jahrhundert erlebte <strong>Augsburg</strong> den<br />

Durchmarsch von Kreuzrittern, denen sich auch<br />

Einheimische angeschlossen haben dürften. Die<br />

Wenigen, die zurückkamen, brachten neue – arabische<br />

– Wörter mit, aber auch neue Kenntnisse<br />

und Fertigkeiten oder Textilien und kleine Kunstgegenstände.<br />

Historisch-kulturell wirksamer<br />

waren die anschließenden Pilgerreisen – so z. B.<br />

die Fahrt des Lorenz Egen 1385 oder diejenige des<br />

Jörg Mülich von 1449 – bzw. die zunächst hand-<br />

Von Anfang an präsent<br />

Anzeige:<br />

ALBRECHT DÜRER<br />

GESTOCHEN SCHARF<br />

UND FEIN GESCHNITTEN<br />

das gesamte druckgrafische werk<br />

12.<strong>10</strong>.2012 – 27.01.2013<br />

diözesanmuseum st. afra, schaezlerpalais<br />

und grafisches kabinett, augsburg<br />

schriftlichen, dann bald gedruckten Berichte<br />

über diese Reisen. In 15. Jahrhundert war die<br />

europäisch wichtige Reichsstadt <strong>Augsburg</strong> auch<br />

schon längst in die Konfrontation und in den<br />

Kontakt mit dem Osmanischen Reich einbezogen.<br />

Ab 1453, nach dem Fall Konstantinopels,<br />

wurde auch in <strong>Augsburg</strong>, wie überall, die Türkenglocke<br />

geläutet. 1473 ritt der türkische Prinz<br />

Calixtus Otmanus, wie er latinisiert genannt<br />

wurde, an der <strong>Seite</strong> Erzherzog Maximilians zum<br />

Reichstag in die Stadt ein.<br />

Ab 1500 machten Türkenkriegsschriften einen<br />

wesentlichen Teil des <strong>Augsburg</strong>er Druckes aus.<br />

Gleichzeitig begann sich das Interesse der <strong>Augsburg</strong>er<br />

Fernhandelshäuser an türkischen oder<br />

über die Türkei importierten Produkten zu verstärken.<br />

Die Barchentweberei, deren Namen aus<br />

dem Arabisch-Persischen stammt, bezog ihren<br />

Rohstoff bis ins 19. Jahrhundert maßgeblich aus<br />

dem Orient. Andere <strong>Augsburg</strong>er Wirtschaftsinteressen<br />

waren auf den indischen Gewürzhandel<br />

gerichtet, die entsprechende Erkundungsfahrt<br />

Balthasar Sprengers schlug sich in einem der frühesten<br />

europäischen Indienberichte nieder. Umgekehrt<br />

fertigten <strong>Augsburg</strong>er Kunsthandwerker seit<br />

1547 einen erheblichen Teil der sogenannten Türkengaben,<br />

also jener Tributgeschenke, die der<br />

Kaiser nach Istanbul senden musste, um den Sultan<br />

gnädig zu stimmen.<br />

In den <strong>Augsburg</strong>er Bibliotheken nahm der Bestand<br />

an landeskundlich-historischen und islamkundlichen<br />

Büchern zu, selbst einer der frühesten<br />

Korandrucke ist nachgewiesen. Zu den Beschaffern<br />

medizinisch-naturwissenschaftlicher Kenntnisse<br />

im Orient selbst zählte der dadurch berühmt<br />

gewordenen <strong>Augsburg</strong>er Arzt Dr. Leonhard Rauwolf.<br />

1557 konnten im Garten Hans Heinrich<br />

Herwarts die erste Tulpe jenseits der Alpen und ab<br />

1580 in einem Gehege der Fugger orientalische<br />

Tiere bestaunt werden. Zur selben Zeit belegt der<br />

Briefwechsel Hans Fuggers einen lebhaften indirekten<br />

und direkten Handel mit dem türkischarabischen<br />

Raum, der von Schmuckwaffen, Zelten,<br />

Lederbechern über Wasserpfeifen und Teppichen<br />

bis zu Araberpferden reichte. Aber auch ein Teil<br />

der in <strong>Augsburg</strong> verkauften und verzehrten Ochsen<br />

stammte aus einem osmanisch beherrschten<br />

Bereich, in diesem Fall aus Ungarn.<br />

1582 wusste der Chronist Georg Kölderer sowohl<br />

Erstaunliches als auch Empörendes über das Fest<br />

der Beschneidung des türkischen Sultans in Istanbul<br />

zu berichten. Worauf er sich maßgeblich<br />

stützte, waren die Fuggerzeitungen, deren Berichterstattung<br />

entsprechend weit reichte. 1592 finanzierten<br />

die Fugger eine eigene Truppe zur<br />

Türkenabwehr in Kroatien; am »langen Türkenkrieg«<br />

1593 bis 1606 waren auch viele andere<br />

<strong>Augsburg</strong>er beteiligt. 1598 kam ein erster türkischer<br />

Kriegsgefangener in die Region. In Dillingen<br />

am Sitz des <strong>Augsburg</strong>er Bischofs, wurde er<br />

als »Otto Dillinger« christlich getauft.<br />

1653 paradierte die Stadtgarde anlässlich der<br />

Wahl des römischen Königs unter »türkischer<br />

Musik« (Janitscharenmusik). In den 1680er Jahren<br />

machte sich der evangelische Pastor Matthias<br />

Friedrich Beck durch Sammlung und Erforschung<br />

vielfältiger Orientalia einen weit bekannten<br />

Namen. Wenig später weilte der »Türkenlouis«<br />

Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden in<br />

Günzburg, in seinem Gefolge u. a. die »Beutetürkin«<br />

Fatme, die als Augusta Marianna Coelestine<br />

Fatme in einer großen Feier katholisch getauft<br />

wird. Nach dem Tod des Markgrafen zieht Fatme<br />

1707 als künftige Gemahlin des Grafen Friedrich<br />

Magnus zu Castell-Remlingen in das Haus Maximilianstraße<br />

48 ein, das ihr wenig später von diesem<br />

überschreiben wird. Bereits 17<strong>10</strong> eröffnete in der<br />

Lechstadt das erste Kaffeehaus.<br />

Während auf der einen <strong>Seite</strong> u. a. Pastor Samuel<br />

Urlsberger Spenden für den Freikauf christlicher<br />

Gefangener im türkischen Gewahrsam sammelte<br />

und 1740 ein Fastenspiel aufgeführt wurde, das<br />

die Freilassung eines Christen durch die Gnade<br />

des Sultans behandelte, erfuhr der Export insbesondere<br />

von <strong>Augsburg</strong>er Silber- und Goldwaren in<br />

den Orient und der Import von Textilien sowie<br />

Färbemitteln, von dort neuen Aufschwung. 1770<br />

konnte Maria Theresa im <strong>Augsburg</strong>er Jesuitentheater<br />

das Stück »Die drei Sultaninnen« genießen.<br />

Ihm folgte 1791 die Aufführung von Mozarts »Entführung<br />

aus dem Serail«. Gleichzeitig begannen<br />

sich die <strong>Augsburg</strong>er Bibliotheken mit orientalischer<br />

Literatur, Reisebschreibungen, Landeskunden<br />

usw. anzufüllen.<br />

Im 19. Jahrhundert waren auch <strong>Augsburg</strong>er – u. a.<br />

durch Maschinenlieferungen – an den Reformen<br />

des Osmanischen Staates und an dessen Industrialisierung<br />

beteiligt. Der Bankier Carl Obermayer<br />

erhielt 1869 für seine Verdienste dafür einen<br />

hohen türkischen Orden. Der <strong>Augsburg</strong>er Arzt<br />

Theodor Bischoff ließ sich nach langjähriger Tätigkeit<br />

in türkischen Diensten 1860 in Aleppo nieder,<br />

blieb aber als Mitglied des <strong>Augsburg</strong>er naturwissenschaftlichen<br />

Vereins mit seiner Heimatstadt<br />

verbunden.<br />

1870 entstand die Handwerkerkapelle »Die Janitscharen«,<br />

1897 der Laienspielverein »Die lustigen<br />

Türken«. Aber auch die orientalisierende Architektur<br />

hielt Einzug in die Stadt: Zahlreiche Häuser in<br />

der Volkhart-, Herwart, Alpen- und Provinostraße,<br />

die Karl Albert Gollwitzer in den 1880er Jahren<br />

gestaltete sind Zeugnisse hierfür. Wer wollte,<br />

UNiVeRS / gaStBeitRag<br />

Kartenvorverkauf (39€/ 34€/ 29€) + VVK 3€<br />

konnte zudem ab 1883 am Hauptbahnhof den<br />

berühmten Orient-Express besteigen, um nach<br />

Istanbul zu gelangen. Wenig später wurde eine<br />

Deutsche Orientgesellschaft gegründet, der Vertreter<br />

aller wichtigen Unternehmen <strong>Augsburg</strong>s<br />

angehörten.<br />

Bald nach der Jahrhundertwende finden wir auch<br />

<strong>Augsburg</strong>er unter den Teilnehmern der Volkswallfahrten<br />

nach Palästina. Der Maschinenexport,<br />

darunter jetzt vor allem Dieselmotoren von MAN,<br />

nahm weiter zu. 1917, im vorletzten Jahr des<br />

Ersten Weltkriegs, begann die Stadt, Türkischunterricht<br />

anzubieten, es entstand der erste Deutsch-<br />

Türkische Verein und die ersten türkischen<br />

Jugendlichen gelangten an den Lech, um eine<br />

gewerbliche Ausbildung zu absolvieren.<br />

In der Zwischenkriegszeit intensivierte sich das<br />

kulturelle Interesse der <strong>Augsburg</strong>er am Orient,<br />

wie sich an Buchkäufen, Vorträgen und Aufführungen<br />

ablesen lässt. Nachdem schon in den<br />

1950er Jahren einzelne Personen aus der türkischen<br />

Republik <strong>Augsburg</strong>er Betriebe besuchten,<br />

begann 1963 die Anwerbung türkischer Arbeitskräfte<br />

zunächst vor allem durch die Bauwirtschaft,<br />

aber auch durch die Stadt (Straßenreinigung)<br />

und dann durch den Maschinenbau und die Textilindustrie.<br />

Bereits 1965/66 setzte das türkisch-islamische<br />

Vereinsleben ein, seit den 1980er Jahren<br />

bildete sich dasjenige Geflecht von Organisationen,<br />

Institutionen und Kontakten aus, das wir<br />

heute kennen und schätzen.<br />

Die Verleihung des Friedenspreises der Stadt an<br />

den jordanischen Prinzen El Hassan bin Talal im<br />

Jahr 2008 war nicht zuletzt ein Zeichen der<br />

Wertschätzung gegenüber den Menschen aus<br />

dem heutigen arabischen Raum, die in den letzten<br />

Jahrzehnten immer zahlreicher nach <strong>Augsburg</strong><br />

kamen.<br />

Wolfgang E. J. Weber<br />

Jahrgang 1950, ist Professor<br />

für Neuere und<br />

Neueste Geschichte,<br />

insbesondere EuropäischeKulturgeschichte<br />

sowie Direktor und<br />

Geschäftsführender<br />

Wissenschaftlicher Sekretär<br />

des Instituts für Europäische Kulturgeschichte<br />

(IEK) der Universität <strong>Augsburg</strong>.<br />

Veranstalter:<br />

BÜRGERSTIFTUNG<br />

AUGSBURGER LAND<br />

Von Bürgern für Bürger<br />

www.buergerstiftung-augsburger-land.de<br />

w w w . a 3 k u l t u r . d e

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